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| Der Internist 7·99 710 M. P. Heintzen · B. E. Strauer · Medizinische Klinik und Poliklinik B, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie Nach Dalen und Alpert sind in den siebziger Jahren in den USA jährlich et- wa 260.000 Patienten mit einer Lun- genarterienembolie diagnostiziert wor- den; aufgrund der hohen Zahl nicht diagnostizierter oder einer anderen Ur- sache zugeschriebener Todesfälle schätz- ten sie jedoch etwa 600.000 Erkran- kungen. Etwa 200.000 Patienten star- ben an dieser Lungenarterienembolie [6]. In konsekutiven unselektierten Au- topsieserien konnte in bis zu 25% der Patienten eine Lungenarterienembolie nachgewiesen werden, klinisch waren davon lediglich 20–30% prämortal dia- gnostiziert worden. Bei Patienten, die unter dem Bild eines plötzlichen Herz- todes verstarben, war in 10% der Fälle eine fulminante Lungenarterienembo- lie verantwortlich [8]. Relativ sichere Statistiken anhand von Populationsstudien sind erst jüngst publiziert worden: Nach einer retro- spektiven Analyse liegt die Gesamtinzi- denz der Lungenembolie im Zeitraum zwischen 1966 bis 1990 bei 69 Fällen auf 100.000 Patienten und Jahr, die Häufig- keit der Lungenarterienembolie nahm dabei im Beobachtungszeitraum von 1975–1990 um 45% ab [30]. Für Patien- ten im Alter zwischen 65 und 90 Jahren aus der Analyse der Medicare-versorg- ten Patienten der USA ergab sich eine aktuelle altersabhängige Inzidenz der Lungenarterienembolie von etwa 1 bis 2,5 Erkrankungen pro 1000 Patienten- jahre [15]. Insgesamt muß davon ausge- gangen werden, daß durch die verbes- serten prophylaktischen Maßnahmen eine zahlenmäßige Reduktion der Lun- genarterienembolie auf etwa die Hälfte erreicht werden konnte. Das akute Cor pulmonale ist meist durch eine akute Lungenarterienembo- lie bedingt. Weitaus seltenere Ursachen sind ein schwerer akuter Asthmaanfall, ein Spannungspneumothorax oder ein ausgeprägtes Lungenödem. Definitionsgemäß besteht beim akuten Cor pulmonale eine akute Rechts- herzbelastung infolge einer akuten pul- monalen Drucksteigerung, im Falle der Lungenarterienembolie bedingt durch die Querschnittsverlegung der Lungen- strombahn durch einen Embolus mit daraus resultierenden Nachlasterhö- hung des rechten Ventrikels. Im folgenden soll als häufigste und klinisch wichtigste Form des akuten Cor pulmonale die Lungenarterienem- bolie besprochen werden. Im Vorder- grund steht dabei die Darstellung der relevanten Befunde zu Klinik, Diagno- stik und Therapie. Ziel der klinischen Bemühungen muß es vor allem sein, die Lungenarteri- enembolie richtig und schnell genug zu diagnostizieren und die dem Schwere- grad der Erkrankung angepaßte Thera- pie dann schnellmöglichst einzuleiten. Nur eine zielgerichtete und sichere Dia- gnostik sowie eine schnelle, der Situati- on angepaßte Therapie kann die hohe Letalität der schwerwiegenden Lungen- arterienembolie senken. Darüberhin- aus müssen die Maßnahmen der Pri- mär- und Rezidivprophylaxe intensiver eingesetzt werden. Epidemiologie Angaben über die Häufigkeit der Lun- genarterienembolie variieren stark in Abhängigkeit von der Art der Analyse (prospektive oder retrospektive Erfas- sung, klinisch oder autoptisch gesicher- te Lungenarterienembolie, selektiertes oder unselektiertes Patientengut, Art der klinischen Diagnosesicherung). Übersicht Internist 1999 · 40:710721 © Springer-Verlag 1999 Zum Thema Rechnet man die Zahlen aus den USA auf die deutsche Bevölkerungszahl um, so kommt man auf etwa 60.000–80.000 diagnostizier- te Fälle von Lungenembolien hierzulande, wobei noch eine beachtliche Dunkelziffer hinzuzurechnen wäre.Die Tendenz ist allerdings im Vergleich zu Zahlen vor 1990 deutlich rückläufig, was vermutlich auf verbesserte prophylaktische Maßnahmen zurückzuführen ist. Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Epidemiologie, Pathophysiologie, Klinik, Diagnostik, Differentialdiagnostik sowie – ausführlich – den verschiedenen Therapie- maßnahmen bei akuter Lungenembolie. Da- bei müssen wegen der lebensbedrohlichen Schwere der akuten arteriellen Lungen- embolie teilweise gravierende Nebenwir- kungen in Kauf genommen werden. Die günstige Beeinflußung der Letalität recht- fertigt in jedem Fall den Einsatz aggressiver therapeutischer Strategien. Schlüsselwörter Lungenembolie · Cor pulmonale, akutes · Schock Priv.-Doz. Dr. M. P. Heintzen Medizinische Klinik und Poliklinik B, Heinrich-Heine-Universität, Moorenstraße 5, D-40225 Düsseldorf& / f n - b l o c k : & b d y :

Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie

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Page 1: Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie

| Der Internist 7·99710

M. P. Heintzen · B. E. Strauer · Medizinische Klinik und Poliklinik B, Heinrich-Heine-Universität

Düsseldorf

Akutes Cor pulmonalebei Lungenarterienembolie

Nach Dalen und Alpert sind in densiebziger Jahren in den USA jährlich et-wa 260.000 Patienten mit einer Lun-genarterienembolie diagnostiziert wor-den; aufgrund der hohen Zahl nichtdiagnostizierter oder einer anderen Ur-sache zugeschriebener Todesfälle schätz-ten sie jedoch etwa 600.000 Erkran-kungen. Etwa 200.000 Patienten star-ben an dieser Lungenarterienembolie[6]. In konsekutiven unselektierten Au-topsieserien konnte in bis zu 25% derPatienten eine Lungenarterienembolienachgewiesen werden, klinisch warendavon lediglich 20–30% prämortal dia-gnostiziert worden. Bei Patienten, dieunter dem Bild eines plötzlichen Herz-todes verstarben, war in 10% der Fälleeine fulminante Lungenarterienembo-lie verantwortlich [8].

Relativ sichere Statistiken anhandvon Populationsstudien sind erst jüngstpubliziert worden: Nach einer retro-spektiven Analyse liegt die Gesamtinzi-denz der Lungenembolie im Zeitraumzwischen 1966 bis 1990 bei 69 Fällen auf100.000 Patienten und Jahr, die Häufig-keit der Lungenarterienembolie nahmdabei im Beobachtungszeitraum von1975–1990 um 45% ab [30]. Für Patien-ten im Alter zwischen 65 und 90 Jahrenaus der Analyse der Medicare-versorg-ten Patienten der USA ergab sich eineaktuelle altersabhängige Inzidenz derLungenarterienembolie von etwa 1 bis2,5 Erkrankungen pro 1000 Patienten-jahre [15]. Insgesamt muß davon ausge-gangen werden, daß durch die verbes-serten prophylaktischen Maßnahmeneine zahlenmäßige Reduktion der Lun-genarterienembolie auf etwa die Hälfteerreicht werden konnte.

Das akute Cor pulmonale ist meistdurch eine akute Lungenarterienembo-lie bedingt. Weitaus seltenere Ursachensind ein schwerer akuter Asthmaanfall,ein Spannungspneumothorax oder einausgeprägtes Lungenödem.

Definitionsgemäß besteht beimakuten Cor pulmonale eine akute Rechts-herzbelastung infolge einer akuten pul-monalen Drucksteigerung, im Falle derLungenarterienembolie bedingt durchdie Querschnittsverlegung der Lungen-strombahn durch einen Embolus mitdaraus resultierenden Nachlasterhö-hung des rechten Ventrikels.

