24
Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1810 1 Beschlussempfehlungen und Berichte des Petitionsausschusses zu verschiedenen Eingaben Ausgegeben: 06. 04. 2017 1. 15/5908 Denkmalschutz/ Denkmalpflege WM 2. 15/6058 Wohnungswesen WM 3. 16/488 Soziale Grundsicherung SM 4. 16/542 Ausländer- und Asylrecht IM 5. 15/5894 Gesundheitswesen SM 6. 16/779 Medienrecht, Rundfunkwesen StM 7. 16/559 Medienrecht, Rundfunkwesen StM 8. 16/605 Kommunale Angelegenheiten IM 9. 16/631 Führerscheinsachen VM 10. 16/53 Ausländer- und Asylrecht IM 11. 16/574 Medienrecht, Rundfunkwesen StM 12. 15/6003 Sozialversicherung SM 13. 16/103 Gesundheitswesen SM 14. 16/310 Beamtenversorgung FM 15. 16/440 Steuersachen FM 16. 16/443 Schornsteinfegerwesen WM 17. 16/589 Schulwesen KM 18. 16/608 Besoldung/Tarifrecht FM Inhaltsverzeichnis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.

Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg16. Wahlperiode

Drucksache 16 / 1810

1

Beschlussempfehlungen und Berichte

des Petitionsausschusses

zu verschiedenen Eingaben

Ausgegeben: 06. 04. 2017

1. 15/5908 Denkmalschutz/ Denkmalpflege WM

2. 15/6058 Wohnungswesen WM

3. 16/488 Soziale Grundsicherung SM

4. 16/542 Ausländer- und Asylrecht IM

5. 15/5894 Gesundheitswesen SM

6. 16/779 Medienrecht, Rundfunkwesen StM

7. 16/559 Medienrecht, Rundfunkwesen StM

8. 16/605 Kommunale Angelegenheiten IM

9. 16/631 Führerscheinsachen VM

10. 16/53 Ausländer- und Asylrecht IM

11. 16/574 Medienrecht, Rundfunkwesen StM

12. 15/6003 Sozialversicherung SM

13. 16/103 Gesundheitswesen SM

14. 16/310 Beamtenversorgung FM

15. 16/440 Steuersachen FM

16. 16/443 Schornsteinfegerwesen WM

17. 16/589 Schulwesen KM

18. 16/608 Besoldung/Tarifrecht FM

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internetabrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente

Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich-net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.

Page 2: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

2

1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz

Der Petent wendet sich gegen den genehmigten Ab-bruch von denkmalgeschützten Gebäuden. Er bezwei-felt die der Genehmigung vom 20. Januar 2016 zu-grundeliegenden gutachterlichen und behördlichen Aus -führungen zu deren mangelnden Standsicherheit undwünscht ein weiteres Gutachten. Er trägt vor, dass dasBaurechtsamt die Öffentlichkeit erst am 21. Januar2016 über die Abrissplanung informiert habe und be-gehrt die Unterbrechung der Abbrucharbeiten.

Die Prüfung der Petition ergab Folgendes:

1. Sachverhalt

Bei den in Rede stehenden Gebäuden samt Rückge-bäuden handelt es sich um Kulturdenkmale im Sinnevon § 2 Denkmalschutzgesetz (DSchG). Darüber hin-aus befinden sich die Anwesen in einer Gesamtanlage„Historische Altstadt und Innenstadtbereich“ nach § 19DSchG.

Zum Genehmigungsverfahren: Der Antrag zur denk-malrechtlichen Genehmigung zum Abbruch der Ge-bäude wurde am 17. November 2015 gestellt. Diedenkmalrechtliche Entscheidung (Abbruchgenehmi-gung) der Stadt vom 20. Januar 2016 wurde am 25. Januar 2016 dem Bevollmächtigten der Antrag-stellerin für den Abbruch der Gebäude zugestellt. Ineiner Informationsveranstaltung hat die Stadt am 21. Januar 2016 die Öffentlichkeit über das Abbruch-vorhaben informiert, zuvor erfolgte eine entsprechen-de Information bereits am 2. Dezember 2015 und am20. Januar 2016 gegenüber dem Bau- und Umle-gungsausschuss des Gemeinderats. Zum Zeitpunktder Erhebung der Petition am 27. Januar 2016 war da-mit in Bezug auf deren Anliegen, den Aufschub derAbrisserteilung zu erreichen, bereits Erledigung ein-getreten.

Die denkmalrechtliche Genehmigung der zuständigenunteren Denkmalschutzbehörde erfolgte auf Grund -lage einer Anhörung des hierfür zuständigen Landes-amtes für Denkmalpflege (LAD). Das LAD führte ineiner Stellungnahme vom 11. Januar 2016 – unter Be-zugnahme auf schon im Jahr 2014 erfolgte fachlicheAusführungen – aus, dass die Gebäude in so hohemMaße geschädigt seien, dass ihre Erhaltung als Kul-turdenkmale nicht mehr möglich sei. Aufgrund derausführlich erhobenen und dokumentierten Schadens-bilanz müsse aus denkmalfachlicher Sicht ihrem Ab-bruch zugestimmt werden.

Zum baulichen Zustand der Gebäude:

Bereits in einer tragwerksplanerischen Zustandserhe-bung eines anerkannten Ingenieurbüros vom 14. Ok-tober 2014 wurde festgestellt, dass die tragende Bau-substanz der Gebäude nicht mehr zu ertüchtigen ist.Unter anderem wurde ausgeführt, dass die Dachkon-struktion Feuchteschäden aufweist, im Zuge diverserUmbauarbeiten verschiedene Bauteile entfernt, abernicht ersetzt wurden und eine Querschnittsreduzie-rung die Tragfähigkeit der Dachkonstruktionen ab-

mindert. Weiter wurde festgestellt, dass die Holzbal-kendecken vom Erdgeschoss bis ins zweite und dritteObergeschoss starke Verformungen und Setzungenaufweisen und in den Nassbereichen alle Holzbalkendurch eindringende Feuchtigkeit beschädigt und nichtmehr tragfähig sind.

Gemäß dieser Zustandserhebung hatte der Gebäude-komplex im Dachtragwerk einen Schadensgrad vonca. 40 Prozent aufzuweisen; in Deckenkonstruktion,Mauerwerk und Gründung einen Schadensgrad von70 bis 80 Prozent. Unter diesen Voraussetzungen wardie tragende Bausubstanz nicht mehr zu ertüchtigen.

Die genehmigten Abbrucharbeiten waren im Mai 2016abgeschlossen.

2. Rechtliche Würdigung

Seitens der unteren Denkmalschutzbehörde bestandkeine Verpflichtung, weitere Sachverständigengutach -ten zum Bauzustand der Gebäude einzuholen. Nach § 24 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz hat die Be -hörde, die ein Verwaltungsverfahren durchführt, denSachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Art undUmfang der Ermittlungen bestimmt sie dabei nachpflichtgemäßem Ermessen. Liegt bereits ein Sachver-ständigengutachten vor, ist die Einholung eines weite-ren Gutachtens lediglich dann geboten, wenn sich derBehörde eine weitere Beweiserhebung durch Sachver-ständige aufdrängen müsste. Die Erhebungen des be-auftragten Ingenieurbüros erweisen sich sowohl ausSicht der unteren Denkmalschutzbehörde wie auchdes LAD als der in Baden-Württemberg zuständigenDenkmalfachbehörde inhaltlich vollständig und fach-lich nachvollziehbar.

Nach Auffassung des LAD würde eine Sicherung derMauerwerke – vor dem Hintergrund der festgestelltenSchadensbilanz an den Gebäuden – Folgendes bedeu-ten: Die für die Unterschutzstellung maßgeblichenTeile des Kulturdenkmals, d. h. Umfassungs- undBinnenmauern, Keller, aufgehende Geschosse, Dach-und Deckenkonstruktionen, Grundrissstrukturen undwandfeste Ausstattung, würden durch notwendige statische Ertüchtigungsmaßnahmen in einem solchenUmfang zerstört, dass die verbleibende historischeSubstanz des Anwesens keinen Zeugniswert mehr be-sitzt und der verbliebene Rest unter die Bedeutungs-schwelle des § 2 Abs. 1 DSchG sinkt. Mit anderenWorten würden die in Rede stehenden Gebäude nachDurchführung solcher Arbeiten keine Kulturdenkmaleim Sinne dieses Gesetzes mehr darstellen.

Die untere Denkmalschutzbehörde stützte ihre Ent-scheidung (Abbruchgenehmigung) maßgeblich aufdiese sachverständige Einschätzung des LAD. Dieswar rechtens, denn bei der Beurteilung der Denk-maleigenschaft ist in erster Linie auf den Wissens-und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise abzu-stellen.

Die Stadt hatte die denkmalschutzrechtlichen Ge -nehmigungen vor Eingang der Petitionsschrift vom27. Januar 2016 erteilt. Auch soweit der Petent dieEinstellung der Abbrucharbeiten begehrt, geht die Pe-

Page 3: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

3

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

tition vor dem Hintergrund ins Leere, da das Peti -tionsrecht aus Art. 35 a, 2 Abs. 1 Landesverfassung i. V. m. Art. 17 Grundgesetz sich auf die Überprüfungvon behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Aus-nutzung bzw. das Gebrauch-Machen von behörd -lichen Genehmigungen durch Private jedoch keineMaßnahme einer Behörde darstellt.

Obwohl verfahrensrechtlich eine – von dem Petentenbegehrte – Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgese-hen ist, hat die Stadt die Öffentlichkeit am 21. Januar2016 über das Abbruchvorhaben informiert. Auch ist,wie ausgeführt, der Gemeinderat informiert worden,obwohl nach § 19 Abs. 2 S. 3 DSchG, § 15 Abs. 4 Nr. 12 der Hauptsatzung der Stadt die „Anhörung derGemeinde“ auf den Oberbürgermeister übertragen ist.Darüber hinaus gewährte die Grundstückseigentüme-rin auch interessierten Gemeinderäten im Rahmenvon Begehungsterminen den Zugang zu den petitions-gegenständlichen Gebäuden.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Beck

2. Petition 15/6058 betr. Abbruch von Wohnhäusern

I. Gegenstand der Petition

Die Petenten wenden sich gegen die Kündigungen ihrer Mietverträge für drei Wohnungen zum Jahres -ende 2016. Die Wohnungen befinden sich auf demBetriebsgelände eines Kieswerks.

Nach den Ausführungen der Petenten habe die Ver-mieterin der Wohnungen die Kündigungen mit derbefristet erteilten Kiesabbaugenehmigung begründet.Danach sei die Firma nach Beendigung des Kies -abbaus zum Rückbau sämtlicher technischer Anlagenund Bauwerke einschließlich der Fundamente sowiezur Rekultivierung des Werksgeländes verpflichtet.

Im Einzelnen machen die Petenten geltend, dass dieGebäude vor ca. 50 Jahren errichtet worden wärenund bisher niemanden gestört hätten. Die derzeitigenMietverhältnisse bestünden seit mindestens 15 Jahren,alle Petenten seien mit dem dortigen Lebensraum ver-wurzelt. Zudem seien die Petenten bei Abschluss derMietverträge nicht auf den Rückbau ihrer Wohnungenhingewiesen worden. Aufgrund des derzeit ange-spannten Wohnungsmarkts sei es nicht nachvollzieh-bar, dass vorhandener Wohnraum zerstört werde,außerdem sei es nicht möglich, vergleichbar bezahl-baren Wohnraum zu finden.

Die Petenten bitten in letzter Konsequenz, den Abrissder drei Wohnungen zu verhindern und diese bis aufWeiteres zu dulden.

II. Die Prüfung der Petition ergab Folgendes:

1. Sachverhalt

1.1 Wohnungen und Mietverträge

Die drei Wohnungen befinden sich auf dem Grund-stück Flst.-Nr. 3462/7 und sind Teil des Betriebs-geländes des Kieswerks.

Das Kieswerk liegt im Außenbereich. Zudem befindetsich das Grundstück in einem FFH-Gebiet und einemVogelschutzgebiet.

Die Wohnungen verteilen sich auf zwei Gebäude: eine Wohnung befindet sich im Gebäude 1, die beidenanderen Wohnungen im Gebäude 3.

Für das Gebäude 1 wurde am 24. Mai 1963 eine Bau-genehmigung für eine Wohnung mit einem Aufent-haltsraum erteilt. Für das Gebäude 3 wurde am 28. Ju-ni 1965 eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus mitzwei Wohnungen und Garage erteilt. Aus den nichtmehr vollständigen Akten ist dabei ersichtlich, dassdie Gebäude nach den Regelungen für das Bauen imAußenbereich des damals geltenden Bundesbaugeset-zes bzw. Baugesetzbuchs beurteilt wurden. Die Lageder Wohnungen im Außenbereich und deren einge-schränkte Genehmigungsfähigkeit waren bekannt.Ausschlaggebend für die erfolgten Baugenehmigun-gen dürften die Betriebszugehörigkeit der Wohnun-gen zum Kieswerk und damit ihre Eigenschaft alsWerkswohnungen gewesen sein.

Alle Mietverträge wurden zwischen den Mitarbeiternund deren Partnern und der Betreiberin des Kieswerksabgeschlossen. Den Mietern wurde bereits mit Schrei-ben vom 22. Dezember 2015 auf den 31. Dezember2016 gekündigt. Die Betreiberin des Kieswerks hatdabei gegenüber den Behörden nie ein Interesse amFortbestand der Wohnungen geäußert.

Eine Vorortbesichtigung am 28. Juni 2016 durch Mit-arbeiter der zuständigen Baurechtsbehörde ergab, dassauf dem Grundstück der Wohnungen in den letztenJahren teilweise ohne die erforderlichen Genehmigun-gen die Wohnflächen erweitert und Nebengebäudewie Lager, Garagen, Schuppen und ähnliches errichtetworden waren.

1.2 Kieswerk

Laut den ersten aktenkundlichen Sachverhalten ausden 1970-Jahren wird auf den Grundstücken Flst.-Nr. 3461, 3462/2 und 3462/7 schon seit dem Jahr1930 Kies abgebaut.

Bereits in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 29. Ap -ril 1976 wurde geregelt, dass „nach Beendigung desAbbaus […] sämtliche technischen Anlagen und Bau-werke einschließlich der Fundamente zu beseitigensind“. Die Wohnungen bestanden zu diesem Zeit-punkt bereits und waren in den zur Erlaubnisurkundegehörenden Lageplänen als Werkswohnungen ver-zeichnet. In den Folgejahren wurden insbesondere zurErweiterung des Kiesabbaus weitere bau-, natur-schutz- sowie wasserrechtliche Zulassungen erteilt.

Page 4: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

4

Die aktuelle bestandskräftige Entscheidung des Land-ratsamtes vom 28. Mai 1999, die auf Antrag erging,umfasst neben der Genehmigung zur Arrondierungdes Kiesabbaus und der wasserrechtlichen Erlaubniszur Trockenauskiesung auch naturschutzrechtliche Re -gelungen zur Wiederverfüllung und Rekultivierung derTrockenauskiesungsfläche und des Betriebsgeländes.

Ausschnitt aus der Regelung zur Rekultivierung:

„Ziffer 7.2: Die Rekultivierung im Bereich der Tro -ckenauskiesung gliedert sich in drei Rekultivierungs-abschnitte. Der Bereich des Abbauabschnittes 8 (Re-kultivierungsabschnitt 1) ist vorrangig während desAbbaus der übrigen Abschnitte zu verfüllen, tech-nisch zu rekultivieren und im Einvernehmen mit derhöheren Forstbehörde wieder zu bewalden. Die Wie-derbewaldung des Rekultvierungsabschnitt 2 hat spä-testens bis zum 31. Dezember 2009 zu erfolgen. Fürdas Areal der Rekultivierungsabschnitte 2 und 3, diewährend des Abbaus weiterhin als Lagerfläche fürKies und Edelsplitt benötigt werden, hat die abschlie -ßende Verfüllung, technische Rekultivierung undWiederbewaldung bis spätestens 31. Dezember 2013zu erfolgen.“

Die drei Wohnungen befinden sich in Rekultivie-rungsabschnitt 3.

Aufgrund der Verarbeitung von Kiesmaterial aus demIntegrierten Rheinprogramm, einem Programm zurumweltverträglichen Wiederherstellung des Hoch-wasserschutzes am Oberrhein sowie zur Renaturie-rung und Erhaltung der Oberrheinauen, hat die Betrei-berin des Kieswerks am 19. November 2015 einenAntrag auf Duldung der Verlängerung der Betriebs -erlaubnis für das Kieswerk bis Ende 2016 gestellt. Be-standteil dieses Antrags ist weiterhin der Rückbau derAnlagen und Gebäude nach Beendigung des Kiesab-baus. Gemäß dem Antrag sollen die Rekultivierungs-arbeiten im Jahr 2019 beginnen und bis spätestens imJahr 2021 abgeschlossen sein. Das Landratsamt hatdarauf mitgeteilt, dass aus wasserrechtlicher Sichtkeine Bedenken gegen die sich daraus ergebende Ver-längerung auch der Rekultivierungsfristen bestehen.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 hat die Betrei-berin des Kieswerks den Antrag auf Erteilung einesDuldungsvertrags zurückgezogen, da die Verarbei-tung von Rohkies zum 15. November 2016 eingestelltwurde. Nach den Ausführungen der Betreiberin er-folgt der Rückbau der Betriebsanlage ab dem 15. Ja-nuar 2017, Schwimmbagger, Heizöltank und Altöl-tank sind bereits abgebaut.

