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13. MAI I939 KLINISC]rlE WOCHENSCHRIFT. I8. JAHRGANG. Nr. 19 Dieser einseitige Befund trifle so regelm~Big mit der Ent- zfindung des entsprechenden Nachbarorgans zusammen, dab der yon uns angenommene Vorgang wesenttich wahrschein- licher sein dfirfte, als die in mehreren F~Ilen ausschliel3bare, von der Blase aufsteigende lymphogene Infektion. Wir halten es sogar in manchen F~llen mit ziemlich charakteristischer, in de]: Adventitia aufsteigender Lymphangitis ffir m6glieh, dab die Dentung des Befnndes unrichtig ist und ein ~YbergreifeI1 der Entzfindung aus der Umgebung vortiegt (z. ]3. Fall 19). DaB eine Infektion bei gyn~Lkologischen Operationen auf den Harnleiter fibergreifen kann, ist von B~UER~ISnN be- felts nachgewiesen worden und wurde yon uns gleichfalls in ]?all 7 beobachtet. tn 2 Fitllen (9 und 14) sahen wir ein Ubergreifen der Ent- zfindung yon den weiblichen Adnexen. Die Entzfindung ist in diesen F~llen so schwer, dab man besonders ira. Fall 9 yon einer Harnleiterphlegmone sprechen muB. Dadurch sind diese F~lle zur ]3eweisffihrung in den hier er6rterten Fragen weniger geeignet, es diirfte aber nach den fibrigen angeffihrten Befunden sehr wahrscheinlich sein, dab Entzfindungen der weiblichen nnd m~nnlichen (yon uns aus ~uBeren Grfinden nicht untersucht) Adnexe in gleicher Weise auf den Harn- leiter fibergreifen k6nnen, wie eine Appendicitis oder Peri- tonitis. ZusammenJassung: Durch Anwendung der ,)r methode" l~ftt sich ein zuverl~ssiger Dberbfick fiber die anatomischen Ver~nderungen im ganzen Verlanf des Harn- leiters gewinnen. Die Untersuchung an 26 F~illen von akuter oder chronischer Harnblasen- und prim~rer Nierenbecken- entzfindung ergab regelm~Big eine Ausbreitung der Ent- zfindung ~n den gesamten ableitenden Harnwegem Der ent- zfindtiche Reizzustand ist der h~.ufigste und schw~chste Grad der Ausbreitung ohne anatomisch nachweisbaren Ausbrei- tuiigsweg. Das A~tjstelgen der In/ektion yon der Harnblase geht ohne Harnstauung fast regelm~iBig nnd bei Harnstauung manchmal als Lymphangitis in der Harnleiterwand vor sich, wobei dem anatomischen Verlauf der Lymphgef~iBe folgend 2 Ausbrei- tungstypen zu unterscheiden sind, die submuk6se und die in der ~Vluscularis nnd Adventitia verlaufende Lymphangitis. Ein kontinuierliches ]~bergreifen der Entzfindung auf den untersten Harnleiterabschnitt kommt vor, ist aber niche so h~iufig, wie bisher angegeben wurde. Bei Harnstauung oder nach Entwicklung einer schwereren Infektion im Nierenbecken und der Niere erfolgt eine cystopyelitische Dauerinfektion yon der Harnleiterlichtung her, bei der bevorzugt die Sub- mueosa diffus entzfindet ist uiid die Lymphgef~iBe nut sekun- dar beteiligt sind. Bei der absteigenden ~njektlon ist h~ufig eine absteigende Lymphangitis vorhanden. Eine groBe Bedeutung ffir die Entstehung yon Infektionen der Harnwege hat das lymphogene Ubergreiyen der Entz~ndung yon, .h;aehbarorganen. Dieser Vorgang wurde bei Erkrankungen des W'urmfortsatzes m~d Coecums, bei chronischem Ascites, Peritonitis nnd Erlcrankungen der weiblichen Adnexe nach- gewiesen. Literatur: G. BAcI~u Bull. Soc. nat. Chit. Paris 56, 719 (I93O). -- A. BAUERXlSEN, Z. gyn~k. Urol. z, 233 (1911); 4, I (I913). -- H. ]3OEMIN~}tAUS, Erg. Chit. I9, 583 (1926) -- Arch. kiln. Chir. I54 , 1I 4 (1929). -- H. CHIARI, Med. Jb. ~u 1881, 9. -- ]~. CHRISTELL~:R, Klino ~u 19271, 279. -- C. CIGERI, Studi sassar. 7, I61 (1929). -- DEL:BET, J. d'Urol. IO, 299 (1921). -- ][~ISENDRATtt and J. V. KAHN, J. amer. reed. Assoc. 66 (1915). -- EISENDRA:r~I and SCHULZ, J. amer. reed. Assoc. 68 (1916), -- W. K. FRd~NKEL,. Med. Klin, 193 ~ II, 1281. -- C. ~'RANKE, Arch. :[, Anat., anat. Abt. 191o, 191 -- Mitt. Grenzgeb. Med. u. Chir. ~2, 623 (1911). -- H. FRIEDRICH, Zbl. 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REDEWILL, J. E. POT- rER and H. A. GARRISON, J. amer. reed. Assoc. 94, 688 (193o). -- IZ. SAKATA, Arch. f. Anat., anat. Abe. 19o3, I. -- W. ST6CI~L, Zbl. Gyn~k. 6o, 441 (1936) -- Gyn~kologische Urologie 1o/i des Hand- buches der Gyn~kologie yon V~IT-STo~CKEL. B{finchen 1938. -- S. SnGIMUEA, VirchowsArch. 206, 20 (191 I). -- SWEET and STEWARD, Surg. etc. 18 (1914).- O. USLA~D, Med. rev. (iiorw.) 39, 3 (1922), Ref. Z. urol. Chir. 1I, 83 (1923)..- K. M. WALKER, Lancet 1922 , 684 u. 694; 193 ~ I, 681 u. 688. -- E. WARSCHAUI~R, Belt. klin. Wschr. 19oi, 399. -- K. Wml;ER, Z. nroL Chir. 27, I (1929). -- S. WER:B- ~OFF, Z. Uroi. 1928, 597- -- H. P. ~,VI~SBI~Ru165 J. of UroL 36 , 469 (1936). BEISPIELE ZUR BEDEUTUNG DER INDIVIDUELLEN VARIABILIT)~T. Voii H. HUNGERLAND. Aus der Universit~ts-Kinderklinik Freiburgi. Br. (Leiter: Prof.Dr. C. NOEGGERATH). Ein wesentlicher Teil unserer heute gfileigen Anschauungen fiber die Beziehungen zwischen der die Krankheit ausI6senden Bedingungen liege in der Anerkennung der Bedeutung der K6rperverfassung oder, wie man es nannte, der IKonstitution (J: BAUER2), sowie in der Erkenntnis, dab diese IKonsfitution ver~nderlich und wechselnd ist, dab sowohl die 1Konstitufion der einzelnen Individuen wie die Konstitution eines Indivi- dunms wechseln kann. ALLXRS 1 definierte das \u der Konstitution geradezu als ,,einen gewissen Gteichgewichts- zustand der einzelnen Organe", eine Definition, die die kon- stitutionelle Verschiedenheit der Individuen leicht erklgren lggt. Die Vielheit der Fakeoren, die die einzetnen Lebens- erscheinungen bedingen, gestattet zahlreiche tmd sehr ver- schiedene Gleichgewichtszustgnde, wobei diese Verschieden- heit aber vielfach erst bei der St6rung des Gleichgewichts merkbar wird. Bei Betrachtungeii fiber die Variabilitgt wird meist nut an eine Verschiedenheit verschiedener Individuen gedacht. Diese Vorstellnng grfindet sich wohl in erster Linie darauf, dab man bei der Variabilit~t zun~chst un0 vor allem an ~ut3ere k6rperliche Merkmale dachte, die sicb beim Erwachsenen selten mehr ~mdern. Sehr viel seltener wird beachtet, dab auch eine Variabilitgt des einzelnen Individuums besteht, eine 4ndividuelle Variabilitgt, wie ich sie im Gegen- satz zur Variabititgt verschiedener Individuen, der allgemeinen Variabilit~t, bezeichnen m6chte. DaB diese Variabilitgt des Individuums, d. h. eine zeitlich weehselnde Reaktion auf jedesmal gleicbe Einwirkiingen, be- rficksichtigt werden muB, dab sie niche immer bedacht, manchmal auch ialsch gedeutet wurde, m6chte ich an Hand yon Beispielen aus der Literatur nnd an Hand eigener Versuche zeigen. Vor einiger Zeit ver6ffentlichten SC~ILOMKA und F~ENTZ]~N10 Untersuchungen fiber das AusmaB und die Altersabhiingigkeit der Schwankungen der unbeeinfluBten Vormittagsblutzucker- kuI~ei1 des Gesunden. In diesen Versuchen wurde im Laufe eines Vormittags yon 9--13 Uhr stfindlich der Blutzucker bei nfichternen, stoffwechselgesunden, ruhenden Menschen be- stimmt. Ihre ]3eobachtnngen ffihrten sie zu dem SchluB, dag die so erhaltenen Vormittagsnfichternblutzuckerkurven ,,meh- rere besondere Typen unterscheid en" lassen. Die beobachteter~ Schwankungen des Blutzuckers im Laufe ehles Vormitlage sind sehr betrXchtlich. Die Antoren stellen test, dab die Gr6i3s der Schwankungen sich iln Durchschnitt ,,als eindeutig ab- h~ngig vom Lebensalter" zeigeI1 insofern, als mit steigendem Alter das AusmaB der Spontanschwankungen der Vormittags- blutzuckerkurve abnimmt. SCHLOMKA und FR~NTZEN kom- men allf Grund ihrer Untersuchungen zur Aufseellung VOl~ 5 verschiedenen Ablauftypen : Typ I: Im ganzen in~Biger Blutzuckerabfall bis zu einem Tiefstwere etwa um 12 Uhr. 48*

