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www.che-consult.de ‚Bologna‘ in der Praxis Probleme, Fragen, Trends, Thesen Ludwig Voegelin 21.01.08

‚Bologna‘ in der Praxis Probleme, Fragen, Trends, Thesen · HSK Bologna 21./22.01.2008 3 Ziele der Studienstrukturreform Vergleichbarkeit deutscher und international üblicher

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‚Bologna‘ in der PraxisProbleme, Fragen, Trends, Thesen

Ludwig Voegelin21.01.08

HSK Bologna 21./22.01.2008 2

Gliederung

1. Ziele des Bologna-Prozesses2. Zum Stand der Umsetzung, quantitativ3. Ausgewählte Probleme bei der Gestaltung der Curricula

a) Studienzugangb) „learning outcome“c) Gestaltung der Curricula, Modularisierungd) Schlüsselkompetenzene) Prüfungssystem und Abschlussarbeitf) ECTSg) internationale Vergleichbarkeit

4. Studierbarkeit in der Regelstudienzeit5. Akkreditierung6. Diskussion und Ausblick

HSK Bologna 21./22.01.2008 3

Ziele der Studienstrukturreform

Vergleichbarkeit deutscher und international üblicher AbschlüsseInternationalisierung des Studiums und der Abschlüsse„Diploma supplement“ und „transcript of records“ECTSModularisierungOrientierung der Curricula am „learning outcome“, den zu erwerbenden KompetenzenBerufsbefähigung nach frühem ersten akademischem AbschlussForschungsorientierung der Masterstudienprogramme

HSK Bologna 21./22.01.2008 4

Studienangebotsentwicklung

SoSe

2004 WiSe

07/08

12.000

9.000

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

11.000

10.000

B/M gesamt

Bachelor

Master

Quelle: HRK

SoSe

2010

Prognose

Alle Studien-gänge

HSK Bologna 21./22.01.2008 5

Studiengangsentwicklung nach Hochschularten

davonHochschulart Studien-gängeinsgesamt Bachelor Master zusam-

men% von insge-samt

Universitäten

Fachhochschulen

Kunst-u. Musikhochschulen

7.500

3.000

700

2.400

1.700

50

1.800

900

50

4.200

2.600

90

55,2

74,2

13,8

Hochschulartengesamt

11.200 3.400 2.240 5.640 61,1

Quelle: HRK-Statistiken zur Hochschulpolitik, 3/2007

HSK Bologna 21./22.01.2008 6

Studiengangsentwicklung nach FächergruppenGestufte Studiengänge, Stand WS 07/08

davonAusgewählteFächergruppen

Studien-gängeinsgesamt Bachelor Master zusammen % von

insge-samt

Ingenieurwissen-schaften

Naturwissenschaften

Rechts-, Wirtschafts-,Sozialwissenschaften

Sprach-,Kulturwiss.

2.200

2.000

2.300

4.700

1.000

850

1.000

1.300

700

530

900

700

1.700

1.380

1.900

1.600

79

62

78

43

Hochschulartengesamt

11.800 3.400 2.830 6.980 60

Ein Studiengang kann mehreren Fächergruppen zugeordnet sein.

Quelle: HRK-Statistiken zur Hochschulpolitik, 3/2007

HSK Bologna 21./22.01.2008 7

Studierendenzahlen

WiSe 2005/2006Studierende gesamt

2.000.000

Master

46.000

Bachelor

203.000

% von Gesamt: 12,5

WiSe 2006/2007

Studierende gesamt

2.000.000

Bachelor

330.000

Master

56.000

% von Gesamt: 19,5

WiSe 2006/2007

Studienanfängergesamt

380.000

Bachelor

155.000

Master

20.000

% von Gesamt: 46 % Quelle: HRK-Statistiken zur Hochschulpolitik, 3/2007

HSK Bologna 21./22.01.2008 8

Studienzugang

Zahl derErstsemester-

Studienplätze fürBachelor-Stge.

bessere Betreu-ungsverhälnis-

se

Erhalt oder Steige-rung der Anfänger-

zahlen(HP 2020)

Realisierung vonneuen Studien-

gängen

Realisierung vonMasterstudien-

gängen

kein Zuwachs anLehrpersonal

Finanzierung nachIndikatoren

(Studierenden-zahlen)

Kapazitätsver-ordnung

HSK Bologna 21./22.01.2008 9

Studienzugang II

(mögliche, wahrscheinliche) Konsequenzen:

hochschulspezifischer Numerus Clausus für viele Studiengänge (insb. Fachhochschulen)Auswahlverfahren für BewerberInnen (neben Abiturnote)

mangelnde Ausnutzung von SynergieeffektenKleine Fächer haben besondere Probleme bei der Realisierung von Masterstudiengängen.