2. Rechtliche Würdigung

2.1 Kündigung der Mietverträge

Die Petenten haben die Kündigungen ihrer Mietver-träge am 22. Dezember 2015 erhalten.

Bei der Kündigung der Mietverträge handelt es sichum eine zivilrechtliche Angelegenheit zwischen denMietern/Petenten und dem Vermieter. Den Petentensteht es dabei frei, sich gegebenenfalls zivilrechtlichgegen die Kündigungen zu wenden. Dies betrifft auch

die von den Petenten aufgeworfene Problemstellung,dass sie bei Abschluss der Mietverträge nicht auf denRückbau der Wohnungen hingewiesen worden wären.

2.2 Genehmigung der Wohnungen

Die Wohnungen wurden zwar baurechtlich genehmigt(Baugenehmigungen vom 24. Mai 1963 und 28. Juni1965), diese Genehmigungen sind aufgrund der be-standskräftigen Rückbauverpflichtung, die Inhalt derEntscheidung des Landratsamtes vom 28. Mai 1999ist, und damit spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem dieRekultivierungsverpflichtung erfüllt sein musste, mit-hin zum 31. Dezember 2013 erloschen. Die Ver-pflichtung zum Rückbau der Gebäude, in denen sichdie Wohnungen befinden, ist Bestandteil der Rekulti-vierung des Betriebsgeländes.

Indem der Bauherr die Rückbauverpflichtung akzep-tierte, hat er unmissverständlich zum Ausdruck ge-bracht, dass er auf die erteilten Baugenehmigungenverzichtet. Auch wenn die Baugenehmigung objekt-bezogen ist, so unterliegt sie doch im vollen Umfangder Disposition der Berechtigten. In diesem Fall hatdie Betreiberin des Kieswerks sich als Berechtigterverpflichtet, die Gebäude zurückzubauen und damitihren Verzichtswillen auf die erteilten Baugenehmi-gungen erklärt. Die Wirksamkeit der Baugenehmi-gungen der Wohnungen ist beendet, da sie sich „aufandere Weise“ im Sinne von § 43 Absatz 3 des Lan-desverwaltungsverfahrensgesetzes erledigt haben. EineBerufung auf einen etwaigen Bestandsschutz ist aus-geschlossen.

Nach der erfolgten Schließung des Kieswerks könnendie Wohnungen auch nicht (neu) genehmigt werden.Die Wohnungen sind, wie im Nachfolgenden ausge-führt, bauplanungsrechtlich im Außenbereich nichtzulässig.

Das Grundstück Flst.-Nr. 3462/7 befindet sich imAußenbereich, sodass die Wohnungen bauplanungs-rechtlich nach der Regelung des § 35 BauGB zu beur-teilen sind. Der Außenbereich unterliegt der größt-möglichen Schonung und ist deshalb grundsätzlichder privilegierten Nutzung, wie z. B. der Land- undForstwirtschaft oder den ortsgebundenen gewerb -lichen Betrieben und dem Erholungsbedürfnis der Be-völkerung vorbehalten.

Ursprünglich dürften die Wohnungen als dem Betriebdienende Werkswohnungen an der Privilegierung desKieswerks als ein ortgebundener gewerblicher Betriebnach § 35 Absatz 1 Nr. 3 BauGB teilgenommen habenund waren damit im Außenbereich zulässig. Die Pri-vilegierung der Wohnungen als Werkswohnungenentfällt jedoch mit der Schließung des Kieswerks, wo-bei die Privilegierung für die im Laufe der Jahre er-folgte und behördlich nicht genehmigte „Ausdehnungder privaten Nutz- und Wohnflächen“ ohnehin frag-lich sein dürfte.

Eine Zulässigkeit der Wohnungen ergibt sich auchnicht aus der Regelung des § 35 Absatz 2 BauGB. Da-nach können sonstige Vorhaben im Einzelfall zuge-lassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung

Page 5: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

5

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Er-schließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öf-fentlicher Belange ergibt sich aber bereits daraus, dasseine Zulassung der Wohnungen im Außenbereich denDarstellungen des Flächennutzungsplans nach § 35Absatz 2 Nr. 1 BauGB widersprechen würde und dieEntstehung einer nicht gewünschten Splittersiedlungnach § 35 Absatz 3 Nr. 7 BauGB befürchten lässt.

Die Wohnungen können damit baurechtlich nicht ge-nehmigt werden, eine weitere Wohnnutzung ist rechts -widrig.

2.3 Duldung der Wohnungen

Einer Duldung der rechtswidrigen Wohnnutzung stehtdie bestandskräftige Entscheidung des Landratsamtesvom 28. Mai 1999 entgegen.

In dieser Entscheidung ist verbindlich geregelt, dassdas gesamte Kiesgrubenareal zu rekultivieren ist, da-mit sind u. a. die Trockenauskiesungsfläche nach de-ren Wiederverfüllung und die Betriebsgebäude inklu-sive Wohnungen nach deren Rückbau aufzuforsten.Die Rekultivierung des Abschnitts, in denen sich dieWohnungen befinden, sollte in Form der Wiederauf-forstung bis 31. Dezember 2013 erfolgen.

Allerdings hat sich die Rekultivierung durch den wei-teren Betrieb zeitlich verschoben. Um den Abschlussder Rekultivierungsarbeiten im Jahr 2021 nicht zu ge-fährden, müssen laut Aussage des Landratsamts dieGebäude, in denen sich die Wohnungen befinden, bisspätestens 2019 entfernt sein. Dies könnte einenSpielraum für eine Duldung der Wohnungen bis Ende2018 eröffnen.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob für eine behördliche Dul-dung überhaupt ein Sachbescheidungsinteresse be-steht. Adressat der Duldung wäre der Eigentümer derWohnungen. Von dort wurden die Mietverhältnissegekündigt und deutlich zum Ausdruck gebracht, dassam Erhalt der Wohnungen und damit an einer Dul-dung kein Interesse mehr besteht.

So hat die Betreiberin des Kieswerks in einer am 8. Oktober 2015 stattgefundenen Besprechung denVertretern des Landratsamtes ausdrücklich mitgeteilt,dass mit dem Rückbau der Anlagen im Jahr 2016 be-gonnen werde und die Wohngebäude nicht mehrbenötigt werden.

Zudem ist es nicht sicher, dass den Petenten mit einer(öffentlich-rechtlichen) Duldung tatsächlich geholfenwerden könnte, da damit keine Verlängerungen/Neu-abschlüsse ihrer zivilrechtlichen Mietverträge verbun-den ist.

D. h. selbst für den Fall, dass eine behördliche Dul-dung der Wohnungen erfolgen würde, wäre nicht ge-währleistet, dass die Gebäude stehen bleiben bzw.bleibt offen, ob die Betreiberin des Kieswerks zivil-rechtlich die Mietverträge mit den Petenten verlängertbzw. neu abschließt, nachdem, so die Ausführungender Petenten, bereits 2017 Räumungsklagen angekün-digt sind.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Beck

3. Petition 16/488 betr. Rückforderung von Sozial-hilfeleistungen

I.

Der Petent begehrt, von einer Rückforderung von Sozialhilfeleistungen verschont zu werden, die derSozialhilfeträger von ihm als Alleinerbe seiner ver-storbenen Mutter geltend macht.

II.

Das Amt für Soziales hat in der Zeit vom 20. Dezem-ber 2010 bis 30. Mai 2011 für die Mutter des Petentenungedeckte Pflegeheimkosten im Rahmen der Hilfezur Pflege in Höhe von 5.338,09 € übernommen. DieHilfeleistungen wurden beendet, nachdem die Leis -tungsempfängerin vom Pflegeheim in die Wohnungihrer Mutter umgezogen war. Bei der Erteilung desHilfebescheides am 20. Dezember 2010 war dem Sozialamt nicht bekannt, dass die Leistungsempfän-gerin rund drei Wochen vor der Heimaufnahme mit-tels einer Einmalzahlung in Höhe von 21.600 € eineprivate Rentenversicherung (garantierte Monatsrentevon 99,35 € und Rentenbeginn ab 1. Oktober 2021)abgeschlossen hatte. Hierüber erlangte das Sozialamtam 31. Januar 2011 erstmals Kenntnis, nachdem diegesetzliche Betreuerin der Leistungsempfängerin denVersicherungsschein vorgelegt hat. Es ging in derFolge davon aus, dass es sich bei dem Zahlbetrag andie Rentenversicherung nicht um ein „geschütztesVermögen“ i. S. d. § 90 SGB XII handelt und von derHilfeempfängerin vorrangig für ihren Hilfebedarf einzusetzen war. Die geleistete Hilfe für ungedecktePflegeheimkosten erfolgte aus Sicht des Sozialamtsinsoweit zu Unrecht und führte nach vorhergehenderAnhörung zu einer Aufhebung des Leistungsbeschei-des und zu einer Rückforderung der bewilligten Hil-fen nach § 50 SGB X. Ein von der Betreuerin einge-legter Widerspruch gegen den erlassenen Rückforde-rungsbescheid vom 20. Juni 2011 über 5.338,09 €blieb erfolglos.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialge-richt nach Prüfung der Aktenlage durch Verfügungam 4. September 2013 darauf hingewiesen, dass zu-gunsten der Leistungsempfängerin wohl zwei Ver -sicherungen bestanden haben. Die erste Versicherungsei am 1. Juli 2009 in Höhe der im Oktober 2010 er-warteten Zahlung von 23.000 € an den Petenten alsSohn der Leistungsempfängerin abgetreten worden.Auf die zweite Versicherung (vom 1. Oktober 2010),die am 7. Oktober 2010 mit einem Verwertungsaus-schluss versehen wurde, habe der Petent am 11. Okto-ber 2010 einen Betrag in Höhe von 21.600 € einge-

Page 6: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

6

zahlt und die hierfür erforderlichen Mittel wohl ausder zur Zahlung fällig gewordenen abgetretenen Ver-sicherung verwendet. Unter dem Vorbehalt der Rich-tigkeit des bis dahin gerichtsbekannten Sachverhaltswar das Gericht der Meinung, dass viel dafür spre-chen dürfte, dass die Leistungsempfängerin infolgedes Verwertungsausschlusses über kein verwertbaresVermögen verfüge. Der Verfügung zufolge bestandenallerdings noch Zweifel am Sachverhalt, weil noch eine schriftliche Bestätigung der Mutter der Leis -tungsempfängerin vom 6. Juni 2011 vorlag, wonachsie ihrer Tochter aus Ersparnissen einen Betrag inHöhe von 22.000 € übergeben habe. Die Hilfeempfän-gerin wurde vom Sozialgericht daher um Erklärunggebeten, was mit diesem Betrag geschehen ist.

Näheres hierzu ist bis heute nicht geklärt. Die Hilfe-empfängerin verstarb rund sechs Monate nach Be-kanntgabe der gerichtlichen Verfügung. Eine recht -liche Möglichkeit des Sozialamts, von der zuwen-dungsgebenden Mutter der Leistungsempfängerin wei -tere Erklärungen einzufordern, besteht nicht. Nachdem Tod der Leistungsempfängerin hat der Petent alsAlleinerbe die Klage gegen das Rückforderungsver-langen des Sozialhilfeträgers nicht weitergeführt; derRechtsstreit wurde von dem Genannten für erledigterklärt. Damit wurde der Rückforderungsbescheidvom 20. Juni 2011 bestandskräftig.

Zwischen dem Sozialamt und dem Petenten ergabsich in der Folge ein unübersichtlicher und nur schwernachvollziehbarer Schriftverkehr. So hat das Sozial-amt zunächst am 11. Januar 2016 einen Bescheid überdie teilweise Rücknahme von Sozialhilfebescheidenund Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen nachdem SGB X erlassen. Dem hiergegen eingelegten Wi-derspruch des Petenten wurde mit Bescheid vom 29. März 2016 abgeholfen. Unter Hinweis auf die bis-herigen Vorgänge forderte das Sozialamt vom Peten-ten als Alleinerben der Hilfeempfängerin mit Schrei-ben vom 30. März 2016 die geleistete Hilfe zur Pflegein Höhe von 5.338,09 € zurück, dem der Petent aberebenfalls widersprach. Mit Datum vom 13. Juli 2016hat die Stadt einen Zahlungsbescheid erlassen, gegenden der Petent am 23. Juli 2016 ebenfalls Wider-spruch erhob. Parallel dazu wandte sich der Petentauch an die Leitung des Sozialamtes. Am 3. August2016 veranlasste die Stadtverwaltung eine vorläufigeMahnsperre, die am 26. September 2016 durch eineerneute Zahlungsaufforderung, welche den Zahlungs-bescheid vom 13. Juli 2016 ersetzte, hinfällig ge-macht wurde. Der Petent trat mit der Leitung des So-zialamtes erneut in schriftlichen Kontakt. In ihrerStellungnahme vom 25. Oktober 2016 nimmt die Stadtdabei auf die nicht geklärte Verwendung der Einmal-zahlung in Höhe von 22.000 € Bezug.

Der Petent nahm diese Vorgehensweise bzw. die wei-terhin bestehende Zahlungsaufforderung des Sozial-amts zum Anlass, sich an den Petitionsausschuss zuwenden. Trotz des bestandkräftigen Rückforderungs-bescheides sieht der Petent keine Verpflichtung, dieForderung des Sozialhilfeträgers zu begleichen. Darü-ber hinaus fühlt er sich in seinen Rechten verletzt,weil es aus seiner Sicht an einer rechtmäßigen Grund-

lage für die erlassenen Bescheide fehle. Bei der inFrage gestellten privaten Rentenversicherung handlees sich nicht um verwertbares Vermögen. Auch dürfedas Sozialamt nicht auf die Einmalzahlung der Mutteran die Verstorbene in Höhe von 22.000 € abstellen.

Das Sozialamt hat dem Petenten mit Schreiben vom14. November 2016 mitgeteilt, dass die Zahlungsauf-forderung vom 26. September 2016 bis zur Entschei-dung über die eingereichte Petition nicht beigetriebenwerde.

In seiner Stellungnahme zum Petitionsverfahren hatdas Sozialamt unter anderem darauf hingewiesen,dass die Grundlage seiner Zahlungsaufforderung, derRückforderungsbescheid vom 20. Juni 2011, bestands -kräftig wurde und der Petent sein Erbe mit allenRechten und Pflichten übernommen habe. Bei der ab-geschlossenen Rentenversicherung habe es sich umeinen Vertrag mit Verwertungsausschluss gehandelt,welcher sich nach der vertraglichen Vereinbarungaber lediglich auf einen Schutz des Vermögens nach § 12 Abs. 2 SGB II beschränke. Der Hilfeempfängerinwurden allerdings keine Leistungen der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, sondernSozialhilfeleistungen nach dem SGB XII bewilligt,für welche die Vermögensfreigrenzen nach § 90 SGBXII aber deutlich niedriger festgesetzt sind. Darüberhinaus sei im Klageverfahren bereits vergeblich ver-sucht worden zu klären, wie es sich mit der Einmal-zahlung der Leistungsempfängerin verhalten habe.

III.

Angesichts der bestehenden Sach- und Rechtslage istdas Rückforderungsverlangen des Sozialamts rechts-aufsichtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte da -für, dass die Leistungsrückforderung bzw. die Rück-nahme des dem Rückforderungsverlangen des Sozial-amts zugrunde liegenden Leistungsbescheides überdie Gewährung von Hilfe zur Pflege im Juni 2011rechtswidrig gewesen sein könnte, liegen nicht vor.

Das Sozialgericht hat in seiner Verfügung zwar dar-auf hingewiesen, dass viel dafür spreche, dass bei derLeistungsempfängerin wegen des Verwertungsaus-schlusses kein verwertbares Vermögen vorgelegenhat. Wie sich das Gericht allerdings nach endgültigerKlärung des Sachverhaltes und einer sich darananschließenden Erwiderung durch das Sozialamt mitHinweis auf die Regelung in § 90 SGB XII (der Ver-wertungsausschluss bezieht sich auf § 12 Abs. 2 SGBII) entschieden hätte, lässt sich nachträglich nicht be-urteilen.