Beispiele zur Bedeutung der Individuellen Variabilität

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13. MAI I939 K L I N I S C ] r l E W O C H E N S C H R I F T . I8. J A H R G A N G . N r . 19

Dieser e insei t ige B e f u n d t r i f le so regelm~Big m i t de r E n t - z f indung des e n t s p r e c h e n d e n N a c h b a r o r g a n s z u s a m m e n , d a b de r y o n u n s a n g e n o m m e n e V o r g a n g wesen t t i ch w a h r s c h e i n - l icher sein dfirf te , als die in m e h r e r e n F~Ilen ausschliel3bare, v o n de r Blase au f s t e igende l y m p h o g e n e I n f e k t i o n . W i r h a l t e n es sogar in m a n c h e n F~l len m i t z ieml ich c h a r a k t e r i s t i s c h e r , in de]: A d v e n t i t i a a u f s t e i g e n d e r L y m p h a n g i t i s ffir m6gl ieh , d a b die D e n t u n g des Be fnndes u n r i c h t i g i s t u n d e in ~YbergreifeI1 d e r E n t z f i n d u n g aus d e r U m g e b u n g vo r t i eg t (z. ]3. Fa l l 19).

DaB eine I n f e k t i o n bei gyn~Lkologischen O p e r a t i o n e n a u f den H a r n l e i t e r f ibergre i fen k a n n , i s t v o n B~UER~ISnN be- fe l ts n a c h g e w i e s e n w o r d e n u n d wurde yon uns gleichfalls in ]?all 7 b e o b a c h t e t .

t n 2 Fi t l len (9 u n d 14) s a h e n wi r e in Ube rg re i f en de r E n t - z f indung y o n den we ib l i chen A d n e x e n . Die E n t z f i n d u n g i s t in d iesen F~l len so schwer , d a b m a n besonde r s ira. Fa l l 9 yon e iner H a r n l e i t e r p h l e g m o n e s p r e c h e n muB. D a d u r c h s ind diese F~lle zu r ]3eweisff ihrung in d e n h ie r e r 6 r t e r t e n F r a g e n weniger geeignet , es d i i r f te a b e r n a c h d e n f ibr igen ange f f i h r t en B e f u n d e n sehr wah r s che i n l i ch sein, d a b E n t z f i n d u n g e n de r we ib l i chen n n d m ~ n n l i c h e n (yon uns aus ~uBeren Gr f inden n i c h t u n t e r s u c h t ) A d n e x e in gle icher Weise au f den H a r n - le i ter f ibergreifen k6nnen , wie eine Append ic i t i s oder Per i - ton i t i s .

ZusammenJassung: D u r c h A n w e n d u n g d e r ,)r m e t h o d e " l~ftt s ich e in zuver l~ss iger D b e r b f i c k f iber die a n a t o m i s c h e n V e r ~ n d e r u n g e n i m ganzen V e r l a n f des H a r n - le i ters gewinnen . Die U n t e r s u c h u n g a n 26 F~illen v o n a k u t e r ode r c h r o n i s c h e r H a r n b l a s e n - u n d p r i m ~ r e r N ie r enbecken - e n t z f i n d u n g e r g a b regelm~Big eine A u s b r e i t u n g de r E n t - z f i ndung ~n den g e s a m t e n a b l e i t e n d e n H a r n w e g e m Der en t - zf indt iche R e i z z u s t a n d i s t de r h~.ufigste u n d schw~chs t e G r a d de r A u s b r e i t u n g ohne a n a t o m i s c h n a c h w e i s b a r e n A u s b r e i - tu i igsweg.

