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1 Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten Tagungsband des internationalen Fachkongresses vom 21./22. Januar 2003 in Saarbrücken

Bildungspässe - Machbarkeit und … · (Bremen), Hans-Peter Hochstätter (Hessen), Sabine Mayer (Nordrhein-Westfalen), Jesco Weickert (Rheinland-Pfalz), Willi Kräuter (Saarland)

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Bildungspässe -Machbarkeit undGestaltungsmöglichkeiten

Tagungsbanddes internationalen Fachkongressesvom 21./22. Januar 2003 in Saarbrücken

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

www.bildungspass.de

Die einzelnen Beiträge werden vonden jeweiligen Autoren verantwortet.

Federführung:

Ministerium für Bildung, Kultur und WissenschaftReferat G 1- Allgemeine und politische Weiterbildung -Hohenzollernstraße 60, 66117 SaarbrückenTel.: (0681) 501-7214, Fax: (0681) [email protected]/weiterbildung.htm

Konsortium:

Deutsches Institut für Internationale PädagogischeForschung (DIPF), Projektleiter: Dr. Harry NeßMitarbeiter: Dr. Ulrich Arnswald, Susanne Barth,Aklilu Ghirmai, Dr. Uwe LauterbachSchlossstraße 29, 60486 Frankfurt am MainTel.: (069) 24708 – 231Fax: (069) 24708 – [email protected]

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE)Projektleiter: Dr. Josef SchraderMitarbeiter:Markus Bretschneider, Dr. Rüdiger PreißerFriedrich-Ebert-Allee 38, 53113 BonnTel.: (0228) 3294 – 0, Fax: (0228) 3294 – [email protected]

Institut für Entwicklungsplanung und Struktur-forschung an der Universität Hannover (ies)Projektleiter: Dr. Dieter GnahsMitarbeiterinnen:Elke Sandau, Sabine Seidel, Beate SeusingListerstraße 15, 30163 HannoverTel.: (0511) 3997 – 244, Fax: (0511) 3997- [email protected]

Mitglieder der Begleitgruppe:

Ländervertreter:Dr. Alfred Lumpe (Hamburg), Claus Schroer(Bremen), Hans-Peter Hochstätter (Hessen),Sabine Mayer (Nordrhein-Westfalen),Jesco Weickert (Rheinland-Pfalz),Willi Kräuter (Saarland)

Bundesvertreter (BMBF):Klaus Uckel, Dr. Marlene Lohkamp-Himmighofen

Experten:Katrin Gutschow (Bundesinstitut für Berufsbildung),Dr. Reinhold Weiss (Institut der DeutschenWirtschaft Köln), Mechhild Bayer (ver.di), IngridSchöll (VHS des Stadtverbandes Saarbrücken)

Wissenschaftler (Konsortium):Dr. Harry Neß (DIPF), Dr. Josef Schrader (DIE),Dr. Dieter Gnahs (IES)

Der Fachkongress wurde veranstaltet und finanziertvon

- Bundesministerium für Bildung und Forschung- Europäischer Sozialfonds- Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft

des Saarlandes- Stadtverband Saarbrücken

im Rahmen des Verbundprojektes"Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellenLernens" im Programm "Lebenslanges Lernen"derBund-Länder-Kommission für Bildungsplanung undForschungsförderung (BLK)

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

1 Grußworte

Minister Schreier ......................................................................... Seite 5Michael Burkert ........................................................................... Seite 6Klaus Luther ................................................................................ Seite 7

2 Einleitung .................................................................................. Seite 9

3 Hauptreferate

3.1 Assessment and recognition of non-formal learning in Europe.Main tendencies and challenges (Jens Bjørnåvold, EU) ..................... Seite 10

3.2 Stand und Perspektiven zur Einführung einesWeiterbildungspasses in Deutschland (Harry Neß, DIPF) ................... Seite 22

4 Arbeitskreis 1: Intentionen und Funktionen von Bildungspässen

4.1 Einführung (Markus Bretschneider, DIE / Rüdiger Preisser, DIE) ......... Seite 30

4.2 National Vocational Qualifications (England, Wales) und„TRANSFINE“ (Patricia Davies, Großbritannien) ................................ Seite 32

4.3 Schweizerisches Kompetenz-Management Modell undintegrierte Instrumente (Anita Calonder-Gerster, Schweiz) ................. Seite 35

4.4 Kommentierte Berichterstattung(Ingrid Schöll, VHS Stadtverband Saarbrücken) ................................ Seite 40

5. Arbeitskreis 2: Bewertung und Zertifizierung

5.1 Einführung (Sabine Seidel, ies) ...................................................... Seite 44

5.2 Fachstelle UND Familien- und Erwerbsarbeit für Männerund Frauen, Bern (Elisabeth Häni, Schweiz) ..................................... Seite 45

5.3 Anerkennung und Zertifizierung kompetenzbasierterQualifikationen im finnischen Berufsbildungssystem(Pentti Yrjölä, Finnland) ................................................................. Seite 49

5.4 Feststellung, Bewertung und Zertifizierung von Kompetenzen alsHinführungsstrategie zum Lebenslangen Lernen(Arminda Coutinho da Silva, Portugal) ............................................. Seite 53

5.5 Kommentierte Berichterstattung(Annemarie Gerzer-Sass, Deutsches Jugendinstitut) ......................... Seite 56

Inhalt

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6 Arbeitskreis 3: Akzeptanz und Implementierung

6.1 Einführung (Uwe Lauterbach, DIPF) ................................................. Seite 59

6.2 Schweiz (Philipp Gonon, Uni Trier) ................................................... Seite 62

6.3 Dokumentation und Zertifizierung von informellem undnon-formalem Lernen in Frankreich (Werner Zettelmeier, Frankreich) .. Seite 64

6.4 EVC in the Netherlands (Tijs Pijls, Niederlande) ................................ Seite 67

6.5 Zertifizierung informellen Lernens: Strukturen und Erfahrungenin England und Wales (Thomas Deißinger, Uni Konstanz) ................. Seite 72

6.6 Südtiroler Bildungspass und KOM(petenzen) PASS(Gerlinde Haller, Italien) ................................................................. Seite 77

6.7 Erfassung und Bewertung von Berufskenntnissenin Österreich (Johannes Steinringer, Österreich) ............................... Seite 81

6.8 Kommentierte Berichterstattung (Sonja Brunner, ZDH) .................... Seite 84

6.9 Bildungspass kritisch gesehenaus Sicht des Handwerks (Sonja Brunner, ZDH) .............................. Seite 86

7 PodiumsdiskussionZusammenfassung (Markus Bretschneider, DIE) ............................. Seite 87

8 Schlusswort ............................................................................... Seite 91

9 Anhang

Kurzdarstellung der BildungssystemeFinnland ...................................................................................... Seite 92Frankreich ................................................................................... Seite 94Großbritannien (England und Wales) ............................................... Seite 96Niederlande ................................................................................. Seite 97Schweiz ....................................................................................... Seite 99

Teilnehmerliste ............................................................................. Seite 101

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Sehr geehrte Damen und Herren,

seien Sie herzlich willkommen, hier im wohl europä-ischsten Teil Deutschlands, dem Saarland. Wir fei-ern zeitgleich zu diesem Kongress das 40-jährige Ju-biläum des Deutsch-Französischen Freundschaftsver-trages. Ich freue mich, dass auch dieser internatio-nale Fachkongress im Saarland stattfindet, hier imschönen Saarbrücker Schloss.