Im folgenden soll als häufigste undklinisch wichtigste Form des akutenCor pulmonale die Lungenarterienem-bolie besprochen werden. Im Vorder-grund steht dabei die Darstellung derrelevanten Befunde zu Klinik, Diagno-stik und Therapie.

Ziel der klinischen Bemühungenmuß es vor allem sein, die Lungenarteri-enembolie richtig und schnell genug zudiagnostizieren und die dem Schwere-grad der Erkrankung angepaßte Thera-pie dann schnellmöglichst einzuleiten.Nur eine zielgerichtete und sichere Dia-gnostik sowie eine schnelle, der Situati-on angepaßte Therapie kann die hoheLetalität der schwerwiegenden Lungen-arterienembolie senken. Darüberhin-aus müssen die Maßnahmen der Pri-mär- und Rezidivprophylaxe intensivereingesetzt werden.

Epidemiologie

Angaben über die Häufigkeit der Lun-genarterienembolie variieren stark inAbhängigkeit von der Art der Analyse(prospektive oder retrospektive Erfas-sung, klinisch oder autoptisch gesicher-te Lungenarterienembolie, selektiertesoder unselektiertes Patientengut, Artder klinischen Diagnosesicherung).

ÜbersichtInternist1999 · 40:710–721 © Springer-Verlag 1999

Zum Thema

Rechnet man die Zahlen aus den USA auf die

deutsche Bevölkerungszahl um, so kommt

man auf etwa 60.000–80.000 diagnostizier-

te Fälle von Lungenembolien hierzulande,

wobei noch eine beachtliche Dunkelziffer

hinzuzurechnen wäre. Die Tendenz ist

allerdings im Vergleich zu Zahlen vor 1990

deutlich rückläufig, was vermutlich auf

verbesserte prophylaktische Maßnahmen

zurückzuführen ist.

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der

Epidemiologie, Pathophysiologie, Klinik,

Diagnostik, Differentialdiagnostik sowie –

ausführlich – den verschiedenen Therapie-

maßnahmen bei akuter Lungenembolie. Da-

bei müssen wegen der lebensbedrohlichen

Schwere der akuten arteriellen Lungen-

embolie teilweise gravierende Nebenwir-

kungen in Kauf genommen werden. Die

günstige Beeinflußung der Letalität recht-

fertigt in jedem Fall den Einsatz aggressiver

therapeutischer Strategien.

Schlüsselwörter

Lungenembolie · Cor pulmonale, akutes ·

Schock

Priv.-Doz. Dr. M. P. HeintzenMedizinische Klinik und Poliklinik B,

Heinrich-Heine-Universität, Moorenstraße 5,

D-40225 Düsseldorf&/fn-block:&bdy:

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Pathophysiologie

Die Lungenarterienembolie ist patho-physiologisch eng mit der tiefen Bein-venenthrombose verbunden, so daßheute die beiden Erkankungen als Enti-tät unter der Bezeichnung „venöseThromboembolie“ angesehen werden.In autoptischen Studien konnte beiüber 80% an einer Lungenarterienem-bolie verstorbener Patienten eine tiefeBeinvenenthrombose nachgewiesen wer-den, bei nur 19% der Patienten war die-se klinisch vor dem Tode erkannt wor-den [28]. Bei pulmonal asymptomati-schen Patienten mit tiefer Beinvenen-thrombose konnte szintigraphisch bei40% eine Lungenarterienembolie nach-gewiesen werden [20], bei 33% der Pati-enten mit distaler und bei 53% der Pati-enten mit Femoralvenenthrombose be-stand szintigraphisch eine Lungenarte-rienembolie [23].

Prädisponierende Faktoren für ei-ne Lungenembolie sind somit die Fak-toren, die eine tiefe Beinvenenthrom-bose auslösen. Hier handelt es sich vorallem um humorale Faktoren im Sinneeiner Hyperkoagulabilität und um Be-gleiterkrankungen, die zu Gefäßaltera-tionen oder zur venösen Stase führen(Tabelle 1). Selten wird eine Lungenem-bolie durch andere, nicht-thromboti-sche Embolisation ausgelöst (Tabelle 2).

Die pathophysiologischen Abläufenach einer Lungenarterienembolie las-

führt eine zusätzliche Myokardhypoxiedes rechten Ventrikels (Hypoxiephase)zur weiteren Verschlechterung der Si-tuation (Abb. 1). Diese linkskardialenKonsequenzen der Lungenarterienem-bolie sind bei Patienten mit KHK, be-reits eingeschränkter LV-Funktion undPatienten mit Linksherzhypertrophievon besonderer Bedeutung (Abb. 2).

Im Experiment mit Ballonokklusionvon Teilen der Lungenarterien führt beibisher gesunden Probanden erst eineVerlegung von >50% der Lungenarteri-enquerschnittsfläche zum Anstieg despulmonalarteriellen Druckes [4]. Kli-nisch ist jedoch häufig bereits bei kleine-ren Lungenarterienembolien mit einererheblichen Symptomatik zu rechnen,was durch Freisetzung humoraler Fakto-ren aus Thrombozyten und dem Gefäß-endothel mit Konstriktion der übrigenpulmonalen Gefäße und des Bronchial-systems erklärt wird. Darüberhinausführen vagale Einflüsse zu Bronchialkon-striktion und systemischer Hypotension.

Bei fehlender Vorbelastung desrechten Ventrikels kann dieser maximaleinen mittleren Pulmonalisdruck von40 mmHg aufbauen, danach kommt eszum akuten Rechtsherzversagen. Beivorbestehender kardiopulmonaler Er-krankung ist der bereits druckbelasteteund häufig hypertrophierte Ventrikel inder Lage, mittlere Pulmonalisdruckevon bis zu 80 mmHg aufzubringen[19]. Aufgrund der insbesondere beichronischer Herzinsuffizienz, chronischobstruktiver Lungenerkrankung undLungenemphysem bereits deutlich ein-

sen sich im Wesentlichen 2 Grundme-chanismen zuordnen, die im klinischenBild der Lungenarterienembolie engmiteinander verzahnt sind: Einerseitsden hämodynamischen Folgen mitRechtsherzbelastung, andererseits denKonsequenzen der akut einsetzendenGasaustauschstörung.

Hämodynamikder akuten Lungenarterienembolie

Die Lungenarterienembolie ist hämody-namisch durch eine Widerstandszunah-me der Lungenstrombahn infolge einerembolisch bedingten Querschnittsein-engung gekennzeichnet. Daraus resul-tiert eine Nachlasterhöhung des rechtenVentrikels mit konsekutiver Abnahmeder Ventrikelfunktion (Nachlastphase).Aufgrund der Drucksensibilität desrechten Ventrikels kann diese Druckbe-lastung nur für einen kurzen Zeitraumaufrechterhalten werden. Bei zuneh-mendem rechtsventrikulären Volumenentwickelt sich neben einer progredien-ten Trikuspidalinsuffizienz eine Vorwöl-bung des IVS in den linken Ventrikel.Zusammen mit der bei fallender rechts-ventrikulärer Auswurfleistung abneh-mender Vordehnung des linken Ventri-kels resultiert eine Abnahme der LV-Auswurfleistung mit systemischer Hy-potension. Bei hoher Wandspannungund reduziertem koronaren Perfusions-druck (vor allem im Bereich der RCA)

Tabelle 1

Prädisponierende Faktoren für die Entstehung einer tiefen Beinvenenthromboseund Lungenarterienembolie

Primär APC-Resistenz Cardiolipin-AntikörperAT-III-Mangel Plasminogen-MangelProtein C+S-Mangel

Sekundär Koagulopathie bei Plättchendysfunktion bei

Tumorleiden Heparininduzierter Thrombozytopeniechronische Entzündung Myeloproliferative ErkrankungSchwangerschaft paroxysmale nächtliche HämoglobinurieMedikamenteneinnahme– orale Kontrazeptiva– Steoride– DiuretikaNephrotisches Syndrom