Das A~tjstelgen der In/ektion yon de r H a r n b l a s e geh t ohne H a r n s t a u u n g f a s t regelm~iBig n n d bei H a r n s t a u u n g m a n c h m a l als L y m p h a n g i t i s in de r H a r n l e i t e r w a n d v o r sich, wobei d e m a n a t o m i s c h e n V e r l a u f de r Lymphgef~iBe fo lgend 2 A u s b r e i - t u n g s t y p e n zu u n t e r s c h e i d e n s ind, die s u b m u k 6 s e u n d die in de r ~Vluscularis n n d A d v e n t i t i a ve r l au f ende L y m p h a n g i t i s . E i n kon t inu i e r l i ches ]~bergrei fen de r E n t z f i n d u n g au f den u n t e r s t e n H a r n l e i t e r a b s c h n i t t k o m m t vor , i s t a b e r n iche so h~iufig, wie b i s h e r angegeben wurde . Bei H a r n s t a u u n g ode r n a c h E n t w i c k l u n g e iner s chwere ren I n f e k t i o n im N i e r e n b e c k e n u n d de r Niere er fo lg t eine cys topye l i t i s che D a u e r i n f e k t i o n yon de r H a r n l e i t e r l i c h t u n g her , bei de r b e v o r z u g t die Sub- m u e o s a diffus e n t z f i n d e t i s t u i id die Lymphgef~iBe n u t s ekun- d a r be te i l ig t s ind.

Bei de r absteigenden ~njektlon i s t h~uf ig e ine a b s t e i g e n d e L y m p h a n g i t i s v o r h a n d e n .

E ine groBe B e d e u t u n g ffir die E n t s t e h u n g yon I n f e k t i o n e n de r H a r n w e g e h a t das lymphogene Ubergreiyen der Entz~ndung yon, .h;aehbarorganen. Dieser V o r g a n g wurde bei E r k r a n k u n g e n des W ' u r m f o r t s a t z e s m~d Coecums, bei c h r o n i s c h e m Asci tes , P e r i t o n i t i s n n d E r l c r a n k u n g e n de r we ib l i chen A d n e x e n a c h - gewiesen.

L i t e r a t u r : G. BAcI~u Bull. Soc. nat. Chit. Paris 56, 719 (I93O). - - A. BAUERXlSEN, Z. gyn~k. Urol. z, 233 (1911); 4, I (I913). - - H. ]3OEMIN~}tAUS, Erg. Chit. I9, 583 (1926) - - Arch. kiln. Chir. I54 , 1I 4 (1929). - - H. CHIARI, Med. Jb. ~u 1881, 9. - - ]~. CHRISTELL~:R, Klino ~u 19271, 279. - - C. CIGERI, Studi sassar. 7, I61 (1929). - - DEL:BET, J. d'Urol. IO, 299 (1921). - - ][~ISENDRATtt and J. V. KAHN, J. amer. reed. Assoc. 66 (1915). --

EISENDRA:r~I and SCHULZ, J. amer. reed. Assoc. 68 (1916), - - W. K. FRd~NKEL,. Med. Klin, 193 ~ II, 1281. -- C. ~'RANKE, Arch. :[, Anat. , anat . Abt. 191o, 191 - - Mitt. Grenzgeb. Med. u. Chir. ~2, 623 (1911). - - H. FRIEDRICH, Zbl. Gyn~k. 52, 519 (I928). - - D. GEROTA, Arch. f. Anat. , physiol. Abe. 1897, 428. - - H. GIRGENSOHN, I{lin. Wschr, 1936 II, 1361. - - W. H:BCKE~B~C~, Z. nro1. Chir. 26, 447 (1929). - - M. JAKOBY, Z. Urol. 2I, 141 (1927). - - W. KRAUSE, All- gemeine und mikroskopische Anatomie, Bd, I des Haiidbuches der menschl ichenAnutomie v. C. F. T~. KRAUSE, 3" Aufl. Hannover t 876. - - H. KLtM~IEI, L, Dtsch. Ined. \%'%chr. i92I I, 622. - - M. LAQUII~RE, J. d'Urol. 22, Nr 2 u. 3 (1926). - - H. LEWlN, Z. Urol, 2I, 261 (1927). -- A. v. LICHTENB]~RG, Z. urol. Chir. 3, 238 (1917). - - E. MIN- GAZZINI, Chirurgia dell' apparato urinario :in: Alessandri, Manuale

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di Chirurgia 3, 560. lZom 1933. -- F. NECKER, Pyelitis, Pyelo- nephri t is und Pyoiiephrose. Handbuch der Urologie v. LICI~TEN- :BER G VOELCKER U. V~7ILDBOLZ 3, 690. Berlin 1928. - - W. PuT- SCtIAR, Die entzi~ndlichen Erkrankungei i der ablei tenden Harn- wege usw. t I andbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie 6, 2, 333. Berlin 1934. -- F. H. REDEWILL, J. E. POT- rER and H. A. GARRISON, J. amer. reed. Assoc. 94, 688 (193o). - - IZ. SAKATA, Arch. f. Anat. , anat. Abe. 19o3, I. - - W. ST6CI~L, Zbl. Gyn~k. 6o, 441 (1936) - - Gyn~kologische Urologie 1o/i des Hand- buches der Gyn~kologie yon V~IT-STo~CKEL. B{finchen 1938. - - S. SnGIMUEA, VirchowsArch. 206, 20 (191 I). - - SWEET and STEWARD, Surg. etc. 18 ( 1 9 1 4 ) . - O. USLA~D, Med. rev. (iiorw.) 39, 3 (1922), Ref. Z. urol. Chir. 1I, 83 (1923) . . - K. M. WALKER, Lancet 1922 , 684 u. 694; 193 ~ I, 681 u. 688. -- E. WARSCHAUI~R, Belt. klin. Wschr. 19oi, 399. - - K. Wml;ER, Z. nroL Chir. 27, I (1929). - - S. WER:B- ~OFF, Z. Uroi. 1928, 597- -- H. P. ~,VI~SBI~Ru165 J. of UroL 36 , 469 (1936).

B E I S P I E L E Z U R B E D E U T U N G D E R I N D I V I D U E L L E N VARIABILIT)~T.

Voii

H . HUNGERLAND. Aus der Universit~ts-Kinderklinik Freiburg i. Br. (Leiter: Prof. Dr. C. NOEGGERATH).