Sie haben sich zusammengefunden, um die Mach-barkeit und Gestaltungsmöglichkeiten eines Bildungs-passes für alle zu diskutieren; angesichts von über200 Bildungspass-Initiativen in Deutschland ein wahr-haft großes und notwendiges Vorhaben.

Dabei geht es auch um Fragen zur Zertifizierbarkeitinformellen Lernens. Es sind meines Erachtens ganzwesentliche Fragen, die selbst in einem Bereich an-stehen, der von starken Traditionen geprägt ist, näm-lich dem Schulbereich.

Auch deshalb bin ich sehr gespannt auf Ihre Dis-kussionsergebnisse und den Fortgang dieses Ver-bundprojektes.

Die Vorhaben, die sie heute und morgen diskutie-ren, stehen vor dem Hintergrund, das lebenslangeLernen zu fördern. Der Fokus von Bildung wurde inder Vergangenheit zu sehr auf Schule, Ausbildungund Hochschule gerichtet, weniger darauf, was da-vor und danach geschieht. Ich bin der festen Über-zeugung, dass der Weiterbildung und der Verknüp-fung der verschiedenen Bildungsbereiche ein stärke-res bildungspolitisches Gewicht zukommen muss.

Ein Beispiel:Ich habe erstmalig in Deutschland einen Vertrag miteiner externen Einrichtung geschlossen, der Sprach-prüfungen im Weiterbildungsbereich mit Sprach-prüfungen an unseren Schulen gleich setzt. Es han-delt sich dabei um die Sprachprüfungen bei den zen-

tralen Abschlussprüfungen zum Mittleren Bildungs-abschluss. Und: Wir ermöglichen damit - bundes-weit erstmalig - eine externe Evaluation im Schul-bereich.

Das ist ein erster, aber auch ein ganz wichtiger Schrittauf dem Weg zu einheitlichen und damit vergleich-baren Qualitätsstandards über die verschiedenenBildungsbereiche hinweg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist kein Zufall, dass gerade das Saarland die Feder-führung über das Länder-Verbund-Projekt “Weiter-bildungspass” übernommen hat. Die Ziele, die mitdiesem Vorhaben verbunden sind, decken sich mitunserem politischen Bestreben.

Wir Politiker brauchen die Zuarbeit von Experten undWissenschaft, um den Fortschritt unserer Gesellschaftbesser gestaltend begleiten zu können.Wir benötigen Sie und Ihre Erkenntnisse.

Ich danke Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben,den Fortgang dieses Projekts mit Ihrem Wissen zubereichern.

Mein Dank geht aber auch an das Bundesbildungs-ministerium und die Europäische Union, die diesenKongress und das Gesamtvorhaben ermöglicht ha-ben.

Das neue Jahr hat erst begonnen, so dass ich Ihnenan dieser Stelle viel Glück und Erfolg nicht nur fürdiesen Kongress, sondern auch für Ihr persönlichesund berufliches Leben wünschen darf.

Ich hoffe, Sie haben noch Gelegenheit, etwas vondem Flair unseres Landes mit nach Hause zu neh-men.

Jürgen SchreierMinister für Bildung, Kultur undWissenschaft des Saarlandes

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich darf Sie auch im Namen des StadtverbandesSaarbrücken ganz herzlich im Saarbrücker Schlossbegrüßen.

Der Stadtverband ist mit seiner Volkshochschule eineder größten Weiterbildungseinrichtungen des deut-schen Südwestens. 70.000 Unterrichtsstunden,20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, über 1.500Kurse und Veranstaltungen pro Semester verdeutli-chen dies. Im größten Fachbereich, den Sprachen,ragen besonders die Prüfungsangebote im BereichDeutsch als Fremdsprache und in Englisch heraus.Keine andere Bildungseinrichtung kann so viele Spra-chen und internationale Abschlüsse vorhalten.

Die volkshochschuleigene EDV-Schulung bietet mitmodernster Ausstattung und flexiblem zeitlichen An-gebot vom Aufbaukurs bis zum Netzwerkkoordinatorein breites Spektrum an Qualifizierungsmöglichkeiten.Neben der beruflichen Weiterbildung sieht die vhsaber auch ihre Aufgaben darin, in den BereichenGesundheit und Freizeit, Politische Bildung, Kultur undgrenzüberschreitende Begegnungen eine Palette vonKursen anzubieten, die sowohl informativ als auchpräventiv und konstruktiv zur Lebensgestaltung an-regen und beitragen wollen.

Vor circa drei Jahren ist hier im Saarland unter Mit-wirkung der Volkshochschule die Idee eines bundes-weit gültigen Bildungspasses entstanden. Sie wurdezuerst herangetragen an Herrn Klaus Luther vom Bun-desministerium für Bildung und Forschung, den ichhier ganz herzlich begrüße, dann mit dem saarländi-schen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissen-schaft in die Bund-Länder-Kommission für Bildungs-planung und Forschungsförderung als erstes Grund-satzpapier eingebracht. Dort wurde das Konzept, nachanfänglich längerer Diskussion, als eines von zweibundesweiten Modellprojekten umgesetzt. So ergab

es sich, dass das Saarland als Projektträger fungiertund auch die heutige Konferenz zur Zwischenbilanzan diesem Orte tagt.

Bildungspässe gibt es in vielen europäischen undaußereuropäischen Ländern, das macht auch dieAnwesenheit der geladenen Experten hier in Saar-brücken deutlich. Auch in Deutschland selbst ist derBildungspass nicht unbekannt. Aber es ist bislangnoch nicht gelungen, ein Instrument zu entwickeln,dass von allen, von der allgemeinen wie der berufli-chen Bildung gleichermaßen akzeptiert, gut angenom-men, gut verteilt und gut vermarktet wird.

