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Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der öffent- lichen Beschaffung von Verpflegungsdienstleistungen Eine Analyse von politischem Anspruch und administrativer Wirklich- keit in Berlin und Brandenburg Bachelorarbeit Michaela Haack Matrikelnummer: 11207372 Erstbetreuerin: Dr. Susanne Freifrau von Münchhausen Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Anna Maria Häring Eberswalde, 04.03.2016

Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der ...€¦ · Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Berücksichtigung

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  • Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

    Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der öffent-

    lichen Beschaffung von Verpflegungsdienstleistungen

    Eine Analyse von politischem Anspruch und administrativer Wirklich-

    keit in Berlin und Brandenburg

    Bachelorarbeit

    Michaela Haack

    Matrikelnummer: 11207372

    Erstbetreuerin: Dr. Susanne Freifrau von Münchhausen Zweitbetreuerin: Prof. Dr. Anna Maria Häring Eberswalde, 04.03.2016

  • II

    Zusammenfassung

    Mit dem wachsenden Bewusstsein für den Wert und die Notwendigkeit einer nach-

    haltigen Wirtschaftsweise, nimmt auch die Verantwortung des Staates bei der Be-

    schaffung von Gütern und Dienstleistungen zu. Die öffentliche Hand verfügt mit ei-

    nem Beschaffungsvolumen von 19 % des europäischen Bruttoinlandsproduktes

    über die nötige Nachfragmacht, um eine nachhaltige Entwicklung durch die Berück-

    sichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Kriterien in öffentlichen Verga-

    beverfahren voranzutreiben. Dieses Potenzial scheint jedoch – trotz sich ändernder

    vergaberechtlicher Rahmenbedingungen – bisher nicht ausgeschöpft zu werden. Im

    Bereich der Gemeinschaftsverpflegung deuten verschiedene Berichte aus Forschung

    und Praxis auf eine Diskrepanz zwischen gesellschaftspolitischem Anspruch

    und administrativer Umsetzung bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszie-

    len in der öffentlichen Beschaffung hin.

    Zwar konnten in der bisherigen Forschung Barrieren identifiziert werden, die die

    Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren hemmen. Um jedoch

    Ansatzpunkte für zielgerichtete Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Be-

    schaffung herauszustellen, ist es das Forschungsziel dieser Arbeit konkrete

    Schwachstellen in Vergabeverfahren für Verpflegungsdienstleistungen aufzuzeigen.

    Damit soll diese Arbeit einen Beitrag zur Schließung der Lücke zwischen Theorie

    und Praxis leisten. Die Analyse basiert auf Fallstudien für die Verpflegung von Schu-

    len und Kitas in Berlin und Brandenburg.

    Der methodische Ansatz zur Umsetzung des Forschungsziels umfasst drei Schritte:

    (1) eine Literaturanalyse zeigt Kriterien und Nutzen nachhaltiger Verpflegungs-

    dienstleistungen sowie deren vergaberechtliche Rahmenbedingungen

    (2) eine Analyse von Vergabeunterlagen für Verpflegungsdienstleistungen stellt

    heraus, inwieweit Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren tatsächlich berück-

    sichtigt werden

    (3) mithilfe von Experteninterviews wird bewertet, inwieweit die zuletzt durchge-

    führten Beschaffungsprozesse nachhaltige Verpflegungsdienstleistungen fördern

    oder hemmen

    Die Ergebnisse der durchgeführten Analysen bestätigen die Diskrepanz zwischen

    Theorie und Praxis in der öffentlichen Vergabe von Verpflegungsdienstleistungen.

    Die Literaturanalyse zeigt, dass die Beschaffung nachhaltiger Verpflegungsdienst-

  • III

    leistungen sowohl rechtlich umsetzbar als auch gesellschaftspolitisch erwünscht ist.

    Als relevante Nachhaltigkeitsaspekte gelten: Lebensmittel aus ökologischer Erzeu-

    gung, Regionalität, Abfallvermeidung/Nutzung umweltfreundlicher Geräte und Rei-

    nigungsmittel, Einhaltung sozialer Standards, Förderung von kleinen und mittleren

    Unternehmen und die Förderung von Innovationen. Die Modernisierung des euro-

    paweiten Vergaberechts im Jahr 2004 ermöglicht die Berücksichtigung der genann-

    ten Kriterien in öffentlichen Vergabeverfahren. Unterschiede lassen sich jedoch in

    den Länderregelungen in Berlin und Brandenburg erkennen. In diesen werden

    Nachhaltigkeitsziele verschieden priorisiert.

    Die Auswertung der Vergabeunterlagen und der Expertengespräche zeigt, dass

    die Potenziale einer nachhaltigen Beschaffung in Berlin und Brandenburg unter-

    schiedlich ausgeschöpft werden. In Berlin hat die politische Entscheidung einheitli-

    cher Ausschreibungen und eines Festpreises von 3,25 Euro für ein Mittagessen in

    Schulen zu einem „Qualitätswettbewerb“ unter den Catering-Unternehmen und ei-

    nem damit verbundenen Anstieg des Bio-Anteils auf über 40 % geführt. Die Auftei-

    lung der Aufträge in kleine Losgrößen ermöglichte es, dass sich unter den insgesamt

    knapp 20 Catering-Firmen, die die Zuschläge für das Schulessen erhielten, auch viele

    kleine Unternehmen befinden. Als kritisch zu betrachten sind die gewählten Zu-

    schlagskriterien: 50 % der Punkte werden für die (wirklichkeitsferne) Verkostung

    des Essens vergeben, während weitere relevante Nachhaltigkeitskriterien – wie z. B.

    die Produktherkunft – in den Berliner Vergabeverfahren keine Rolle spielen. In

    Brandenburg ist die öffentliche Beschaffung von Verpflegungsdienstleistungen im

    Gegensatz zu Berlin durch einen Preiswettbewerb gekennzeichnet, was in einem

    Durchschnittspreis von 2,57 Euro pro Mittagessen resultiert. Nachhaltigkeitskrite-

    rien waren für die Vergabeentscheidungen kaum ausschlaggebend. Losgrößen bis zu

    1.600 Essen pro Tag, damit verbundene große Auftragswerte und die Erfordernis

    vergleichbarer Referenzen erschweren den Marktzugang für kleine und neugegrün-

    dete Unternehmen. Uneinheitliche Zuschlagskriterien und unterschiedliche Ausle-

    gungen von Kriterien wie „Regionalität“ führen zu Intransparenz und dazu, dass sich

    die Unternehmen schwer auf die Bedürfnisse des Marktes einstellen können.

    Ansatzpunkte für Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeitszielen, die

    sich aus dem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis ergeben, sind

    die Abstimmung über einen Fest- oder Mindestpreis in Brandenburg bzw.

    die Erhöhung des festgelegten Preises in Berlin

  • IV

    Teilung der Aufträge in Losgrößen, die den Zugang für kleine und neuge-

    gründete Unternehmen ermöglichen

    transparente, einheitliche, klar definierte und leicht überprüfbare

    Zuschlagskriterien

    Berücksichtigung von weiteren Nachhaltigkeitszielen, wie der Produkther-

    kunft, Abfallvermeidung, Innovationsförderung

    Um diese Ziele gemeinsam mit den Catering-Unternehmen umzusetzen, kann die

    vergaberechtlich geregelte Möglichkeit des Dialoges mit potenziellen Bietern1 ein

    bisher nicht genutztes Instrument darstellen.

    1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit bei Personenbezeichnungen nicht in männliche und weibliche Formen unterschieden. Es wird versucht, genderneutrale Bezeichnungen zu wählen. Wenn dies in einzelnen Fällen nicht möglich ist und die männliche Form verwendet wird, ist die weibliche Form jedoch immer mitgemeint.

  • V

    Inhalt

    Zusammenfassung .................................................................................................................................... II

    Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................................... VII

    Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ............................................................................................ VII

    1 Einleitung ............................................................................................................................ 1

    1.1 Hintergrund .............................................................................................................................................. 1

    1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 3

    2 Bisherige Forschungsergebnisse zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen in der Vergabepraxis ........................................................... 5

    2.1 Stand der Diskussion und aktuelle Umsetzung ......................................................................... 5

    2.2 Einschätzung des Forschungsstandes ........................................................................................ 11

    3 Ziele und Potenziale nachhaltiger Verpflegungsdienstleistungen .............. 13

    3.1 Gesellschaftspolitischer Anspruch ............................................................................................... 13

    3.1.1 Kriterien nachhaltiger Verpflegungsdienstleistungen .......................................... 13 3.1.2 Umweltleistungen ................................................................................................................. 15 3.1.3 Sozialorientierte Leistungen ............................................................................................. 16 3.1.4 Wirtschaftliche Entwicklung ............................................................................................ 17

    3.2 Vergaberechtlicher Rahmen ........................................................................................................... 20

    3.2.1 Anwendungsbereich des Vergaberechts ..................................................................... 20 3.2.2 Europäische Vergaberichtlinien ...................................................................................... 22 3.2.3 Umsetzung auf Bundesebene ........................................................................................... 23 3.2.4 Regelungen in Berlin und Brandenburg ...................................................................... 25

    3.3 Umsetzbarkeit von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren .............................. 27

    3.3.1 Besonderheiten der Vergabe für Verpflegungsdienstleistungen ..................... 27 3.3.2 Anforderungen an die Formulierung von Vergabekriterien .............................. 28 3.3.3 Rechtliche Möglichkeiten der Berücksichtigung von

    Nachhaltigkeitskriterien ..................................................................................................... 30

    4 Methodischer Ansatz und Untersuchungsumfang ............................................. 34

    4.1 Ziele und Umfang der Untersuchung .......................................................................................... 34

    4.2 Auswahl von Fallbeispielen und Experten ............................................................................... 35

    4.3 Analyse Vergabeunterlagen ............................................................................................................ 36

    4.4 Durchführung von Expertengesprächen ................................................................................... 37

    5 Ergebnisse ........................................................................................................................ 38

    5.1 Auswertung Vergabeunterlagen ................................................................................................... 38

    5.1.1 Berlin ........................................................................................................................................... 38

  • VI

    5.1.2 Brandenburg ............................................................................................................................ 40

    5.2 Auswertung Expertengespräche................................................................................................... 45

    6 Diskussion der Ergebnisse ......................................................................................... 49

    7 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 52

    Anhang ....................................................................................................................................................... LVI

  • VII

    Abkürzungsverzeichnis

    Abs. Absatz

    BbgVergG Brandenburgisches Vergabegesetz

    BerlAVG Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz

    DGE Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.