E i n wesen t l i che r Teil unse r e r h e u t e gfileigen A n s c h a u u n g e n f iber die B e z i e h u n g e n zwischen de r die K r a n k h e i t aus I6senden B e d i n g u n g e n liege in de r A n e r k e n n u n g d e r B e d e u t u n g d e r K 6 r p e r v e r f a s s u n g oder , wie m a n es n a n n t e , de r IKons t i tu t ion (J: BAUER2), sowie in de r E r k e n n t n i s , d a b diese IKonsf i tu t ion ve r~nde r l i ch u n d wechse lnd ist, d a b sowohl die 1Konst i tuf ion de r e inze lnen I n d i v i d u e n wie die K o n s t i t u t i o n e ines I n d i v i - d u n m s wechse ln k a n n . ALLXRS 1 de f in ie r t e da s \ u d e r K o n s t i t u t i o n ge radezu als , ,e inen gewissen Gte ichgewich t s - z u s t a n d de r e inze lnen O r g a n e " , eine Def in i t ion , die die k o n - s t i tu t ione l l e V e r s c h i e d e n h e i t de r I n d i v i d u e n l e i ch t e rk lg ren lggt . Die Vie lhe i t de r Fakeo ren , die die e inze tnen Lebens - e r s c h e i n u n g e n bed ingen , g e s t a t t e t zah l r e i che tmd sehr ver - sch iedene Gle ichgewich t szus tgnde , wobei diese Ver sch i eden - h e i t abe r v ie l fach e r s t bei de r S t 6 r u n g d e s Gle ichgewich t s m e r k b a r wird. Bei B e t r a c h t u n g e i i f iber die V a r i a b i l i t g t wi rd m e i s t n u t a n eine V e r s c h i e d e n h e i t v e r s c h i e d e n e r I n d i v i d u e n gedach t . Diese V o r s t e l l n n g g r f inde t s ich woh l in e r s t e r Lin ie da rau f , d a b m a n bei de r V a r i a b i l i t ~ t z u n ~ c h s t un0 v o r a l lem a n ~ut3ere k6rpe r l i che Merkma le dach te , die sicb b e i m E r w a c h s e n e n se l t en m e h r ~mdern. Sehr viel se l t ene r wi rd b e a c h t e t , d a b auch eine V a r i a b i l i t g t des e inze lnen I n d i v i d u u m s b e s t e h t , e ine 4ndividuelle Var iab i l i t g t , wie ich sie im Gegen- s a t z zu r V a r i a b i t i t g t ve r sch i edene r I n d i v i d u e n , de r a l l g e m e i n e n Var iab i l i t~ t , b e z e i c h n e n m6ch t e .

DaB diese V a r i a b i l i t g t des I n d i v i d u u m s , d. h . eine zei t l ich weehse lnde R e a k t i o n auf j edesma l gleicbe E inwi rk i ingen , be- r f i cks ich t ig t w e r d e n muB, d a b sie n iche i m m e r b e d a c h t , m a n c h m a l a u c h ia l sch g e d e u t e t wurde , m 6 c h t e ich a n H a n d y o n Beispie len aus de r L i t e r a t u r n n d a n H a n d e igener Ve r suche zeigen.

Vor einiger Zei t ve r6 f f en t l i ch t en SC~ILOMKA u n d F~ENTZ]~N 10 U n t e r s u c h u n g e n fiber das AusmaB u n d die A l t e r s abh i ing igke i t der S c h w a n k u n g e n de r u n b e e i n f l u B t e n V o r m i t t a g s b l u t z u c k e r - kuI~ei1 des Gesunden . I n d iesen V e r s u c h e n w u r d e i m L a u f e eines V o r m i t t a g s y o n 9 - - 1 3 U h r s t f ind l ich de r B l u t z u c k e r be i n f i ch t e rnen , s to f fwechse lgesunden , r u h e n d e n M e n s c h e n be - s t i m m t . I h r e ]3eobach tnngen f f ih r ten sie zu d e m SchluB, d a g die so e r h a l t e n e n V o r m i t t a g s n f i c h t e r n b l u t z u c k e r k u r v e n , ,meh- re re be sonde re T y p e n un te r sche id e n " lassen. Die beobachte te r~ S c h w a n k u n g e n des B lu t zucke r s i m Laufe ehles V o r m i t l a g e s ind s eh r be t rXcht l i ch . Die A n t o r e n s te l len test , d a b die Gr6i3s de r S c h w a n k u n g e n sich i ln D u r c h s c h n i t t ,,als e indeu t ig a b - h ~ n g i g v o m L e b e n s a l t e r " zeigeI1 insofern , als m i t s t e i g e n d e m Al te r das AusmaB der S p o n t a n s c h w a n k u n g e n de r V o r m i t t a g s - b l u t z u c k e r k u r v e a b n i m m t . SCHLOMKA u n d FR~NTZEN k o m - m e n al lf G r u n d i h r e r U n t e r s u c h u n g e n zur Aufsee l lung VOl~ 5 v e r s c h i e d e n e n A b l a u f t y p e n :

T y p I : I m ganzen in~Biger B l u t z u c k e r a b f a l l bis zu e i n e m Tiefs twere e t w a u m 12 U h r .

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680 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . i8. J A H R G A N G . Nr . 19 13. MAI I939

Typ 2: St~rkerer Blutzuckerabfall b i s zu einem Tiefst- wert schon vor 12 Uhr.

Typ 3: W~ihrend der ganzen beobachteten Vormittags- zeit andauernder ]31utzuekerabfall,

Typ 4: V611iges oder doch praktisches Gleichbleiben des Blutzuckers wghrend der ]3eobachtungszeit.

Typ 5: AIIeiniges. oder doch fiberwiegendes Ansteigen des Blutzuckers w~hrend des Vormittags.

Die Feststellung SCI~LOS~t~ und FR~TZXNS, dab die Schwankungen des Nfichternbhltznekers im Laufe des Vor- mittags im jfingeren Aiter erheblich gr6Ber sind ats spgter, veranlaBten uns, hierfiber genauere Untersuchungen anzu- stellen, zumal SCHLOm~.S jfingste Al tersgruppe sich ant Kinder yon 6--1o J a h r e beschdinkte.

Deshalb veranlaBte ich RITTEI~9, Untersuchungen an Kin- dern vorzunehmen, die das Ziet batten, die Schlomkaschen Beobachtungen zu erg~inzen und insbesondere festzustellen, ob sieh auch zwischen Xlteren und jtingeren Kindern Unter- schiede in der Gr6Be der Schwanknngen feststelten liegen.

Kurze Angaben zu diesel" Frage wurden bereits i93I yon E. SVENSGAAlaD ~ gemacht, die im Verlaufe ihrer groB an- gelegten Untersuchungen fiber das Verhalten des }31utzuckers bet gesunden und kranken Kindern bet n Kindern I4 Nfich- ternblutzuekerkurven bestimmte. Sie land meist nut geringe Schwankungen der Blutzuckerkurven, ,,some low, rather long, -waves, lasting ~/~ hour or more". Gelegentlich beobachtet sie auch st~rkere Schwankungen (innerhalb yon 3~/~ Stunden zwischen niedrigstem und h6chstem VVert ether Reihe eine Differenz yon 71 mg%).

