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Von Kristina Auer Seit 2011 widmet sich Annette Köhn dem Entdecken und Fördern junger, noch unbekannter Autoren und Illustratoren. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der sie ihren Jaja Verlag gründete. In der Buchbranche und den Medien sprach man verstärkt von eBooks und Print-on-Demand. Buchhändler und Verleger klagten über die zunehmende Macht des tyranni- schen Riesen Amazon. Der Begriff »Graphic Novel« für umfangreiche Comiceinzelbände mit vorwiegend ernsten Inhalten war noch recht frisch. So gab es noch weit mehr Vorurteile gegenüber Comics als heute und weit weniger Menschen, die Interesse daran hatten, Comics zu lesen oder in ihrem Laden, zum Verkauf anzubieten. Unbeeindruckt von den sie umgebenden Widrigkeiten entschloss sich Annette Köhn nicht nur, ihr Glück als Verlegerin zu versuchen. Sie beschloss auch, gegen den Strom zu schwimmen mit dem Ziel, neuen talentierten Zeichnern und Auto- ren zu Ruhm und Ehre zu verhelfen und nebenbei die Welt mit gut und schön gemachten Büchern und Comics zu bereichern. Etwas »Eigenes« »Jaja« mag damals so mancher gedacht oder gesagt haben, als er von Köhns Plänen hörte. Die diplomierte Kommunikationsdesignerin wiederum nahm diese sprachliche Äußerung wörtlich und erhob sie zum Zei- chen ihrer unverfrorenen Unerschrockenheit zum Namen ihres Verlags. Außerdem bat sie alle ihre Zeichner- Freunde, ihr eine Maus zu zeichnen, kombiniert mit dem Slogan »Jaja«. Hauptsächlich dienten diese »Jaja-Mäuse« der Verlegerin als »Teaser« für den Verlag und seine Bücher. Darüber hinaus waren sie aber auch kleine Mut- macher für besonders herausfordernde Zeiten. Bevor Annette Köhn den Schritt zum eigenen Verlag wagte, stand für sie vor allem fest, was sie nicht wollte: eine Karriere in der Werbebranche oder ein Dasein als Angestellte. Stattdessen wollte sie etwas »Eigenes« und so gründete sie die »Musenstube«, eine Ateliergemein- schaft in einem leicht maroden Ladengeschäft in Ber- lin-Neukölln. Nach und nach entwickelten Köhn und ihre »Mitmusen« zusammen »Produkte«, wie beispielsweise einen Siebdruck-Kalender. Gemeinsam gingen sie dann mit ihren Sachen auf Märkte und bestückten auch schon Berliner Läden und Buchhandlungen. Dazu kamen diverse Ausstellungen, die das Kollektiv in der Musen- Independent 38 Der Jaja Verlag: Mit Idealismus zu Ruhm und Ehre Annette Köhn 1976 in Erlangen geboren 1996–1999: Studium Visuelle Kommunikation, Fachhochschule Nürnberg 1999–2005: Studium Kommunikationsdesign, Kunsthochschule Berlin-Weißensee 2006: Gründung der Musenstube Seither freiberufliche Selbstständigkeit als Grafik- und Webdesignerin, Illustratorin und Galeristin. 2011: Gründung des Jaja Verlags Foto Annette Köhn © 2015 Marga van Meydenberg © 2015 Klaus Cornfield

Artikel im Alfonz 2016/01

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"Der Jaja Verlag: Mit Idealismus zu Ruhm und Ehre" so betitelt Kristina Auer im Comicmagazin Alfonz ihren dreiseitigen Artikel über den Jaja Verlag und den unverfrorenen Idealismus seiner Verlegerin.

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■ Von Kristina AuerSeit 2011 widmet sich Annette Köhn dem Entdeckenund Fördern junger, noch unbekannter Autoren undIllustratoren. Es war eine Zeit des Umbruchs, in dersie ihren Jaja Verlag gründete. In der Buchbrancheund den Medien sprach man verstärkt von eBooksund Print-on-Demand. Buchhändler und Verlegerklagten über die zunehmende Macht des tyranni-schen Riesen Amazon. Der Begriff »Graphic Novel«für umfangreiche Comiceinzelbände mit vorwiegendernsten Inhalten war noch recht frisch. So gab esnoch weit mehr Vorurteile gegenüber Comics alsheute und weit weniger Menschen, die Interessedaran hatten, Comics zu lesen oder in ihrem Laden,zum Verkauf anzubieten. Unbeeindruckt von den sieumgebenden Widrigkeiten entschloss sich AnnetteKöhn nicht nur, ihr Glück als Verlegerin zu versuchen.Sie beschloss auch, gegen den Strom zu schwimmenmit dem Ziel, neuen talentierten Zeichnern und Auto-ren zu Ruhm und Ehre zu verhelfen und nebenbei dieWelt mit gut und schön gemachten Büchern undComics zu bereichern.

