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„Next Generation EU“ und das drohende Risiko
einer verpassten europäischen Chance
Friedrich Heinemann
ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Universität Heidelberg
Expertise im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)
6. Juli 2020
Zusammenfassung: Mit dem „Next Generation EU“-Paket will die Europäische Kommission die
ökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie eingrenzen. Diese Studie untersucht, inwieweit das
vorgeschlagene Design geeignet ist, die Asymmetrie des Corona-Schocks zu bekämpfen, wirksame
Reformanreize in den begünstigten Ländern zu setzen und das EU-Budget in Richtung von Aufgaben
mit europäischem Mehrwert zu entwickeln. Die Analyse zeigt, dass der Next Generation-Fonds im
Hinblick auf seine Stabilisierungsaufgabe fehlkonstruiert ist. Der Großteil der Zahlungen im
Gesamtumfang von 750 Mrd. Euro würde so spät fließen, dass mit einer prozyklischen Wirkung des
Fonds zu rechnen ist. Noch dazu steht die Allokationsformel zur Mittelverteilung in keinem erkennbaren
Bezug zur relativen Krisenbetroffenheit der Mitgliedstaaten. Als Folge werden einige ökonomisch stark
getroffene Staaten nur wenig gestützt, während Länder mit milderen Rezessionen für ihren
Wachstumsrückgang sogar überkompensiert werden. Eine ungünstige Prognose ergibt sich auch für die
zu erwartenden Reformanreize. Die Steuerung durch die länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen
des Europäischen Semesters ist zu vage, als dass hier ein Anstoß zur Überwindung von nationalen
Reformblockaden zu erwarten ist. Die Mehrwertorientierung in den Ausgabeschwerpunkten auf Felder
wie Klimapolitik und Digitalisierung ist grundsätzlich positiv einzuschätzen. Problematisch ist die
Höherdotierung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Insgesamt ist das von der Europäischen Kommission
gewählte Design offenbar stark durch politische Kalküle und weniger durch den Wunsch nach einer
zielgenauen Krisenbekämpfung geprägt. In den anstehenden Verhandlungen müssen diese gravierenden
Designfehler korrigiert werden, wenn Europa die Chance nicht vergeuden will, die mit dem
umfassenden Corona-Finanzpaket für eine Weiterentwicklung des europäischen Fiskalsystems besteht.
Keywords: Fiskalkapazität, Resilienz, Covid-19-Krise, europäischer Mehrwert
JEL-Klassifikation: H12, H87, E62
Prof. Dr. Friedrich Heinemann
ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim
L 7, 1
Tel.: +49 621 1235149
68161 Mannheim
Germany
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ......................................................................................................................................... 3
2 Anforderungen an europäische Corona-Hilfe ................................................................................. 4
2.1 Solidarität als Werteentscheidung .......................................................................................... 4
2.2 Stabilisierungspolitische Erfordernisse ................................................................................... 5
2.3 Europäischer Mehrwert .......................................................................................................... 6
2.4 Reformanreize ......................................................................................................................... 7
3 Next Generation EU im Überblick ................................................................................................... 9
4 Eignung als Schock-Absorber ........................................................................................................ 11
5 Potenzial für europäischen Mehrwert .......................................................................................... 15
6 Wirksamkeit von Reformanreizen ................................................................................................. 16
7 Fazit und Empfehlungen ................................................................................................................ 18
Literatur ................................................................................................................................................. 21
3
1 Einleitung
Nach einer anfänglich langsamen Reaktion der EU auf die Covid-19-Pandemie zeichnen sich nun die
präziseren Konturen einer sehr bedeutsamen fiskalischen Antwort Europas ab. Mit ihrem Vorschlag von
Ende Mai für das mit 750 Mrd. Euro dotierte Krisenpaket „Next Generation EU“ hat die Europäische
Kommission die deutsch-französische Initiative für einen „Recovery Fund“ aufgegriffen und
konkretisiert (European Commission, 2020a). Der Next Generation-Fonds (NGF) soll den
Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), der den Rahmen für das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027
definiert, in den ersten Jahren massiv verstärken. Auf diese Weise soll der EU-Haushalt einen Beitrag
zur Erholung der europäischen Wirtschaft mit einem Fokus auf besonders von der Pandemie betroffene
Länder, Regionen und Sektoren leisten. Für die Jahre 2021-2027 würden der EU-Ebene mit dem um
den NGF verstärkten MFR insgesamt Ressourcen im Umfang von 1,85 Billionen Euro zur Verfügung
stehen. Der Kommissionsvorschlag ist nicht nur in seinem quantitativen Umfang ein Meilenstein. Auch
in qualitativer Hinsicht beinhaltet er wichtige fiskalpolitische Innovationen.
- Errichtung eines ersten potenziell bedeutsamen fiskalischen Versicherungsinstruments: Mit der
„Aufbau- und Resilienzfazilität“, die mit 560 Mrd. Euro den größten Baustein des NGF darstellt,
wird erstmals ein fiskalisches Instrument geschaffen, das explizit einen Ausgleich für einen
asymmetrischen Wirtschaftsschock leisten soll. Bislang ist das kohäsionspolitische EU-
Instrumentarium auf den Ausgleich von längerfristigen Entwicklungsunterschieden konzentriert.
- Einstieg in die umfassende Schuldenfinanzierung von EU-Ausgaben: Anders als der reguläre MFR
ist für den NGF eine Schuldenfinanzierung vorgesehen. Die Kommission will die NGF-Mittel
zunächst in vollem Umfang über die Emission von Anleihen finanzieren, die in einem
Dreißigjahres-Zeitraum von 2028 bis 2057 getilgt werden sollen. Die Tilgung soll durch erhöhte
Eigenmittelzahlungen der Mitgliedstaaten in diesem Zeitraum oder durch neue, direkt dem EU-
Haushalt zufließende Eigenmittelzahlungen erfolgen.
- Neue inhaltliche Schwerpunktsetzungen: Im stark ausdifferenzierten Instrumentenkasten des NFG
finden sich neben der budgetären Verstärkung bestehender EU-Ausgabeschwerpunkte inhaltlich
ganz neue Programme. Hier ist vor allem das geplante Gesundheitsprogramm „EU4Health“ zu
nennen, das Mittel für den europäischen Gesundheitsschutz und die Prävention für künftige
Gesundheitskrisen bereitstellen soll.
Diese und weitere mit dem NGF verbundenen Innovationen werden die europäischen Fiskalinstitutionen
verändern, auch wenn dieser Fonds zunächst als einmalige und temporäre Antwort auf die Corona-
Rezession motiviert ist. Weil sich aber die schuldenbasierte Refinanzierung über mehr als eine
Generation bis zum Jahr 2058 erstrecken wird und ein Präzedenzfall für eine fiskalische Krisenreaktion
der EU geschaffen wird, dürfte der NGF das budgetäre Erscheinungsbild der EU auf Dauer prägen.
Da es sich somit um eine zwar kurzfristig und krisenbedingte Entscheidung handelt, die aber letztlich
eine weit reichende Entscheidung über die EU-Fiskalverfassung darstellt, müssen die Details des NGF
trotz allen Zeitdrucks sorgfältig geprüft werden. Es ist bekannt aus der Geschichte des EU-Haushalts,
dass fundamental problematische Weichenstellungen wie etwa die hohe Gewichtung der
Agrarsubventionen im europäischen Haushalt ein sehr starkes Beharrungsvermögen mit sich bringen
und für sehr lange Zeit nicht mehr zu korrigieren sind.
Diese Analyse untersucht und bewertet die Schwerpunktsetzung, die Verteilung, das zeitliche Profil und
die Verwendungsauflagen des NGF. Maßgeblicher Beurteilungsmaßstab ist, inwieweit die mit der
Corona-Pandemie und ihren ökonomischen Folgen motivierte starke Ausweitung des EU-Haushalts
4
tatsächlich problemadäquat ist und durch die Krise entstandene oder zu Tage getretene Probleme
adressiert.
Die Kreditfinanzierung des NGF wirft offenkundig schwerwiegende Fragen auf, deren ausführliche
Behandlung den Rahmen dieser Expertise sprengen würde. Auch wenn ein schuldenfinanziertes
Programm in einer tiefen Rezession sinnvoll erscheint, ist die von der Kommission vorgesehene extrem
lange Laufzeit der Kredite bis zum Jahr 2057 mitnichten zwangsläufig. Wenn hier von einer
„vorübergehenden“ Abweichung vom EU-Verschuldungsverbot die Rede ist, dann erscheint diese
Formulierung bei einer derartig langen Laufzeit irreführend. Damit ergibt sich eine partielle
Haftungsgemeinschaft der EU-Mitgliedsaaten über einen sehr langen Zeitraum. Immerhin handelt es
sich bei der nun geplanten gemeinsamen europäischen Verschuldung nicht wie bei den diskutierten
Coronabonds (Heinemann, 2020) um eine gesamtschuldnerische Form europäischer Verschuldung.
