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BA Modul 7: Text- und Medienanalyse II Übung: Die Emotionen der Literatur Donnerstag, 14-16 Uhr DOR 24, R. 1.301 Sommersemester 2011 Ralf Klausnitzer Literarische Texte und mediale Produktionen haben immer schon auf Gefühle und emotionale Bewegungen Bezug genommen, diese dargestellt und thematisiert, aber auch erst generiert und fixiert. Doch was sind Emotionen – und wie gelangen sie in jene Zeichenwelten, die wir in Literatur und anderen Medienprodukten auf besondere Weise erfahren? Wie lassen sich Gefühle beim Umgang mit Texten, aber auch anderen medialen Artefakten beschreiben, deuten, erklären? Und warum investieren wir in der Wahrnehmung künstlicher Welten emotionale Energien, die so stark sein können, dass wir angesichts der Leiden einer Film- oder Romangestalt weinen, während uns das reale Elend in der Welt da draußen eher kalt lässt? – Das Seminar will diesen zentralen und bis heute brisanten Fragen der Literatur und der Literaturtheorie nachgehen, indem unterschiedliche Bestimmungen von Emotionalität diskutiert und in ihren Voraussetzungen wie Konsequenzen untersucht werden. Dabei geht es zum einen um emotionale Reaktionen auf Literatur (die durch Untersuchung von Leseremotionen zu ermitteln sind); zum anderen um literarische Präsentationen von Emotionen (die mit Hilfe textimmanenter Analyse literarischer Emotionsdarstellungen erfasst werden sollen). Zugleich sollen die so gewonnenen Konzepte und Modelle auf Lektüre und Interpretation exemplarischer Texte und Medienprodukte angewendet werden, um Reichweite und Erklärungspotentiale theoretischer Überlegungen überprüfen zu können. Das Lektürepensum ist entsprechend intensiv, lohnt sich aber auf jeden Fall: Denn nun werden neue Zugänge zu den Struktur- und Wirkungsprinzipien literarischer bzw. medialer Welten ermittelbar – und produktiv erweiterte Umgangsformen mit ihnen möglich. Modifizierter Seminarplan 14. April Einführung 21. April Theoretische Grundlagen: Was sind Emotionen? Welche grundlegenden Emotionen gibt es? Wie lassen sie sich in literarischen Texten beobachten + beschreiben, deuten + erklären? Primär: Thomas Mann: Der kleine Herr Friedemann [Erzählung, ED 1898] Sekundär: Thomas Anz: Kulturtechniken der Emotionalisierung. Beobachtungen, Reflexionen und Vorschläge zur literaturwissenschaftlichen Gefühlsforschung, in: Karl Eibl, Katja Mellmann, Rüdiger Zymner (Hrsg.): Im Rücken der Kulturen. Paderborn 2007, 207–239 Claudia Hillebrandt und Anna Fenner: Emotionen und Literatur. Begriffsklärung, Untersuchungsperspektiven und Analyseverfahren. In: literaturkritik.de April 2010 28. April Untersuchungsverfahren I: Analyse literarischer Emotionsdarstellungen (Textverfahren) Primär: Simone Winko: Text-Gefühle. Strategien der Präsentation von Emotionen in Gedichten. In: literaturkritik.de Dezember 2006 Anwendung: Joseph von Eichendorff: Zwielicht [Gedicht; entstanden 1810/12, ED 1815] 5. Mai Untersuchungsverfahren 2: Analyse der emotionalen Reaktionen auf Texte (Lesergefühle) Primär: Katja Mellmann: Biologische Ansätze zum Verhältnis von Literatur und Emotionen. In: Journal for literary theory 1 (2007), S. 357-375 Anwendung: Thomas Mann: Schwere Stunde [Erzählung, ED 1905] 12. Mai Regelgeleitete Erzeugung von Emotionen: Rhetorisch bzw. poetologisch normierte Literatur Primär: Johann Christoph Gottsched: Der sterbende Cato [Trauerspiel. Entstanden 1730; ED Leipzig 1732] Sekundär: Johann Christoph Gottsched: Versuch einer critischen Dichtkunst [Entstanden 1724-29; ED Leipzig 1730]. Anderer besonderer Teil, Das X. Capitel: Von Tragödien oder Trauerspielen. 19. Mai Aufgeklärte Gefühle; Gemischte Charaktere – Aufklärung + Empfindsamkeit Primär: Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [1772] Sekundär: G. E. Lessing: Hamburgische Dramaturgie 69./70., 94. Stück (Mimesis) – 46./47., 82./83., 86.-89., 92-94. Stück (gemischter Charakter) – 74.-78. Stück (Katharsis) Karl Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt/M., Leipzig 1995 (Auszug)