Weitere prädisponierende Faktoren

venöse Stase (thromboembolische Vorerkrankungen,Varikosis; Immobilisation;kardiovaskuläre Begleiterkrankungen; Apoplex; post-Op,Traumata; Schwanger-schaft, Geburt,Wochenbett; Übergewicht; hohes Alter)Langliegende zentralvenöse Verweilkatheter, Hyperviskosität, Dehydratation

Tabelle 2

Pathogenese der Lungenarterien-embolie

95% Thromben

● ca 70% Ober- und Unterschenkel● ca 20% Beckenbereich● ca 5% obere Extremität,Vorhof rechts

5% andere Materialien

● Fruchtwasser (Trophoblastenteile,Lanugohaare, Meconium)

● Baumwollfasern (postoperativ,nach Katheteruntersuchung)

● Talcum, Stärke (i. v.-Drogenabusus)● Fett, Knochenmark (Trauma)● Luft (Trauma, iatrogen, perioperativ,

Tauchunfall)● Tumoranteile

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Übersicht

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geschränkten kardiopulmonalen Reser-ven sind hier schon bei angiographischmittelgradigen Lungenembolien schwe-re Folgen zu befürchten.

Gausaustauschbei akuter Lungenarterienembolie

Führendes pathophysiologisches Korre-lat der respiratorischen Beeinträchti-gung ist eine Reduktion der Gasaus-tauschfläche. Ein mit dem Ausmaß derPulmonalarterienobstruktion zuneh-mendes Mißverhältnis von perfundier-ten zu ventilierten Lungenarealen führtzu einer Zunahme des ventilierten Tot-raumes. Kompensatorisch wird über ei-ne bronchiale Konstriktion ein Teil derVentilation aus dem Bereich der mecha-nisch verlegten Pulmonalstrombahn indie Areale mit noch intakter Perfusionverlagert. Gleichzeitig entstehen dabeiAreale mit reduzierter Ventilation beinoch erhaltener Perfusion, in denen in-trapulmonale Shunts die Hypoxie wei-ter verstärken. Die Hypoxämie kann zu-nächst durch Hyperventilation ausge-glichen werden, bei großen Lungenarte-rienembolien resultiert daraus das typi-sche Bild in der arteriellen Blutgasana-lyse mit Hypoxie und Hypokapnie.

Lungeninfarkt

Aufgrund der dualen Versorung desLungenparenchyms über Pulmonal-und Bronchialarterien entsteht nur bei5–30% der Patienten mit Lungenarteri-enembolie ein Lungeninfarkt. Auffällighäufiger tritt dieser bei Verlegung klei-nerer peripherer Pulmonalarterien in

nen Schocks. Kardinalsymptome einerrelevanten Lungenarterienembolie sindDyspnoe, Thoraxschmerzen und einakutes Angstgefühl, die als einzelnesSymptom mit einer Häufigkeit von60–85% auftreten. Die Kombinationdieser Befunde besteht bei etwa 50%der Patienten mit relevanter Lungenar-terienembolie, so daß diese Trias im-mer Anlaß geben muß, eine Lungenar-terienembolie in die Differentialdia-gnose einzubeziehen [2, 33, 34].

Die klinischen Befunde einer Lun-genarterienembolie sind unspezifisch.Am häufigsten besteht eine Tachypnoe(80–95%) und Tachykardie (40–60%).In der PIOPED Untersuchung hattenPatienten mit gesicherter Lungenarteri-enembolie in 91% der Fälle eine Tachy-kardie und Dyspnoe, bei 97% der Pati-enten lag ein Symptomenkomplex ausDyspnoe, Pleurodynie und Tachykardievor [25] (Tabelle 3 und 4).

Diagnostik

Die wesentliche Grundlage für die Dia-gnostik der Lungenarterienembolie istdie bereits früh gestellte Verdachtsdia-gnose. Bei den diagnostischen Verfah-ren sind solche mit hinweisendem undfür differentialdiagnostische Überle-gungen wichtigem Charakter von de-nen mit sicherndem bzw. beweisendenCharakter zu unterscheiden. KlinischeSymptome und Untersuchungsbefun-de, das EKG, die Röntgen-Thoraxauf-nahme, Labortests oder Blutgasanaly-sen können die Lungenarterienembolienie nachweisen. Echokardiographie undLungenszintigraphie machen bei Vor-

den basalen Lungenabschnitten auf.Zusätzlich bedeutsame Faktoren für dieEntstehung eines Lungeninfarktes beikardial vorerkrankten Patienten sindvor allem in einem erhöhten pulmonal-venösen Druck und gleichzeitig im Be-reich der Lungenembolie bestehendenPleuraerguß und/oder einer dort loka-lisierten Pneumonie zu sehen [5, 37].

Klinik

Eine für die Lungenarterienembolie spe-zifische Symptomatik fehlt. Die Sym-ptome sind abhängig von der Schwereder Embolie und den Begleiterkran-kungen des Patienten. Das klinischeBild variiert von klinisch praktisch be-schwerdefreien Patienten mit kurzfri-stigen, kaum verspürten flüchtigen Be-schwerden bis hin zur schwersten Dys-pnoe oder dem Vollbild eines kardioge-

Abb. 1 m Stadienablauf der akuten Lungenarterienembolie: Hämodynamische Veränderungenwährend der Nachlast- und Hypoxämiephase

Abb. 2 m Pathophysiologie der akuten Lungenarterienembolie

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liegen typischer Befunde die Verdachts-diagnose wesentlich wahrscheinlicheroder lassen diese sichern.

Der Nachweis oder Ausschluß ei-ner Lungenarterienembolie gelingt fastimmer mit der Pulmonalisangiogra-phie oder der Spiral-CT-Untersuchung,so daß diese Untersuchungen im Zwei-felsfall herangezogen werden müssen.Die Diagnose einer Lungenemboliesollte im individuellen Fall aus dersinnvollen Integration von anamnesti-schen Fakten, Risikofaktoren, klini-schen Befunden sowie gezielt erhobe-nen technischen Untersuchungsbefun-den gestellt werden.

Laboruntersuchungen

Bei Patienten mit Lungenarterienem-bolie sind Laboruntersuchungen vor al-lem notwendig zur Klärung der mög-licherweise zugrundeliegenden Gerin-nungsstörung, zur Abgrenzung gegen-über Differentialdiagnosen und zur Ver-laufskontrolle bei eingeleiteter Antiko-agulation. Die meisten Befunde sindunspezifisch und auf das humoraleEntzündungssyndrom und die Gerin-nungsaktivierung zurückzuführen. ZumNachweis einer Lungenarterienembolieeignen sich Laborwerte nur sehr be-grenzt.

Wesentliche Bedeutung kommt demNachweis erhöhter Plasma D-Dimerezu, die bei Patienten mit tiefer Beinve-nenthrombose oder Lungenarterien-embolie aufgrund der ständigen endo-genen Fibrinolyse häufig erhöht sind.Bei nachgewiesener Lungenarterien-embolie sind die im ELISA gemessenenPlasma-D-Dimere in über 90% der Fäl-le erhöht (>500 Mikrogramm/l). Bei50% der Patienten mit normalem Lun-genszintigramm und 35% der Patientenmit normalem Pulmonalisangiogrammwurden normale D-Dimere gefunden.Kein Patient mit angiographisch nach-gewiesenen Lungenarterienembolie undlediglich 4% der Patienten mit hoch-wahrscheinlichem Szintigramm wieseneinen D-Dimerspiegel im Normbereichauf. Dies ergab eine Sensitivität von98% aber eine Spezifität von nur 39%für die Lungenarterienembolie-Detek-tion. Bei normalem mittels ELISA ge-messenen D-Dimer-Spiegel kann dieserParameter als mitentscheidendes Aus-schlußdiagnostikum für eine Lungen-arterienembolie gelten [9].