Jeder Mitgliedstaat hat eine indirekte Rückzahlungsverpflichtung proportional zu seinem Anteil an den
EU-Eigenmittelzahlungen. Dennoch gehen die mittel- und langfristigen Risiken letztlich über den
heutigen Eigenmittelanteil eines Mitgliedstaats hinaus. So ist völlig unklar, wer für die Schulden eines
Mitgliedstaats einspringt, der im Laufe der kommenden Jahrzehnte die EU verlässt oder in die
Zahlungsunfähigkeit gerät. Solche Szenarien kann niemand für die Dauer von mehr als einer Generation
ausschließen. Auch sind die im Kommissionsvorschlag genannten Finanzierungsquellen für die
Rückzahlungen zu einseitig auf höhere Eigenmittelzahlungen der Mitgliedstaaten und neue europäische
Eigenmittel verengt. Eine sinnvolle Alternative bestünde in zukünftigen Einsparungen auf der
Ausgabeseite. So könnte sich die EU schon heute verpflichten, in Zukunft EU-Programme
zurückzufahren, die keinen erkennbaren europäischen Mehrwert stiften, um aus diesen Einsparungen
die Corona-Schulden zu tilgen. Die Direktzahlungen an Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP) wären dafür ein Kandidat (Heinemann and Weiss, 2018). Eine Schuldentilgung
durch solche sinnvollen zukünftigen Einsparungen im EU-Haushalt wäre eine viel überzeugendere
Perspektive als zukünftige Zusatzbelastungen für Mitgliedstaaten, Unternehmen und Steuerzahler.
Die folgende Analyse zeigt erhebliche weitere Defizite des Kommissionsvorschlags auf: Erstens
widersprechen die Allokationsformeln für die Verteilung der Mittel auf die Mitgliedstaaten den
Anforderungen an wirksame fiskalische Instrumente zum Ausgleich asymmetrischer Schocks. Zweitens
sind die Reformanreize, die sich aus der Integration des NGF in das Europäische Semester ergeben, zu
vage, um Wirksamkeit zu versprechen. Überwiegend günstig ist hingegen die inhaltliche
Schwerpunktsetzung der Ausgaben zu beurteilen. Diese orientieren sich weitgehend an Zielsetzungen,
die einen europäischen Mehrwert erwarten lassen. Ausnahmen betreffen die mit dem NGF verbundenen
Höherdotierungen der GAP und des Just Transition Fund (JTF), die in keiner erkennbaren Beziehung
zur Corona-Krise stehen und kaum Aussichten für eine Steigerung des europäischen Mehrwerts bieten.
Im nächsten Schritt werden zunächst einige Anforderungen an ein neues EU-Finanzinstrument skizziert,
das zielgenau die Corona-Krise adressieren könnte. Dem folgt eine Bewertung wichtiger Instrumente
und Regeln des NGF, gefolgt von Reformempfehlungen.
2 Anforderungen an europäische Corona-Hilfe
2.1 Solidarität als Werteentscheidung
Eine umfassende fiskalische Antwort Europas auf die Corona-Pandemie lässt sich zuallererst mit den
aus den der EU zugrundeliegenden Werteentscheidungen begründen. So ist die EU dem Prinzip der
Solidarität verpflichtet. Diese Werteentscheidung ist prominent im Zielkatalog des Art. 3 EUV
5
verankert, wonach die Union „die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“ fördert. Eine Union, die in
der bisher schwersten ökonomischen Krise der Nachkriegszeit besonders betroffene Mitgliedstaaten
sich selber überlässt, würde gegen ihre eigenen Prinzipien verstoßen.
Zum politischen Argument kommen ökonomische Argumente, die auch denjenigen zugänglich sein
sollten, die das Werturteil einer auf Solidarität bezogenen Union nicht teilen. So ist die solidarische
europäische Absicherung von durch die Krise schwer getroffenen Länder letztlich auch im
ökonomischen Eigeninteresse der Länder, die jetzt wie Deutschland einen Nettobeitrag leisten, wenn
dadurch die Akzeptanz für einen offenen Binnenmarkt und einen Fortgang des europäischen
Integrationsprojekts gewahrt bleiben kann. Darüber hinaus ist in der ökonomischen Argumentation
zwischen stabilisierungspolitischen, allokativen, und wachstumspolitischen Argumenten zu
unterscheiden. Diese im Folgenden entfalteten Argumente liefern wichtige Anhaltspunkte, auf welche
Weise neue Instrumente europäischer Solidarität konstruiert werden sollten.
2.2 Stabilisierungspolitische Erfordernisse
EU-Mitgliedstaaten sollten unabhängig vom Wohlstandsniveau ein Eigeninteresse an fiskalischen
Versicherungsinstrumenten haben, die jetzt und in Zukunft Länder im Fall von unverschuldeten Krisen
absichern. Dieses klassische Stabilisierungsargument prägt seit längerem die Diskussion um die
Fortentwicklung der Eurozone. Während Föderalstaaten über mehr oder minder ausgeprägte
Finanzausgleichssysteme verfügen, die Hilfe bei asymmetrischen regionalen Schocks leisten (Boadway
and Shah, 2007; Bordo et al., 2011), existieren solche Systeme für die EU bisher kaum. Der bisherige
EU-Haushalt selber verfügt mit lediglich einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung über ein nur
geringes Gewicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausgabenseite des EU-Haushalts durch
Ausgabenkategorien wie die GAP und die Kohäsionspolitik geprägt ist, die nicht auf kurzfristige
konjunkturelle Schwankungen reagieren. Insofern könnten neue europäische Fonds, die gezielt bei
asymmetrischen Schocks Ausgleichszahlungen zwischen wenig und stark betroffenen Länder
mobilisieren, eine Wohlfahrtssteigerung für alle Mitgliedstaaten bewirken.
Diese stabilisierungspolitische Grundidee hat zu einer Reihe von Vorschlägen für europäische
Fiskalversicherungen geführt, die sich der Fünf-Präsidenten-Bericht von 2015 (Juncker et al., 2015) und
die Europäische Kommission in ihren Überlegungen zur Weiterentwicklung der Eurozonen-
Institutionen (European Commission, 2017) unter der Überschrift einer „makroökonomischen
Stabilisierungsfunktion“ zu eigen gemacht haben. Ein solcher europäischer Mechanismus würde gemäß
Reflexionspapier der Europäischen Kommission (European Commission, 2017, S. 25f) den nationalen
Haushalten helfen, einen asymmetrischen Schock in den besonders betroffenen Mitgliedstaaten zu
dämpfen. Damit wären nach ausdrücklicher Darlegung der Europäischen Kommission keine
permanenten Transfers verbunden, weil kein Land wissen kann, ob es in Zukunft von einem Schock in
besonderer Weise getroffen würde. In der Konstruktion müssten außerdem Fehlanreize („Moral
Hazard“) vermieden werden, weil Versicherungsinstrumente ansonsten zu einem unvorsichtigen
Verhalten verleiten könnten. Auch wenn eine solche Stabilisierungsfunktion vor allem in Bezug auf die
Erfordernisse der Eurozone motiviert wird, würde der Mechanismus für alle EU-Mitgliedstaaten
offenstehen. Für die Finanzierung wurden im Reflexionspapier von 2017 bereits verschiedene Optionen
von existierenden über mögliche neue Eigenmittel und angesparte Krisen-Fonds bis hin zu
Verschuldungsinstrumenten ins Spiel gebracht.
Die Bandbreite der in Wissenschaft und Politik diskutierten Ausgestaltungen von solchen Schock-
Absorbern ist groß. Das Reflexionspapier der Europäischen Kommission von 2017 diskutiert Fonds zur
6
Stabilisierung der öffentlichen Investitionen (das „European Investment Protection Scheme“) und eine
Europäische Arbeitslosen (Rück-)Versicherung. Die in der Wissenschaft diskutierten Modelle
differieren stark in Bezug auf die Mittelverwendung und die genauen Definitionen eines
asymmetrischen Schocks (siehe z.B. Dolls et al., 2016; Dolls et al., 2018; Enderlein et al., 2013).
Dennoch gibt es konzeptionell wichtige Gemeinsamkeiten aller Modelle: Maßgeblich für die
Begünstigung ist immer das Ausmaß des konjunkturellen Abschwungs in einer Rezession relativ zum
europäischen Durchschnitt, ob der Abschwung nun über den Anstieg der Arbeitslosigkeit, die Output-
Lücke oder den Rückgang des Wirtschaftswachstums gemessen wird.