Etwas »Eigenes«»Jaja« mag damals so mancher gedacht oder gesagthaben, als er von Köhns Plänen hörte. Die diplomierteKommunikationsdesignerin wiederum nahm diesesprachliche Äußerung wörtlich und erhob sie zum Zei-chen ihrer unverfrorenen Unerschrockenheit zum Namenihres Verlags. Außerdem bat sie alle ihre Zeichner-Freunde, ihr eine Maus zu zeichnen, kombiniert mit demSlogan »Jaja«. Hauptsächlich dienten diese »Jaja-Mäuse«der Verlegerin als »Teaser« für den Verlag und seineBücher. Darüber hinaus waren sie aber auch kleine Mut-macher für besonders herausfordernde Zeiten.Bevor Annette Köhn den Schritt zum eigenen Verlag

wagte, stand für sie vor allem fest, was sie nicht wollte:eine Karriere in der Werbebranche oder ein Dasein alsAngestellte. Stattdessen wollte sie etwas »Eigenes« undso gründete sie die »Musenstube«, eine Ateliergemein-schaft in einem leicht maroden Ladengeschäft in Ber-lin-Neukölln. Nach und nach entwickelten Köhn und ihre»Mitmusen« zusammen »Produkte«, wie beispielsweiseeinen Siebdruck-Kalender. Gemeinsam gingen sie dannmit ihren Sachen auf Märkte und bestückten auch schonBerliner Läden und Buchhandlungen. Dazu kamendiverse Ausstellungen, die das Kollektiv in der Musen-

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Der Jaja Verlag: Mit Idealismuszu Ruhm und Ehre

Annette Köhn1976 in Erlangen geboren1996–1999: Studium Visuelle Kommunikation,Fachhochschule Nürnberg1999–2005: Studium Kommunikationsdesign,Kunsthochschule Berlin-Weißensee2006: Gründung der MusenstubeSeither freiberufliche Selbstständigkeit als Grafik-und Webdesignerin, Illustratorin und Galeristin.2011: Gründung des Jaja Verlags

Foto Annette Köhn © 2015 Marga van Meydenberg

© 2015 Klaus Cornfield

stube organisierte und ein Skizzenfestival im sommerli-chen Stralsund, an dem noch heute jährlich mehrere Dut-zend Zeichner teilnehmen. »Dies alles war inspirierendund schließlich war es eine relativ spontane aber logischeEntscheidung, einen Verlag zu gründen, der Ja sagt zuunentdeckten Talenten, zu Illustrationen und zu schönenBüchern. Das war im Herbst 2011«, erklärt die Verlegerin.

Einfach exklusiv und konkurrenzlosDer Jaja Verlag: Das sind deutschsprachige Originalaus-gaben und ein breit gefächertes Portfolio. Ihren verlege-rischen Schwerpunkt legt Annette Köhn zwar nach wievor auf Comics und Graphic Novels. Inzwischen bringt sieaber auch illustrierte Belletristik,Kinderbücher, Koch- und Sach-bücher sowie Wandkalenderheraus. Außerdem ist zu fastjedem »Jaja-Machwerk« einkleines Extra erhältlich, wie bei-spielsweise vom Illustratorgezeichnete Postkarten oderSticker. Auch durch die inhaltli-che und stilistische Vielfalt sei-nes Programms spricht der Ver-lag ein breiteres Publikum an alsdie meisten anderen deutschenKlein- und Kleinstverlage mitComicschwerpunkt. Diese inhaltliche und stilisti-

sche Diversität zeigt sich auchanhand der aktuellen Jaja-Bestseller: Von der schwarz-humorigen, aber niedlich gezeichneten HeftchenseriePAPA DICTATOR von Michael Beyer alias mic »für dickfel-lige Erwachsene oder reifere Kinder ab 10« über den far-benprächtigen, elegant durchkomponierten und nach-denklichen Comic EARTH unplugged von Jennifer Danielbis hin zur absurden Komik und kindlichen Verspieltheitdes von Annette Köhn selbst gezeichneten Comics U-Bahn Pupse decken diese ein breites Spektrum an The-men, Zeichenstilen und Zielgruppen ab. Außer einemhohen Maß an Individualität und Kreativität bei der zeich-nerischen Umsetzung und Gestaltung der Comicheftchen,-hefte und -bücher, die weder stilistisch noch formalbekannten amerikanischen, frankobelgischen oder asia-tischen Comictraditionen zu folgen scheinen, lässt sichkeine programmatische Linie erkennen. Dies bestätigtauch Annette Köhn. Ihr müsse der Zeichenstil eines Comicsgefallen und die Geschichte müsse witzig oder interessant