Tabelle 3

Symptomatik der akuten Lungenarterienembolie

UPET Stein et al. Bell et al. Sors et al.(1973) (1981) (1982) (1984)

Dyspnoe 81% 84% 85% 69%Thoraxschmerzen k. A. k. A. 88% k. A.

Pleuraschmerz 72% 74% 74% 54%nicht pleural k. A. k. A. 14% k. A.

Angst 59% 63% 59% k. A.Husten 54% 50% 53% k. A.Hämoptysen 34% 28% 30% 32%Schweißausbruch 26% 27% 27% k. A.Synkopen 14% 13% 13% 15%Herzjagen k. A. 11% 44% k. A.Bauchschmerzen k. A. k. A. k. A. 11%Schock k. A. k. A. k. A. 14%

Tabelle 4

Klinische Befunde bei aktuer Lungenarterienembolie

UPET Stein et al. Bell al. Sors al.(1973) (1981) (1982) (1984)

Tachypnoe ( >16/min) 87% 85% 92% 97%Rasselgeräusche 53% 56% 58% k. A.Betonter 2. Herzton 53% 57% 53% k. A.Tachykardie (HF >100/min) 44% 58% 44% k. A.Fieber ( >37,8 °C) 42% 50% 43% 39%3. Herzton 34% k. A. 34% k. A.Schweißausbruch 34% k. A. 36% k. A.Thrombophlebitis 33% 41% 32% k. A.Ödeme k. A. k. A. 24% k. A.Herzgeräusche k. A. k. A. 23% k. A.Zyanose 18% 18% 19% k. A.Pleurareiben k. A. 18% k. A. k. A.

Tabelle 5

Elektrokardiographische Befunde bei akuter Lungenarterienembolie

Wenger et al. UPET Stein et al.(1972) (1973) (1981)

Sinusrhythmus k. A. k. A. 80%QRS-Veränderungen k. A. 65% k. A.Rechtsschenkelblock 17% k. A. 8%Niedervoltage (zentral) 21% k. A. k. A.ST- und T-Veränderungen k. A. 64% k. A.T-Inversion 42% k. A. 40%ST-Senkung 40% k. A. 25%Rhythmusstörungen k. A. 11% 25%SVES k. A. k. A. 10%VES k. A. k. A. 10%Vorhofflimmern k. A. k. A. 5%Leitungsstörungen k. A. k. A. 10%QRS-Achsendrehung k. A. k. A. 15%SIQIII-Typ 15% 11% k. A.SISIISIII-Typ 12% k. A. k. A.P-dextroatriale 4% 4% k. A.

Page 5: Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie

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Übersicht

714

Die arterielle Blutgasanalyse wirdhäufig im Rahmen der differentialdia-gnostischen Abklärung durchgeführt.Ei-ne normale BGA schließt eine Lungen-embolie nie aus.Bei Patienten mit beglei-tender pulmonaler Grunderkrankung istdie Blutgasanalyse im Hinblick auf dieDiagnose der Lungenarterienemboliewenig aussagekräftig. Bei hämodyna-misch relevanter Lungenarterienemboliebesteht eine arterielle Hypoxämie, diemeist von einer Hypokapnie und respira-torischer Alkalose begleitet wird.

Bei Patienten mit normalerweiseeher erhöhten CO2-Werten (COPD,

EKG und neuen Rechtsherzbelastungs-zeichen oder Änderungen des Lagevek-tors erlangt das EKG auch für die direk-te Diagnostik der Lungenarterienem-bolie eine gewisse Bedeutung (Tabelle 5).

Röntgen Thoraxaufnahme

Durch eine konventionelle Röntgenauf-nahme des Thorax kann eine Lungen-arterienembolie nicht gesichert wer-den. Mehr als 50% der Patienten mitLungenarterienembolie weisen im Rönt-genbild meist unspezifische Auffällig-keiten auf. Diese sind häufig von Be-deutung für die Differentialdiagnose.Ein (fast) normales Thoraxbild beischwerer akuter respiratorischer Ver-schlechterung ist sehr verdächtig auf ei-ne massive Lungenarterienembolie (Ta-belle 6, Abb. 3).

Computertomographie,Magnetresonanztomographie

Computer-und Magnetresonanztomo-graphie sind etwa gleich gut geeignet,pumonale Emboli direkt abzubilden.Insbesondere seit Einführung der Spi-ral-CT-Untersuchung, die innerhalb ei-nes Atemzyklus Schnittbilder erzeugenkann, ist diese Technik auch für schwerkranke Patienten einsetzbar. Die Dar-stellungsqualität ist für zentrale und imBereich der Segmentarterien lokalisier-te Emboli sehr gut, im Bereich von peri-

Lungenemphysem) sollte eine respira-torische Alkalose den Verdacht auf eineLungenarterienembolie lenken.

EKG

Bei Patienten mit Lungenarterienem-bolie sind 60–70% der abgeleitetenEKGs pathologisch. Es gibt keine dieLungenarterienembolie beweisendenZeichen. Typischerweise liegen uncha-rakteristische Allgemeinveränderungenvor. Das EKG ist zur Beurteilung derGesamtsituation und für die Differenti-aldiagnose wichtig. Bei bekanntem Vor-

Tabelle 6

Radiologische Zeichen der akuten Lungenarterienembolieim Thoraxbild

UPET Moses et al. Sors et al.(1973) (1974) (1984)

Zwerchfellhochstand 41% 40–60% 36%Infiltrat 41% 40% 48%Pleuraerguß 28% 30% 37%Plumpe Pulmonalgefäße 23% 40% k. A.Atelektase 20% 20% k. A.Linksherzverbreiterung 16% k. A. k. A.Regionale Minderperfusion 15% 15% k. A.Herzgrößenänderung k. A. 10% k. A.Rechtsherzverbreiterung 5% k. A. k. A.Normalbefund (bei angio- k. A. k.A. 16%

graphisch nachgewiesenerLungenarterienembolie)

Abb. 3 m Röntgen-Thorax-Aufnahme einer Patientin, die bei rheumatologischer Systemerkrankunghospitalisiert und mit Kortikosteroiden behandelt wurde. a bei Aufnahme (im Stehen), b nach Auftre-

ten einer akuten erheblichen Dyspnoe bei noch kreislaufstabiler Patientin (Liegendaufnahme miteinseitig heller Lunge – Westermark-Zeichen – nach akuter Lungenarterienembolie

mit Verschluß der rechten Pulmonalarterie)

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pheren, in Subsegmenten gelegenenEmbolisationen ist die Methode weni-ger geeignet [26, 32] (Abb. 4).

Echokardiographie

Die Echokardiographie zeichnet sichdurch ihre fast ubiquitäre Verfügbarkeitund die schnelle und bettseitige Durch-führbarkeit aus. Sie stellt daher einesder wichtigsten bildgebenden Verfah-ren dar, mit dem es gelingt, eine hämo-dynamisch relevante Embolie entwedernachzuweisen oder zumindest mit rela-tiv großer Wahrscheinlichkeit zu ver-muten. Durch die transthorakale, sup-rasternale oder subxiphoidale Anlo-tung werden meist die indirekten Zei-chen der Lungenarterienembolie er-kennbar (siehe Tabelle 7).

Dopplersonographisch kann derPulmonalisdruck direkt oder über diemeist vorhandene Trikuspidalinsuffi-zienz indirekt abgeschätzt werden.Schließlich ist durch transösophagealeUntersuchung und seltener auch bei derkonventionellen Beschallung auch diedirekte Thrombusdarstellung möglich.Darüberhinaus werden bei der Echokar-diographie relativ häufig (transthorakal6%,transösophageal 14%) Thromben imBereich des rechten Herzens (RA, Tri-cuspidalis, RV) gefunden und weisen aufeine hohe Rezidivgefahr hin [12, 24, 42].