Die Svensgaardschen Untersuchungen, fiber die bier zu er6rternde Frage, waren zu unsystematisch und kurz, um verwertet werden zu k6nnen, deshalb untersuchte RITTER 4 ~ stoffwechselgesunde Kinder im Alter yon 1 - - i2 Jahren. Diese Kinder erhielten am Vorabend gegen 18 Uhr ihre letzte Mahlzeit und am folgenden Morgen wurde yon 8--12 Uhr stfindlich der ]31utzucker b e s t i m m t

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen ergaben batd, dab man, sofern man fiberhaupt ,,typische" Kurven auf- stetlen wolIte, weitere Kurventypen einffihren muBte, und zwar einen :

Typ 6: Blutzuckeransfieg in den ersten 1--2 Stunden, dann absinkend.

Typ 7: Blutzuckeranstieg in den ersten 3 Stunden. Typ 8: V611ig regelloses Sehwanken des Blutzuekers.

(Dieser Typ bedeutete ein Sammelbeeken ffir alle jene Kurven, die anderweitig nicht unterzubringen waren.)

Es zeigte sich bemerkenswerterweise, dab der Schlomka- sche Typ 4 ( = v611iges oder doch praktisches Gleichbleiben des Blntzuckers) in unseren Untersuchungsreihen nietlt vorkam, eine Best~tigung der Sehlomkasehen Feststetlnng, dab die Schwankungsbreite des ]31utzuckers in jiingeren Jahren gr6Ber ist.

In der Tabelle I sind die Mit telwertskurven der einzelnen Typen unserer Nachuntersuchung, ihre mittlere Schwankungs- breite und die H~ufigkeit ihres Vorkommens wiedergegeben:

Tabellei. M i t t e l w e r t s k u r v e n der e i n z e l n e n Typen .

Typ

I

2

3 4 5 6 7 8

8 Uhr

88 74 79

8I 72 77 79

9 Uhr

79 68 78

81 8t 75

zo Uhr

7 ~ 68 7I

9I 82 82 78

iiUhr

66

73 67

92 75 9o 76

x2 Uhr

68 75 61

93 62 79 71

E

Schwan- I kungs- breite

31 IO 23

II 19 I4 i6

Vorkommea

absotut reladv %

2 5 5 12,5

II 27,5

7,5 I5,o

5 Ia,5 8 20

Eine Beziehung zwischen best immten Typen und Alters- gruppen (die Kinder wurden in 4 Altersgruppen eingeteilt: I. Gruppe 1--3 Jahre, 2. Gruppe 4- -6 Jahre, 3. Gruppe 7- -9 Jahre, 4. Gruppe Io--12 Jahre) HeB sich nicht fest- stellen. AuBerdem war es zweifellos schwierig, gelegentlich

Kurven einem bestimmten Typ zuzuordnen; und so entstand fast yon selbst die Frage, ob eine Tgpeneinteilung, wie sie SCHLOMK~i angeregt hat, fiberhaupt sinnvoll ist.

Wenn die Nfichternblutzuckerwerte stark schwanken, so erscheint eine Typeneinteilung doch nur dann sinnvoll, wenn eine individuelle Konstanz im Ablaut der Schwankungen vorhanden wgre, wenn ein lVIensch, wenigstens innerhalb einer Altersstufe, einem bestimmten Typus zugeordnet werden k6nnte und so seine Kurve tats~ichlich Ausdruek ,,eines bestimmten vegetativen Rhy thmus" (ScHLO~IKA) w~re.

Um dies zu untersuchen, wurden bet io Kindern unter gleichen ~uBeren Besuchsbedingungen die Vormittags~fich- ternblutzuckerkurven ein zweites Mal best immt und die Ergebnisse einander gegenfibergestellt (s. Tabelle 2).

Tabelle2. D o p p e l v e r s u c h e u n t e r g l e i chen B e d i n g u n g e n bet io Kindern .

Uhr Schwan- Alter Nr. 8 Uhr 9 Uhr Io zI Uhr I2 Uhr kungs- Typ breite Jahre

3In 3Ib

32a 32b

33a 33b

34a 34b

2a 2b

i2a i2b

36a 36b

24a 24b

I9a I9b

35a 35b

89 86

97 95

89 8I

79 8o

65 7 ~

93 75

78 8i

74 85

77 Io5

s~ 68

98 86

94 86

75 8I

72 68

72 7o

76 67

74 72

79 78

75 83

67 64

95 86

80 86

73 8I

79 68

66 65

76 6I

74 76

83 67

44 79 82 71

lO5 75

83 92

66 72

63 71

85 67

76 56

73 63

90 58

38 75

72 65

98 68

80 9 ~ 68 69

61 74

76 72

59 56

63 75

76 60

36 65

68 72

IO 18

17 9

23 I2

18 12

20 7

35 19

I5 18

I6 27

41 4 ~

15 8

II,6 II,6

II,I II,l

IO,7 IO,7

II,6 II,6

3,3 1 3,3

4,I 4,1

I2,8

7, I 7,I

4,7 4,7

II, 5 II, 5

Nur be t 3 IZindern fand sieh auch das zweite Mal der ,,gleiche Ablauf typ" : doch gerade in diesen Fgllen handelte es sich einmal um ,,Typ 8", jenem Typ, d e r n u r als Sammel- becken verschiedenster KurvenabI~ufe bezeichnet werden kann und 2mal um Typ 3, der sowieso der hgufigste ist. Die Schwankungsbreite ist bet ein und demselben Individuum sehr wechselnd, z. ]3. bet einem Kind einmaI 35 rag%, das zweite MaI 19 mg % ! Auch SVE~SOAARD machte bet 3 wieder- holten Untersuchungen ghnliche 13eobachtungen.

Gerade die letzten Untersuchungen zeigen, dab eine Typeneinteilung ffir das Kindesalter, und wie noch zu zeigen sein wird, auch ftir das Erwachsenenalter, keinen Sinn hat! Sicher ist nur, dab starke spontane Schwankungen des Nfich- ternblutzuckers im Verlaufe eines Vormittags beobachtet werden k6nnen. . Abet diese Schwankungen sind offenbar auch individuell vorhanden. Eine einzige Kurve bedentet n ichts Charakteristisches ffir das Individuum und nichts mit Sicherheit Reproduzierbares.

Und bier scheint mir der grunds~itzliche Fehler SCHLOHKAS zu riegen, auf den, weil er in der Literatur hgufiger ist, ngher eingegangen werden soll.