Entgegen der Auffassung des Petenten ergibt sich allein aus der im laufenden Gerichtsverfahren perVerfügung der und unter Vorbehalt dargestelltenRechtsmeinung des Gerichts keine bindende Feststel-lung darüber, dass die Vorgehensweise des Sozial -amtes nicht den gesetzlichen Bestimmungen ent -sprochen hat. Hierfür hätte es ggf. einer bestandskräf-tigen gerichtlichen Entscheidung bedurft. Nachdemder Petent als Alleinerbe der Leistungsempfängerindie Klage gegen die Leistungsrückforderung zurück-genommen hat, bleibt die Frage der Rechtmäßigkeit

Page 7: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

7

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

des Rückforderungsverlangens daher gerichtlich unge-klärt. Im Ergebnis ist das Sozialamt nach wie vor derAuffassung, dass die Rentenversicherung der Leis -tungsempfängerin im Leistungsbereich des SGB XIInicht als „geschütztes Vermögen“ nach § 90 SGB XIIanzusehen ist, sodass es vorrangig für ihren Hilfebe-darf einzusetzen war. Die geleistete Hilfe zur Pflegewurde folglich zu Unrecht gewährt. Die vom Petentenals Nachlassverbindlichkeit geltend gemachte Rück-forderung beruht auf dem bestandskräftigen Rückfor-derungsbescheid vom 20. Juni 2011.

Nach zutreffender Mitteilung des Sozialamts kannvon der Rückforderung der zu Unrecht gewährten Sozialhilfe über 5.338,09 € auch mit Blick auf dieGleichbehandlung von anderen Leistungsberechtig-ten, die ihr Vermögen einzusetzen haben, nicht abge-sehen werden. Darüber hinaus handelt es sich bei demRückforderungsverlangen des Sozialamtes nach denAngaben des Petenten um die einzige Nachlassver-bindlichkeit seiner Mutter. Den Angaben im Nach -lass verzeichnis zufolge beträgt der Geldwert desNachlasses (z. B. Erträge aus der Renten- und einerSterbeversicherung) rund das Fünffache des Rückfor-derungsbetrages, sodass das Sozialamt auch aus die-sem Grund den Petenten von der Rückforderung derHilfeleistungen nicht verschonen kann.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Beck

4. Petition 16/542 betr. Aufenthaltstitel

I. Gegenstand der Petition

Die Petenten begehren eine vorübergehende Ausset-zung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sowie einAufenthaltsrecht im Bundesgebiet für die Dauer derBehandlung des jüngsten Kindes.

II. Sachverhalt

Bei den Petenten handelt es sich um albanische Ehe-leute im Alter von 38 und 35 Jahren und ihre dreiKinder im Alter von zehn und drei Jahren sowie achtMonaten. Die Petenten reisten mit Ausnahme desjüngsten Kindes im Juni 2015 ins Bundesgebiet einund stellten Asylanträge. Mit Bescheid von Juli 2016lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlingedie Asylanträge der Petenten als offensichtlich unbe-gründet ab. Daraufhin erhoben die Petenten Klageund stellten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.Der Antrag wurde vom Verwaltungsgericht mit Be-schluss von September 2016 abgelehnt. Seitdem sinddie Petenten vollziehbar ausreisepflichtig und werdengeduldet, da im April 2016 das jüngste Kind der Fa-milie im Bundesgebiet zur Welt gekommen war. EinAsylantrag für das Kind wurde erst Ende Oktober

2016 gestellt. Bislang hat das Bundesamt für Migra -tion und Flüchtlinge über diesen Asylantrag nochnicht entschieden. Die Klage der Petenten ist weiter-hin anhängig.

III. Rechtliche Würdigung

Derzeit besteht ein Anspruch der Petenten auf Aus-setzung der Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 1AufenthG, da ein rechtliches Abschiebungshindernisaus dem Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GGhergeleitet werden kann. Das jüngste Kind der Peten-ten befindet sich derzeit noch im laufenden Asyl ver -fahren. Darüber hinaus leidet es an einer Erkrankung,aufgrund derer eine Operation entweder bereits statt-gefunden hat oder unmittelbar bevorsteht.

Die Petenten haben ärztliche Bescheinigungen vorge-legt, aus welchen hervorgeht, dass das Kind erkranktist. Bei der vorliegenden Erkrankung werde eine Ope-ration angeraten, die am besten so früh wie möglichzwischen dem 6. und 8. Lebensmonat des Kindesdurchgeführt werden solle. Aus diesem Grund sei dieOperation des Kindes beabsichtigt, sobald dem bereitsgestellten Antrag auf Kostenübernahme stattgegebenwurde. Eine solche Operation erfordere gewöhnlicheinen fünftägigen stationären Aufenthalt. Danachmüsse nach ca. sechs Wochen eine Wundkontrollestattfinden. Es sei bei einem normalen Verlauf zu er-warten, dass das Kind bereits sechs Wochen nach derOperation wieder (flug)reisefähig sei.

Die Abschiebung aller Petenten ist im Hinblick aufdiesen Sachverhalt auszusetzen, bis das jüngste Kindwieder reisefähig ist bzw. eine bestandskräftige Ent-scheidung über dessen Asylantrag vorliegt. Den Pe-tenten wurde daher Ende November 2016 eine bis 20. Februar 2017 gültige Duldung ausgestellt.

Ein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht können diePetenten nicht erhalten.

Die Asylanträge der Petenten wurden – mit Aus -nahme des Antrags des jüngsten Kindes – abgelehnt.Die Petenten sind vollziehbar ausreisepflichtig, so-dass ihnen vor der Ausreise – außer im Falle eines ge-setzlichen Anspruchs – nur ein Aufenthaltstitel nachMaßgabe des Abschnitts 5 des AufenthG erteilt wer-den kann, § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Peten-ten nach § 25 Abs. 3 AufenthG scheidet aus. Bei den Pe-tenten liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungs-hindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthGvor.

Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nachden §§ 25 a und 25 b AufenthG kommt in Anbetrachtder kurzen Aufenthaltszeit von nicht einmal zwei Jah-ren nicht in Betracht.

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthGscheitert bereits daran, dass die Petenten vollziehbarausreisepflichtig sind.

Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5AufenthG kann den Petenten nicht erteilt werden.Zwar ist die Ausreise der Petenten aufgrund des noch

Page 8: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

8

laufenden Asylverfahrens und der Operation des jüngs -ten Kindes mit Blick auf die Schutzpflichten des Art. 6 GG derzeit aus rechtlichen Gründen unmöglich.Hierbei handelt es sich aber nur um ein vorübergehen-des, nicht aber um ein dauerhaftes Ausreisehindernis.

Die Petenten haben auch keine schützenswerten so-zialen Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK. DerSchutzbereich des Art. 8 EMRK erfasst die sozialenBindungen eines Ausländers grundsätzlich nur auf derGrundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und einesschutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand desAufenthalts. Da der Aufenthalt der Petenten aus -schließlich gestattet oder geduldet war, hatten sie zukeiner Zeit ein Aufenthaltsrecht, das ein berechtigtesVertrauen auf Fortbestand hätte begründen können.

Ein Schutz aus Art. 8 EMRK aufgrund einer etwaigentiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet beigleichzeitiger Entwurzelung im Heimatland, ist vonden Petenten nicht beansprucht worden und kommtim Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer von nichteinmal zwei Jahren ohnehin nicht in Betracht. Darü-ber hinaus liegt weiterhin eine Verwurzelung im Hei-matland vor. Die Petenten sind mit Ausnahme desjüngsten Kindes der Sprache mächtig und der dortigenGepflogenheiten vertraut. Eine Reintegration bzw. In-tegration ist somit möglich und zumutbar.

Weitere Rechtsgrundlagen, die den Petenten einenweiteren Verbleib im Bundesgebiet ermöglichenkönnten, sind nicht ersichtlich.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird, soweit diese sich auf dievorübergehende Aussetzung aufenthaltsbe-endender Maßnahmen zur Behandlung desjüngsten Kindes bezieht, für erledigt erklärt.Im Übrigen kann ihr nicht abgeholfen wer-den.

Berichterstatter: Beck

5. Petition 15/5894 betr. Erstattungsforderung we-gen Überschreitung des Richtgrößenvolumens

Der Petent rügt, dass bei der Überprüfung der Wirt-schaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung mitArzneimitteln (Arzneimittelrichtgrößenprüfung) in Ba -den-Württemberg nur pauschal beurteilt werde, ob eine Überschreitung des Budgets vorliegt, wohinge-gen in Bayern eine Einzelfallprüfung durchgeführtwerde. Der Petent begehrt daher eine Änderung derlaufenden Verfahren in Baden-Württemberg bzw. eineLösung durch den Gesetzgeber.

Gemäß § 106 Abs. 1 SGB V überwachen die Kranken-kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen dieWirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgungdurch Beratungen und Prüfungen. Die Einhaltung desWirtschaftlichkeitsgebots in der vertragsärztlichen Ver -sorgung wird durch eine Arbeitsgemeinschaft der

Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg(KVBW) und den Landesverbänden der Krankenkas-sen in Baden-Württemberg sichergestellt. Es handeltsich dabei um die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen(Prüfstelle Baden-Württemberg nach § 106 c SGB V).Es ist somit der Wille des Gesetzgebers, dass bei derVerordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfs-mitteln das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet wird,demzufolge unwirtschaftliche Leistungen nicht be-wirkt werden dürfen (§ 12 SGB V). Die Prüfungsstel-le Baden-Württemberg ist daher insbesondere befugt,bei einer Überschreitung des Richtgrößenvo lumens(sog. Budgetüberschreitung) auf die Verordnungswei-se des Arztes einzuwirken. Dabei gilt der GrundsatzBeratung vor Regress.

Der konkrete Anlass für die vom Petenten mit Schrei-ben vom 14. Januar 2016 eingereichte Petition, wareine von den Gemeinsamen Prüfeinrichtungen Baden-Württemberg (Prüfungsstelle Baden-Württemberg)mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 festgesetzteRegressmaßnahme. Die Prüfungsstelle hatte zu die-sem Zeitpunkt – im Rahmen einer Richtgrößenprüfungfür Arznei- und Verbandmittel für das Jahr 2013 –nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten eineÜberschreitung des Richtgrößenvolumens von mehrals 25 % festgestellt und daher einen Regress in Höhevon 3.181,47 € festgesetzt.

Die Prüfungsstelle Baden-Württemberg teilt hierzumit, dass hierbei nicht, wie behauptet lediglich pau-schal festgestellt werde, ob eine Überschreitung desRichtgrößenvolumens besteht, sondern umfangreichgeprüft, ob und in welcher Höhe Praxisbesonderhei-ten vorliegen, welche die Überschreitung des Richt-größenvolumens rechtfertigen. Es werde hierbei einevon den Vertragspartnern in Baden-Württembergkonsentierte Systematik für die Quantifizierung vonPraxisbesonderheiten (sog. „Filtersystematik“), die vorder Feststellung einer ungerechtfertigten Überschrei-tung des individuellen Richtgrößenvolumens berück-sichtigt werden soll, zugrunde gelegt. Hierbei hande-le es sich um eine Empfehlung der Vertragspartneran die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen Baden-Württem berg. Über diese Systematik hinaus werdeauch das Bestehen individueller Praxisbesonderhei-ten überprüft.

Die Prüfungsstelle Baden-Württemberg legt dar, dassder Petent im Jahr 2012 für den Verordnungszeitraumdes Jahres 2010 beziehungsweise 2009 sowohl vonder Gemeinsamen Prüfungsstelle Baden-Württembergals auch der Kammer Freiburg des Gemeinsamen Be-schwerdeausschusses Baden-Württemberg individuel-le Beratungen gemäß § 106 Abs. 5 e SGB V hinsicht-lich seiner Verordnungsweise von Arznei- und Ver-bandmitteln erhalten habe. Diese bestandskräftigenBeratungen seien Voraussetzung für die für den Zeit-raum des Jahres 2013 festgesetzte Regressmaßnahme.Insbesondere enthielten diese BeratungsschreibenHinweise auf Wirtschaftlichkeitspotenziale im Be-reich der vom Petenten durchgeführten Schmerzthera-pie. Hier sei im Speziellen auf dessen überdurch-schnittlich hohen Verordnungsanteil von zentral wir-kenden Muskelrelaxantien hinzuweisen.

Page 9: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

9

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

Zu der beim Petenten angewandten Prüfart (Richt-größenprüfung) ist Folgendes anzumerken:

Gemäß § 106 Abs. 1 SGB V überwachen die Kranken-kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen dieWirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgungdurch Beratungen und Prüfungen. Zu diesem Zweckhaben die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Würt-temberg und die Verbände der Krankenkassen undErsatzkassen (Vertragspartner) eine Prüfvereinbarungnach § 106 Abs. 3 SGB V abgeschlossen und darinauch die Prüfarten festgelegt.

In Baden-Württemberg haben die Vertragspartner dieDurchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen derArzneimittelverordnungsweise nach Richtgrößen ver-einbart (statistische Prüfung). Grundlage dieser Prü-fungen ist die jährlich neu zu schließende Richt-größenvereinbarung, in der die für die jeweils betrof-fenen Fachgruppen geltenden Richtgrößenwerte fest-gelegt werden. Das dem einzelnen Vertragsarzt zurVerfügung stehende individuelle Richtgrößenvolu-men ergibt sich dann aus der Multiplikation der Be-handlungsfallzahlen eines Kalenderjahres mit den ent-sprechenden Richtgrößenwerten.

Die Vertragspartner in Baden-Württemberg haben beider Wahl verschiedener Prüfmethoden darüber hinausauch von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und inder Prüfvereinbarung gemäß § 106 Abs. 3 SGB V zu-sätzlich Einzelfallprüfungen vereinbart. Diese werdenjedoch nur auf Antrag der Krankenkassen bzw. derKrankenkassenverbände oder der KassenärztlichenVereinigung durchgeführt.

Nach Auskunft der Prüfungsstelle Baden-Württem-berg werden in Bayern, häufiger als in Baden-Würt-temberg oder in anderen Bundesländern, auf Antragder Krankenkassen bzw. der KrankenkassenverbändeEinzelfallprüfungen durchgeführt. Nach Mitteilungder Gemeinsamen Prüfungsstelle in Bayern wurdendort im hier relevanten Zeitraum ebenfalls statistischePrüfungen der Arzneimittelverordnungsweise in nichtunerheblicher Zahl durchgeführt.

Nach Informationen der Prüfungsstelle Baden-Würt-temberg überwiegt bundesweit zahlenmäßig die – fürden Verordnungsbereich aus der Durchschnittsprüfungweiterentwickelte und in § 106 Abs. 5 a ff. SGB V ge-regelte – Richtgrößenprüfung. Diese sei speziell aufVerordnungen zugeschnitten und habe damit zugleichfür die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Verord-nungsverhaltens eine Vorrangstellung. Daraus leitedas Bundessozialgericht (BSG) ab, dass für die Über-prüfung der Wirtschaftlichkeit im Verordnungsbe-reich nur ausnahmsweise noch Raum für Einzelfall-prüfungen und -beurteilungen ist. Das Gros der Wirt-schaftlichkeitsprüfungen bilden seit jeher die amDurchschnitt der Fachgruppe orientierten sogenann-ten statistischen Vergleichsprüfungen. Das BSG hatdiese Prüfungsart als Regelprüfmethode bezeichnet.

Bei der im Falle des Petenten durchgeführten Richt-größenprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB Vhandelt es sich um eine gesetzlich vorgesehene Prüf-methode (Auffälligkeitsprüfung). Das BSG hat diePrüfungsart der Richtgrößenprüfung für die Überprü-

fung der Wirtschaftlichkeit im Verordnungsbereichals Regelprüfmethode bezeichnet. Der Gesetzgeberhat den Vertragspartnern auf Landesebene bei derAusgestaltung der Prüfungen und damit auch bei derFestlegung der Prüfarten in ihrer Prüfvereinbarung einErmessen eingeräumt. Die Vertragspartner haben vondiesem Ermessen in zulässiger Weise Gebrauch ge-macht. Der Umstand, dass in Baden-Württemberg dieKrankenkassen bzw. die Krankenkassenverbände sel-tener als in Bayern einen Antrag auf Einzelfallprü-fung stellen, stellt keinen Verstoß gegen Recht undGesetz dar, weshalb ein aufsichtsrecht liches Ein-schreiten nicht geboten ist.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass auch bei einerRichtgrößenprüfung arztbezogen geprüft wird, ob undin welcher Höhe Praxisbesonderheiten vorliegen, wel-che die Überschreitung des Richtgrößenvolumensrechtfertigen. Es trifft daher nicht zu, dass in Baden-Württemberg nur pauschal beurteilt wird, ob eineÜberschreitung des Richtgrößenvolumens besteht.Kommt es infolge der Richtgrößenprüfung, wie imFalle des Petenten, zu einem Beratungsschreiben, sobeinhaltet dieses Schreiben praxisindividuelle Infor-mationen, die dem geprüften Arzt helfen sollen, kon-krete Wirtschaftlichkeitspotenziale in der Verordnungs -weise zu erkennen und diese dort, wo es ohne Gefähr-dung des Therapieziels möglich ist, zu nutzen.

Nachdem der Petent gegen den Bescheid vom 21. De-zember 2015 Widerspruch beim Gemeinsamen Be-schwerdeausschuss eingelegt hatte, wurde ihm nun-mehr mit Schreiben vom 28. November 2016 mitge-teilt, dass sein Widerspruch von der Kammer in derSitzung am 26. Oktober 2016 zurückgewiesen wurde.Gegen den anschließend übermittelten Widerspruchs-bescheid kann der Petent Klage beim zuständigen So-zialgericht erheben.

