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Berufsrisiko Burnout bei Lehrern
Dr. med. Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde, Riehen BS
Einige Zahlen
In Deutschland erreichen nur ca. 4 % aller PflichtschullehrerInnen die normale Dienstaltersgrenze.
Das Durchschnittsalter für krankheitsbedingte Frühpensionierungen liegt bei ca. 58 Jahren.
Etwa 50% der Frühpensionierten haben i.w.S. eine Erschöpfungsdiagnose. Die Hälfte davon suchte deshalb schon in den ersten fünf Dienstjahren den Arzt auf!
Nach Sieland 2001
Markanter Anstieg
Belastung im Lehrerberuf
- Potsdamer Studie ( Prof. Dr. Uwe Schaarschmidt), präsentiert an der Kölner Bildungsmesse didacta 2004:
Jeder zweite Lehrer fühlt sich durch den Stress in seinem Beruf im Übermaß belastet, jeder dritte zeigt Anzeichen von Selbstüberforderung und Resignation und schwebt in Gefahr, eines Tages auszubrennen und dauerhaft krank zu werden.
„Wir fordern die Landesregierung auf, die belastenden Arbeitsbedingungen von Lehrern endlich zu Kenntnis zu nehmen und nicht länger klein zu reden, wie es Ministerpräsident Steinbrück noch vergangene Woche getan hat, indem er Lehrerinnen und Lehrer als Jammerlappen dargestellt hat“, so Beckmann.
Quelle Verband Bildung und Erziehung (VBE) 2004
Ursachen (VBE Studie)
Aufgabenfeld und Arbeitsbedingungen von Lehrkräften haben sich massiv verändert. „Arbeitsbedingungen an der Schule, die Altersstruktur der Lehrkräfte, das veränderte Schülerverhalten und die gestiegenen Erwartungen der Öffentlichkeit an die Lehrerschaft.“
Die Fülle der Erwartungen an die Schule steige ins Unermessliche: „Wir Lehrerinnen und Lehrer sollen für jeden Wunsch der Gesellschaft, der Wirtschaft und jedes Problem der Politik ein entsprechendes Angebot vorhalten, erhalten aber umgekehrt – vor allem von der Politik – so gut wie gar keine Unterstützung.
Kritik „Sie bedienen durch viele ihrer Äußerungen Stammtischparolen und demotivieren die Lehrkräfte durch eine Herabwürdigung ihrer Leistungen. Gerade die Anerkennung beruflicher Leistung wird aber als eine wichtige Voraussetzung für Arbeitszufriedenheit angesehen.“
Abwertung der Lehrer
„Prügelknaben der Nation“ Schröder: „Faule Säcke“ FACTS: „Mit Unterstützung im Volk
können die Lehrer kaum rechnen. Dort geistert noch das Bild des gut bezahlten Ferientechnikers mit krisensicherem Job herum, der gern jammert.“
Verantwortung oder Überengagement?-- ein Beispiel Berner Realschullehrer Hanspeter Fiechter in einem Vorort von Bern. Im letzten
Schuljahr hat er aufgeschrieben, wie viel Zeit er für schwierige Schüler zur Krisenintervention eingesetzt hat: 114 Stunden – fast drei Arbeitswochen.
Dazu gehörten Telefongespräche, ausserplanmässige Elternbesuche, Lehrersitzungen, Treffen mit der Schulkommission.
Ein Viertel von Fiechters Zeit nahm allein der Schüler Esteban L. in Anspruch, ein 15-jähriger, der als 9-Jähriger mit seiner Mutter in die Schweiz gekommen war.
Fiechter war während der letzten beiden Jahre sein Klassenlehrer. Wenn Esteban die Schule schwänzte, fuhr er nachher mit ihm zum Arzt, damit der seine Gesundheit abklärte. Wenn Esteban Mädchen betatschte, führte Fiechter stundenlange Telefone mit den empörten Eltern. Fiechter organisierte einen Arbeitseinsatz beim Schulabwart, damit Esteban seine aufgelaufenen Strafstunden absitzen konnte. Er organisierte für den renitenten Schüler einen Arbeitseinsatz bei einem Malermeister und musste anschliessend die Arbeiter des Betriebs beruhigen, die sich über Estebans Manieren aufregten.
Inzwischen ist Esteban L. aus Fiechters Leben verschwunden. Mit Eingaben, Beweisführungen und Anhörungen haben die Lehrer von Urtenen durchgeboxt, dass der schwierige Junge von der Schule ausgeschlossen wurde, so wie es Artikel 28 des Berner Schulgesetzes vorsieht.
Hanspeter Fiechter aber ist am Anschlag. (QUELLE: Facts 2003).
„Wie eine ausgebrannte Hülle“
Betroffene brauchen eindrückliche Bilder:
„Wie eine Raketenstufe, die ausgeglüht und nutzlos ins Meer fällt“
„Wie ein Haus, das ausgebrannt ist, aber die Fassade steht noch.“
„Wie ein Marathonläufer in der Wüste. Ich kann weder vorwärts noch rückwärts.“
„Wie ein leerer Akku.“ „Energiebudget: auf Pump gelebt, permanent
überbucht, neues Budget machen und abbezahlen Wolf in der Falle: Schmerzhafte Neuorientierung,
die nicht ohne Verluste geht.