Das Anliegen, europäische Volkswirtschaften gegen asymmetrische Schocks abzusichern
(Versicherungsfunktion), ist somit konzeptionell strikt zu unterscheiden von einer systematischen
Umverteilung von reichen an arme Staaten (Transferfunktion). Das Wohlstandsniveau ist in keinem der
diskutierten Modelle ein Indikator, der eine Begünstigung auslösen würde. Damit ist die
Versicherungsfunktion eines Schockabsorbers auch präzise von der EU-Kohäsionspolitik zu
unterscheiden, die auf einen dauerhaften Transfer an ärmere Staaten angelegt ist.
Mit Blick auf die Asymmetrie des Corona-Schocks und auf der Grundlage der Literatur und der
bisherigen konzeptionellen Stellungnahmen der Kommission selber zum Potenzial europäischer
Stabilisierungsinstrumente sind folgende Anforderungen an den NGF zu formulieren:
- Die Vergabekriterien des NGF sollten einen klaren Bezug zur Schwere der Rezession relativ zum
Durchschnitt der EU herstellen, um zielgerichtet die Asymmetrie des Corona-Schocks bekämpfen
zu können.
- Die im Rahmen des Fonds ausgelösten Zahlungen müssen rasch realisiert werden, um bei der
Bekämpfung des Wachstumseinbruchs wirken zu können. Anderenfalls droht ein prozyklischer
Effekt, indem die Stabilisierung erst im Aufschwung erfolgt und die makroökonomische Volatilität
dann sogar zunimmt.
- Moral Hazard-Gefahren können verringert werden, wenn die Vergabekriterien nicht an
Strukturmerkmalen anknüpfen, für die Länder z.B. durch eine fehlende Bereitschaft zu Reformen
selber verantwortlich sind.
2.3 Europäischer Mehrwert
Jenseits der stabilisierungspolitischen Krisenreaktion ist mit der fiskalischen Antwort auf Corona auch
eine allokative Dimension berührt. Neue fiskalische Instrumente auf der EU-Ebene sollten in ihren
Ausgabenschwerpunkten auch solche Erkenntnisse über die optimale Aufgabenteilung zwischen EU
und Mitgliedstaaten berücksichtigen, die durch die Pandemie erlangt worden sind.
Unabhängig von neuen Erkenntnissen aus der gegenwärtigen Gesundheitskrise existierte schon zuvor
ein weitgehendender Konsens der finanzwissenschaftlichen Literatur darüber, dass die gegenwärtige
Schwerpunktsetzung im EU-Haushalt nicht im Einklang mit einer rationalen Aufgabenverteilung steht,
die auf das besondere Potenzial einer zentralen Ebene abstellt (Oates, 1999; Oates, 2008). Demzufolge
sollte sich Europa auf solche Aufgaben konzentrieren, bei denen eine europäische Bereitstellung mit
Skalenerträgen verbunden ist, nationale Politiken starke grenzüberschreitende Externalitäten aufweisen,
und bei denen eine große Homogenität der Präferenzen über die Mitgliedstaaten hinweg existiert. Eine
Vielzahl von Studien liefern dazu ein recht einheitliches Bild (Alesina et al., 2005; ECORYS et al.,
2008; Heinemann and Weiss, 2018; Sapir et al., 2004; Weiss, 2013; Weiss et al., 2017): Demnach ist
das starke Gewicht der GAP im EU-Haushalt (insbesondere die Direktzahlungen an Landwirte) und der
7
Kohäsionspolitik (insbesondere die Programme in wohlhabenden Mitgliedstaaten) kritisch zu sehen.
Umgekehrt ist der Haushalt unterdotiert auf Feldern, die einen wirklichen „europäischen Mehrwert“
versprechen, das betrifft Gebiete wie die Klima- und Umweltpolitik, die Migrations-, Außen-,
Verteidigungs- und Entwicklungspolitik.
Die Covid-19-Pandemie hat in ihrem Verlauf nun deutlich gemacht, dass diese Literatur möglicherweise
einem weiteren potenziellen europäischen Politikfeld zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat: der
Gesundheits- und Seuchenpolitik. Die unkoordinierte Vorgehensweise der Mitgliedstaaten in ihrer
Krisenreaktion seit Anfang diesen Jahres, die abrupten Grenzschließungen, die unkoordinierten
Lockdowns, die nur geringe Kooperation in der Behandlung von schwer kranken Patienten und die
nationalen Alleingänge in der Beschaffung von medizinischem Material – all das hat zu erheblichen
Friktionen bis hin zur temporären Beendigung der freien Mobilität im Binnenmarkt geführt. Diese
Negativerfahrungen einer unkoordinierten nationalen Politik liefern Hinweise darauf, dass neue
europäische Instrumente auf diesen Gebieten einen europäischen Mehrwert versprechen.
Die bisherige Annahme, dass von nationaler Gesundheitspolitik keine nennenswerten Effekte auf
Nachbarstaaten ausgehen und daher Europa auf diesem Gebiet außen vor bleiben kann, ist durch die
Pandemie eindrucksvoll widerlegt worden. Zumindest in Bezug auf die Prävention, Bewältigung und
Eindämmung von Pandemien gibt es heute somit gute Argumente für eine stärkere europäische
Koordination.
Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende allokativen Empfehlungen an die inhaltliche
Ausrichtung des NGF:
- Auf der Ausgabenseite sollten zusätzliche Ausgaben besondere Akzente auf die Politikfelder setzen,
die derzeit unter dem Aspekt des europäischen Mehrwerts unterfinanziert sind.
- In der Negation bedeutet dies, dass NGF-Ressourcen nicht für solche Politikfelder genutzt werden
dürfen, die keinen überzeugenden europäischen Mehrwert versprechen. Das Corona-Paket sollte
nicht den Ehrgeiz schmälern, Politikfelder ohne signifikanten europäischen Mehrwert im EU-
Haushalt herunterzufahren.
- Dem Bereich der Gesundheitspolitik sollte in einem Corona-bezogenen Fiskalpaket eine besondere
Aufmerksamkeit zuteilwerden. Neue Ansätze in der gemeinsamen europäischen Beschaffung von
Gesundheitsgütern, im Informationsaustausch, bei der Koordination und wechselseitigen Hilfe im
Fall von Gesundheitskrisen, sowie in der Prävention von Pandemien sollten auch mit neuen
budgetären Ressourcen erleichtert werden.
2.4 Reformanreize
In der Bewertung der Verantwortung für die ökonomische Betroffenheit durch die Corona-Krise
existiert ein fundamentales Missverständnis. Es ist zwar richtig, dass kein EU-Land eine „Schuld“ an
der Corona-Pandemie trägt1 und dass der mit der Pandemie einhergehende schwere ökonomische
Schock nicht durch eigenes Fehlverhalten ausgelöst worden ist. Daraus wird derzeit aber oft die
vorschnelle Schlussfolgerungen gezogen, dass finanzielle Hilfen, die nur auf die Folgen dieser
1 Möglicherweise wird sich mit Abstand zeigen, dass Länder verschieden wirksame Eindämmungsstrategien verfolgt haben
und sich auch die Lockdown-Strategien im Rückblick als unterschiedlich erfolgreich (auch in ihrer Begrenzung von
ökonomischen Kosten) erweisen. Angesichts der fehlenden Erfahrungen im Umgang mit einer solchen Pandemie können
solche „ex post Irrtümer“ aber kaum als „ex ante Politikfehler“ klassifiziert werden.
8
Pandemie abzielen, keine Fehlanreize auslösen könnten und somit bei den Pandemie-Hilfen kein Moral
Hazard-Problem bestehe (z.B. Dullien et al., 2020). Diese Sichtweise greift zu kurz.
Aus der Exogenität des Corona-Schocks folgt keineswegs, dass die betroffenen Länder keine
Eigenverantwortung für die Schwere der Folgen haben. Nationale Politiker und ihre Wähler tragen sehr
wohl Verantwortung für die finanzielle, ökonomische, soziale und medizinische Leistungsfähigkeit
ihres Landes und die daraus resultierende (fehlende) Krisenresilienz (Brinkmann et al., 2017). Das
Ausmaß der Schäden des exogenen Schocks hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Vorbedingungen
am Vorabend der Pandemie darstellen, und diese Vorbedingungen sind politikgemacht. Damit besteht
sehr wohl eine nationale Verantwortung für Betroffenheit durch die Krise. Diese Verantwortung bezieht
sich unter anderem auf den Zustand der Staatsfinanzen, das Wachstumspotenzial, die Ausgangssituation
sowie die Krisenflexibilität des Arbeitsmarktes und die Leistungsfähigkeit sowie die Kosteneffizienz
der öffentlichen Verwaltung.