Im Zeitalter des lebenslangen Lernens benötigen wiraber „Ermutigungsinstrumente“. Denn auch die Eu-ropäische Union hat in den letzten Jahren in zahlrei-chen Dokumenten immer wieder darauf hingewie-sen, dass das lebenslange Lernen gefördert werdenmuss und dass geeignete Instrumente zur Förderungentwickelt werden müssen.

Der Bildungspass kann und sollte ein solches Ermuti-gungsinstrument werden. Er kann und soll helfen,die Menschen motiviert auf das lebenslange Lerneneinzustimmen. Nicht jedem ist wohl beim Gedankenan lebenslanges Lernen, nicht alle wissen, ob das,was sie lebenslang an Lernstoff in sich aufnehmen,zum einen richtig ausgewählt und zum anderen rich-tig dokumentiert ist. Zur Auswahl richtigen Lernensbrauchen wir Lernberatung und zur überzeugenden,im besten Sinne einfachen, das heißt einfach zu-gänglichen und einfach handhabbaren Dokumenta-tion des Wissens brauchen wir einen Bildungspass.

Den sollte der aufstiegsorientierte Facharbeiter ge-nauso in der Tasche haben wie die junge Frau, dieihren Schulabschluss nachholt und jetzt weitere Lern-anstrengungen unternimmt.

Michael BurkertPräsident desStadtverbandes Saarbrücken

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Ein gut dokumentierter und nur über verlässlicheBildungsträger weiter gegebener Bildungspass ist füruns, als großer Schul- und Weiterbildungsträger, da-her gegenwärtig ein wichtiges Instrument - ich wie-derhole mich - zur Ermutigung.

Weit mehr als sechs Millionen Menschen besuchenjedes Jahr die Kurse der deutschen Volkshochschu-len. Gerade unsere Volkshochschule, die in einerRegion arbeitet, in der wir auch viele Bildungsferneund Bildungsbenachteiligte zu integrieren haben, kannein solches Instrument bestens brauchen. Nicht nurfür unsere vhs, sondern für den Stadtverband mitallen seinen Bildungseinrichtungen wünsche ich da-her dem Projekt einen guten Verlauf und freue michauch, dass das Saarbrücker Schloss Ihnen eine hof-fentlich gute Atmosphäre bietet, um „kleine Meilen-steine“ in dieser Frage zu setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte zunächst Herrn Minister Schreier und demLeiter des Bund-Länder-Verbundprojekts, Herrn Kräu-ter, ganz herzlich für die Einladung nach Saarbrü-cken und für die Vorbereitung und Durchführung die-ser wichtigen Konferenz danken.

Dem Hausherrn dieser wunderbaren Tagungsstätte,Herrn Burkert, gilt als Nächstem der Dank, dass wirim Schloss tagen dürfen. Sie haben in Ihrer Begrü-ßung auf die Genese des Projekts hingewiesen. Ichmöchte dies noch etwas ergänzen: Dem Gesprächmit Frau Schöll, das tatsächlich einen entscheiden-den Anstoß für dieses Projekt gegeben hat, gingenBeratungen im Lenkungsausschuss des Modell-programms „Lebenslanges Lernen“ der BLK voraus.

Der Bildungspass sollte einem umfassenden, integra-tiven Bildungsbegriff Rechnung tragen: Das heißt, ersoll helfen - und dies ganz offensiv - die Integrationvon allgemeiner und beruflicher Bildung zu fördern.Nur Menschen, die imstande sind, beide Bereiche inihre Bildungsbiografie zu integrieren, sind langfristigin der Lage, als Mitglieder dieser Gesellschaft nichtnur einen ökonomischen Beitrag zur Sicherung ihrereigenen und unserer gemeinsamen Existenz zu lei-sten. Wer mit Themen wie Ökologie, Gesundheit oderFriedenspolitik nicht souverän und selbstbewusst um-gehen kann, der kann beruflich noch so erfolgreichsein. Da fehlt etwas.

Deutschland zeichnet sich durch ein flächendeckendgut ausgebautes Bildungswesen aus. Sicherlich gibtes Problembereiche, denken wir nur an PISA, an diedamit verbundenen Folgen für die Gesellschaft, aberauch für die Weiterbildung.

Klaus LutherUnterabteilungsleiter"Weiterbildung,Lebenslanges Lernen"im Bundesministeriumfür Bildung und Forschung

Dort – wie auch in der Konzertierten Aktion Weiterbil-dung und im Ausschuss Fort- und Weiterbildung derKMK sowie einer ad hoc-Arbeitsgruppe zum BMBF-Aktionsprogramm „Lebenslanges Lernen für alle“ derBLK - haben wir erörtert, zu welchen weiteren wichti-gen Themen noch Klärungsbedarf besteht.

Wir haben seinerzeit drei oder vier Felder identifiziert,und zwar das Projekt „Weiterbildungspass“, zunächstdavon getrennt und dann in dieses Projekt integriertdie Anerkennung informell erworbener Qualifikatio-nen, sowie das „Qualitätstestierungsprojekt“, das fe-derführend von Schleswig-Holstein betreut wird. Dasgroße Themenfeld „Individuelle Finanzierung und Stär-kung der Eigenverantwortung“ haben wir, da die Zeit

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

für ein Modellprojekt 1999/2000, als wir darüber imLenkungsausschuss berieten, noch nicht reif zu seinschien, zunächst zurück gestellt. Hierzu hat die Bun-desregierung im Herbst 2001 eine Expertenkommis-sion eingesetzt, die Mitte des vergangenen Jahresihren Zwischenbericht vorgelegt hat und die ihre ab-schließenden Empfehlungen bis zum Ende diesesJahres erarbeiten wird.

Wir haben auch die Form der Einzelmodellvorhabenverlassen und uns entschlossen, zu den genannntenThemen jeweils sogenannte Verbundprojekte zu star-ten, an denen möglichst gleich alle Länder aktiv be-teiligt sind. Dies, so unsere Überlegung, kann denÜbergang in die breite Umsetzung erleichtern. Dasmuss auch in den Feldern geschehen, in denen einenationale – oder sogar von vornherein europäische –Lösung von der Sache her geboten erscheint. Ichdanke daher den Ländern für ihre Bereitschaft zurZusammenarbeit, auch mit dem Bund.

Ich danke weiter dem Konsortium von DIPF, DIE undies, das sich gemeinsam dieser schwierigen Aufga-benstellung angenommen hat und das natürlich aucherst einmal Formen der Zusammenarbeit im Teamentwickeln musste.