    DLK Dienstleistungskonzession

    EU Europäische Union

    GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

    k.A. keine Angaben, keine Angaben

    KMU Kleine und mittlere Unternehmen

    VDL Verpflegungsdienstleistungen

    VS Vergabestelle

    VwVBU Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt

    Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

    Tabelle 1: Schwellenwerte für europaweite Ausschreibung ................................................20

    Tabelle 2: Arten der Auftragsvergabe ............................................................................................21

    Tabelle 3: Auswertung Vergabeunterlagen Berlin ...................................................................39

    Tabelle 4: Auftragswerte und Losgrößen in Brandenburg ...................................................42

    Tabelle 5: Zuschlagskriterien Vergabestelle 2 ...........................................................................43

    Tabelle 6: Zuschlagskriterien Vergabestelle 3 ...........................................................................43

    Tabelle 7: Zuschlagskriterien Vergabestelle 4 ...........................................................................43

    Tabelle 8: Zuschlagskriterien Vergabestelle 5 ...........................................................................43

    Tabelle 9: Zuschlagskriterien Vergabestelle 6 ...........................................................................43

    Tabelle 10: Zuschlagskriterien Vergabestelle 7 .........................................................................44

    Tabelle 11: Zuschlagskriterien Vergabestelle 8 .........................................................................44

    Tabelle 12: Zuschlagskriterien Vergabestelle 9 .........................................................................44

    Tabelle 13: Zuschlagskriterien Vergabestelle 10 ......................................................................44

    Tabelle 14: Fördernde und hemmende Faktoren für nachhaltige

    Verpflegungsdienstleistungen ..........................................................................................................48

  • VIII

    Abbildung 1: Umsetzung von nachhaltiger Beschaffung in der EU ..................................... 5

    Abbildung 2: Anteil von Bio-Lebensmitteln in Verträgen der Schulverpflegung .......... 7

    Abbildung 3: Durchschnittlicher Essenspreis an Grundschulen und weiterführenden

    Schulen .......................................................................................................................................................... 8

  • 1

    1 Einleitung

    1.1 Hintergrund

    Mit der Entscheidung, was wir essen und trinken, wie wir uns kleiden, wie wir woh-

    nen, welche Verkehrsmittel wir benutzen, beeinflussen wir unser Umfeld. Bewusst

    oder unterbewusst bestimmt unser Konsumverhalten unter anderem, inwieweit

    sich kleine und mittlere Unternehmen in unserer Nähe etablieren können, ob Land-

    wirtschaft und Industrie ressourcenschonend wirtschaften und unter welchen Ar-

    beitsbedingungen produziert wird.

    Ein Akteur, der den Markt mit seinen Kaufentscheidungen besonders prägt, ist die

    öffentliche Hand. Annähernd 19 % des europäischen Bruttoinlandproduktes geben

    öffentliche Einrichtungen jedes Jahr für neue Gebäude, Straßen, Energieversorgung,

    Büromaterial, Dienstleistungen etc. aus (Europäische Kommission 2015a). Damit

    nicht einzelne Unternehmen von dieser Kaufkraft des Staates profitieren, sollen

    Wettbewerb, Transparenz und Nichtdiskriminierung in der öffentlichen Beschaffung

    durch verschiedene gesetzliche Vorgaben2 sichergestellt werden. Diese Verordnun-

    gen und Gesetze regeln zum Beispiel, dass im Vorfeld einer öffentlichen Auftrags-

    vergabe eine sogenannte Ausschreibung durchgeführt werden muss, die – je nach

    Volumen der Vertragsleistung – auf nationaler oder europaweiter Ebene zu erfolgen

    hat und auf die sich Unternehmen als Bieter bewerben können.

    Bis zum Jahr 2004 waren Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb die leitenden Ziele im

    Vergabeverfahren. Relevant war in erster Linie die Qualität des Produktes im Bezug

    zum Preis. Als „vergabefremd“ wurden im Beschaffungswesen Kriterien bezeichnet,

    die sich auf eine Nachhaltigkeit der Produktionsprozesse bezogen (Morgan und

    Sonnino 2007, S. 3). Da aber mit dem wachsenden Bewusstsein und der Notwen-

    digkeit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise auch die Verantwortung der öffentli-

    chen Hand hinsichtlich der Qualität der von ihr beschafften Güter und Dienstleistun-

    gen zunahm, wurde mit der europaweiten Reform des Vergaberechts3 eine Möglich-

    keit geschaffen, soziale, ökologische und ökonomische Kriterien in die Vergabever-

    fahren einzubeziehen.

    2 z.B. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabe- und Vertragsord-nung für Leistungen (VOL/A) 3 Novellierung der Richtlinie 2004/18/EG

  • 2

    Ein wichtiger Bereich in der öffentlichen Beschaffung ist die Gemeinschaftsverpfle-

    gung. Diese umfasst neben Betriebsrestaurants auch Schulen, Kitas, Krankenhäuser,

    Pflegeheime und Studentenwerke. Der Einsatz von – möglichst saisonalen und regi-

    onalen – Lebensmitteln aus ökologischer Erzeugung in der Gemeinschaftsverpfle-

    gung wird als wesentlicher Faktor für die Entwicklung einer nachhaltigen Land- und

    Ernährungswirtschaft betrachtet. Eine nachhaltige Beschaffung von Verpflegungs-

    dienstleistungen hat das Potenzial, die steigenden Nachfrage nach ökologisch er-

    zeugten Lebensmitteln, Transparenz in der Lieferkette und damit den Ausbau regio-

    naler Wertschöpfungsketten zu fördern (Foodlinkscommunity 2013; Europäische

    Kommission 2015a).

    Auch wenn die Novellierung des Vergaberechts eine nachhaltige Beschaffung von

    Lebensmitteln und Catering-Dienstleistungen für Einrichtungen der Gemeinschafts-

    verpflegung – zumindest theoretisch – ermöglicht, scheint es dennoch in der prakti-

    schen Umsetzung Barrieren zu geben. Sowohl bei Runden Tischen und Fachtagun-

    gen4 als auch in Presseberichten finden sich Hinweise darauf, dass es zahlreiche

    Hemmnisse bei der Beschaffung nachhaltig erzeugter Lebensmittel gibt und in

    Vergabeverfahren für Catering-Dienstleistungen oftmals doch der Preis das aus-

    schlaggebende Kriterium sei. Häufig genannte Probleme erstrecken sich von der

    Kündigung von Verträgen seitens der Caterer bzw. fehlende Bieter bei Ausschrei-

    bungen wegen zu niedriger Preise, über das Scheitern von Elterninitiativen zur

    Steigerung des Bio-Anteils im Schulessen, die Bevorzugung von Großunternehmen

    wie Sodexo gegenüber kleinen Unternehmen aus ökonomischen Gründen, bis hin

    zur Wiederholung von Vergabeverfahren aufgrund gestiegener Angebotspreise der

    Caterer (Klesmann 2013; Wiechers 2014; Klamann 2015; Vieth-Entus 2014).

    4 z.B. Fachtag im Netzwerk Schulverpflegung Brandenburg (Vernetzungsstelle Schulverpfle-gung Brandenburg 2015)

  • 3

    1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit

    Die hier skizzierte Problemstellung der anzunehmenden Differenz zwischen gesell-

    schaftspolitischen Anforderungen an die öffentliche Beschaffung von Verpflegungs-

    dienstleistungen und der administrativen Umsetzung führt zu folgendem

    Forschungsziel:

    Aufzeigen des Spannungsfeldes zwischen Anspruch und Wirklichkeit und

    der sich daraus ergebenden Ansatzpunkte für politische Maßnahmen zur

    Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der öffentlichen Beschaffung

    Wissenschaftliche Teilziele der Arbeit

    Zur Erreichung des Gesamtziels werden folgende Teilziele berücksichtigt:

    (1) Herausstellung von Kriterien nachhaltiger Verpflegungsdienstleistungen

    (2) Ermittlung des rechtlichen Rahmens

    (3) Bewertung von Vergabeunterlagen

    (4) Darstellung der sich daraus ergebenen hemmenden und fördernden Fakto-

    ren für nachhaltige Verpflegungsdienstleistungen

    Methodik zur Umsetzung der Forschungsziele

    Zur Umsetzung der Forschungsziele soll zunächst eine Literaturanalyse den aktuel-

    len Forschungsstand zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der öffentlichen

    Beschaffung aufzeigen. Ziel ist es, einen ersten Überblick der Problematik und den

    derzeitigen Forschungsbedarf darzustellen. Im Kapitel 3 soll die Frage nach der

    Bedeutung und Notwendigkeit von Nachhaltigkeitszielen in der öffentlichen Be-

    schaffung aufgegriffen werden. Verschiedene Studien zur Bedeutung einer nachhal-

    tigen Beschaffung sollen Ansätze dafür zeigen, welches Potenzial diese für Gesell-

    schaft und Umwelt birgt. Daraus ableitend werden auf Grundlage von Leitfäden zur

    öffentlichen Beschaffung Kriterien aufgeführt, die bei der Gestaltung von Vergabe-

    verfahren berücksichtigt werden sollten, damit die zuvor genannten Potenziale aus-

    geschöpft werden können. Anschließend werden in einem weiteren nach Kapitel

    zunächst die Grundlagen des Vergaberechts kurz ausgeführt, bevor der rechtliche

    Rahmen in Europa, Deutschland und auf Länderebene analysiert wird. Im letzten

    Unterkapitel des Theorieteils sollen schließlich die anfangs aufgestellten Kriterien

  • 4

    für nachhaltige Verpflegungsdienstleistungen auf eine rechtliche Umsetzbarkeit

    geprüft werden.

    Im praktischen Teil der Arbeit sollen schließlich auf Basis der zuvor ermittelten

    rechtlich umsetzbaren Kriterien Vergabeunterlagen zur Schulverpflegung analysiert

    werden. Diese Analyse beschränkt sich auf Vergabeverfahren in Berlin und Bran-

    denburg der vergangenen drei Jahre. Anhand der Ergebnisse dieser Analyse sollen

    schließlich Expertengespräche mit Akteuren der Schulverpflegung in Berlin und

    Brandenburg geführt werden, um die Konsequenzen der aktuellen Ausschreibungs-

    praxis für Catering-Unternehmen darzustellen. Die sich daraus ergebenden hem-

    menden und fördernden Faktoren bilden anschließend die Grundlage für die Dis-

    kussion.

  • 5

    2 Bisherige Forschungsergebnisse zur Berücksichtigung von

    Nachhaltigkeitszielen in der Vergabepraxis

    2.1 Stand der Diskussion und aktuelle Umsetzung

    Die Literaturauswertung zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Vergabe-

    praxis zeigt, dass die Empfehlungen zur nachhaltigen Beschaffung in öffentlichen

    Vergabeverfahren bisher nicht ausreichend umgesetzt werden (Bouwer et al. 2006;

    Renda et al. 2012). In Abbildung 15 wird deutlich, dass es hier erhebliche Unter-

    schiede zwischen den EU-Ländern gibt. Während umweltorientierte Kriterien in

    Schweden, Dänemark, Belgien und den Niederlanden in 40-60 % aller Vergabever-

    fahren der 10 untersuchten Produkt- und Dienstleistungsgruppen berücksichtigt

    wurden, belief sich der Anteil in Deutschland, Frankreich, Spanien etc. auf nur 20-

    40 % (Renda et al. 2012, S. 8).

    Abbildung 1: Umsetzung von nachhaltiger Beschaffung in der EU

    Quelle: (Renda et al. 2012)

  • 6

    In der vorrausgehenden EU- Studie zur Aufnahme von Umweltkriterien weisen

    Bouwer et al. (2006) darauf hin, dass die Ergebnisse aus den Befragungen der

    Behörden positiver ausfallen, als die Ergebnisse aus der Analyse der Vergabeunter-

    lagen: „It is clear that organisations perceive that they are implementing GPP more

    than they are actually doing it: 67% of all questionnaire respondents perceive that

    they use environmental criteria when purchasing, while in reality only 36% of the

    tender documents of all 25 Member States actually contain environmental criteria“

    (Bouwer et al. 2006, S. 10). Die Umsetzung von Umweltkriterien variiert nicht nur

    zwischen den einzelnen EU- Mitgliedsländern, auch hinsichtlich der Produkt- und

    Dienstleistungsgruppen werden Unterschiede deutlich. Umweltorientierte Kriterien

    werden in 48 % der Vergabeverfahren für Lebensmittel und Verpflegungsdienstleis-

    tungen gar nicht angewandt (Renda et al. 2012, S. 12).

