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Institut für Raumplanung Universität Dortmund IRPUD Arbeitspapier 182 2. komplett überarbeitete Fassung Dortmund, Dezember 2005 Institut für Raumplanung Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund D-44221 Dortmund Tel. 0231-7552291, Fax 0231-7554788 Hermann Bömer Moderne kommunale Wirtschaftsförderungspolitik in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit Das Beispiel Dortmund unter Mitarbeit von Timo Barwisch

Arbeitspapier 182 - raumplanung.tu-dortmund.de · Institut für Raumplanung Universität Dortmund IRPUD Arbeitspapier 182 2. komplett überarbeitete Fassung • Dortmund, Dezember

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Institut für RaumplanungUniversität Dortmund

IRPUD

Arbeitspapier

182

2. komplett überarbeitete Fassung • Dortmund, Dezember 2005

Institut für RaumplanungFakultät Raumplanung, Universität DortmundD-44221 DortmundTel. 0231-7552291, Fax 0231-7554788

Hermann BömerModerne kommunale Wirtschaftsförderungspolitikin Zeiten der MassenarbeitslosigkeitDas Beispiel Dortmund

unter Mitarbeit von Timo Barwisch

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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung .................................................................................................. 5

I. Zum Zusammenhang von kommunaler Wirtschaftsentwicklung und allgemeiner Wirtschaftspolitik ....... 7

1. Der radikale Strukturwandel der Dortmunder Wirtschaft............. 7 2. „Investieren statt Subventionieren“? .......................................... 8 3. Überragende Bedeutung der allgemeinen Wirtschaftspolitik ...... 9 4. Dortmund und das Ruhrgebiet – Defensive und offensive Komponenten der bisherigen Strukturpolitik ............................ 16

II. Das institutionelle und instrumentelle System der Wirtschaftsförderung in Dortmund ............................................ 20

1. Wirtschaftsförderung Dortmund ............................................... 20 2. Arbeitsbereiche der WF-DO: Cluster- und

Beschäftigungsorientierung......................................................... 21 2.1 Bereich dortmund-project und Branchenentwicklung........... 21 2.2 Dienstleistungszentrum Wirtschaft (DLZW) ........................ 21 2.3 Kooperationsstelle Arbeit und Region .................................. 21 3. dortmund-project ......................................................................... 22 4. Technologiezentrum (TZDO GmbH), Sondervermögen Verpachtung Technologiezentrum (SVTZ DO) ......................... 23 5. Finanzierung des Sondervermögens Technologiezentrum Dortmund..................................................................................... 24 6. Innovationsorientiertes Wirtschaftsförderungskonzept bisher relativ erfolgreich.............................................................. 24 7. Konzeptintensivierung seit dem Jahr 2000 ................................. 27 8. Biomedizin-Technologie: Phönix aus der Asche in Dortmund!?.................................................................................. 28 9. Finanzierung des Gesamtansatzes und des Flagschiff-Projekts Phoenix ........................................................ 28 10. microParts – ein Sonderansatz der Wirtschaftsförderung ......... 30 11. Risiken der Dortmunder Wirtschaftsförderung ....................... 30 12. Technologie- und Gründerzentren der „zweiten Liga“ als Förderinstrumente für den benachteiligten Norden..................... 31 13. Informationen zum Sektor Beschäftigungsförderung der WBF DO................................................................................ 32 14. EU-Strukturpolitk: Dortmund als Schwerpunkt im Ruhrgebiet 34 15. „Unsichtbare“ Strukturpolitik ................................................. 35

2

16. „Lokale Konjunkturprogramme“ besonderer Art: 3do und B1-Untertunnelung .......................................................36 17. Die Last der Krise der Kommunalfinanzen in Dortmund ..........37 18. Politik und Planung in Dortmund im Zeichen des Strukturbruchs .......................................................................40

III. Deutschland und Dortmund im internationalen und innerdeutschen Vergleich ........................................................ 43

1. Zunehmende Isolierung der deutschen Wirtschaftspolitik ...... 43 2. Vergleichsregionen in Westeuropa entwickeln sich besser ...... 43 3. Der Städtevergleich in Deutschland .......................................... 44 4. Politische Kurzschlussreaktionen und wachsender Rechtspopulismus und Marktradikalismus ................................. 46 5. Entbürokratisierung als Wachstumsmotor? .............................. 47 6. Neue Opposition ...................................................................... 47 7. Skizze einer alternativen Entwicklungslogik ........................... 47

Literatur ......................................................................................................... 49 Anhang ......................................................................................................... 54

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Strukturveränderung der Dortmunder Wirtschaft 1976-2000....... 7 Abbildung 2: Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage- komponenten 1998 – 2002; Ein internationaler Vergleich ........... 9 Abbildung 3: Die relative Entwicklung der Beschäftigung in Dortmund im Vergleich zu ausgewählten Großstädten..................................... 11 Abbildung 4: Die Entwicklung der Beschäftigung in Dortmund im Vergleich zu ausgewählten Großstädten..................................... 12 Abbildung 5: Arbeitslosenquoten in Dortmund und Westdeutschland 1983 – 2004 .................................................... 13 Abbildung 6: Die sozialräumliche Spaltung der Stadt Dortmund .................. 15 Abbildung 7: Beschäftigungsentwicklung in den 8 größten Industriebranchen im Verdichtungsraum Ruhr 1985-2000 ........ 16 Abbildung 8: Die Entwicklung der Beschäftigung im Verdichtungsraum Ruhr nach Wirtschaftsabteilungen 1976-2000 .................. 17 Abbildung 9: Die Entwicklung der Beschäftigung im Verdichtungsraum Ruhr nach Wirtschaftsabteilungen 1976-2000 im Vergleich zu Westdeutschland .................. 17 Abbildung 10: Die Entwicklung der Erwerbstätigen im Verdichtungsraum Ruhr im Vergleich zu ausgewählten Metropolregionen in Westdeutschland 1976-1998..................... 18 Abbildung 11: Arbeitsplatz- Halbzeitbilanz dortmund-project 2000-2004 ........ 26 Abbildung 12: Qualfikationsspezifische Arbeitslosenquote bis 2002................ 36 Abbildung 13: Unterschiedliche Schätzungen des kommunalen Steueraufkommens vom Mai 2000 bis Mai 2004 ....................... 40 Abbildung 14: Zukunftsinvestitionsprogramm .................................................. 48

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Tabelle 1: Reales BIP-Wachstum, Beiträge der Binnennachfrage und des Außenbeitrags, Arbeitslosenrate und Inflation, durchschn. Jahresrate 2001-2004 – internationaler Vergleich.......................10 Tabelle 2: Sozialökonomische Kennzahlen für Dortmund 1998-2004 ........14 Tabelle 3: Beschäftigungsentwicklung im Bereich der Kompetenzfelder des Ruhrgebiets 2000 und 2002 (ohne Bergbau und Metallerzeugung/ -bearbeitung)...................19 Tabelle 4: Erwerbstätige in Dortmund in den Jahren 1970, 2000 und 2010 ......................................................................................25 Tabelle 5: Beschäftigungs- und Qualifizierungsaktivitäten der WBF-DO...33 Tabelle 6: Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Projekte in Dortmund 2003........................................................................33 Tabelle 7: Alle bisher akzeptierten Projekte (2000-April 2004) ..................34 Tabelle 8a: Geschätzte Haushaltsbudgets (Verwaltungshaushalt) und Defizite der Stadt Dortmund (2002-2007) in Mio. €...................38 Tabelle 8b: Haushaltsicherung 2003 – 2007 – Verwaltungshaushalt – Ratsbeschluss vom 19.12.02 (in Mio. €) .....................................38 Tabelle 8c: Haushaltssicherung 2003-2007 – Verwaltungshaushalt – Neukalkulation der Haushaltssicherungsmaßnahmen (Januar 2004) in Mio. € ...............................................................39 Tabelle 8d: Stadt Dortmund Haushaltskennzahlen 2003................................39 Tabelle 9: Entwicklungsindikatoren im Städtevergleich 1996 - 2004..........44 Tabelle 10: Städte-Ranking der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ ...................45

Anhangsverzeichnis: Karte A1: Zukunftsstandorte Dortmund ....................................................54 Karte A2: Masterplan Phönix ....................................................................54 Karte A3: Prognose der Entwicklung der Erwerbstätigkeit 2001 – 2010 nach Raumordnungsregionen...............................55 Textanhang 1: (Frankfurter Rundschau, 5.6.2004) ...........................................56 Textanhang 2: (aus: Bömer, 2000, S. 218-220) ...............................................57 Übersicht 1: Gesamtübersicht über das Technologiezentrum Dortmund (Stand: 09/2005): ........................................................................... 61 Übersicht 2: Politische Entscheidungsstruktur im Institutionengeflecht der Dortmunder Wirtschaftsförderung (Stand: 09/2005):.................... 62 Übersicht 3: Personelle Struktur der Dortmunder Wirtschaftsförderungsinstitutionen (Stand: 09/2005):................... 63 Übersicht 4: TZDO GmbH und SVTZ Dortmund: Die Technologiezentren (Stand: 09/2005): .................................... 64 Übersicht 5: Sondervermögen „Verpachtung Technologiezentrum“ – Investitionen und Finanzierung (Stand: 02/2004): ..................... 65 Übersicht 6: Neuorganisation der „Wirtschaftsförderung Dortmund“............... 66 Tabelle A1: Indikatoren für die europäischen Vergleichregionen (NUTS 2) .. 67

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Abkürzungsverzeichnis: Abb.: Abbildung AG: Arbeitsgemeinschaft Art.: Artikel AWBF: Ausschuss für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung BIP: Bruttoinlandsprodukt DGB: Deutscher Gewerkschaftsbund DO: Dortmund DSW: Dortmunder Stadtwerke AG EWU: Europäische Währungsunion EZB: Europäische Zentralbank EU: Europäische Union GB: Großbritannien GF: Geschäftsführer GG: Grundgesetz GmbH: Gesellschaft mit beschränkter Haftung ha.: Hektar HP: Hewlett Packard I&K: Information und Kommunikation IBA: Internationale Bauausstellung Emscherpark KAF: Kommunaler Arbeitsmarktfonds KPFM: Kontinuierliche betriebliche Personalentwicklung, regionale Fachkräfteentwicklung, arbeitsorientierte Modernisierung KVR: Kommunalverband Ruhrgebiet LDS: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik des Landes Nord-

rhein-Westfalen LEG: Landesentwicklungsgesellschaft LEP: Landesentwicklungsplan Mio. Millionen Mrd.: Milliarden MST: Mikro System Technologie NRW: Nordrhein-Westfalen OB: Oberbürgermeister RAG: Ruhrkohle AG SVTZ DO: Sondervermögen Verpachtung Technologiezentrum Dortmund TKS: Thyssen Krupp Stahl TZ DO: Technologiezentrum Dortmund WF-DO: Wirtschaftsförderung Dortmund (ehemals Wirtschafts- und Be schäftigungsförderung, WBF DO) WM: Weltmeisterschaft WR: Westfälische Rundschau

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Vorbemerkung: Die folgende Abhandlung versucht, den Zusammenhang zwischen der ´großen´ (Wirtschafts-) Politik auf der Bundes- und EU-Ebene und der regionalen und lokalen Wirtschaftsförderungspolitik am Beispiel der Stadt Dortmund zu vermit-teln1. Es werden die strategischen Ansätze und die hinter ihnen liegenden expli-ziten oder impliziten volkswirtschaftstheoretischen Annahmen ebenso diskutiert wie die Frage, warum eine lokale Wirtschaftsförderungspolitik wie die der Stadt Dortmund, die als äußerst modern und ambitioniert gelten kann, auf dem Ar-beitsmarkt keine besseren Ergebnisse erzeugt (Abb. 4). Zugleich werden Alter-nativen der Wirtschafts- und Regionalpolitik angedeutet, die Krisenregionen eine bessere Zukunft ermöglichen können. Die detaillierte Beschreibung der Instrumente der kommunalen Wirtschaftsförderung in Dortmund (Kap. II) er-folgt aufgrund meiner Überzeugung, dass einerseits die Praxis manchmal der Theorie vorauseilt und die komplexe institutionelle Struktur der lokalen Wirt-schaftsförderung häufig wenig bekannt ist, andererseits für die Praxis letztlich eine unabhängige theoretische Orientierung erforderlich ist, um die Wirkungen und die Reichweite der praktischen Politik beurteilen zu können. Im April 2004 wurde durch die Überlegungen einer Arbeitsgruppe unter Klaus von Dohnanyi, die die Minister Stolpe und Clement zum Problem der ostdeut-schen Entwicklung beriet, eine heftige Debatte über die Zukunft der Regional-förderung in den neuen Bundesländern eröffnet. Zwar bestand ein Verdienst dieser Studie darin, die Ausweglosigkeit der bisherigen Politik vor Augen zu führen (vgl. dazu auch Dohnanyi, 2004). Der Tenor bezüglich der vorgeschlage-nen Auswege aber war fatal. Statt den Hauptgrund für die Probleme in Ost-deutschland und auch in anderen Krisenregionen - inzwischen nicht zuletzt in der schleppenden Konjunktur in Deutschland und der Eurozone und damit in verfehlten makroökonomischen Politik Deutschlands und der EU insgesamt - zu sehen (vgl. Ziffer I.3 und III.1), wurde für Krisenregionen eine weitgehende Deregulierung und eine noch weiter gehende Absenkung der Löhne, Gehälter und Transferleistungen vorgeschlagen („Sonderwirtschaftszone“). Diese Debatte betraf und betrifft auch die strukturpolitischen Konzeptionen für das Ruhrgebiet und damit auch für Dortmund. Denn Teile des Ruhrgebiets weisen inzwischen ein ähnliches Krisenniveau wie weite Teile Ostdeutschlands auf. Die neuere wirtschafts- und raumwirtschaftspolitische Debatte über die Cluster-politik und die Führungsrolle der Metropolregionen als Wachstumspole, die Unterstellung, dass letztere die benachteiligten Regionen mit nach vorne ziehen würden (der vermeintliche neoklassisch basierte ‚trickle down’-Effekt), begüns-tigt eine immer weitergehende Abwendung vom Ausgleichziel der Regional- und Stadtpolitik, wie es durch das Grundgesetz (Art. 72 Abs. 3 GG) postuliert wird (vgl. hierzu auch Rehfeld 2005). Nicht nur die EU mit ihrer gescheiterten

1 Die Überarbeitung der ersten Auflage dieses Arbeitsberichts erfolgt nicht nur mit dem Ziel der Aktualisierung der Statistiken, sondern auch, weil sich durch eine veränderte EU-Rechtslage und organisatorischer Veränderungen nach der Kommunalwahl 2004 die institutionelle Struktur der Wirtschaftsförderung in Dortmund teilweise erheblich verändert hat. Die strategische Ausrich-tung der Dortmunder Wirtschaftsförderung bleibt zwar im Kern erhalten. Sie hat sich aber inso-fern geändert, als große Teile der Beschäftigungsförderung, die vormals in der WBF DO ange-siedelt waren, auf die neue ARGE (Bundesagentur – Stadt) übertragen worden sind. Dies dürfte sich vermutlich langfristig als unglückliche Entscheidung herausstellen.

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Lissabon-Strategie, sondern auch die neue – im Mai 2005 gewählte – schwarz-gelbe Landesregierung will nach dem Motto „Die Stärken stärken“ ihre struk-turpolitischen Aktivitäten vermehrt auf die bereits starken Metropolen konzent-rieren. Dies liegt zwar scheinbar nahe, bedeutet aber letztlich, die derzeitige gesamtwirtschaftliche Stagnation als quasi naturgesetzlich gegeben hinzuneh-men. Die der gesamtwirtschaftlichen Stagnation und der vergangenen und noch geplanten Steuersenkungen geschuldeten Einnahmeminderungen der Gebiets-körperschaften erzwingen dann in der Tat dieses neue raum- und wirtschaftspo-litische Leitbild der verstärkten Akzeptanz (und Forcierung) der regionalen und sozialen Disparitäten, die auch durch das Konzept der Förderung von Elitehoch-schulen vertieft werden. Man stelle sich nur einmal vor, dieser Ansatz wäre bereits vor 20 oder 30 Jahren politisch hegemonial geworden. Dann wären die strukturpolitischen Mittel der EU und des Landes NRW nicht in den Auf- und Ausbau der wissenschaftlichen und technologischen Infrastruktur des Ruhrgebiets, sondern verstärkt in die Wissenschafts- und Wirtschaftshochburgen des Rheinlandes (Köln, Bonn, Aa-chen und Düsseldorf) geflossen. Die Voraussetzungen für eine technologieorien-tierte Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung wären dann im Ruhrgebiet nicht geschaffen worden. Passive Sanierung, also Auszehrung und Abwanderung der aktivsten Arbeitskräfte, wären die zwangsläufige Folge gewesen. Sicherlich sind Überlegungen bezüglich einer behutsamen Schwerpunktverlage-rung der Wirtschaftsförderung richtig. Die allgemeine Infrastrukturförderung (z.B. der Straßenbau) sollte etwa zugunsten der Forschungs- und Entwicklungs-förderung und der Qualifizierung und Beratung verringert werden. Die Mittel sollten kleinräumig stärker in den Oberzentren konzentriert werden (im Ruhrge-biet auf die Hochschulstandorte, in Ostdeutschland auf Städte wie Berlin, Dres-den, Leipzig, Rostock, Schwerin, Jena usw.). Allerdings muss dann zugleich eine Antwort auf die Frage gefunden werden, wie auf dem „flachen Lande“ den sozialen Problemen begegnet werden soll. Eine bessere Wirtschafts- und Sozial-politik auf gesamtstaatlicher und europäischer Ebene ist dafür unabdingbar. Einen systematischen Erklärungs- und Strategieansatz zur Bekämpfung ge-samtwirtschaftlicher und regionaler Krisen legen seit Jahren WissenschaftlerIn-nen, die nicht dem neoliberalen Mainstream zuzurechnen sind, darunter die Ar-beitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2001; 2004), vor. Vgl. hierzu insbe-sondere das Memorandum 2001 mit den Kapiteln 4 (Finanzausgleich), 5 (Fi-nanzausgleich Ost), 6 (Regionale Entwicklung) und 7 (EU-Osterweiterung) so-wie zur aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte und zur Regionalpolitik für Ostdeutschland das Memorandum 2004 AG Alternative Wirtschaftspolitik 2004. Vgl. auch die Position des WSI zur EU-Strukturpolitik (Erdmenger, K./Ziegler, A (2004)) sowie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung (Hein/Horn/Tober/Truger, 2005). Für die europäische Politik vgl. European Economists, 2003 und 2004).

Zwar lehnte die alte Bundesregierung die Einrichtung von Sonderwirtschaftszo-nen ab, jedoch ist zu befürchten, dass die Dämme bald brechen werden, wobei CDU/CSU und FDP mit ihren Plänen, den Kündigungsschutz und den Flächen-tarifvertrag abzuschaffen, die Bundesrepublik insgesamt zu einer Sonderwirt-schaftszone machen würden.