Darüber hinaus ergibt sich aus den Petitionsunterla-gen, dass die Prüfungsstelle Baden-Württemberg mitBescheid vom 7. Dezember 2016 im Rahmen einerRichtgrößenprüfung für Arznei- und Verbandmittelauch für das Jahr 2014 – nach Berücksichtigung vonPraxisbesonderheiten eine Überschreitung des Richt-größenvolumens durch den Petenten von mehr als 25 % festgestellt und daher einen Regress in Höhevon 9.890,69 € festgesetzt hat. Auch in diesem Re-gressverfahren hat der Petent die Möglichkeit, durchErhebung eines Widerspruchs beim GemeinsamenBeschwerdeausschuss (und ggf. durch Erhebung einerKlage beim zuständigen Sozialgericht) die Recht-mäßigkeit des von der Gemeinsamen Prüfungsstellefestgesetzten Regresses überprüfen zu lassen.

Hinsichtlich der vom Petenten ebenfalls angesproche-nen Änderung der „Budgets“ für 2017 ist Folgendesanzumerken:

Die für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit derVerordnung von Arznei- und Verbandmittel maßgeb-lichen Arzneimittel-Richtgrößen wurden mittlerweileabgelöst. Ab 2017 greifen stattdessen verordnungs-fallbezogene praxisindividuelle Richtwerte (PiRW).Die Problematik der Richtgrößen als Durchschnitts-werte, die Praxen mit hoher Morbidität nicht gerecht

Page 10: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

10

wurden, gehört nun der Vergangenheit an. Da dieneuen Richtwerte individuell die Morbidität einer Praxis abbilden, geht die Kassenärztliche VereinigungBaden-Württemberg davon aus, dass künftig wenigerPraxen Richtgrößenüberschreitungen aufweisen wer-den.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Böhlen

6. Petition 16/779 betr. Rundfunkbeitrag

Der Petent äußert im Wesentlichen seinen Unmutüber den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservicebeziehungsweise den Südwestrundfunk. Er schildert,dass er am 31. Oktober 2016 Widerspruch – vermut-lich gegen einen Gebührenbescheid – eingelegt undseither keine Antwort erhalten habe.

Eine Anfrage beim SWR ergab, dass das Anliegen desPetenten tatsächlich noch nicht bearbeitet werdenkonnte, was der SWR bedauert. Als Grund für dieVerzögerung wird die andauernd hohe Belastung desZentralen Beitragsservices genannt.

Der SWR hat nunmehr die für die Widerspruchsbear-beitung zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin Köln gebeten, sich vorrangig um das Anliegen desPetenten zu kümmern.

Im Übrigen wurde noch mitgeteilt, dass zum 1. Januar2017 weitere Mitarbeiter eingestellt wurden, um denVorgangsrückstand bei Widersprüchen abzuarbeiten.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird, nachdem die zuständigenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebetenwurden, sich vorrangig um das Anliegen desPetenten zu kümmern, für erledigt erklärt.

Berichterstatterin: Böhlen

7. Petition 16/559 betr. Rundfunkbeitrag, Wider -legung der Nutzungsvermutung

I.

Die Petenten begehren eine Neuverhandlung des Rund -funkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) mit dem Ziel derEinführung einer Möglichkeit zur Widerlegung derNutzungsvermutung. Insbesondere kritisieren die Pe-tenten die vom Gesetzgeber angewandte und von derRechtsprechung als rechtmäßig bestätigte Typisie-rung, die im RBStV vorgesehen ist. Die gerichtlichenAusführungen, die zur Begründung der Rechtmäßig-

keit des geltenden Systems des Rundfunkbeitrags ge-macht wurden, seien nicht ausreichend begründet. Sieschlussfolgern, dass im Falle des RBStV die gesetz -lichen Voraussetzungen einer zulässigen Typisierungnicht eingehalten wären, da die Gruppe derer, diedurch die Regelungen benachteiligt werde, folglichdie Nichtnutzer, größer sei als von den Rundfunk -anstalten behauptet. Eine Möglichkeit, beiden Grup-pen, das heißt den Nutzern und den Nichtnutzern, ge-recht zu werden sei die Einführung der Möglichkeitder Widerlegung der Nutzungsvermutung. Der Nach-weis der Nichtnutzung sei ohne großen Aufwand mög -lich. Es sei auch zu berücksichtigen, dass PCs nichtals „bereitgehaltener Fernsehempfänger“ zu klassifi-zieren seien.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme führen die Peten-ten weiter aus, dass der RBStV gegen das Grundge-setz, hier den Gleichheitsgrundsatz, verstoße. Sie stel-len sodann ihre Argumentation bezüglich einer – vor-getragenen – unzulässigen gesetzlichen Typisierungund unrichtiger statistischer Datengrundlagen vertieftdar.

Schließlich regen die Petenten noch an, der Landtagmöge im Falle einer Nicht-Neuverhandlung desRBStV den Verfassungsgerichtshof anrufen. Diesersolle eine Vereinbarkeit mit der Landesverfassungprüfen.

II.

Zu den rechtlichen Grundlagen des Rundfunkbeitragswird auf die Landtagsentscheidung zur abgeschlos senenPetition 15/2439 verwiesen (Drucksache 15/ 3709). Be-reits in ihrer damaligen Petition kritisierten die Peten-ten das System des haushaltsbezogenen Rundfunkbei-trags und setzten sich dafür ein, dass bei Nachweisder Nichtnutzung des Fernsehens ein geringererRundfunkbeitrag zu entrichten sein soll. Auch dieGründe für einen Wechsel vom geräteabhängigen Ge-bührenmodell zu einem wohnungsbezogenen Rund -funkbeitrag zur Finanzierung des öffentlich-recht -lichen Rundfunks wurden in diesem Zusammenhangbereits dargelegt.

Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

1.

Die vom Gesetzgeber getroffene Typisierung verstößtnicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz undwurde von der Rechtsprechung mit ausführlichen Be-gründungen als verfassungsgemäß bejaht (vgl. etwadie von den Petenten bereits genannte Entscheidungdes Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016).

Dem Gesetzgeber ist ein weitreichender Gestaltungs-spielraum für Entscheidungen darüber eröffnet, wel-che Sachverhalte er abgabenrechtlich unterschiedlichoder trotz vorhandener Unterschiede gleich behandelt.Er ist auch berechtigt, aus sachlichen Gründen vonübermäßigen Differenzierungen abzusehen (Typisie-rungsbefugnis). Eine Gleichbehandlung unterschied -licher Sachverhalte muss sich realitätsgerecht an der

Page 11: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

11

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

allgemeinen Fallgestaltung orientieren. Je größer derzahlenmäßige Anteil einer atypischen Sachverhalts-konstellation ist und je stärker die Abweichungen insGewicht fallen, desto mehr spricht für ihre Berück-sichtigung bei der Abgabenerhebung. Dagegenspre-chende Gründe können sich insbesondere aus derSchwierigkeit der praktischen Erfassung ergeben. DerGesetzgeber darf das Erhebungsverfahren auf Kostender Einzelfallgerechtigkeit vereinfachen, um einenunverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand zu vermei-den. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Vor-teile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der da-mit notgedrungen verbundenen Ungleichheit stehenmüssen.

Darüber hinaus setzt die Befugnis, typisierende undpauschalierende Regelungen zu treffen voraus, dasssich der Gesetzgeber hierbei auf vorliegende Erfah-rungen und Beobachtungen, insbesondere entspre-chende statistische Daten, stützen kann (Verfassungs-gerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Mai 2014,a. a. O.). Vorliegend konnte sich der Gesetzgeber un-ter anderem auf die Zahlen des statistischen Bundes-amtes berufen. Der Gesetzgeber ist also grundsätzlichnicht gehalten, eigene Datenerhebungen vorzuneh-men, wenn bereits valide Zahlen vorliegen. Insbeson-dere gibt es keine Hinweise, dass die statistischen Daten evident falsch wären. Auch die Petenten kön-nen insoweit keine greifbaren Anhaltspunkte geben.Die Vermutung, alle Personen, gegen die offene Bei-tragsforderungen bestehen, hätten keinen Fernseheroder womöglich gar keine Rundfunkempfangsgeräte,ist spekulativ. Nach Angaben des SWR werden dieGründe, warum diese Forderungen (noch) nicht be -glichen wurden, nicht erfasst. Sie können vielfältigerArt sein. Auch das BVerwG hat die Zahlen des Bun-desamts für Statistik ohne Weiteres für berücksichti-gungsfähig gehalten, da es sich dabei um allgemein-kundige und damit offenkundige Tatsachen im Sinnevon § 173 VwGO, § 291 ZPO handelt, die keines wei-teren Beweises bedürften.

2.

Darüber hinaus stützen die Petenten ihre Argumenta-tion auf die unzutreffende Grundannahme, dass nurein „klassisches“ Fernsehgerät auch als Fernsehemp-fangsgerät klassifiziert werden könne.

Fernsehempfang ist heutzutage aber nicht nur mit einem klassischen Fernsehgerät, sondern grundsätz-lich auch mit Smartphones, Tablets, Laptops oder PCsund insbesondere über das Internet möglich. Dabei istzu berücksichtigen, dass nach Angaben des Bundes-ministeriums für Verkehr und digitale Infrastrukturund dem TÜV Rheinland über alle Technologien hin-weg in 88,4 % der Haushalte Breitbandgeschwindig-keiten von 16 Mbit/s oder mehr zur Verfügung stehen,mit der in der Regel Fernsehen über das Internet mög-lich ist. Zum Teil dürften diese Geräte – gerade beijüngeren Menschen – das klassische Fernsehgerät so-gar substituieren. Jedenfalls können diese Geräte beider Frage der Ausstattung von Haushalten mit ent-sprechenden Empfangsgeräten nicht außer Betrachtbleiben.

Auch für diese Geräte, die neben dem klassischenFern sehgerät einen Rundfunkempfang ermöglichen,liegt ei ne hohe Durchdringung vor (Smartphone/Han-dy 86,6 %, PC 51,6 %, Laptop/Notebook 51,4 %, iPad/Tablet 17,7 %). Nach Angaben des Statistischen Bun-desamtes zur Ausstattung privater Haushalte mit Unter -haltungselektronik (Stand 1. Januar 2016) sind 88,6 %der Haushalte in Deutschland mit einem PC ausge-stattet (abrufbar unter www.destatis.de). Smartphones,Tablet-PCs, Laptops, PCs oder ein klassisches Fern-sehgerät dürften unter Zugrundelegung dieser Datenund der praktischen Lebenserfahrung damit in nahezujedem Haushalt im Bundesgebiet vorhanden sein.

Ob diese Geräte auch tatsächlich zum Fernsehemp-fang genutzt werden, ist hingegen irrelevant. Voraus-setzung der früheren Gebührenpflicht und der heuti-gen Beitragspflicht war und ist lediglich die Möglich-keit, die vielfältigen Angebote der öffentlich-recht -lichen Rundfunkanstalten zu nutzen.

3.

Die von den Petenten vorgeschlagene Unterscheidungund unterschiedliche Veranlagung von Radios undFernsehgeräten ist nicht mehr zeitgemäß und damitnicht praktikabel.

Aufgrund der sogenannten Konvergenz der Medien,also des Zusammenwachsens bisher getrennter Ein-zelmedien im Zuge der Digitalisierung, ist es heutzu-tage nicht mehr sinnvoll, „klassisch“ zwischen einerRundfunknutzung durch Radio- und Fernsehgerät zudifferenzieren. Die Konvergenz der Medien war derentscheidende Grund, den früheren Gerätebezug derRundfunkgebühr aufzugeben, da infolge der Konver-genz mit immer mehr Geräten – z. B. mit Smartpho-nes, Laptops Tablets oder PCs – sowohl Hörfunk- alsauch Fernsehprogramme empfangen werden können.Durch die zunehmende Mobilität von Rundfunkemp-fangsgeräten wie beispielsweise Laptops und Handys,war es zudem kaum noch möglich, diese einer be-stimmten Person oder einem Betrieb als Gebüh ren -schuldner zuverlässig zuzuordnen. Das alte Systemder Rundfunkgebühr drohte – unter anderem aufgrundzunehmend fehlender effektiver Kontrollmöglichkei-ten und einer damit einhergehenden fehlenden ver -lässlichen Vollziehbarkeit – sich der Verfassungswid-rigkeit anzunähern. Der Gesetzgeber war daher gehal-ten, das alte Finanzierungssystem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu überarbeiten und einen Sys -temwechsel vorzunehmen.

Deshalb knüpft der neue Rundfunkbeitrag nicht mehran das Bereithalten eines konkret vorhandenen Rund-funkempfangsgerätes an. Stattdessen nimmt der Ge-setzgeber an, dass typischerweise im Bereich derWohnung und der Betriebsstätte die Möglichkeit be-steht, die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rund-funkanstalten zu nutzen.

4.

Die von den Petenten geforderte Einführung der Wi-derlegung der im RBStV vorgesehenen Nutzungsver-

Page 12: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

12

mutung wäre systemwidrig und entgegen den Aus-führungen der Petenten praktisch kaum umsetzbar.

Durch die Einführung eines solchen Nachweises derNichtnutzung würde das haushaltsbezogene Systemdes Rundfunkbeitrags, das eine Überprüfung der vor-handenen Geräte im Einzelfall entbehrlich macht unddamit eine verringerte Kontrollintensität und als Folgeauch einen geringeren Verwaltungsaufwand birgt,nicht mehr funktionieren. Der Vorschlag der Petentenwürde in der Sache eine Rückkehr zur gerätebezoge-nen Rundfunkgebühr bedeuten. Ein solcher ist jedochaus vielerlei bereits dargestellten Gründen wedermöglich noch sinnvoll. Vor allem aber ist aufgrundder beschriebenen Konvergenz der Medien nicht mehrallein am Vorhandensein eines Fernsehgerätes festzu-machen, ob TV-Programme empfangen werden kön-nen. „Fernsehempfang“, live oder durch Abruf derAngebote der Mediatheken, ist durch Smartphones,Tablets, Laptops oder eben auch PCs möglich. Einewenn auch nur im Einzelfall im Sinne einer Widerle-gung der Nutzungsvermutung gerätebezogene Rund-funkgebühr ist daher weder tatsächlich noch praktischhaltbar.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Dr. Bullinger

8. Petition 16/605 betr. Unterbringung in einerstädtischen Unterkunft

I. Gegenstand der Petition

Der Petent wendet sich im Zusammenhang mit seinerUnterbringung als Obdachloser gegen das ihm zurVerfügung gestellte Zimmer. Es sei zu klein und ver-füge über keinen Telefon- bzw. Internetanschluss. ImGarten befinde sich Müll und die Dusche sei unzu -reichend.

II. Sachverhalt

Der Petent wohnte zur Miete und erhielt eine Kündi-gung wegen Eigenbedarfs des Vermieters. Es kamschließlich zur Zwangsräumung, ohne dass der Petenteine andere geeignete Wohnung gefunden hatte. ZurVermeidung von Obdachlosigkeit wurde der Petentdaher am 8. November 2016 durch eine polizeirecht -liche Verfügung in ein Zimmer einer städtischen Ob-dachlosenunterkunft eingewiesen. Dort stehen ihm 11 Quadratmeter Wohnraum sowie weitere gemein-schaftlich genutzte Räume (Küche, Bad/Toilette,Flur) zur Verfügung. Das in Rede stehende Zimmerist einfach ausgestattet und verfügt über keinen Tele-fon- bzw. Internetanschluss. Allerdings wurde zwi-schenzeitlich im Nachbarzimmer ein WLAN-Routerinstalliert, sodass das Internet derzeit vom Petentengenutzt werden kann. Soweit in der Unterkunft bau -

liche Mängel vorhanden waren, sind diese mittler -weile durch die Stadt behoben worden; insbesonderewurde eine Duschtrennwand eingebaut. Der zumHaus ge hörende Garten wird derzeit nicht genutzt, istjedoch nicht vermüllt oder anderweitig in einemunzumut baren Zustand. Bei der Einweisung wurdeinsbesondere auf eine zentrumsnahe Lage geachtet,damit der Petent seine Besorgungen fußläufig erledi-gen kann. Das vom Petenten angesprochene größereZimmer im Haus wird derzeit von zwei Personen be-wohnt und kann ihm leider zur alleinigen Nutzungnicht zur Verfügung gestellt werden.

III. Rechtliche Würdigung

Gemäß §§ 1 und 3 des Polizeigesetzes (PolG) hat diePolizeibehörde die Aufgabe, von dem einzelnen unddem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch diedie öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird,und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ord-nung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interes-se geboten ist. Daher ist die Obdachlosenbehörde (Orts -polizeibehörde) verpflichtet, die unfreiwillige Ob-dachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheitund Ordnung zu verhindern oder zu beseitigen, wobeisie diese Aufgabe unter Berücksichtigung aller Um-stände nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfüllen hat.

Mit der Einweisungsverfügung hat die Stadt eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichenSicherheit oder Ordnung, nämlich den Eintritt der Obdachlosigkeit, beseitigt.