    Die Ergebnisse einer in Deutschland durchgeführten Studie zur Nachhaltigkeit in der

    öffentlichen Beschaffung, die sich ebenfalls vorrangig auf Befragungen von Kommu-

    nalverwaltungen stützt, verdeutlichen die geringere Relevanz von umweltorientier-

    ten und sozialen Kriterien zu ökonomischen Aspekten. Ökologische und soziale Kri-

    terien werden mit durchschnittlich knapp 20 % bzw. 14 % wesentlich niedriger als

    ökonomische Aspekte (z. B. Preis) mit 66 % gewichtet (Beck und Schuster 2013, S.

    20).

    Interessant scheint es auch, die Problematik nachhaltiger Verpflegungsdienstleis-

    tungen in der öffentlichen Beschaffung vom Blickwinkel ihrer Etablierung in öffent-

    lichen Kantinen aus zu betrachten. Hier zeigen verschiedene Untersuchungen zur

    Nachhaltigkeitsaspekten in der Gemeinschaftsverpflegung, dass ökologische und

    regionale Lebensmittel bisher kaum integriert sind (Arens-Azevedo 2012; Arens-

    Azevedo et al. 2015; Rückert-John et al. 2010; Niessen 2011). Der Anteil von Bio-

    Lebensmitteln in Verträgen der Schulverpflegung wurde von Arens-Azevedo et al.

    (2015) auf Basis einer bundesweiten Befragung von Schulträgern und Schuleitern

    ermittelt. Wie in Abbildung 2 ersichtlich, werden in knapp 60 % der Verträge keine

    Bio-Lebensmittel gefordert und 26 % der Befragten wissen nicht, ob ein solcher

    Anteil vertraglich festgelegt wurde (Arens-Azevedo et al. 2015, S. 29).

  • 7

    Abbildung 2: Anteil von Bio-Lebensmitteln in Verträgen der Schulverpflegung

    Quelle: (Arens-Azevedo et al. 2015, S. 29)

    Auch regionale Lebensmittel werden nach einer weiteren Studie zur Gemeinschafts-

    verpflegung von Arens-Azevedo bislang eher zufällig im Speiseplan integriert, ob-

    wohl eine Erhöhung des Anteils zum Zwecke des Ausbaus regionaler Wertschöp-

    fungsketten politisch gewollt ist (Arens-Azevedo 2012, S. 148).

    Hinsichtlich gesundheitlicher Aspekte von Verpflegungsdienstleistungen werteten

    Arens-Azevedo et al. 760 Speisepläne zu ihrem ernährungsphysiologischen Wert

    aus. Die Ergebnisse zeigen, dass in Bezug zum Anteil an Gemüse und Rohkost die

    Qualitätsanforderungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.v. (DGE) nicht

    eingehalten werden (Arens-Azevedo et al. 2015, S. 12). Darüber hinaus ist der

    Fleisch-Anteil in den Speiseplänen zu hoch und der Anteil an Seefisch zu niedrig

    (Arens-Azevedo et al. 2015, S. 12).

    Eine Studie im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft

    Berlin zeigt Anhaltspunkte auf, mit welchem Preis der Anspruch an ein qualitativ

    hochwertiges Mittagessen in Berliner Schulen umsetzbar ist (Arens-Azevedo und

    Tecklenburg 2012, S. 3). Die Gegenüberstellung des 2012 erhobenen tatsächlichen

    Durchschnittpreises für ein Mittagessen in Berliner Grundschulen von 2,01 € und

    dem kalkulierten Preis von mindestens 3,17 €, mit dem Caterer kostendeckend

    wirtschaften können, macht deutlich, dass die Durchschnittpreise zu niedrig sind

    (Arens-Azevedo und Tecklenburg 2012, S. 38). Während in Berlin dieses Ergebnis zu

    einer Qualitätsoffensive führte und ein Festpreis von 3,25 Euro für das Mittagessen

    in Schulen vorgegeben wurde (Senatsverwaltung für Bildung und Jugend und Wis-

  • 8

    senschaft 2013, S. 6), scheint die Problematik in anderen Bundesländern weiterhin

    zu bestehen. Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, liegt der durchschnittliche Essens-

    preis in Schulen mit 2,83 Euro in Grundschulen bzw. 3,05 Euro in weiterführenden

    Schulen unter dem für Berlin kalkulierten notwendigen Mindestpreis von 3,25 Euro.

    In Brandenburg beträgt der Essenspreis im Schnitt nur 2,57 Euro (Vernetzungsstel-

    le Schulverpflegung Brandenburg 2015).

    Abbildung 3: Durchschnittlicher Essenspreis an Grundschulen und weiterführenden Schulen

    Quelle: (Arens-Azevedo und Tecklenburg 2012, S. 25)

    Die in diesem Kapitel bereits angedeutete Relevanz des Preiskriteriums bei der

    Durchführung von Vergabeverfahren (Beck und Schuster 2013), die sich in der Pra-

    xis am Essenspreis widerspiegelt, scheint also eine Hürde bei der Etablierung nach-

    haltiger Verpflegungsdienstleistungen zu sein. Welche weiteren Barrieren bei der

    Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bekannt sind, soll in den nächsten Ab-

    schnitten betrachtet werden.

    Forschungsergebnisse zeigen vielfältige Gründe für die aufgezeigte zögerliche und

    partielle Umsetzung einer nachhaltigen Beschaffung auf. Diese reichen von man-

    gelnder Information über fehlende Beschaffungsziele bis hin zu wirtschaftlichen

    Zwängen. Nachfolgend sollen die wesentlichen Punkte aufgeführt werden.

  • 9

    (1) Beschaffungsziele

    Fehlende Zielvorgaben zur nachhaltigen Beschaffung sowie falsch angesetzte Steue-

    rungsinstrumente werden laut unterschiedlicher Studienergebnisse als Barrieren

    für die Umsetzung einer nachhaltigen Beschaffung angeführt (McKinsey&Company

    2008; Europäische Kommission 2015b; Beck und Schuster 2013). Relevante Instru-

    mente der Förderung von Nachhaltigkeitskriterien werden bisher kaum eingesetzt

    (Beck und Schuster 2013, S. 23). Zu solchen Steuerungsinstrumenten zählen Dienst-

    anweisungen, kommunale Beschaffungsrichtlinien, kommunale Nachhaltigkeitsstra-

    tegien, Kriterien/Indikatoren, Leitfäden, Controlling/Monitoring, Benchmarking,

    gesondertes Budget für Nachhaltigkeitsaktivitäten und Nachhaltigkeitszielsysteme

    (Beck und Schuster 2013, S. 23).

    Eine Studie des Öko-Institutes zur Umsetzung von einer umweltfreundlichen Be-

    schaffung weist darauf hin, dass es zwar in den letzten Jahren einen Zuwachs an

    verbindlichen Regelungen gab, es jedoch immer noch Bundesländer ohne spezifi-

    sche Vorgaben gibt (Schmidt und Dubbers 2014, S. 28). In den Ländern, die Vorga-

    ben zur umweltfreundlichen Beschaffung haben, sind diese oftmals sehr abstrakt

    und beziehen sich nur auf wenige Produktgruppen (Schmidt und Dubbers 2014, S.

    28). Um eine Wirkung zu entfalten, müssten gesetzliche Vorgaben durch Verwal-

    tungsvorschriften für alle relevanten Produktgruppen und Dienstleistungen weiter

    konkretisiert werden (Schmidt und Dubbers 2014, S. 29).

    (2) Transparenz:

    Die McKinsey-Studie weist darauf hin, dass es notwendig ist, die Potenziale der ein-

    zelnen nachhaltig orientierten Beschaffungsmaßnahmen aufzuzeigen, damit die

    Wirksamkeit spezifischer Maßnahmen ermittelt werden kann (McKinsey&Company

    2008, S. 28). Eine weiteres Hemmnis, das damit im Zusammenhang steht, ist, dass

    den Beschaffungseinheiten oftmals die Anreize fehlen, Zeit und Geld in nachhaltige

    Güter und Dienstleistungen zu investieren (McKinsey&Company 2008, S. 29). Der

    Zeitfaktor spielt eine wesentliche Rolle, da eine nachhaltige Beschaffung durch die

    erforderliche sorgfältige Planung zeitaufwändig ist und die Verantwortlichen in der

    öffentlichen Beschaffung oftmals mit ihren täglichen Aufgaben ausgelastet sind

    (Bonfield 2014; Risku-Norja 2015).

  • 10

    (3) Kosten nachhaltiger Güter oder Dienstleistungen:

    Die höheren bzw. als höher wahrgenommenen Kosten einer nachhaltigen Beschaf-

    fung sind ein essentieller Hindernisfaktor für deren Umsetzung (Europäische Kom-

    mission 2015b; Morgan 2014; FOODLINKSCOMMUNITY 2013; Spigarolo et al.

    2010b). Die rechtlich mögliche Berücksichtigung von Lebenszykluskosten – bzw.

    externer Kosten im Falle der Lebensmittelerzeugung – ist noch nicht weit verbreitet.

    Das preisgünstigste Angebot hat oftmals Vorrang vor dem wirtschaftlichsten Ange-

    bot, bei welchem auch weitere Aspekte einbezogen werden (McKinsey&Company

    2008, S. 29).

    Potenziell höhere Kosten für nachhaltige Produkte scheinen im Falle der Schulver-

    pflegung ein besonderes Problem darzustellen, da hier die höheren Einkaufskosten

    an die Eltern weitergegeben werden müssten (Vernetzungsstelle Schulverpflegung

    Brandenburg 2015). Eine sozialverträgliche Gestaltung der Essenspreise hat für die

    Schulträger und Schulleiter eine besondere Priorität, damit alle Kinder die Möglich-

    keit auf ein warmes Mittagessen haben (Vernetzungsstelle Schulverpflegung Bran-

    denburg 2015).

    (4) Qualifikationen und Informationen:

    Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsaspekte in Vergabever-

    fahren zu berücksichtigen, fühlen sich viele der Verantwortlichen in der öffentlichen

    Beschaffung überfordert (Europäische Kommission 2015b; Beck und Schuster 2013;

    Morgan 2014). Besonders in kleineren Vergabestellen fehlen den Verantwortlichen

    die nötigen Informationen für die Durchführung geeigneter Vergabeverfahren

    (McKinsey&Company 2008, S. 29). Obwohl sich die rechtlichen Rahmenbedingun-

    gen dahingehend geändert haben, dass Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wer-

    den dürfen, herrschen große Unsicherheiten in den Vergabestellen bezüglich der

    rechtlichen Zulässigkeit (Morgan und Sonnino 2007; Europäische Kommission

    2015b). Eine Folge dieser Wissensdefizite ist, dass von verschiedenen Vergabestel-

    len verschiedene Standards genutzt werden. Dies kann dazu führen, dass die Verga-

    beprozesse von den Bietern als intransparent und verwirrend empfunden werden

    und diese aufgrund der Komplexität nicht als Bieter auftreten (Bonfield 2014, S. 9;

    Bouwer et al. 2006). Besonders für neue Unternehmen oder KMU stellen uneinheit-

    liche und als unübersichtliche wahrgenommene Ausschreibungen ein Hindernis dar,

    sich an öffentlichen Vergabeverfahren zu beteiligten (Bonfield 2014, S. 9)

  • 11

    2.2 Einschätzung des Forschungsstandes

    Die Ergebnisse der Literaturanalyse zum Status-Quo von Nachhaltigkeitszielen in

    Vergabeverfahren verdeutlichen die in der Einleitung aufgestellte These, dass Nach-

    haltigkeitsaspekte in öffentlichen Vergabeverfahren bislang nur sehr wenig berück-

    sichtigt werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig und wurden in verschiedenen

    Studien betrachtet. Zwar bieten die Literaturergebnisse einen guten Überblick zum

    Status-Quo, zeigen Barrieren auf und nennen Handlungsempfehlungen zur mögli-

    chen Überwindung der teilweise sehr komplexen Hemmnisse. Jedoch fehlt es bislang

    an ganz konkreten Ansatzpunkten, wie diese umgesetzt werden könnten.