Der Versuch SCHLOMKAS, eine Typeneinteilung durchzu- ftihren, ist im Grunde nichts anderes, als die Vernacht~issigung der Tatsache der al lgemeinen und individuellen YariabiHtgt. Ats J. H. B u I ~ ~ I922 die %Virksamkeit yon Digitalis mit der Hatcherschen Katzenmethode untersuchte, kam er mit ein und derselben Probe zu sehr verschiedenen Ergebnissen. Die i6dtiche Dosis pro Kilogramm ffir verschiedene Katzen war #uBerst verschieden. Man schloB daraus, dab die Methode wertlos set ~ und erkannte zungchst nicht 'die Tatsache der Tiervariation. Der entscheidende Fortschri t t ant dem Ge-

~3. 1~AI 1939 K L I N I S C I ? I E W O C H E N S C H R I F T , 18. J A H R G A N G . Nr. 19 68 I

biete biologischer ~tIethoden liegt in der Anerkennung der Tatsache der Tiervariation.

Wir wissen heute, ~daB es nicht aageht, quant i ta t ive Schlfisse allgemeiner Art aus Daten zu ziehen, die aus einem Versuch bei einer Versuchsperson gewonaen sind. Nur der Mittelwert m6glichst zahlreicher Bestimmungen gewinnt einea biologischen Sinn und ist verwendbar.

Wenn wit. eine Typeneinteilung. im Sinne SCI~LO~IKAS durchffihren, so bedeutet das nichts anderes, Ms dab wir die allgemeine biologische Variabilit~t der Individuen einer Spezies anerkenaen, sie beim Individuum selbst abet leugnen. Man postnliert auf diese Weise eine individuelle t<oiistanz, die tats~chlich nicht existiert. Denn die individuelle Variabili- t~t besteht zu verschiedenen Zeitpunkten in derselben Weise, wie die Variabi!it~t differenter hqdividuen in einem gleichen Zeitpunkt. Die Var iab i l i t~ des Individuums ist nUr. die Vr der Variabilit/~t der Spezies.

Tats~chlich ergibt die n~there Betrachtung der Schlomka- schen Tabellen wie auch der eigeneii sebr deutlieh, dab die versuchte Typeneinteilung nur eine falsche Methode der Betrachtung darstellt, d i e d a s Variationsgesetz ffir das Ind iv idnum nicht anerkeant.

13erechnen wir z. ]3. an Hand der Tabelle 2 SCHLOMKAS aus den 5 verschiedenen ,,Typen" ihre Mi~elwertskurve, so ergibt sich folgende Reihe : 95, 93, 93, 9I, 92, eine fast waag- reclht verlautende Kurve mit geringer Sehwankung. Ffihren wit diese Rechntmg an Hand der eigenen , ,Typenkurven" dm:ch, so erhalten wir 79, 78, 77, 77, 73, eine auBerordentlieh /~hnliche Kurve, die im ganzen nu t niedriger liegt, da der kindliche Nfichternblutzucker an sich niedriger ist.

Dabei begegnen wir dieser Kurvenform in SCt~LO~KAS Arbeit setbst. In der Abb. 2 und Tabelle 4 seiner Arbei t sind Mittelwertskurven angegeben, also eiazig verwertbare Kurven im biologischen Siam Und diese Kurven entspre- chert in guter A n n ~ e r u n g der oben errechneteii Mittelwerts- kurve; die Differenzen sind sogar auffalIend gering, wenn man bedenkt, dab der ersten yon mir errechneten ~V[ittelwerts- km:ve 8o F~lle, seinen Kurven in Abb. 2 je 2o F/~lle zugrunde liegen. So muB auch SCt~LO~Ir feststellen, dab ,,die Mittel- werte des Blutzuckers ffir alle Altersstufen im gro/3en einen gleiehartigen Verlau] entsprechend dem oben herausgesonderten und hd~u]igsten Typ 1" zeigen. Damit wird im Grunde eigent- licl~ sehon best~tigt, das der vorausgegangeiie Versuch der T)~peneinteiluag nur die fehlerhafte Verwertung des Variations- gesetzes darstellt.

Freilich, and das scheint mir grunds~tzlich wichtig, zu betonen, scheint es so, Ms ob heute allgemein die Tiervariatioa richtig aiierkannt wird, d .h . dab mehrere Tiere auf einen Eingriff nicht gleich, sondern im IZahmen der ,,Streuung" reagieren. Aber s z. ]3. B u ~ klar betont, dab die Annahme, dab ,,die Reaktion der Tiere sich nicht ~iidert", eine ]3ehauptung w~re, die etwa der Verkfindigung der Ent - deckung des Perpetuum mobile eatspr~che, trotzdem scheint mir: gerade diese Erkenntnis n ich t in derselben Weise in das ]3ewuBtsein der Kliniker gedrungen zu sein.

Es ist offenbar so, dab das, was f fir verschiedene Individuen zur gleiehen Zeit gilt, auch ffir ein Individuum zu ve~chiedenen Zeiten gilt oder so ausgedrfickt, vorausgesetzt, dab ein Versuch keinen EinfluB auf den n~chstfolgenden gleichen Versach ausfibt, ist es theoretisch denkbar, das man das gleiche Er- gebnis erh~lt, wenn man einmal IOO gleiche Versuche an einem IIIdividuum zu verschiedeneii Zeiten oder IOO gleiche Versuche an IOO verschiedenen Individuen zu gleicher Zeit ausffihrt.

Ich bin diesen Fragen in der Literatur und in eigenen Versuchen nachgegangen. Tats~tchlich gelingt es z. ]3. leicht, bei der Untersuchung des Verhaltens des ]31utzuckers nach intramuskul~rer Injekkion yon 0,2 E. Insulin/kg bei Kindern ,,typische 1Reaktionskurven" zu konstruieren. Abet die doppelte oder 3fache ]3~stimmung einer solchen Kurve bei ein und demselben Individuum zeigt sofort, dab es sich bier nicht um individaelle Eigentfimlichkeiten, um ,,Reaktions- typen" handelt, sondern um die ]3eobachtung der allgemeinen und individuetlen Variation.

Ein einzelnes Kind zeig~ bei mehreren Wiederholuagen des Versuches ebensolche Unterschiede in der Reaktion, wie mehrere Kinder bei einmaliger Durchffihrung des Ver- suches. Die 3gittelwertskurve zeigt einen gleichm~13igen Abfall (s. Abb. I).

~ ", . , . ~ , ,

ZLY. ] , ,

$6 O .gO 60 1dO : . . . . . . Min.1~O Abb. I, Blutzuckersenkung nach o,~ E. Insuliu pro kg K6rpergewicht. Mittelwerts-

klarve alls 22 Versiichen.

Dieselben Beobachtungeii wiederholten sich bei Versuchen~ fiber das Verhalten des Blutzuckers nach Zuckerbela~tungen, bei Versuchen fiber das Verhalten des Blutdruel~s und der PulsJrequenz im Liegen and Stehen und nach Kniebeugen, bei Versuchen fiber die Harnausscheidung nach Wassertrinlcen, nach Versuchen fiber die \~Tirkung des Veritols auf den Blut- druck und die Pulsfrequenz. Immer wieder wurde zu ver- schiedenen Zeitpunkten eine verschiedene Reaktion eine~ Individuums auf den gleichen Eingriff festgestellt.