Ich danke der Europäischen Union für das Interesseund für die hälftige Mitfinanzierung auch dieses fürdie Weiterentwicklung unserer Bildungsstrukturenwichtigen Vorhabens aus Mitteln des EuropäischenSozialfonds.

Dieses Verbundprojekt ordnet sich ein in eine inGrundzügen bereits sichtbare, in Ansätzen auf ver-schiedenen „Baustellen“ konkretisierte, in einigenTeilen sogar bereits ziemlich weit in die Fläche ge-hende Strategie der Verwirklichung lebensbegleiten-den Lernens für alle.

Eine kohärente Strategie auf diesem komplexen, dabildungsbereichsübergreifenden, die Zuständigkeitenaller Verantwortungsträger im Bildungsbereich berüh-renden Feld zu entwickeln - daran erinnert uns im-mer wieder die Europäische Gemeinschaft. Ich binüberzeugt, dass wir mit den eingangs erwähnten Pro-jekten und einer Reihe weiterer Projekte und Pro-gramme tatsächlich auf einem guten Weg der Zu-sammenarbeit voran gekommen sind.

Zu diesen Projekten gehören die Verbesserung derInformation und Beratung, auch im Zusammenhangmit der Umsetzung der Empfehlungen der Hartz-Kom-mission zur Einführung von Gutscheinen und zur Qua-

litätssicherung für Träger der beruflichen Weiterbil-dung, die Erhöhung der Transparenz – hierzu habenwir eine sogenannte Meta-Suchmaschine in Auftraggegeben, die alle verfügbaren Datenbanken benut-zerfreundlich verknüpfen soll – und das Bund-Län-der-Programm „Lernende Regionen - Förderung vonNetzwerken“. Hinzu kommt eine ganze Reihe von For-schungs-, Entwicklungs- und Modellvorhaben zu ei-ner neuen Lehr- und Lernkultur in allen Lebens- undArbeitsbereichen.

Hervorheben möchte ich, dass auf allen diesen Fel-dern die Zusammenarbeit zwischen Bund und Län-dern, Ländern und Bund sehr konstruktiv und kolle-gial ist. Dies ist – zusammen mit der engagiertenEntwicklung von Handlungsempfehlungen, Problem-lösungen und Analysen der Auswirkungen durch dieProjektnehmer – eine wesentliche Voraussetzung fürdas Gelingen aller unserer Vorhaben. Diese müssenallerdings auch untereinander auf Schnittstellen undWechselwirkungen hin abgeklopft werden, was dieSuche nach einer kohärenten Strategie nicht leich-ter macht.

Ich will es mit diesen Hinweisen auf den Rahmen, inden unsere Konferenz sich einfügt, belassen. Ich freuemich, dass eine ganze Reihe von Ihnen – nationaleund vor allem ausländische Expertinnen und Exper-ten – der Einladung zu dieser Fachtagung gefolgtsind. Hierfür möchte ich Ihnen herzlich danken.

Wie soll es nach dieser Tagung weiter gehen? Zu-nächst werden die Ergebnisse ausgewertet werdenmüssen. Dann wird das Konsortium seinen Berichtüber die Auftaktphase abschließen. Im Beirat wirddas Rahmenkonzept für die nächsten Etappen aufdem Weg zur breiten Umsetzung in der BLK zu ent-wickeln sein. Wir wollen diese Tagung nutzen, um zuklären, wo wir stehen, was noch bedacht werden mussund wie der Prozess der Durchführung gestaltet wer-den kann. Den Übergang von der Vorbereitungs- zurDuchführungsphase müssen wir uns vielleicht weni-ger als einen einmaligen Akt, sondern vielmehr alseinen gleitenden Prozess mit sich allmählich verän-dernden Arbeitsaufträgen, Meilensteinen und „Pro-dukten“ vorstellen.

Diese Tagung hat daher eine zentrale Funktion fürdie Klärung der Möglichkeiten und Wege zur Doku-mentation von Lernleistungen im formalen und infor-mellen Bereich, auch im europäischen Rahmen. Ichwünsche der Tagung einen guten Verlauf.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

2 Einleitung

Diese internationale Tagung dient in der Abschluss-phase des Forschungs- und Enticklungsauftrages zurMachbarkeit eines Weiterbildungspasses und derSichtbarmachung informeller Kompetenzen dazu, dienational und international gewonnenen Forschungs-ergebnisse mit Experten aus Deutschland, Finnland,Frankreich, Großbritannien (England und Wales), Ita-lien (Südtirol), Niederlande, Österreich, Portugal undder Schweiz zu diskutieren. Forschungsergebnisse vonCEDEFOP (Europäisches Zentrum für die Förderungder Berufsbildung der EU in Thessaloniki, Griechen-land) werden mit berücksichtigt.

Die deutschen Teilnehmer konzentrieren sich auf dreifür die Einführung des Weiterbildungspasses zentra-le Gruppen, nämlich

· die Zielgruppen von Weiterbildungspässen,insbesondere Vertreter von Unternehmen undVerbänden sowie Bildungseinrichtungen,

· die für die Rahmenbedingungen Verantwort-lichen, wie Vertreter von Bund und Länder inder „Begleitgruppe“ und

· die Mitarbeiter des „Konsortiums“, also dieVertreter der drei Forschungseinrichtungen:DIPF, DIE, ies.

Folgende Fragen sind von besonderem Interesse:

- die langjährigen Erfahrungen mit unterschiedlichenAnsätzen der Zertifizierung informeller und non-for-maler Bildung und der Verbindung zum formalenBildungs- und Berufsbildungssystem (Frankreich);

- die Verbindung von informell und non-formal er-worbener Bildung mit dem formalen Bildungswesen,insbesondere der beruflichen Bildung (Niederlande);

- die Nutzung der informell und non-formal erwor-benen Kompetenzen für die Qualität der Bildungs-standards und besonders der Qualifikationsstandardsberuflicher Bildung (Finnland);

- die beispielhafte Einführungsstrategie für einenBildungspass (Italien, Südtirol);

- die besonderen Verfahren zur Zertifizierung infor-

meller und non-formaler (beruflicher) Bildung und dieVerbindung dieser Zertifikate mit Abschlüssen desformalen (Berufs-) Bildungssystems (Großbritannien,Schweiz, Finnland, Niederlande);

- die Nutzung der Verfahren zur Zertifizierung infor-meller und non-formaler (beruflicher) Bildung für dieEntwicklung des formalen (Berufs-) Bildungssystems(Großbritannien, Portugal);

- die Einführung von Bildungspässen in Ländern mitvergleichbaren politischen Rahmenbedingungen(Schweiz, Österreich).