    Ursachen hierfür können darin liegen, dass sich die Studien

    a) stichprobenartig auf ganz Europa bzw. ganz Deutschland beziehen (Studien

    von Bouwer et al. 2006; Renda et al. 2012; Beck und Schuster 2013), mit denen

    unterschiedliche (rechtliche) Rahmenbedingungen einhergehen, die konkrete

    und umsetzbare Handlungsempfehlungen erschweren,

    b) auf die öffentliche Beschaffung allgemein beziehen und dementsprechend

    die potenziell unterschiedlichen Erfordernisse der Vergabe für einzelne Pro-

    dukt- oder Dienstleistungstypen nicht beachtet werden können,

    c) auf Befragungen von Vergabestellen stützen und damit die potenziellen

    Schwachpunkte der Vergabeverfahren im Hinblick auf die Berücksichtigung von

    Nachhaltigkeitskriterien nicht objektiv betrachtet werden. Ohne die Identifizie-

    rung solcher Schwachstellen scheint es schwierig, konkrete Handlungsempfeh-

    lungen zu geben.

    Um folglich die in der Einleitung benannte Zielstellung dieser Arbeit – dem Aufzei-

    gen von Ansatzpunkten zur Schließung der Lücke zwischen Theorie und Praxis –

    umzusetzen, soll ein Forschungsdesign gewählt werden, welches die Datenerhebung

    a) auf eine Region mit einheitlichen Rahmenbedingungen,

    b) auf eine Produkt- oder Dienstleistungsklasse und

    c) auf eine Status-Quo Analyse von Vergabeverfahren im Hinblick auf die An-

    wendung von Nachhaltigkeitskriterien fokussiert.

  • 12

    Eine solche Datenanalyse, die bisher nicht vorhanden ist, kann als Grundlage der

    Entwicklung konkreter Handlungsempfehlungen zur Überwindung der bereits ge-

    nannten Barrieren dienen.

  • 13

    3 Ziele und Potenziale nachhaltiger Verpflegungsdienstleis-tungen

    3.1 Gesellschaftspolitischer Anspruch

    Ziel dieses Kapitels ist es zu veranschaulichen, welche Potenziale eine nachhaltige

    Beschaffung von Verpflegungsdienstleistungen (VDL) für die Umsetzung gesell-

    schaftlicher Ziele haben kann. Die Frage, die dieses Kapitel zu beantworten sucht,

    ist:

    Woraus begründet sich die gesellschaftliche Relevanz, bei der Beschaffung von Ver-

    pflegungsdienstleistungen bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen?

    Hierfür sollen zunächst Kriterien nachhaltiger Verpflegungsdienstleistungen be-

    nannt werden. Anhand der drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie

    und Soziales – werden anschließend die Wirkungsbereiche der genannten Kriterien

    und ihr potenzieller gesellschaftlicher Nutzen aufgezeigt. Als Grundlage für diese

    Darstellung dienen neben dem Forschungsstand zur nachhaltigen öffentlichen Be-

    schaffung auch Projektergebnisse zur ökologischen und regionalen Gemeinschafts-

    verpflegung.

    3.1.1 Kriterien nachhaltiger Verpflegungsdienstleistungen

    Nachhaltigkeit ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,

    ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden (Hauff 1987). Kriterien

    für nachhaltige Verpflegungsdienstleistungen lassen sich aus verschiedenen Leitfä-

    den und Projektergebnissen zur nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung ableiten.

    Sie basieren v. a. auf den EU-Empfehlungen zum Green Public Procurement (Europäi-

    sche Kommission 2009) und zur sozialorientierten Beschaffung (Europäische Kom-

    mission 2011b), dem Bericht zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesre-

    gierung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2012) sowie den Er-

    gebnissen des Foodlinks-Projekt (FOODLINKSCOMMUNITY 2013). Auch wenn ein-

    zelne Kriterien Wirkungen in verschiedenen Nachhaltigkeitsfeldern haben können,

    soll hier für eine bessere Übersichtlichkeit versucht werden, die Kriterien in einen

    der drei Bereiche Ökologie, Soziales und Ökonomie einzuordnen.

  • 14

    Übersicht ökologische Kriterien

    Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung

    Regionalität/Saisonalität

    Produkte aus artgerechter Tierhaltung

    Aquakultur- und Meeresprodukte aus anerkannter Zertifizierung

    Reduzierung Verpackungsanteil

    Abfalltrennung und Minimierung von Abfällen in allen Bereichen der Wert-

    schöpfungskette

    Minimierung des Einsatzes gefährlicher Chemikalien und Verwendung von um-

    weltfreundlichen Reinigungs- und Geschirrspülmitteln

    energieeffiziente und wassersparende Küchengeräte

    kurze Transportwege

    Übersicht soziale Kriterien

    Kriterien in Bezug zu Arbeitnehmerrechten:

    Fairtrade-Produkte

    Förderung von Beschäftigungschancen

    Aus- und Weiterbildung Mitarbeiter

    Einhaltung von arbeitsrechtlichen und sozialen Bestimmungen

    soziale Eingliederung (einschließlich Menschen mit Behinderungen)

    Chancengleichheit

    Barrierefreiheit

    Gesundheitsorientierte Kriterien:

    frische, wenig verarbeitete Lebensmittel

    vegetarische Speisen

    Übersicht ökonomische Kriterien

    Förderung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU)

    Förderung regionaler Wertschöpfungsketten

    Förderung von Innovationen

    Einbeziehung von Lebenszykluskosten

  • 15

    Bei den genannten Kriterien wurde versucht, verschiedene Bereiche der Wertschöp-

    fungskette für Lebensmittel einzubeziehen (Erzeugung, Verarbeitung, Verpackung,

    Transport, Lagerung, Konsum, Resteverwertung). Jedoch sollen die Kriterien nur

    Vorschläge für eine nachhaltige Beschaffung sein. In Abhängigkeit von politischen

    Vorgaben und rechtlichen Möglichkeiten der einzelnen Länder, können einzelne

    Kriterien priorisiert und weitere Kriterien hinzugefügt werden.

    Inwieweit die hier genannten Kriterien zur Beschaffung von VDL rechtlich umsetz-

    bar sind, soll im Kapitel 3.3 erläutert werden. Nachfolgend wird dargestellt, welchen

    gesellschaftlich relevanten Nutzen ihre Anwendung in öffentlichen Vergabeverfah-

    ren haben kann.

    3.1.2 Umweltleistungen

    Das Ziel ökologisch nachhaltiger VDL ist nach Roehl und Strassner (2012) ein um-

    weltbewusster Umgang bei Einkauf, Produktion und Entsorgung und die natürlichen

    Lebensgrundlagen nur soweit zu beanspruchen, wie sie sich regenerieren können

    (Roehl und Strassner 2012, S. 16). Als relevante Ziele für die Beschaffung von VDL

    und Lebensmitteln lassen sich anhand der von der Europäischen Kommission aufge-

    führten Umweltauswirkungen des Lebensmittelkonsums folgende Punkte festhal-

    ten:

    Vermeidung von Eutrophierung, Versauerung und toxischen Wirkungen auf

    die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch Düngemittel- und Pesti-

    zidrückstände in Wasser, Luft, Boden und Lebensmitteln

    Vermeidung von Bodenerosion, Waldzerstörung und Verlust von Artenviel-

    falt durch unangepasste landwirtschaftliche Methoden, eine zu intensive tie-

    rische Erzeugung und intensive Fischerei und Aquakultur

    artgerechte Behandlung von Tieren und Achtung des Tierschutzes

    Minderung des Energie- und Wasserverbrauch bei der Erzeugung und Ver-

    arbeitung von Lebensmitteln

    Vermeidung von Verpackungsmüll

    Vermeidung des Verbrauchs von Reinigungsmitteln und anderen Chemika-

    lien, die sich negativ auf die Gesundheit des Küchenpersonals und über das

    Abwasser auf die Umwelt auswirken können

    Minderung von Wasser- und Energieverbrauch von Küchengeräten

  • 16

    Minderung von CO2- Emissionen und anderen Schadstoffen (Europäische

    Kommission 2009)

    Nachhaltig beschaffte Lebensmittel und Verpflegungsdienstleistungen gehören laut

    Forschungsergebnissen der Initiative ICLEI zu den sechs Produktgruppen mit dem

    größten Umweltentlastungspotenzial (Procura+ Sustainable Procurement Campaign

    2007).

    3.1.3 Sozialorientierte Leistungen

    Mit den Aspekten des sozialverantwortlichen öffentlichen Auftragswesens beschäf-

    tigt sich besonders der Leitfaden der Europäischen Kommission für die sozialorien-

    tierte öffentliche Beschaffung. Laut diesem zählen zu den Zielen des sozialorientier-

    ten Auftragswesens u. a die Verbesserung von Arbeitnehmerbedingungen durch:

    Förderung der Einhaltung von arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen

    Förderung von sozialbewussten Märkten

    Integrationsförderung (Europäische Kommission 2011b)

    Während sich die genannten Ziele auf Bedingungen von Arbeiternehmern im Allge-

    meinen fokussieren, finden sich in der Literatur zur Gemeinschaftsverpflegung noch

    weitere – speziell auf die Beschaffung von Lebensmitteln und VDL beziehbare – Zie-

    le, die einen gesellschaftlichen Nutzen inne haben. Diese die Konsumenten betref-

    fenden Aspekte sollen hier unter dem Schwerpunkt Gesundheit und Lebensquali-

    tät zusammengefasst werden. Darunter fällt zum einen die ernährungsphysiologi-

    sche und gesundheitliche Bedeutung von VDL. Demnach sollte die Beschaffung von

    VDL dazu beitragen, dass sich Konsumenten in der Gemeinschaftsverpflegung ge-

    sünder und bewusster ernähren. Hervorzuheben sind hier v.a. Krankenhauspatien-

    ten, Kinder und Menschen in Pflege- oder Altersheimen (Bonfield 2014; Arens-

    Azevedo et al. 2015; Arens-Azevedo 2012). Der Einsatz von nachhaltigem Essen in

    der Gemeinschaftsverpflegung hat nach Bonfield (2014) das Potenzial, dass Kinder

    lernen, ihr Essen mehr zu wertschätzen, wo ihr Essen herkommt und wie sie selbst

    gesund kochen können (Bonfield 2014, S. 7). Bezogen auf die Entwicklung von Ganz-

    tagsschulen in Deutschland, betonen auch Arens-Azevedo et al. (2015), dass die

    Qualität der Mahlzeit die Leistungsfähigkeit beeinflusst und die Schulverpflegung

    ein Ernährungsverhalten nachhaltig prägen kann und somit einen bedeutenden Bei-

  • 17

    trag zur Prävention ernährungsbedingter Krankheiten darstellt (Arens-Azevedo et

    al. 2015, S. 13). Bezüglich der Wertschätzung für eine besondere Qualität, die über

    die Qualitätsanforderungen für Essen in öffentlichen Einrichtungen hinausgeht, ist

    daher zu bedenken, dass die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen

    oder Krankenhäuser für viele Menschen einen Teil – und im Falle von Pflege- oder

    Altenheimen die gesamte Ernährung sicherstellt (Arens-Azevedo 2012, S. 148).