Perfusions-und Ventilationsszintigraphie

Die Lungenszintigraphie ist das amhäufigsten eingesetzte bildgebenden

In einer umfangreichen Analyseverschiedener Studien wurde gezeigt,daß bei geringer und mittlerer szinti-graphischer Wahrscheinlichkeit bei le-diglich 25% dieser Patienten eine an-giographisch nachweisbare Lungenem-bolie vorliegt. Darüberhinaus wurdebestätigt, daß eine hohe szintigraphi-sche Wahrscheinlichkeit mit einer posi-tiven Vorhersagekraft für eine Lungen-arterienembolie von 88% verbunden ist[1] (Tabelle 8, Abb. 5).

Pulmonalisangiographie

Die Pulmonalisangiographie gilt nachwie vor als diagnostischer Goldstan-dard der Lungenarterienembolie. Siekann bei bislang unklaren Befunden ei-ne relevante Lungenarterienembolie si-cher nachweisen oder ausschließen,birgt aber als invasive Methode auch ei-ne gewisse Wahrscheinlichkeit für Kom-plikationen [35]. Bei der Beurteilungvon subsegmentalen Embolisationenverbleiben wie bei den anderen bildge-benden Untersuchungen Unsicherhei-ten [25]. Die Angiographie sollte immermit einer Druckmessung verbundensein, so daß der Grad der hämodynami-schen Beeinträchtigung abschätzbar wird.

Die Pulmonalisangiographie be-inhaltet neben der differentialdiagno-stischen Klärung der Erkrankung auchdie Möglichkeit, bei nachgewiesenemzentralen Thrombus bei Patienten im

Verfahren bei Patienten mit Verdachtauf Lungenarterienembolie. Die Perfu-sionsuntersuchung basiert auf der mi-kroembolischen Markierung der durch-bluteten Lungenstrombahn mittels ra-dioaktiv markierter Mikrosphären undkann in ihrer Aussagekraft verstärktwerden, wenn in einer nachfolgendenVentilationsstudie nach Inhalation ei-nes radioaktiv markierten Aerosols einBild der ventilierten Lungenabschnitteerzeugt wird. Bereiche mit einem Mis-match zwischen Ventilation und Perfu-sion sind mit hoher Wahrscheinlichkeiteiner Lungenarterienembolie zuzuord-nen. Ein normales Ventilations-Perfusi-onsszintigramm schließt mit hoherWahrscheinlichkeit eine Lungenarteri-enembolie aus. Bei einem mit hoherWahrscheinlichkeit pathologischen Szin-tigramm liegt in fast 90% der Fälle eineLungenarterienembolie vor.

Szintigraphische Befunde mit mitt-lerer Wahrscheinlichkeit für eine Lun-genarterienembolie weisen keine ausrei-chende Sensitivität zur Diagnosestellungauf.Wird zusätzlich zur Szintigraphie dieklinische Wahrscheinlichkeit einer Lun-genarterienembolie einbezogen, so kanneine Lungenarterienembolie bei hoherWahrscheinlichkeit von Szintigrammund Klinik bei 96% der Patienten sicherdiagnostiziert bzw. bei 98% der Patien-ten mit niedriger szintigraphischer undklinischer Wahrscheinlichkeit ausge-schlossen werden. Bei klinisch oder szin-tigraphisch nur geringer oder mittlererWahrscheinlichkeit („nichtdiagnostischeSzintigraphie“), bietet die Szintigraphiekeine diagnostische Hilfe [25].

Abb. 4 m Konventionelle Computertomographie mit Darstellung eines zentralen Embolusin der rechten Pulmonalarterie

Tabelle 7

Echokardiographische Zeichender akuten Lungenarterienembolie

Zeichen/Hinweise aufLungenarterienembolie

Erweiterung des rechten VentrikelsErweiterung der PulmonalarterieAbflachung/Vorwölbung des Septums in

den LVTricuspidalinsuffizienzErweiterung des rechten VorhofesErweiterung der Vena cava inferior

(kein inspiratorischer Kollaps)direkter Nachweis eines Thrombus

(RA, RV, PA)

Differentialdiagnose zu anderenErkrankungen

LV-Hypokinese (KHK, DCM)PerikardergußAortendissektionKlappenvitium,Vorhoftumor links

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Übersicht

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Schock therapeutisch einzugreifen undeine Verlaufsbeurteilung bzw. Therapie-kontrolle nach rekanalisierenden Ein-griffen durch kontinuierliche Druck-messung zu ermöglichen. Durch die di-gitale Subtraktionsangiographie isthäufig eine gute Darstellung der Lun-genstrombahn möglich, bei Patientenmit erheblicher Dyspnoe ist die Metho-de jedoch aufgrund der notwendigenlangen Atempause limitiert. Wir ziehendaher die direkte Pulmonalisangiogra-phie via V. femoralis, wenn notwendigbettseitig mit einer mobilen Durch-leuchtungseinheit auf der Intensivsta-tion, der DSA vor [11, 36] (Abb. 6).

Stufendiagnostik

Anhand der sehr unterschiedlichen Pro-gnose der Lungenarterienembolie isterkennbar, daß die Diagnostik ent-scheidend am Schweregrad der Lun-genarterienembolie orientiert sein muß.Bei Patienten im Präschock oderSchock ist schnellmöglichst die Dia-gnose ohne Umschweife zu sichern, umdie adäquate Therapie zu beginnen.Hier müssen die diagnostischen Maß-nahmen auf die entscheidenden, mög-lichst bettseitig durchführbaren unddie Diagnose sichernden Verfahrenkonzentriert werden. Ggf. muß bei Pati-enten im Schock bereits bei hinreichen-dem Verdacht auf eine Lungenarterien-embolie zum Beispiel nach Klinik undEchokardiogramm die Thrombolysebegonnen werden.

Im MAPPET-Register wurde beiPatienten mit großer Lungenarterien-

en durchgesetzt. Die oftmals zusätzlicherhobenen Resultate der Blutgasanaly-se, der pulmonalarteriellen Drucke, dasangiographische Ausmaß der Gefäßob-struktion oder die Größe des Perfusi-onsdefektes fügen sich zwar meist gutin das Gesamtbild der unterschiedli-chen klinischen Stadien ein, sind aberfür die Indikationsstellung zur Einlei-tung einer Thrombolyse oder Katheter-fragmentation nicht erforderlich (Ta-belle 10).

Therapie

Auch die Therapie der akuten Lungen-arterienembolie ist entscheidend vomSchweregrad abhängig. Die therapeuti-sche Bemühungen in der akuten Phaseder Lungenarterienembolie sind durchdie allgemein zu empfehlende Basisthe-rapie und die kausaltherapeutischeRekanalisation der Lungenstrombahncharakterisiert, darüberhinaus muß dieGrunderkrankung adäquat behandeltwerden. In der chronischen Phase istvor allem die Rezidivprophylaxe vonentscheidender Bedeutung.

Die Diagnostik und Therapie vonPatienten mit dem Verdacht auf eine re-

embolie als wesentliche Diagnostik dieEchokardiographie in 74% der Fälleeingesetzt. Mit zunehmender Instabili-tät wurden weniger diagnostische Me-thoden angewendet. Besonders deut-lich wurde dies bei Angiographie oderSzintigraphie: 79% der kreislaufstabi-len Patienten und lediglich 32% der Pa-tienten im Schock mit initialer kardio-pulmonaler Reanimation wurden an-giographisch oder szintigraphisch un-tersucht [13].

Differentialdiagnose

Bei der fulminanten Lungenarterien-embolie sind vor allem die schwerwie-genden Differentialdiagnosen rasch ab-zuklären (Myokardinfarkt, Aortendis-sektion, Pneumothorax und Perikard-tamponade). Die hohe Frühletalität derfulminanten Lungenarterienembolie vonetwa 50% innerhalb der ersten Stundeunterstreicht den Stellenwert der sehrschnellen richtigen Diagnostik mit Ein-leitung einer adäquaten Therapie (Ta-belle 9).