Neben diesen mehr systemischen Fragestellungenwerden einzelne Themen-Brennpunkte, die einenBildungspass berühren, aufgegriffen, wie

· der Übergang Schule-Arbeitswelt,

· die Reintegration von Frauen nach derFamilienpause in den Arbeitsmarkt,

· die Förderung der Qualifikationsprofile undlebenslanges Lernen,

· die Förderung der Chancengleichheit (sozial,ethnisch, gender),

zumal diese Themen bildungspolitisch im Brennpunktaller beteiligten Länder stehen.

Die Arbeitskreise werden mit Hauptreferaten vorbe-reitet. Jens Bjørnåvold von der EU-Kommission (Ge-neraldirektion Ia) gibt einen Überblick über die inter-nationalen und supranationalen Erfahrungen unterbesonderer Berücksichtigung der Situation in der Eu-ropäischen Union. Dr. Harry Neß skizziert die Ergeb-nisse der Machbarkeitsstudie.

Es folgt die Diskussion in den drei Arbeitskreisen:

Arbeitskreis 1:Intentionen und Funktionen von Bildungspässen;

Arbeitskreis 2: Bewertung und Zertifizierung;

Arbeitskreis 3 : Implementierung und Akzeptanz.

Die Ergebnisse der drei Arbeitskreise werden von dreiBerichterstatterinnen in die abschließende Podiums-und Plenums-Diskussion „Machbarkeit eines Weiter-bildungspasses aus deutscher und internationalerSicht“ eingebracht.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

*) By non-formal learning we address the learning outsideformal education and training. An important part of this isthe unplanned learning that takes place as a part of otheractivities, in work, at home etc. Another important part isthe planned learning taking place as a part of work andother activities, but not formally recognised within thesetting of the education and training system. It is thusimportant to emphasise that non-formal learning is not asimple substitution of the term informal learning; butcovering a broader field of activities

being underlined at European level. Avoidingunnecessary repetitions is an important part ofthis. It is argued that individuals should startformal training at a level reflecting their actualcompetences, not exclusively on the basis offormal qualifications. The new approaches canthus support more flexible education, training andlearning careers, making it possible for people tobetter afford education and training. It canfurthermore be argued that the new metho-dologies and systems for recognition of non-formal learning are important in a symbolic sense;any learning, in school and elsewhere, is of valueand will potentially be rewarded in some form oranother.

The two arguments are not contradictory, but arguesthe same case from somewhat different angles(macro and micro, system and individual). To judgewhether these arguments are mereley rhetorical orwhether they are linked to real world changes requiresa more detailed elaboration of the assessmentinitiatives as such.

Assessments have traditionally been understood asa way of judging and/or measuring the learning andperformance of individuals within formal educationand training settings (Little and Wolf 1996, Airasian1991). Following the growing attention towardslearning taking place outside formal education andtraining institutions, this traditional role is currentlyundergoing substantial change. The tasks faced by anew generation of assessments are very different fromthose faced within formal education. Instead ofoperating within a (relatively speaking) limitedinstitutional context where learning goals and formshave been (more or less) pre-defined, assessmentsof non-formal learning have to face a vast variety oflearning forms and outcomes. An activity whereactivities previously defined as “work”, “hobbies” and

3.1 Assessment and recognition ofnon-formal learning in EuropeMain tendencies and challenges

Jens BjørnåvoldEU-Kommission, Brüssel

1. INTRODUCTION

The majority of Member States of the European Unionare in the process of developing and implementingmethodologies and systems for the identification,assessment and recognition of non-formal learning*(Bjørnåvold 2000). Two main lines of argument arefrequently encountered in favour of these initiatives,linked to realising lifelong learning systems on theone hand and motivating individual learners on theother hand.

· The lifelong learning argument underlines theimportance of linking together different forms oflearning in different areas at different stages oflife (European Commission 2001). Setting upcost-effective and high-quality assessmentinstruments is presented as an important part ofa ‘system’ enabling learning throughout life. Inorder to give individuals due credit for learning atwork as well as school, in voluntary organisationsas well as formal training, - methodologies forthe ‘measurement’ of competences becomescrucial. Flexible individual learning careerspresupposes some sort of ‘common language’or ‘common currency’ making it possible toaccumulate diverse learning outcomes (Laur Ernst1999, 2000).

· The potential role played by validation of non-formal learning in motivating individual learners,and in particular adult learners, is increasingly

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

“family life” are being redefined as “learning”* .

In order to understand the developments at Europeanlevel, a limited number of cases will be presented inorder to capture and exemplify these developments.These have been chosen according to the geogra-phical and institutional level they are operating onand according to their “owners” - who are they actuallyserving? This enables us to discuss whether we facea fundamental change of methodological directionor merely a prolongation of already existing approa-ches. The discussion of the cases will also make itpossible for us to address the two main argumentsfor validation of non-formal learning presented above,- have recent initiatives in this field led to more flexiblesystems and better motivated individuals?

2. EUROPEAN APPROACHES TO ASSESSMENT

OF NON-FORMAL LEARNING

The issue of identification, assessment and recog-nition of non-formal learning is commonly treated asexclusively linked to national and public level (Klarus1998, Bjørnåvold 1999, 2000 op.cit.), reflecting theactive role of national and public authorities (Ministriesof Education and Ministries of Labour). This is toonarrow a focus. Both through the presentation of theWhite Paper on “Teaching and learning” in 1995,the Leonardo da Vinci and Socrates programmes(1995-), the Communication on lifelong learning(2001) and the agreement on a set of concreteobjectives for European education and training(2002), the European dimension of the issue hasbecome more apparent. In addition to this, andsometimes supported through European programmes(Bjørnåvold and Pettersson 2000), initiatives atsector, branch and enterprise level have added tothe complexity and richness of the matter. While theseinitiatives share an interest in assessing learningoutside formal education and training, aims andinstruments vary.

Assessment approaches can thus be sortedaccording to the level they operate from. A methodo-logy designed to operate from a European level must

necessarily be different from one operating atnational, sector or enterprise level. While facing someof the same problems in terms of reliability andvalidity, economic and organisational constraints willdiffer substantially. The new generation of assess-ments can furthermore be sorted according to control,who are setting the terms. The bulk of methodologiesproposed and developed at national level during thelast 5-10 years have been closely integrated into theformal education and training systems, making itpossible to earn a formal certificate (partly orcompletely) through the recognition of non-formallearning. Often presented as a more flexible approachto education and training, the main empha-sis is stilldirected towards the established formal qualifications,only those parts of the non-formal learning definedas relevant within this setting are recognised. Acontrast is offered by methodologies defined withina labour market or enterprise setting. In these casesfocus is not on formal qualifications, as defined bythe education and training system, but on identi-fication of competences relevant in the context ofindividual careers (within or between enterprises) orin the context of human resource management.

