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452 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang DOI: 10.1007/s12268-012-0208-6 © Springer-Verlag 2012 ó Methan ist ein potentes Treibhausgas, das aber auch zur regenerativen Energiegewin- nung genutzt wird. Ein Großteil der biologi- schen Methanemission ist auf Acetat-abbau- ende methanogene Archaeen zurückzufüh- ren. Entgegen der großen Diversität der Mikroorganismenwelt wurde diese Stoff- wechseleigenschaft bislang nur in zwei Gat- tungen gefunden, Methanosarcina und Metha- nosaeta. In der Methanogenese mit Acetat als Substrat bilden sie neben Methan auch redu- ziertes Ferredoxin und Heterodisulfid. Das Recycling dieser beiden Produkte innerhalb der Zelle erfolgt über eine membrangebun- dene Atmungskette, die in Methanosarcina- Arten gut, in Methanosaeta-Arten kaum unter- sucht ist. Methanosarcina mazei nutzt für die Ferredoxinoxidation eine Hydrogenase (Ech). Der in dieser Reaktion produzierte Wasser- stoff diffundiert von der Innenseite der Mem- bran auf die Außenseite und wird dort von einer zweiten Hydrogenase oxidiert, die so Protonen im extrazellulären Raum freisetzt. Die Elektronen werden über ein membran- lösliches Phenazinderivat auf die terminale Reduktase übertragen, die das Heterodisul- fid reduziert und ebenfalls Protonen in den extrazellulären Raum entlässt. Damit stellte bis vor Kurzem die Ech-Hydrogenase das letz- te Glied der Atmungskette dar, für das eine Ionentranslokation und somit eine Beteili- gung an der Energiekonservierung zwar pos- tuliert, aber nicht biochemisch belegt war. Die Entwicklung eines enzymatischen Systems zur Ferredoxinreduktion [1, 2] ermöglichte es schließlich, Ferredoxin-abhängige Ionen- translokation an invertierten Membranvesi- keln zu messen und so zu zeigen, dass auch die Ech-Hydrogenase an der Etablierung eines Ionengradienten beteiligt ist [3]. Die Ech- Hydrogenase bildet demnach eine neue Kop- plungsstelle im methanogenen Stoffwechsel (Abb. 1), die im Zuge der Ferredoxinoxida- tion Protonen in den extrazellulären Raum pumpt und so zur Energetisierung der Zyto- plasmamembran beiträgt. Methanosaeta-Arten hingegen besitzen kei- ne Hydrogenasen und können daher nicht den beschriebenen Weg zur Ferredoxinoxi- dation nutzen. Membranfraktionen von Methanosaeta thermophila zeigen allerdings hohe Aktivitäten der Atmungskette Acetat- abbauender Methanogener, der Ferredo- xin:Heterodisulfid-Oxidoreduktase [4]. Die Frage ist nun: Welches ist das Ferredoxin-oxi- dierende Enzym? Analysiert man die bis jetzt sequenzierten Methanosaeta-Genome, so fällt auf, dass sich in allen Genomen Gene finden, die für eine F 420 H 2 -Dehydrogenase codieren. Dieses Enzym ist eigentlich an der methylotrophen Methanogenese beteiligt und sorgt dort für die Oxidation des Kofaktors F 420 H 2 . Metha- nosaeta-Arten sind allerdings nicht in der Lage, auf methylierten Verbindungen zu wachsen, und erwartungsgemäß kann die Membranfraktion von Methanosaeta thermophila auch kein F 420 H 2 umset- zen. Dennoch werden die Gene, die für die F 420 H 2 -Dehydrogenase codieren, stark expri- miert (unveröffentlicht). Versucht man, über Datenbankvergleiche einen anderen Elektro- nendonor mit der F 420 H 2 -Dehydrogenase zu verknüpfen, so fällt auf, dass die F 420 H 2 -Dehy- drogenase große Ähnlichkeit zur NADH-Dehy- drogenase der aeroben Atmungskette auf- weist. Interessanterweise fehlen im Genom von Methanosaeta-Arten Gene, die für die Module der NADH- und F 420 H 2 -Oxidation codieren. Stattdessen ist eines der hydrophi- len Proteine der F 420 H 2 -Dehydrogenase C-ter- minal mit einer Lysin-reichen Sequenz ver- längert. Diese ist bei physiologischem pH posi- tiv geladen und könnte somit gut mit dem negativ geladenen Elektronenüberträger Fer- redoxin interagieren (Abb. 1). In Methano- saeta-Stämmen könnte also die ungewöhn- liche „F 420 H 2 /NADH“-Dehydrogenase das gesuchte Ferredoxin-oxidierende Enzym der Atmungskette sein. ó Literatur [1] Welte C, Deppenmeier U (2012) Protononen-Translokation in Methanogenen. BIOspektrum 2:159–161 [2] Welte C, Kallnik V, Grapp M et al. (2010) Function of Ech hydrogenase in ferredoxin-dependent, membrane-bound elec- tron transport in Methanosarcina mazei. J Bacteriol 192:674– 678 [3] Welte C, Krätzer C, Deppenmeier U (2010) Involvement of Ech hydrogenase in energy conservation of Methanosarcina mazei. FEBS J 277:3396–3403 [4] Welte C, Deppenmeier U (2011) Membrane-bound elec- tron transport in Methanosaeta thermophila. J Bacteriol 193:2686–2670 Korrespondenzadresse: Dr. Cornelia Welte Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Meckenheimer Allee 168 D-53115 Bonn Tel.: 0228-733155 [email protected] VAAM-Promotionspreis 2012 Acetat-abbauende methanogene Archaeen – Neues aus der Atmungskette CORNELIA WELTE INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE UND BIOTECHNOLOGIE, UNIVERSITÄT BONN Cornelia Welte Jahrgang 1984. 2003–2008 Bio- logiestudium an der Universität Bonn und der Lunds Universitet, Schweden. 2008–2011 Promo- tion am Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie in Bonn bei Prof. Dr. U. Deppenmeier, dort seit 2011 Postdoc. ¯ Abb. 1: Schema der Atmungsketten von Methanosarcina mazei (oben) und Methanosaeta thermophila (unten) beim Wachstum auf Acetat. Elektronen werden über reduziertes Ferredoxin (Ferredoxin red ) in die Atmungsketten eingeschleust. Ms. mazei oxidiert Ferredoxin red über die Protonen-translozierende Ech-Hydrogenase. Mt. thermophila könnte hier- für die F 420 H 2 -Dehydrogenase (Fpo-Komplex) mit der Untereinheit Fpol und deren Lysin-reichen C-Terminus (KKK) als Elektroneneintrittsstelle nutzen.