sein. Mehr Auswahlkriterien gebe es nicht. So manches Buch von Jaja passt in gar keine Schublade

oder in ein spezifiziertes Regal in der Buchhandlung.»Damit ist das Jaja-Programm einfach exklusiv und kon-kurrenzlos«, lautet Köhns Einschätzung. Am ehesten ließesich ihrer Meinung nach das Programm noch mit dem derBüchergilde Gutenberg oder Rotopolpress vergleichen,»genreübergreifend und illustrationsverliebt«.

Jajas »fein illustrierte Machwerke«Egal ob Buch oder Nicht-Buch, alles was im Jaja Verlag

erscheint, kann –mit Recht – als

»Machwerk«, also als zumindest teilweise handgemachtesWerk bezeichnet werden. Dies bezieht sich sowohl aufden geschriebenen, gezeichneten, gepinselten Inhalt alsauch auf die finale Gestaltung und die Haptik. Um ausden Büchern kleine Kunstwerke zu machen, wählt AnnetteKöhn nicht nur Papier und Formate sorgfältig aus. Hin undwieder legt sie sogar beim letzten Produktionsschritt nochselbst Hand an, um ein Machwerk zum Beispiel mit einemSiebdruckumschlag zu verfeinern. Ungeachtet der Kostenversucht Annette Köhn, jeder Comicgeschichte und auchjedem anderen Buch die Form zu geben, die seinem Inhaltam besten entspricht. Außerdem verzichtet die Verlegerindarauf, ihre meist vielfarbigen Machwerke in Asien dru-cken zu lassen und achtet bei der Papierwahl auf umwelt-verträgliche Zertifikate.

Da wird ganz schön investiertQualität hat bekanntlich ihren Preis. Dies gilt auch oderin besonderem Maße für aufwändig produzierte Klein-auflagen von meist 500 bis vereinzelt 1000 Exemplaren.So verrät Annette Köhn, dass ihr Verlag oft mit der Liqui-dität kämpft. »Wenn Geld da ist, wird’s ausgegeben«, lau-tet die Devise. Um zumindest die Druckkosten leichterstemmen und langfristiger planen zu können, greift dieVerlegerin bei manchen Projekten deshalb auch schonmal auf Crowdfunding zurück. Denn das bietet ihr nichtnur die Möglichkeit der Kofinanzierung und eines Quasi-vorverkaufs – wird doch von den meisten Unterstützerndas gedruckte Buch als »Dankeschön« aus-gewählt. Crowdfunding hilft ihr auchbeim Marketing und dabei, Aufmerksam-keit für die Autoren und das Verlagspro-gramm zu sammeln.

Jaja in aller MundeUm den Bekanntheitsgrad ihresVerlags noch schneller zu steigern,entschloss sich Köhn 2012 dazu, sichan eine Verlagsvertretung zu wenden

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Independent

Nach erfolgreichem Crowdfunding für Krokodilsgeburtstagwerden dieBücher verpackt, Herbst 2014

Foto © 2015 pixelgrün

© 2015 Ingrid Sabisch

© 2015 Jaja-Verlag und die Autoren

und alle vertrieblichen Aufgaben außer Haus zu geben.Die Wahl fiel auf das büro indiebook in München, dessenMitarbeiter nach wie vor fleißig daran arbeiten, Jajadeutschlandweit bekannt zu machen. Mitte 2015 fälltedie Verlegerin dann noch einmal eine gewichtige Ent-scheidung und unterschrieb einen Vertrag mit den Buch-großhändlern Libri und KNV. Diese Entscheidung sei ihrnicht leicht gefallen, meint Annette Köhn. Sicher, die

Buchhändler können nun nicht mehr behaupten, siekönnten die Bücher des Jaja Verlags nicht bestel-len, wenn jemand nachfragt. An jeder Bestellungeines Jaja-Buchs über Libri und KNV »gewinne«der Verlag allerdings prozentual weniger proBuch und Amazon dürfe die Bücher zum Bei-spiel versandfrei anbieten, erläutert sie. Der