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I. Zum Zusammenhang von kommunaler Wirtschaftsentwick-lung und allgemeiner Wirtschaftspolitik

1. Der radikale Strukturwandel der Dortmunder Wirtschaft Abbildung 1: Strukturveränderung der Dortmunder Wirtschaft 1976-2000 (Be-schäftigungsentwicklung)

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1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000

Legende: von oben nach unten (im Jahr 2000 in %): Sonstige Dienstleistungen (30,3%); Staat und Non-profit-Organisationen (26,4%); Großhandel, Einzelhandel und Logistik (23,7%); Ver-arbeitendes Gewerbe (13,4%); Baugewerbe (4,9%); Energie und Bergbau (2,6%); (Kiehl, 2003) Abb.1 illustriert den oftmals beschriebenen und analysierten radikalen Struktur-wandel der Dortmunder Wirtschaft innerhalb der letzten Jahrzehnte (vgl. etwa Bömer, 2000). Populär ausgedrückt sind ihre drei wichtigsten Säulen Kohle, Stahl und Bier fast verschwunden, und zwar von ca. 80.000 Arbeitsplätzen im Jahre 1970 auf ca. 4.000 im Jahre 2004. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen ist im gleichen Zeitraum um etwa 45.000 zurückgegangen. Die Expansion des Dienstleistungssektors hat die Verluste im industriellen Sektor nicht ausgleichen können. Es liegt auf der Hand, dass – theoretisch formuliert – die Deindustriali-sierung dieser drei Exportbasis-Sektoren durch die Entwicklung neuer Export-basis Sektoren ausgeglichen werden muss. Die neuen endogenen Potentiale die-ser Stadt (die Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Technologiezentren, die durch die Bundes- und Landespolitik in den 60er, 70er und 80er Jahren ´implantiert´ wurden, sowie die Softwareindustrie, die sich auf dieser Grundlage in den 80er und 90er Jahren entwickeln konnte), bilden nunmehr die einzige Chance, die existierenden Exportbasis-Sektoren wie die Software Industrie und die Logistikwirtschaft zu verstärken und neue wie Mikrostrukturtechnik und Biotechnologie zu entwickeln. Die genannten Sektoren werden vom dortmund-project, einem wichtigen Instrument des Systems Dortmunder Wirtschaftsförde-rungspolitik, fokussiert (vgl. Kap. II). Die sonstigen Kernsektoren werden des-halb nicht ignoriert und vernachlässigt (vgl. den neuen Branchenbericht der WBF DO: Stadt Dortmund, 2005). Politiker und Unternehmensberater haben im Jahr 2000 das Ziel deklariert, in diesem Jahrzehnt 70.000 zusätzliche Arbeits-

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plätze zu schaffen, davon 60.000 in den neuen Ankerindustrien. In diesem Pa-pier wird diskutiert, ob dies eine realistische Zielsetzung ist. Es wird argumen-tiert, dass die Implementierung des dortmund-project absolut notwendig ist, aber längst nicht hinreichend. Die Gesamtwirtschaftspolitik auf der Bundes und EU-Ebene muss sich ändern, damit die durch das dortmund-project geschaffenen Voraussetzungen für die Entwicklung der wissensbasierten Wirtschaft sich bei einer grundlegend verbesserten gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsentwick-lung in einem für Krisenregionen möglicherweise überproportionalen Zuwachs an Arbeitsplätzen im östlichen Ruhrgebiet niederschlagen können. 2. „Investieren statt Subventionieren“?

Die Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung Dortmund und das dortmund-project kultivieren das Motto „Investieren statt Subventionieren“. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass ein Großteil ihrer Tätigkeit allerdings genau darin besteht, möglichst hohe Subventionen für produktive Projekte nach Dort-mund zu holen. Dies ist nicht ehrenrührig, sondern gut, weil es mit dem Ziel passiert, neue Wirtschaftszweige zu entwickeln und damit private Investitionen zu ermöglichen, die letztlich eigenständig Arbeitsplätze und Einkommen gene-rieren. Subventionen in Krisenregionen stimme ich zu, wenn sie – sorgfältig geprüft und evaluiert - der Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen so-wie der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dienen; insbesondere sind Subventionen auch positiv zu bewerten und gehen mit dem Grundgesetz (Art. 72 Abs.3 GG) konform, wenn sie die Reduzierung von regionalen Disparitäten zum Ziel haben und damit zu verhindern suchen, dass die Abstände beim Einkommen, der Ar-beitslosigkeit und der Armut zu den Führungsregionen wie München, Frankfurt, Stuttgart usw. noch größer werden. Sorgfältig geprüft und evaluiert - diese Floskel beinhaltet, dass das Land NRW und die EU, die die Strukturförderung regulieren, über ein gut ausgearbeitetes Konzept der regionalen Strukturpolitik verfügen müssen, das nicht nach dem Gießkannenprinzip verfährt, sondern sektorale und räumliche Schwerpunktset-zungen ermöglicht. Mit den zwölf Technologieclustern für das Ruhrgebiet liegt dieses Konzept im Prinzip vor: I&K-Technologien, Logistik, Mikrotechnik, Neue Werkstoffe, Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft, Design, Wasser- und Abwassertechnik, Maschinenbau, Tourismus und Freizeit, Energie und neue Energietechniken, Bergbautechnik und Neue Chemie werden als alte bzw. neue Cluster besonders gefördert (vgl. Grote Westrick, D./Rehfeld, D.(2003)). Die größeren Projekte werden von unabhängigen Gutachtern ex-ante evaluiert. Das gesundheitswirtschaftliche Projekt O-Vision in Oberhausen (neben dem Centro) wurde z.B. negativ evaluiert und wird in seiner ersten Variante nicht realisiert werden. Dieses strukturpolitische Programm des Landes NRW und der EU wird in den Jahren 2004 bis 2006 fortgesetzt. In der neuen Förderperiode 2007-2013, in der vermutlich leider die EU-Mittel für NRW drastisch reduziert werden (Ziel-2-phasing out), kann dieses wahrscheinlich nur in stark abgeschwächter Form bei-behalten werden. Es ist davon auszugehen, dass die dann noch verfügbaren Mit-tel noch stärker auf die Großstädte der Krisenregionen konzentriert werden. Die bislang insgesamt positive Einschätzung der NRW-Strukturpolitik für das Ruhr-

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gebiet besagt nicht, dass ich alle einzelnen Elemente des Konzepts selbst beur-teilen kann. Kritisch ist dagegen der Voluntarismus in der allgemeinen Wirtschaftspolitik der rot-grünen Landesregierung für die Krisenregion Ruhrgebiet zu beurteilen. An-statt das Gewicht des Landes NRW in Berlin und Brüssel für eine Veränderung der Wirtschaftspolitik im unten genannten Sinne (expansive Beschäftigungspoli-tik und Erhalt eines starken staatlichen Finanzwesens, vgl. Ziff. I.3 und III.1) eingesetzt zu haben, wurde die (vermeintliche) Sparpolitik durch die Ex-Ministerpräsidenten Clement und Steinbrück und nun auch durch Rüttgers un-terstützt, und es kam zur Inflation von Beschwörungsformeln und Symbolpoliti-ken. Der Beschäftigungspakt Ruhr z.B. war nichts anderes als eine öffentlich-private PR-Aktion und Ersatzhandlung für gute makroökonomische Politik (In-fo: www.ruhrpakt.de). Er ergänzte die Aktivitäten des Initiativkreises Ruhrge-biet, der seinerseits zwar einige sinnvolle Projekte für die Region initiiert und fördert, den Rückzug der großen Konzerne aus der Regionalverantwortung aber nicht gestoppt hat (und es c.p. auch gar nicht kann (vgl. Bömer 2000, 241f)). 3. Überragende Bedeutung der allgemeinen Wirtschaftspolitik Abbildung 2:

Die Massenarbeitslosigkeit in den Krisenregionen Ruhrgebiet und Ostdeutsch-land (sowie der anderen Förderregionen in der EU) ist nur zum Teil ein regiona-les Problem. Die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen für die schrumpfenden Industrien im nennenswerten Umfang setzt eine gute gesamtwirtschaftliche Ent-

Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekomponenten 1998 - 2002Ein internationaler Vergleich

-5%

0%

5%

10%

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Bruttoinlandsprodukt Privater Konsum Staatskonsum Bruttoinvestitionen Export

USA Frankreich Großbritannien Deutschland

Quelle: OECD 2003, eigene BerechnungenQuelle: ver.di Bundesvorstand, Bereich Wirtschaftspolitik 2003, S. 3

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Entwicklung voraus. Die wirtschaftspolitische Selbstblockade der Maastricht-Politik, des EWU-Stabilitäts- und Wachstums-Pakts (SWP) sowie der versuch-ten Haushaltskonsolidierung in der Krise (vgl. analytisch European Economists, 2003 sowie AG Alternative Wirtschaftspolitik, 2004, Truger, 2003) lassen die Gesamtwirtschaft seit Mitte 2000 stagnieren und haben auch schon in den 90er Jahren und selbst während des Booms der New Economy in einigen der EU-Kernländer, insbesondere in Deutschland, zu relativ niedrigen Wachstumsraten geführt (Abb. 2). Hingegen konnten andere Staaten durchaus höhere BIP-Wachstumsraten und damit teilweise deutlich günstigere Budgetsituationen und niedrigere Arbeitslosenraten aufweisen. Das Ziel der Schuldenreduzierung durch Sparpolitik in der Krise wird damit in Deutschland zwangsläufig ins Gegenteil verkehrt: die ungeplante (ex-post-) Verschuldung steigt weiter sprunghaft an. Frankreich dagegen hatte zumindest von 1997 bis 2001 unter der Linksregierung Jospin mit einer expansiveren Wirt-schaftspolitik einen höheren Wachstumspfad erzeugt und in der Folgezeit auch mehr Arbeitsplätze geschaffen (AG Alternative Wirtschaftspolitik (1998) und Abb. 2). Deutschland als Land, das immer einseitig auf Exportoffensiven als Mittel zur Ankurbelung der Konjunktur setzt (und dabei eine drastische Politik der Kostenreduzierung und des letztlich vergeblichen Versuchs der Haushalts-konsolidierung als Instrument einsetzt), hat eindeutig die geringsten Erfolge bei der BIP- und damit auch bei der Beschäftigungsentwicklung zu verzeichnen. Diese negative Entwicklung hat sich auch in den Jahren 2003/2004 und darüber hinaus fortgesetzt (Tab.1). Tabelle 1: Reales BIP-Wachstum, Wachstumsbeiträge der Binnennachfrage und des Außenbeitrags, Arbeitslosenrate und Inflation, durchs. Jahresrate 2001-2004 Deutschland Europ. Währungsun. USA Reales BIP (%) 0.6 1.3 2.5 Beitrag der Binnen-nachfrage

-0.4 1.1 3.0

Aussenbeitrag 1.0 0.2 -0.5

Arbeitslosigkeit (%) 8.5 8.5 5.5 Inflation (Verbraucher-preise)

1.5 2.2 2.3

Staatskonsum 0.8 2.2 3.0 Öff. Investitionen -4.6 1.2 4.1 Sozialleistungen 1.3 2.1 4.7 Gesamtausgaben 0.0 1.5 3.3

Gesamteinnahmen -1.5 0.5 -1.2

Quelle: Hein/Horn/Tober/Truger, 2005, 411 und 415 Gerade die Krisenregionen leiden unter der gesamtwirtschaftlichen Stagnation besonders stark, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Einnahmen der zuständigen öffentlichen Hände, hier also des Landes NRW und der Stadt Dortmund, als

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Folge (und teilweise auch als Ursache) der gesamtwirtschaftlichen Krisenlage drastisch eingebrochen sind (vgl. z.B. die Kürzung diverser Mittelansätze des Landes im Doppelhaushalt 2004/2005 - dennoch steigt allein 2005 das Defizit das Landeshaushalts von ursprünglich geplanten 5,2 auf etwa 7,3 Mrd. €!). Gute regionale und kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung schlägt sich daher nicht unbedingt in einer signifikanten Reduzierung der regionalen Arbeitslosenquoten nieder (vgl. für Dortmund Abb. 4)2, weil sie von der allge-meinen Wirtschaftspolitik konterkariert wird. Die folgenden Abbildungen (F.J.Bade) zeigen, dass in Jahren mit guten ge-samtwirtschaftlichen Wachstumsraten (1988 bis 1992 und 1998 bis 2001) auch Städte wie Dortmund, Bochum oder Essen einen absoluten Beschäftigungszu-wachs verzeichnen konnten, die relative Entwicklung sich aber teilweise weiter verschlechterte (insbesondere in Duisburg). Abbildung 3:

2 Kommunal- und Landespolitiker im Bereich der Wirtschaftsförderung denken und handeln wegen der hohen kommunalen und regionalen Ex- und Importquoten zwangsläufig angebots- und innovationsorientiert (Kostensenkungsstrategien, preiswertes Angebot von (auch qualifizier-ten) Arbeitskräften, Grundstücken und innovationsorientierten Infrastruktureinrichtungen bzw. Kompetenzfeldern). Wenn sie dieses Paradigma in Ländern mit großen Binnenmärkten jedoch schematisch auf die allgemeine Wirtschaftspolitik auf europäischer und nationalstaatlicher Ebe-ne übertragen, verkennen sie die Bedeutung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageentwicklung, speziell die der Binnennachfrage. Spätestens seit Keynes weiß man, dass hoch entwickelte Marktwirtwirtschaften das Problem des Kapital- und Kapazitätsüberschusses und nicht des –mangels haben. Im Mehrebenensystem der Wirtschaftspolitik ist also eine komplexe Mischung aus Angebots-, Innovations- und Nachfragepolitik erforderlich. Die oberen Ebenen (und natür-lich die Tarifparteien) tragen für die Stabilisierung und Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die zentrale Verantwortung.

Quelle: Bade, 2004

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Abbildung 4:

Abb. 3 zeigt klar, dass Dortmund ebenso wie Bochum, Essen und insbesondere Duisburg enorme Arbeitsplatzverluste bei den sozialversicherungspflichtig Be-schäftigten hinzunehmen hatte. Nur in Zeiten guter Konjunkturentwicklung war auch ein absoluter Zugewinn zu verzeichnen. Für Dortmund ist erst seit 1999 eine Stabilisierung und leichte Verbesserung der relativen Position erkennbar (vgl. Abb. 4). Es wird abzuwarten sein, ob dieser Trend stabil ist. Allerdings verharrt die Arbeitslosenquote in den Ruhrgebietsstädten und insbesondere auch in Dortmund auf einem ungebrochen hohen Niveau (2003 im Schnitt 40.000 Arbeitslose und eine Arbeitslosenquote von 19,6% im August 2005).

Quelle: Bade, 2004

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Abbildung 5:

Arbeitslosenquote* in Dortmund undWestdeutschland 1983 - 2005

0

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1983

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2003

2005

Proz

ent

Dortmund

* Arbeitslose in % auf Basis der abhängigen zivilen Erwerbspersonen

Westdeutschland

Eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt, Regionalverband Ruhrgebiet; Mit dem 1.1.2005 wurde die Statistik wegen der Hartz IV-Gesetzgebung umgestellt. Der starke Anstieg in 2005 dürfte zu etwa zwei Dritteln statistisch bedingt sein. Die Hartnäckigkeit der hohen Arbeitslosigkeit hängt sicherlich mit vielen Fakto-ren zusammen, insbesondere aber mit der großen Bedeutung der Defizite im Bildungswesen (vgl. Ziffer II.17), die wiederum in den Krisenregionen beson-ders stark ausgeprägt sind, mit den Nachwirkungen des Endes der Roheisen- und Stahlproduktion in Dortmund (1997 beschlossen und bis 2001 realisiert) sowie – höchst bedeutsam - mit der allgemeinen Konjunkturentwicklung. Letz-tere wurde bislang von den Repräsentanten der Stadt und in ihren Publikationen merkwürdigerweise nie zentral diskutiert. Z.B. werden in der neuen Publikation „Das neue Dortmund“ (dortmund-project, 2004) akribisch die Zahlen des dort-mund-project dokumentiert, in der Übersicht „Dortmunder Kennzahlen“ (S. 6) jedoch die Arbeitslosenzahlen nicht ausgewiesen. Auch die sozialräumliche Spaltung der Stadtgesellschaft ist in für die breitere Öffentlichkeit publizierten Selbstdarstellungen der Stadt kein Thema (vgl. Abb. 6). OB Dr. Langemeyer betonte zudem eindeutig, dass er seinen OB-Wahlkampf im Jahre 2004 „nicht gegen Berlin“ machen wollte. Dies bedeutet im Klartext, dass er im Großen und Ganzen die allgemeine Wirtschafts- und Finanzpolitik und die mit der Agenda 2010 betriebene Zerschlagung der bisherigen Arbeitsmarktpolitik (mit Ausnah-me der negativen finanziellen Konsequenzen für die Kommunen) prinzipiell unterstützte – obwohl damit doch die Massenarbeitslosigkeit auch in Dortmund weiterhin zementiert wurde und sich zudem die soziale Lage der betroffenen Arbeitslosen - z.B. durch die Absenkung des Unterstützungsniveaus der bisheri-gen Empfänger von Arbeitslosenhilfe – teilweise weiter drastisch verschlechtert hat.

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Tabelle 2: Sozialökonomische Kennzahlen für Dortmund 1998-2004

Die folgende Abb.6 (Strohmeier, 2002) deutet die massiven innerstädtischen Disparitäten Dortmunds an. Sie beziehen sich auf Einkommen, Arbeitslosigkeit, Armut und Demographie. Die Arbeitslosigkeit z.B. reichte 2004 von mehr als 25% in der Nordstadt bis unter 10% in den südlichen Bezirken. Mit Inkrafttreten des Arbeitsmarktgesetzes Hartz IV dürften diese Unterschiede noch deutlicher geworden sein.

Dortmunder Kennzahlen

2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998

Einwohner/innen (jeweils zum 31.12)

587.965 589.661

590.837 589.240 588.994 590.213 591.733

Erwerbstätige am Arbeitsort (31.12.)

279.500 279.100 276.500 277.000 275.200 265.300 267.400

Sozialvers. Be-schäftigte am Arbeitsort

191.801 192.257 195.685 196.586 197.214 191.059 186.453

Registrierte Ar-beitslosenzahl (jeweils 30.6.)

41.866 39.350 37.655 36.998 38.123 39.695 .

Unternehmens-bestand Dort-mund (IHK-31.12,)

25.005 24.366 23.784 22.731 22.671 21.968 21.324

Quelle:dortmund-project, 2005, dortmund-project, 2004 (1), 6 (Auszug); dortmund-project, 2004 (2), S. 9

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Abbildung 6: Die sozialräumliche Spaltung der Stadt Dortmund

Cluster 1: Wachsende Stadtteile der Mittelklassen Cluster 2: Prosperierende Stadtteile der oberen Schichten Cluster 3: Familiendominierte Unterschicht-Distrikte Cluster 4: Familiendominierte Unterschicht-Distrikte mit hohem

Immigrantenanteil Cluster 5: Innenstadtnahe Distrikte mit hohem Anteil an Single-Haushalten

und hoher Arbeitslosenquote (Eichlinghofen ist wegen der Uni-versität ein Sonderfall.)

Immerhin lässt sich insgesamt für Dortmund feststellen, dass etwa seit 1999, als der Boom der New Economy in der seit den 90er Jahren in dieser Stadt fest e-tablierten Softwareindustrie einen weiteren Aufschwung herbeiführte, der Ab-kopplungstrend (gemessen in Relation zu den Vergleichsregionen und zum westdeutschen Durchschnitt, vergl. Abb.4) zum ersten Mal seit Jahrzehnten gebrochen zu sein scheint. Der Halbzeit-Evaluationsbericht über das dortmund-project, der im Juni 2005 von der Dr. Heuser AG vorgelegt wurde, geht für den Zeitraum von 2000-2004 von einem Zuwachs von 6.600 Erwerbstätigen in den Zielbranchen aus, während in den sonstigen Zweigen 2.300 Arbeitsplätze verlo-ren gingen (Dr. Heuser AG, 2005) (Abb. 6). Am Verlust von ca. 5.500 sozial-versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen von 2000-2004 lässt sich allerdings nicht deuteln. Wie sich der Zuwachs von insgesamt ca. 4.300 Er-werbstätigen auf hochwertige und geringwertige Tätigkeiten verteilt, kann aus dem bisherigen statistischen Material nicht erschlossen werden. Diese in Kri-senzeiten dennoch vergleichsweise insgesamt positive Entwicklung (zu weiteren vergleichenden Studien siehe Kap. III) hängt mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der sehr ambitionierten und entwickelten regionalen und kommunalen Wirt-schaftsförderungspolitik zusammen. Diese soll daher im folgenden Kapitel II ausführlich beschrieben und diskutiert werden.