So ist eine hohe Staatsverschuldung am Vorabend der Krise möglicherweise darauf zurückzuführen,
dass ein Land in den Jahren zuvor Vorgaben des EU-Stabilitätspakts missachtet hat oder aufgrund einer
populistisch ausgerichteten Ausgabenpolitik das Wachstum konsumtiver Staatsausgaben nicht unter
Kontrolle gebracht hat. Es war immer eine Intention europäischer Fiskalregeln, in den guten Zeiten
ausreichende Krisenpuffer zu schaffen, um künftigen Krisen etwas entgegensetzen zu können. Analysen
zeigen, dass das politische Unvermögen, die ökonomisch guten Zeiten zur Schuldenreduktion zu nutzen,
bis heute ein Kernproblem europäischer Fiskalpolitik in der Eurozone ist (Eyraud et al., 2017). Eine
hohe strukturelle Arbeitslosigkeit in Kombination mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit können ein
Hinweis auf einen überregulierten Arbeitsmarkt, auf ein beschäftigungsfeindliches Abgaben- und
Transfersystem und auf eine defizitäres Bildungssystem sein, das Schul- und Hochschulabsolvent/innen
zu schlecht auf den modernen Arbeitsmarkt vorbereitet. Dass Deutschlands Arbeitsmarkt vor der Krise
durch Beschäftigungsrekorde, eine Annäherung an Vollbeschäftigung und eine nur minimale
Jugendarbeitslosigkeit gekennzeichnet war, kann nicht einfach als „exogen“ betrachtet werden, sondern
ist einem Zusammenspiel von Reform-, Flexibilisierungs- und Lohnpolitik seit den 1990ern zu
verdanken, zu dem die Tarifvertragsparteien und die Arbeitsmarktpolitik gleichermaßen beigetragen
haben (Dustmann et al., 2014). Spiegelbildlich ist die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in einigen anderen
Euro-Staaten auch auf das Unvermögen zu gezielten Arbeitsmarktreformen zurückzuführen. Ein
geringes Potenzialwachstum schon vor der Krise mit all seinen fatalen Folgen für die Krisenresilienz
von Staat und Privatwirtschaft kann dadurch erklärbar sein, dass die Politik des Landes nicht
ausreichend für gute Investitions- und Innovationsbedingungen gesorgt hat, was beispielsweise in der
Literatur als maßgeblicher Grund für die schlechte italienische Wachstumsperformance identifiziert
worden ist (Pellegrino and Zingales, 2017). Und auch ein schlechter Zustand des Gesundheitssystems
oder der öffentliche Verwaltung und deren Fähigkeiten im Umgang mit einer Pandemie und im
Krisenmanagement ist letztlich ebenfalls das Ergebnis von politischen (Fehl-) Entscheidungen und der
Unfähigkeit zur Reform.
Derartige Überlegungen fehlen in den Papieren, welche die Europäische Kommission zur
Unterfütterung ihrer NGF-Vorschläge vorgelegt hat. Dort ist auf der einen Seite ausführlich die Rede
davon, dass in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Vorbedingungen herrschen, um durch
staatliche Rettungspakete die Krise einzudämmen (European Commission, 2020b). Unerwähnt bleiben
auf der anderen Seite Hinweise, dass diese Vorbedingungen politikdeterminiert sind.
Dieses Bewusstsein für die zumindest partielle nationale Verantwortung für die Krisenfolgen ist für die
Ausgestaltung des NGF unverzichtbar. Aus der empirischen Krisenforschung ist bekannt, dass Krisen
oftmals der Katalysator für Reformen sind (Abiad and Mody, 2005; Asatryan et al., 2017; Pitlik and
9
Wirth, 2003), weil sie die Kosten des Reformstaus offenlegen. Bedingungslose Transfers von außen
durch den NGF beinhalten das Risiko, den krisenbedingten Reformdruck wiederum abzumildern. Diese
Gefahr ist derzeit umso größer, als gleichzeitig die EZB durch ihre umfangreichen Käufe von
Staatsanleihen auch den von den Finanzmärkten ausgelösten Reformdruck stark abmildert. Mit Blick
auf ein Land wie Italien besteht die reale Gefahr, dass das Land „erfolgreich eine Krise abschütteln
könnte, ohne sich dem Versagen der eigenen Ökonomie stellen zu müssen“ (Migliaccio and Bosley,
2020). Diese massive Moral Hazard-Gefahr wird durch die gegenwärtige Einseitigkeit des
dominierenden Narrativs gesteigert, wonach die ökonomischen Schäden durch Corona gänzlich exogen
verursacht seien und nichts mit eigenen wirtschaftspolitischen Fehlern oder fehlender Reformfähigkeit
zu tun hätten.
Aus dieser Perspektive ergeben sich für die Ausrichtung und die Regeln des NGF wichtige
Empfehlungen:
- Der NGF sollte in seiner Allokation keine Signale aussenden, die Länder für fehlende
Reformfähigkeit in der Vergangenheit belohnen, indem zum Beispiel hoch verschuldete Länder
oder Länder mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit besonders begünstigt werden.
- Der NGF sollte mit Verwendungsauflagen versehen sein, die in Richtung einer beschäftigungs- und
wachstumsfreundlichen Reformpolitik wirken. Sonst drohen gravierende Fehlanreize. Bei diesen
Auflagen dürfen die politisch sensitiven Felder wie zum Beispiel Arbeitsmarktpolitik,
Sozialversicherungen, Steuersystem, Verwaltungseffizienz, Bildungssystem nicht ausgespart
bleiben.
3 Next Generation EU im Überblick
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Struktur des von der Kommission vorgeschlagenen
Aufbauinstruments „Next Generation EU“.
Die erste Säule des NGF, die Mittel für die Mitgliedstaaten mobilisiert, ist mit einem Volumen von gut
400 Mrd. Euro an Zuschüssen zuzüglich 250 Mrd. Euro an Krediten die quantitativ bedeutsamste.
Innerhalb der ersten Säule wiederum steht die neue Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and
Resilience Facility: RFF) im Mittelpunkt. Die RFF ist das zentrale Vehikel, das die Erholung der
Mitgliedstaaten unterstützen soll. Sie soll umfassende Mittel für öffentliche Investitionen und Reformen
bereitstellen. Für die inhaltliche Verwendung lässt der Verordnungsentwurf der Kommission (European
Commission, 2020c, S. 1) einen sehr weiten Spielraum („in various areas such as social, employment,
skills, education, research and innovation, health issues, but also related to the business envirnoment,
including public administration and the financial sector”). Stark betont wird zudem die Unterstützung
der Mitgliedstaaten in der grünen und digitalen Transformation. Die Reformorientierung der Mittel soll
durch die Einbettung der RRF in den Prozess des Europäischen Semesters mit seinen spezifischen
Reformempfehlungen erfolgen (siehe unten Abschnitt 7). Neben der RFF erhalten die Mitgliedstaaten
weitere Ressourcen über eine Aufstockung der Kohäsionsmittel (REACT-EU), des Europäischen
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, und über eine im Vergleich zu den
bisherigen MFR-Ansätzen Vervierfachung des Just Transition Funds (JTF) von bislang vorgesehenen
10 Mrd. auf 40 Mrd. Euro. Der JTF soll Mitgliedstaaten für ihre Kosten kompensieren, die sich auf dem
Weg zur Klimaneutralität ergeben.
10
Abbildung 1: Next Generation EU – Dotierung der Instrumente
Quelle: European Commission, Factsheet „The Pillars of Next Generation EU”
11
Die zweite mit gut 56 Mrd. Euro ausgestattete Säule adressiert den Privatsektor. Im Mittelpunkt steht
hier das Solvenzhilfeinstrument, das vom Lockdown und der Rezession stark betroffenen, aber
lebensfähigen Unternehmen Unterstützung zukommen lassen soll. Außerdem soll das InvestEU-
Programm, das im neuen MFR die Fortsetzung des auf den „Juncker-Plan“ zurückgehenden European
Fund for Strategic Investments (EFSI) darstellt, weiter aufgestockt werden. Die neue Fazilität für
strategische Investitionen soll zum einen "strategische Investitionen“ für die grüne und digitale
Transformation finanzieren und zum anderen einen Beitrag für stabile europäische
Wirtschöpfungsketten angesichts der in der Pandemie beobachtbaren Friktionen leisten.
Über die dritte Säule des NGF soll mit dem Gesundheitsprogramm EU4Health ein neues europäisches
Politikfeld eröffnet werden, das als Reaktion auf die Probleme der unkoordinierten nationalen
Gesundheits- und Seuchenpolitik in der Pandemie zu verstehen ist. Außerdem werden weitere EU-
Politikfelder auf den Gebieten Forschungsförderung (Horizon) sowie externe Politiken mit zusätzlichen
Beträgen dotiert.
4 Eignung als Schock-Absorber
Es sind zwei Bausteine des NGF, die potenziell am ehesten in der Logik einer Fiskalkapazität zur
Abfederung des asymmetrischen Corona-Schocks stehen könnten, es sind dies die Aufbau- und
Resilienzfazilität RRF und die corona-motivierte Aufstockung der Kohäsionsprogramme durch
REACT-EU. Auf diese beiden Instrumente entfallen 360 Mrd. Euro an Zuschüssen und das gesamte
NGF-Kreditpaket im Umfang von 250 Mrd. Euro, was somit gut 80 Prozent des gesamten NGF
entspricht.