Vorteil dieser Lösung ist, dass die Bücher nun einegrößere Verbreitung erreichen und der Verlag dadurchin der Lage ist, insgesamt mehr Bücher zu verkaufen. Unterstützt wird die Etablierung von Jaja durch die

zunehmende Präsenz in Schaufenstern von Buchhand-lungen, durch eigene Book-Release-Veranstaltungen,Ausstellungen, Vorstellungen und Lesungen. Ebenfallsverkaufsfördernd und öffentlichkeitswirksam ist die Teil-nahme an Messen und Festivals, wie z. B. dem ErlangerComic-Salon, dem Leipziger Comicgarten, dem Comic-

festival Hamburg oder der Leipziger Buchmesse, aufdenen man den Jaja Verlag immer wieder antrifft. Alleinvon Januar bis November 2015 war Jaja bei über 20Events vertreten.Was den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angeht,

beweist das Jaja-Team zum einen äußerste Kreativität.Zum anderen werden viele Ideen in Zusammenarbeit mitden Autoren entwickelt und umgesetzt. Dabei ist das Bud-get meist gering, was laut Annette Köhn aber auch nichtso schlimm ist. So hält die Verlegerin beispielsweise dieKosten für Übernachtungen klein durch private Über-nachtungsmöglichkeiten. Hauptsächlich investiere sieihre Zeit. »Als Grafikdesignerin und Illustratorin kann ichja alles selbst machen, also die Webseite pflegen, Flyergestalten und so weiter.«

Eine ruhmreiche ZwischenbilanzAuch wenn sie noch nicht von ihrem Verlag leben könne,sondern ihren Lebensunterhalt mit ihren Illustrationenund Grafikaufträgen verdiene, falle die Bilanz insgesamtgut aus, meint Annette Köhn. »Vielleicht nicht so sehr diewirtschaftliche Bilanz, aber die kreative, wertschöpfende,ruhmreiche usw.« Ehrungen, Preise und Auszeichnungengeben ihr Recht. Erst am vergangenen 3. Juni erhieltAnnette Köhn in Mainz für ihr persönliches Engagementund die Qualität ihrer verlegerischen Arbeit den V. O.Stomps Förderpreis 2015. »Die Laudatio rührte mich zuTränen und ich war irre stolz!« Trotzdem habe sie das Gefühl, dass sie sich noch mehr

gefreut habe, als 2014 mit Jennifer Daniels EARTHunplugged ein Machwerk aus dem Hause Jaja für denMax-und-Moritz-Preis in der Kategorie »Bester deutscherComic« nominiert wurde. Annette Köhn empfindet dieseNominierung noch heute als große Anerkennung für ihreAutorin und den Verlag. »Irgendwer sprach vom Ritter-schlag in der Comicbranche und ich hatte einfach dasGefühl, ich bin auf dem richtigen Weg.«»Es ist toll, Verlegerin zu sein und es macht mich nach

wie vor sehr glücklich«, stellt Annette Köhn fest. »Zweifelkommen und gehen dann auch wieder. Die Leidenschaftüberwiegt und mit der kann ich mich allen Herausforde-rungen entspannt stellen.«

Independent

Comics und Graphic Novels (Auswahl)

The Right Here Right Now Thing von Paulina StulinIndependent Comicpreis 2015 in der Kategorie »Herausragendes•Szenario« (ICOM e.V.)

Penner von Christopher BurgholzLobende Erwähnung bei der Preisverleihung des Independent•Comicpreises 2015 (ICOM e.V.)Gramic Award 2013 (Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.)•

EARTH unplugged von Jennifer DanielsNominierung für den Max-und-Moritz-Preis 2014 in der•Kategorie »Bester deutscher Comic«Lobende Erwähnung bei der Preisverleihung des Independent•Comicpreises 2013 (ICOM e.V.)

The Ballad of the Barefoot Bandit von Alexandra RüglerPlatz 5 der Comic-Bestenliste 2015 von Barbara Yelin im Tages-•spiegel

Da wird sich nie was ändern! von Ulla Loge

Der Ausflug. Teil 1 / FLASCHENPOST von bachwald

Leto – Reise in die Halongbucht von Annette Köhn

40Am Jaja Stand beim Comicfestival München, links Praktikantin HannaJung, rechts Autorin Alexandra Rügler

Foto © 2015 Annette Köhn

© 2015 Stephan Lomp

© 2015 Jaja-Verlag und die Autoren