    Ein weiterer relevanter Aspekt der nachhaltigen Beschaffung von VDL ist die Ent-

    sprechung gesellschaftlicher Erwartungen in Bezug zu Qualitätsanforderungen an

    Lebensmittel. Roehl und Strassner (2011) belegen drei relevante Konsumenten-

    trends: „Nachfrage nach Sicherheit (Herkunft & Regionalität), Gesundheit (Vegetari-

    sche Angebote, Salate) und Frische“ (Roehl und Strassner 2011, S. 35). Weitere Stu-

    dienergebnisse bestätigen den Trend zu ökologischen und regionalen Lebensmitteln

    (BÖLN 2016; Nestlé Deutschland 2012). Als Motive für diese Forderungen werden

    sowohl ökologische Ziele (z.B. artgerechte Tierhaltung, Umweltschutz und gentech-

    nikfreie Lebensmittel), gesundheitliche und soziale Gründe (z.B. weniger Zusatz-

    und Verarbeitungsstoffe, gesunde Ernährung und Lebensmittelmittelskandale, Fair

    Trade), als auch ökonomische Gründe (z.B. Unterstützung regionaler Betriebe) ge-

    nannt (BÖLN 2016).

    3.1.4 Wirtschaftliche Entwicklung

    Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung lässt sich der Nutzen einer nachhal-

    tigen Beschaffung von VDL in drei Aspekte unterteilen:

    Schaffung von Vorreitermärkten für nachhaltige Produkte und Dienstleis-

    tungen

    Einsparung externer Kosten

    Förderung von KMU und Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten

    Mit einem Beschaffungsvolumen, das 19 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts

    entspricht (Europäische Kommission 2015a), verfügt die öffentliche Hand über die

    Nachfragemacht, um nachhaltige Produkte zu fördern. Nach einer Studie zu den Po-

    tenzialen der öffentlichen Beschaffung können durch eine nachhaltige öffentliche

    Beschaffung Vorreitermärkte für umweltfreundliche Produkte und Dienstleis-

    tungen geschaffen werden (McKinsey&Company 2008, S. 10). Das Potenzial – durch

    das Setzen von Anreizen – Innovationen zu fördern, wird auch von der Europäischen

    Kommission herausgestellt (Europäische Kommission 2011a, S. 5).

  • 18

    Als zweiter wesentlicher Punkt, der zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen

    kann, wird die langfristige Entlastung der öffentlichen Haushalte durch Einsparun-

    gen externer Kosten genannt (McKinsey&Company 2008; Europäische Kommissi-

    on 2011a). Indem z. B. die Lebenszykluskosten bei der Beschaffung bedacht werden,

    können öffentliche Ressourcen geschont (Europäische Kommission 2011a, S. 5) so-

    wie infolgedessen auch Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen vermindert

    werden (McKinsey&Company 2008, S. 10).

    Der dritte Punkt, der insbesondere in Projektberichten zur Gemeinschaftsverpfle-

    gung betont wurde, ist die Förderung von KMU und der damit verbundene Aufbau

    regionaler Wertschöpfungsketten. Die öffentliche Nachfrage nach nachhaltigen

    Lebensmitteln und VDL hat das Potenzial neue, regionale Beschaffungsmärkte zu

    schaffen und eine innovative Lebensmittelerzeugung- und Verarbeitung zu unter-

    stützen (FOODLINKSCOMMUNITY 2013, S. 9). Als Ziel einer effizienten öffentlichen

    Beschaffung nennt Spigarolo et al. (2010b) die Entwicklung nachhaltiger Partner-

    schaften zwischen den Mitgliedern der Wertschöpfungskette und deren strategische

    Weiterentwicklung (Spigarolo et al. 2010b, S. 11). Der Hintergrund für diese Forde-

    rungen an die öffentliche Beschaffung ist die Besonderheit des Lebensmittelmarktes.

    Eine der wesentlichen Hemmnisse für die Etablierung regionaler und ökologischer

    Lebensmittel in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung ist die mangelnde

    Produktverfügbarkeit aufgrund kaum ausgebauter regionaler Wertschöpfungsket-

    ten (Spigarolo et al. 2010b; Rückert-John et al. 2010; Risku-Norja und Løes 2016).

    Die größten Probleme scheinen in der Beschaffung regionaler Bio-Lebensmittel zu

    liegen. Deren Verfügbarkeit ist je nach Produktgruppe und gewünschter Quantität

    bzw. Qualität schwierig. Unzufriedenheit herrscht besonders bezüglich Produkt-

    und Lieferqualitäten. Passende Gebindegrößen, Mindestbestellmengen, kurzfristige

    Bestellungen und Verarbeitungsgrad stellen kaum überwindbare Hürden für die

    Verstetigung einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung dar (Niessen 2011;

    Rückert-John et al. 2010; Risku-Norja und Løes 2016; Spigarolo et al. 2010a). Politi-

    sches Engagement und präzise formulierte Ausschreibungen sind notwendig, um

    diese Barrieren zu überwinden (Morgan 2014; Spigarolo et al. 2010b; FOODLINK-

    SCOMMUNITY 2013). Die Förderung regionaler KMU in Vergabeverfahren öffnet für

    diese aufgrund der oft langfristigen Verträge mit öffentlichen Einrichtungen einen

    geschützten Raum, in dem sie sich auf ihre Kernaktivitäten fokussieren und sich am

    Markt etablieren können (Risku-Norja und Løes 2016, S. 16).

  • 19

    Eine nachhaltige öffentliche Beschaffung scheint also einen essentiellen Beitrag für

    die Entwicklung regionaler Märkte zu sein. Um jedoch den tatsächlichen Einfluss

    nachhaltiger Beschaffungsmaßnahmen aufzeigen zu können, wären genaue Daten

    des Beschaffungsvolumens der verschiedenen Produktbereiche notwendig, die laut

    der Recherchen der McKinsey- Studie nicht existieren (McKinsey&Company 2008, S.

    9). Auch für den Markt der Gemeinschaftsverpflegung stellen Roehl und Strassner

    (2011) in ihrer Sektoranalyse zum Außer-Haus-Markt fest, dass es keine umfassen-

    den und einheitlichen Daten zum Markt der Gemeinschaftsverpflegung in Deutsch-

    land gibt (Roehl und Strassner 2011, S. 17).

  • 20

    3.2 Vergaberechtlicher Rahmen

    3.2.1 Anwendungsbereich des Vergaberechts

    Bei einer geplanten Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen sind bestimmte

    Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet, eine öffentliche Ausschreibung durchzufüh-

    ren, um somit allen potentiellen Auftragnehmern gleiche Chancen einzuräumen. Als

    öffentliche Auftraggeber gelten gemäß § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-

    schränkungen (GWB):

    Gebietskörperschaften6

    Juristische Personen des öffentlichen7 oder privaten Rechts8, die Aufgaben

    im Allgemeininteresse nichtgewerblicher Art erfüllen oder die von öffentli-

    chen Auftraggebern überwiegend finanziert sind

    Sektorenauftraggeber aus den Bereichen Trinkwasser- und Energieversor-

    gung, Verkehr

    Ausschreibungen können auf nationaler oder auf europaweiter Ebene durchgeführt

    werden, was sich gemäß § 2 VgV nach dem geschätzten Auftragswert richtet. Für

    Beschaffungsvorhaben, deren Volumen oberhalb der EU-Schwellenwerte liegen,

    besteht die Pflicht einer europaweiten Ausschreibung. Die Schwellenwerte für die

    Anwendung der jeweiligen Vergabevorschriften sind hierbei abhängig von der

    Art der Leistung und Art des Auftraggebers (siehe Tabelle 1). Das bedeutet, dass z. B.

    eine Ausschreibung für die Schulverpflegung in einem geschätzten Auftragswert von

    150.000 Euro von einer Gemeinde deutschlandweit zu erfolgen hat, während ein

    Bundesministerium die gleiche Ausschreibung europaweit veröffentlichen müsste.

    Liefer- und Dienstleistungen

    Auftraggeber Oberste und obere Bundesbehörden

    Subzentrale öffentliche Auftraggeber

    Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich

    Schwellenwert 134.000 EUR 207.000 EUR 750.000 EUR

    Tabelle 1: Schwellenwerte für europaweite Ausschreibung Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Richtlinie 2014/24/EU, Abschnitt 2 Abs. 4

    6 Bund, Länder, Kreise und Gemeinden 7 Körperschaften wie z. B. Hochschulen, berufsständische Vereinigungen, Wirtschaftsvereini-gungen, Sozialversicherungen, Studentenwerke etc. 8 Krankenhäuser, Kindergärten, Heime, Museen etc.

  • 21

    Sowohl für die nationale als auch für die europaweite Ausschreibung gibt es gemäß

    §§ 3, 3 EG VOL verschiedene Arten der Auftragsvergabe, die in Tabelle 2 darge-

    stellt sind. Öffentliche Auftraggeber sind prinzipiell dazu verpflichtet, Aufträge als

    offenes Verfahren bzw. öffentliche Ausschreibung zu vergeben. Nur in begründeten

    Ausnahmefällen sind andere Verfahren zulässig. Solche Ausnahmen bestehen z. B.

    im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens/einer beschränkten Ausschreibung,

    wenn für die Erfüllung der Leistung eine außergewöhnliche Eignung notwendig ist

    oder die Durchführung eines offenen Verfahrens/einer öffentlichen Ausschreibung

    zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt hat bzw. dieses aus anderen Gründen

    (z. B. Dringlichkeit oder Geheimhaltung) unzweckmäßig ist (§ 3 EG Abs. 2 VOL). In

    der Regel wird hierfür eine beschränkte Anzahl von Unternehmen zur Angebotsab-

    gabe aufgefordert.

    Nationales Vergabeverfahren (unter-

    halb EU-Schwellenwert)

    Europaweites Vergabeverfahren (ober-

    halb EU-Schwellenwert)

    Öffentliche Ausschreibung Offenes Verfahren

    Beschränkte Ausschreibung Nicht offenes Verfahren

    Freihändige Vergabe Verhandlungsverfahren

    Wettbewerblicher Dialog

    Tabelle 2: Arten der Auftragsvergabe Quelle: eigene Darstellung auf Basis der §§ 3, 3 EG VOL

    Eine weitere Möglichkeit der Auftragsvergabe stellt das Verhandlungsverfahren mit

    oder ohne vorhergehenden Teilnahmewettbewerb bzw. die freihändige Vergabe

    dar, deren spezifische Bedingungen in §§ 3 EG Abs. 3f. , 3 Abs. 2 VOL aufgeführt

    werden.