Quelle: Strohmeier, 2002; Eigene Namensgebung für die Cluster

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4. Dortmund und das Ruhrgebiet – Defensive und offensive Komponenten der bisherigen Strukturpolitik

Die Wirtschaftsentwicklung der Stadt Dortmund ist nur vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung des Ruhrgebiets, seiner Krise ab Beginn der 60er Jahre sowie der Struktur- und Regionalpolitik zugunsten dieser Region zu verstehen. Die Abb. 7-9 zeigen die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf. Abb. 7 im Bereich der Industriezweige (1985-2000), Abb. 8 für die 10 Wirtschaftsabteilungen und Abb. 9 für eben diese Sektoren im Vergleich zur Durchschnittsentwicklung in Westdeutschland (1976-2000). Abbildung 7:

Abb. 1: Beschäftigungsentwicklung in den acht größten Industriebranchen im Verdichtungsraum Ruhr 1985 – 2000

-80%

-60%

-40%

-20%

0%

20%

1984 1988 1992 1996 2000

Quelle: Bade, Universität Dortmund, Beschäftigtenstatistik

Änderungen seit 1985

Chemieindustrie

Eisen und Stahl

Elektrotechnik

Fahrzeugindustrie

Lebensmittelindustrie

Stahlbau

Bergbau

Maschinenbau

Bis auf die Elektrotechnik und die Fahrzeugindustrie hatte die Industrie im Ruhrgebiet trotz der positiven Schubs des Einigungsbooms (1989-2002) große Verluste zu beklagen, ganz besonders natürlich im Bergbau und der Stahlindust-rie und dem mit diesen Zweigen traditionell verbundenen Stahl- und Maschi-nenbau. Die parallele Entwicklung von Bergbau und Eisen- und Stahlindustrie täuscht über die völlig unterschiedlichen Prozesse in diesen Sektoren hinweg: während im Bergbau die Produktion stark zurückgefahren und die Produktivität gesteigert wurde, hat sich in der Stahlindustrie die Produktivität allein in den 90er Jahren durch neue Technologien, Fusionen, Standortrationalisierung und Arbeitsverdichtung mehr als verdoppelt, ohne dass die Produktion verringert wurde (Bömer, 2000). Dortmund wurde durch diese Entwicklung besonders betroffen, weil nicht nur bis 1987 alle Zechen geschlossen wurden, sondern die

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Hoesch Stahl AG, 1979 noch mit ca. 24.000 Beschäftigten präsent, bis 2001 bis auf Restbetriebe mit 2000 Beschäftigten völlig verschwand3. Abbildung 8: Abb. 2: Die Beschäftigungsentwicklung nach Wirtschaftsabteilungen

im Verdichtungsraum Ruhr 1976-2000

-80%

-40%

0%

40%

80%

120%

1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000

Quelle: Bade, Universität Dortmund, Beschäftigtenstatistik

Veränderung seit 1976 Unternehmensor. Dienstleistungen

Verarb. GewerbeBaugewerbe

Staat, Org. o. Erwerbscharakter

Haushaltsor. Diensleistungen

Bergbau

HandelVerkehr

Gesamtwirtschaft

Banken, Ver-sicherungen

Abbildung 9: Abb. 3: Die Beschäftigungsentwicklung nach Wirtschaftsabteilungen

im Verdichtungsraum Ruhr 1976-2000

-30%

-20%

-10%

0%

1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000

Quelle: Bade, Universität Dortmund, Beschäftigtenstatistik

Veränderung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (alte BRD)

Unternehmensor. Dienstleistungen

Verarb. Gewerbe

Bauwirtschaft

Staat, Org. o. Erwerbscharakter

Haushaltsor. Dienstleistungen

Bergbau

Handel

Verkehr

Gesamtwirtschaft

Banken und Versicherungen

3 Es wäre durchaus eine regional gesündere Entwicklung möglich gewesen, wenn das 1981 be-schlossene Sanierungs- und Modernisierungskonzept für Hoesch statt einer Modernisierung an den drei Standorten den Neubau eines Kompaktstahlwerks auf der Westfalenhütte vorgesehen hätte (vgl. Bömer 2000).

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-20%

-10%

0%

+10%

+20%

1975 1980 1985 1990 1995 2000Source: Bade, University of Dortmund, statistics of employment of the Länder, own calculation and presentation

München

Rhein-MainStuttgart

Düsseldorf

Ruhrgebiet

Nürnberg

Abb. 10: Die Entwicklung der Erwerbstätigkeit im Ruhrgebiet im Vergleich zu ausgewählten Verdichtungsregionen in

Westdeutschland 1976-1998

Hannover

Veränderung seit 1976

Bremen

Alte BLHamburg

Abb. 8 vermittelt auf den ersten Blick eine scheinbar erfreuliche Entwicklung, weil wichtige Abteilungen des tertiären Bereichs stark expandierten. Abb. 9 setzt diese Entwicklung aber in Relation zur Durchschnittsentwicklung in West-deutschland. Bis auf den Staat und Organisationen ohne Erwerbscharakter ver-liefen alle Zweige unterdurchschnittlich, insbesondere die Verarbeitende Indust-rie und die unternehmensorientierten Dienstleistungen, die unter anderem auch F&E, Marketing, technische Beratung usw. enthalten, also Zweige, die für die Wettbewerbsfähigkeit einer Regionalwirtschaft insgesamt von überragender Bedeutung sind. Die Deindustrialisierung der Region ging also einher mit einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der die Innovations- und Wettbewerbsfä-higkeit des Verarbeitenden Gewerbes bestimmenden Unternehmensdienstleis-tungen (Parallelitätsthese nach Bade, 1998). Beide Größen beeinflussen sich wechselseitig. Strukturpolitik Die Struktur- und Regionalpolitik für das Ruhrgebiet wies seit Beginn der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gleichermaßen defensive wie offensive Kompo-nenten auf. Zur defensiven Strategie zähle ich den im großen und ganzen sozial kontrollierten Rückbau der mitbestimmten Montanindustrie mit Hilfe von Bei-hilfen für Modernisierungsinvestitionen bei gleichzeitigem Kapazitätsabbau, Frühverrentung, Umschulungsprogramme usw. (Bömer, 2000, Kap. 2 und 4). Zur offensiven Strukturpolitik zählen der Aufbau der neuen Universitäten, Fachhochschulen und sonstigen F&E-Kapazitäten, die durchgängige Moderni-sierung der Infrastruktur im Bereich der Bildung, des Verkehrs usw., die Unter-stützung von Industrieansiedlungen (mit Opel als Paradebeispiel), sowie die kulturelle und ökologische Revitalisierung der Region („blauer Himmel“ über der Ruhr, IBA Emscherpark).

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Seit den 80er Jahren war es daher möglich, neue High-Tech-Cluster zu entwi-ckeln, so in Dortmund z.B. den Software-Komplex. Dieser Ansatz wurde seit Mitte der 90er Jahre seitens des Landes und der Ruhrgebietsstädte intensiviert, als klar wurde, dass der Bergbau beschleunigt reduziert und die Stahlindustrie auf den Westen des Ruhrgebiets konzentriert würde. Ganz auf dieser Linie wurde dann im Jahre 2000 in Dortmund das dortmund-project initiiert, während die ruhrgebietsbezogene Strukturpolitik des Landes NRW sich zusammen mit der EU-Regionalpolitik vermittels der Projekt-Ruhr GmbH verstärkt auf die Clusterförderung im Ruhrgebiet konzentrierte. Tab. 3 stellt den Versuch einer quantitativen Beschreibung der vom Landeswirt-schaftsministerium ausgewählten 12 Cluster der Ruhrgebietswirtschaft dar, de-nen in Zukunft die besondere Aufmerksamkeit der Struktur- und Regionalpolitik gelten soll. Im folgenden Kap. II. werden nun das System und die Strategie der Wirtschafts-förderungspolitik in Dortmund ausführlich beschrieben und diskutiert. Tabelle 3:

Beschäftigungsentwicklung im Bereich der Kompetenzfelder 2000 und 2002 (ohne Bergbau und Metallerzeugung/ -bearbeitung)*

in 1.000 v.H. v.H. in 1.000 v.H. v.H. in 1.000 %

Versicherungspfl. Beschäftigte insgesamt 1.583,8 100 x 1.561,9 100 x - 21,9 - 1,4darunter

im Bereich der Kompetenzfelder 662,6 41,8 100 674,3 43,2 100 + 11,7 + 1,8davon

Informationstechnologien 37,1 2,3 5,6 40,8 2,6 6,1 + 3,8 + 10,2Logistik 106,4 6,7 16,1 105,5 6,8 15,6 - 0,9 - 0,8Mikrostrukturtechnik u. Mikroelektronik 15,2 1,0 2,3 14,5 0,9 2,2 - 0,7 - 4,6Maschinenbau 60,8 3,8 9,2 60,2 3,9 8,9 - 0,6 - 1,0Neue Werkstoffe 10,8 0,7 1,6 10,9 0,7 1,6 - + 0,2Gesundheitswirtschaft 228,5 14,4 34,5 239,1 15,3 35,5 + 10,7 + 4,7Design 3,9 0,2 0,6 4,1 0,3 0,6 + 0,2 + 6,4Wasser- u. Abwassertechnik 23,2 1,5 3,5 22,5 1,4 3,3 - 0,7 - 3,0Tourismus, Freizeit und Kultur 59,5 3,8 9,0 62,9 4,0 9,3 + 3,5 + 5,9Energie u. neue Energietechniken 44,8 2,8 6,8 44,2 2,8 6,6 - 0,6 - 1,3Bergbautechnik 24,8 1,6 3,7 23,1 1,5 3,4 - 1,7 - 6,8Neue Chemie 47,7 3,0 7,2 46,3 3,0 6,9 - 1,3 - 2,8Quelle: Beschäftigten- und Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit und eigene Berechnungen* in dieser Variante erfolgte die Berechung ohne die Wirtschaftszweige Bergbau und Metallerzeugung/ - bearbeitung, Unterschiede in den einzelnen Kompetenzfeldern ergeben sich aus der Berechnungsmethode (siehe method. Anmerkungen)

Ende Juni 2000 Ende Juni 2002Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

Veränderung

Stand: März 2004

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II. Das institutionelle und instrumentelle System der Wirt-schaftsförderung in Dortmund 1. Wirtschaftsförderung Dortmund (WF DO) (vormals: Wirtschafts- und

Beschäftigungsförderung) Die WF DO ist seit 1997 ein Eigenbetrieb der Stadt4. Als Werkausschuss fun-giert der Ausschuss für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung (AWBF) des Rates der Stadt Dortmund. Mit Beginn des zweiten Halbjahres 2005 sind zwei wesentliche Änderungen vorgenommen worden. Erstens wurden die bislang direkt beim OB angesiedelte Projektgruppe dortmund-project sowie das Dienst-leistungszentrum Wirtschaft (DLZW) in die WF DO integriert. Zweitens wur-den wichtige Bereiche der Beschäftigungsförderung, z.B. der Kommunale Ar-beitsmarktfonds, an die ARGE (Bundesagentur für Arbeit und Stadt Dortmund) abgegeben. Die ehemalige Besonderheit des Dortmunder Ansatzes der Wirt-schafts- und Beschäftigungsförderung, die Integration von Wirtschafts- und Be-schäftigungsförderung in einem Amt bzw. Eigenbetrieb, wurde damit erheblich geschwächt. Beschäftigungsförderung wurde bis 2004 allerdings auch vom So-zialamt (über die Dortmunder Dienste GmbH) betrieben (vgl. Ziff. II. 13). Die DoDi GmbH wird nun in die ARGE integriert. In der WBF DO waren 2003 ca. 80 MitarbeiterInnen (ca. 60 Vollzeitstellenein-heiten) beschäftigt. Das Jahresbudget umfasste im Jahre 2003 einen Zuschuss der Stadt Dortmund von 8,34 Mio. € sowie des Landes und der EU von 1,98 Mio. €. Der Personalaufwand belief sich 2003 auf 4,26 Mio. € (vgl. Stadt Dortmund Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung Dortmund (2004 b)). Das Budget der WF DO nach der Integration und Neuorganisation hat für 2005 fol-gende Dimensionen: Zuweisungen und Zuschüsse der Stadt 12,59 Mio. € und des Landes/der EU 1,165 Mio. €; Personalaufwand: 5,964 Mio. €, (Personal: 71 Vollzeitstelleneinheiten). In diesen Beträgen sind die investiven und laufenden Ausgaben der Infrastrukturgesellschaften wie des Technologiezentrums Dort-mund GmbH oder der MST-factory natürlich nicht enthalten. Im Zuge der Integ-ration der WBF DO, des dortmund-project und des DLZW sowie der Gründung der ARGE zwischen der Bundesagentur und der Stadt Dortmund wurde die Be-legschaft der neuen WF DO um insgesamt 10 Beschäftigte verringert.

4 Die CDU-Ratsfraktion versuchte in der Vergangenheit immer wieder, die WBF DO in eine GmbH mit direkter Beteiligung von Privatunternehmen umzuwandeln, wofür es aus meiner Sicht keine vernünftigen Argumente gibt. Mit Sicherheit wäre dann der Bereich Beschäftigungs-politik stark geschwächt worden. Außerdem würde sich die Koordination mit den anderen De-zernaten, insbesondere für Planung und Umwelt, schwieriger gestalten. Eine erfolgreichere Wirtschaftsförderung z.B. in Duisburg und Essen, wo die Wirtschaftsförderungsgesellschaft als GmbH organisiert ist und private Großkonzerne Miteigentümer sind, ist nicht zu erkennen. In jedem Falle würden sich die demokratischen Kontrollmöglichkeiten durch den Rat und seinen Ausschuss drastisch verringern.

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2. Arbeitsbereiche der WF-DO: Cluster- und Beschäftigungsorientierung 2.1 Bereich dortmund-project und Branchenentwicklung Im Bereich dortmund-project sind die Branchen- und Clusterentwicklung, die Flächen- bzw. Standortentwicklung sowie die Gründungsförderung und Grün-dungswettbewerbe verankert. Die neuen Führungsbranchen IT, Mikrostruktur- und Nanotechnologie, Logistik und Biomedizinische Technologien (erst im Ver-lauf des Projekts hinzugekommen und jetzt unter der Branche Gesundheitswirt-schaft subsumiert) werden wie bisher besonders gefördert. Dieser ehemals selbstständige Kernbereich des dortmund-project (siehe ausführlich II.3) ist über den nach wie vor existierenden Projektausschuss mit den technologieorientierten Infrastrukturgesellschaften und der Wirtschaft verbunden (Mitglieder: WF DO, Technologiezentrum Dortmund, IHK, DGB Östliches Ruhrgebiet, Agentur für Arbeit, IT-Center, Electronic Commerce Center, Max-Planck-Institut, MST.factory, e-port, Dortmund-Agentur, Planungsdezernat). Darüber hinaus werden in diesem Bereich der WF DO die Finanz- und Versicherungswirtschaft, die Metall- und Elektrowirtschaft, der Einzelhandel, das Hotel- und Gaststätten-gewerbe, die Getränkewirtschaft, die Energiewirtschaft sowie die Bau- und Im-mobilienwirtschaft bearbeitet und betreut. Es wird versucht, die in den neuen Führungsbranchen entwickelten Clusterstrukturen und –politiken auf die ande-ren Branchen zu übertragen (Stadt Dortmund, Wirtschafts- und Beschäftigungs-förderung, 2005, Branchenbericht 2005). Die WBF-DO verfolgt somit insgesamt eine Clusterorientierung (Grote Westrick / Rehfeld 2003, Rehfeld 2005) entlang ausgewählter Branchen, für die es in Dortmund gute bzw. sehr gute endogene Voraussetzungen gibt. Außerdem befasst sich dieser Bereich in Zusammenarbeit mit den Standortgesellschaften wie der LEG und der Entwicklungsgesellschaft Stadtkrone Ost mit der Mobili-sierung und Vermarktung von Gewerbestandorten, insbesondere der Führungs-standorte (z.B. Phoenix-West) sowie mit öffentlichen Finanzierungshilfen für Gründer und Investoren. 2.2 Dienstleistungszentrum Wirtschaft (DLZW) Das DLZW ist die erste Anlaufstelle für Gewerbetreibende und Unternehmen. Zum Aufgabenbereich gehören firmenkundenbezogene Dienstleistungen, Be-standsentwicklung, Mittelstandsförderung, Prozessoptimierung mittelstands-freundliche Verwaltung und stadtbezirksorientierte Firmenbetreuung ´aus einer Hand´. 2.3 Kooperationsstelle Arbeit und Region Dieser Bereich bearbeitet das Themenfeld Menschen und Kompetenzen und ist zuständig für die Regionalagentur Westfälisches Ruhrgebiet, über die die Städte Dortmund und Hamm sowie der Kreis Unna strukturpolitisch zusammenarbei-ten. Ebenso ist hier die Regionalstelle Frau und Wirtschaft angesiedelt. Von diesem Bereich aus werden die Arbeitsmarktinitiative AMI-Do sowie die EU-Netzwerke betreut, ebenso KPFM und verschiedene lokale Ökonomieprojekte im EU-URBAN 2-Programm. Außerdem unterstützt dieser Bereich die Akquisi-

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tion und Durchführung von diversen Landes-, Bundes- und EU-Programmen im Bereich der Qualifizierung und Beschäftigungsförderung. Die Geschäftsführung der WF DO (GF Mager, stellv. GF Ellerkamp (Bereich dortmund-project) sowie der kaufmännische Leiter Schickewei) verantwortet die Öffentlichkeitsarbeit, die für eine derart ambitionierte Wirtschaftsförderung sehr wichtig ist und innerhalb wie außerhalb der Stadt maßgeblich zur Kommunika-tion des „Neuen Dortmund“ beiträgt.

Eine weitere Besonderheit der Wirtschaftsförderungspolitik in Dortmund ist seit Jahren die systematische Einbeziehung der Gewerkschaften bzw. ihrer Schlüs-selpersonen in die Konzeptentwicklung, Kontrolle und das Co-Management eines großen Teils der beschlossenen Maßnahmen. Die Arbeitnehmerfraktion in der Verbandsversammlung des KVR sowie der DGB NRW hatte 1997 das Ruhr-memorandum veröffentlicht, in dem der Clusteransatz als Strategie der regiona-len und kommunalen Wirtschaftsförderung ausformuliert wurde (Arbeitnehmer-fraktion.., 1997). 1998 hatte der DGB Kreis Dortmund/Unna/Hamm die Studie Branchenreport (DGB Dortmund/Unna/Hamm, 1998) beim gewerkschaftsnahen Unternehmensberater ISA-Consult in Auftrag gegeben. Seit ca. 10 Jahren tagt der Arbeitskreis Strukturpolitik der Kooperationsstelle Wissenschaft und Ar-beitswelt, die früher beim DGB Dortmund angesiedelt war und heute Teil der Sozialforschungsstelle ist, und beschäftigt sich mit den Problemen einer sozial-verträglichen Gestaltung der Innovationsförderung und des Strukturwandels (Kock, 2003). Die Gewerkschaften kümmern sich diesbezüglich natürlich vor allem um die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten in den alten und den neuen Wirtschaftszweigen, die Initiierung von Beschäftigungs- und Qualifizie-rungsgesellschaften für die in dem raschen Strukturwandel von Arbeitslosigkeit bedrohten Belegschaften sowie darum, auch in den neuen Wirtschaftszweigen Ansätze einer kreativen Vertretung der Interessen der Beschäftigten zu entwi-ckeln (Weiterbildungsfragen, Arbeitszeitregeln usw.). Nicht zuletzt haben sie natürlich auch dafür gekämpft, dass die Großunternehmen, die sich aus der Re-gion zurückzogen, insbesondere Thyssen, Krupp und Hoesch, Ressourcen für die Entwicklung von Ersatzarbeitsplätzen sowohl im traditionellen als auch im innovativen Bereich zur Verfügung stellten. Ohne dieses Engagement der Ge-werkschaften (und der Stadt Dortmund) hätte Thyssen-Krupp sich sicherlich nicht gezwungen gesehen, das dortmund-project mit zu initiieren und zu finan-zieren, wobei natürlich auch das Eigeninteresse an einer optimalen Verwertung der brach gefallenen Grundstücke des Konzerns nicht zu vergessen ist. Zur theo-retischen Aufarbeitung dieses gewerkschaftlichen Ansatzes einer arbeitnehmer-orientierten kommunalen und regionalen Strukturpolitik vgl. neben Kock (2003) auch Besse / Dörre / Röttger (2004) sowie Bömer / Mazier / Mouhoud (2004).