Für beide Instrumente sind in den Verordnungsentwürfen der Kommission präzise Formeln für die
Verteilung der Mittel auf die Mitgliedstaaten definiert (siehe Box).
Box 1: RFF – Verteilungsformel
Die finanzielle Unterstützung bemisst sich proportional zu folgendem Begünstigungsindikator:
- Inverse des Pro-Kopf-Einkommens eines Landes im Jahr 2019 relativ zum EU-Durchschnitt
multipliziert mit dem
- Verhältnis der Arbeitslosenzahl des Landes in den Jahren 2015 bis 2019 relativ zur Gesamtzahl der
EU-Arbeitslosen in diesem Zeitraum (gewichtet mit der Bevölkerungsgröße).
Diese Formel ist um Kappungsgrenzen ergänzt, welche die maximale Begünstigung eines Landes mit
einer für reichere Mitgliedstaaten niedriger angesetzten Kappungsgrenze limitieren.
Quelle: European Commission: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the
Council establishing a Recovery and Resilience Facility, COM(2020) 408 final, 28.5.2020, Annex 1.
12
Box 2: REACT-EU – Verteilungsformel
Gewichteter Durchschnitt von
- BIP (Gewicht 2/3): Anteil eines Landes am BIP-Rückgang zwischen dem ersten Halbjahr 2019 bis
zur Referenzperiode, dividiert durch das Pro-Kopf-Einkommen des Mitgliedstaats relativ zum EU-
Durchschnitt.
- Arbeitslosigkeit (Gewicht 1/9): Anteil eines Landes an der EU-Gesamtzahl der Arbeitslosen im
Januar 2020 mit Gewicht 3/4; Anteil eines Landes an der Zunahme der Arbeitslosen zwischen
Januar 2020 bis zur Referenzperiode mit Gewicht 1/4 .
- Jugend-Arbeitslosigkeit (Gewicht 2/9): Anteil eines Landes an der EU-Gesamtzahl der
Jungendarbeitslosen im Januar 2020 mit Gewicht 3/4; Anteil an der Zunahme der Anzahl der
Jugendarbeitslosigkeit zwischen Januar 2020 und der Referenzperiode.
Diese Formel ist um Kappungsgrenzen ergänzt, die für reichere Länder relativ zum BIP (Referenzbasis
sind die Jahre 2015 bis 2017) geringere Obergrenzen festschreiben. Einen besonderen Zuschlag auf
diese Formel erhalten Regionen in äußerster Randlage.
Quelle: European Commission, REACT-EU Proposal, COM(2020) 451 final, 28.5.2020 , Annex.
Betrachtet man diese Verteilungsformeln vor dem Hintergrund der Anforderungen an ein fiskalisches
Stabilisierungsinstrument (Abschnitt 2.2), dann ergibt sich ein sehr klarer Befund für die drei quantitativ
bedeutsamsten Bausteine des NGF unter Einschluss des JTF.
Für die RRF, die mit ihren 560 Mrd. Euro das mit Abstand größte Budget absorbiert, spielt die
tatsächliche Schwere der Corona-Rezession für die relative Begünstigung eines Landes keinerlei Rolle.
Weder der krisenbedingte Wachstumsrückgang seit 2019 noch der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der
Krise wird berücksichtigt, um die Begünstigung der Mitgliedstaaten zu entscheiden. Stattdessen sind
einzig Indikatoren aus der Zeit vor der Krise von Bedeutung, die allesamt den Charakter von
strukturellen – und eben nicht konjunkturellen – Kennzahlen haben. Stark begünstigt werden
Mitgliedstaaten, die vor der Krise relativ arm waren (geringes Verhältnis Pro-Kopf-Einkommen zum
EU-Durchschnitt) und eine im Vergleich zum EU-Durchschnitt hohe strukturelle Arbeitslosigkeit
(gemessen am Fünfjahresdurchschnitt vor der Krise) aufgewiesen haben.
Für REACT-EU ist der Befund etwas günstiger. Hier spielt der Rückgang des BIP in der Krise immerhin
eine partielle Rolle für die Bestimmung von 2/3 des Begünstigungsfaktors. Dabei wird dieser Rückgang
allerdings durch die Division durch das Pro-Kopf-Einkommen (relativ zum EU-Durchschnitt) für
reichere Staaten unter- und für ärmere Staaten hochgewichtet, so dass auch hier die Ausrichtung auf den
asymmetrischen Schock abgeschwächt wird. 1/3 des Begünstigungsfaktors bezieht sich auf
Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit, dabei stehen aber die Arbeitslosenzahlen am Vorabend vor
der Krise mit einem Gewicht von drei Vierteln im Mittelpunkt.
Auch der drittgrößte Posten des NGF, die Aufstockung des JTF, weist in seiner Verteilungswirkung
schon konstruktionsbedingt keinerlei Bezug zur Asymmetrie des Corona-Schocks auf, weil dieser Fonds
Länder und Regionen mit hohen CO2-Emissionen begünstigen soll und somit inhaltlich keinen Bezug
zur Corona-Betroffenheit aufweist.
13
Die wichtigsten NGF-Instrumente sind somit in der von der Kommission vorgeschlagenen
Ausgestaltung konstruktionsbedingt weitgehend ungeeignet, um eine zielgenaue Funktion als
Schockabsorber für einen asymmetrischen Wachstumseinbruch zu erfüllen. Stattdessen sind sie als
Transfersystem von reicheren Länder mit guter Arbeitsmarktlage (vor der Krise) an ärmere Länder mit
schlechter Arbeitsmarktlage (ebenfalls vor der Krise) ausgestaltet. Ein Bezug zu den ökonomischen
Folgen der Covid-19-Pandemie ist sehr gering und für die Allokationsformel der RRF vollständig
abwesend.
Nun wäre es allerdings denkbar, dass die Strukturindikatoren zu Wohlstand und Arbeitsmärkten mit der
Schwere des Corona-Schocks hoch korreliert sind und daher auf diese Weise doch ein effektiver
stabilisierungspolitischer Beitrag geleistet wird, auch wenn dies nicht in der Indikatorkonstruktion direkt
angelegt ist. Tatsächlich argumentiert die Europäische Kommission, dass Wohlstandsniveau und Niveau
der Arbeitslosigkeit Auskunft über die Krisenresilienz geben könnten. Um diese Möglichkeit zu
bewerten, kann die Begünstigung eines Landes in Relation zur Schwere des ökonomischen Einbruchs
betrachtet werden. Abbildung 2 zeigt die in einem Kommissions-Arbeitspapier (European Commission,
2020b) abgeschätzte Netto-Begünstigung durch den gesamten 750 Mrd. Euro umfassenden NGF in
Relation zum Vorkrisen-BIP der Mitgliedstaaten.2 Die Länder sind von links nach rechts nach der in der
Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission prognostizierten Schwere der Rezession im Jahr 2020
geordnet. Der prognostizierte Wachstumsrückgang ist in Klammern hinter den Ländernamen
angegeben. Die Kommission erwartet somit, dass Polen die mildeste und Griechenland in diesem Jahr
die schwerste Rezession erleben wird.
Für einen zielgenauen Stabilisierungsmechanismus wäre zu erwarten, dass die Begünstigung der
Mitgliedstaaten in dieser Darstellung von links (geringere Krisenbetroffenheit) nach rechts (höhere
Krisenbetroffenheit) systematisch zunehmen sollte. Auf der linken Seite sollten die Länder zu finden
sein, die einen Nettobeitrag zahlen und auf der rechten diejenigen, die in der Nettobetrachtung einen
Transfer erhalten. Betrachtet man, inwieweit die ausgelösten Stabilisierungszahlen tatsächlich zur
relativen Schwere der Rezession passen, bestätigt sich der für das Design der Allokationsformeln zu
Tage getretene Befund. Das Begünstigungsmuster ist weitgehend losgelöst von der ökonomischen
Betroffenheit durch die Pandemie.3 Die relative Begünstigung steht kaum in einem nachvollziehbaren
Verhältnis zur Tiefe der Rezession. Länder wie Polen und Rumänien sind Nettoempfänger und werden
gemessen an der Größe ihres BIP sogar sehr stark begünstigt, obwohl sie eine verglichen zum EU-
Durchschnitt geringere Rezession zu erwarten haben. Aber auch die stark von der Rezession getroffenen
Länder werden sehr stark unterschiedlich behandelt. Den Top-Empfängern (gemessen an der nationalen
Wirtschaftskraft) wie Kroatien, Bulgarien und Griechenland stehen Länder wie Spanien und Italien mit
deutlich geringerer Begünstigung gegenüber. Noch auffälliger ist die Situation Irlands und Frankreichs,
die in der Nettobelastung stark belastet werden, obwohl sie mit einer überdurchschnittlich tiefen
Rezession konfrontiert sind.4 5
2 Den Leistungen des NGF wird dabei die in Zukunft mit der Tilgung der NGF-Schulden zu erwartenden Belastungen für die
Mitgliedstaaten gegenübergestellt. Das Kommissionspapier unterstellt dafür eine Aufteilung nach BIP. 3 Vgl. für ähnliche Resultate die Analysen von Darvas (2020a) und Diermeier et al. (2020) 4 Die relative Belastung Deutschlands hingegen erscheint nicht unangemessen. Deutschland hat gemäß aktueller Prognosen
eine im Vergleich zum EU-Durchschnitt leicht mildere Rezession zu erwarten. Insofern ist es folgerichtig, dass das Land einen
Nettobeitrag leistet. 5 Die absoluten Nettobelastungen (negatives Vorzeichen) und Nettobegünstigungen (positives Vorzeichen) für die im Text
genannten Länder betragen: Polen +36 Mrd. Euro, Rumänien +21 Mrd. Euro, Kroatien +12 Mrd. Euro, Bulgarien +12 Mrd.