Burn out Fragen
Fühlen Sie sich oft hilflos und ausgelaugt? Erledigen sie ihre Arbeit gelassen oder
unter Zeitdruck? Haben sie oft den Eindruck, dass ihnen die
Zeit für das Wesentliche im Leben fehlt? Haben sie oft das Gefühl, dass die kaum
mehr Freizeit haben? Ärgern sie sich manchmal darüber, dass
ihnen nichts so richtig von der Hand geht?
Burn out Fragen
Fragen Sie sich oft, ob Sie ihrer Aufgabe überhaupt gewachsen seien?
Begleitet sie oft die Angst vor der Begegnung mit Schülern und Eltern?
Gehen sie in letzter Zeit ungern ans Telefon? Fühlen sie sich unter Druck und wissen mitunter
nicht mehr, welche Pendenz zuerst zu erledigen ist?
Schieben sie in letzter Zeit anstehende Entscheidungen hinaus?
BURNOUT - Notbremse der Seele?
Burnout ist eine körperliche und emotionale Erschöpfung aufgrund dauernder Anspannung, ständiger sozialer Begegnungen, täglichen Stresses.
Burnout ist besonders tiefgreifend, wenn aufreibende Arbeit und dauernde Belastung von wenig Anerkennung und mitmenschlicher Unterstützung begleitet sind.
Vier Bereiche
PersönlichkeitGrundhaltung
Faktoren amArbeitsplatz
(Schule)
PrivatlebenPartnerschaftBeziehungen
Gesundheitkörperliche
Fitness
Stressoren am Arbeitsplatz Schule Desinteressierte und störende Schüler Hohe Erwartungen der Eltern Ständige Schulreformen und Veränderungen Isolation im Klassenzimmer zu viele Projekte keine bzw. negative Rückmeldungen Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten Verantwortungsgefühl für die SchülerInnen Vorbereitungsarbeiten in Ferien und Freizeit Erhöhte Gewaltbereitschaft der Schüler
Schüler
Klasse
Eltern
Kollegen
Schulleitung
Bildungs-system
LEHRER
S C H U L E
G E S E L L S C H A F T
Nach Hagemann 2003
Zerreissprobe oder Beziehungsnetz?
Konflikte mit Partner / Partnerin Konflikte mit Kindern Konflikte mit Freunden Mehrfachbelastungen (Haushalt / Erziehung /
Beruf) Mangel an Kontaktmöglichkeiten Aufgeben von Hobbys oder sportlichen
Aktivitäten Vernachlässigung des Privatlebens
Stressoren in Familie und Freizeit
alles zuviel körperliche Erschöpfung: konstante Übermüdung und
Lustlosigkeit, innerlich angetrieben, psychosomatische Beschwerden (Schwitzen, Herzklopfen, Kopfweh, Rückenschmerzen, Impotenz)
emotionale Erschöpfung: keine Belastbarkeit, reizbar, den Tränen nahe, keine Distanz
keine Fähigkeit mehr, Aufgaben zu planen. Schlafstörungen nicht abschalten können, auch in der Freizeit an den
Beruf denken Entmutigung: „Ich schaffe es doch nicht“
Was merkt die betroffene Person?
Anzeichen für Burnout in der Schule
Klagen über Arbeitsunlust und Überforderung keine neuen Ideen und Projekte, die die Person
früher auszeichneten Negative Grundeinstellung, Dienst nach
Vorschrift Widerstand gegen Veränderungen weniger Kontakt mit Kollegen vermehrt krankheitsbedingte Absenzen „innere Kündigung“
Burnout trifft oft die besten LehrerInnen Hohes persönliches Engagement im täglichen
Umgang Schülern und Eltern Hoher Anspruch an sich selbst: „Ich will gut
sein - Ich will erfolgreich sein - Ich will es den andern zeigen!“
Sensibilität für Menschen und Situationen Schlechte Abgrenzungsfähigkeit Hohes Pflichtbewusstsein / Kontrollbedürfnis
Wer ist besonders gefährdet?
„Sei nicht allzu gerecht und allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest“
Prediger 7,16
Der Burnout-Zyklus
Stadium 1
Stadium 2
VerstärkterEinsatz
Stadium 5
Umdeutung vonWerten
Stadium 3
Subtile Vernachlässsigung eigener Bedürfnisse
Stadium 4
Verdrängung von Konflikten
Stadium 6
Verstärkte Verleugnung der aufgetretenen Probleme
Stadium 7
Rückzug
Stadium 8
BeobachtbareVerhaltensänderungen
Stadium 9
Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit
Stadium 10
Innere Leere
Stadium 11
Depression
Stadium 12BURNOUTvöllige Erschöpfung
Sich beweisen
wollen
nach Freudenberger und North
1. Informations-Overload
2. Gefühlslabilisierung (Alarm!)
3. Speicherblockade
4. Kontroll-Versagen
3
Limbisches SystemHippocampus
Gedächtnis
2
Stirnhirn
Sitz der Gefühle
Vernunft, soziale Leitlinien, Pflicht- und Verantwortungs-bewusstsein4
1
Überlastung im Gehirn?