Entsprechendeii Beobachtungen begegiien wir in der Literatur: 193 3 zeigt voN t)]~IN s, wie der wiederholte Kauff- mannsche Diureseversuch bei ein und demselben Pat ienten auBerordentlich verschieden, wie er einmal ,,positiv, ein anderes Mal ,,negativ" verlaufen kann. Diese Versucl~e zeigen, wie beim Kauffmannsehen Diureseversuch die indi- viduelle Variabilit~t ebenso groB ist wie die Variabilit~t ver- schiedener Individuea. Sicherlich wurden hier Vorg~nge untersucht, die sieh bekanntermaBen durch besonders groge Sehwaakuagen auszeichneii.

Aus diesen Grfiaden sagt die einmalige und alleinige Durchfifilrung des Kaufhnannschen ~Tasserversuches sehr wenig aus.

Auf einem Gebiet dagegen, in dem bis heute die M6glich- keit einer gr6Beren Schwankungsbreite kaum anerkaant wurde, zeigten kiirzlich L. DELIUS and H. t{EINDELL 5, dab auch hier deutliche Schwierigkeiten bestehen. Die Verfasser konuten zeigen, dab bei vollkommen Gesunden elektrokardio- graphische Befunde erhoben ~verden konnten, die man ohne weiteres, ohne Kenntnis der Versuchsperson, als pathologisch bezeichnen wfirde. Sie zeigen an diesea Beispielen, dab die Schwankungsbreite bestimnmter Charakteristica gr613er ist, a]s man bisher angenommen hatte. Aber wichtiger in diesem Zusammenhang ist der Befund wechselnder elektrokardio- graphischer Befunde beim selben Individuum, eine Best~tigung des Besteheas der individuellen Variabilit~tt. Es scheint mir nicht ausgeschlossea, dal3 man auch auf diesem Gebiet einmal zu demselben SchluB kommen k6nnte, der bei den Kauff- mannschen Wasserversuehen gezogen wurde.

Wieweit kaan dann aber fiberhaupt noch von einer Sicher- heir bei der Deutung bestimmter einmaliger ]3efunde gespro- chea we~den. Tats~chlich ist sie bei der Voraussetzung der individuellen Variabilit~t gering, wenn es sich um die Unter- suchung zwei]elha]ter Zusti~nde handelt. Grunds~Ltzlich be- stehen 2 MSglichkeitcn einer Sicherung des Befundes.

I. Die wiederholte Untersuchung, deren Zahl verhaltnis- m~f3ig grol3 sein mfil3te. Diese Methode ist unbequem und auch nur dann durchffihrbar, wenn es sicher ist, dab eiii Vet- such den n~chs• nicht beeinfiu/3s eine Voraassefzung, die durchaus nicht immer erffillt ist.

2. Anwendung versch~edeaer Untersuehungsmethoden , er- fahrungsgemiig die Methode der Wahl.

%Venn im 2. Falle alle 13efunde in eine bestimmte IZich- tung weisen, so ist es unwahrscheinlich, dab wir immer zu- f~illig in den Grenzbereich der m6glichen individuellen Schwan- kung gelangt w~.reii nnd unser Befund ein Irrtum ist.

In der Schlomkaschell Arbeit linden wir noch eine weitere ]3est~tigung daffir, dab seine Befunde nu t der Ausdruck des Variabilit~tsgesetzes sind.

]3etrachten ~ i r z, ]3. als Variable d i e gr6Bte Differenz zwischen maximalen und minimalen XYert i n n e r h a l b einer

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Typenreihe und untersuchen dann, wie h~ufig die verschie- ,denen Differenzen sind (in diesem FMle bedeutes dies nichts anderes als die H~ufigkeit der Typen), so l~Bt sich graphisch eine Kurve darstellen, die in Abb. 2 wiedergegeben ist. Die Diffe- renzen sind bier zu gewissen Intervallen der Gr6Be yon o--5, '6--IO, I !--I 5 mg % USW. zusammengefaBt und auf der Abszisse abgetragen. Die H~ufigkeit des Vorkommens der Differenzen innerhalb eines Intervalls ist auf der Ordinate abgetragen.

Diese Kurve entsprieht weitgehend einer Kurve der ,,normalen H~ufigkeitsverteilung". Legen wit unsere eigenen VCerte zugrunde, so erhalten wir, wie Abb. 2 ebenfMls zeigt, ei ne ~hnliche Kurve; die Abweichung unserer Kurve yon der

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~/'dffe depA'ntg/'vo'll~ Abb. 2. ErkI~rung im Text.

SCHLOMKAS erkl~Lrt sich einmal aus der geringeren Zahl der F~lle, zum anderen entspricht die Ver- schiebung des Gipfels der Kurve nach rechts m6glicherweise den Verh~ltnissen bei Kindern, bei denen die Schwankungsbreite an sich gr6Ber ist als bei Erwach- senen.

Die grof3e Zahl der wirksamen K0mponenten im Organismus ist die Ursache der biologischen Vari- abilit~t, und sie ist die Ursache f fir die Schwierigkeiten der biolo- gischen Forschung, die oft deshalb weniger exakt erscheint, als die Ergebnisse derChemie und Physik, weil sie nicht in der Lage ist, die grebe Zahl der variablen Kom- ponenten zu fibersehen oder, wenn schon dies gel~nge, sie

mathematisch zu behandeln. Die Kompliziertheit der Situa- tion ergibt sich unmittelbar, wenn man bedenkt, dab ,,in einem System yon Variablen . . . jede Vergnderliche im all- gemeinen eine Funktion der anderen n - - I ''~ ist. Auf diese Weise kommt eine Unzahl sekundgrer Vergnderungen zu- stande, die uniibersehbar werden, so dab die statistische Behandlung der Probleme als die einzig m6gliehe erscheint.

Die Variabilitgt selbst scheint ein wesentliches Charakte- risticum des Lebens iiberhaupt zu sein und die Ergebnisse der neueren Untersuchungen der hochmolekularen organi- schen Stoffe, wie Stgrke und Eiweig, bieten eine merkwfirdige und fiberrasehende Best~tigung der Vorggnge im gesamten Organismus: Scheint es doch so zu sein, dab es unm6glich ist, f fir diese Stoffe fiberhaupt feststehende Molekularformeln aufzu- stellen, dab diese Stoffe Molektile yon weehselnder Gr6Be bildenK

Der variable Zustand des Gesamtorganismus ist vielleicht nut die ~Viederholung und der Ausdruck der wechselnden Gr6ge seiner kleinsten organischen Bauelemente.