Stadieneinteilung

Die Lungenarterienembolie kann nachdem klinischen Verlauf (akut, chro-nisch, rezidivierend), dem Ausmaß derpulmonalen Querschnittsverlegung,demklinischen Schweregrad (klein, sub-massiv, massiv und fulminant) odernach der Lokalisation der Embolie(zentral, intermediär, peripher) einge-teilt werden. Für die Therapie hat sichdie Einteilung nach klinischen Kriteri-

Tabelle 8

Angiographischer Nachweis einer akuten Lungenarterienemboliein Abhängigkeit von der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Lungen-arterienembolie und der Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolieim Szintigramm (Ergebnisse der PIOPED-Studie)

Klinische Wahrscheinlichkeit

80-100% 20–79% 0–19% alle

Wahrscheinlichkeitaufgrund Szintigraphie

hoch 96 88 56 87mittel 66 28 16 30niedrig 40 16 4 14sehr niedrig (normales Szinti) 0 6 2 4

alle 68 30 9 28

Abb. 5 m Perfusionsszintigraphie mitvollständigem Perfusionsausfall der rechtenLunge (oben) und wiederhergestellterPerfusion nach 5 Tagen effektiver Heparin-therapie bei anhaltend kreislaufstabilerPatientin (unten)

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levante Lungenembolie sollte unterÜberwachungsbedingungen erfolgen.Zu den erforderlichen Basismaßnah-men gehören die Sedierung und Anal-gesie, die Insufflation von Sauerstoff(ggf. mechanische Ventilation), die Im-mobilisierung unter Hochlagerung desOberkörpers und ggf. kreislaufunter-stützende Maßnahmen (Katecholami-ne). Eine ungezielte Volumentherapieoder die Applikation von Nitraten kanndie hämodynamische Situation weiterverschlechtern, so daß diese Maßnah-men unterbleiben müssen.

Heparin und niedermolekularesHeparin

Liegen keine Kontraindikationen gegeneine Antikoagulation vor, so ist bereitsbeim Verdacht auf eine Lungenarteri-enembolie eine effektive Antikoagulati-on mit Heparin indiziert. Die Therapiewird mit einer Bolusgabe Heparin(5–10.000 IE) begonnen und mit einergewichtsadaptierten kontinuierlichenHeparin-Infusion (400–600 IE/Kg KGmit Verlängerung der PTT auf das 2–3-fache unter engmaschiger Gerinnungs-kontrolle) bzw. effektiver gewichtsad-aptierter Therapie mit niedermolekula-rem Heparin fortgesetzt. In der Regelist eine relativ hohe Initialdosis erfor-derlich, die dann im weiteren Verlaufreduziert werden kann. Diese Maßnah-me senkt die Letalität von Patienten mitLungenembolie hochsignifikant, ver-hindert die Ausbildung neuer und ap-positioneller Thromben, erlaubt die

Thrombolyse

Die Thrombolyse ist neben der Kathe-terfragmentation und der operativenEmbolektomie als eine der 3 kausalthe-rapeutischen Optionen bei der Lungen-arterienembolie anzusehen. Aufgrundder zahlreichen Kontraindikationen undder möglichen Komplikationen ist dieThrombolyse nur bei sicherer Indikati-on einzusetzen. Im klinischen Stadium Iund II bestand bislang keine eindeutige,durch die Lungenarterienembolie gege-bene Indikation; allenfalls könnte eineIndikation zur Behandlung der zugrun-deliegenden Thrombose liegen.

In zahlreichen Studien wurde abergerade bei diesen hämodynamisch nichtschwerwiegend limitierten Patientenmeist mit submassiven Lungenarterien-embolie der Stellenwert der Thromboly-se untersucht. Für die verschiedenenThrombolyseregime wurde gezeigt, daßeine schnellere Emboluslyse und eineschnellere Normalisierung des pulmo-nalvaskulären Widerstandes im Ver-gleich zur alleinigen Heparintherapie er-zielt werden konnte. Bei bis zu 50% derPatienten unter längerdauernder Lyse-therapie (12–24 h) traten Blutungskom-plikationen auf, zerebrale Blutungen wa-ren selten (ca. 1%), die meisten der Blu-tungen waren auf die diagnostischenMaßnahmen (z. B. Pulmonalisangiogra-phie, invasive Blutdrucküberwachung)zurückzuführen. Die Letalität konntenicht signifikant gesenkt werden [10].

körpereigene endogene Thrombuslyseund reduziert die Rate von Rezidiven.

Die Therapie mit Heparin birgt in0,5–5% der Fälle die Gefahr der heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT-II), so daß entsprechende regelmäßigeKontrollen des Blutbildes unter Heparin-therapie erforderlich sind. Bei Nachweiseiner HIT Typ II ist die sofortige Beendi-gung der Heparintherapie und die Fort-führung der Antikoagulation mit Hiru-din erforderlich. Unter einer Therapiemit niedermolekularem Heparin ist dieInzidenz der HIT Typ II erheblich nied-riger, so daß die Therapie in jüngererZeit häufig bevorzugt wird [40].

Abb. 6 m Angiographie eines Patienten mit zentraler Lungenarterienembolie rechts. NachFragmentation des initial vollständig verschließenden Thrombus mit Hilfe des Pigtailkatheterserkennt man bei selektiver Injektion in die Unterlappenarterie rechts Thrombusfragmente, dieaufgrund ihrer vergrößerten Oberfläche einen besseren Angriffspunkt für die Thrombolyse bilden

Tabelle 9

Differentialdiagnose der akuten Lungenarterienembolie

Akute Dyspnoe Akuter Synkope SchockThoraxschmerz

Pneumothorax Angina pectoris Zerebral MyokardinfarktPneumonie Myokardinfarkt – Krampfanfall akute MI,VSDAsthma bronchiale Perikarditis – Embolie Bradykardiedekomp COPD Pleuritis – Blutung TachykardieLungenödem Aortendissektion Bradykardie AnaphylaxiePleuritis Interkostalneuralgie Carotissinus-Syndrom SepsisVitium cordis Herpes zoster Tachykardie (VT,VF) massive Blutungakute MI,VSD Mediastinitis vaso-vagal AortendissektionPerikarderguß Pankreatitis Intoxikation AortenrupturAspiration akutes Abdomen Hypoglycämie dekomp.Vitium cordisBronchialcarcinom Ulkusleiden VorhofmyxomPleuratumoren Milzinfarkt, -ruptur MyokarditisHochdruckkrise Niereninfarkt, -kolikAtelektase GallenkolikSystemerkrankungen Rippenfrakturmit pulm. Beteiligung

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Übersicht

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Durch die aktuell publizierten Re-sultate der MAPPET-Studie ergebensich jetzt allerdings deutliche Hinweisedarauf, daß auch bei Patienten mit Zei-chen der Rechtsherzbelastung und hä-modynamisch stabiler großer Lungen-arterienembolie die Thrombolyse eineVerbesserung der Prognose bewirkte.Während der Krankenhausphase konn-te die Letalität signifikant von 11,1% inder Heparin-Gruppe auf 4,7% in derdurch Thrombolyse behandelten Pati-entengruppe gesenkt werden, die Rezi-divrate sank von 18,7% auf 7,7%. DieBlutungsrate nahm von 7,8% unterHeparin auf 21,9% unter Thrombolysezu, zerebrale Blutungen waren jedochmit 0,4% bzw. 1,2% der Fälle in beidenGruppen selten [16].