    Die zuletzt genannte zulässige Variante im europaweiten Verfahren ist der wettbe-

    werbliche Dialog, der nach § 3 EG Abs. 7 VOL voraussetzt, dass die Auftraggeber

    objektiv nicht in der Lage sind, die technischen Spezifikationen des Auftrages anzu-

    geben bzw. die rechtlichen oder finanziellen Bedingungen des Auftrages zu ermit-

    teln. Um diesen Dialog zu eröffnen, erläutert der Auftraggeber in der Vergabebe-

    kanntmachung oder der Leistungsbeschreibung seine Bedürfnisse und Anforderun-

    gen, woraufhin ausgewählte Unternehmen mit Lösungsvorschlägen den Dialog mit

    dem Auftraggeber eröffnen. Dieser Dialog kann sich über mehrere Phasen erstre-

  • 22

    cken, bis eine oder mehrere Lösungen gefunden wurden bzw. absehbar ist, dass es

    keine annehmbare Lösung gibt.

    3.2.2 Europäische Vergaberichtlinien

    Mit dem Ziel der Stärkung des Europäischen Binnenmarktes wurden die Rahmen-

    bedingungen für das öffentliche Beschaffungswesen zu Beginn der 90er Jahre für

    alle Mitgliedsstaaten vereinheitlicht. Die auf dem Vertrag der Arbeitsweise der Euro-

    päischen Union (AEUV)9 basierenden Richtlinien schufen die Grundlage dafür, dass

    Aufträge, die zuvor vorrangig inländischen Unternehmen vorbehalten waren, fortan

    grenzüberschreitend ausgeschrieben werden konnten und mussten (Europäisches

    Parlament 2015). Die Anwendung der EU- Grundsätze von Wettbewerbsfreiheit,

    freiem Dienstleistungsverkehr, Transparenz und Nichtdiskriminierung in der öffent-

    lichen Beschaffung sollte dazu beitragen, wirtschaftliche Ressourcen und öffentliche

    Gelder sinnvoller zu nutzen (Europäisches Parlament 2015). Als Zuschlagskriterien

    für die Verträge galten entweder der niedrigste Preis oder das wirtschaftlichste An-

    gebot in Bezug zur gewünschten Qualität (Morgan und Sonnino 2007, S. 2). Die hier-

    für vertraglich festlegbaren Qualitätskriterien beschränkten sich auf die direkten

    Eigenschaften des Vertragsgegenstandes. Darüber hinausgehende Aspekte – wie

    etwa die Berücksichtigung externer Kosten oder ökologischer Produktionsmetho-

    den – konnten nicht als Auswahlkriterien herangezogen werden (Morgan und Son-

    nino 2007, S. 2).

    Prioritätenwandel in der europäischen Beschaffungspolitik

    Mit dem stärker werdenden Ideal der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit

    wurde die bis dahin bestehende Priorität des günstigsten Angebotes Ende der 90er

    Jahre erstmals hinterfragt. Die im Artikel 6 des 1997 beschlossenen EU-Vertrages10

    verankerte Forderung, Umweltschutz und soziale Ziele in allen EU-Richtlinien zu

    verankern, wurde schließlich in der EU-Vergaberichtlinie von 2004 umgesetzt

    (Morgan und Sonnino 2007, S. 2). Seitdem können soziale und ökologische Aspekte,

    die im Bezug zum Auftragsgegenstand stehen, in den Vergabeverfahren berücksich-

    tigt werden. Im Rahmen der letzten Modernisierung des Vergaberechts wurde mit

    10 Vertrag von Amsterdam, in Kraft getreten am 01.05.1999

  • 23

    den EU-Vergaberichtlinien11 von 2014 die Umsetzung weiterer umwelt-, sozial- und

    industriepolitischer Ziele priorisiert. Zu diesen gehören u.a.:

    Berücksichtigung von Lebenszykluskosten und des Produktionsprozesses

    Förderung von Innovationen

    mögliche Bevorzugung von geschützten Werksstätten und Unternehmen, die

    benachteiligte Arbeitnehmer integrieren

    Erleichterung des Zugangs für KMU (Forum Vergabe 2015).

    Diese neuen Richtlinien räumen den Mitgliedsstaaten zugleich neue Handlungsspiel-

    räume ein. Mit ihnen sollen Vergabeverfahren effizienter, einfacher und flexibler

    gestaltet und die Nutzung von Nachhaltigkeitszielen unterstützt werden (Bundes-

    ministerium für Wirtschaft und Energie 2015b, S. 1). Dies soll Unternehmen zu Gute

    kommen, die bereits nachhaltig wirtschaften und Anreize an weitere Unternehmen

    setzen, ihre Unternehmensverantwortung einzuhalten (Bundesministerium für

    Wirtschaft und Energie 2015b, S. 1).

    Um das Potenzial dieser neuen rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen und für die

    öffentlichen Einrichtungen umsetzbar zu machen, wurden im Auftrag der Europäi-

    schen Kommission verschiedene Empfehlungen und Leitfäden für die umweltorien-

    tierte, soziale und innovative Beschaffung ausgearbeitet, die sich auf verschiedene

    Produkte und Dienstleistungen anwenden lassen (Europäische Kommission 2011a,

    2011a, 2009, 2011b, 2015a).

    3.2.3 Umsetzung auf Bundesebene

    Durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts12 sollen die im letzten Un-

    terkapitel aufgeführten EU-Vergaberichtlinien aus 2014 bis zum 17. April 2016 in

    nationales Recht umgesetzt werden. Die wesentlichen Regelungen werden damit im

    Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), welches für Aufträge im Ober-

    schwellenbereich gilt, zusammengeführt (Bundesministerium für Wirtschaft und

    Energie 2015a). Das GWB gehört zusammen mit der Vergabe- und Vertragsordnung

    für Leistungen (VOL) Teil A und B, der Vergabeverordnung (VgV) sowie den Verga-

    begesetzen der Länder zum gesetzlichen Rahmen des öffentlichen Beschaffungswe-

    sens.

    11 Richtlinie 2014/24/EU, Richtlinie 2014/25/EU und Richtlinie 2014/23/EU 12 das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG) wurde am 17./18.12.2015 von Bundestag und Bundesrat angenommen (Forum Vergabe 2015)

  • 24

    Ziel der Modernisierung der öffentlichen Auftragsvergabe in Deutschland ist es, die-

    se einfacher und anwendungsfreundlicher zu gestalten (Bundesministerium für

    Wirtschaft und Energie und Öffentlichkeitsarbeit 2015). Wesentliche Eckpunkte der

    Umsetzung sind:

    Stärkung ökologischer, sozialer und innovativer Aspekte im Einklang mit der

    Wirtschaftlichkeit

    Erhaltung kommunaler Handlungsspielräume

    weitgehende Digitalisierung des Beschaffungsprozesses

    Verminderung des bürokratischen Aufwandes

    Erleichterung der Teilnahme von KMU an öffentlichen Vergabeverfahren

    (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2015a).

    Eine Betrachtung der derzeit in Deutschland geltenden Vergabevorschriften, die mit

    der Umsetzung der EU-Richtlinien13 von 2004 in Kraft gesetzt wurden, zeigt, dass

    schon vor der aktuellen Reform die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten

    rechtlich möglich war. Die allgemeinen Grundsätze des am 01.01.1999 in Kraft

    getretenen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen lauten nach § 97 GWB:

    Gleichbehandlung der Teilnehmer, d. h. alle Unternehmen, die ein gültiges

    Angebot eingereicht haben, müssen gleich behandelt werden

    Berücksichtigung mittelständischer Interessen, d. h. umfangreiche Beschaf-

    fungsvorhaben sollen in mehrere Lose aufgeteilt werden

    Möglichkeit der Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener oder innovati-

    ver Aspekte, insofern diese im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftrags-

    gegenstand stehen

    Wirtschaftlichkeit, d. h. den Zuschlag erhält das wirtschaftlich günstigste An-

    gebot, das den Anforderungen der Ausschreibung entspricht

    Inwiefern nun die geplanten Änderungen des deutschen Vergaberechts die durch

    die EU-Richtlinien eingeräumten Spielräume zu einer Stärkung von Nachhaltigkeits-

    aspekten nutzen und eine tatsächliche Modernisierung darstellen, wurde nach dem

    Stand der Forschung bisher nicht wissenschaftlich evaluiert.

    13 2004/18/EG und 2004/19/EG

  • 25

    3.2.4 Regelungen in Berlin und Brandenburg

    Da die in den vorhergehenden Kapiteln aufgeführten Richtlinien, Gesetze und Ver-

    ordnungen nur für Vergaben über dem EU-Schwellenwert verbindlich sind, soll die-

    ses Kapitel die Regelungen und Vorschriften in Berlin und Brandenburg betrachten.

    Im Hinblick auf die Analyse der Fallbeispiele im Kapitel 5 wird der Schwerpunkt

    hierbei bei gesetzlichen Vorgaben zu Nachhaltigkeitsaspekten zum Schul- und Kita-

    essen liegen.

    Evaluierungen der Länderregelungen auf dem Gebiet der umweltfreundlichen Be-

    schaffung haben aufgezeigt, dass es in Deutschland auf Länderebene in den letzten

    Jahren einen Zuwachs an verbindlichen Regelungen gab, es jedoch immer noch Län-

    der ohne solche Vorgaben gibt (Hermann und Acker 2011; Schmidt und Dubbers

    2014). Eine besondere Ausnahme bildet hierbei neben Hamburg das Land Berlin:

    „Diese Länder verfügen über ein Vergabegesetz, in dem der Wille des Gesetz-gebers zum Ausdruck kommt, das öffentliche Beschaffungswesen umwelt-freundlich zu gestalten, indem Grundsätze und Ziele benannt und den Norma-dressaten verbindlich vorgegeben werden.“ (Schmidt und Dubbers 2014, S. 29).

    Berlin

    In Berlin schreibt das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) im

    § 7 zur umweltverträglichen Beschaffung vor, dass Auftraggeber verpflichtet sind,

    bei der Vergabe ökologische Kriterien zu berücksichtigen. Vollständige Lebenszyk-

    luskosten sollen gemäß des § 7 bei der Bewertung der Angebote miteinbezogen

    werden. Auch in Bezug zu sozialen Kriterien beinhaltet das Gesetz Vorgaben zu Ta-

    riftreue, Mindestlohn und der Bevorzugung von Unternehmen, die Ausbildungsplät-

    ze anbieten. In der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt

    (VwVBU)werden weitere Ziele der umweltfreundlichen Beschaffung dargelegt. Der

    Anhang 1 der VwVBU enthält ökologische Mindestanforderungen für relevante Pro-

    dukt- und Dienstleistungsgruppen. So gibt es für die Essen- und Getränkeverpfle-

    gung die Anforderung, einen Mindestanteil von 15 % biologische Lebensmittel an-

    zubieten, wobei jeden Tag mindestens eine Komponente aus biologischer Landwirt-

    schaft stammen muss (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2013, S.

    63).