Die Einweisung in eine Einrichtung der vorläufigenUnterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeitbegründet keinen Besitzstand und keinen Rechtsan-spruch der Eingewiesenen. Insbesondere besteht keinAnspruch auf Einweisung in eine bestimmte Woh-nung, sondern lediglich auf Gewährung zumutbarenObdachs. Obdachlosenfürsorge dient nicht der Ver-sorgung mit Wohnraum, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft („Überbrückung“)einfacher Art.

Nach Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs Ba-den-Württemberg folgt aus dem Überbrückungscha-rakter der Obdachlosenunterkunft auch, dass die aneine Normalwohnung zu stellenden Anforderungenbezüglich Lage, Größe, Einrichtung und sonstigenVerhältnisse nicht erfüllt sein brauchen; die Unter-kunft muss daher auch nicht den Anforderungen aneine „wohnungsmäßige Versorgung“ entsprechen. Esreicht aus, eine Unterkunft bereitzuhalten, die vor -übergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bie-tet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürf -nisse lässt.

Die Obdachlosenunterbringung kann grundsätzlichnur eine Notlösung sein; der Obdachlose muss eineweitgehende Einschränkung seiner Wohnansprüchehinnehmen. Die Grenzen zumutbarer Einschränkun-gen liegen hierbei erst dort, wo die Anforderungen aneine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr ein-gehalten sind. Ein Telefonanschluss gehört regel-mäßig nicht zu der für eine menschenwürdige Ob-dachlosenunterkunft unverzichtbaren Einrichtung.

Page 13: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

13

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

Die dem Petenten zur Verfügung gestellte Unterkunftwiderspricht in keinem Punkt den von der Recht -sprechung aufgestellten Grundsätzen für die Beschaf-fenheit von Obdachlosenunterkünften. Auch was dieGröße des Zimmers betrifft, werden die in Recht -sprechung und Literatur erwähnten 10 Quadratmeterfür einen alleinstehenden Erwachsenen ebenfalls nichtunterschritten.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Epple

9. Petition 16/631 betr. Fahrerlaubnisangelegen-heiten

I. Gegenstand der Petition

Der Petent fordert, dass sich die Fahrerlaubnisbehör-den bei ihren Entscheidungen an Gesetz und Rechthalten, insbesondere den Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit beachten.

II. Die Prüfung der Petition ergab Folgendes:

Die vollziehende Gewalt, also die Regierung und dieöffentliche Verwaltung, ist gemäß Artikel 20 Absatz 3des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebunden.Aus diesem Rechtsstaatsprinzip wird der Grundsatzder Verhältnismäßigkeit abgeleitet. Diesem Grundsatzmüssen alle staatlichen Maßnahmen, die in Rechtedes Einzelnen eingreifen, genügen.

Die Wesentlichkeitstheorie richtet sich dagegen anden Gesetzgeber und besagt, dass wesentliche Ent-scheidungen durch das Parlament selbst getroffenwerden müssen.

Aus dem Vorbringen des Petenten ergeben sich kei -nerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrerlaubnis-behörden oder einzelne Fahrerlaubnisbehörden dieoben genannten Grundsätze des Verwaltungshandelnsnicht beachten würden.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Keck

10. Petition 16/53 betr. Aufenthaltstitel

Die Petentin begehrt die Erteilung einer Aufenthalts -erlaubnis zum Familiennachzug.

Bei der Petentin handelt es sich um eine 51 Jahre alteukrainische Staatsangehörige.

Die Petentin reiste zunächst mit einem am 13. April 2015von der Tschechischen Republik ausgestellten undvom 17. April 2015 bis 22. Mai 2015 gültigen Schen-gen-Visum nach Tschechien für einen Kuraufenthaltein.

Mit Datum vom 30. April 2015 ehelichte sie in Dä -nemark einen deutschen Staatsangehörigen. Im An-schluss daran reiste die Petentin mit ihrem Ehemannins Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Mai 2015die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Fami -liennachzug gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufent-haltsgesetz (AufenthG).

Sie bestand am 24. Juli 2015 die Prüfung „StadtDeutsch 1“ mit der Note „gut“.

Mit Verfügung vom 27. Juli 2015 lehnte die Auslän-derbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufder Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthGab. Gleichzeitig wurde die Petentin unter Festsetzungeiner Frist und Androhung der Abschiebung zur frei-willigen Ausreise aufgefordert.

Hiergegen wurde mit Datum vom 10. August 2015Widerspruch erhoben, gleichzeitig wurde beim Ver-waltungsgericht ein Eilantrag gem. § 123 VwGO ge-stellt.

Dieser wurde mit Beschluss vom 7. März 2016 abge-lehnt, eine darauffolgende Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Würt-temberg vom 9. Mai 2016 zurückgewiesen.

Der eingelegt Widerspruch wurde vom Regierungs-präsidium mit Datum vom 31. August 2016 zurückge-wiesen.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem aus-ländischen Ehegatten eines Deutschen eine Aufent-haltserlaubnis zu erteilen, wenn er seinen gewöhn -lichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.

Der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisnach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG steht dieNichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvorausset-zung einer Einreise mit dem erforderlichen nationalenVisum für einen längerfristigen Aufenthalt (§ 5 Abs. 2Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) ent-gegen. Für einen über die Dauer von 90 Tagen hin-ausgehenden längerfristigen Aufenthalt ist ein Visumfür das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich,das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 3 Satz 1AufenthG) und ggf. einer Zustimmung der für denvorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländer-behörde bedarf (§§ 31 ff AufenthV). Die Antragstelle-rin ist lediglich mit einem Schengen-Visum nach § 6Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eingereist, das einen Aufent-halt nur für die Dauer von 90 Tagen gestattet.

Wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom7. März 2016 ausgeführt hat, ist im Fall der Petentindas Erfordernis der bisherigen Einholung eines Vi-sums nicht gemäß der für die Befreiung von der Vi-sumspflicht allein in Betracht kommenden Vorschriftdes § 39 Nr. 3 AufenthV entbehrlich.

Danach kann ein Ausländer über die im Aufenthalts-gesetz geregelten – und hier nicht vorliegenden – Fäl-

Page 14: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

14

le hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet ein-holen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang IIder Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staa-tes ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältoder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristigeAufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) besitzt, so-fern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ertei-lung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstan-den sind. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift setztvoraus, dass das zentrale Merkmal der jeweiligen An-spruchsnorm, das den Aufenthaltszweck kennzeichnet– in dem vorliegenden Fall die Eheschließung, nachder letzten Einreise in das Bundesgebiet erfüllt wurde.Vorliegend erfolgte die Eheschließung jedoch bereitsvor der Einreise der Petentin in das Bundesgebiet am4. Mai 2015, nämlich am 30. April 2015 in Dänemark.

Von der Einreise mit dem erforderlichen Visum kannnach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden,wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ertei-lung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstän-de des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumver-fahren nachzuholen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen der ersten Alterna -tive sind in dem Fall der Petentin zwar gegeben. Al-lerdings fällt die Güterabwägung, die im Rahmen derErmessensentscheidung zu erfolgen hat, zu Unguns -ten der Petentin aus.

Besondere Umstände, aufgrund derer es der Petentinunzumutbar sein sollte, das Bundesgebiet vorüberge-hend zur Nachholung des Visumverfahrens zu verlas-sen, liegen erkennbar nicht vor. Die Petentin müsstesich hierfür in einem Ausnahmezustand befinden, dersich deutlich von der Lage vergleichbarerer Ausländerunterscheidet. Als Ausnahmebestimmung ist die Vor-schrift eng auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen,dass die Nachholung des Visumverfahrens stets mitUnannehmlichkeiten verbunden ist. Allein der Um-stand, dass die Eheleute möglicherweise eine vorüber-gehende Trennung für die übliche Dauer des Visum-verfahrens hinnehmen müssen, reicht für die An -nahme der Unzumutbarkeit auch unter Berücksichti-gung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht aus.

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieTrennungszeit die übliche Dauer eines Visumverfah-rens überschreiten würde. Anhaltspunkte, dass die Be-antragung eines nationalen Visums über die deutscheBotschaft in der Ukraine über die dort übliche Bear-beitungszeit hinaus andauern könnte, sind nicht er-sichtlich.

Die öffentlichen Belange, dass die Zuwanderung nachDeutschland ordnungsgemäß und formrichtig vonstat-ten geht, gehen den persönlichen Belangen der Peten-tin vor. Zudem kommt der Maßnahme auch general-präventiver Charakter zu, es soll nicht der Anscheinerweckt werden, dass der vorgeschriebene Ablauf ei-nes Visumverfahrens lediglich reine Formsache ist.Die Wahrung von Ehe und Familie wurde im Rahmender Verhältnismäßigkeit besonders berücksichtigt.Der verfassungsmäßige Schutz von Ehe und Familiestellt keinen automatischen Zugang zu einer Aufent-

haltserlaubnis da, vielmehr handelt es sich um einePrivilegierung, welche die Führung einer ehe lichenLebensgemeinschaft in Deutschland einfacher ermög-lichen soll.

Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die vonder Petentin angeführten Erkrankungen ihres Ehe-mannes eine andere Entscheidung erfordern. Es be -stehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich durchdie Trennungszeit die Erkrankung des Ehemannesverschlechtern würde. Eine medizinische Versorgungdes Ehemannes fand bereits vor der Einreise der Pe-tentin statt. Fachärztliche Bescheinigungen, welcheein Angewiesensein auf die Petentin bescheinigenwürden, wurden nicht vorgelegt.

Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzesund der sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 ergebendenRechte der Petentin liegen erkennbar nicht vor.

Sonstige Rechtsgrundlagen, nach denen der Petentinein Aufenthaltstitel erteilt werden könnte, sind nichtersichtlich. Sie ist auf die Einhaltung des vorgeschrie-benen Visum-Verfahrens zu verweisen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Salomon

11. Petition 16/574 betr. Fernseh- und Rundfunk-wesen

Der Petent begehrt, dass die rechtlichen Regelungenfür den Anspruch auf Sendezeit für Wahlwerbung da-hin gehend geändert werden, dass auch parteilose Ein-zelbewerberinnen und -bewerber bzw. Einzelkandida-tinnen und -kandidaten die Möglichkeit hätten, im öf-fentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen Wahlwer-bung zu schalten. Zudem solle das Recht auch inso-weit erweitert werden, als im Regionalfernsehen auchbei Kommunalwahlen entsprechende Wahlwerbunggeschaltet werden könne.

Es gibt bereits nach geltendem Recht in Baden-Würt-temberg die grundsätzliche Möglichkeit, dass auchEinzelbewerberinnen und Einzelbewerber im privatenRegionalfernsehen Wahlwerbung schalten können.Das gilt ausdrücklich auch zur Vorbereitung vonKommunalwahlen.

Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiö-ser Art ist im Rundfunk grundsätzlich unzulässig. Je-de Verpflichtung von Rundfunkanstalten, Wahlsende-zeiten einzuräumen stellt eine sog. Programmlast unddamit einen nicht unerheblichen Eingriff in die dieverfassungsrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit imSinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz dar. Daherbedarf ein Anspruch auf Schaltung von Wahlwerbungim Rundfunk einer gesetzlichen Grundlage.

Was die bundesweit zugelassenen privaten Rundfunk-veranstalter anbelangt, besteht nur zu den Bundes-

Page 15: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

15

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

tags- und Europaparlamentswahlen eine Verpflich-tung, Sendezeiten für Wahlwerbung einzuräumen, § 42Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Anspruchsbe-rechtigt sind ausschließlich Parteien, wenn mindes -tens eine Landesliste für sie zugelassen wurde. BeiWahlen zum Europäischen Parlament haben nebendiesen Parteien auch sonstige politische Vereinigun-gen Anspruch auf Einräumung von Sendezeiten fürWahlwerbung, sofern mindestens ein Wahlvorschlagfür sie zugelassen wurde.

Auch § 11 Abs. 1 ZDF-Staatsvertrag räumt Sendezei-ten lediglich Parteien oder sonstigen politischen Ver-einigungen zu Bundestags- und Europaparlamentswah -len ein. § 42 Abs. 2 RStV und § 11 Abs. 1 ZDF-Staats-vertrag gewähren damit weder einen Anspruch aufWahlwerbung für Landtagswahlen noch insgesamt fürWählervereinigungen oder einzelne Kandidaten.

Der Ausschluss von Wahlwerbung in bundesweitenFernsehprogrammen im Vorfeld von Landtagswahlenrechtfertigt sich daraus, dass das Sendegebiet einesbundesweit zugelassenen Fernsehprogramms weitausgrößer wäre als die Gebietskörperschaft, dessen Le-gislativorgan gewählt wird. Dabei ist im Hinblick aufdie Abwägung zwischen der Rundfunkfreiheit unddem ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Guteiner funktionsfähigen Demokratie zu bedenken, dasses auch auf regionaler Ebene verschiedene Möglich-keiten der Wahlwerbung gibt.

Was den Ausschluss von Wählervereinigungen odergar Einzelkandidaten anbelangt, ist darauf zu verwei-sen, dass vor allem durch den Grundsatz der Chancen-gleichheit der Parteien gemäß Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2in Verbindung mit Art. 21 Grundgesetz ein fein aus -tariertes Zuteilungssystem der Sendezeiten verfas-sungsrechtlich erforderlich ist. Daher dürfen Sende-zeiten auch nicht an allen Parteien in gleichem Um-fang eingeräumt werden, sondern muss die jeweiligeBedeutung der politischen Partei bei der Bemessungder Sendezeit beachtet werden (sogenannte abgestufteForm der Chancengleichheit). Ansonsten könnten dieBürgerinnen und Bürger über die wahre Bedeutungder entsprechenden Partei getäuscht werden. Maßgeb-liche Kriterien sind neben dem letzten vorliegendenWahlergebnis die Zeitdauer des Bestehens der Partei,die Kontinuität und Mitgliederzahl, ihre Vertretungim Parlament, ihre Beteiligung an der Regierung inBund und Ländern (OVG Hamburg, AfP 1988, S. 101,102 m. w. N.).

Auf regionaler Ebene sieht § 9 Abs. 2 SWR-Staatsver-trag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk lediglichvor, Parteien oder sonstigen politischen Vereinigun-gen zu Landtags-, Bundestags- und Europaparlaments -wahlen angemessene Sendezeiten entsprechend § 5Abs. 1 bis 3 des Parteiengesetzes einzuräumen. In deramtlichen Begründung des Gesetzgebers wird diesbe-züglich ausgeführt, dass Sendezeiten allein solchenParteien und Vereinigungen vorbehalten bleiben sol-len, die mit ihren zugelassenen Wahlvorschlägen derüberregionalen Verbreitung der Sendungen entspre-chen. Damit können Parteien und vergleichbare politi-sche Organisationen anspruchsberechtigt sein, nichtaber einzelne Kandidaten.

In Bezug auf private landesweite, regionale oder lo -kale Programme gelten die jeweiligen Landesmedien-gesetze. Wie in einigen anderen Bundesländern sieht§ 5 Abs. 3 Landesmediengesetz Baden-Württemberg(LMG BW) eine fakultative Einräumung von Sende-zeiten für Wahlwerbung vor. Die Möglichkeit, Sende-zeiten für Wahlwerbung anzubieten, besteht danachausdrücklich auch für zugelassene Einzelbewerber so-wie neben den Landtags-, Bundestags- und Europa-parlamentswahlen auch zur Vorbereitung von Kom-munalwahlwahlen, § 5 Abs. 3 Satz 1 LMG BW. Aller-dings bedeutet diese fakultative Regelung, dass dieSender nicht zur Einräumung von Sendezeiten fürWahlwerbung verpflichtet sind. Gewähren sie diesejedoch freiwillig, gelten die gleichen Grundsätze dersogenannten abgestuften Chancengleichheit gemäß § 5 Abs. 1 bis 3 Parteiengesetz wie bei den verpflich-teten bundesweiten Rundfunkprogrammen.

Hieraus ergibt sich, dass auch parteilosen Einzel -bewerbern grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumtwerden kann, im privaten Regionalfernsehen Wahl-werbung zu schalten.

Die Möglichkeit der stärkeren Berücksichtigung vonSendezeiten für Wahlwerbung im Vorfeld von Kom-munalwahlen und auch für Einzelbewerber im lokalenund regionalen Privatfernsehen rechtfertigt sich zumeinen daraus, dass das Sendegebiet noch kleiner istund zum anderen daraus, dass insbesondere bei Bür-germeisterwahlen regelmäßig auch aussichtsreicheparteilose Bewerberinnen und Bewerber antreten.Zum anderen ist der Eingriff in die Rundfunkfreiheitder Anbieter hier weniger weitreichend, da diese nichtverpflichtet sind, überhaupt Sendezeiten zu gewähren.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass neben derWerbung im Fernsehen noch viele weitere Möglich-keiten zur Wahlwerbung, wie zum Beispiel mit Plaka-ten, Flyern, Wahlständen oder aber auch zunehmendim Internet, wie z. B. in den sozialen Netzwerken, be-stehen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann über die bereits bestehen-den Regelungen hinaus nicht abgeholfenwerden.