Im klinischen Stadium III und IVist die Prognose der Patienten mit Lun-genarterienembolie per se sehr ungün-stig, so daß eine aggressive Therapie in-diziert ist und häufig vom behandeln-den Arzt eingeleitet wird (77% Throm-bolyse bei Patienten mit fulminanterLungenembolie und Reanimation imMAPPET-Register). Insbesondere beiPatienten im Schock gilt diese Therapieals ausreichend gesichert und indiziert.Je schwerer krank ein Patient ist, um soeher werden auch bestehende Kontra-indikationen einer Thrombolyse über-gangen [13]. Der wissenschaftlich ein-deutige, in einer ausreichend großenrandomisierten Studie geführte Beweis

mentierten Thrombus eine effektivereThrombusauflösung zu erreichen. Wirkonnten so bei Patienten mit Lungenar-terienembolie und reanimationspflich-tigen kardiogenen Schock erreichen,daß über 70% der behandelten Patien-ten das Ereignis überlebten [11]. DiesesVerfahren kann von erfahrenen Unter-suchern auch auf der Intensivstationmit einer mobilen Durchleutungsein-heit bettseitig durchgeführt werden(siehe Abbildung 6).

Operative Embolektomie

Die operative Embolektomie ist eineheute nur noch sehr selten eingesetzteOption bei fulminanter Lungenarteri-enembolie mit Schock. Sie ist nur fürPatienten mit zentraler Embolie geeig-net und aufgrund des aufwendigen Vor-gehens auf wenige Zentren begrenzt.40–50% der Patienten überleben Lun-genarterienembolie und OP nicht [17].

Rezidivprophylaxe

Bei nachgewiesener Lungenarterienem-bolie auf dem Boden einer tiefen Beinve-nenthrombose ist für die Frühphase eineeffektive orale Antikoagulation erforder-lich. Diese wird während des stationärenAufenthaltes mit einer überlappendenHeparinisierung begonnen, entspre-chend eines INR-Wertes von 2,5–3,5 ein-gestellt und für mindestens 6 Monate

eines tatsächlichen Vorteils der Throm-bolyse fehlt jedoch auch bei Patientenim Schock nach wie vor.

Als praktikabel hat sich für dieThrombolysetherapie entweder eine län-gerdauernde Streptokinase- oder Uro-kinaselyse herausgestellt, bei schwerst-kranken Patienten mit fulminanterLungenarterienembolie ist die Lysethe-rapie mit einem Bolusregime unter Ver-wendung von tPA am häufigsten einge-setzt. In Tabelle 11 ist eine Auswahl dergeprüften Dosierungsschemata fürStreptokinase, Urokinase und tPA zu-sammengestellt, in Tabelle 12 sind dievon uns eingesetzten Dosierungen inAbhängigkeit vom Schweregrad derEmbolie aufgeführt.

Kathetertechniken

Bei schwerstkranken Patienten imSchock und unter kardiopulmonalerReanimation kann die thrombolytischeTherapie in der Regel nicht in einemausreichend kurzen Zeitraum zur Wie-dereröffnung der Pulmonalisstrom-bahn führen. Es sind daher verschiedeneVersuche unternommen worden, beidiesen Patienten durch eine mechani-sche Fragmentierung des Thrombusund eine parallel dazu durchgeführteThrombolyse einerseits zunächst me-chanisch eine Rekanalisation herbeizu-führen und dann medikamentös beivergrößerter Angriffsfläche am frag-

Tabelle 10

Stadieneinteilung und Prognose der akuten Lungenarterienembolie anhand klinischer Kriterien

Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IVklein submassiv massiv fulminant

Klinik unauffällig oder passagere leichtgr., anhaltende Sympt., ausgepr., anhaltende Sympt. zusätzlich zu III Vollbild geringgradige Sympt., Dyspnoe, akute Dyspnoe,Thorax- Schwere Dyspnoe, des Schocks bis hingeringer Thoraxschmerz. Evtl. schmerz,Tachypnoe,Tachy- Tachypnoe,Thoraxschmerzen, zum KreislaufstillstandFolgeerscheinungen wie kardie. Evtl. Folgen wie Tachykardie, Zyanose, Angst,Hämoptysen, Fieber, Pleuritis unter Stadium I Unruhe, Synkope, Präschock

bis Schock

arterieller normal normal bis leicht erniedrigt erniedrigt stark erniedrigt bis hin Druck zum Kreislaufstillstand

Atemfrequenz normal >16/min >20/min >25/min

Herzfrequenz normal >90/min >100/min >100/min

Prognose nicht tödlich nicht tödlich innerhalb weniger Stunden innerhalb einer Stunde tödlich, Letalität auch unter tödlich, auch unter Therapie >25% (RV-Versagen) Therapie Letalität >50%

(RV-Versagen, zerebrale Hypoxie)

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fortgeführt [14]. Die orale Antikoagulati-on kann bereits unmittelbar nach Dia-gnosesicherung begonnen werden, umkeine unnötige Zeit im Krankenhaus zuverlieren. Bei Rezidivembolie ist einelängerdauernde Antikoagulation emp-fehlenswert, bei hereditärem Gerin-nungsdefekt oder mehrfach rezidivie-render Lungenarterienembolie muß einelebenslange Antikoagulation erfolgen.

Eventuell kann bei hoher Rezidiv-gefahr oder bereits mehrfach eingetre-tener Rezidivembolie durch operativeSanierung des Quellgebietes ein erneu-tes Rezidiv verhindert werden. Hier istnach sorgfältiger Abwägung von Risi-ken und Nebenwirkungen eine Femo-ralvenenligatur oder eine operativeCava-Sperrmaßnahme indiziert.

Perkutan implantierbare Cava-Fil-ter wurden zur Embolieprophylaxe beiemboliegefährdeten Patienten mit tie-fer Beinvenenthrombose relativ häufigeingesetzt, in Abhängigkeit von denverwendeten Systemen sind zum Teilhohe Komplikationsraten beschrieben[27]. In einer aktuellen Studie konntebei einem großen Patientenkollektivgezeigt werden, daß der initiale positiveEffekt der Filterimplantation (signifi-

Zusammenfassung

Das akute Cor pulmonale ist meistdurch eine Lungenarterienembolie be-dingt. Definitionsgemäß besteht beimakuten Cor pulmonale im Falle derLungenarterienembolie eine embolige-ne Querschnittsverlegung der Lungen-strombahn mit daraus resultierenderNachlasterhöhung des rechten Ventri-kels. Pathophysiologisch ist zusätzlich

kante Reduktion der Inzidenz einerLungenarterienembolie von 4,8 auf1,2% innerhalb von 12 Tagen) durch ei-ne langfristig nach 2 Jahren deutlich er-höhte Rate von Rezidiven der tiefenBeinvenenthrombose (20,8% TVT beiPatienten mit Filter vs. 11,6% bei Patien-ten ohne Filter) aufgehoben wurde. Ei-ne Filterimplantation hatte keinen Ein-fluß auf die akute und langfristige Leta-lität dieses Patientenkollektives [7].

Tabelle 11

Studien zur Thrombolysetherapie der akuten Lungenarterienembolie

Thrombolytikum Thrombolyse Dauer Kontrolle n iPAm Red. PAmAutor, Jahr Std. Std. mmHg −%

ID E ED/h

Streptokinase

Miller 1971 600.000 100.000 72 72 15 44 −34%Tibutt 1974 600.000 100.000 72 72 13 31 −39%USPET 1974 250.000 100.000 24 24 54 26 −19%

Urokinase

UPET 1970 4.400/kg 4.400/kg 12 24 82 26 −23%USPET 1974 4.400/kg 4.400/kg 24 24 54 27 −30%UKEP 2.000/kg 2.000/kg 24 30–48 67 27 −23Petitpretz 1984 15.000/kg – 0,2 12 14 31 −29%Schwarz 1984 250.000 1.700/kg 144 144 12 42 −64%

rt-PA

Goldhaber 1986 50 mg/2 h 40 mg 4 2 47 22 −8%6 22 −22%

Verstraete 1988 10 mg/B. 50 mg 5 2 34 30 −31%40 mg/2 h 7–18 30 −41 –61%

Goldhaber 1988 100 mg/2 h 2 22 31 −22%Meyer 1992 10 mg/B.