    In Berlin führte die öffentliche Diskussion zur Qualität des Schulessens zu einem

    Beschluss der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Neuregelun-

    gen zur Qualitätsverbesserung der Schulverpflegung aufzustellen (Senatsverwal-

  • 26

    tung für Bildung und Jugend und Wissenschaft 2013). Diese beinhalten unter ande-

    rem einen verbindlichen Bio-Mindestanteil von 15 % und einen festgelegten Fest-

    preis von 3,25 Euro pro Mahlzeit (Senatsverwaltung für Bildung und Jugend und

    Wissenschaft 2013, S. 6). Außerdem wird die Vorgabe gemacht, dass die für die Aus-

    schreibungen verantwortlichen Bezirksämter, die Aufträge so teilen sollen, dass ein

    Vergabelos (ein Auftrag) der Versorgung einer Schule entspricht (Senatsverwaltung

    für Bildung und Jugend und Wissenschaft 2013, S. 6). Die festgelegten Zuschlagskri-

    terien sollen bezwecken, dass die Bieter zusätzliche Punkte für besondere Qualität

    erhalten und damit ein „Qualitäts- statt Preiswettbewerb“ stattfindet (Senatsverwal-

    tung für Bildung und Jugend und Wissenschaft 2013, S. 6). Das heißt, dass diejenigen

    Wettbewerber den Zuschlag erhalten, die für 3,25 Euro pro Mittagessen die höchste

    Qualität liefern. Inwieweit dieses Vorgehen zum gewünschten Erfolg führt, soll in

    der Auswertung der Ergebnisse im Kapitel 5.2 dargelegt werden.

    Brandenburg

    Das am 01.01.2012 in Kraft getretene Brandenburgische Vergabegesetz (BbgVergG)

    stellt Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf. Dieses

    enthält zwar die Möglichkeit nach § 2 ökologische, soziale oder innovative Anforde-

    rungen in Vergabeverfahren zu berücksichtigen. Jedoch enthält es keine verbindli-

    chen Mindestkriterien.

  • 27

    3.3 Umsetzbarkeit von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren

    In diesem Kapitel soll geprüft werden, inwieweit die in Kapitel 3.1.1 erarbeiteten

    Kriterien in einem Vergabeverfahren rechtlich umsetzbar wären. Bevor ermittelt

    wird, welche Möglichkeiten der rechtlich zulässigen Anwendbarkeit es für die Be-

    rücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeverfahren gibt, sollen zu-

    nächst die Besonderheiten in Bezug zur Beschaffung von VDL aufgezeigt und die

    Relevanz der präzisen Formulierung von Vergabekriterien in den Ausschreibungen

    betrachtet werden.

    3.3.1 Besonderheiten der Vergabe für Verpflegungsdienstleistungen

    Die Essensversorgung in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung öffentlicher

    Träger, zu denen u.a. Schulen, Pflegeheime und Krankenhäuser gehören, kann ent-

    weder in Eigenbewirtschaftung selber zu übernommen oder als Verpflegungsdienst-

    leistung in Fremdbewirtschaftung an ein anderes Unternehmen vergeben werden

    (Roehl und Strassner 2011, S. 24). Laut EU-Verordnung 282/2011 Art. 6 beinhaltet

    eine Verpflegungsdienstleistung:

    „… die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder Geträn-ke, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungs-anteil überwiegt. (…) Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung sol-cher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers.“

    Verpflegungsdienstleistungen können im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung

    im Sinne des Vergaberechts oder als Dienstleistungskonzession (DLK) erfolgen.

    Letztere unterliegt im Gegensatz zu einem Dienstleistungsauftrag nicht dem Verga-

    berecht und ist gemäß Richtlinie 2014/23/EU14 ein Vertrag zwischen einem oder

    mehreren öffentlichen Konzessionsgebern und einem oder mehreren Wirtschafts-

    teilnehmern. Während beim Dienstleistungsauftrag ein Entgelt für die zu erbringen-

    de Leistung vertraglich vereinbart wird, ist die DLK gemäß dem genannten Artikel

    14 Amtsblatt der Europäischen Union (2014): RICHTLINIE 2014/23/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe

  • 28

    dadurch charakterisiert, dass die Gegenleistung in einem Recht zur Verwertung der

    Dienstleistung besteht.

    Am Beispiel einer Verpflegungsdienstleistung für Schulen würde dies bedeuten. dass

    der Anbieter seine Vergütung nicht vom öffentlichen Träger der Schule, sondern

    direkt von den Eltern erhält. Das Abgrenzungsmerkmal zum öffentlichen Auftrag ist

    damit die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den Auftragnehmer. Im

    genannten Beispiel würde dies bedeuten, dass dem Anbieter der Verpflegungs-

    dienstleistung keine festen Abnahmezahlen für das Essen garantiert werden. Auch

    wenn die DLK nicht dem Vergaberecht unterliegt15, sind Auftraggeber zu einer Aus-

    schreibung verpflichtet (Deutsches Vergabenetzwerk 2011).

    3.3.2 Anforderungen an die Formulierung von Vergabekriterien

    Da Auftraggeber gemäß § 97 GWB nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit dazu

    angehalten sind, in einem Vergabeverfahren demjenigen Teilnehmer den Zuschlag

    zu erteilen, der das günstigste Angebot im Zusammenhang mit der geforderten Qua-

    lität abgibt, ist die genaue Festlegung von Vergabekriterien der Schlüsselfaktor zum

    Erhalt einer gewünschten Qualität (Europäische Kommission 2011a, S. 33). Nach-

    dem die unter Punkt 3.2.1 beschriebene Vergabeart festgelegt wurde, veröffentlicht

    der Auftraggeber eine Ausschreibung, welche gemäß § 8 VOL neben den Bewer-

    bungsbedingungen, eine Angabe über die Zuschlagskriterien sowie die Leistungsbe-

    schreibung und die Vertragsbedingungen enthalten muss.

    Die Leistungsbeschreibung, die die Grundlage für die spätere Vertragsschließung

    ist, sollte so formuliert sein, dass die gewünschte Leistung vom Anbieter auch so

    erbracht und ggf. eingefordert werden kann. Sie sollte gemäß § 7 VOL so eindeutig

    und ausführlich formuliert werden, dass alle Anbieter die Anforderung im gleichen

    Sinne verstehen und vergleichbare Angebote ausgewertet werden können. Die Qua-

    lität der gewünschten Leistung kann mithilfe von Eignungskriterien16 präzise be-

    schrieben werden. Zulässige und unzulässige Kriterien sind in den Rechtsverord-

    nungen aufgeführt. So muss beispielsweise bei der Forderung nach einem Gütezei-

    15 Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts aus 12/2015 sieht Änderung der Rechtslage zu DLK vor. 16 Bezeichnung variiert je nach Vergabeart; weitere übliche Bezeichnungen sind technische Kriterien (nach § 8 EG VOL) und Mindestanforderungen.

  • 29

    chen der Zusatz „oder gleichwertiger Art“ genannt werden, um keinen Bieter zu dis-

    kriminieren17.

    Für Verpflegungsdienstleistungen wird z. B. von den Vernetzungsstellen Schulver-

    pflegung (Bier et al. 2014) empfohlen, Vorgaben zu folgenden Aspekten festzulegen:

    Verpflegungssystem/Küchensystem/Ausgabesystem

    Logistik (Anlieferung, Warmhaltezeit der Speisen)

    Umfang Essensangebot: Anzahl Menülinien

    ernährungsphysiologische Kriterien

    Warenqualität und Wareneinkauf (Bio-Anteil, Verpackungen)

    Bestell- und Abrechnungssystem

    besondere Belange der Essensteilnehmer

    Qualitätssicherung

    Pädagogisches Konzept

    Referenzen des Auftragnehmers im Bereich der Verpflegung von Kindern

    Einsatz von qualifiziertem Personal

    Die Eignungskriterien bestimmen also die Qualität der Vertragsleistung, das Nicht-

    erfüllen dieser Kriterien führt zum Ausschluss des Teilnehmers (§ 19 EG VOL). Alle

    Angebote, die den Anforderungen der Leistungsbeschreibung entsprechen, werden

    anschließend anhand sogenannter Zuschlagskriterien bewertet. Diese Kriterien

    zur Gewichtung der Angebote werden zuvor vom Auftraggeber festgelegt und ge-

    mäß § 8 VOL bekannt gegeben. Berücksichtigt werden können hierbei gemäß

    § 19 EG Abs. 9 VOL z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit,

    Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Kundendienst und Lie-

    ferzeitpunkt. Auf Grundlage einer Wichtung der gewählten Zuschlagskriterien (z. B.

    Preis 40 %, Bio-Anteil 30 %, Saisonalität der Waren 30 %) und des Grad der Erfül-

    lung der jeweiligen Kriterien (z. B. Bio-Anteil: unter 20 % 1 Punkt, zwischen 20 und

    40 % 2 Punkte, über 40 % 3 Punkte)wird der Zuschlag für die Vergabe erteilt. In-

    wieweit Nachhaltigkeitsaspekte in den Eignungs- und Zuschlagskriterien berück-

    sichtigt werden können, soll im nächsten Punkt ausgeführt werden.

    17 Änderung durch Art. 43 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU erlaubt Nachweise in Form von Gütezeichen für spezifische umweltbezogene Merkmale

  • 30

    3.3.3 Rechtliche Möglichkeiten der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien

    Aufbauend auf den unter Punkt 3.1.1 ermittelten Nachhaltigkeitskriterien für VDL

    soll nachfolgend dargelegt werden, inwieweit deren Anwendung in Vergabeverfah-

    ren rechtlich zulässig sind. Diese Aufstellung hat nicht den Anspruch, eine Anleitung

    zur Berücksichtigung der Kriterien zu sein, sondern soll vorwiegend prüfen, ob und

    nach welchen vergaberechtlichen Grundsätzen die Nachhaltigkeitskriterien umge-

    setzt werden können. Wenn einzelne Kriterien den gleichen rechtlichen Vorgaben

    entsprechen, sollen sie für eine bessere Übersicht zusammengefasst werden.

    (1) Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung

    Ökologisch erzeugte Lebensmittel sowie Produkte aus artgerechter Tierhaltung und

    Aquakultur- und Meeresprodukte aus anerkannter Zertifizierung können nach

    § 97 GWB rechtlich zulässig in Ausschreibungen für VDL vorgeschrieben werden

    (Europäische Kommission 2009). Es ist sowohl legitim einen Mindestanteil unter

    den Eignungskriterien zu verlangen, den der Dienstleister erfüllen muss, als auch

    unter den Zuschlagskriterien Zusatzpunkte zu geben, wenn der Anteil höher als der

    erforderliche Mindestanteil ist (Europäische Kommission 2009). Außerdem kann

    festgelegt werden, welche Produktgruppen (Milchprodukte, Fleisch, Gemüse etc.)

    vorzugsweise aus ökologischer Erzeugung sein sollen (Europäische Kommission

    2009).

    (2) Regionalität/Saisonalität

    Nach nationalem und europäischem Recht ist es unzulässig Bieter mit einer be-

    stimmten Ortsansässigkeit zu bevorzugen, da dies gegen das Diskriminierungsver-

    bot nach § 97 Abs. 2 GWB verstößt (Hermann 2012, S. 59). So ist es nach dem glei-

    chen Grundsatz ebenfalls nicht gestattet, Bieter mit kurzen Transportwegen zu be-

    vorzugen (Hermann 2012, S. 59). In Bezug auf die Herkunft der Lebensmittel (und

    nicht des Bieters) findet sich jedoch in der Literatur und in Rechtstexten keine ein-

    deutige Antwort, die dies bejaht oder verneint. Es könnte sich hier um eine rechtli-

    che Grauzone handeln. Eine sichere Möglichkeit scheint es jedoch nach Angaben in

    der Literatur, anstelle von regionalen Lebensmitteln saisonale Lebensmittel bzw.