Acetat-abbauende methanogene Archaeen — Neues aus der Atmungskette

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452 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE

BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang

DOI: 10.1007/s12268-012-0208-6© Springer-Verlag 2012

ó Methan ist ein potentes Treibhausgas, dasaber auch zur regenerativen Energiegewin-nung genutzt wird. Ein Großteil der biologi-schen Methanemission ist auf Acetat-abbau-ende methanogene Archaeen zurückzufüh-ren. Entgegen der großen Diversität derMikroorganismenwelt wurde diese Stoff-wechseleigenschaft bislang nur in zwei Gat-tungen gefunden, Methanosarcina und Metha-nosaeta. In der Methanogenese mit Acetat alsSubstrat bilden sie neben Methan auch redu-ziertes Ferredoxin und Heterodisulfid. DasRecycling dieser beiden Produkte innerhalbder Zelle erfolgt über eine membrangebun-dene Atmungskette, die in Methanosarcina-Arten gut, in Methanosaeta-Arten kaum unter-sucht ist. Methanosarcina mazei nutzt für dieFerredoxinoxidation eine Hydrogenase (Ech).Der in dieser Reaktion produzierte Wasser-stoff diffundiert von der Innenseite der Mem-bran auf die Außenseite und wird dort voneiner zweiten Hydrogenase oxidiert, die soProtonen im extrazellulären Raum freisetzt.Die Elektronen werden über ein membran-lösliches Phenazinderivat auf die terminaleReduktase übertragen, die das Heterodisul-fid reduziert und ebenfalls Protonen in denextrazellulären Raum entlässt. Damit stelltebis vor Kurzem die Ech-Hydrogenase das letz-te Glied der Atmungskette dar, für das eineIonentranslokation und somit eine Beteili-gung an der Energiekonservierung zwar pos-tuliert, aber nicht biochemisch belegt war. Die

Entwicklung eines enzymatischen Systemszur Ferredoxinreduktion [1, 2] ermöglichte esschließlich, Ferredoxin-abhängige Ionen-translokation an invertierten Membranvesi-keln zu messen und so zu zeigen, dass auchdie Ech-Hydrogenase an der Etablierung einesIonengradienten beteiligt ist [3]. Die Ech-Hydrogenase bildet demnach eine neue Kop-plungsstelle im methanogenen Stoffwechsel(Abb. 1), die im Zuge der Ferredoxinoxida-tion Protonen in den extrazellulären Raumpumpt und so zur Energetisierung der Zyto-plasmamembran beiträgt.