Euro, Griechenland +33 Mrd. Euro, Spanien +82 Mrd. Euro, Italien +56 Mrd. Euro, Irland -16 Mrd. Euro, Frankreich -52 Mrd.
Euro, Deutschland -133 Mrd. Euro. Quelle: (European Commission, 2020b). Die Be- und Entlastungen aller 27 Mitgliedstaaten
addieren sich auf null.
14
Abbildung 2: Netto-Begünstigung durch Next Generation
in % des BIP und Schwere der Rezession 2020
Eigene Berechnungen auf Basis (European Commission, 2020b). In Klammern hinter den Ländernamen: Prognostizierte
BIP-Entwicklung 2020 gemäß Frühjahrsprognose Europäische Kommission.
Der fehlende Bezug zur Asymmetrie des Schocks hat zur Folge, dass sich für EU-Mitgliedstaaten
gemessen am Wachstumsverlust stark unterschiedliche Stabilisierungszahlungen ergeben. Abbildung 3
stellt die Bruttoallokationen dem für 2020 von der Kommission prognostizierten BIP-Verlust
gegenüber. Ein Wert von 100 Prozent bedeutet, dass die einem Mitgliedstaat über die gesamte Laufzeit
des NGF zufließenden Mittel exakt dem BIP-Verlust im Jahr 2020 entsprechen.
In dieser Metrik zeigt sich ein ähnliches Muster wie zuvor; das Ausmaß der durch NGF finanzierten
Schockabsorption korreliert kaum mit der Schwere der Rezession. Die Spannweite des
Stabilisierungsindex ist enorm. Eine ganze Reihe von Ländern kann mit Mitteln rechnen, die dem zwei-
bis dreifachen des 2020er-BIP-Verlustes entsprechen. Allerdings gibt es solche sehr stark begünstigten
Länder gleichermaßen unter den weniger und den stärker von der Corona-Rezession betroffen Ländern.
Umgekehrt finden sich unter den ausgesprochen stark betroffenen Ländern Fälle, die nur auf eine
deutlich geringere (Spanien und Italien) oder sogar auf eine nur sehr geringe (Frankreich und Irland)
Schock-Absorption durch die neuen EU-Instrumente hoffen dürfen.
15
Abbildung 3: Stabilisierungsindex Next Generation: Relation Bruttoleistungen zum
Wachstumsrückgang 2020 in %
Eigene Berechnungen auf Basis (European Commission, 2020b) und Frühjahrsprognose 2020 Europäische Kommission. In
Klammern hinter den Ländernamen: Prognostizierte BIP-Entwicklung 2020 gemäß Frühjahrsprognose Kommission.
Ist somit die Verteilungsformel der NGF-Mittel auf die Mitgliedstaaten bereits ungeeignet konstruiert,
die Asymmetrie des Corona-Schocks gezielt abzufedern, so kommt noch ein weiteres Manko hinzu.
Nach den jetzigen Plänen der Kommission wird es nicht gelingen, einen großen Teil der neuen
europäischen Ressourcen wirklich bereits in der akuten Rezession zu mobilisieren. Stattdessen wird es
gemäß der aktuellen Politikprogramme zu einem über Jahre verzögerten Zahlungsprofil kommen. Zwar
soll die Europäische Kommission ermächtigt werden, bereits in den Jahren 2020 bis 2022 fast 80 Prozent
aller Mittel verbindlich für Projekte zu binden. Nach den für den EU-Haushalt üblichen Verzögerungen
zwischen Mittelbindung bis zur tatsächlichen Auszahlung für ein Projekt ergibt sich daraus eine ganz
erhebliche Verschiebung in die späteren Jahre des nächsten MFR. Darvas (2020b) schätzt, dass 75
Prozent aller Zahlungen erst 2023 oder später geleistet werden. Angesichts der Tatsache, dass selbst
pessimistische Prognosen derzeit von einer Erholung der EU-Wirtschaft von den Folgen der Covid-19-
Pandemie bis spätestens 2022 ausgehen, kämen die Next Generation-Mittel der EU in weiten Teilen viel
zu spät.
5 Potenzial für europäischen Mehrwert
Die Beurteilung des Kommissionvorschlags fällt günstiger aus, was die Ausgabeschwerpunkte des NGF
und seine Orientierung am europäischen Mehrwert anbelangt. Allerdings gibt es auch hier in Bezug
zumindest einen Baustein des Gesamtpakets eine kritisch zu betrachtende Weichenstellung.
Die Schwerpunktsetzung der RFF auf die Themenfelder Green Deal und Digitalisierung entspricht
zumindest in diesen Tendenzaussagen klar den Empfehlungen der Literatur im Hinblick auf eine
Umschichtung des EU-Haushalts in Richtung von Feldern, die im gesamteuropäischen Interesse liegen
und als „europäische öffentliche Güter“ bezeichnet werden können. Ein zu geringes Engagement der
16
Mitgliedstaaten auf den Gebieten Klimapolitik und europäische digitale Infrastruktur hat negative
grenzüberschreitende Effekte. Hier können europäische Mittel Abhilfe für das Problem der bisherigen
Unterfinanzierung schaffen. Auch der REACT-EU-Fonds folgt der gleichen inhaltlichen
Schwerpunktsetzung und ist daher in seiner Ausrichtung grundsätzlich sinnvoll konstruiert. Äußerst
überzeugend lässt sich der EU4Health-Fonds motivieren. Dass Europa auf den Gebieten Gesundheits-
und Seuchenpolitik die Erfahrung der unkoordinierten Antwort auf die Pandemie aufarbeiten muss und
leistungsfähigere europäische Instrumente benötigt, dürfte unzweifelhaft sein. Es ist eigentlich
erstaunlich, dass dieser Fonds mit knapp 8 Mrd. Euro vergleichsweise moderat dotiert ist, gerade auch
im Vergleich zu den Bausteinen, für die es eine wesentlich weniger überzeugende Motivation gibt.
Eine solche kritischere Sichtweise ist für die im Rahmen des NGF angesetzte Höherdotierung der GAP-
Ausgaben in den Bereichen der Ländlichen Entwicklung (15 Mrd. Euro) gerechtfertigt. Diese
Höherdotierung ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Kommission die Gunst der Stunde
nutzen will, Konflikte im Rahmen der MFR-Verhandlungen mit zusätzlichen Ressourcen zu
überwinden. Diese Spannungen ergeben sich unter anderem aus dem Verlust des Nettozahlers
Vereinigtes Königreich und des damit eingetretenen Sparzwangs. In der GAP besteht ein Konflikt
darüber, in welchem Ausmaß die Direktzahlungen an Landwirte („Erste Säule der GAP“) zurückgestutzt
werden und zum Teil in die Programme zur Förderung des ländlichen Raums („Zweite Säule der GAP“)
transferiert werden. Naturgemäß besteht das Ziel der begünstigten Interessengruppen und der besonders
agrargeprägten Länder darin, die Direktzahlungen für die Landwirte ungeschmälert zu erhalten. Die
Direktzahlungen an Landwirte mit ihren regressiven Verteilungswirkungen und ihrer bislang faktisch
weitgehend fehlenden ökologischen Anreizsetzung (European Court of Auditors, 2017) sind eher ein
Beispiel für eine anachronistische Schwerpunktsetzung im EU-Haushalt als für ein Politikfeld mit
europäischen Mehrwert (Heinemann and Weiss, 2018). Zusätzliche GAP-Mittel im NGF für die Zweite
Säule würden nur den Reformdruck für die GAP in der Ersten Säule weiter reduzieren. Dies ist im
Hinblick auf die Mehrwertorientierung des Haushalts negativ zu bewerten.