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BA Modul 7: Text- und Medienanalyse II Übung: Die Emotionen der Literatur

Donnerstag, 14-16 Uhr DOR 24, R. 1.301

Sommersemester 2011 Ralf Klausnitzer

Literarische Texte und mediale Produktionen haben immer schon auf Gefühle und emotionale Bewegungen Bezug genommen, diese dargestellt und thematisiert, aber auch erst generiert und fixiert. Doch was sind Emotionen – und wie gelangen sie in jene Zeichenwelten, die wir in Literatur und anderen Medienprodukten auf besondere Weise erfahren? Wie lassen sich Gefühle beim Umgang mit Texten, aber auch anderen medialen Artefakten beschreiben, deuten, erklären? Und warum investieren wir in der Wahrnehmung künstlicher Welten emotionale Energien, die so stark sein können, dass wir angesichts der Leiden einer Film- oder Romangestalt weinen, während uns das reale Elend in der Welt da draußen eher kalt lässt? – Das Seminar will diesen zentralen und bis heute brisanten Fragen der Literatur und der Literaturtheorie nachgehen, indem unterschiedliche Bestimmungen von Emotionalität diskutiert und in ihren Voraussetzungen wie Konsequenzen untersucht werden. Dabei geht es zum einen um emotionale Reaktionen auf Literatur (die durch Untersuchung von Leseremotionen zu ermitteln sind); zum anderen um literarische Präsentationen von Emotionen (die mit Hilfe textimmanenter Analyse literarischer Emotionsdarstellungen erfasst werden sollen). Zugleich sollen die so gewonnenen Konzepte und Modelle auf Lektüre und Interpretation exemplarischer Texte und Medienprodukte angewendet werden, um Reichweite und Erklärungspotentiale theoretischer Überlegungen überprüfen zu können. Das Lektürepensum ist entsprechend intensiv, lohnt sich aber auf jeden Fall: Denn nun werden neue Zugänge zu den Struktur- und Wirkungsprinzipien literarischer bzw. medialer Welten ermittelbar – und produktiv erweiterte Umgangsformen mit ihnen möglich. Modifizierter Seminarplan

14. April Einführung

21. April Theoretische Grundlagen: Was sind Emotionen? Welche grundlegenden Emotionen gibt es? Wie lassen sie sich in literarischen Texten beobachten + beschreiben, deuten + erklären? Primär:

– Thomas Mann: Der kleine Herr Friedemann [Erzählung, ED 1898] Sekundär:

– Thomas Anz: Kulturtechniken der Emotionalisierung. Beobachtungen, Reflexionen und Vorschläge zur literaturwissenschaftlichen Gefühlsforschung, in: Karl Eibl, Katja Mellmann, Rüdiger Zymner (Hrsg.): Im Rücken der Kulturen. Paderborn 2007, 207–239

– Claudia Hillebrandt und Anna Fenner: Emotionen und Literatur. Begriffsklärung, Untersuchungsperspektiven und Analyseverfahren. In: literaturkritik.de April 2010

28. April Untersuchungsverfahren I: Analyse literarischer Emotionsdarstellungen (Textverfahren) Primär:

– Simone Winko: Text-Gefühle. Strategien der Präsentation von Emotionen in Gedichten. In: literaturkritik.de Dezember 2006

Anwendung: – Joseph von Eichendorff: Zwielicht [Gedicht; entstanden 1810/12, ED 1815]