3. dortmund-project (www.dortmund-project.de) Die Projektgruppe 05 dortmund-project, im Jahr 2000 eingerichtet, seit 2005 in die WF DO integriert, war damals als zusätzliche Task-Force der kommunalen Wirtschaftsförderung für einen Zeitraum von 10 Jahren gegründet worden. Sie war direkt dem OB unterstellt und hatte 18 MitarbeiterInnen. Das dortmund-project kaufte darüber hinaus Planungs- und Kommunikationsdienstleitungen ein. In den ersten drei Jahren hatte Thyssen-Krupp drei Personalstellen einge-

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bracht. In einem Projektausschuss war und ist es eng mit den wirtschaftlichen Akteuren der Stadt vernetzt und über den Steuerkreis mit politischen Entschei-dungsträgern der Stadt und des Landes NRW verbunden. Das dortmund-project hat drei Arbeitsbereiche:

- Führungsbranchen/Unternehmensentwicklung (IT, Mikrostrukturtech-nik, Logistik),

- Führungsstandorte und - Human Ressources.

Das Budget betrug bis einschließlich 2004 6,5 Mio. € jährlich für 10 Jahre, da-von ca. 1,5 Mio. für Personalkosten und der Rest für Gründungswettbewerbe, Wachstumsinitiativen, Standortentwicklung (Gutachten etc., nicht Investitio-nen), Qualifikation (z.B. für das ITC, eine Ausbildungsstätte für IT-Experten) und Kommunikation, also Öffentlichkeitsarbeit. Eine grundlegende Zwischen-evaluation wurde im Juni 2005 vorgelegt (Dr. Heuser AG, 2005). Die Ergebnis-se werden in Kap. II. 6 diskutiert. 4. Technologiezentrum (TZDO GmbH), Sondervermögen Verpachtung

Technologiezentrum (SVTZ DO) Nur Insidern ist das komplexe institutionelle und finanzielle System der kom-munalen Wirtschaftsförderung und seine Verflechtung mit den kommunalen Unternehmen und der Privatwirtschaft (vgl. die Übersichten 1-6 im Anhang) bekannt. Es wird im Folgenden einschließlich seiner jüngsten Änderungen5 nä-her erläutert.

Während das Technologiezentrum zumeist geläufig ist (vgl. Übersicht 1 im An-hang), ist die Existenz und große Bedeutung des Sondervermögen Technologie-zentrum Dortmund zwar in den Führungszirkeln der politischen Praxis und der Verwaltung präsent, weniger aber in der Öffentlichkeit und auch nicht unter den Wissenschaftlern und Studierenden, die sich mit Wirtschafts- und Beschäfti-gungsförderungspolitik beschäftigen. Das SVTZ DO und damit die diversen Immobilien der Technologiezentren befinden sich im 100%igen Eigentum der Stadt. Geschäftsführer sind der Kämmerer und der GF der WF DO. Das Mana-gement ihrer Einrichtungen, der verschiednen Technologiezentren, wird aller-dings zumeist in Public-Private-Partnership-Konstruktionen betrieben. Die zent- 5 Änderungen im europäischen Vergaberecht haben eine Neuorganisation der institutionellen Struktur der Dortmunder Wirtschaftsförderung erzwungen. Bislang hatte die TZDO GmbH das gesamte Immobilienmanagement für das Sondervermögen SVTZ DO per Geschäftsbesorgungs-vertrag geleistet. Die Mieter in den Zentren schlossen ihre Mietverträge mit dem TZDO GmbH ab. Dies ist nach neuem EU-Vergaberecht nicht mehr erlaubt, da derartige Geschäftsbesor-gungsverträge europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Stadt hat daher eine so genannte Inhouse-Lösung beschlossen. Sie gründete die Technologiezentrum Dortmund Management GmbH (25.000€ Stammkapital und 100.000€ Kapitalrücklage). Das Sondervermögen hat 100% der Anteile übernommen. Herr Baranowski, GF der TZDO GmbH, ist auch zum GF der neuen Gesellschaft bestellt worden. Zugleich erwarb diese neue Gesellschaft 100% der Geschäftsantei-le der MST.factory Dortmund GmbH, der Betreibergesellschaft der MST.factory auf Phoenix-West. Die Änderung dieser Strukturen wird in den Übersichten im Anhang grafisch dargestellt.

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rale Rolle spielen dabei die TZDO-GmbH sowie die Dortmund-Stiftung und ihre Beteilungsgesellschaft DOPRO und die speziellen Betreibergesellschaften für die einzelnen Technologiezentren. Als GF der erstgenannten drei Einrich-tungen ist der Hauptgeschäftsführer der TZDO GmbH (Herr Baranowski) tätig (Übersichten 1 bis 3 im Anhang).

5. Finanzierung des Sondervermögens Technologiezentrum Dortmund Die Finanzierung dieser technologieorientierten Infrastruktur im Eigentum des SVTZ DO (vgl. Übersichten 4 und 5 im Anhang) erfolgt über EU-Ziel-2 Mittel, Landesmittel sowie Eigenanteile der Stadt Dortmund (vgl. Stadt Dortmund (2004): Drucksache Nr. 05651-04). Letztere bestehen in städtischen Grund-stückseinlagen sowie aus Kreditaufnahmen des Sondervermögens, das somit faktisch einen Nebenhaushalt der Stadt darstellt, der nicht unter die kommunale Haushaltsaufsicht der Regierungspräsidenten fällt, sondern sich an die Landes-Richtlinien für die Führung von Sondervermögen halten muss. (Mit Einführung des Neuen Kommunalen Finanzhaushalts (NKF) ab 2006 kann das Sonderver-mögen aber nicht mehr als Nebenhaushalt bezeichnet werden). Die technologie-politische Offensive der Stadt konnte somit finanziert werden, obwohl der Kom-munalhaushalt mit Ausnahme der Jahre 1999 und 2000 seit langem stark defizitär war, die Stadt einem (nicht genehmigten) Haushaltssicherungskonzept unterlag und Wirtschaftsförderung bekanntlich keine kommunale Pflichtaufgabe ist. 6. Innovationsorientiertes Wirtschaftsförderungskonzept bisher erfolgreich

– Ergebnisse der Halbzeitevaluation des dortmund-project Das Konzept der kommunalen Innovationspolitik (vgl. etwa Baranowski, 2005) ist eng mit der regionalen Struktur- und Innovationspolitik des Landes NRW und der EU verbunden. Es geht natürlich nur auf, wenn die Technologiezentren erstens gut ausgelastet sind und die Miet- bzw. Pachteinnahmen die kommuna-len Investitionsanteile auf Dauer refinanzieren (die EU- und Landeszuschüsse sind „verlorene Zuschüsse“ aus dem EU- Ziel-2-Programm). Zweitens müssen durch Neugründungen aus den Technologienzentren heraus so viele neue Unter-nehmen und Arbeitsplätze entstehen, dass der Kommune zusätzliche Steuerein-nahmen zufließen und die kommunalen Lasten der Arbeitslosigkeit (Sozialhilfe) reduziert bzw. zumindest in Grenzen gehalten werden. Außerdem müssen die kommunalen Finanzierungsanteile für die allgemeine wirtschaftsbezogene Infra-struktur (z.B. der Umbau der Erschließungsstraßen für Phoenix West) refinan-ziert werden. Seit Mitte der 80er Jahre, also der Eröffnung des Technologiezentrums Dort-mund, war dieser strategische Ansatz (mit unterschiedlicher Intensität) sehr er-folgreich, besonders natürlich in den Jahren starken gesamtwirtschaftlichen Wachstums, also von 1989 bis 1992 (Einigungsboom) und 1998 bis 2000 (New Economy Boom). Dies lässt sich indirekt auch aus Abb. 3 ableiten. Einzelne Projekte sind aber auch schon in dieser Periode gescheitert, insbesondere das Digitale Medientechnische Technologiezentrum (TCC) (Sonderabschreibung für das Sondervermögen im Geschäftsjahr 2001 ca. 3,65 Mio. €) und damit die

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Entwicklung des medienwirtschaftlichen Clusters in Dortmund. Zu den großen Erfolgen dieses Politikansatzes bis zum Jahr 2000 zählt zweifellos die Entste-hung des Softwarekomplexes und des Kerns der Mikrostrukturtechnologie mit ihren Flagschiffen elmos semiconductors und microParts sowie die Entwicklung der Technologiezentrums Dortmund und des Technologieparks neben der Uni-versität. Das im Jahre 2000 gestartete dortmund-project hat (zusammen mit allen anderen Beteiligten Stellen der Stadt und den sonstigen Akteuren) in sehr kurzer Zeit die neuen spezialisierten Technologiezentren (e-commerce-center, e-port, Mikrostrukturzentrum, MST-factory, B1 software factory, Biomed. Technolo-giezentrum) und die neuen Technologiestandorte (Phoenix-West, Stadtkrone Ost, Erweiterung Technologiepark) entwickelt. Das System der Gründungsför-derung und der Gründungswettbewerbe wurde aufgebaut und perfektioniert. Die Arbeitsplatzbilanz hat allerdings nicht den offiziell viel zu hoch gesteckten Erwartungen entsprochen. Die ursprünglichen Kalkulationen gingen bis 2010 von zusätzlich 70.000 Arbeitsplätzen, davon + 60.000 in den neuen Ankerin-dustrien aus (+34.000 in der IT-Industrie, + 16.000 in der Mikrostrukturtechnik, + 10.000 in der Logistik). Die übrigen 10.000 Arbeitsplätze sollten in den ande-ren existierenden Sektoren entstehen. Tabelle 4: Erwerbstätige in Dortmund in den Jahren 1970, 2000 und 2010 1970 2000 2010 (Prognose*) Basisindustrien 80.000 (Steinkoh-

le, Stahl, Braue-reien)

28.000 (IT, MST, Logistik) 5.000 (Stahl, Bergbau, Braue-reien)

Zusätzlich 60.000 (IT, e-commerce, Logistik) 10.000 in beste-henden Untern.

Alle Zweige 277.000 225.000 295.000 Prognose durch McKinsey und die Stadt Dortmund Quelle: Stadt Dortmund, 2001, S.4 Zu Beginn dieses Jahrzehnts wurden bundesweit weitgehende Umstellungen und Neuberechnungen der Erwerbstätigen vorgenommen. Für 1970 wurde für Dortmund die Zahl um + 48.000 nach oben korrigiert, für 2000 um + 50.000 auf 275.200. Im Gegensatz zur Tabelle 4 ist in Abb. 11 das Basisjahr für das Cont-rolling des dortmund-project vom 2000 in das Jahr 1997 zurück verlegt worden (257.000). Damit ist der Zugewinn von 18.200 Arbeitsplätzen in den Jahren 1998-2000, den Jahren des Booms der New Economy, dem dortmund-project i. e.S. zugerechnet worden. Tatsächlich war dies der Erfolg der Innovationspolitik seit 1968 (Universitätsgründung) und speziell ab 1985 (Gründung des TZ DO), die – wie oben beschrieben - für den Bereich der Software-Industrie in Dort-mund einen ausgezeichneten Nährboden geschaffen hatte.

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Abbildung 11: Arbeitsplatz- Halbzeitbilanz dortmund-project 2000-2004

Quelle: Dr. Heuser AG, 2005, 11 Von 2000-2004 sind in den Ankerbranchen des dortmund-project 6.640 neue Arbeitsplätze entstanden, hauptsächlich in den Sektoren Logistik (+2.246), IT (+2.040), und MST (+688). Der IT-Sektor als der erhofft wichtigste Wachs-tumstreiber des dortmund-project hat seit 2002 leicht abgenommen (- 600), sich allerdings besser als der Bundesdurchschnitt behauptet. In den sonstigen Bran-chen gingen ebenfalls 2.300 Arbeitsplätze verloren (dahinter verbergen sich allerdings wichtige Verschiebungen. Während z.B. die Versicherungsbranche stark expandierte, verloren die Bauwirtschaft und der Einzelhandel Tausende von Arbeitsplätzen). Gemessen an der tiefen Krise der New Economy ab Mitte 2000 kann sich dieses Gesamtergebnis (+6.640 statt der für diesen Zeitraum im Jahre 2000 erwarteten +11.665 (Dr. Heuser AG, 2005, 13) dennoch im Ver-gleich zu anderen Großstädten sehen lassen. Es hat aber nichts zu tun mit den im Jahre 2000 geweckten Hoffnungen auf eine unbegrenzte Fortsetzung des Booms der New Economy. Selbst wenn man konzediert, dass die Projektplaner für die erste Hälfte des Jahrzehnts hauptsächlich den Aufbau der Technologie-Infrastruktur im Auge hatten und argumentierten, dass sich deren Früchte erst verstärkt in der zweiten Hälfte ernten ließen, kann die Zielmarke bis zum Jahre 2010 unmöglich erreicht werden. Die neuen Projektionen und Zielmarken, die in der Halbzeitevaluation vorgelegt worden sind, gehen vernünftigerweise von einer Minimalvariante von 2005 bis 2015 (+15.700) aus, die ich insgesamt für

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realistisch halte, während die Maximalvariante (+ 42.100) (ebenda, S. 14) auch bei bestens laufender Konjunktur sehr unwahrscheinlich sein dürfte6. Die „zweite Stufe der Globalisierung“, in der insbesondere im IT-Bereich Aus-lagerungen nicht nur von Backoffice-Arbeitsplätzen, z.B. Callcenter, sondern auch von qualifizierter Software-Entwicklung nach Indien oder zunehmend auch nach Mittel- und Osteuropa erfolgen, setzt natürlich auch die bereits vorhandene Software-Industrie in Dortmund unter Druck. Es ist daher durchaus nicht selbst-verständlich, dass dieser Komplex, der nach neuen Zählungen der WF DO 2004 ca. 11.450 Arbeitsplätze umfasste (Stadt Dortmund, Wirtschafts- und Beschäfti-gungsförderung 2005, 12), diese Größenordnung problemlos erhalten oder gar weiter steigern kann. In der zweiten Runde der Globalisierung werden auch die Unternehmens- und Standortstrukturen der Global Player der IT-Wirtschaft erneut zur Disposition gestellt, wobei die kommunale Wirtschaftsförderung hier nur eine geringe Ein-flussmöglichkeit hat. Thyssen Krupp hat z.B. sein eigenes IT-Dienstleistungsunternehmen Triaton, das aus dem Rechzentrum der Hoesch AG entstanden war, im Februar 2004 an Hewlett Packard (HP) verkauft. Dieses Weltunternehmen kündigt seinerseits keine drei Monate später an, dass ca. 330 der 1900 Triaton-Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. In Dormund waren Mit-te 2004 ca. 500 Menschen bei diesem Unternehmen beschäftigt (WR, 28.5.04, RWI1). Das Unternehmen wird inzwischen von Böblingen, dem HP-Sitz in Deutschland, geführt. Es sind also auch erneute Anstrengungen der Unternehmen, aber auch der Wirt-schaftsförderung, erforderlich, um diesen Sektor in Dortmund auch unter den neuen Bedingungen zu entwickeln. Das dortmund-project sah im Jahr 2000 für diesen Sektor eine Steigerung um 34.000 Arbeitsplätze bis zum Jahre 2010 vor, eine auch aus damaliger kritischer Sicht sicherlich völlig unrealistische Annah-me. Als Erfolg bleibt aber festzuhalten, dass die IT- und Software-Industrie in den Krisenjahren der New Economy ihr Potential absolut in etwa halten konnte und im Vergleich zum Bundesdurchschnitt etwas besser abschnitt (Stadt Dort-mund, 2004 a).

7. Konzeptintensivierung seit dem Jahr 2000 Mit dem dortmund-project (ab 1999 konzipiert, im Jahr 2000 vom Rat der Stadt beschlossen) ist der „Brutkastenansatz“ des TZDO erweitert worden: die neuen Einrichtungen sind in Übersicht 4 aufgeführt und in Übersicht 5 in ihrer finan-ziellen Dimension (Gesamtinvestitionsvolumen und Hauptfinanzierungsquellen) dargestellt: ohne die Bauabschnitte 1-5, die im wesentlichen vor dem Beginn des dortmund-project realisiert wurden, werden 137,9 Mio. € in neue Technolo-giezentren investiert (Stand Juni 2004). EU und Land schießen 72,2 Mio. € als 6 Überhaupt zeugt die unterstellte Relation 60.000 neue Arbeitsplätze in den Basissektoren und 10.000 in den bestehenden anderen Sektoren nicht gerade von großer regionalwissenschaftlicher Erfahrung. Der Multiplikator für die Arbeitsplätze in den neuen Exportbasis-Sektoren ist viel höher als die unterstellten 6/7, mindestens 2,0, eher noch höher (etwa 2,5). Um die Gesamtbe-schäftigung um 70.000 zu erhöhen, braucht man daher höchstens 30.000 bis 35.000 neue Ar-beitsplätze in den Leitsektoren.