ZusammenJassung: Es wurde die Bedeutung der indivi- duellen Variabilit~t an ]3eispielen aus der Li teratur und auf Grund eigener Versuche dargelegt: die Schlomkaschen Unter- suchungen fiber die Schwankungen des Nfichternblutzuckers, ihre Nachprfifung durch RITTER, die eigenen Untersnchungen fiber das VerhMten des BIutzuckers nach Insulin, fiber die Veri- tolwirkung, fiber das Verhalten des Kreislaufs nach Belastung, die Untersuchungen yon PEINS fiber den Kauffmannschen ~Vasserversueh, die Beobachtungen yon DxLilJs und REI~DELL am Ekg. des Menschen beweisen, dab die Variabilit~t des Indi- viduums ebenso berfieksichtigt werden muB wie die Variabi- Iit~t verschiedener Individuen seit Iangem anerkannt wurde.

L i t e r a t u r : 1 ALLERS, zit. nach J. ]3AUERL2. -- ~- J. BAUER, Die konstitufionelle Disposition zu inneren Krankheiten, 3. Aufl. Berlin: Julius Springer I924. -- 3 B. BAVlNK, Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften, 5. Aufl. Leipzig: Hirzel 1933. _ 4 J .H . BURN, Biologische Auswertungsmethoden. Berlin: Julius Springer 1937. -- 5 L. DELtUS u. H. R:glNDELL, Dtsch. Arch. klin. Med. x8x, 67 (1937). -- ~ L. J. HEXDERSOI;, Blur. Dres- den u. Leipzig: Th. Steinkopff 1932. -- ~ It. HUI;GERLAI~D, noch unver6ffentlichte Versuche. ~- s v . PEIN, I~lin. Wsehr. I933, 1935. -- 9 FI. 1RITTER, Diss. Freiburg i. Br. I939. -- ~0 G. SCHLOMKA U. H , FRENTZEN, K l i n . W s c h r . 1938 , 48. -- ~* E. SVENSGAARD, A c t a paediatr. (Stockh.) x2, Suppl. 4 (x93I) �9

U B E R EINE D E R RONTGENWIRKUNG ~ H N L I C H E CHROMOSOMENSCHADIGUNG IN DEN EPIDERMIS-

ZELLEN VON A M P H I B I E N L A R V E N NACH B E H A N D L U N G MIT NEUTRALROT.

V o n

Dr. habil. WOLFGANG LIJTI~R, Assistent am Strahlenbiologischen Laboratorimn.

Aus dem Strahleninstitut des KatharineIxhospitals Stuttgart (Direktor: Dozent Dr. reed, habiI. REISNER) und dem R6ntgenlaboratofium der Technischen Hoch-

schule Stuttgart (Direktor: Prof, GLOCKER).

Versuche, durch R6ntgenstrahten im lebenden Gewebeher- vorgebrachte Ver~nderungen durch andere Mittel chemischer oder physikalischer Art in gleicher \Veise zu erzielen, sind besonders in der Frfihzeit der R6ntgenstrahlenforschung wiederhott durchgefiihrt worden. Man ging dabei yon der Vorstellung aus, dab durch die unmittelbare Einwirkung der R6ntgenstrahlen Produkte erzeugt wfirden, die in gleicher Weise wie ein yon auBen herangebrachtes Gift auf den Lebens- ablauf der Zellen einwirken. Die Untersuchung der physika- lischenVorg/~nge, die sich an die Bestrahlungen mit den fibtichen Dosen anschlieBen, ergibt, dab die unmittelbare Erzeugung yon Giftstoffen in pharmakologisch wirksamen Mengen in der Zelle bei vielen untersuebten Objekten nicht in Frage kommt, Das Primate der Strahlenwirkung ist naeh neueren An- schauungen ein Vorgang, der sich nur an wenigen, aber fiir die Weiterentwicklung der Zelle unentbehrlichen Molekfilen abspielt. In einigen F~llen, wie bei den Genmutationen, genfigt vielleicht schon ein einziger Ionisationsakt bzw. eine Molekfilanregung, um eine irreversible Erb~nderung hervor- zurufen. Das, was uns als Strahlenwirkung auffbllt, ist erst das Ende einer langen Kette yon gesetzm~Bigen Vorg~ngen. Die Tatsache, dab wir einzelne dieser Erscheinungen auch durch chemische oder andere Mittel hervorbringen k6nnen, ist ftir das Verst~ndnis der eigentlichen Strahlenwirkung yon ver- h~ltnism/iBig geringer Bedeutung.

Anders verhielte es sich, wenn es gel~nge, mit einem g/inz- lich anderen Mittet die ganze Reihe der uns bekannten Strah- lenreaktionen nacheinander in der gleichen Reihenfolge im Versuch zu wiederholen. Dann w~re die M6glichkeit gegeben, den Anfangsgliedern unserer ReaMionskette und damit dem Prim~rvorgang selbst yon der physiologisch-chemischen Seite her nbherzukommen. P. JORDAN hat kfirzlich in einer aus- ffihrlichen theoretischen Arbeit die M6glichkeit er6rtert, dab best immte chemische Substanzen 5hnlich wie die kurzweltigen Strahlen nicht unmittelbar toxisch wirken, sondern zunAchst nut einige wenige Molekfile (den ,,Steuermechanismus der Zelle") so verXndern, dab die weitere Entwicklung des Zell- organismus in anormMer Bahn weiterverI~nft, unter Um- st~nden bis zum Tode der Zelle.

Den Angriffspunkt eines solchen ,,Treffergiftes" wird man ebenso ~a4e den der kurzwelligen Strahlen wohl am ehesten im Zellkern vermuten mfissen, vor allem also an den Genen und ihren stofflichen Tr~gern, den Chromosomen. St6rungen des Chromosomenmechanismus geh6ren zu den am l~ngsten bekannten Folgen der Einwirkung der kurzwelligen Strahlen auf die lebende Zelle.

Es erscheint daher x~dchtig, dab wir dutch einen in der experimentelten Physiologie oft verwendeten Farbstoff, das NeutrMrot, Chromosomensf6rungen erhaiten konnten, die denen nach R6ntgenbestrahlung weitgehend entsprechen.

Die Versuche wurden an Larven des Feuersatamanders und des Teichmolehes (Salamandra maculosa bzw. Tri ton taeniatns) durehgeffihrt. Die Strahlenreaktion in den Horn- hautzellen des Auges dieser Larven ist yon ALB~RTI und POI.ITZEI~ ausffihrlich dargestellt worden und kann als typiseh ffir die Zellen der sog. ,,Mausergewebe", d. h. der Gewebe, die stgndig weiterwachsen, gelten. Schon bald naeh der Bestrah- lung finder man eine Frfihreaktion (,,Primgreffekt") in Form einer charakteristisehen Sch~idigung der gerade ablaufenden Mitosen. Das Chromatin dieser Zellen verklumpt zu einer formlosen Masse, eine Trennung der Chromosomen ist nicht mehr m6glich, und die Teilkerne h~ingen, wenn die Plasma-