Methanosaeta-Arten hingegen besitzen kei-ne Hydrogenasen und können daher nichtden beschriebenen Weg zur Ferredoxinoxi-dation nutzen. Membranfraktionen vonMethanosaeta thermophila zeigen allerdingshohe Aktivitäten der Atmungskette Acetat-abbauender Methanogener, der Ferredo-xin:Heterodisulfid-Oxidoreduktase [4]. DieFrage ist nun: Welches ist das Ferredoxin-oxi-dierende Enzym?

Analysiert man die bis jetzt sequenziertenMethanosaeta-Genome, so fällt auf, dass sichin allen Genomen Gene finden, die für eineF420H2-Dehydrogenase codieren. DiesesEnzym ist eigentlich an der methylotrophenMethanogenese beteiligt und sorgt dort fürdie Oxidation des Kofaktors F420H2. Metha-nosaeta-Arten sind allerdings nicht in derLage, auf methylierten Verbindungen zuwachsen, und erwartungsgemäß kann die

Membranfraktionvon Methanosaetathermophila auchkein F420H2 umset-zen. Dennoch werdendie Gene, die für die

F420H2-Dehydrogenase codieren, stark expri-miert (unveröffentlicht). Versucht man, überDatenbankvergleiche einen anderen Elektro-nendonor mit der F420H2-Dehydrogenase zuverknüpfen, so fällt auf, dass die F420H2-Dehy-drogenase große Ähnlichkeit zur NADH-Dehy-drogenase der aeroben Atmungskette auf-weist. Interessanterweise fehlen im Genomvon Methanosaeta-Arten Gene, die für dieModule der NADH- und F420H2-Oxidationcodieren. Stattdessen ist eines der hydrophi-len Proteine der F420H2-Dehydrogenase C-ter-minal mit einer Lysin-reichen Sequenz ver-längert. Diese ist bei physiologischem pH posi-tiv geladen und könnte somit gut mit demnegativ geladenen Elektronenüberträger Fer-redoxin inter agieren (Abb. 1). In Methano-saeta-Stämmen könnte also die ungewöhn -liche „F420H2/ NADH“-Dehydrogenase dasgesuchte Ferredoxin-oxidierende Enzym derAtmungskette sein. ó

Literatur[1] Welte C, Deppenmeier U (2012) Protononen-Translokationin Methanogenen. BIOspektrum 2:159–161[2] Welte C, Kallnik V, Grapp M et al. (2010) Function of Echhydrogenase in ferredoxin-dependent, membrane-bound elec-tron transport in Methanosarcina mazei. J Bacteriol 192:674–678[3] Welte C, Krätzer C, Deppenmeier U (2010) Involvement ofEch hydrogenase in energy conservation of Methanosarcinamazei. FEBS J 277:3396–3403[4] Welte C, Deppenmeier U (2011) Membrane-bound elec-tron transport in Methanosaeta thermophila. J Bacteriol193:2686–2670

Korrespondenzadresse:Dr. Cornelia WelteInstitut für Mikrobiologie und BiotechnologieRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität BonnMeckenheimer Allee 168D-53115 BonnTel.: [email protected]

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CORNELIA WELTE

INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE UND BIOTECHNOLOGIE, UNIVERSITÄT BONN

Cornelia WelteJahrgang 1984. 2003–2008 Bio-logiestudium an der UniversitätBonn und der Lunds Universitet,Schweden. 2008–2011 Promo-tion am Institut für Mikrobiologieund Biotechnologie in Bonn beiProf. Dr. U. Deppenmeier, dortseit 2011 Postdoc.

¯ Abb. 1: Schema der Atmungsketten von Methanosarcina mazei (oben)und Methanosaeta thermophila (unten) beim Wachstum auf Acetat.Elektronen werden über reduziertes Ferredoxin (Ferredoxinred) in dieAtmungsketten eingeschleust. Ms. mazei oxidiert Ferredoxinred über dieProtonen-translozierende Ech-Hydrogenase. Mt. thermophila könnte hier-für die F420H2-Dehydrogenase (Fpo-Komplex) mit der Untereinheit Fpolund deren Lysin-reichen C-Terminus (KKK) als Elektroneneintrittsstellenutzen.