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Strukturhilfen zu, während das SVTZ DO Kredite in Höhe von 61,9 Mio. € auf-genommen hat. Zum Vergleich: Die Investitionskosten für den Dortmunder Flughafenausbau beliefen sich auf ca. 125 Mio. €, für das Konzerthaus auf ca. 50 Mio. €. Die politischen Entscheidungen für die neuen Bauabschnitte des TZDO waren zwar Resultat des durch den Boom der New Economy gespeisten Hyperopti-mismus der Jahre 1998 bis 2000, der durch die irreale Prognosen der McKinsey-Berater gesteigert wurde (ursprünglich + 100.000 Arbeitsplätze bis 2010, von der WBF-DO-Führung schon auf 70.000 reduziert (Küpper, Januar 2004, Uni Dortmund)). Der Aufbau der spezialisierten Technologiezentren war und ist aber dennoch sinnvoll. Aus meiner Sicht wäre es aber im Gegensatz zu den ur-sprünglichen Erwartungen bereits ein großer Erfolg, wenn sich das Tempo der Generierung neuer Arbeitsplätze in den neuen Leitsektoren im Rahmen der let-zen 15 Jahre bewegen würde (+ ca.15.000 Arbeitsplätze in den technologiein-tensiven Leitsektoren im Zeitraum 1985 - 2000). Alle darüber hinausgehenden Zuwachsraten hängen - wie in Ziff. I.3 und III.1 ausgeführt – weitgehend von der allgemeinen Wirtschaftspolitik ab. 8. Biomedizin-Technologie: Phönix aus der Asche in Dortmund!? Überraschend ist die schnelle Durchsetzung des neuen Schwerpunkts Biomedi-zin-Technologie und Proteom-Kompetenzzentrum in Dortmund. In die drei Ausbaustufen dieses neuen Komplexes, dessen Fertigstellung 2005 realisiert wurde und der direkt neben dem Max-Planck-Institut für molekulare Physiolo-gie auf dem Campus gebaut wurde, sind insgesamt ca. 54,5 Mio. € investiert worden. Die Universität Dortmund und die Fachhochschule haben mit den neu-en Studiengängen „Bioingenieurwesen“ (Chemische Biologie und Mikrostruk-turtechnik) auf diesen Schwerpunkt reagiert bzw. ihn mit befördert. Allein in den Räumlichkeiten dieses Technologiezentrums können ca. 650 Beschäftigte Platz finden. Dieses Projekt wird allerdings in einer Zeit umgesetzt, in der der erste Boom der biotechnologischen Industrie abgeflaut ist und die Konkurrenz mit den anderen biomedizinischen und biotechnologischen Wachstumspolen in Deutschland und Europa härter geworden ist. In diesem Sektor herrscht daher ein intensiver Wettlauf um Fördermittel und Unternehmen vor allem mit der Stadt Bochum, wo im Herbst 2005 Baubeginn für das 18,4 Mio. Projekt Bio-Medizin Zentrum Ruhr sein wird. Dortmund verfügt aber mit den verschiednen Max-Planck-Instituten und dem weiteren Technologieschwerpunkt Mikrostruk-turtechnik sowie einem von der Sparkasse Dortmund neu aufgelegten Risikoka-pital-Fonds zur Finanzierung von Unternehmensgründungen in diesem Techno-logiefeld dennoch über gute Voraussetzungen, diesen Weg erfolgreich fortzuset-zen. 9. Finanzierung des Gesamtansatzes und des Flagship-Projekts Phoenix Die Stadt Dortmund ist äußerst erfolgreich bei der Einwerbung von EU- und Landesmitteln für die Finanzierung der genannten Technologie-Infrastrukturprojekt sowie der Zukunftsstandorte: Von 2000 bis Januar 2004 wurden ca. 160 Mio. € (einschließlich des Großprojekts Phoenix-West) bewilligt

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(Küpper, 2004, S. 20: Europa kommunal, Heft 1/2004; vgl. auch Ziffer 14). Im Vergleich zu den anderen Städten im Ruhrgebiet ist dies eine sehr erfolgreiche Bilanz (vgl. Tab. 7), die mit der Tatsache zusammenhängt, dass Dortmund sich im Konzept der Clusterförderung des Landes NRW bereits seit Mitte der 80er Jahre und speziell in den 90er Jahren den Ruf eines soliden und dynamischen Technologiestandorts erarbeitet hat und über die entsprechenden administrativen Kapazitäten und Netzwerke sowie über prozessorientiertes Managementwissen verfügt (Baranowski, 2005).

Die Stadt hat zudem für insgesamt 16,8 Mio. € das Gelände Phoenix Ost (ca. 100 ha) gekauft, davon 11,3 Mio. € für die „Kernfläche“, 3,7 Mio. € für die Flä-che nördlich Hörder Burg/Fass Str. und 1,8 Mio. €. für ein Flächenteilstück an der Hermannstraße. Zunächst wurde in der Öffentlichkeit seitens der Stadtver-waltung der Eindruck erweckt, als werde die Gesamtfläche weitgehend im Zu-stand „oben ohne“ von Thyssen Krupp Stahl gekauft. TKS sollte danach auf eigene Kosten alle oberirdischen Gebäude abräumen, nicht aber den Boden sa-nieren. Tatsächlich aber lässt sich TKS „...den Abriss der Anlagen vom künfti-gen Vorhabenträger Dortmunder Stadtwerke bezahlen“, und zwar für ca. 12 Mio. € (WR, 24.04.04). Das Engagement der TK AG im dortmund-project kann somit als extrem eigennützig charakterisiert werden: Es war ein sehr kosten-günstiges Instrument, um die großen TKS-Brachflächen möglichst profitabel und schnell zu verwerten. Die aus dem (politisch umstrittenen) Cross-Border-Leasing-Stadtbahnprojekt erlösten 70 Mio. €, die bei den Stadtwerken geparkt wurden, stehen weitgehend für die Finanzierung des Grundstückskaufs und die Anlage des Phoenix-Sees und der umliegenden Baugebiete zur Verfügung, wobei natürlich versucht wird, jedmögliche Landes- und EU-Töpfe anzuzapfen. Die Gesamtkosten für Phoe-nix-Ost werden nach dem bisherigen Stand mit 182 Mio. € kalkuliert. Allein die Bodensanierung und Vorbereitung für die Flutung des Sees im Jahre 2007 wird mit ca. 40 Mio. € veranschlagt. Die Stadt hat aus dem Landestopf Stadterneue-rung 17,1 Mio. € Landeszuschuss beantragt und rechnet insgesamt mit Landes-mitteln in Höhe von 31 Mio. € (WR, 8.4.04, RDO02; WR, 21.4.04 RDO01). Die Differenz muss aus den Verkaufserlösen der Grundstücke am See und dem Cross-Border-Leasing Fonds finanziert werden. Bei schwacher Konjunktur, die sich natürlich ganz besonders auch in den (fehlenden) Bauaufträgen nieder-schlägt, kommt damit zumindest ein sehr hohes Vorfinanzierungsvolumen auf die Entwicklungsgesellschaft Phoenix-Ost, eine Tochter der DSW Dortmunder Stadtwerke AG, zu.

Das Gelände Phoenix-West (ca. 110 ha) war mit Ausnahme des an BMW ver-kauften Grundstücks für ca. 20 Mio. € von der LEG erworben worden, die es auch entwickelt7.

7 Die Absicht der neuen Landesregierung, die LEG aufzulösen und größtenteils zu verkaufen, könnte sich für die Wirtschaftsförderungspolitik in Dortmund wie im Ruhrgebiet insgesamt als schwerwiegendes Problem erweisen. So wie es in der Vergangenheit undenkbar war, dass die Mehrheit der brach gefallenen Montanflächen ohne den Grundstücksfonds und die landeseigene Entwicklungsgesellschaft einer neuen Nutzung hätten zugeführt werden können, wird auch in Zukunft eine starke öffentliche Entwicklungsgesellschaft gebraucht.

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Seit dem Jahre 2000 werden also verstärkt öffentliche Vorleistungen im großen Umfang und mit nicht gerade geringem Risiko getätigt. Dies ist – wie bereits oben angemerkt – aus meiner Sicht gerechtfertigt. Man sollte sich aber natürlich der Risiken voll bewusst sein. Diese sind umso größer, je schlechter die ge-samtwirtschaftliche Entwicklung verläuft, weil diese die Chancen zur Generie-rung von Ersatzarbeitsplätzen sowohl im High-Tech als auch im „normalen“ und Low-Tech-Bereich und vor allem auch im Wohnungsbau ganz wesentlich determiniert. 10. microParts – ein Sonderansatz der Wirtschaftsförderung Ein Sonderansatz wird mit dem Mikrostrukturzentrum, einem der spezialisierten Technologiezentren des TZDO mit Standort im universitätsnahen Technologie-park, gefahren: microParts, ehemals eine Tochtergesellschaft der STEAG und damit der RAG, im Jahr 2004 von der Boehringer AG übernommen, ist der Haupt-Pächter dieser Anlage. Hier stellt das SVTZ einem Privatunternehmen faktisch eine weitgehend komplette Fabrik zur Produktion von Zerstäubern durch Verpachtung zur Verfügung. Dies ist, solange das Unternehmen erfolg-reich ist und die Pachterlöse die kommunalen Investitionsanteile decken, für das SVTZ DO sogar rentierlich. Im Herbst 2003 betrug die Beschäftigtenzahl rd. 270. Das Investitionsvolumen für die geplante Erweiterung umfasst ca. 25 Mio. € in das Gebäude sowie ca. 55 Mio. € in den Maschinenpark (Stadt Dortmund, 2003c). Letztere sind in jedem Fall vom Unternehmen selbst zu finanzieren, aber mit 15-20% aus Mitteln der EU-Strukturförderung bezuschussbar, solange das Land noch Erweiterungsinvestitionen in der Privatwirtschaft aus Ziel-2-Mitteln fördert. Die Gebäudeinvestitionen würden analog zum oben beschriebe-nen Modell vom SVTZ DO finanziert. Die geplante Erweiterung dieser Fabrik wird nach Unternehmensangaben zusätzlich bis zu 400 neue Arbeitsplätze schaffen. Sie wird nach diesem Modell nach Maßgabe des Ausschusses für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung aber nur zustande kommen, wenn die Pachtzahlungen für die Erweiterung der Reinstraumgebäude über einen langen Zeitraum durch die jeweilige Mutter des Unternehmens und/oder die Auftrags-geber (Boehringer Ingelheim) via harter Patronatserklärungen garantiert werden. Über die planungsrechtlichen Probleme dieser Fabrikerweiterung soll hier nicht berichtet werden (vgl. Stadt Dortmund (2003d)). Sollte diese Fabrikerweiterung realisiert werden, wäre dies sicherlich ein großer Erfolg der kommunalen Wirt-schaftsförderungspolitik im Leitsektor Mikrostrukturtechnik, selbst wenn die Erweiterung weniger als 400 zusätzliche Arbeitsplätze bringen würde. Ein Schönheitsfehler besteht allerdings darin, dass diese Ankerinvestition nicht auf Phoenix-West, dem zukünftigen Technologiepark mit den Schwerpunkten MST und IT, stattfindet (Ziff. 11). 11. Risiken der Dortmunder Wirtschaftsförderung Die Risiken dieses Gesamtansatzes der Wirtschaftsförderung würde ich wie folgt beschreiben: Neben den jährlich auflaufenden Verlusten des SVTZ DO (2002: 1,2 Mio. €, 2003: 1,9 Mio. €, 2004 ebenfalls in dieser Größenordnung - sie werden verursacht durch zu geringe Pachteinnahmen und Leerstände in den Technologiezentren und durch Auflösung von Rücklagen bzw. durch Grund-

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stückseinlagen der Stadt gedeckt - im schlimmsten Fall direkt durch den Kommunalhaushalt abzusichern sein) besteht ein weiteres Hauptrisiko des Sze-narios „70.000“ darin, dass bei einem deutlich geringeren Arbeitsplatzzuwachs, also bei etwa 15.000-20.000 bis zum Jahre 2010, derzeit zu viele Standorte für die High-Tech-Industrie und den High-Tech-Bürosektor gleichzeitig entwickelt werden (Erweiterung Technologiepark im „Weißem Feld“; Stadtkrone Ost, Phoenix West, B1-Achse (vgl. Karte 1 im Anhang (Dortmund-Projekt- Zu-kunftsstandorte)). Diese Standorte und Zentren, die auch noch von unterschied-lichen Entwicklungsgesellschaften (TZDO-GmbH und WBF DO, Entwick-lungsgesellschaft Stadtkrone Ost und Phoenix Ost (Töchter der Stadtwerke AG); Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) auf Phoenix West, TK-Immobilien (LEP-6-Fläche/ Westfalenhütte) sowie sonstigen privaten Immobilieneignern und –entwicklern, insbesondere an der B1-Achse sowie am Flughafen) bearbei-tet und vermarktet werden, könnten sich gegenseitig das Wasser abgraben und damit zumindest partiell zum Scheitern verurteilt sein. Zwar bemüht sich die WBF DO um eine Koordination der Vermarktungsaktivitäten. Sie hat z.B. mit der LEG für Phoenix-West auch ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet und steht selbstverständlich mit den Stadtwerken und ihren Tochtergesellschaf-ten Stadtkrone Ost und Phoenix Ost in engem Kontakt. Dennoch könnten hier bei einem Andauern der konjunkturellen Durststrecke verstärkt Probleme auf-tauchen, weil der Druck wächst, die Flächen unter allen Umständen zu vermark-ten.

Insbesondere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Dortmund hatte sich daher gegen die Erweiterung des Technologieparks im Weißen Feld sowie südlich der S-Bahn (gegenüber dem neuen Biomed-Technologiezentrum) ausgesprochen, einerseits aus Gründen des Schutzes von Grünzügen und Aus-gleichsräumen, andererseits mit der Intention, alle zusätzlichen Ansiedlungen im High-Tech-Bereich insbesondere auf die Fläche Phoenix-West zu lenken. Denn es dürfte schwer genug werden, diese Fläche und ihre wunderbaren alten Indust-riedenkmäler (2 Hochöfen sowie die Gebläsehalle, die nach den derzeitigen Plä-nen zu einer Software-Factory umgebaut werden soll, die Phoenix-Halle (ehem. Reserveteillager) und einige andere Gebäude), in deren unmittelbarer Nähe die MST-Factory errichtet worden ist, erfolgreich zu vermarkten. 12. Technologie- und Gründerzentren der „zweiten Liga“ als Förderin-

strumente für den benachteiligten Norden Neben den Großprojekten haben sich in Dortmund auch weniger spektakuläre, aber dennoch außerordentlich wichtige Projekte etabliert bzw. sind in Planung. Das Depot-Immermannstraße in der Nordstadt ist ein IBA-Projekt (ca. 4 Mio. € Bauzuschuss des Landes NRW) mit dem Schwerpunkt kunstgewerbliche Be-triebe. Seit zwei Jahrzehnten wird mit relativ großem Erfolg der Gewerbehof Huckarder Straße betrieben. Die WBF DO beabsichtigt inzwischen, neben dem e-port in der Dortmunder Nordstadt ein weiteres Innovationszentrum zu entwi-ckeln. Im Urban II –Projekt für die Nordstadt versuchen zahlreiche einzelne Initiativen und Projekte, die lokale Ökonomie dieses Stadtteils mit ca. 55.000 EinwohnerInnen und einem hohen Immigrantenanteil zu stärken. Die Nordstadt verfügt wegen ihrer hohen Dichte und Funktionsmischung durchaus auch über Potentiale für die Beherbergung kreativer und innovativer Industrien und

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Dienstleistungen (Läpple 2003). Die lokale Ökonomieförderung ist ein absolut notwendiger, wenn auch bei weitem nicht hinreichender Politikansatz (O-verschmidt, 2003; Bömer, 2000, 174 ff), um in diesem Stadtteil eine durchgrei-fende Verringerung der Arbeitslosigkeit und der Armutsprobleme zu erreichen.

Neben den öffentlich bzw. öffentlich privaten Projekten haben sich in verschie-denen Stadtteilen auch rein private Entwicklungsschwerpunkte etabliert (Hörder Burg und ehemalige Stiftsbrauerei; Gewerbehof Defdahl usw.), die sich teilwei-se sehr erfolgreich entwickeln. 13. Informationen zum Sektor Beschäftigungsförderung der WF DO (bis

2003) In Ziffer II.1 wurde bereits auf das ehemalige Alleinstellungsmerkmal der Dort-munder Wirtschaftsförderung, die Einheit von Wirtschafts- und Beschäftigungs-förderung in einer Gesellschaft (Eigenbetrieb WBF-DO) hingewiesen. Die fol-genden Übersichten informieren über das breite Spektrum der bisherigen Aktivi-täten im Bereich Beschäftigung und Qualifizierung sowie über ihre Finanzie-rung. Bemerkenswert ist die Hebelwirkung, die das Personal der WBF-DO mit der Einwerbung diverser Projekte bislang erzielt hat. Es darf andererseits nicht verschwiegen werden, dass – gemessen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen in Dortmund – bislang lediglich ca. 10% der Arbeitslosen eines Jahres Nutznießer einer Qualifizierung- bzw. Beschäftigungsmaßnahme waren. Mit den Hartz- „Reformen“ hat sich bereits und wird sich diese Zahl eher reduzieren bzw. auf die problematischen 1 €-Jobs verlagern.

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Tabelle 5: Beschäftigungs- und Qualifizierungsaktivitäten der WF-DO Arbeitsbereiche Instrumente Netzwerke - EFS-Regionalsekretariat

Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesell-schaften

Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft

- Kommunale sowie europäische Arbeits-marktprojekte

Beschäftigungstransfer von Arbeit in Arbeit Betriebliche Modernisie-rung und Qualifizierung

Deutsch-Öster. URBAN Netzwerk EFS- Arbeitsmarktkonferenz Facharbeitskreis Qualifizie-rung ISB e.V. KPFM-Netzwerk Lernende Region: LernDO Lokales Kompetenznetzwerk Beschäftigungstransfer (LO-KON)

- Lokale Ökonomie/ Urban II

Einzelfallbetreuung Dortmunder Weiterbildungs-forum

- Regionalstelle Frau und Wirtschaft

Existenzgrünung Förderung von konzeptio-nellen Studien Jugend in Arbeit Kommunaler Arbeits-marktfonds Projekte zur Förderung der lokalen Ökonomie

Weiterbildungsinitiative NRW

- Existenzgründung Tabelle 6: Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Projekte in Dortmund 2003 Stadt Dortmund Sozialamt * ca.

12,4 Mio. €

URBAN II-Lokale Ökonomie 1,8 KAF – Kommunaler Arbeitsmarktfonds 1,3 Gesamt (gerundet) 15,5 Eingliederungstitel Ar-

beitsamt Dortmund in Mio. €

Landes ESF-Ziel 2 und 3 Mittel in Mio. €

1999 Nicht verfügbar 26,3 2000 2001

109,0 Mio. € 123,0

5,0 11,6

2002 119,0 13,9 2003 111,6 6,9

Diese insgesamt recht beeindruckenden Zahlen brechen allerdings aufgrund der Hartz-Gesetze und der dramatisch restriktiveren Arbeitsmarktpolitik seit 2003 und insbesondere im Jahre 2004ff enorm ein: „Die Bundesagentur für Arbeit hat für 2004 ein Budget vorgelegt, das starke Reduzierungen bei ABM, Förderung der beruflichen Weiterbildung und weiteren Arbeitsmarktinstrumenten vorsieht,

*(Mittel der eingesparten Sozialhilfe, Kommunales Beschäftigungsprogramm, Landesprogramm ASS (Arbeit statt Sozialhilfe) und ESF, Dortmunder Dienste);Quelle: Küpper, 2004 Folie 9, S. 6

Quelle: Küpper, U. I. (2004): Vortragspapier Arbeitsmarktforum Dortmund, o.O., o.J., S. 2 (Dortmund, Feb. 2004) Folie 2

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insgesamt für Dortmund -26 Mio. €. Das entspricht einer Verminderung um ¼ des Gesamtbudgets gegenüber dem Vorjahr“ (Küpper, 2004, ebenda, S. 9). Ein „Nebeneffekt“ dieser radikalen Kürzungen der BA und auch von Landespro-grammen besteht darin, dass viele eingespielte und hoch qualifizierte Träger der Arbeitsmarktpolitik Entlassungen aussprechen bzw. ganz verschwinden. Damit wird ein Erfahrungspotential vernichtet, das selbst im Falle einer (derzeit nicht absehbaren) Reform der „Reformen“ nicht einfach wieder aktivierbar sein wird. 14. EU-Strukturpolitik: Dortmund als Schwerpunkt im Ruhrgebiet Dortmund hat im Vergleich mit anderen Ruhrgebietsstädten im Rahmen des NRW-EU-Ziel 2-Programms 2000-2006 sehr erfolgreich Projektmittel einge-worben. Tabelle 7: Alle bisher akzeptierten Projekte (2000-April 2004) Von EU (1000€) Gesamt Invest (1000€) Dortmund 69.000 242,400 Bochum 34.700 93.200 Essen 25.200 75.100 Duisburg 51.000 146.400 Oberhausen 16.900 87.500 Kreis Unna 4.800 43.800 Darunter (Gesamtsummen in Mio. €) Dortmund Duisburg Essen Bochum 1.1. Zuschüsse zu

gewerblichen Investitionen

63,9 36,1 8,3 13,9

2.1 Technologie+ Innovationen

35,4 17,2 6,8 10,4

2.5 Medien + Kom-munikation

10,2 - - 1,0

3.1 Standortentwick-lung (Gewerbe, Dienstl.)

15,2 38,2 26,7 9,6

3.3 Technologietrans-fer, Qualifizie-rung

110,9 37,0 28,1 1,0

Wenn das politische Ruder in Berlin und in den anderen Hauptstädten der EU-Nettobeitragszahler nicht noch herumgerissen wird, wird die Ziel-2 Förderung für das Ruhrgebiet und andere westeuropäische Krisenregionen in der neuen Rechnungsperiode 2007-2013 drastisch reduziert werden, obwohl die Struktur-

Quelle: Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung Dortmund (2004) Tischvorlage zum AWBF am 17.03.04 zu Top 3.4 Ergänzende Unterlagen von GF Dr. Küpper zum TOP: Europäische Strukturförderung. Nach Angaben des dortmund-project sind von 200-2003 für 110 Projekte mit einem Gesamtvo-lumen von 243 Mio. € rd. 108 Mio. € Strukturförderhilfen nach Dortmund geflossen (Stadt Dortmund, 2004 a, S. 2).