6 Wirksamkeit von Reformanreizen
Der Begriff der „Konditionalität“ ist in der Debatte um die EU-Corona-Hilfen emotional stark
aufgeladen. Insbesondere in den von der Pandemie besonders betroffenen Staaten Italien und Spanien
bestehen große Vorbehalte gegen alle Auflagen, die im Entferntesten an die mit den Hilfen des
Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verbundenen „Memoranda of Understanding“ (MoU) und
die Überwachung durch die Troika-Institutionen (EZB, IWF, Europäische Kommission) erinnern.
So nachvollziehbar die Sorge um den Souveränitätsverlust im Zusammenhang mit externen Hilfen ist,
so wenig ist ein faktischer Verzicht auf bindende Vorgaben zur Mittelverwendung vertretbar. Wie oben
dargelegt (Abschnitt 2.4), ist die schlechte ökonomische und finanzielle Verfassung einiger Euro-
Staaten in der Corona-Krise nicht nur durch die Krise selber, sondern auch durch die unbefriedigende
Ausgangssituation infolge vieler institutioneller Schwächen und ausbleibender Reformaktivitäten
verursacht. Wenn der NGF nicht nur eine Kurzfriststabilisierung leisten, sondern auch das
Wachstumspotenzial in den besonders begünstigten Ländern dauerhaft erhöhen soll, dann sind
wirksame Anreize für Strukturreformen unverzichtbar.
Die Kommission stellt in ihren Vorschlägen eine Koordination der Hilfen in enger Verzahnung mit dem
Prozess des Europäischen Semesters vor. Das für die RFF vorgesehene Verfahren lässt sich
folgendermaßen beschreiben (European Commission, 2020c):
17
- Die Mitgliedstaaten erarbeiten „Wiederaufbau- und Resilienzpläne“, welche die Agenda für
Reformen und Investitionen in den folgenden Jahren festschreiben. Diese Pläne sollen konsistent
mit den im Europäischen Semester identifizierten länderspezifischen Reformprioritäten sein, aber
auch mit einer Reihe von anderen Strategiedokumenten (den Nationale Energie- und Klimaplänen,
den Just Transition-Plänen und den Operativen Programme der EU-Kohäsionspolitik).
- Die Europäische Kommission bewertet die Pläne unter anderem im Hinblick darauf, ob die im
Europäischen Semester identifizierten Herausforderungen in Angriff genommen werden. Auf dieser
Basis gibt die Kommission die beantragten Mittel frei.
- Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission eine Entscheidung treffen, die Mittelauszahlung zu
stoppen, wenn es zu „signifikanter Nichteinhaltung“ der Verwendungsbestimmungen kommt.
- Eine unabhängige Ex-post Evaluation soll überprüfen, ob die Mittelverwendung ihre Ziele erreicht
hat.
Es ist schwer zu erkennen, wie von diesem Verfahren wirklich nennenswerte Anreize ausgehen sollten,
in der nationalen Reformpolitik einen Anlauf zur Überwindung von Reformblockaden zu unternehmen.
Die im Mittelpunkt des Europäischen Semesters stehenden „länderspezifischen Empfehlungen“
(„country-specific recommendations“: CSR) sind sehr vage formuliert, in ihrer Schwerpunktsetzung
stark beeinflusst von arbiträren Entscheidungen der verantwortlichen Länderexperten, und sie werden
zudem in einem politischen Verhandlungsprozess finalisiert (Asatryan et al., 2016; Efstathiou and
Wolff, 2018).
Tabelle 1 illustriert die allgemeine und unverbindliche Natur der CSR im Gegensatz zu den konkreten
Vorgaben der MoU am Beispiel der Vorgaben zur Reform der öffentlichen Verwaltung, wie sie Portugal
als ESM-Programmland auferlegt worden sind. Während das Europäische Semester im Jahr 2014
lediglich die allgemeine Empfehlung an Portugal formulierte, die öffentliche Verwaltung „zu
rationalisieren und zu modernisieren“, beinhaltete das zur gleichen Zeit gültige MoU sehr konkrete
Vorgaben zu bestimmten klar benannten Reformprozessen mit Nennung der zeitlichen Dimension. Es
ist kaum zweifelhaft, dass jede nationale Administration rhetorisch mühelos in der Lage sein sollte, die
CSR-Vorgabe zu erfüllen, indem wie auf einige Maßnahmen zur „Modernisierung“ verweist, selbst
wenn sich die tatsächlichen Aktivitäten nur auf marginale Anpassungen beziehen. Eine Erfüllung der
viel genauer spezifizierten MoU-Auflagen hingegen ist durch bloße Kosmetik kaum möglich. Die
Kommission hat sich somit mit der Kopplung an die CSR des Europäischen Semesters für eine
ausgesprochen weiche und kaum wirksame Art der Konditionalität entschieden.
Es ist fraglich, ob die CSR nun im Kontext der RFF einen wirklichen Veränderungsdruck entfalten
können. Hinzu kommt die Dominanz des gegenwärtigen Narrativs (siehe 2.4), dass die Mitgliedstaaten
keinerlei Eigenverantwortung für ihre ökonomische und soziale Lage in der Krise hätten. Wenn diese
verzerrte Sichtweise tatsächlich die Anwendung der neuen Regeln durch die Kommission prägen sollte,
dann ist nicht mit nennenswertem Reformdruck durch die für die Überwachung verantwortliche
Institution zu rechnen.
Noch in einer anderen Hinsicht schneidet die Konstruktion des NGF nicht überzeugend ab, wenn es um
Anreize für Strukturreformen geht. Wie im Abschnitt 4 ausführlich dargelegt, spielt die Höhe der
strukturellen Arbeitslosigkeit gemessen an einem Mehrjahresdurchschnitt der Arbeitslosigkeit vor der
Corona-Krise eine maßgebliche Rolle. Damit werden ausgerechnet die Länder benachteiligt, die in den
letzten Jahrzehnten ihre Arbeitsmärkte durch Reformen in Richtung Vollbeschäftigung gebracht haben;
begünstigt werden stattdessen die Länder, die im Reformstau verharrt sind. Auch dieses Merkmal des
NGF ist kaum ein Signal in Richtung einer mutigen und konfliktbereiten Strategie zur Reform des
18
Bildungssystems, Abgabensystems und Arbeitsmarkts zur Verringerung der strukturellen
Arbeitslosigkeit.
Tabelle 1: Länderspezifische Empfehlungen (Europäisches Semester) versus Memorandum of
Understanding (ESM) – Beispiel Verwaltungsreform in Portugal
CSR – Europäisches
Semester 2014
(Februar)
„Continue to rationalise and modernise central, regional and local public
administration.“
MoU 2014 (April) “The Inter-ministerial Group on Territorial Affairs will present a report with the
following objectives:
i. Identify potential overlaps of services and jurisdictions and other sources of
inefficiencies between the central and local levels of government, as well as
new opportunities for decentralisation and outsourcing of services by the central
government by [Q1-2014];
ii. Reorganise the network of decentralised services of ministries, aiming at
increasing efficiency in the public sector and the quality of services for citizens
and businesses. These shall be reorganised mainly through mergers of “lojas do
cidadão” and other approaches, encompassing more efficient geographical areas
and intensifying the use of digital government by [Q1-2014].
Develop the use of shared services in the central administration by fully
implementing the ongoing projects and by regularly assessing the scope for
further integration:
i. continue the implementation of the strategy of shared services in the area of
human resources (GeRHuP) in the Ministry of Finance’s entities by concluding
the roll-out to the Tax Authority [ongoing];
ii. continue the implementation of the “Overall Strategic plan to rationalise and
reduce costs on ICT in Public Administration” [ongoing].”
Quellen: CSR 2014: Recommendation for a Council Recommendation on Portugal’s 2014 national reform programme and
delivering a Council opinion on Portugal’s 2014 stability programme, COM/2014/0423 final; MoU: Tenth Update – 28
February 2014, European Economy, Occasional Paper 191, April 2014.
7 Fazit und Empfehlungen
Die folgende Tabelle fasst die Bewertung des NGF im Licht der in Abschnitt 2 entwickelten Kriterien
zusammen. Das Fazit fällt ernüchternd aus. Wird die von der Kommission vorgeschlagenen Ausrichtung
der Zahlungen in den Verhandlungen nicht noch entscheidend korrigiert, dann fällt Next Generation EU
gerade bei dem Kriterium durch, das von Anfang an das zentrale Leitmotiv war: nämlich einen Beitrag
zur Stabilisierung der von der Pandemie ökonomisch besonderen betroffenen Mitgliedstaaten und
Regionen zu leisten. Der Rechtfertigungsversuch der Kommission, wonach Länder mit niedrigem Pro-
Kopf-Einkommen eine geringere Krisenresilienz hätten und ihnen deshalb besonders geholfen werden
müsste, hat empirisch keinen Rückhalt. Gerade die ärmeren mittel- und osteuropäischen Länder haben
die letzte schwere Krise, die globale Finanzkrise, deutlich besser als Südeuropa überstanden und direkt
danach ihren stabilen und sehr erfolgreichen ökonomischen Aufholprozess fortgesetzt. Es gibt aus
heutiger Sicht kein überzeugendes Argument für die Erwartung, dass die im Pro-Kopf-Einkommen noch
19
hinten liegenden mittel- und osteuropäischen Staaten nach der aktuellen Krise einen deutlich
schwierigeren Erholungsprozess erleben sollten als andere EU-Mitgliedstaaten.