While systems linked to formal education hasdominated, at least in terms of actual implementation,the number of approaches linked to labour market/enterprises seems to be growing. This will be furtherelaborated in the sections below.

2.1 Assessments on the terms of formaleducation and training; integrating“external” knowledge

In several European countries individuals, on the basisof their non-formal learning, are given the right totake part in ordinary tests and assessments adminis-tered by formal education and training. In these cases,assessment and testing methodologies have beendeveloped within the setting of formal education andtraining systems and are used on competencesacquired outside the formal systems, at work andelsewhere. The German (Cedefop, Collingro et.al.,1998) and the Norwegian systems (Cedefop,Pape,1999), illustrate these approaches well.

The “Externenprüfung” has been a permanent ele-ment of the dual system for decades. This test pro-vides experienced workers the right to take part inthe final craft examination (Abschlussprüfung) to-gether with those having followed the ordinary routethrough the dual system. As indicated, the “Externen-

*) A positive interpretation would be that this gives accessto a huge reservoir of knowledge and competence onlymarginally and unsystematically “tapped”. A negativeinterpretation would be that this is an intrusion of mea-suring and testing into social areas until now only marginallyaffected by such techniques.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

prüfung” provides access to a test, it does not provideany independent methodology aimed at the identifi-cation and assessment of the specific experiences.In this respect, the “Externenprüfung” is designedaccording to the content, principles and structure ofthe formal pathway. The competences acquiredoutside the formal system, irrespective of howdifferent they are from those produced in the formalsystem, have to be presented and restructured (bythe candidate) according to the principles of theformal system. Approximately 5 percent of exami-nations within the German system are annually basedon the ‘Externenprüfung’.

In Norway, a candidate may take a final examinationfor apprentices (crafts examination) on the basis ofhis/her practical work experience. This arrangementwas introduced as early as 1952 in the Act concerningvocational training. The Section 20 of this Actstipulated that “the craft examination may be takenwithout any contract of apprenticeship by those whohave not less than 25% longer general practice inthe craft, than the period of apprenticeship”. Duringthe 1970s and 1980s the utilisation of the schemewas moderate while it exploded during 1997-98.Approximately, 14.000 candidates attended in eachof those years out of a cohort of approximately60.000. This means the double for a “normal year.”The popularity reflects the relatively low level of formaltraining in certain areas and the general pressuretowards formalising qualifications, for wages andsecurity of employment reasons. The Norwegianexample illustrates the motivational role to be playedby assessment. Without the excemption from formaltraining provided by the Section 20 arrangement, itis reason to believe that a substantial proportion ofthe group would not have completed their apprentice-ship.

In both countries, these tests and assess-ments are controlled by the formal education andtraining system. The systems are looked upon asnecessary links between the non-formal and formalsystems. Parallel arrangements can be found in mostEuropean education and training systems. To whichextent they are used varies, however, considerably.

2.2 Linking education and work; assessmentin performance- and output-based sys-tems of education and training

Although controversial at home, the United KingdomNational Vocational Qualification system has been

instrumental in drawing attention to assessment ofprior and non-formal learning. This is closely linkedto the emphasis on output or performance, -it doesn’tmatter how or where you have learned, but what youhave learned (Eraut 1996). Instead of treating non-formal learning as a residual factor to be integratedinto the formal system in a flexible way, a performancebased system should in principle treat these differentforms of learning as equals. This requires that all formsof learning can be judged in a proper way, underliningthe critical role of assessment tools in this kind ofeducation and training approach. During the 1990s,and partly influenced by the NVQ-system, severalEuropean countries have introduced performancebased systems for vocational education and training.What is important to underline is that there exist nosuch thing as a common European model. Countrieshave learned from each other and partly moved inthe same direction, but clearly tailored approachesaccording to national conditions and needs.

This is illustrated by resent Dutch reforms ineducation and training, including assessment of non-formal learning. Dutch approaches in this field canbe traced back to 1993 when the Ministry ofEducation set up a commission on Erkenning Verwor-ven Kwalificaties” (EVK). In a report “Kwaliteitenerkennen” (“Recognise Qualities”), this commissionrecommended the development of such a system.Based on substantial experimentation in a numberof sectors (Cedefop, Klarus et.al. 2000), a procedurehas been developed: A candidate wishing to havehis or her non-formal learning recognised must firstgather all available documentation in a portfolio(formal certificates, statements from employers,examples of work carried out). This documentationis compared with the requirements in the nationalqualification structure and a decision on partialqualifications may be reached. This portfolio isfollowed by a practically oriented assessment aimingat formal certification. The methodology is centredon a practical task to be solved and consists of threedistinct stages: the planning, the execution and theevaluation. It illustrates the strong dialogue-characterof the approach; success relying on formal proceduresand descriptions as well as on the abilities andexperiences of the assessors.

The assessments are linked to the qualifi-cation structure introduced in1996 through theEducational and Vocational Training Act (WEB). TheDutch qualification standard is based on job and taskanalysis and can be characterised as enterprisedriven. The social partners take part at all levels, in

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the definition of the standards.

The challenge related to the formulation ofstandards is crucial to the introduction of newassessment approaches. Standards must not onlybe broad enough to cover the wide range of learningoutcomes potentially addressed through the assess-ment, they must also be sufficiently precisily formula-ted to assure a reliable assessment. This issue, inassessment theory referred to as the problems of“criterion” and “domain referencing” (Popham 1978,Black 1998) have been faced by all the differentcountries trying to develop and implement systemsfor the assessment and recognition of non-formallearning. Black describes the challenge as : “Thedefinition of a domain can only be adequately specificif it can express the boundaries, both of the contentand of the ways in which this content is to be expres-sed, or manipulated or put to use by a candida-te.”(Black, op.cit., p.65). Black comments that thewider the domain, the more difficult becomes theassessment task. This applies of course fully to thenew outcome and performance based systems foreducation and training where the definition ofqualification domains (part-qualifications and/ormodules) is a crucial and sometimes controversialpart of the exercise.