Eine gute Durchschnittsnote im Abitur garantiert weder einen Studienplatz am Ort der Wahl, noch in dem gewünschten Studienfach.Die ‚Guten‘ finden bessere Studienbedingungen vor.Nicht alle Bachelor-Absolventen, die das wollen, werden einen Studienplatz in Masterprogrammen finden.

Diese Effekte werden bei in den nächsten Jahren steigenden Studierwilligen- und Bachelor-Absolventenzahlen zunehmen.

HSK Bologna 21./22.01.2008 10

Ziele des Studiums I (planerisch)

fachliche Kompetenzen

methodische Kompetenzen

„learningoutcome“

berufsorientierte Handlungskom-petenzen

Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeitshandeln

Befähigung zu beruflichem Arbeitshandeln

definiert in der Studienordnung(Ziele des Studiums)

realisiert im Curriculum(Studienverlaufs/Modulplan)

HSK Bologna 21./22.01.2008 11

Ziele des Studiums II (real)

Probleme in der Umsetzung

Dominanz der (tradierten) fachlichen AusbildungsinhalteOrientierung an den bisherigen Curriculamangelnde Exemplarität der Auswahl der Studieninhalte bei verkürzter Studiendauermangelnde Einbeziehung der beruflichen Anforderungen (insb. Universitäten)mangelnde Qualifizierung des Lehrpersonals für neue Lehrformen (E-learning, „team teaching“ usw.)mangelnde Ausstattung

HSK Bologna 21./22.01.2008 12

Gestaltung der Curricula I

These 1Bedingt durch die Verkürzung der Regelstudienzeiten und durch die Anforderungen der Akkreditierungsverfahren ist mit dem Bologna-Prozess eine bislang unbekannte Reformdiskussion in den Fächern über die Struktur des jeweiligen Fachs und seiner Ausbildungsinhalte insb. an Universitäten ausgelöst worden.

These 2In den Diskussionen über die inhaltliche Neugestaltung der Curricula habenmeist die bisherigen Vorstellungen über die fachliche Ausbildung im Curri-culum dominiert.

These 3Dadurch sind die Curricula insb. der Bachelor-Studiengänge fachlich undmit Präsenzstunden überlastet.

These 4 Dies ist insb. ein Problem bei den Curricula für Bachelor-Studiengängenan Universitäten.

HSK Bologna 21./22.01.2008 13

Gestaltung der Curricula II

These 5Modularisierung, also die Zusammenfassung von aufeinander bezo-genen Lerninhalten in einem Lehrmodul hat nicht immer stattgefunden. Vielfach bestehen Module aus der Addition der bisherigen einzelnen Lehrveranstaltungen.

These 6Die Zusammenarbeit von Lehrenden in einem Modul („team teaching“) stellt eine besondere Herausforderung dar.

These 7Die Gestaltung der Curricula unter Einbeziehung von Selbststudium und eigenverantwortlichem Wissens- und Kompetenzerwerbs als Ergänzung und als Ersatz von Präsenzlehre unter mentorieller Betreuung ist noch nicht verbreitet.

HSK Bologna 21./22.01.2008 14

Schlüsselkompetenzen

Der Erwerb fachübergreifender, berufsbezogener Handlungs-kompetenzen (Schlüsselkompetenzen (Fremdsprachen, Präsentationsfähigkeit, IT, Teamfähigkeit, Organisationsfähigkeit, Interdisziplinarität, usw.) soll regelhafter und obligatorischer Bestandteil jedes Curriculums sein; sie sind mit Credits zu belegen. Sie sind als Bestandteil des Bachelor-Abschlusses als erstem berufsqualifizierenden Abschluss unabdingbar.

Beobachtungen/Thesen:Ihr prozentueller Anteil am Gesamtworkload ist oft gering.Das Angebot wird oft an besondere Institutionen (Fachbereiche,Zentren) ausgelagert.Die Wahlmöglichkeiten, wie man diese Credits erwerben kann, sindoft sehr groß.Eine Integration in fachliche Module findet seltener statt.Ihr Erwerb ist mit Praxisphasen im Studium oft nicht hinreichendvernetzt.

HSK Bologna 21./22.01.2008 15

Prüfungssystem I: Grundstruktur

Jedes Modul ist mit einer Modulprüfung abzuschließen, deren Ergebnis in die Abschlussnote eingeht. Bei endgültigem Nichtbestehen einer Modulprüfung (ab dem 1. Fachsemester) gilt die Abschlussprüfung als nicht bestanden.Mit dem Modul verbundene Credits können nur nach einer bestandenen Modulprüfung erworben werden.