StressStress
Aktivierung desvegetativen Systems
Aktivierung desvegetativen Systems
Verstand und Willenskraft können die Stressreaktion nicht mehr verhindern. Die „Körpersprache der Seele“ zeigt die Grenzen auf!
Mehr Anstrengung bringt nicht mehr
Burnout-Gefahr!Normale
Anstrengung
Leis
tun
g
Anstrengung
Was macht die Beziehung zu Betroffenen schwierig?
fühlt sich isoliert schämt sich sieht sich als Versager durch jede kleine Anstrengung und
Begegnung sehr erschöpft wagt sich nicht nach draußen, weil
man ihn/sie erkennen / sehen könnte Begegnung mit Bekannten läßt
auslösende Konflikte wieder aufleben Angst vor Wiedereinstieg
Wie kommuniziert man Burnout?
Eine offene Mitteilung ist besser als Ausreden
Selbstschutz: keine Details über persönliche Angelegenheiten
keine Schuldzuweisungen Ansprechsperson benennen, die den
Kontakt hält
Spannungsfeld zwischen Selbstschutz und Informationsbedürfnis
Wie kann man wieder einsteigen?
Verständnisvolle Vorgesetzte Anpassung des Arbeitspensums Dazu stehen, dass man eine Krise
hatte Veränderung der inneren Einstellung stufenweiser Aufbau der Leistung
Wie Sie sicher ein Burnout kriegen
und was Sie daraus lernen können …
Quelle: www.tresselt.de
15 Wege zum sicheren Burnout! - 1
1. Lächeln Sie nicht – Unterricht ist ein ernstes Geschäft!
2. Machen Sie alles 150%-ig – nur der perfekte Lehrer ist ein guter Lehrer!
3. Trauen Sie keinem – Kontrollieren Sie alles!
15 Wege zum sicheren Burnout! - 2
4. Zeigen Sie Qualitätsbewusstsein – fordern Sie Leistung!
5. Schaffen Sie neue Lehrmaterialien – erfinden Sie das System neu!
6. Setzen Sie Prioritäten – die Schule ist das Wichtigste im Leben!
7. Bedauern Sie sich und Ihre aussichtslose Lage!
8. Decken Sie die Schwachstellen Ihrer Schule auf!
15 Wege zum sicheren Burnout! - 3
9. Lassen Sie nichts ungestraft – finden Sie den Schuldigen!
10.Seien Sie nicht nur Lehrer, sondern vor allem auch Erzieher!
11.Unterricht allein ist zu wenig, übernehmen Sie Zusatzaufgaben!
12.Nutzen Sie das Wochenende und die Ferien zur Unterrichtsvorbereitung!
15 Wege zum sicheren Burnout! - 4
13.Engagieren Sie sich im Freizeitbereich ausserhalb der Schule!
14.Als Lehrer verdienen Sie zu wenig – schaffen Sie sich einen kleinen Nebenverdienst!
15.Setzen Sie sich ein Denkmal – Hinterlassen Sie Spuren!
Wesentliche Elemente der Work-Life-Balance
Körper
Leistung, Arbeit
Kontakt
Sinn / WerteZeit
balance
Freunde, Familie, Zuwendung, Anerkennung
Gesundheit, Ernährung, Erholung, Entspannung, Fitness, Lebenserwartung.
Schöner Beruf, Geld, Erfolg, Karriere,
Wohlstand, Vermögen.
LebenserfüllungAntwort auf grundlegende FragenLiebe, Glaube.
Einige Fragen zum Mitnehmen
Was ist mir wirklich wichtig? Wo will ich meine Schwerpunkte setzen?
Was raubt mir Kraft? Wo verzettle ich mich? Was will ich erreichen in der Arbeit / in der
Zukunft? Welche Kontakte will ich vermehrt pflegen? Was tue ich für meine Gesundheit? Habe ich
Zeit zum Entspannen, zum Wandern, für Fitness?
Welcher Sinn trägt mein Leben? Nehme ich Zeit zum Nachdenken, zur Stille, zum Gebet?
Burnout als Chance
Erkennen, dass wir auch wertvoll sind, wenn wir an unsere Grenzen geraten sind.
Neue Weichenstellung für die Gestaltung des Lebens.
Mehr Verständnis für andere Menschen.
Gute Internet-Ressourcen
http://www.tresselt.de/burnout.htm
Download dieses Vortrages:
www.seminare-ps.net
Literatur
Hagemann W. (2003): Burnout bei Lehrern. Ursache, Hilfen, Therapien. C.H. Beck.
Meidinger H. & Enders C. (1997): Burnout-Seminare für Lehrer. Neuwied: Luchterhand Verlag.
T h e E n d