Berichterstatter: Salomon

12. Petition 15/6003 betr. Sozialleistungen

I. Gegenstand der Petition

Die Petentin, die wegen einer Hepatitis C Erkrankungsowie einer Leberzirrhose auf eine Organspende war-tet und regelmäßiger ärztlicher Behandlung bedarf,beklagt sich gegen die Aufforderung zum Umzug ineine kostengünstigere Wohnung, da sie aus ihrer Sichtgesundheitlich nicht dazu in der Lage ist, die Woh-nung zu wechseln.

Page 16: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

16

II. Sachverhalt

Die Petentin ist alleinstehend und seit dem 1. Januar2014 im Bezug von Leistungen nach dem Sozialge-setzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie bewohnt seit dem1. Mai 2013 eine Wohnung zu einem monatlichen Ge-samtmietpreis in Höhe von 440,00 €, 300,00 € Kalt-miete + 140,00 € Nebenkostenvorauszahlungen. DieMietkosten liegen derzeit um 33,36 € monatlich überden angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Petentin gab bereits zu Hil -febeginn an, dass sie aufgrund ihrer vorliegenden Er-krankungen nicht umziehen könne.

Am 23. März 2016 wurde der amtsärztliche Dienstmit der Prüfung beauftragt, ob es der Petentin aus ge-sundheitlichen Gründen möglich ist, in eine kosten-günstigere Wohnung umzuziehen. Der Auftrag an denärztlichen Dienst wurde gleichzeitig mit dem Auftragbzgl. der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Er -nährung gestellt. Der Mehrbedarf wegen kostenauf-wändiger Ernährung wurde am 12. Juli 2016 aner-kannt.

Laut Gutachten vom 10. Mai 2016 ist aus amtsärzt -licher Sicht ein Umzug in eine kostengünstigere Woh-nung möglich und zumutbar. Über dieses Ergebniswurde die Petentin mit Schreiben vom 12. Juli 2016informiert und ihr nochmals Gelegenheit zur Äuße-rung gegeben. Hierauf teilte sie am 22. Juli 2016 mit,dass ein Umzug weiterhin aufgrund ihrer gesundheit-lichen Einschränkungen nicht möglich sei. MitSchreiben vom 29. August 2016 wurde ihr die Auffor-derung zur Kostensenkung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft innerhalb der nächsten sechsMonate zugesendet. Die vollen Mietkosten wurdenfür sechs Monate bis zum 28. Februar 2017 übernom-men, danach um 33,36 € abgesenkt auf die angemes-sene Bruttokaltmiete von 343,00 €, also auf derzeitmonatlich gesamt 406,64 €, sofern es ihr nicht gelingt,die Mietkosten durch Wohnungswechsel oder auf an-dere Weise zu senken (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Daraufhin teilte die Petentin erneut mit, dass sie nichtumziehen könne. Außerdem beschwerte sie sich, dassbei der amtsärztlichen Begutachtung neben der Prü-fung des ernährungsbedingten Mehrbedarfs auch dieZumutbarkeit des Umzugs geprüft wurde, ohne dasssie dies gewusst hätte. Ihr wurde in weiteren Schrei-ben erläutert, dass bei einem vorgebrachten Umzugs-hindernis aus gesundheitlichen Gründen immer dieÜberprüfung durch den Amtsarzt erfolgt und sie wur-de erneut auf die Möglichkeit hingewiesen, die Unter-kunftskosten auf andere Weise als durch einen Woh-nungswechsel zu senken, z. B. durch Senkung der kal-ten Verbrauchskosten.

III. Rechtliche Würdigung

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unter-kunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwen-dungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. So-weit die Aufwendungen den angemessenen Umfangübersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerken-nen, wie es dem alleinstehenden Leistungsberechtig-

ten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich odernicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel,durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwen-dungen zu senken, in der Regel längstens jedoch fürsechs Monate.

Da die Unterkunftskosten den angemessenen Umfangübersteigen und vom amtsärztlichen Dienst bestätigtwurde, dass bei der Petentin trotz ihrer gesundheit -lichen Einschränkungen ein Umzug möglich und zu-mutbar ist, wurde die Aufforderung zur Kosten-senkung innerhalb der folgenden sechs Monate (bis28. Februar 2017) der Petentin zugestellt. Sie wurdedarauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit hat, ge-gen die Senkung der Unterkunftskosten Widersprucheinzulegen, falls künftig, frühestens zum 1. März 2017,tatsächlich die Absenkung erfolgen wird.

Beschlussempfehlung:

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann derPetition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Seemann

13. Petition 16/103 betr. Gesundheitsprüfung Schul -dienst

I. Gegenstand der Petition

Im Wege einer Petition macht die Petentin geltend,dass sie wieder im Schuldienst arbeiten wolle undhierfür zur Feststellung der gesundheitlichen Eignungfür eine Tätigkeit im Schuldienst ein amtsärztlichesZeugnis benötige, welches ihr das örtlich zuständigeGesundheitsamt des Landkreises verweigere.

Die Petentin hatte mehrmals die Ärztin des Gesund-heitsamts, Frau Dr. S., erfolglos gebeten, eine amts -ärztliche Untersuchung durchzuführen. Eine Beauftra-gung des Gesundheitsamts zur Durchführung deramtsärztlichen Untersuchung erfolgte nach Darstel-lung in der Petition weder durch die Caritas, das Kul-turamt, den ehemaligen Schuldekan, den Bürgermeis -ter noch durch die Sozialbürgermeisterin.

Die Petentin macht geltend, es sei wichtig, dass einGesundheitsamt auch dann tätig werde, ohne dass esvon anderen Diensten und Stellen beauftragt wird,wenn es um die körperliche, seelische, soziale und fi-nanzielle Gesundheit der Einwohner einer Stadt gehe.

II. Sachverhalt

Die Petentin ist dem Gesundheitsamt persönlich be-kannt. Ziel eines gemeinsamen Gesprächs am 23. No-vember 2015 war es, beratend tätig zu werden und diePetentin bei Verdacht auf eine psychische Problema-tik einer freiwilligen psychiatrischen Anbindung/Be-handlung zuzuführen.

Die Petentin hat in ihren Kontakten mit dem Gesund-heitsamt bestätigt, dass sie als ausgebildete Physikerin

Page 17: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

17

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

ihre Stelle als Lehrerin verloren habe und aktuell voneiner Erwerbsminderungsrente lebe. Da die Entlas-sung wohl in der Zeit des Vorbereitungsdienstes statt-gefunden hat, gibt es keinen Dienstherrn, der eine Re-aktivierung beantragen oder über den die Petentin ei-ne Reaktivierung beantragen könnte.

Über den Wunsch nach einer amtsärztlichen Unter -suchung und Begutachtung hinaus verfolgt die Peten-tin seit Monaten die Idee, ein EU-Forschungsvorha-ben mit dem Thema „Aus Ehrfurcht vor dem Leben,Körperlehrer“ in Kooperation mit dem Gesundheits -amt als Organ des öffentlichen Gesundheitsdienstesdurch zuführen. Vonseiten des Gesundheitsamtes wur-de eine Beteiligung an dem Vorhaben gegenüber derPetentin entsprechend abgelehnt. Insbesondere imRahmen des Gesprächs am 23. November 2015 wurdeder Petentin die Nichtteilnahme an dem Vorhaben er-folglos versucht zu vermitteln.

Über die Teilnahme von Frau Dr. S. als Vertreterindes Gesundheitsamtes in beratender Funktion und aufWunsch des Sozialpsychiatrischen Dienstes an demGespräch am 23. November 2015 hinaus lag zu kei-nem Zeitpunkt ein Auftrag zur Erstellung eines amts -ärztlichen Gutachtens vor.

III. Rechtliche Würdigung

Eine amtsärztliche Untersuchung einschließlich derErstellung eines Gutachtens, eines Zeugnisses oder einer Bescheinigung erfolgt nach § 14 Absatz 1 Ge-sundheitsdienstgesetz (ÖGDG), soweit ein Gesetz, ei-ne Rechtsverordnung oder eine Verwaltungsvorschriftdes Sozialministeriums oder einer Verwaltungsvor-schrift, der das Sozialministerium zugestimmt hat,dies vorschreibt.

Hinsichtlich der Feststellung einer Dienstfähigkeit besteht eine amtsärztliche Zuständigkeit nach demBeamtenrecht, hier nach § 53 Landesbeamtengesetz(LBG) in Verbindung mit Nummer 29 der Verwal-tungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchfüh -rung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 19. April2016 (GABl. S. 281). Im vorliegenden Fall der Peten-tin liegt nach Kenntnis des Sozialministeriums, basie-rend auf der Stellungnahme des Gesundheitsamts,keine Beauftragung durch einen etwaigen Dienstherrnder Petentin vor. Insofern besteht keine (amtsärzt -liche) Handlungs- und Untersuchungsmöglichkeitdurch das Gesundheitsamt.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Seemann

14. Petition 16/310 betr. Unfallausgleich, Hilflosig-keitszuschlag nach § 51 LBeamtVGBW

I. Gegenstand der Petition

Der Petent will mit seiner Petition erreichen, dass diemaßgeblichen Regelungen zum Unfallausgleich bzw.einem Hilflosigkeitszuschlag für Beamte des Landesso geändert werden, dass die nach seiner Auffassungderzeit bestehende Ungleichbehandlung gegenüberArbeitnehmern des öffentlichen Dienstes, die eineUnfallrente beziehen, beseitigt wird und Beamte adä-quat für einen Dienstunfall entschädigt werden.

II. Sachverhalt

Der Petent hatte am 22. März 1991 im Alter von 59 Jahren einen Dienstunfall. Infolge dieses Unfalls ister seit September 1992 dauernd dienstunfähig. Seithererhält er Versorgungsbezüge und Unfallfürsor ge leis -tungen im Rahmen der beamtenversorgungsrecht -lichen Bestimmungen. Der Petent trägt vor, dass erfür den Zeitraum vom 1. September 1992 bis 31. De-zember 2015 als Unfallausgleich einen Betrag inHöhe von 174.643,15 € erhalten hat. Wäre er hinge-gen Arbeitnehmer gewesen, hätte er für den gleichenZeitraum eine Unfallrente i. H. v. 749.218,44 € erhalten(lt. Berechnung des Finanzministeriums 691.555,73 €).Die derzeitigen Regelungen des § 50 Landesbeamten-versorgungsgesetz (LBeamtVGBW) über die Höheder Zahlungen eines Unfallausgleichs und des Hilflo-sigkeitszuschlags sind seiner Auffassung nach rechts-und verfassungswidrig und bedürfen einer Korrektur.

III. Rechtliche Würdigung

Bei seinem Vergleich verkennt der Petent den unter-schiedlichen Wesensgehalt des Unfallausgleichs nach§ 50 LBeamtVGBW und der gesetzlichen Unfallrente.Bei der Unfallrente handelt es sich um eine Vollrente,die im Falle der Erwerbsunfähigkeit (Minderung derErwerbsfähigkeit von 100 %) dazu dient, den Lebens -unterhalt zu sichern. Der Unfallausgleich nach § 50LBeamtVGBW hingegen ist eine dienstunfall-abhän-gige Leistung des Beamtenversorgungsrechts, die derVerletzte zusätzlich zur Besoldung oder Versorgungerhält. Er dient der pauschalierten Kompensation ech-ter unfallbedingter Mehraufwendungen sowie imma-terieller Einbußen und Unannehmlichkeiten, diedurch eine wesentliche Minderung der Erwerbsfähig-keit des unfallgeschädigten Beamten eingetreten sind.Die Kosten des Heilverfahrens bzw. Pflegekostenzählen nicht dazu, da diese separat im Rahmen derHeilverfahrensverordnung erstattet werden. Zur Be-streitung des Lebensunterhalts erhält der Petent dage-gen das Unfallruhegehalt, das der Petent bei seinemVergleich außer Acht lässt. Für den Zeitraum vom 1. September 1992 bis 31. Dezember 2015 erhielt erdurch das Landesamt für Besoldung und Versorgungfolgende Leistungen:

– Unfallausgleich nach § 50 LBeamtVGBW:179.323,78 €

Page 18: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

18

– Unfallruhegehalt nach § 51 LBeamtVGBW: 848.384,89 €

– Pflegekosten nach § 49 LBeamtVGBW: 130.799,50 €.

Die Behauptung des Petenten, als Beamter ist er imFalle eines Dienstunfalls gegenüber einem vergleich-baren Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes be-nachteiligt, ist daher unzutreffend. Allein das Unfall-ruhegehalt ohne den darüber hinaus gewährten Unfall -ausgleich und die Pflegekosten liegt deutlich über ei-ner im Vergleichsfall zustehenden Unfallrente.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Seemann

15. Petition 16/440 betr. Steuersache

I. Gegenstand der Petition

Der Petent beanstandet die Nichtberücksichtigungversehentlich nicht erklärter Handwerkerkosten, ob-wohl er die Einspruchsfrist um lediglich einen Tagüberschritten habe. Außerdem bemängelt er die Fest-setzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer2013, die festgesetzt wurden, obwohl er im Jahr 2014die Umsatzsteuererklärung 2013 mit den korrektenAngaben übermittelt habe.

II. Sachverhalt

Der Petent wird zusammen mit seiner Ehefrau zurEinkommensteuer veranlagt. Neben Versorgungsbe-zügen und Renteneinkünften erzielte er im Jahr 2015gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Photo-voltaikanlage.

1. Steuerermäßigung gem. § 35 a Einkommensteuer-gesetz (EStG) für Handwerkerkosten

In seiner elektronisch übermittelten Einkommensteuer -erklärung 2015 beantragte er für angefallene Hand-werkerarbeitskosten von insgesamt 1.327 € die Steuer -ermäßigung gemäß § 35 a EStG. Bei der Erstellungder Einkommensteuererklärung übersah der Petent je-doch, dass in einer Handwerkerrechnung zwei Posi-tionen für Arbeitsstunden enthalten waren. Aus dieserRechnung machte er daher lediglich 770,41 € (647,40 €zzgl. USt 123,01 €) anstatt 1.244,50 € (647,40 € +398,40 € zzgl. USt 198,70 €) geltend. Bei der Bear-beitung der Einkommensteuererklärung durch die zu-ständige Bearbeiterin des Finanzamts wurden die Ein-tragungen des Petenten zur Steuerermäßigung gemäߧ 35 a EStG anhand der vorgelegten Belege geprüftund irrigerweise als zutreffend abgehakt. Im Einkom-mensteuerbescheid vom 12. Juli 2016 wurde daher lediglich eine Steuerermäßigung von 266 € (1.327 € *20 %) anstatt richtigerweise von 361 € (1.802 € * 20 %) gewährt.

Mit E-Mail vom 16. August 2016 erhob der PetentEinspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2015und wies darauf hin, dass aufgrund eines ihm unter-laufenen Fehlers die Handwerkerkosten in unzutref-fender Höhe berücksichtigt wurden. Durch einenHackerangriff auf seine Konten und seinen PC sei ergezwungen gewesen, seinen Rechner zu entsorgenund einen neuen Laptop anzuschaffen.

Nachdem dem Petenten vom Finanzamt am 18. August2016 mitgeteilt wurde, dass die angeführten Gründekeine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand recht-fertigen, teilte er zusätzlich mit, dass er sich vom 10.bis 16. Juli 2016 und erneut vom 10. bis 14. August2016 auf einer Busreise befunden habe. Der Hacker-angriff sei insofern für das Versäumen der Einspruchs -frist entscheidend gewesen, als er bis zum heutigenTage seine Steuerdaten nicht auswerten könne. Da erseine Steuerangelegenheiten stets „online“ abwickle,habe er zuwarten wollen, bis er auf die Daten wiederzugreifen und er einen, mit entsprechenden Nachwei-sen untermauerten, begründeten Einspruch einlegenkonnte.

Mit Schreiben vom 26. August 2016 und 23. Septem-ber 2016 teilte die zuständige Bearbeiterin dem Peten-ten nochmals mit, dass Wiedereinsetzung in den vor-herigen Stand nicht gewährt werden könne. Nachdemder Petent seinen Einspruch weiterhin aufrechterhielt,wurde der Einspruch intern der Rechtsbehelfsstellezur abschließenden Bearbeitung zugeleitet. Über denEinspruch wurde bislang nicht entschieden.

2. Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatz-steuer 2013

Der Petent erzielt Umsätze aus dem Betrieb einerPhotovoltaikanlage und ist daher Unternehmer i. S. d.§ 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetzes (UStG). In seiner am7. Mai 2014 elektronisch übermittelten Umsatzsteuer -erklärung 2013 erklärte er Umsätze von 3.246 €, hier-auf entfallende Umsatzsteuer von 616,74 € und Vor-steuerbeträge i. S. d. § 15 UStG aus Rechnungen vonanderen Unternehmern in Höhe von 546,03 €. Beidem Betrag von 546,03 € handelte es sich jedochnicht um abzugsfähige Vorsteuerbeträge i. S. d. § 15UStG, sondern um die Summe der im Jahr 2013 ge -leisteten Umsatzsteuervorauszahlungen der Quartale Ibis III. Richtigerweise hätte der Petent die Summeseiner für das Jahr 2013 geleisteten Vorauszahlungs-beträge (inkl. Quartal IV) im Abrechnungsteil der Um -satzsteuererklärung in Zeile 108 „Vorauszahlungssoll2013“ eintragen müssen.