Konsequenzen I:Bereits Prüfungsnoten im 1. Semester können die Gesamtnote im Abschluss beeinflussen.Konsekutiv angelegte Module können erst dann besucht werden, wenn das vorlaufende Modul bestanden ist.Lernleistungen wie Praktika u.a. müssen mit einer kontrollierten Studienleistung abgeschlossen werden.Das Selbststudium ist in diesem System nur schwer zu erfassen.

HSK Bologna 21./22.01.2008 16

Prüfungssystem II: Modulprüfungsformen

Jedes Modul besteht aus einzelnen Lernangeboten und –verpflichtungen (Präsenzlehre, Selbststudium usw.). In der Modulprüfung wird das erworbene Fachwissen in diesem Kontext abgeprüft.

Die Realität:

Modell I

LV 1

LV 2

Übung 1

Selbst-studium

Modell II

LV 1

LV 2

Übung 1

Selbst-studium

Mod

ulpr

ü-fu

ng=

DTeil-prüfung 1

Mod

ulpr

üfun

g

Teil-prüfung 2

Prüfungs-vorausset-zung

Durch Modell II steigt die Zahl der Prüfungen erheblich.

Das Prüfungssystem stellt insb. für die Geistes- und Sozialwissenschaften eine erhebliche Neuerung dar.

HSK Bologna 21./22.01.2008 17

Prüfungssystem III: Abschlussarbeit

Für eine Bachelor-Arbeit dürfen max. 12 Credits (entsprechen ca. 9 Wochen) vergeben werden. Für die Master-Arbeit sind bis zu 30 Credits (ein halbes Jahr) vorgesehen (KMK-Beschlüsse).

Konsequenzen:

Die Bachelor-Arbeit muss im 6. Semester neben noch zu studierenden Modulen geschrieben werden.Da sie wesentlicher Ausweis gegenüber späteren Beschäftigern ist, wird sie vermutlich längere Arbeitszeiten in Anspruch nehmen.Es erscheint fraglich, ob die Lehrenden die Themen der Bachelor-Arbeit demgemäß dimensionieren können.

HSK Bologna 21./22.01.2008 18

ECTS

Nach den Vorgaben der KMK ist von einem studentischen Arbeitsvolumen von 1800 Stunden pro Jahr auszugehen. Pro Studienjahr werden 60 Credits vergeben, demgemäß entspricht 1 Credit 30 Arbeitsstunden.

Wahrnehmungen:– Erstmals ist die zeitliche Belastung der Studierenden durch das

Curriculum in den Blick genommen worden.– Die Aufteilung der Credits auf die Module ist i.d.R. ohne empirische

Erfahrungen mit der Arbeitsbelastung der Studierenden erfolgt.– Die Vorgabe von 30 Credits pro Semester hat weniger zu Überlegungen

über den „workload“ als zu Rechenexperimenten geführt.– Die Vorgabe von dem Erwerb von 30 Credits pro Semester realisiert

nicht die Erwerbstätigkeit von Studierenden.

HSK Bologna 21./22.01.2008 19

Internationale Vergleichbarkeit

Durch die Einführung der gestuften Studienabschlüsse soll die Anerkennung deutscher Abschlüsse im Ausland verbessert werden.Durch die Internationalisierung des Studiums (Fremdsprachenerwerb, Auslandssemester und –praktika) sollen internationale Kompetenzen erworben werden.

Thesen:Durch die gestuften Abschlüsse sind die deutschen Abschlüsse im Ausland leichter erkennbar und identifizierbar geworden.Eine Anerkennung findet gleichwohl erst nach einer inhaltlichen Überprüfung der Abschlüsse im Einzelnen statt.In 6-semestrigen Bachelorstudiengängen kann nur durch sorgfältig gestaltete Kooperationsverträge ein Auslandssemester ohne Zeitverlust realisiert werden.