    Lebensmittel, die nicht im Gewächshaus gezogen worden sind, zu fordern (Hermann

    2012; Europäische Kommission 2009). Hinsichtlich der gewünschten kurzen Trans-

    portwege können bei der Beschaffung von VDL maximale Warmhaltezeiten des Es-

  • 31

    sens vorgegeben werden, die lange Transportwege erschweren oder unmöglich ma-

    chen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2013).

    (3) Abfallvermeidung/ Umweltfreundliche Geräte und Reinigungsmittel

    In den Auftragsbestimmungen können sowohl Vorgaben gemacht werden zur Ver-

    packung, der Abfallvermeidung, dem Einsatz gefährlicher Chemikalien und Verwen-

    dung von umweltfreundlichen Reinigungs- und Geschirrspülmitteln sowie energieeffizi-

    enter und wassersparender Küchengeräte (Europäische Kommission 2009). So ist es u. a.

    rechtlich möglich bestimmte Energieeffizienzstandards, einen Recyclinganteil der Trans-

    portverpackungen und die Trennung von Abfällen zu verlangen.

    (4) Soziale Standards

    Die Forderung nach Fairtrade-Produkten ist schwierig umzusetzen. Zumindest kön-

    nen nicht – wie auch bei anderen Umweltzeichen – pauschal Produkte mit Fairtrade-

    Siegel vorausgesetzt werden (Hermann 2012, S. 42). Der Auftraggeber kann in der

    Leistungsbeschreibung nicht ein bestimmtes Umweltzeichen verlangen, sondern

    muss auf die Kriterien, die die Basis zur Erteilung eines Umweltzeichens bilden, zu-

    rückgreifen (Hermann 2012, S. 43). Für die rechtliche Zulässigkeit müssen also auch

    andere Nachweise als das spezifische Umweltzeichen erlaubt werden (Hermann

    2012, S. 44).

    Weitere Nachhaltigkeitskriterien wie die Förderung von Beschäftigungschancen,

    Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern, Einhaltung von arbeitsrechtlichen und

    sozialen Bestimmungen, soziale Eingliederung (einschließlich Menschen mit Behin-

    derungen), Chancengleichheit und Barrierefreiheit können nach § 97 GWB in die

    Leistungsbeschreibung einbezogen werden, wenn sie im Zusammenhang mit dem

    Auftragsgegenstand stehen (Europäische Kommission 2011b, S. 29–33).

    (5) Förderung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) und regionaler

    Wertschöpfungsketten

    Nach § 97 Abs. 3 GWB sind mittelständische Interessen im Vergabeverfahren vor-

    nehmlich zu berücksichtigen. Um dies zu gewährleisten, sollen größere Aufträge in

    kleinere Mengen (Teillose) oder nach Fachgebiet (Fachlose) aufgeteilt werden. Die

    Vergabe von mehreren Teil- oder Fachlosen an einen Anbieter aus wirtschaftlichen

  • 32

    oder technischen Gründen ist zu begründen. Ein weiterer relevanter Aspekt für die

    Erhöhung der Teilnahme von KMU an öffentlichen Vergabeverfahren ist der Abbau

    administrativer Hürden (Europäische Kommission 2011b, S. 9). Dies lässt sich bei-

    spielsweise durch überschaubare Verträge, angemessen lange Ausschreibungsdau-

    ern und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei Festlegung von wirtschaftlichen

    Erfordernissen etc. umsetzen (Europäische Kommission 2011b, S. 9).

    Eine über die Berücksichtigung der Interessen von KMU hinausgehende gezielte

    Förderung von regionalen Wertschöpfungsketten scheint aufgrund des Diskriminie-

    rungsverbotes nach § 97 Abs. 2 GWB nicht möglich.

    (6) Förderung von Innovationen

    Nach § 97 Abs. 4 können innovative Aspekte im Vergabeverfahren beachtet werden.

    Im Leitfaden zur innovativen Beschaffung des Bundesministeriums für Wirtschaft

    und Energie werden zur Innovationsförderung verschiedene Empfehlungen wie

    z. B. eine frühzeitige Marktkommunikation und eine eingehende Markterkundung

    gegeben (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2014, S. 27). Die Möglich-

    keit des sogenannten „technischen Dialoges“ bzw. des „antizipativen Dialoges“ als

    Instrument um geeignete Kriterien in Vorbereitung auf eine Ausschreibung festzule-

    gen, wird auch als ein Schlüsselfaktor für den Aufbau geeigneter Lebensmittel-

    Wertschöpfungsketten genannt (Risku-Norja und Løes 2016; Spigarolo et al. 2010a).

    Das Verfahren eines solchen Dialoges muss jedoch transparent und nichtdiskrimi-

    nierend sein (Europäische Kommission 2011a, S. 18).

    Ein weiteres geeignetes Mittel könnte der unter Punkt 3.2.1 beschriebene wettbe-

    werbliche Dialoges sein, der durchgeführt werden kann, wenn die technischen Spe-

    zifikationen der zu beschaffenden Leistung vom Auftraggeber nicht klar angegeben

    werden können. Ebenfalls vergaberechtlich zulässig ist die Methode, Angebotsvari-

    anten zu akzeptieren, bei denen Bieter umweltfreundlichere Alternativvorschläge

    zum Auftragsgegenstand machen können (Europäische Kommission 2011a, S. 29).

    (7) Einbeziehung von Lebenszykluskosten

    Der Artikel 68 der aktuellen EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU enthält detaillierte

    Vorgaben zur Lebenszykluskostenrechnung. Hiermit werden Kosten öffentlicher

    Auftraggeber oder anderer Nutzer umfasst wie z. B. Anschaffungskosten, Nutzungs-

  • 33

    kosten, Wartungskosten, Kosten am Ende der Nutzungsdauer sowie Kosten, die

    durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen. Diese Kosten dürfen bei der

    Bewertung der Angebote einbezogen werden, jedoch muss nach Art. 68 Abs. 2 die

    Methode zur Bewertung externer Umweltkosten nachprüfbar und darf nicht dis-

    kriminierend sein.

    Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien scheint also – wenn auch teilwei-

    se über Umwege – rechtlich zulässig zu sein. Zu deren Umsetzung empfiehlt die Eu-

    ropäische Kommission den Auftraggebern, in Abhängigkeit vom Vertragsgegenstand

    und der Zielsetzung zu entscheiden, welche der Kriterien in der jeweiligen Aus-

    schreibung berücksichtigt werden sollen (Europäische Kommission 2011b, S. 7).

  • 34

    4 Methodischer Ansatz und Untersuchungsumfang

    4.1 Ziele und Umfang der Untersuchung

    Nachdem sich der theoretische Teil der Arbeit mit dem gesellschaftlich-politischem

    Anspruch einer nachhaltigen Beschaffung und derer rechtlicher Umsetzbarkeit be-

    fasst hat, ist es Gegenstand der praktischen Untersuchung zu prüfen, inwieweit die-

    se Potenziale in der Vergabepraxis genutzt werden. Hierfür soll in einem ersten

    Schritt eine Analyse von öffentlichen Ausschreibungen für Verpflegungsdienstleis-

    tungen durchgeführt werden. Ziele dieser Analyse sind es zu prüfen, in welchem

    Umfang Nachhaltigkeitsziele berücksichtigt und welche rechtlichen Möglichkeiten

    hierfür genutzt werden. Die Entscheidung, dies mittels einer Analyse von Vergabe-

    unterlagen und nicht anhand von Experteninterviews mit Verantwortlichen der

    öffentlichen Beschaffung durchzuführen, liegt darin begründet, dass hier sehr sub-

    jektive Antworten zu erwarten wären. Wie im Kapitel 2 herausgestellt wurde, stell-

    ten schon Renda et al. (2012) und Beck und Schuster (2013) in ähnlichen Befragun-

    gen fest, dass öffentliche Vergabestellen teilweise ein abweichendes Bild von Nach-

    haltigkeitskriterien haben bzw. das eigene Handeln in dieser Hinsicht zu positiv be-

    werten (Beck und Schuster 2013; Renda et al. 2012). Aus diesem Grund scheint eine

    objektive Analyse von Beschaffungsvorgängen ein geeigneteres Mittel zu sein, um

    das gewünschte Ergebnis eines Status-Quo von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabe-

    verfahren zu erreichen.

    Basierend auf den Ergebnissen dieser Analyse sollen dann in einem zweiten Schritt

    Expertengespräche geführt werden. Ziel der Expertengespräche ist es zu einer Ein-

    schätzung zu gelangen, ob die durchgeführten Ausschreibungen eine Realisierung

    von Nachhaltigkeitszielen im Bereich der Verpflegungsdienstleistungen ermögli-

    chen.

    Die Untersuchung soll sich räumlich auf Berlin und Brandenburg und zeitlich auf die

    letzten drei Jahre konzentrieren. Dies liegt darin begründet, dass die Aussagekraft

    der Ergebnisse nur vor einem ähnlichen politischen und rechtlichen Kontext sinn-

    voll scheint. Wie aus der Analyse des rechtlichen Rahmens im Kapitel 3.2 hervor-

    geht, hat die Modernisierung des bundesweiten Vergaberechts im Jahr 2009 dazu

    geführt, dass Nachhaltigkeitsziele auch in öffentlichen Vergabeverfahren umsetzbar

    geworden sind. Daher sollen nur Beschaffungsprozesse betrachtet werden, die nach

    diesem Zeitraum durchgeführt wurden. Die Fokussierung auf Fallbeispiele in Berlin

  • 35

    und Brandenburg ist darauf zurückführbar, dass in diesen beiden Ländern die Um-

    setzung von Nachhaltigkeitszielen im Vergabewesen auf der politischen Agenda

    unterschiedlich priorisiert wurde (siehe Kapitel 3.2.4). Ein Vergleich kann hier aus-

    sagekräftige Ergebnisse in Bezug zur Bedeutung der Landesvorgaben bringen.

    Des Weiteren wurde der Untersuchungsumfang auf Vergabeverfahren für Schulen

    und Kitas begrenzt, da Verpflegungsdienstleistungen für andere Arten der Gemein-

    schaftsverpflegung eventuell andere Rahmenbedingungen aufweisen und an dieser

    Stelle eine Vergleichbarkeit gewährleistet werden soll.

    4.2 Auswahl von Fallbeispielen und Experten

    Um geeignete Fallbeispiele für die Analyse der Vergabeunterlagen aufzustellen,

    wurde in einem ersten Schritt mithilfe einer öffentlich zugänglichen Vergabe-

    Datenbank (www.ausschreibungen-deutschland.de) unter den Stichworten „Ver-

    pflegung“ und „Essensversorgung“ nach Bekanntmachungen vergebener Aufträge in

    Brandenburg recherchiert. Insgesamt wurden 19 Bekanntmachungen aus 2013,

    2014 und 2015 gefunden, welche Verpflegungsdienstleistungen für Kitas und Schu-

    len betreffen. Daraufhin wurden die betreffenden 19 Vergabestellen per Email bzw.

    telefonisch mit der Bitte kontaktiert, ihre Vergabeunterlagen für diese Arbeit zu-

    gänglich zu machen. Eine positive Antwort inklusive Vergabeunterlagen kam von

    insgesamt 9 der 19 kommunalen Vergabestellen in ganz Brandenburg. In ein