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probleme noch lange nicht gelöst sein werden. Ursache ist die finanzpolitische Position der EU-Nettozahler (insbes. Deutschland, Frankreich und UK), den EU-Haushalt bei 1 Prozent des EU-BIP zu deckeln und nicht einmal dem Kom-missionsvorschlag zu folgen, der 1.14% vorsieht (Kommission der europäischen Gemeinschaften, 2004a). Dass diese Haltung makroökonomisch kontraproduk-tiv ist, wird in Kap. I.2 und III.1/2 gezeigt. Vgl. auch: Etxezarreta, M./Grahl, J./Huffschmid, J./Mazier, J. u. a.(2004). In diesem Falle würden die Regional-mittel größten Teils in die neuen Mitgliedsländer fließen und in den westeuropä-ischen Ziel-2-Regionen lediglich Auslaufprogramme zu erwarten sein. 15. „Unsichtbare“ Strukturpolitik Die Qualität der Schul- und Berufsausbildung spielt eine zentrale Rolle für die Beschäftigungsfähigkeit insbesondere der nachwachsenden Generationen. Zwar macht die folgende Grafik deutlich, dass auch die Arbeitslosigkeitsquoten der Hochqualifizierten deutlich von der Konjunkturentwicklung abhängen und somit eine gute Bildungspolitik nicht Ersatz für eine gute Konjunkturpolitik sein kann. Völlig klar ist jedoch, dass gute Bildungsvoraussetzungen unter sonst gleich bleibenden Bedingungen die Beschäftigungschancen eindeutig erhöhen (vgl. hierzu auch diverse IAT-Studien und die folgende IAB-Grafik zum Zu-sammenhang von Bildungsabschluss und Arbeitslosigkeit (Abb. 12)).

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Abbildung 12:

Quelle: IAB-Kurzbericht (IAB, Nürnberg) Die Stadt Dortmund hat mit ihrem Schulsanierungsprogramm ab 1999 auf die bauliche Komponente der Bildungsmisere reagiert und bis 2004 ca. 100 Mio. € in den Schulneubau und die Asbest- und PCB-Sanierung gesteckt (WR, 12.5.04). Allerdings sind allein für die Roh-Sanierung der Berufskollegs ca. weitere 40 Mio. € erforderlich. Im Vergleich zu den unter 18. diskutierten Pro-jekten wäre es allemal sinnvoller, die Investitionen in das Bildungswesen voran-zutreiben. Die Stadt Dortmund hat zudem für die Ausweitung des ganztägigen Schulangebots vergleichsweise die meisten Anträge in NRW gestellt und weitet somit ihr Angebot zügig aus. 16. „Lokale Konjunkturprogramme“ besonderer Art: 3do und B1-

Untertunnelung Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Steinbrück bezeichnet in einer Beilage der Westfälischen Rundschau vom 30.3.04 die geplante Bahnhofsüberbauung in Dortmund (3do), deren Baubeginn sich aber immer wieder verzögert, als „loka-les Konjunkturprogramm“. Derzeit wird das Investitionsvolumen dieses Projekts mit ca. 550 Mio. € gehandelt, also bei einem Beschäftigten-jahr/Auftragsvolumen von 50.000 € entsprechend 11,000 Beschäftigtenjahre,

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einschließlich der Multiplikatoreffekte ca. 22.000 Beschäftigtenjahre – alles bezogen auf die auf 3-4 Jahre zu schätzende Bauphase. Die öffentlichen Zu-schüsse sollen sich auf ca. 130 Mio. € belaufen. Angeblich werden in dem Ge-samtkomplex dann ca. 4000 Arbeitskräfte beschäftigt sein. Natürlich wird in der Bauphase das örtliche und regionale Bau- und Ausbaugewerbe entsprechend belebt, sofern seine Unternehmen als Auftragnehmer zum Zuge kommen und die Arbeitskräfte nicht hauptsächlich von dubiosen Sub- und Nachunternehmen gestellt werden. Unter sonst gleich bleibenden gesamtwirtschaftlichen Rahmen-bedingungen, insbesondere der anhaltenden Schwäche der Konsumnachfrage, wird sich allerdings der Einzelhandels- und freizeitwirtschaftliche Umsatz in Dortmund nicht wesentlich erhöhen, sondern es wird lediglich der Verdrän-gungswettbewerb intensiviert. Es wäre dann also mit zahlreichen zusätzlichen Geschäftsaufgaben im Rest der City und in den Stadtbezirken zu rechnen. Für neue Großprojekte wie die Bebauung des Union-Geländes auch mit Einzelhan-delsflächen könnte die Bahnhofsüberbauung somit eine schwere Hypothek wer-den (und vice versa). Aus dem Landestopf für die Förderung des Schienenver-kehrs werden zudem enorme Mittel für 3do gebunden, auf Kosten der Sanierung zahlreicher kleiner Bahnhöfe (Beispiel Hörde). Programme mit ähnlicher Beschäftigungswirkung in der Bauphase sind die In-vestitionsprojekte zur Vorbereitung der Fußball-WM 2006, der sechsspurige Ausbau der A-40/B1 vom Autobahnkreuz Dortmund-West bis zur Wittekind-straße, darin enthalten der Neubau der Schnettgerbrücke und schließlich die Un-tertunnelung der B1, Projekte, die insgesamt mit etwa 400 Mio. Euro anzusetzen sind. Die positiven Beschäftigungseffekte dieser Projekte während der Bauphase sind sicherlich unbestritten, während die Sinnhaftigkeit, inbesonders des B1-Tunnels, ernsthaft zu bezweifeln ist, angesichts der Tatsache, dass die Energie-preissteigerungen eine deutlich stärkere Verlagerung der Verkehrsinvestitionen in Richtung Umweltverbund verlangen.

17. Die Last der Krise der Kommunalfinanzen in Dortmund In den Jahren 1999 und 2000 war der kommunale Verwaltungshaushalt in Dortmund nach einer langen Periode hoher Defizite ausgeglichen. Mit der Gründung des Sondervermögens Wohnbauflächen im Jahre 1999, das wie das Sondervermögen Technologiezentrum Dortmund einen Nebenhaushalt darstellt, hatte sich die Politik zwar „Gestaltungsspielraum“ geschaffen, der mithalf, zu-fällig (?) rechtzeitig zu den Kommunalwahlen einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können. Verglichen mit dem ab 2001 explodierenden Defiziten war dies aber in der Tat noch eine sehr entspannte Lage. Im Jahr 2002, in dem der Doppelhaushalt für die Jahre 2003 und 2004 vorbereitet und beschlossen wurde, waren die folgenden Defizite für die Jahre 2002 bis 2007 prognostiziert worden:

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Tabelle 8a: Geschätzte Haushaltbudgets (Verwaltungshaushalt) und Defizite der Stadt Dortmund (2002-2007) in Mio. € Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Ausgaben 1.471 1.535 1.630 1.652 1.659 1.663 Defizit 116,8 189,2 253,6 261,9 269,7 258,8 Defizit in % des Budgets

7.9 11.8 15.6 15.9 16.3 15.6

Die Hauptursachen für diese schlechte Entwicklung liegen erstens im Wegbre-chen der Steuereinnahmen, insbesondere der Unternehmenssteuern (Körper-schaftssteuer und Gewerbesteuer vgl. Abb. 13 und Tab. 8d, 4.), als Resultat der Unternehmenssteuerreform aus dem Jahre 2000, zweitens in der Stagnation der Wirtschaft seit der 2. Jahreshälfte 2000, die die Steuereinnahmen generell unter die erwarteten Einnahmen sinken ließ (vgl. ebenfalls Abb. 8 und Tab. 7d, 4. ), und schließlich drittens im Ansteigen der Ausgaben insbesondere für die Sozi-alhilfe als Folge der gestiegenen Arbeitslosigkeit. Das Haushaltssicherungskonzept der Stadt Dortmund vom Januar 2002 sah ne-ben Minderausgaben von 10 Mio. € in 2003, 20 Mio. € in 2004 und 30 Mio. € in 2005, 40 Mio. € in 2006 und 50 Mio. € in 2007 Mehreinnahmen bzw. Entlas-tungen in Höhe von 102 Mio. € vor (60 Mio. € p.a. aus der kommunalen Fi-nanzreform + konjunkturelle Verbesserung ab 2005 und 42 Mio. € p.a. ab 2004 als Einspareffekt aus der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II). Der „originäre Fehlbedarf“ sollte daher bis 2007 auf Null reduziert werden (Tab. 8b, Spalte 8).

Tabelle 8b: Haushaltssicherung 2003 bis 2007 – Verwaltungshaushalt- Ratsbe-schluss vom 19.12.02 (in Mio. €) Jahr Fehl-

bedarf Darin Fehl- bedarfe aus Vorjahren

Gemeinde- finanz- refom incl. Konjunktur verb.

Infra-struktur- revision

Steuer- vergünsti- gungs- abbaugesetz

Alo.-Geld II

Originä-rer Fehl-bedarf

1 2 3 4 5 6 7 8 2002 116,8 0,0 0,0 0,0 116,8 2003 213,6 56,3 0,0 0,0 4,0 157,3 2004 224,1 116,8 0,0 0,0 10,0 42,0 107,3 2005 239,9 213,6 60,0 30,0 19,0 42,0 26,3 2006 241,2 224,1 60,0 40,0 20,1 42,0 17,1 2007 239,9 239,9 60,0 50,0 21,2 42,0 0,0 Summe 180,0 120,0 74,3 168,0 424,8 Quelle: Stadt Dortmund, Kämmerei (20.1.2004): Ergebnisse und Auswirkungen Vermittlungs-ausschuss Hartz IV, S. 4

Ein Jahr später ist die große Ernüchterung bezüglich der Kommunalverträglich-keit der „Reformen“ eingetreten. Wie die Tabelle 8c ausweist, wird sich der neue „originäre Fehlbedarf für 2007 immer noch auf 75,6 Mio. € belaufen. Der akkumulierte „originäre Fehlbedarf“ für die Periode 2002 bis 2007 wurde 2002 auf 424,8 Mio. € geschätzt, im Januar 2004 dagegen bereits auf 645,7 Mio. €. Die Verschuldungslage der Stadt wird sich also drastisch verschlechtern.

Quelle: Stadt Dortmund (2002), Drucksache 02683-02, 3.5.02

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Tabelle 8c: Haushaltssicherung 2003-2007 – Verwaltungshaushalt – Neukalku-lation der Haushaltssicherungsmaßnahmen (Januar 2004) in Mio. € Jahr Fehl-

bedarf H-Plan 2003/ 2004

Darin Fehl- bedar-fe aus Vor- jahren

Bish. Origi-närer Fehl-bedarf

Bereits Enthalt- ene Ver-besser-ungen

Bishe-riger Fehl-bedarf (Sp.4+5)

Grund-steuer-änder-ung

Infra-struk-tur-revisi-on

Verb. Tarif Und Besol-dung

Neuer Originä-rer Fehlbe-darf

1 2 3 4 5 6 7 8 11 13 2002 50,6 0,0 50,6 0,0 50,6 0,0 0,0 0,0 50,6 2003 213,6 56,3 157,3 4,0 161,3 0,0 0,0 2,2 155,1 2004 157,9 116,8 107,3 52,0 159,3 -2,3 0,0 10,6 148,1 2005 239,9 213,6 26,3 151,0 177,3 7,4 30,0 11,1 116,9 2006 157,9 224,1 17,1 162,1 179,2 16,5 40,0 11,1 99,4 2007 239,9 239,9 0,0 173,2 173,2 23,1 50,0 11,1 75,6 ∑ 44,7 120,0 46,1 645,7 Quelle: Stadt Dortmund, Kämmerei (20.1.2004): Ergebnisse und Auswirkungen Vermittlungs-ausschuss Hartz IV, S. 5 Tabelle 8d: Stadt Dortmund Haushaltskennzahlen 2003 Einnahmen € Ausgaben € Fehlbedarf € 1.Verwaltungshaushalt 1.340.913.300 1.554.507.000 213.593.700 2. Vermögenshaushalt 249,912.500 249.912.500 0 3. Insgesamt 1.590.825.800 1.804.419.500 213.593.700 Verpflichtungserm. 95.287.000 --------------------------- -------------------- -------------------- ------------------ Schuldenstand 2003 973.035 T€ Pro Kopf:

1.651,34 €

Schulden der Sonder-vermögen (ohne Kli-niken)

177.337 T€

2003 (Mio. €) 2002 (Mio. €) +- in % zu 2002

4. Steuereinnahmen 399,4 448,6 - 10,97 5. Schlüsselzuw. 297,7 342,8 - 13,16 6. Personalausgaben 316,0 306,7 + 3,03 7. Sozialleistungen 243,3 219,3 +10,94 8. Investitionen 161,8 176,5 - 8,33 9. davon Bauinv. 113,7 129,5 - 12,2 Quelle: Stadt Dortmund, Stadtkämmerei (2004): Rechenschaftsbericht zur Jahresrechnung für das Haushaltsjahr 2003, S. 3 und S. 5, eigene Zusammenstellung

Da sich die beiden finanzpolitischen Hoffnungskomponenten Finanzreform und Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II im Verlauf der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses im Dezember 2003 als unrealistisch herausgestellt haben, ist das Haushaltssicherungskonzept der Stadt vom Regierungspräsidenten bis Ende 2004 nicht genehmigt worden.

Da sich an der Berliner Wirtschafts- und Finanzpolitik in Jahre 2004/05 nichts Grundlegendes änderte, waren für die Zeit nach den Kommunalwahlen im Sep-tember 2004 eigentlich weitgehende Konsolidierungsbeschlüsse zur Haushalts-politik zu erwarten, die alle vorhergehenden Sparbeschlüsse weit in den Schat-ten gestellt hätten. Aus zwei Gründen ist dies bislang (Sept. 2005) aber nicht

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eingetreten: Erstens haben Kommune und Land mit Blick auf die Landtagswah-len im Mai 2005 davon Abstand genommen, ebenso die neue Landesregierung mit Blick auf die Bundestagswahlen am 18.9.05. Zweitens wird die Stadt Dort-mund ab. 1.1.2006 auf das Neue Kommunale Finanzsystem umstellen. Die Er-öffnungsbilanz hat dabei noch beträchtliche Rücklagen aufgedeckt, die wahr-scheinlich für die nächsten 2-3 Jahre formelle Haushaltssicherungskonzepte unnötig werden lassen. Ob mit der Einbringung des Nachtragshaushalts 2005 (2,1 Mrd. €) und des ersten Haushaltsplans der neuen Regierung in Düsseldorf für 2006 die im Wahlkampf angekündigten drastischen Einschnitte tatsächlich wahr werden, ist zwar wahrscheinlich, wird sich aber noch zeigen. Dies würde dann aber die Konjunktur noch weiter belasten und nichts daran ändern, dass die Verschuldung des Landes und der Stadt weiter schnell steigen wird. Aus eigener Kraft können die Stadt Dortmund (und mit ihr alle anderen Städte) sowie das Land NRW bei sonst gleich bleibenden gesamtwirtschaftlichen Bedingungen unter keinen Umständen aus der Schuldenfalle herausfinden8 (RVR 2005).

Abbildung 13: Unterschiedliche Schätzungen des kommunalen Steueraufkom-mens vom Mai 2000 bis Mai 2004

Kommunale Steuereinnahmen (Mrd €)

45

50

55

60

65

70

75

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Mai 00

Mai 01

Mai 02

Mai 03

Mai 04

Quelle: Busch, M. (2002): Gemeindefinanzen – Hoffnung durch Reformen? In: Alternative Kommunalpolitik, Heft 4/2002, im Mai 2004 aktualisierte Version (Mitteilung des Autors) 18. Politik und Planung in Dortmund im Zeichen des Strukturbruchs In den Zeiten des radikalen Strukturwandels hat sich mit zeitlicher Verzögerung auch die politische Struktur und Kultur verändert (vgl. für das Ruhrgebiet insge-samt Bömer, 2000, Kap.3.4). Es hat sich aber keineswegs ein starkes und stabi-les bürgerliches Lager herausgebildet. Kennzeichnend ist zwar, dass von Mitte der 90er Jahre bis 2004 die IHK von einem Software-Unternehmer (Materna) geführt wurde, der einerseits den Modernisierungskurs der Dortmunder Wirt-

8 Wie unrealistisch die finanzpolitischen Erwartungen der rot-grünen Landesregierung in den letzten beiden Legislaturperioden waren, kann man den folgenden Zahlen entnehmen. Im Koali-tionsvertrag von 1995 war festgelegt, dass die Nettoneuverschuldung des Landes von 5 Mrd. DM im Jahre 1995 auf eine Mrd. DM im Jahre 2000 zurückgeführt werden sollte. Im Jahre 2005 wird das Defizit einschließlich des Nachtragshaushalts jedoch ca. 7,3 Mrd. €, also etwa die 14-fache Summe betragen. Angesichts dieser Zahlen ist es auch völlig unrealistisch, innerhalb der nächsten 10 Jahre einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können, ein Versprechen des neuen Ministerpräsidenten Rüttgers.