5. Mai Untersuchungsverfahren 2: Analyse der emotionalen Reaktionen auf Texte (Lesergefühle) Primär:

– Katja Mellmann: Biologische Ansätze zum Verhältnis von Literatur und Emotionen. In: Journal for literary theory 1 (2007), S. 357-375

Anwendung: – Thomas Mann: Schwere Stunde [Erzählung, ED 1905]

12. Mai Regelgeleitete Erzeugung von Emotionen: Rhetorisch bzw. poetologisch normierte Literatur Primär:

– Johann Christoph Gottsched: Der sterbende Cato [Trauerspiel. Entstanden 1730; ED Leipzig 1732] Sekundär:

– Johann Christoph Gottsched: Versuch einer critischen Dichtkunst [Entstanden 1724-29; ED Leipzig 1730]. Anderer besonderer Teil, Das X. Capitel: Von Tragödien oder Trauerspielen.

19. Mai Aufgeklärte Gefühle; Gemischte Charaktere – Aufklärung + Empfindsamkeit Primär:

– Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [1772] Sekundär:

– G. E. Lessing: Hamburgische Dramaturgie 69./70., 94. Stück (Mimesis) – 46./47., 82./83., 86.-89., 92-94. Stück (gemischter Charakter) – 74.-78. Stück (Katharsis)

– Karl Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt/M., Leipzig 1995 (Auszug)

26. Mai Formierung und Formatierung neuzeitlicher Emotionalität/ Literatur Primär:

– Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers [1774] Erstes Buch – bitte in der Erstfassung lesen Sekundär:

– Karl Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt/M., Leipzig 1995 (Auszug) 2. Juni Formierung und Formatierung neuzeitlicher Emotionalität/ Literatur

Primär:

– Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers [1774]. Zweites Buch – bitte in der Erstfassung lesen

Sekundär: – Karl Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt/M., Leipzig 1995 (Auszug)

9. Juni Emotionen der Moderne Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge [1910] – Auszüge

16. Juni Emotionalität + Tabu Georges Bataille: Die Geschichte des Auges

23. Juni Emotionen im Film Meshes of the afternoon [Kurzfilm; Maya Deren, 1943] In the mood for love [Spielfilm, Won Kar Wai, 2001; Ausschnitte]

30. Juni Trauer in Sprache Friederike Mayröcker: Und ich schüttelte einen Liebling [„Symbiografie“ + Erinnerungen an Lebensgefährten Ernst Jandl; 2005]

7. Juli Gefühle in der Gegenwarts- (Pop-)Literatur Thomas Klupp: Paradiso [Roman, 2008]

14. Juli Abschlussdiskussion Elementare Verabredungen zum Seminarablauf: è Angestrebt wird die umfassende und genaue Kenntnis von wichtigen Stationen der Emotionsgeschichte der deutschen Literatur – und also

auch von Texten, die kanonisch sind und irgendwann im Leben sowieso gelesen werden müssen. Alle angegebenen Primärtexte sind deshalb

von allen Seminarteilnehmern zu lesen; aufgeführte Sekundärliteratur trägt zur Kontextualisierung bei und kann gelesen werden.

è Kurze problemorientierte Einführungen durch Studierende (keine Referate!) sollen die Basis für die nachfolgende Seminardiskussion

bilden; günstig sind Arbeitsgruppen sowie ein knappes, konzises Thesenpapier.

è Um Abwesenheit bei Seminarveranstaltungen zu minimieren: Einmaliges unentschuldigtes Fehlen erlaubt (wenn auch nicht gern

gesehen), zweite Absenz nur mit Entschuldigung. Dann vorbei.

è Der Erwerb von benoteten Leistungsnachweisen („Schein“) erfolgt durch regelmäßige aktive Teilnahme am Seminar +

Einführungsauftritt + Hausarbeit; nähere Informationen dazu rechtzeitig

Sprechstunde: Donnerstag 16.30–17.30 Uhr im Institut für deutsche Literatur, DOR 24, Raum 3.528