Nachdem sich aus der Umsatzsteuerjahresanmeldung2013 des Petenten lediglich ein Erstattungsbetrag von643,12 € und damit von weniger als 1.000 € ergab,wurde der Steueranmeldung im vollmaschinellen Ver-fahren mit schriftlicher Mitteilung vom 20. Mai 2014zugestimmt. Die Steueranmeldung entfaltete durch dieerteilte Zustimmung gemäß § 168 AO die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprü-fung (§ 164 AO).

Im Jahr 2016 wurde der Eintragungsfehler des Peten-ten vom Finanzamt bemerkt und die als Steuerfestset-

Page 19: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

19

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

zung unter Vorbehalt der Nachprüfung anzusehendeUmsatzsteuerjahreserklärung 2013 gemäß § 164 Abs. 2AO durch geänderten Bescheid vom 12. Juli 2016korrigiert. Mit gleichem Bescheid wurden Nachzah-lungszinsen gemäß § 233 a AO i. H. v. 37 € festge-setzt.

Mit Schreiben vom 6. September 2016 stellte der Petent die Frage, weshalb er „Verzugszinsen“ in Höhevon 37 € bezahlen müsse. Er habe seine Umsatz -steuer erklärung 2013 nach bestem Wissen und Ge -wissen abgegeben und am 20. Mai 2014 einen – nichtvon ihm verschuldeten – offensichtlich falschen Umsatzsteuerbescheid erhalten. Mit Schreiben vom23. September 2016 wurde dem Petenten erläutert,dass die im geänderten Umsatzsteuerbescheid 2013vollzogene Verzinsung gemäß § 233 a AO gesetzlichvorgeschrieben sei und ein Verschulden keine Rollespiele.

III. Rechtliche Würdigung

Die rechtliche Überprüfung der Petition hat Folgendesergeben:

1. Steuerermäßigung gem. § 35 a EStG für Handwer-kerkosten

Der Einkommensteuerbescheid vom 12. Juli 2016 giltgemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 15. Juli 2016(Freitag) bekannt gegeben und wurde nach Ablauf derRechtsbehelfsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 1AO) am 15. August 2016 (Montag) bestandskräftig.Der am 16. August 2016 (Dienstag) um 10:30 Uhr perE-Mail erhobene Einspruch gegen den Einkommen-steuerbescheid 2015 war daher nicht fristgerecht.

Wird die Rechtsbehelfsfrist überschritten ist der Ein-spruch als unzulässig zu verwerfen (§ 358 AO) es seidenn, der Steuerbürger war ohne Verschulden verhin-dert die gesetzliche Frist einzuhalten. In diesen Fällenist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigenStand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 AO).

Die Wiedereinsetzung in die bereits abgelaufeneRechts behelfsfrist wurde zu Recht vom Finanzamtnicht gewährt. Nach Zugang des Einkommensteuer-bescheids 2015 hätte es dem Petenten oblegen, um -gehend die Richtigkeit des Bescheids zu prüfen und – bei Beanstandung – zumindest fristwahrend Ein-spruch einzulegen und die Begründung nachzu -reichen. Die kurzen Zeiten der Abwesenheit (Busrei-sen vom 10. bis 16. Juli 2016 und vom 10. bis 14. Au-gust 2016) begründen keine Wiedereinsetzung in denvorherigen Stand, da der Petent nicht für die gesamteDauer der Rechtsbehelfsfrist verreist war und er daherausreichend Gelegenheit hatte, fristwahrend Ein-spruch zu erheben.

Auch das Argument des Petenten, er sei Opfer einesHackerangriffs geworden, rechtfertigt keine Wieder-einsetzung in den vorigen Stand. Sowohl der Einkom-mensteuerbescheid 2015 als auch die Handwerker-rechnungen lagen dem Petenten in Papierform vor,sodass es ihm möglich war, ohne elektronische Hilfs-mittel fristgerecht Einspruch zu erheben.

Außerhalb eines Einspruchsverfahrens darf gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO ein Steuerbescheid geändertwerden, soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist.Die verspätete Einspruchseinlegung ist für den Peten-ten daher nur dann von besonderer verfahrensrecht -licher Bedeutung, wenn seinem Anliegen nicht auchdurch die Anwendung einer Korrekturvorschrift abge-holfen werden kann.

Gemäß § 129 Satz 1 AO kann die FinanzbehördeSchreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbareUnrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungs-akts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Die offen-bare Unrichtigkeit muss beim Erlass des Verwal-tungsakts unterlaufen sein. Daher können grundsätz-lich nur Fehler berichtigt werden, die der Finanz-behörde unterlaufen sind. Eine offenbare Unrichtig-keit kann aber auch dann vorliegen, wenn das Finanz-amt eine in der Steuererklärung oder dieser beigefüg-ten Anlagen enthaltene offenbare, d. h. für das Finanz-amt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt.Dies gilt auch dann, wenn zur Berichtigung des offen-sichtlichen Fehlers noch Sachverhaltsermittlungendurch die Finanzbehörde zur Höhe des zu berücksich-tigenden Betrags erforderlich sind.

Aus den bei der Bearbeitung der Einkommensteuerer-klärung 2015 vorliegenden Belegen über Handwer-kerleistungen ergab sich eindeutig, dass die vom Pe-tenten geltend gemachten Arbeitskosten zu niedrigangesetzt wurden. Dennoch hat die zuständige Bear-beiterin des Finanzamts die Eintragungen des Peten-ten irrigerweise als zutreffend abgehakt und damit diedem Petenten unterlaufene offenbare Unrichtigkeit alseigene übernommen. Die Voraussetzungen für eineKorrektur des Einkommensteuerbescheids 2015 sindda her erfüllt.

2. Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatz-steuer 2013

Die als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nach-prüfung anzusehende Umsatzsteuerjahreserklärung2013 wurde vom Finanzamt rechtlich zutreffend ge -mäß § 164 Abs. 2 AO durch Änderungsbescheid vom12. Juli 2016 hinsichtlich der bisher zu Unrecht gel-tend gemachten Vorsteuerbeträge korrigiert.

Nachdem sich durch die Änderung des Umsatzsteuer-bescheids ein Unterschiedsbetrag zwischen der neufestgesetzten Steuer und der vorher festgesetztenSteuer ergab, war dieser gemäß § 233 a AO zu verzin-sen. Die Zinsen i. H. v. 37 € wurden gemäß § 233 aAO im Bescheid vom 12. Juli 2016 rechtlich zutref-fend ermittelt und festgesetzt.

Die Verzinsung gemäß § 233 a AO ist gesetzlich vor-geschrieben und erfolgt wegen ihres typisierendenCharakters unabhängig von einem etwaigen Verschul-den des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen. Eskommt daher auch kein Erlass der festgesetzten Nach-zahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen ge -mäß § 227 AO in Betracht. Persönliche Billigkeits-gründe wurden nicht vorgetragen und sind nach Ak-tenlage auch nicht erkennbar.

Page 20: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

20

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird hinsichtlich des Ansatzesder Handwerkerleistungen i. S. d. § 35 a EStGdurch Änderung des Einkommensteuerbe-scheids 2015 gemäß § 129 AO für erledigterklärt.

Hinsichtlich der Festsetzung von Nachzah-lungszinsen zur Umsatzsteuer 2013 kannder Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Seemann

16. Petition 16/443 betr. Schornsteinfegerwesen

Der Petent wandte sich bereits im September 2015mit der Petition 15/5536 wegen angeblicher Behör-denuntätigkeit und mangelnder Aufsicht über einenBezirksschornsteinfeger an den Petitionsausschussdes Landtags. Der Petent machte geltend, dass die un-tere Baurechtsbehörde ihrer Verpflichtung zur Durch-setzung der Energieeinsparverordnung (EnEV) nurunzureichend nachkäme und dass das zuständigeLandratsamt seine Aufsichtspflicht verletze.

Die damalige Prüfung des zugrunde liegenden Sach-verhalts hatte ergeben, dass die vom Petenten geltendgemachten Mängel beseitigt waren und weder denMitarbeitern bei der unteren Baurechtsbehörde nochden Mitarbeitern bei der unteren Verwaltungsbehördeoder dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegerein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, dasaufsichtsrechtlich geahndet werden musste. Der Land-tag von Baden-Württemberg hat die Petition vomSeptember 2015 deshalb am 18. Februar 2016 für er-ledigt erklärt (vgl. Drucksache 15/8011, lfd. Nr. 11).

In der vorliegenden Petition 16/443 greift der Petentdie Vorwürfe zu Fehlverhalten von Behörde undSchornsteinfeger erneut auf.

1. Gegenstand der Petition

Der Petent bittet den Petitionsausschuss zu prüfen,

1.1 ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerbei der Wahrnehmung seiner hoheitlichen Auf-gaben gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat,

1.2 ob die Aufsicht über den bevollmächtigten Be-zirksschornsteinfeger ordnungsgemäß wahrge-nommen wird,

1.3 ob der Gesetzgeber bei der Änderung des Schorn -steinfegerrechts versäumt hat, eine funktions-fähige fachliche Überwachung der bevollmäch-tigten Bezirksschornsteinfeger einzurichten,

1.4 ob die Vergabe von Kehrbezirken transparenterfolgt und allen Bewerbern offen steht oder obbestimmte Besitzstände gewahrt werden,

1.5 warum die Aufsicht keinen Wettbewerb bei denwiederkehrenden Arbeiten ermögliche und die Ge -bietsaufteilung trotz Liberalisierung fortgelte.

2. Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben:

a) Kurze Schilderung des Sachverhalts

Der Petent bewohnte bis zum 31. Juli 2013 als Mieterein Gebäude, das mit einem offenen Kamin und einerzentralen raumluftunabhängigen Gasfeuerungsanlageausgestattet ist. Der Petent ließ nach eigenen Angabenim Dezember 2012 durch die Verbraucherzentrale ei-nen Energiecheck durchführen. Dabei wurde festge-stellt, dass die Isolierung der Heizungsrohre nicht denBestimmungen der EnEV entsprach und diese erstnach dem Auszug des Petenten entsprechend denVorschriften ausgeführt wurde. Die im Zuge der Peti-tion 15/5536 erfolgte Überprüfung des Sachverhaltsergab, dass dem bevollmächtigten Bezirksschornstein -feger kein Vorwurf zu machen war.

Seit dem 1. August 2013 bewohnt der Petent als Mie-ter ein Anwesen in der Nachbarschaft, das zu demsel-ben Kehrbezirk gehört wie die bisherige Wohnung. Indem Gebäude befinden sich ein Kaminofen, der ein-mal jährlich zu kehren ist, und ein Gasbrennwertgerät,das alle drei Jahre durch einen Schornsteinfeger zuüberprüfen ist.

Der Petent macht in der vorliegenden Petition erneutdie im Rahmen der inzwischen abgeschlossenen Peti-tion 15/5536 erhobenen Vorwürfe wegen Unzuverläs-sigkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegersund unzureichender Überwachung durch die Auf-sichtsbehörde geltend. Neben den Themen EnEV undunterlassene Mängelanzeige, die bereits in der abge-schlossenen Petition geprüft wurden, nennt der PetentVerzögerungen bei der Abnahme einer neu eingebau-ten Heizungsanlage, Fehler im Feuerstättenbescheidund die falsche Adressierung von Rechnungen.

b) Rechtliche Würdigung

Zu 1.1

Hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger beider Wahrnehmung seiner hoheitlichen Aufgaben ge-gen seine Dienstpflichten verstoßen?

Aus dem Petitionsschreiben und dem geschildertenSach verhalt könnten sich folgende Verstöße des be -voll mächtigten Bezirksschornsteinfegers ableiten lassen:

1.1.1Fehler bei der Überprüfung von Heizungsanlagennach § 26 EnEV:

Hierzu wurde bereits zur Petition 15/5536 festgestellt,dass kein Fehlverhalten des bevollmächtigten Bezirks -schornsteinfegers festgestellt werden konnte und imÜbrigen die Dämmung inzwischen verbessert wurde.

1.1.2Verzögerungen bei der Heizungsabnahme und derAusstellung eines neuen Feuerstättenbescheids:

Der Petent kritisiert, dass die Feuerstättenschau bzw.die Abnahme einer im Jahr 2014 neu installierten

Page 21: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

21

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

Gaszentralheizung in dem vom Petenten bewohntenGebäude durch den bevollmächtigten Bezirksschorn-steinfeger mit zeitlicher Verzögerung erfolgte. Es seien auch mehrere Wochen vergangen, bis schließ-lich der Feuerstättenbescheid zuging.

Die zuständige untere Verwaltungsbehörde nahm be-reits mit Schreiben vom 29. Januar 2015 auf eine dies -bezügliche Beschwerde des Petenten vom 25. Januar2015 Stellung. Daraus ergibt sich, dass sich der be-vollmächtigte Bezirksschornsteinfeger sehr wohl umeine zeitnahe Abnahme der Anfang Oktober 2014 fer-tiggestellten neuen Anlage bemüht hat, ein für alleBeteiligten passender Termin allerdings erst für den24. November 2014 vereinbart werden konnte. DieGründe, warum nach der Abnahme am 24. November2014 die Abnahmebescheinigung sowie der Feuerstät-tenbescheid erst am 31. Dezember 2014 ausgestelltwurden und die Zustellung des Feuerstättenbescheidsnach Angaben des Petenten erst am 20. Januar 2015erfolgt sein soll, lassen sich nach Auskunft der zustän-digen unteren Verwaltungsbehörde nicht mehr fest-stellen.

Obwohl im Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (Schf -HwG) keine Fristen festgelegt sind, bis wann ein Feu-erstättenbescheid nach der Feuerstättenschau zu er-stellen und zu übermitteln ist, ist der vom Petentenbeanstandete Zeitraum zwischen Feuerstättenschauund Zustellung des Feuerstättenbescheids ungewöhn-lich lang. Allerdings dürfte es sich um eine Ausnahmehandeln, da es nach Auskunft der Aufsichtsbehördebisher keine vergleichbaren Beanstandungen über dieArbeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegersgab. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerwurde von der Aufsichtsbehörde darauf hingewiesen,dass Feuerstättenbescheide unverzüglich zu erlassenund dem Eigentümer zu übermitteln sind.

1.1.3Falsche Adressierung einer Rechnung für wiederkeh-rende Arbeiten:

Die Rechnung für wiederkehrende Arbeiten im März2014 wurde zunächst an die Adresse des Petenten ge-schickt, wo die Arbeiten auch durchgeführt wurden.Auf die Beschwerde des Petenten hin wurde dieRechnung korrekterweise an den in einem Nachbarortwohnenden Eigentümer übersandt.

Bei den wiederkehrenden, im Feuerstättenbescheidfestgelegten Arbeiten wird der bevollmächtigte Be-zirksschornsteinfeger nicht hoheitlich, sondern ge-werblich tätig. Da es sich hier um keine hoheitlicheTätigkeit handelt, unterliegen die wiederkehrendenArbeiten und deren Abrechnung nicht der Aufsichtdurch die untere Verwaltungsbehörde. Sofern Rech-nungen für wiederkehrende Arbeiten nicht an den Eigentümer, sondern an den Mieter adressiert werden,stellt dies keinen Verstoß gegen die hoheitlichenPflichten eines bevollmächtigten Bezirksschornstein-fegers dar, die von der Aufsichtsbehörde geahndetwerden könnten. Entgegen der Gebührenrechnung fürhoheitliche Arbeiten, die immer an den Eigentümer zurichten ist, könnten wiederkehrende Schornsteinfeger-

arbeiten, je nach Absprache zwischen Mieter und Ver -mieter, auch vom Mieter in Auftrag gegeben werden.

Dennoch wurde der bevollmächtigte Bezirksschorn-steinfeger, nach Bekanntwerden des Vorgangs, vonder Aufsichtsbehörde darauf hingewiesen, Rechnun-gen für wiederkehrende Arbeiten immer an den Auf-traggeber zu schicken.

1.1.4Falsche Fristensetzung im Feuerstättenbescheid:

Der Petent bemängelt, dass im Feuerstättenbescheidvom 31. Dezember 2014 durch den bevollmächtigtenBezirksschornsteinfeger zunächst eine falsche Frist-setzung für die Schornsteinfegerarbeiten erfolgt sei,die erst nach Feststellung eines freien Schornstein -fegers und Eigenrecherche des Petenten erkannt unddurch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegerberichtigt wurde. Die Heizungsanlage wurde irrtüm-lich als raumluftunabhängige Gasfeuerung eingestuft,die einmal in jedem zweiten Kalenderjahr zu über -prüfen ist. Tatsächlich handelt es sich um eine Anlagemit selbstkalibrierender kontinuierlicher Regelungdes Verbrennungsprozesses, die einmal in jedem drit-ten Kalenderjahr zu überprüfen ist.