Sweden is another country where this challen-ge of standards have been encountered. Swedishauthorities have been working on a national systemfor validation of non-formal learning since 1998. Sofar, the curricula of upper secondary education(Gymnasieskolan) have been introduced as the mainreference point for assessments. This have made itpossible to initiate immediate and extensiveexperimentation at local and regional level. There’s agrowing concern, however, that the educationcurricula is too narrow too cover the variety ofcompetences developed outside formal education(OECD 2001). A worst case scenario is that importantlearning outcomes are excluded because they arenot foreseen and envisaged by formal education. Arelated problem encountered by the Swedes is thatof ‘similarity’ versus ‘equivalence’: Should competen-ces developed outside formal education be ‘similar’to those developed inside. If this is not the case,how can the term ‘equivalent’ be rendered opera-tional? This question has also been asked in theNorwegian setting where the aim is to establish anational system for validation of non-formal learningduring the next few years. In contrast to Sweden,the Norwegian experimental activities work along twomain lines; one set of projects linked to formal

education and training, one linked to working life.This, it is hoped, will provide a better basis for boththe development and the use of competence stan-dards. An interesting part of the Norwegian experi-mentation is the integration of validation into highereducation. Since 2000 several thousand individualhave had their competences assessed in relation tostudies in higher education and universities. Morethan 3000 have so far been accepted. An evaluationconducted 2000 indicatres that these candidatesperforms well and in many cases better than studentsfollowing the traditional, academic route (NIFU 2002).Sweden is currently working on parallel approach,signalling that all levels of education and traininggradually could be covered. So far main focus hasbeen on vocational qualifications provided at uppersecondary level, this may change, not least due tothe positive experiences referred to above.

The discussion on standards illustrates anumber of core questions faced trying to open upformal education and training to the wider world.Should formal education and training alone set theterms for this opening up, and if no, in which wayshould others be involved? And furthermore, how canwe avoid that standards unnecessarily narrow downthe range of learning oucomes deemed relevant inan assessment situation. An important motivation forintroducing assesment of non-formal learning in thefirst place is to make better use of the wide variety oflearning taking place outside formal education andtrain ig; standards should not be formulated in sucha way that the scope of competences deemed rele-vant is unnecessarily reduced .

2.3 Career and labour market orientedassessment: the Bilan de competence

In France, the Bilan de competence is a rightstrengthened through the Law of December 1991. Itstates that employees are entitled to educationalleave (24 hours or 3 working days) for an assessment.The aim is to permit the employee to understand hisor her professional and personal competences,motivation and aptitudes to facilitate their professionaland educational plans and careers. Individuals arenot assessed “against” national qualificationsstandards of vocational education and training. Thefocus is rather on the labour market and theenterprises. The user of the Bilan should, trough theconfrontation with the occupational context (thecontext of the enterprise or the labour market ingeneral) and his or her own abilities, be enabled to

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make occupational priorities, make better use of ownstrengths in career developments. In general makemaximum use of own resources” (Drexler 1997,p.229).

The Bilan has a formative role: To give feedback tothe employer or employee on his/her competence inorder to support further learning or career develop-ment. More than 700 organisations and institutionshave been accredited as “centres de bilan”. Theprofile and professional basis of these organisationsvary strongly. As a consequence, the methodologicalapproach varies. In general, there is a first preliminaryinterview to clarify the motivation and needs of theemployee and to present the procedures andmethodologies of the Bilan. The voluntary characterof the process is emphasised. Secondly, motivation,personal and professional interests as well as personaland professional competencies are analysed andmapped out. Finally, the results of the analyses arepresented to the candidate and used as a basis fordialogue on future training and career plans. To acertain extent this part of the process may becompared to occupational guidance, though basedon a stronger basis of information on thecompetences of the individual in question. A synthesisdocument is established. It remains the property ofthe candidate.

The Bilan de competence does not aim at formalrecognition of competences according to a qualifi-cation standard. This makes it distinctly different fromthe systems presented above. The main referencesare individuals and enterprises. If we use summativein the sense of “summative for the accountability tothe public” (Black 1998), the summative role of theBilan is weak. This is not, however, a role it is suppo-sed to play in the French system.

We find parallels to the Bilan in a number of Europeancountries. An exampleoutside the EU is Switzerlandwhere the French experiences inspired the settingup of validation systems in parts of the country. Anexample of this is the Centre de bilan Geneve startingits work in 1993. A 5-stage approach is used,resulting in a final report where strengths/weaknessesare summarised along with a set of education and /or employment objectives (Garcia 2001).Recent Swedish reforms in adult education andtraining (The Adult Education Initiative/Kunnskap-slyftet) have introduced ‘holistic’ approaches toguidance where assessments play an important role.An interesting example is provided by the municipalityof Gothenburg where a number of (previously frag-

mented) guidance services have been linkedtogehther within an overarching framework (OECD2001, op.cit.). The aim is to develop guidance andcouncelling according to individual needs, an appro-ach requiring advanced assessment methodologies.As in the French case, the approach is formative,providing feed-back to the councellors and the indivi-duals themselves. This can then be used as basis forfuture education, training or employe-ment, in somecases also as a basis for summative assessmentleading to exemption from formal courses or modules.

2.4 Sector and branch driven approaches toassessment

There are clear indications that sectors and branchesare becoming more active in identification and assess-ment of competences. The focus on non-formallearning is often explicit and there is a tendency toinitiate work across national borders, focusing on thesector and the branch rather than the nation. Inmany cases EU programs like Leonardo da Vinci andSocrates have provided funding for experimentationin this field (Bjornavold and Pettersson 2001). Acommon feature of many of these experimentalprograms is that they explicitly refer to the need tomake better use of learning outcomes acquiredoutside formal education and training, in particularat the workplace, and that this is seen as anintegrated part of their overall strategy on competencedevelopment.

A very interesting example of this wish tobroaden the competence base is the project promtedby the French Chambers of Commerce and Industryin the period 1999-2000. Using the proceduresdefined by the “European Accreditation”* through the‘European Norm EN450134** , an effort has beento develop assessment an approach independent offormal education and training. It is argued that theEN45013 makes it possible to establish a clear andtransparent process for assessments. The aim is toensure that the interests and viewpoints of all involvedparties are reflected, illustrated through three mainprinciples: The representation of all interested parties,the separation of training and certification and theassessment and certification by third party.

**) “Standards for bodies operating certification ofpersonnel.”

*) An association consisting of private and semi-publicaccreditation bodies from the EEA countries.