HSK Bologna 21./22.01.2008 20

Studierbarkeit in der Regelstudienzeit I

Empirische Regelstudienzeiten

davonBachelor Studiengänge

Insge-samt

6 Semester 7 Semester 8 Semester

Ge-samt

% Gesamt % Gesamt %

davon 4.100 3.100 76 800 20 150 4

Universitäten 2.350 2.250 96 70 3 17 1

Fachhochsch. 1.700 850 50 700 41 114 9

davonMaster-Studiengänge

Insge-samt

2 Semester 3 Semester 4 Semester

Ge-samt

% Gesamt % Gesamt %

davon 2.700 200 7 500 19 2.000 74Universitäten 1.740 150 9 190 11 1.400 80

Fachhochsch. 850 50 6 300 35 500 59

HSK Bologna 21./22.01.2008 21

Studierbarkeit in der Regelstudienzeit II

Ziel der Einführung der gestuften Studienabschlüsse ist auch, nach kurzer, in der Regel 3-jähriger Studiendauer einen berufsbefähigendenersten akademischen Abschluss zu ermöglichen.

Anmerkungen• Angesichts der verbindlichen Curricularisierung ist eine Erwerbstätigkeit

neben dem Studium in der Regelstudienzeit kaum möglich.• Durch die Bedeutung jeder einzelnen Prüfung für die Abschlussnote

werden Prüfungen oft herausgeschoben; dies bedeutet i.d.R. eine Verschiebung um ein Jahr.

• Da die Prüfungen am Ende der Veranstaltungszeit kumulieren wird das Lernen allein für die Klausuren/Prüfungen begünstigt.

• Auslandssemester und längere Praktika führen zumindest bei 6-semestrigen Bachelorstudiengängen zu einer Studienzeitverlängerung.

HSK Bologna 21./22.01.2008 22

Qualitätssicherung I

KMKRahmenvorgaben

Akkreditierungsrat

AkkreditierungsagenturenMinimum-Standards

MinisteriumRahmenvor-

gaben,Zielverein-barungen

Genehmigung

FakultätLehrevaluationStudienstruk-turevaluationFortbildung

Studien-programm

Berufungsverfahren

Qualitätsmanagement

Hochschule

HSK Bologna 21./22.01.2008 23

Akkreditierung I

Grundfragen im Akkreditierungsverfahren:Sind die zu erwerbenden Kompetenzen definiert (‚learning outcome‘)?Sind die möglichen Einmündungen in den Beruf reflektiert?Lässt das Curriculum erwarten, dass diese Ziele erreicht werden?Entspricht das Curriculum den fachlichen Standards?Sind bei den (insb. professoralen) Lehrenden die entsprechenden Qualifikationen vorhanden (Bachelor, Master)?Ist das Studium modularisiert?Sind den Modulen plausibel Credits zugewiesen (ETCS)?Sind berufsbefähigende Kompetenzen im Curriculum verankert (Schlüsselqualifikationen)?Ist das Prüfungssystem den Vorgaben entsprechend gestaltet?Sind Evaluationsverfahren vorgesehen?Ist die Ausstattung des Studienprogramms mittelfristig gesichert(Verankerung in der Planung der Hochschule)?Sind die Vorgaben von KMK und Akkreditierungsrat eingehalten?

HSK Bologna 21./22.01.2008 24

Akkreditierung II

davon akkreditierte StgeHochschulart Ba + Ma

insgesamt%

UniversitätenFachochschulenKünstl. Hochsch.

4.1502.650

100

1.1001.400

15

27 %54 %16 %

Hochschulartengesamt

6.900 2.515 36 %

Bei ca. € 10.000 pro Verfahren handelt es sich um ein Finanzvolumen von ca. 25 Mio €.

Allein die jetzt eingerichteten 6.900 gestuften Studiengänge werden für ihre Akkreditierung also ca. 70 Mio € brauchen.

Quelle: HRK-Statistiken zur Hochschulpolitik, 3/2007

HSK Bologna 21./22.01.2008 25

Qualitätssicherung II

Im Akkreditierungsverfahren werden die Fragen gestellt, die jede Fakultät und jede Hochschule stellen und beantworten muss, wenn sie verantwortlich und wettbewerbsfähig ein Studienprogramm einrichten will.Das Akkreditierungsverfahren verleitet dazu

die Realität geschönt darzustellen,sich nicht um Nachhaltigkeit der qualitätssichernden Elemente zu sorgen,führt zu einem erheblichen bürokratischem Aufwand,ist teuer

und sollte deshalb zugunsten eines Qualitätsmanagements der Hochschule aufgegeben werden.

HSK Bologna 21./22.01.2008 26

Schlußbemerkungen

Die gestuften Studienabschlüsse bieten große Chancen:eine Reflexion des gewünschten Kompetenzerwerbs;eine internationale Orientierung;eine Orientierung an der Arbeitsbelastung der Studierenden;das Zusammenführen aufeinander bezogener Lerngegenstände in Modulen;die Chance zu neuen Lehr- und Studierformen.

Es ist noch viel zu tun, um diese Chancen zu realisieren!