Die untere Verwaltungsbehörde nahm zu diesem Vor-wurf bereits im Mai 2016 anlässlich einer Dienstauf-sichtsbeschwerde des Petenten gegen die zuständigeSachbearbeiterin Stellung. Dem Petenten wurde mit-geteilt, dass der Sachverhalt anhand der Daten ausdem Feuerstättenbescheid geprüft und dabei keine er-messensfehlerhafte Fristensetzung festgestellt wurde.Die untere Verwaltungsbehörde weist in dem Schrei-ben darauf hin, dass die dem Feuerstättenbescheid zu-grunde gelegte technische Einstufung der Anlage aus-schließlich durch den bevollmächtigten Bezirks-schornsteinfeger unter Berücksichtigung der ihm vorOrt zugänglich gemachten technischen Anlagedatenerfolgt. Die untere Verwaltungsbehörde muss davonausgehen, dass die Einstufung der jeweiligen Anlageaufgrund der dem bevollmächtigten Bezirksschorn-steinfeger vor Ort zugänglichen technischen Informa-tionen korrekt erfolgt.

Eine fehlerhafte Einstufung sollte zwar nicht vorkom-men, kann aber auch bei einem funktionierenden Auf-sichtssystem nie völlig ausgeschlossen werden. Derbevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat sich beimEigentümer für diesen Irrtum entschuldigt und einenkorrigierten Feuerstättenbescheid zugestellt.

1.1.5Unterlassene Mängelanzeige wegen einer defektenAbzugsklappe:

Die vom Petenten bemängelte Verletzung der Sorg-faltspflicht durch den bevollmächtigten Bezirksschorn -steinfeger war bereits Gegenstand der Petition15/5536 im Jahr 2015. Aufgrund der damaligen Sach-lage wurde kein grobes Fehlverhalten des Bezirks -inhabers festgestellt, das eine Ahndung durch dieAufsichtsbehörde erforderlich gemacht hätte. Dieneuerlichen Ausführungen des Petenten, der bereits

Page 22: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

22

seit August 2013 nicht mehr Mieter dieser Wohnungist, führen zu keiner anderen Beurteilung.

Zu 1.2

Wird die Aufsicht über den bevollmächtigten Bezirks-schornsteinfeger ordnungsgemäß wahrgenommen?

Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 weist die untere Ver-waltungsbehörde eine Dienstaufsichtsbeschwerde desPetenten gegen den bevollmächtigten Bezirksschorn-steinfeger als unbegründet zurück. Die untere Verwal-tungsbehörde weist darauf hin, dass der bevollmäch-tigte Bezirksschornsteinfeger den Bezirk seit 1995 zurZufriedenheit verwaltet. Bislang wurden, außer vomPetenten, keine Beschwerden, Bedenken etc. vorge-tragen. Eine im Juli 2014 durchgeführte Kehrbuch-prüfung ergab keinerlei Grund für Beanstandungen.Für eine Kehrbezirksüberprüfung gab es bisher keinenAnlass, da die Zuverlässigkeit von der Aufsichts-behörde nicht in Zweifel gezogen wird.

Zu 1.3

Hat der Gesetzgeber bei der Änderung des Schorn-steinfegerrechts versäumt, eine funktionsfähige fach-liche Überwachung der bevollmächtigten Bezirks-schornsteinfeger einzurichten?

Nach Auffassung der Landesregierung wurde mit derÄnderung des Schornsteinfegerrechts durch die Bun-desregierung eine funktionsfähige fachliche Überwa-chung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegereingerichtet. Die bevollmächtigten Bezirksschorn-steinfeger unterstehen nach § 21 SchfHwG der zustän-digen Behörde. Zuständige Behörden sind nach § 23SchfHwG in Verbindung mit § 1 Schornsteinfeger-Zuständigkeitsgesetz die unteren Verwaltungsbehör-den. Diese können die bevollmächtigten Bezirks-schornsteinfeger hinsichtlich der Wahrnehmung derihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse und derEinhaltung ihrer Pflichten jederzeit überprüfen. BeiVerstößen kann die zuständige Behörde Aufsichts-maßnahmen in Form eines Verweises aussprechenoder ein Warnungsgeld bis zu 5.000 € verhängen.Kommt die zuständige Behörde aufgrund der Über-prüfung der Tätigkeiten des bevollmächtigten Be-zirksschornsteinfegers zu der Auffassung, dass dieserdie erforderliche persönliche oder fachliche Zuverläs-sigkeit für die Ausübung des Amtes nicht mehr be-sitzt, kommt auch die Aufhebung der Bestellung inBetracht.

Zu 1.4

Erfolgt die Vergabe von Kehrbezirken transparent,stehen diese allen Bewerbern offen oder werden be-stimmte Besitzstände gewahrt?

Die Vergabe der Bezirke erfolgt nach den in § 9SchfHwG in Verbindung mit der Ausschreibungs-und Auswahlverordnung des Landes Baden-Württem-berg (AAVO) geltenden Regeln. Danach ist das Aus-schreibungs- und Auswahlverfahren sachgerecht, ob-

jektiv, transparent und nicht diskriminierend durchzu-führen. Die Auswahl erfolgt nach Eignung, Befähi-gung und fachlicher Leistung. Die Bestellung ist aufsieben Jahre befristet, danach wird der Bezirk neuausgeschrieben. Der bisherige Bezirksinhaber kannsich erneut um den Bezirk bewerben, tritt allerdings inKonkurrenz zu möglichen anderen Bewerbern. Beiden Ausschreibungs- und Auswahlverfahren gibt eskeine Besitzstandswahrung. Die Bezirke stehen allenBewerbern offen, die die im SchfHwG bzw. in derAAVO genannten Voraussetzungen erfüllen und sichim Wettbewerb mit anderen Interessenten als der ge-eignetste Bewerber erwiesen haben. Das SchfHwGwie auch die AAVO und die Erläuterungen zur AAVO sind im Internet als Download unterwww.wm.baden-wuerttemberg.de/de/wirtschaft/aufsicht-und-recht/schornsteinfegerwesen/für alle Interessenten abrufbar.

Zu 1.5

Zum Vorwurf, die Aufsicht ermögliche keinen Wett-bewerb bei den wiederkehrenden Arbeiten und dieGebietsaufteilung gelte trotz Liberalisierung fort.

Die bisherige Gebietsaufteilung in Kehrbezirke giltnur noch für die hoheitlichen Tätigkeiten der bevoll-mächtigten Bezirksschornsteinfeger wie beispielswei-se die Feuerstättenschau oder die Bauabnahme. Damitauch künftig die Betriebs- und Brandsicherheit ge-währleistet sind und den Aspekten des Umwelt- undKlimaschutzes Rechnung getragen wird, müssen dieim SchfHwG festgelegten Pflichten der Eigentümerkontrolliert werden. Diese Kontrolle erfolgt auch nachder Reform des Schornsteinfegerrechts durch beliehe-ne Unternehmer, die bevollmächtigten Bezirksschorn-steinfeger. Hierfür wurden die Bezirke beibehalten.

Für die regelmäßigen im Feuerstättenbescheid gere-gelten Kehr-, Mess- und Überprüfungsarbeiten wurdedas Schornsteinfegerrecht seit dem 1. Januar 2013 fürden Wettbewerb geöffnet. Damit steht es den Eigen -tümern von Grundstücken und Räumen frei, für dieim Feuerstättenbescheid festgelegten Kehr- und Über-prüfungsarbeiten einen Schornsteinfegerbetrieb ihrerWahl zu beauftragen. Es gibt keinerlei Hinweise, dassdieser Wettbewerb durch die Aufsichtsbehörde in ir-gendeiner Form behindert würde.

Der für den Kehrbezirk zuständigen unteren Verwal-tungsbehörde liegen auch keine Hinweise auf kartell -artige Absprachen zwischen Schornsteinfegern vor,die einen freien Wettbewerb behindern. Sollten tat -sächlich im Einzelfall Wettbewerbsverstöße im Hand-werk festgestellt werden, wären diese, unter Angabedes Sachverhalts, an die Kartellbehörde des Landes zumelden.

3. Ergebnis

Die Prüfung hat keine Verfehlungen aufgezeigt, dieaufsichtsrechtliche Maßnahmen erforderlich machenoder gar einen Widerruf der Bestellung des bevoll-mächtigten Bezirksschornsteinfegers rechtfertigen wür -den.

Page 23: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

23

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Wacker

17. Petition 16/589 betr. Deutschlandweit gleich-wertige Abschlussprüfungen

I.

Die Petentin fordert eine sofortige Umstellung allerAbschlussprüfungen auf bundesweite Zentralprüfun-gen. Nach Auffassung der Petentin verstoßen die ver-schiedenen Anforderungen in schulischen, beruflichenund hochschulischen Prüfungen in den Ländern gegenArt. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG).

II.

Es entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgabenund der Anlage der vom Bund und den Ländern ge-meinsam beschlossenen Föderalismusreform, dass dieBereiche Bildung und Schule in die Kompetenzen derLänder fallen. Es ergibt Sinn, dass die Länder ihre je-weilige Bildungspolitik in eigener Verantwortung ge-stalten. Der Bildungsföderalismus ist ein wesentlicherBaustein der föderalen Organisation der Bundesrepu-blik Deutschland.

Art. 3 Abs. 1 GG enthält den allgemeinen Gleichheits-grundsatz („Alle Menschen sind vor dem Gesetzgleich.“). In Ergänzung dazu werden in Art. 3 Abs. 3Satz 1 GG spezielle Diskriminierungsverbote geregelt.Danach ist u. a. eine Benachteiligung oder Bevorzu-gung wegen der Heimat und Herkunft unzu lässig.

Da die ordentlichen schulischen Abschlussprüfungenin Baden-Württemberg allein an die Eigenschaft alsSchülerin oder Schüler anknüpfen, ist darin keine Dis-kriminierung gerade „wegen“ der Heimat und Her-kunft gegeben.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Wacker

18. Petition 16/608 betr. Beihilfe

I. Gegenstand der Petition

Der Petent ist Steuerbeamter im Ruhestand und damitals Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt. Er istmit der durch das Landesamt für Besoldung und Ver-sorgung Baden-Württemberg (LBV) erfolgten Ableh-nung seines Beihilfeantrages für Aufwendungen ausdem Jahre 2013 nicht einverstanden und begehrt vom

Petitionsausschuss die Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand und damit einhergehend die Gewährungvon Beihilfen.

II. Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben:

1. Sachverhalt

Mit Antrag vom 13. Februar 2016, eingegangen beimLBV am 15. Februar 2016, beantragte der Petent beimLBV Beihilfen für Aufwendungen unter anderem aus dem Jahre 2013. Ferner beantragte der Petent mitgleichem Antrag die Gewährung von Krankenhausta-gegeld wegen der Nichtinanspruchnahme von Wahl -leistungen während stationärer Krankenhausaufent-halte im Jahre 2013. Mit Schreiben vom 14. Februar2016 erläuterte der Petent seine verspätete Antragstel-lung. Mit Bescheid vom 18. Februar 2016 wurde ihmvom LBV mitgeteilt, dass sein Antrag als unzulässigabgelehnt werden muss, weil der Beihilfeanspruch inBezug auf die im Jahre 2013 entstandenen Aufwen-dungen bereits nach § 17 Absatz 10 Beihilfeverord-nung (BVO) erloschen ist. Hiergegen legte der Petentam 17. März 2016 Widerspruch ein. Mit Schreibenvom 11. November 2016 führte das LBV im Zuge desWiderspruchsverfahrens seine ablehnende Auffassungnäher aus. Der Widerspruch wurde nach Anforderungeiner klagefähigen Entscheidung durch den Petentenmit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2016zurückgewiesen.

Der Petent ist mit der Ablehnung seines Beihilfeantra-ges wegen Verfristung nicht einverstanden und be-gehrt vom Petitionsausschuss des Landtags die Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand und damit einher-gehend die Gewährung von Beihilfe. Zur Begründungführt er an, dass er aufgrund ausführlich im Rahmender Petitionsschrift nebst entsprechender Anlagen dar-gelegten und ursprünglich seit 1998 bzw. 1999 beste-henden Erkrankungen sowie sich hieraus ergebenderFolgeerkrankungen physisch und psychisch nicht inder Lage gewesen sei, fristgerecht einen Antrag zustellen. Des Weiteren sei es ihm nicht verständlich,weshalb das Land als Dienstherr so streng mit seinenBeamten umgehe.

2. Rechtliche Würdigung

Die vom Petenten begehrte Wiedereinsetzung in denvorigen Stand bezüglich der Frist des § 17 Absatz 10Satz 1 BVO zur Einreichung eines Beihilfeantragesüber Aufwendungen aus dem Jahre 2013 kann leidernicht gewährt werden. Bei der Frist des § 17 Absatz 10Satz 1 BVO handelt es sich um eine Ausschluss fristim Sinne des § 32 Absatz 5 Landesverwaltungsverfah-rensgesetz (LVwVfG), demnach eine Wiedereinset-zung in Ausschlussfristen nicht zulässig ist.

Gemäß § 17 Absatz 10 Satz 1 BVO kann eine Beihilfenur dann gewährt werden, wenn die beihilfeberechtig-te Person vor Ablauf der beiden Kalenderjahre, dieauf das Jahr der Entstehung der Aufwendungen fol-gen, einen Beihilfeantrag stellt. Bei Fristversäumniserlischt gemäß § 17 Absatz 10 Satz 3 BVO der Bei -hilfeanspruch.

Page 24: Beschlussempfehlungen und Berichte - landtag-bw.de fileLandtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810 2 1. Petition 15/5908 betr. Denkmalschutz Der Petent wendet sich gegen den

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1810

24

Beihilferechtlich entstehen Aufwendungen gemäß § 5Absatz 2 Satz 2 BVO im Zeitpunkt der Leistungser-bringung. Die gegenständlichen Aufwendungen desPetenten sind damit im Jahre 2013 entstanden, sodassdie Frist zur Einreichung eines Beihilfeantrages fürdiese Aufwendungen gemäß § 17 Absatz 10 Satz 1BVO am 31. Dezember 2015 endete. Mit Ablauf des31. Dezember 2015 ist der diesbezügliche Beihilfe -anspruch des Petenten gemäß § 17 Absatz 10 Satz 3BVO erloschen. Der Beihilfeantrag vom 13. Februar2016, beim LBV am 15. Februar 2016 eingegangen,war damit nicht mehr fristgerecht und wurde recht-mäßig vom LBV aus diesem Grund abgelehnt.

Eine vom Petenten begehrte Wiedereinsetzung in denvorigen Stand ist nicht zulässig. Aufgrund der vomVerordnungsgeber in § 17 Absatz 10 Satz 3 BVO ge-wählten Formulierung handelt es sich bei der Frist zurEinreichung eines Beihilfeantrages nach § 17 Absatz 10Satz 1 BVO um eine Ausschlussfrist. Bei Ausschluss -fristen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Standim Verwaltungsverfahren nach § 32 Absatz 5 LVwVfGnicht zulässig. Das Verwaltungsgericht Stutt gart hat inseinem Urteil vom 21. August 2008 explizit zur Fristdes § 17 Absatz 10 Satz 1 BVO ausgeführt, dass essich hierbei um eine Ausschlussfrist handelt und dieseder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu-gänglich ist. Insoweit ist auch die verfassungsrecht -liche Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht verletzt.Der Petent kannte die Frist durch vergangene Antrag-stellungen, die zum Teil an die Fristgrenze heranreich-ten oder diese ebenfalls überschritten.

Da dem Petenten der Weg in eine Wiedereinsetzungaus den zuvor genannten rechtlichen Gründen ver-wehrt ist, bedarf es nicht der Klärung, ob das Fristver-säumnis aus gesundheitlichen Gründen unverschuldetherbeigeführt wurde. In diesem Punkt ist anzumerken,dass es dem Petenten entgegen seiner Ausführungenin der Petitionsschrift zwischen 2013 und der Antrag-stellung am 15. Februar 2016 durchaus trotz der vonihm angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungenmöglich war, fristgerechte Anträge beim LBV einzu-reichen. So stellte er im Jahr 2013 insgesamt 6 Beihil-feanträge (20. Februar, zweimal am 18. April, 3. Juni,zweimal am 31. Dezember) und im Jahr 2014 einenBeihilfeantrag am 22. Dezember beim LBV, welcheauch entsprechend bewilligt wurden. Des Weiterenstellte der Petent gegenüber dem LBV nach dessenStellungnahme die Überlegung an, ob er eine anderePerson mit der Stellung von Beihilfeanträgen beauf-tragen soll, kam nach Angaben des LBV jedoch zudem Schluss, dass er dies wohl selbst schaffen würdeund sah von einer vorübergehenden Bevollmächtigungeiner anderen Person ab.

III. Ergebnis

Der Beihilfeanspruch des Petenten ist durch Frist -ablauf erloschen und eine Wiedereinsetzung in denvorigen Stand nicht zulässig.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Zimmermann

23. 03. 2017 Die Berichterstatterin:

Böhlen