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schaftspolitik voll mit trug und mitgestaltet hat, andererseits in seinen allgemei-nen wirtschafts- und sozialpolitischen Einlassungen ein typischer Vertreter der New Economy war (gewerkschaftsfeindlich, sozialstaatsfeindlich, usw.). Die Parteienlandschaft hat sich aber – ebenfalls mit zeitlicher Verzögerung - der neuen Wirtschafts- und Sozialstruktur nicht eindeutig angepasst. Die SPD hat zwar bereits 1999 die Jahrzehnte alte absolute Mehrheit im Kommunalpar-lament verloren und nur noch die selbe Anzahl von Ratssitzen wie die CDU errungen, während Bündnis90/Die Grünen auf 8 Sitze kam. Bei der ersten direk-ten OB-Wahl setzte sich 1999 im zweiten Wahlgang mit Unterstützung der Grü-nen Dr. Langemeyer (SPD) gegen den rechtspopulistischen Unternehmer und Quereinsteiger Dr. Geers durch. Der OB steht für das Konzept der Modernisie-rung und des „Neuen Dortmund“ und wurde bzw. wird hierin – von einigen nicht unwichtigen Konfliktthemen (Bahnhofsüberbauung, Straßenbau, Expansi-on des Messezentrum, Konzerthaus) abgesehen – bis 2004 von allen Ratsfrakti-onen gestützt. Bei den Europawahlen 2004 fiel die SPD von 47,3% auf ca. 33,2% zurück, die CDU verlor leicht (von 34,7 auf 33,4) und lag etwa gleich auf mit der SPD, während Bündnis 90/Die Grünen ihren Anteil von 8,9 auf 15% ausbauen konnten. Bei den Kommunalwahlen (Sept. 2004) erreichte die SPD 41,3%, die CDU 32,7% sowie die Grünen 11,5%, die FDP 3,8% und die PDS 2,8%. Bei den Landtagswahlen (Mai 2005) erzielte die SPD 37,1%, die CDU 44,8%, die FDP 6,2%, die Grünen 6,2% und die WASG 2,2%. Ganz offensicht-lich war auf der Landesebene weitgehend die Bundespolitik (Agenda 2010, Hartz IV, 5 Mio. Arbeitslose im Winter 2004/2005) für den Absturz der SPD verantwortlich, während die CDU und B90/Die Grünen für diese von ihnen e-benfalls mit zu verantwortende Politik nicht (bzw. höchstens mit einer insgesamt niedrigen Wahlbeteiligung) abgestraft wurden. Somit konnte die CDU in NRW erstmals seit über 40 Jahren wieder Regierungspartei werden, während im Rat der Stadt Dortmund die CDU einen herben Rückschlag erlitt und die SPD und die Grünen zum ersten Mal eine Koalition gebildet haben. OB Langemeyer wurde im 2. Wahlkampf mit 62,5% erneut im Amt bestätigt (1. Wahlgang: 48,1 gegenüber 33,4% für den CDU-Kandidaten Hengstenberg). Bei den denkwürdigen Bundestagswahlen vom 18.09.05 stürzte die CDU in Dortmund hingegen gegenüber den Landtagswahlen wieder weit auf 24,9 % (2002: 25,0) ab, während die SPD knapp die absolute Mehrheit verfehlte (49,4) (53,1), die Grünen 9,3 (10,3), die FDP 7,4 (7,4) und die Linkspartei 6,4% (-,-) verbuchten. Mit der im Wahlkampf wieder entdeckten Rhetorik der sozialen Gerechtigkeit konnte die SPD also in Dortmund ihre Position gegenüber 2002 knapp behaupten, während das Programm Neoliberalismus pur (Kirchhof) der CDU und der FDP hier nicht punkten konnte. Im Bereich der sachorientierten Wirtschaftsförderungspolitik haben bis 2004 die drei Ratsfraktionen im Wesent-lichen gemeinsam alle wichtigen Projekte, insbesondere das dortmund-project sowie die Expansion der Technologiezentren, mitgetragen. Planungspolitik: Der strukturelle Umbruch der Wirtschaft wird seitens der politischen Führung, des Kommunalparlaments und der Stadtverwaltung mit einer riesigen Kraftan-strengung im Bereich der Wirtschaftsförderung- und Planungspolitik beantwor-tet. Im Bereich der Planung hat der Thyssen-Krupp-Rückzug ca. 800 ha Brach-

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fläche hinterlassen (Phoenix West und Ost, Westfalenhütte, Halde Ellinghausen und eine Vielzahl von kleinen Flächen), die von der Stadt und Thyssen-Krupp mit Hilfe des Landes und der EU in nie erlebter kurzer Zeit in wieder zu nutzen-de Flächen (Sonderflächen für Hochtechnologie und Logistik, Grünzüge, Phoe-nix-See und Wohnflächen) umgewandelt werden. Zugleich wurde ein neuer Flächennutzungsplan (FNP) aufgestellt und im Sept. 2004 verabschiedet, und für die die verschieden Fachplanungen (Wirtschaftsflächen, Wohnen, Einzel-handel, Umwelt und Verkehr) sind Masterpläne, ein informelles Planungsin-strument, entwickelt und auch öffentlich intensiv kommuniziert worden. Theo-retisch gesprochen handelt es sich insgesamt aus meiner Sicht um eine Renais-sance der Entwicklungsplanung als strategischer Entwicklungsplanung mit star-ken Kooperationsbeziehungen zwischen der Stadt, den städtischen Töchtern (Stadtwerke AG) und privaten Unternehmen, insbesondere mit Thyssen-Krupp.

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III. Deutschland und Dortmund im internationalen und inner-deutschen Vergleich Wie bereits in Abschnitt I. diskutiert wurde, ist es der Stadt im Zusammenwir-ken mit dem Land und der EU ungeachtet der Tatsache, dass auch sehr proble-matische Projekte verfolgt werden (Kap. II Ziff. 16), zwar gelungen, neue wirt-schaftliche Leitsektoren zu entwickeln. Das Grundproblem, die Persistenz der Massenarbeitslosigkeit, ist aber ungelöst. Meiner Meinung nach kann dies mit kommunal- und regionalpolitischen Mitteln allein auch gar nicht bewältigt wer-den. Im folgenden Kap. III werden daher noch einmal die makroökonomischen Rahmenbedingungen, der Vergleich der Lage Dortmunds mit der anderer Städte, und einige politische Konsequenzen diskutiert. 1. Zunehmende Isolierung der deutschen Wirtschaftspolitik In Ziffer I. 2 wurde die makroökonomische Selbstblockade der EU durch den Maastricht-Vertrag und den Stabilitäts- und Wachstumspakt erwähnt. Internati-onal sind dieser EWU-´Stabilitätsfetischismus´ und insbesondere die deutsche Position zur makroökonomischen Politik allerdings bereits ziemlich isoliert. Der Mainstream z.B. der Ökonomen in den USA und in GB wird durch den Post-Keynesianismus oder zumindest durch den Neu-Keynesianismus (Truger, 2003) bestimmt und nicht durch die in Deutschland und den EWU-Ländern hegemoni-ale neoklassische und monetaristische Politik des Primats der Preisstabilität und Haushaltskonsolidierung (EZB- und Bundesbank-Position). Der Neu-Keynesianismus besagt knapp zusammengefasst, dass in der kurzen Frist (die mehrere Jahre umfasst) die Konjunkturpolitik (und nicht die „Strukturreformen“ auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialsystem!) einen wesentlichen Teil der Mas-senarbeitslosigkeit bekämpfen kann, wenn sie (wie derzeit in den USA und – modifiziert - in GB) in der Krise antizyklisch expansiv wirkt (Fiskal- und Geld-politik) und bei einem gerade beginnenden Aufschwung nicht schon wieder kräftig auf die Konsolidierungsbremse tritt. Die Lösung der (aus meiner Sicht vermeintlichen) Strukturprobleme des Arbeitsmarktes (das vermeintliche „An-spruchsdenken“, zu geringe Flexibilität, zu hohe Lohnersatzleistungen) kann aber in keinem Falle diese kurzfristig notwendige Expansionspolitik ersetzen. Faktisch erhöht sich die tatsächliche Arbeitslosigkeit, wenn - wie in der Agenda 2010 - an der Stellschraube „Strukturprobleme“ und „Senkung der Lohnneben-kosten“ gedreht wird. Die gesamtwirtschaftliche Stagnation, die nachträgliche Erhöhung der Haushaltsdefizite und der Lohnnebenkosten ist somit Folge dieses strategischen Ansatzes und wird seit 2001 zum Dauerzustand (vgl. z.B. das Memorandum 2005 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 2005 (www.memo.uni-bremen.de) sowie Hein/Horn/Tober/Truger, 2005). 2. Vergleichsregionen in Westeuropa entwickeln sich besser Wie die Tabelle A1 im Anhang zeigt, entwickeln sich in den Ländern, die eine neu-keynesianische Wirtschaftspolitik verfolgen und die folglich eine dynami-schere Entwicklung der Gesamtwirtschaft zu verzeichnen haben, auch die Kri-senregionen wesentlich besser als in Deutschland. Insbesondere die Region

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Merseyside im Nord-Westen Englands, die über Jahrzehnte als die altindustrielle Krisenregion schlechthin galt (in den 80er Jahren mit Arbeitslosenquoten über 25%!) und die daher ab 1993 Ziel-1-Region der EU wurde, hat seit Mitte der 90er Jahre ihren Abstieg stoppen können. Gute gesamtwirtschaftliche Daten in Großbritannien plus eine hohe Regionalförderung plus eine Modernisierung der Strukturpolitik in der Region haben ihre positive Wirkung also nicht verfehlt. (Allerdings ist die Datenlage für Tabelle A 1 nicht sehr günstig. Für Dortmund werden in der EU-Statistik die Daten des Regierungsbezirks Arnsberg zu Grun-de gelegt, also die tatsächliche Entwicklung sogar noch positiv überzeichnet.) 3. Der Städtevergleich in Deutschland Er zeigt, dass sich die Stadt Dortmund seit Ende der 90er Jahre teilweise ver-gleichsweise gut entwickeln konnte. Tabelle 9: Entwicklungsindikatoren im Städtevergleich 1996-2004

Jahr Dort-mund

Duis-burg

Bo-chum

Köln München Essen Düssel-dorf

BIP pro Erwerbstäti-gen 1996 2002

51.153 57.707

52.375 56.007

55.049 55.926

63.005 64.885

64.519 69.835(01)

59.344 60.144

71.449 79.858

Arbeitslo-senquote 2000 2004

14% 15,4%

13,3% 14,3%

11,3% 12,4%

10,8% 11,9%

4,8% 6,6%

11% 12,2%

9,6% 9,9%

Einwohner 1998 2004 (30.6)

591.733 587.965

523.311 505.332

393.236 388.650

962.580 966.391

1.188.897 1.264.309(03)

603.194 588.428

568.440 571.150

Sozialvers. Beschäftigte 1998 2000 2004

186.453 197.214 191.801

156.741 158.461 154.292

131.813 135.508 124.902

430.399 457.875 439.882

632.982 676.147 694.559(03)

214.614 221.015 206.494

336.841 348.980 333.561

Quelle: dortmund-project, 2005, S. 61f Abb. 4 und Tab.9 lassen somit erkennen, dass die Vergrößerung des relativen Rückstandes in Dortmund seit dem Jahre 1999 zum Stillstand gekommen zu sein scheint. In neueren Veröffentlichungen des zunehmend beliebten Städte-Ranking wird dies teilweise ebenfalls bestätigt (Tab. 10). Diese Übersicht zeigt, dass Dortmund in der Beurteilung der Dynamik besser abschneidet als in der Niveaubeurteilung. Allerdings müsste die Plausibilität vieler Einzelindikatoren geprüft werden, so z.B. die Dynamik der Kommunalfinanzen in Gelsenkirchen, die besser als in Dortmund bewertet wird und ähnliches. Man sollte zudem nicht vergessen, dass die Auftraggeber dieser Studie (die Zeitschrift „Wirtschaftswo-che“ und die marktradikale Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“) mit derar-tigen Studien ein klares Ziel verbinden: die Intensivierung der Konkurrenz zwi-schen den Städten und die immer weiter gehende Auflösung solidarischer Struk-turen auf der Bundes- und Länderebene (z.B. die Schwächung des Länderfi-nanzausgleichs sowie des kommunalen Finanzausgleichs auf der Länderebene) und der Ebene der Sozialpartner: sprich sie fördern einen Kostensenkungswett-lauf, der sich bruchlos in eine tendenziell deflationär wirkende Gesamtpolitik

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einfügt. Der BIP-Wert pro Beschäftigten (Tab. 9) sagt noch nicht unbedingt viel über die Kaufkraft der jeweiligen Stadt aus, weil die Wirtschaftsstrukturen und Erwerbsquoten sehr unterschiedlich sind, z.B. zwischen den Ruhrgebietsstädten und Düsseldorf oder München. Das verfügbare Einkommen der privaten Haus-halte z.B. lag 2003 in Dortmund pro Kopf mit 15.612 € nur auf Platz 49 von 54 NRW-Städten (Landesdurchschnitt: 17.747 €, Düsseldorf: 20.176 €), was zu einem großen Teil sicherlich mit der hohen Arbeitslosigkeit und der geringen Erwerbsquote zu erklären ist. Die Jahreslöhne und –gehälter pro Beschäftigten lagen 2003 in Dortmund bei durchschnittlich 34.979 € und damit etwa auf glei-chem Niveau wie Essen und Duisburg, in Köln dagegen bei 38.172 €. Nach ei-ner von der Gesellschaft für Konsumforschung vorgelegten Untersuchung lag zudem der Anteil von Haushalten, die über mehr als 4000 € Monatseinkommen (netto) verfügten, in Dortmund bei 13,7%, in Essen bei 11,7%, in Köln bei 14,7% und in München bei 22,9 und Stuttgart bei 24,4%. Tabelle 10: Städte-Ranking der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ München Düssel-

dorf Essen Dort-

mund Gelsenkir-chen

Berlin Leipzig

Rang Gesamt 1 5 25 27 41 48 49 Niveauranking Wohlstand 1 5 18 32 39 43 50 Arbeitsmarkt 1 7 25 41 44 49 47 Standortqualität 3 1 16 42 50 48 44 Wirtschaftsstruktur 3 2 13 25 42 29 37 Sozialstruktur 1 36 33 34 39 49 48 Kommunalfinanzen 24 1 30 29 26 40 48 Gesamtniveau Rang

1 4 30 28 42 47 49

Dynamikranking Wohlstand 3 21 20 17 34 45 48 Arbeitsmarkt 26 9 25 22 41 46 47 Standortqualität 31 3 26 12 13 34 23 Wirtschaftsstruktur 10 8 38 4 6 45 23 Sozialstruktur 15 34 43 28 48 14 29 Kommunalfinanzen 26 6 40 28 20 36 29 Gesamtrang Dy-namik

13 11 29 16 36 49 48

Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 17/15.4.04,S.25; eigene Zusammenstellung Auch die jüngste Bevölkerungsprognose des LDS NRW bestätigt, dass die Stadt Dortmund sich teilweise von dem noch Ende der 90er Jahre vermuteten beson-ders negativen Trend abkoppeln zu können scheint (LDS, 2004). Während in der LDS-Prognose von 1999 für den Zeitraum 1995 bis 2015 noch ein Verlust von 11,8% (für den KVR insgesamt 7,3%) unterstellt wurde (Bömer, 2000, S. 42), geht die neue Prognose für Dortmund nur von minus 1,2% von 2002 bis 2020 (von 589.200 auf 582.000) und für den Kreis Unna von einem starken Wachs-tum (+ 49.000 (1999er Prognose: + 11.300 gegenüber 1995)) aus (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 15.4.04 WRG1). Diese Wendung des Landesamtes für Sta-tistik und Datenverarbeitung, die mir allerdings insgesamt zu optimistisch zu sein scheint, hängt sicherlich mit drei Faktoren zusammen: erstens hat Dort-mund durch seine offensive Wohnflächenausweisung auch für freistehende Ein-familienhäuser die Umlandwanderung gestoppt. Dies wurde möglich, weil Dortmund aufgrund seiner flächenmäßigen Größe im Gegensatz etwa zu den Städten Essen und Bochum in der Lage ist, die Suburbanisierung innerhalb der

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eigenen Stadtgrenzen zu gestalten. Zweitens hat die offensive Wirtschaftsförde-rungs- und Stadtpolitik eine Art „Aufbruchstimmung“ erzeugt, die den relativen Abwärtstrend der Beschäftigungsentwicklung gestoppt hat (s.o. Abb. 3). Drit-tens ist die Stadt Dortmund sowohl für Studierende als auch für Immigranten attraktiv. Die Struktur der Zuzüge zeigt allerdings, dass es bislang nicht zu dem vom dortmund-project angenommenen Zuzug von hochqualifizierten Beschäf-tigten der Leitbranchen IT, MST und Logistik gekommen ist. Alle drei Trends sind vom LDS erstmals voll berücksichtigt worden und erklären somit die deut-liche Korrektur der Prognosewerte. Die Beschäftigungsprognose von F.J. Bade (Universität Dortmund) für die Raumordnungsregionen aus dem Jahre 2003 bestätigt für den Raum Dortmund ebenfalls eine insgesamt günstigere Entwicklung, als aufgrund der Krise der 90er Jahre angenommen wurde (Bade 2003, siehe Karte A3 im Anhang). Aller-dings lassen all diese Prognosen nicht den Schluss zu, dass die überaus optimis-tischen Annahmen, die dem dortmund-project zu Grunde liegen (+ 70.000 Ar-beitsplätze im Zeitraum 2000-2010), eintreffen werden. 4. Politische Kurzschlussreaktionen und wachsender Rechtspopulismus

und Marktradikalismus Die Persistenz der Massenarbeitslosigkeit und Armut in Deutschland und spe-ziell in seinen Krisenregionen führt trotz der großen Erfolge der technologieori-entierten Strukturpolitik auch in Dortmund bei einigen Unternehmern und Poli-tikern, z. B. Mitgliedern des „Bürgerforums Phönix“, zur Radikalisierung nach Rechts im Sinne von: Schluss mit den öffentlichen Projekten; Privatisierung des kommunalen Tafelsilbers, Zerschlagung des „VEB“ Dortmund-Konzern, Ent-machtung der Gewerkschaften, radikale Lohnsenkung, Verlängerung der Ar-beitszeit ohne Lohnausgleich, Senkung der Lohnersatzleistungen, Verschärfung der Zumutbarkeit für Arbeitslose und damit faktisch die Einführung von Ar-beitszwang. Diese Position vertraten im Wahlkampf 2005 - wenn auch in unter-schiedlicher Radikalität - auch die Mehrheit der exponierten Ökonomen in der Bundesrepublik (SVR Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung, Bundesbank, EZB, die Mehrheit der führenden Wirt-schaftsforschungsinstitute und sonstige „Experten“ (Rürup, Altbundespräsident Herzog; Steuerexperte Kirchhoff usw.)) sowie die CDU/FDP-Opposition und mehrheitlich auch die Regierungsparteien in Berlin. In Dortmund forderte zeitweilig neben dem bereits erwähnten „Bürgerforum“ die FDP sowie auch der OB-Kandidat und CDU-Fraktionsvorsitzende Hengstenberg, der in der Phase der faktischen großen Koalition zwischen SPD und CDU alle wesentlichen lokalen wirtschaftspolitischen Beschlüsse (ein-schließlich des Doppelhaushalts 2003/2004), die in Kap. II beschrieben werden, mit getragen hatte, einen radikalen Kurswechsel. Die wesentlichen Bestandteile lauteten: Privatisierung des kommunalen Vermögens, Ausstieg aus der selbst mitentwickelten, innovations- und technologieorientierten Wirtschafts-förderungspolitik und Abschied von selbst mitinitiierten Großprojekten. Mehr oder weniger geschickt versuchte sich Hengstenberg dabei zu Nutze zu machen, dass die mit dem dortmund-project avisierten zusätzlichen Arbeitsplätze (+ 70.000 bis 2010) in der Tat völlig unrealistisch sind und z.B. das gigantomani-

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sche Projekt der Bahnhofsüberbauung 3do (vorher das „Ufo“ vgl. II.16) seit nunmehr fast 10 Jahren eine vernünftige Modernisierung des Hauptbahnhofs verhindert. Selbst die von mir geschätzten +15.000 bis 20.000 Arbeitsplätze in den neuen Leitsektoren bis zum Jahre 2010 setzen hingegen voraus, dass der in den Jahren 1999 bis 2004 begonnene Weg der Verstärkung der technologieori-entierten Wirtschaftsförderung konsequent fortgesetzt wird – Nachjustierungen und Zwischenevaluierungen natürlich nicht ausgeschlossen. Insofern ist die Kri-tik des CDU-Fraktionsvorsitzenden inkonsistent und unlogisch oder aber dema-gogisch. 5. Entbürokratisierung als Wachstumsmotor? Entbürokratisierung wird von allen Parteien und der Verwaltung als ein wesent-liches Instrument zur Verbesserung der kommunalen Wirtschaftsförderung und damit der Wirtschaftslage betrachtet. Dies ist aber ein durchaus zweischneidiges Schwert: einerseits ist es sinnvoll, wenn Ansiedlungs- und Erweiterungsanträge der Unternehmen zügig und aus einer Hand bearbeitet werden („Das schnelle Dortmund“ – vgl. hierzu die Einrichtung des vom Unternehmensberater Roland Berger mit konzipierten Dienstleistungszentrums Wirtschaft als one-stop-Kopfstelle für alle Unternehmensanfragen in der Berswordthalle im Rathaus). Andererseits ist dieses Argument und seine Instrumentierung immer auch dazu missbrauchbar, sinnvolle ökologische und sozial- und arbeitspolitische Regulie-rungen anzugreifen. Mit der Deregulierung der Ladenöffnungszeiten z.B. wurde ein Aufschwung des Einzelhandels und der Konsumnachfrage beschworen – das Gegenteil trat ein – nicht wegen der Öffnungszeiten, sondern wegen der be-schäftigungsfeindlichen allgemeinen Wirtschaftspolitik die die Binnennachfrage stagnieren lässt. Als Instrument zur Beschleunigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung taugt Entbürokratisierung allerdings überhaupt nicht. 6. Neue Opposition Gegen eine Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, die das oben skizzierte Versa-gen der Wirtschaft und der Politik als Versagen ihrer Opfer, nämlich als man-gelnde „Eigeninitiative“ mythologisiert, die man durch die Senkung der Lohner-satzleistungen und die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen anregen müs-se, ist eine neue Oppositionsbewegung unabdingbar, die sich auf den solide aus-gearbeiteten Post- bzw. zumindest den Neu-Keynesianismus in den angelsächsi-schen Ländern sowie u.a. auf die Vorschläge der Memorandumgruppe (www.memo.uni-bremen.de), auf das Konzept eines sozialökologischen New Deals (Bömer, 2000, Kap. 5), auf Ökonomen wie Peter Bofinger, Heiner Flass-beck usw. stützen kann. Dieser Ansatz soll hier abschließend knapp skizziert werden. 7. Skizze einer alternativen Entwicklungslogik Eine Reihe von großen Bauprojekten in Dortmund betrachte ich sehr kritisch (Kap. II.16). Neben der umweltpolitischen Kritik z.B. der geplanten B1 Unter-tunnelung ist angesichts der enormen Defizite im Schul-, Hochschul- und Be-