Tabelle 2: Bewertender Überblick zu den Strukturmerkmalen des NGF
Kriterium Bewertung
Stabilisierung von asymmetrischen Schocks
Bezug der Zahlungen zur
relativen Betroffenheit
durch die Corona-
Rezession.
Die Allokationsregeln des Next Generation EU-Pakets sind fehlkonstruiert und
widersprechen den Erkenntnissen über das optimale Design von
Fiskalkapazitäten zur Stabilisierung asymmetrischer Schocks. Einige
ökonomisch stark betroffene Staaten werden nur gering unterstützt; umgekehrt
sind ökonomisch nur milde betroffene Länder unter den größten Gewinnern der
Umverteilung zu finden. Dies mindert die Erfolgsaussichten, dass der Fonds
tatsächlich einen wirksamen Beitrag gegen die Asymmetrie des Corona-Schocks
leisten kann.
Rasche Aktivierung der
Zahlungen.
Die Zahlungen aus dem NGF kommen zu spät. Drei Viertel aller Ressourcen
würden nach den jetzigen Regeln erst in einer Zeit (nach 2022) fließen, wenn die
Corona-Krise nach heutiger Erwartung überstanden ist. Damit wirkt der NGF
prozyklisch: Die konjunkturstützenden Effekte sind in nennenswerter Weise erst
im Aufschwung zu erwarten.
Europäischer Mehrwert
Ausrichtung auf unter
dem Aspekt des
europäischen Mehrwerts
bislang unterfinanzierte
Politikfelder.
Die Ausgabenschwerpunkte sind mit ihrer Betonung von Klimapolitik und
Digitalisierung für die RRF und den REACT-EU-Fonds angemessen spezifiziert.
Antwort auf das
erkennbare europäische
Koordinationsversagen
in der Pandemie.
Begrüßenswert sind der EU4Health-Fonds und der damit mögliche Einstieg der
EU in eine europäische Gesundheits- und Seuchenpolitik. Allerdings ist dieses
Politikfeld verglichen mit den fragewürdigen Höherdotierungen der GAP und des
Just Transition Fonds auffällig gering dotiert.
Keine Finanzierung von
Politikfeldern ohne
überzeugenden
europäischen Mehrwert
Kontraproduktiv unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertorientierung ist die
Nutzung von NGF-Mitteln, um die ohnehin überfinanzierte GAP noch stärker
auszustatten. Die Vervierfachung des Just Transition Fonds mit Mitteln des NGF
erfolgt ohne jeden erkennbaren Bezug zu den ökonomischen Folgen von Covid-
19.
20
Fortsetzung Tabelle 2: Bewertender Überblick zu den Strukturmerkmalen des NGF
Wachstums- und reformpolitische Orientierung
Keine Belohnung von
Reformverweigerung
durch Allokation nach
Strukturschwäche.
Die hohe Bedeutung des Indikators der langfristigen Arbeitslosigkeit vor der
Krise ist nicht nur stabilisierungspolitisch fehlkonstruiert, sie sendet auch falsche
Signale zur Reformpolitik. Länder mit erfolgreichen Arbeitsmarktreformen
werden benachteiligt, die Folgen des Reformstaus für die Krisenresilienz in
Ländern mit anhaltend hoher Arbeitslosigkeit werden externalisiert.
Verwendungsauflagen,
die an den kritischen
Wachstumsbremsen
ansetzen.
Die Zahlungen des NGF sind mit kaum wirksamen Anreizen gegen den
Reformstau verbunden. Die Einbindung in das Europäische Semester mit seinen
nur vage formulierten und politisch ausgehandelten länder-spezifischen
Empfehlungen lässt keinen nennenswert erhöhten Reformdruck erwarten.
Warum die Europäische Kommission sich sogar von ihren eigenen Erkenntnissen zur Konstruktion von
stabilisierenden Fiskalkapazitäten (European Commission, 2017) abwendet und ein für die
Stabilisierung eines asymmetrischen Schocks gedachtes Instrument für Transfers von reichere an ärmere
Mitgliedstaaten zweckentfremdet, ist nur politisch erklärbar. Vermutlich soll mit den hohen
Nettoleistungen an Mittel- und Osteuropa die Zustimmung dieser Mitgliedstaaten zum Paket erkauft
werden. In diese taktische Richtung gehen auch die ohne nachvollziehbaren Corona-Bezug empfohlene
Höherdotierungen der GAP und des JTF. Ob diese politische Strategie aufgeht oder nun zum Veto der
dadurch sehr stark belasteten wohlhabenderen Staaten West- und Nordeuropas führt, ist eine offene
Frage. In den Beratungen des Kommissionsvorschlags im Rat ist die Verteilungsformel dann auch
bereits auf heftige Kritik gestoßen.6
Aus ökonomischer Sicht jedenfalls ist die resultierende Gesamtbewertung eindeutig: Der NGF wird in
der von der Kommission vorgeschlagenen Struktur nicht das Potenzial erreichen können, das eigentlich
mit der quantitativ so massiven Antwort Europas für die Bekämpfung der Corona-Krise verbunden ist.
Der Mitteleinsatz von 750 Mrd. Euro würde auf diese Weise weder eine zielgenaue Stützung der
besonders stark getroffenen Mitgliedstaaten leisten, noch einen nennenswerten Anstoß zur
Überwindung des Reformstaus in den Ländern mit geringem Potenzialwachstum leisten. Der erste
substanzielle Versuch Europas, eine makroökonomische Fiskalkapazität zu schaffen, würde mit der jetzt
im Raum stehenden Ausgestaltung scheitern. Damit wären auch alle weiteren Initiativen für fiskalische
Versicherungsinstrumente, die angeblich keine Transfersysteme darstellen sollen, aus Sicht der
wohlhabenderen Staaten diskreditiert. Wünschenswert sind daher in den anstehenden Verhandlungen
die folgenden Anpassungen, um das Potenzial des NGF voll entfalten zu können:
Verteilungskriterien: Die Kriterien für die Mittelverteilung sind grundlegend neu zu fassen. In den
Mittelpunkt müssen Kennzahlen treten, die über die Asymmetrie des ökonomischen Schocks Auskunft
geben. Naheliegende Kriterien sind der BIP-Rückgang eines Mitgliedstaats relativ zum EU-
Durchschnitt und der Anstieg der Arbeitslosigkeit, wiederum relativ zum EU-Durchschnitt. Das diese
Kennzahlen in ihrer weiteren Entwicklung mit Unsicherheit behaftet sind, ist kein überzeugendes
Gegenargument. Für die anfänglichen Zahlungen kann mit Prognosen und Abschlagszahlungen
gearbeitet werden, die dann kontinuierlich an die Ist-Daten angepasst werden.
6 Presseberichten zufolge will Ratspräsident Charles Michel in einem Kompromissvorschlag die Verteilung stärker von der
Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedstaaten in den Jahren 2020 und 2021 abhängig machen (Kafsack, 2020). Allerdings soll
dies nur für die zuletzt fließenden Mittel im NGF gelten. Dieser Kompromiss würde das Problem einer fehlenden Ausrichtung
der Stabilisierungszahlungen auf die relative Schwere des Schocks inmitten der akuten Rezession nicht lösen.
21
Zeitliche Verteilung der Zahlungen: Die Mittel sollten auf diejenigen Instrumente und Programme
konzentriert werden, bei denen ein rascher Mittelabfluss schon in den Jahren 2021 und 2022 möglich
ist.
Instrumente: Die Höherdotierung der GAP und des JTF als Teil des NGF sollte entfallen. Wenn es hier
ein berechtigtes Anliegen für höhere Mittel geben sollte (was zweifelhaft ist), dann sind diese Mittel im
regulären MFR unterzubringen und gegebenenfalls durch Kürzungen anderer Positionen
gegenzufinanzieren.
Verwendungsauflagen: Die Auflagen des Europäischen Semesters sollten durch verbindlichere
Reformauflagen ergänzt werden. Wichtig ist hier auch eine prozedurale Erweiterung. Die Europäische
Kommission hat in ihrer politisierten Auslegung von europäischen Regeln etwa auf dem Gebiet des
Europäischen Stabilitätspakts in den letzten Jahren stark an Glaubwürdigkeit als neutraler Wächter über
europäisch vereinbarte Regeln verloren. Hier ist zu prüfen, inwieweit mehr Glaubwürdigkeit durch den
Einbezug eher unabhängiger Institutionen oder viel präziser spezifizierter Reformauflagen gesteigert
werden kann.
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