90 mg/2 h 12 34 28 −39%

ID: Initialdosis; ED: Erhaltungsdosis; iPAm: Initialer pulmonalarterieller Mitteldruck; Red. Pam -%: Reduktion des pulmonalarteriellen Mitteldruckesnach Thrombolyse; B: Bolus

Tabelle 12

Empfehlungen für die thrombolytische Therapie bei unterschiedlichen Stadiender Lungenarterienembolie

Langdauernde Lyse Kurzzeitlyse Boluslyse(Stadium III) (Stadium III-IV) (Stadium IV, CPR)

Streptokinase 250.000 IE/10 min 1,5 Mio IE Bolus100.000 IE/h für 24 h

Urokinase 2.000 IE/kg KG/10 min 1 Mio IE Bolus 3 Mio IE Bolus2.000 IE/kg KG/h für 24 h 2 Mio IE/2 hoder4.400 IE/kg KG/10 min4.400 IE/kg KG/h für 12 h

rt-PA 50 mg/2 h 100 mg/2 h50 mg/5 h

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Übersicht

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Fazit für die Praxis

Die akute Nachlasterhöhung des rechtenVentrikels und die plötzliche Gasaus-tauschstörung sind die charakteristischenBefunde, die der weiteren Symptomatikdes akuten Cor pulmonale bei einer arteri-ellen Lungenembolie zugrunde liegen.Ursache von Lungenembolien sind in denmeisten Fällen tiefe Beinvenenthrom-bosen: In 80% an Lungenembolie verstor-bener Patienten fand sich autoptisch eineBeinvenenthrombose, die allerdings nur in19% klinisch vor dem Tod bekannt war. DieVerdachtsdiagnose muß in lebensbedroh-licher Situation oft nur aufgrund vonAnamnese und klinischen Befunden ge-stellt werden. Sind die betroffenen Patien-ten hämodynamisch stabil, bleibt Zeit zuweiteren technisch gestützten Untersu-chungen, sind sie im Präschock oderSchock, ist sofortiges Handeln mit einemdiagnostischen Minimalprogramm gebo-ten, um ehestens die beeinträchtigte oderverlegte pulmonale Strombahn zu rekana-lisieren.

Bei Schockpatienten ist eine längerdauernde Streptokinase- oder Urokinase-lyse indiziert, bei schwerstkranken Patien-ten wird die Lysetherapie mit einem Bolus-regime von tPA bevorzugt. In Reanima-tionssituationen kommt die katheterge-stützte mechanische Thrombusfragmen-tierung in Kombination mit einer Lyse-therapie in Betracht, sehr selten werdendagegen bei akuter Lungenarterienem-bolie chirurgische Maßnahmen ergriffen.Bezüglich operativer Verfahren bei chroni-scher Obstruktion der pulmonalen Strom-bahn als Folge von Embolien sei auf dieArbeit von A. Haverich et al. in diesem Heftdes INTERNIST verwiesen.

Zur Prävention von Lungenembolienwird unverändert die orale Antikoagula-tion angewandt, nach einer bereits erfolg-ten Lungenembolie wenigstens für 6 Mo-nate oder, je nach Risikosituation, sogarlebenslang.

die akut einsetzende Gasaustauschstö-rung von Bedeutung.

Vordringliches Ziel bei der Be-handlung von Patienten mit Lungenar-terienembolie ist die richtige undschnelle Diagnosesicherung und einedem Schweregrad der Erkrankung an-gepaßte Therapie.

Grundlage der Diagnostik ist diebereits früh gestellte Verdachtsdiagno-se. Kardinalsymptome einer relevantenLungenarterienembolie sind Dyspnoe,Thoraxschmerzen und ein akutesAngstgefühl. Die klinischen Befunde ei-ner Lungenarterienembolie sind un-spezifisch, am häufigsten bestehen Ta-chypnoe, Tachykardie und Pleurodynie.

Bei den diagnostischen Verfahrensind solche mit hinweisendem Chrakter(klinische Symptome und Untersu-chungsbefunde, EKG, Röntgen-Thorax-aufnahmen, Labortests) von denen mitsicherndem bzw. beweisenden Charak-ter zu unterscheiden (Echokardiogra-phie, Lungenszintigraphie, Pulmonalis-angiographie, Spiral-CT-Untersuchung).

Die Diagnose einer Lungenarteri-enembolie sollte individuell aus dersinnvollen Integration von anamne-stischen Daten, klinischen Untersu-chungsbefunden sowie einzelnen, ge-zielt erhobenen technischen Untersu-chungsbefunden gestellt werden. Diffe-rentialdiagnostisch müssen vor allemdie schwerwiegenden Alternativen (Myo-kardinfarkt, Aortendissektion, Pneumo-thorax und Perikardtamponade) raschabgegrenzt werden.

Für die Therapie ist entscheidend,klinisch die hämodynamisch nichtschwerwiegende Lungenarterienembo-lie von der massiven oder fulminantenLungenarterienembolie mit Präschockoder Schock zu unterscheiden. Bei hä-modynamisch stabilen Patienten mitVerdacht auf das Vorliegen einer Lun-genarterienembolie kann die Diagno-stik mit den oben genannten Verfahrenmeist innerhalb einiger Tage durchge-führt werden, die Diagnose gesichertund eine entsprechende Therapie ein-geleitet werden. Bei Patienten imSchock ist schnellstmöglich die Dia-gnose zu sichern, um eine adäquateTherapie zu beginnen.

Die Therapie der akuten Lungenar-terienembolie ist vom Schweregrad der

Lungenembolie abhängig. Die thera-peutischen Bemühungen in der akutenPhase der Lungenarterienembolie sindvor allem durch die allgemein zu emp-fehlende Basistherapie und dann diespezifische, kausaltherapeutische Reka-nalisation der Lungenstrombahn (Lyse,Fragmentation, Operation) charakteri-siert. Darüberhinaus gilt es, die ent-sprechende Grunderkrankung entspre-chend zu therapieren. In der chroni-schen Phase ist vor allem die Rezidiv-prophylaxe von entscheidender Bedeu-tung. Liegen keine Kontraindikationengegen eine Antikoagulation vor, so istbereits beim Verdacht auf eine Lungen-arterienembolie eine effektive Antiko-agulation indiziert.

Bei Lungenarterienembolie mitPräschock oder Schocksymptomatik istdie Prognose der Patienten sehr ungün-stig, so daß eine aggressive Therapie in-diziert ist. Insbesondere bei Patientenmit Schock gilt die Thrombolyse als kli-nisch ausreichend gesichert und indi-ziert. Als praktikabel hat sich entwedereine längerdauernde Streptokinase- oderUrokinaselyse herausgestellt. Bei schwerst-kranken Patienten mit fulminanterLungenarterienembolie wird die Lyse-therapie mit einem Bolusregime unterVerwendung von tPA am häufigsteneingesetzt. Bei Patienten unter kardio-pulmonaler Reanimation führt diethrombolytische Therapie in der Regelnicht in einem ausreichend kurzenZeitraum zur Wiedereröffnung der Pul-monalisstrombahn. Durch katheterge-stützte mechanische Fragmentierungdes Thrombus in Kombination mit ei-ner Thrombolyse kann der erfahreneUntersucher in dieser Situation auchbettseitig auf der Intensivstation mit ei-ner mobilen Durchleuchtungseinheitdie Lungenstrombahn rekanalisieren.Die operative Embolektomie ist eineheute nur noch sehr selten eingesetzteOption bei fulminanter Lungenarteri-enembolie mit Schock.

In der Frühphase nach Lungenar-terienembolie ist eine effektive oraleAntikoagulation für 6 Monate erforder-lich. Bei Rezidivembolie ist eine länger-dauernde Antikoagulation empfehlens-wert, bei Nachweis eines hereditärenGerinnungsdefektes oder mehrfach re-zidivierender Lungenarterienemboliesollte eine lebenslange Antikoagulationzur sicheren Vermeidung eines Rezidi-ves erfolgen.

Page 12: Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie

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