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rufsausbildungsbereich die Frage zu stellen, ob eine Umleitung dieser Mittel in den Bildungs- und Qualifikationsbereich langfristig nicht eine weitaus effektive-re strukturpolitische Wirkung haben wird. Natürlich setzt diese Mittelumleitung komplexe Veränderungen in der Steuerpolitik des Bundes und der Länder, näm-lich das stärkere Abschöpfen privat vagabundierenden Geldkapitals für gesell-schaftlich nützliche Zwecke sowie Veränderungen in der Ausgabenstruktur der öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen voraus. Diese Veränderungen sollten dann dem Leitbild eines Sozialökologischen New Deals erfolgen (vgl. hierzu Bömer, 2000, Kap. 5 und 6 und Arbeitsgruppe Al-ternative Wirtschaftspolitik (2001) insbes. Kap. 8 und 9). Kernbestandteile die-ses Konzepts sind eine Investitions- und Beschäftigungsoffensive in den Berei-chen Bildung, Qualifikation, FuE, Umwelt, Energieeinsparung, Gesundheit und öffentlicher Verkehr sowie die Fortsetzung der Politik der Verkürzung der Ar-beitszeit und der Durchsetzung eines neuen Normalarbeitsverhältnisses. Zur Finanzierung dieses Politikansatzes vgl. Bömer, 2000, Kap. 5.2. Exkurs: Zur Rolle der Staatsverschuldung – Kritik naiver Vorstellungen (siehe Textanhang 2) sowie die steuer- und finanzpolitischen Argumente in den Memoranden der AG alternative Wirtschaftspolitik (2004). Auch der nachfolgende Vorschlag des Bereichs Wirtschaftspolitik der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zielt in diese Richtung (Abb.14). Er geht ebenfalls davon aus, dass die (vergeb-lichen) Konsolidierungsbemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden in den letzten Jahren die öffentliche Investitionsquote dramatisch haben sinken lassen. Vorgeschlagen wird daher eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Investitio-nen. Diese würden sowohl die Beschäftigungslage als auch das Angebot an öf-fentlichen Dienstleistungen verbessern. Abbildung 14: Zukunftsinvestitionsprogramm

Zukunftsinvestitionsprogrammöffentliche Bruttoinvestitionen in Mrd. Euro und in Prozent des Bruttoinlandsprodukts

36 38 37 36 34 33 33 34 35

2030

3540

3639414647 46

2,3 2,1

1,9 1,9 1,9 1,8 1,71,6

2,5

2,93,0

3,2

2,7 2,8 2,9

0

10

20

30

40

50

60

70

80

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006–

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, ab 2003: eigene Schätzung und Forderungen von ver.di

Mrd. €Prozent des BIP

Zukunftsinvestitions-programm in Mrd. Euro

Öffentliche Bruttoinvesti-tionen in Prozent des BIP

Öffentliche Bruttoinvestitionen in Mrd. Euro

Quelle: ver.di Bundesvorstand, Bereich Wirtschaftspolitik, 2003, S. 7

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Anhang: Karte A1:

Quelle: dortmund-project (2004), S. 25 Karte A2: Masterplan Phoenix

Quelle: dormund.project 2004, S. 24

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Karte A3 :

Quelle: Bade (2004)

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Textanhang 1: (Frankfurter Rundschau, 5.6.2004)

Prof. (em.) Dr. Siegfried Katterle Dünenweg 13 33649 Bielefeld Tel. 0521/487232 e-mail: [email protected] 6. Mai 2004 Frankfurter Rundschau Redaktion 60266 Frankfurt/Main Leserbrief Markus Sievers: „Regierung rangelt um Subventionsabbau“, FR vom 5.5.04 Mario Müller: „Im Sinne Keynes“, FR vom 4.5.04 Interview mit Gustav Horn: „Defizit ist kein Maßstab mehr“, FR vom 4.5.04 Wie Markus Sievers berichtet, droht aufgrund der Konjunkturflaute ein Anstieg der Neuverschuldung des Bundeshaushalts, mit dem „Rot-Grün den Negativ-Rekord des früheren Finanzministers Waigel (CSU) brechen würde.“ Finanz-minister Eichel, die Regierungskoalition, die Wirtschaftsjournalisten und die un-verständige Mehrheit des Sachverständigenrats könnten aus diesen Erfahrungen lernen, dass eine Strategie der Haushaltskonsolidierung in Phasen konjunkturel-ler Flaute scheitern muss, weil sie die Binnennachfrage zusätzlich schwächt, die Unternehmererwartungen weiter destabilisiert und das eigene Konsolidierungs-ziel immer weiter verfehlt. Die Opposition hat aus diesen Erfahrungen ihrer Re-gierungszeit in den neunziger Jahren nichts gelernt, wie die Tiraden des Herrn Merz belegen. Die jetzige Bundesregierung scheint nach Mario Müller „entdeckt zu haben, dass es so etwas wie Konjunkturpolitik gibt“; sie ist aber immer noch unschlüs-sig, ob der Staat „eine entscheidende Rolle auf der gesamtwirtschaftlichen Büh-ne“ spielen kann und soll. Die nun schon langjährige Erfahrung sollte freilich lehren, „dass mit der bisherigen Vorgehensweise“, wie sie von Waigel bis Ei-chel praktiziert wurde und wird, „die ökonomischen Probleme hier zu Lande nicht zu lösen sind“ und dass es keinen Sinn macht, ständig an den Angebotsbe-dingungen - von den Ladenöffnungszeiten bis zu den Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose – herumzubasteln. Vielmehr wäre es ökonomisch sinnvoll, mit ge-planten Schulden der öffentlichen Haushalte ex ante Nachfrage, Produktion, Unternehmererwartungen und Beschäftigung zu stabilisieren, statt ex post mit ungeplanter Verschuldung Arbeitslosigkeit zu bezahlen und Einnahmeausfälle auszugleichen. Weil sie nicht zu einer aktiven Finanzpolitik zur Bekämpfung der Konjunkturflaute bereit waren und sind, schlitterte einst Waigel und schlit-tert heute Eichel mit einer falschen finanzpolitischen Strategie in ungeplante Verschuldung.

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Der von Gustav Horn angemahnte Strategiewechsel der Finanzpolitik ist also längst überfällig und kann sich auf erfolgreiche Beispiele eines geglückten Zu-sammenspiels von Finanz- und Geldpolitik sowohl der „Clintonomics“ in den USA wie bei der Bekämpfung der Rezession in Großbritannien in den neunziger Jahren stützen. Der Maastrichter Stabilitätspakt mit den ökonomisch unsinnigen Kriterien für die öffentliche Verschuldung hat seine Glaubwürdigkeit ebenso verloren wie die immer gleichen altväterischen Ordnungsrufe der Bundesbank unter ihren Präsidenten Tietmeyer und Welteke. Mit Recht hat der Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Solow den Maastrichter Pakt einen „Dinosaurier“ ge-nannt und geraten, „Deutschland sollte all seine Energie aufwenden, um diesen Vertrag loszuwerden.“ („Unnötig schmerzvoll“, DIE ZEIT vom 15.4.04). Was Europa braucht, ist ein Pakt für konjunkturelle Stabilisierung, qualitatives Wachstum und ökologische Erneuerung. (Prof. Dr. Siegfried Katterle)

Textanhang 2: (aus: Bömer, 2000, S. 218-220)

5.2.5 Exkurs: Zur Rolle der Staatsverschuldung - Kritik naiver Vorstellungen

Die Diskussion über die Rolle der Staatsverschuldung und die Zinsfalle spielt eine Schlüsselfunktion bei der Frage, welche makroökonomische Strategie zur Lösung der wirtschaftspolitischen Probleme der 90er Jahre in Europa hätte ein-geschlagen werden müssen und auch für die Zukunft relevant ist. Für den alter-nativökonomischen Ansatz des sozialökologischen New Deals (Kap. 5.2.4) ist ein fundamental anderes Verständnis der Rolle und der Möglichkeiten einer an Vollbeschäftigung orientierten Politik der Staatsverschuldung konstitutiv. Und auch den neokeynesianischen Ansatz zeichnet ein nüchtern-instrumentelles und nicht ideologisch aufgeladenes Verhältnis zum wirtschaftspolitischen Instrument der Staatsverschuldung aus (vgl. z.B. DIW, 1998a; Flassbeck, 1999a). Die theo-retische und politische Hegemonie der neoliberalen Sichtweise, die die Staats-verschuldung und die zu hohe Staatsquote neben der „Verkrustung der Arbeits-märkte” zur Hauptursache der Massenarbeitslosigkeit erklärt, hat in der zweiten Hälfe der 90er Jahre auch New Labour, die „Neue Sozialdemokratie” sowie Bündnis 90/Die Grünen in ihren Bann gezogen. Haushaltskonsolidierung wurde und wird auch in Krisenzeiten zum obersten wirtschaftspolitischen Ziel erkoren. In diesem Kapitel soll dieses Dogma einer kurzen Kritik unterzogen werden, wobei ich mich wesentlich auf die Position der Memoranden ´99 und 2000 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (1999; 2000) beziehe, die hier kurz referiert werden soll (vgl. auch Hickel, 1999b). Im Maßstab einer Volkswirtschaft „vererbt” man (bei ausgeglichener Bilanz mit dem Ausland) nicht nur Schulden, sondern auch Guthaben, also eine bestimmte

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personelle und institutionelle Verteilung von Schuldner- und Gläubigerpositio-nen. Soll die Staatsverschuldung und damit die Zinszahlung an die Gläubiger - in der Regel die Besserverdienenden und Vermögenden sowie der Banken- und Versicherungssektor - niedriger ausfallen, ohne die Staatsausgaben zu senken - es müssen schließlich Bildungs- und Kultursystem, die Infrastruktur, die innere Sicherheit usw. finanziert werden - so sind die Steuern für die Letztgenannten zu erhöhen. Da die Senkung der Staatsquote in erster Linie die Transferzahlungs-bezieher und die „Normalarbeitnehmer“ trifft (weniger Lehrer/innen, Sozialar-beiter/innen usw.), kann man schlechterdings zugleich für mehr soziale Gerech-tigkeit, Senkung der Staatsverschuldung und der Staatsquote argumentieren. Wenn man dennoch das Bild von der Schulden-Erbschaft bemühen will, sollte auch bedacht werden, dass z.B. ein durch zusätzliche Staatsverschuldung finan-ziertes ökologisches Infrastrukturprogramm den zukünftigen Generationen eben diese zukunftsfähigere Infrastruktur hinterlässt, die legitimerweise auch teilwei-se durch Kredite finanziert werden soll. Außerdem hat es, wenn es richtig und dimensioniert und ausreichend lang gefahren wird, den Effekt, wachsende Be-schäftigung und dann auch mittelfristig höhere Steuereinnahmen zu induzieren.

Die zunehmend ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung wurde und wird jedoch nicht durch die Staatsverschuldung verursacht, sondern im Wesent-lichen durch drei Faktoren: Die Ungleichheit der Primäreinkommen (Löhne und Gehälter sowie Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen) hat sich in den 80er und 90er Jahren im Zuge der neoliberalen Entfesselung der Markt-wirtschaft wesentlich verstärkt. Die parallel einhergehende ständige steuerliche Entlastung dieser Vermögens- und Gewinneinkommen hat damit erstens zu wachsender Ungleichheit auch der verfügbaren Einkommen der Haushalte so-wie zu Einnahmeverlusten des Staates geführt. Zweitens mussten insbesondere die Sonderausgaben, die aus der deutschen Vereinigung resultierten (353,7 Mrd. DM allein aus dem Erblastenfonds) finanziert werden. Und drittens verursacht die Massenarbeitslosigkeit Mindereinnahmen und Mehrausgaben, die von der Bundesanstalt für Arbeit allein für 1998 auf ca. 166 Mrd. DM geschätzt wurden. Eine Halbierung der Arbeitslosigkeit als Folge einer aktiven antizyklischen öf-fentlichen Beschäftigungspolitik, die zugleich auf den sozialökologischen Um-bau ausgerichtet sein muss (vgl. Kap. 5.2.4), würde folglich die aggregierten öffentlichen Haushalte jährlich um ca. 80 Mrd. DM entlasten. Alle drei Faktoren haben zur Erhöhung der Kreditaufnahme geführt. Die Schuldenlast hat sich aus den drei genannten Gründen auf Bundesebene von 541 Mrd. DM im Jahre 1989 auf ca. 1,5 Billionen DM im Jahre 2000 erhöht und damit fast verdreifacht. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte ist dennoch nicht besorgniser-regend hoch. Sie lag 1998 bei 60,7% des BIP und wird für das Jahr 2000 (ohne die Lizenzeinnahmen für die dritte Generation der Mobilfunksysteme) auf 61% geschätzt11 . Schulden lassen sich umso schwerer oder überhaupt nicht abbauen, je niedriger der Wachstumsrate einer Volkswirtschaft ist, weil in Stagnations- und Krisenzeiten die sogenannten automatischen Stabilisatoren wirken: Die Steuereinnahmen sinken und die Transferzahlungen etwa an Arbeitslose steigen.

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Die Behauptung von Finanzminister Eichel, dass die schnelle Haushaltskonsoli-dierung die wichtigste Voraussetzung für den Abbau der Arbeitslosigkeit ist, ist zudem empirisch vielfach widerlegt. In jüngster Zeit stützt etwa der Vergleich der Wachstumsraten von Frankreich und Deutschland ab 1997 dieses Argument auch der Vergleich zwischen der neo-keynesianisch ausgerichteten makroöko-nomischen Politik der USA in den 90er Jahren mit der durch die deutsche Bun-desbankpolitik dominierten absoluten Stabilitätspolitik in der EU bestätigt die-sen Zusammenhang. Wird innerhalb einer Phase niedriger Wachstumsraten verstärkt gespart, so ist es darüber hinaus sehr wahrscheinlich, dass dies gerade die unteren Einkommens- und Transfereinkommensbezieher treffen wird. Haushaltskonsolidierung in Pha-sen niedrigen Wachstums verstärkt damit die soziale Ungleichheit weiter. Damit wird der eventuell gut gemeinte Versuch, durch Senkung der Staatsverschul-dung die Umverteilung zugunsten der in der Regel betuchten Gläubiger des Staates als Resultat der Zinszahlungen zu verhindern, wieder konterkariert. Schließlich wird das häufig bemühte Argument, in Zeiten höherer Wachstums-raten gelinge der Schuldenrückbau nicht, durch Länder wie die USA und Groß-britannien, aber auch die Niederlande und Schweden eindeutig widerlegt, wobei auf die unterschiedlichen Möglichkeiten großer und kleiner Volkswirtschaften, ihre Wachstumsraten zu erhöhen und damit die Staatsschulden zu reduzieren, hinzuweisen ist. An dieser Stelle soll darauf jedoch nicht eingegangen werden. Natürlich kann ein einzelnes Bundesland wie NRW nicht allein antizyklische Haushaltspolitik betreiben. Und auch die Bundesregierung hätte keinen unbe-grenzten Spielraum, wenn sie dies als einziges Land in der EU versuchen würde. Der Handlungsspielraum Deutschlands kann aber auch nicht als vernachlässi-genswert bezeichnet werden, wie das Beispiel Frankreich zeigt, das innerhalb der Maastricht-Kriterien durch Umverteilung von oben nach unten sowie durch eine weniger rigorose Konsolidierungspolitik einen höheren Wachstumspfad einschlagen konnte (vgl. ausführlich Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspoli-tik, 1998). Insofern geht es um eine generelle Änderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik aller staatlichen Ebenen. Es ist dabei ein wesentlicher Unterschied, ob bei gegebener neoliberaler Bundespolitik in den Ländern und Kommunen die Sparpolitik zähneknirschend mit vollzogen wird oder ob sie von den Landes- und Kommunalpolitikern auch für die Bundesebene als „Politik der Vernunft” und Seriositätsbeweis gefordert und gefeiert wird. Das Land NRW hat diesbe-züglich sicherlich eine gewichtige Stimme. Die Zielsetzung des Bundes, die Nettoneuverschuldung bis zum Jahre 2006 auf Null und die Staatsquote von 49% im Jahre 1999 auf 45,5% im Jahre 2003 zu reduzieren, führt außerdem zu dem für die rot-grüne Bundesregierung peinlichen Dilemma, dass dann nicht wesentlich mehr Geld für die Bildung sowie die ökologische Infrastruktur, ins-besondere die Deutsche Bahn AG, zur Verfügung gestellt werden kann.

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Als letztes Argument für die positive Rolle der Staatsverschuldung als zweitbes-te Lösung - falls man eine höhere Besteuerung der Vermögensbesitzer und Bes-serverdienenden nicht durchsetzen will (oder kann) - ist auf die makroökonomi-sche Saldenmechanik zu verweisen. Die Ersparnisse der privaten Haushalte müssen entweder vom Staat, den Unternehmen und/oder dem Ausland als Kre-dite absorbiert werden. Finanzieren die Unternehmen aufgrund hoher Gewinne ihre Investitionen zunehmend selbst und fällt auch der Staat als „Absorptions-maschine” aus oder erwirtschaftet sogar wie in den USA Einnahmeüberschüsse, müssen sich entweder das Ausland oder die privaten Haushalte verschulden. Da aufgrund des sehr hohen Leistungsbilanzdefizits der USA das Ausland eine wachsende Gläubigerposition aufgebaut hat, ist in den USA am Ende des Jahr-hunderts die Sparquote der privaten Haushalte mit minus 3-4% stark negativ. Eine etwa durch weitere Zinserhöhungen ausgelöste Börsenkrise könnte das Konsumverhalten der US-Konsumenten aber sehr schnell stark verändern und dann eine scharfe Rezession auslösen. Die hohe Verschuldung der privaten Haushalte birgt daher ein großes Gefahrenpotential in sich. Da Europa und ins-besondere Deutschland traditionell Leistungsbilanzüberschüsse anstreben und über eine hohe Sparquote der privaten Haushalte verfügen, da sich zusätzlich die Unternehmen wegen hoher Gewinne stärker selbst finanzieren können, muss eine verstärkt versuchte Haushaltskonsolidierungspolitik die Wachstumsrate des BIP negativ beeinflussen. Es ist daher kein Zufall, dass das Wachstum in Deutschland 1995 und 1996 sehr gering war und auch 1999 nur 1,4% betrug (1,5% in Westdeutschland und 1,1% in Ostdeutschland, vgl. Tab. A3).

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