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The paradoxical character of existing nationalsystems is, according to Colardyn, (1999) the mainreason why an independent system for the assess-ment and recognition of non-formal learning is neces-sary. While education and training systems have beenmade more flexible through the opening up towardsnon-formal learning, - the reference point is still formaleducation and training: “…recognition of learning iscompletely linked to the content of diplomas …individuals and in particular adult and experiencedworkers not interested in passing an additionaldiploma can not get their prior learning or experiencerecognised.” (Colardyn, op.cit., p.4)

The objective of the Chambers has been todevelop a methodology and a system for theassessment and recognition of what an individual canactually do in a work situation, independently of anyteaching setting. It aims to capture the results ofvarious learning processes undergone by an individualin a working environment. To achieve this, an indepen-dent certification body, the “Association for thecertification of vocational competences” has beenset up. The various chambers are represented in thegoverning board and in order to include all involvedparties (employers and employees) a “Committee forcertification” has been set up. All elements concerningthe assessment process, including assessmentstandards and proofs, has to be submitted to thiscommittee.

Standards consist of a definition of the com-petences (which domain is covered, which are theelements) and a list of examples of possible proofs,-extracted from the work situation in enterprises. It isinteresting to note that the proofs, although collectedin single enterprises differing considerably from eachother, tend to appear again and again. As it is said:“The nature of the proofs extracted from the worksituation contribute to support the idea that certifiedcompetences are transferable from one work situationto another.” (Colardyn, op.cit., p.11)

Assessments of non-formal learning must bebased on a high degree of transparency; all stepstaken must be clearly communicated to all partici-pants. The work of the French Chambers of commerceand Industry are valuable by touching upon theproblem of reliability. Due to the heterogeneity of theindividual learning experiences encountered, tradi-tional criteria for reliability are difficult to apply. Anapproach providing transparent procedures andsystematic quality assurance at all level and in allstages may, however, counteract this weakness.

An initiative by the Federation of Norwegianmanufacturing Industries (FAFO 2002) can also serveas an example of a sectoral initiative. In the period1999-2001 21 enterprises took part in an experimen-tation where the purpose was to develop and test asystem for documentation of Realkompetanse (thetotality of competences acquired through formal, non-formal and informal learning). The objective was tocreate a system ‘..that is so simple that it is askedfor and so precise that it is sufficient….’. The systemshould also show what people can do, not what heor she lacks or is unable to do. A computer basedtool was eventually developed consisting of two mainparts. A first part gives an overview over formaleducation and training that has been certified insome form. Filling in this part is the responsibility ofthe individual. A second part gives an overview overcompetences aqcuired in the present job. The mainchallenge of the project was to develop the secondpart. To simplify the procedure, and to address theproblem of transferability, lists of predefined conceptswas introduced (developed through a joint work ofemployers and employees). To a certain extent theapproach can be seen as an complex CV if it not hadbeen for the principle of co-signing by employer andemployee. A consensual principle is thus introducedinto the process; the profile must be accepted asvalid by those involved.

The approach does not place the com-petences into a system of levels or relate them tostandards, neither does it enter into an assessmentof the content quality of the competences in question.The question of social competences raised consi-derable controversy; following discussions it wasdecided to not address social ccomepetences likeco-operation, attitudes etc. While acknowledging theimportance of these competences, a majority ofproject participants feared subjective assessmentsbased on personal preferences and disliking.

An important principle introduced into thesystem is that both the individual employee and theemployer should have an interest in updating thedescription. This requires simplicity and a closeintegration of the tool into the work organisation. Theimportance of this last point has been demonstratedby other approaches (linked to human resourcedevelopment, ‘Gap-analyses’ etc.) where updatinghas been obstructed by the complexity of the me-thodologies introduced.

In a survey covering partyicipating enterprises,20 out of 21 enterprises want to continue. 8 out of

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10 employees are satisfied with the methodology.Currently (2002/2003) it is being debated how andwhether this enterprise and sector based system canbe linked into the national system for validationcurrently being set up in Norway.

As the two examples have shown, Initiativesat sector and branch level may prove decisive inpromoting validation of non-formal learning. They mayalso prove importanin Actors at this level are normallyclosely linked to competence developments in theirown area, noticing the need to support learningprocesses irrespectrive of their institutional setting.It is interesting to note that validation of competences(understood in a broad sense as encompassinglearning outcomes from formal, non-formal andinformal learning) has been accepted as a first priorityby the European social partner associations in acommon statement Spring 2002.

2.5 Enterprise internal methodologies for theassessment of competences

Most managers would not immediately look uponidentification, assessment and/or recognition of non-formal learning as directly relevant to their day to dayactivities. However, while the vocabulary might beunknown, efforts to identify and measure employees’skills are common and well known. In the setting ofhuman resource and quality management, tools for“competence measurement” in some form or anotherare of crucial importance. Without an overview overthe actual competences held in an enterprise, asystematic improvement becomes impossible. Theinstruments used in order to achieve this informationcover a broad scope, ranging from traditionalpersonnel files (containing information on formaleducation and former experience) to sophisticatedtechniques for testing and self-assessment. Theexchange of experiences between “the school(s)” ofhuman resource management and the “school(s)”of assessment has not been systematicallydeveloped. With a few exceptions we talk of closedsystems kept apart by solid walls of mutual suspicion.

In 1993, Mercedes Benz (now; Daimler Chrysler)announced a plan to build a new car manufacturingplant in Alabama (United States), an area charac-terised by weak industrial traditions, with few peopleskilled in car building. The enterprise faced a basicchallenge: to recruit good workers in a situation whereactual competences had been developed in totally

different contexts. Traditional information on know-ledge and competences, diplomas and certificates,were of limited value in this situation. A total of60.000 people applied for 900 available jobs. Thequestions related to the measurement and theirvalidity relative to the requirements of production. Inco-operation with the University of Alabama, a com-prehensive process covering 12 different assessmentstages was designed and developed “from scratch”.The basic objective was to find “gene-ralists able tolearn”. The assessment task was thus focused onattitudes, abilities to communicate, appro-aches toproblems rather than predefined, non-disputableareas of knowledge. The case illustrates that there isa limit to the degree of simplification and standar-disation introduced in assessment methodologies.The approach puts a strong focus on learning abilitiesand learning context. These elements can not becaptured through standardised and automated testsalone, but require tailored solutions able to reflectthe uniqueness of individual learning experiences andcompetences.

Research supported by Cedefop (Bauer, forthcoming2002 and Ward, Blunkett, forthcoming 2002)illustrate that the Mercedes Benz case is not unique.But while the Mercedes approach concentrated onrecruitment, other enterprises (like BMW) tend to givehigher priority to the role of assessments in theproduction process as such, and in particular on thelink between assessment-instruments and qualitymanagement. The BMW-case (Bauer, op.cit.)illustrates that we only to a limited degree talk ofdevelopment and implementation of one single, har-monised methodology or approach. Plants and de-partments have so far developed specialised toolslinked to specific functions (training, quality manage-ment, production management, wages/promotion).An exception is the ‘portfolio-approach’ introducedin the entire BMW-group where individual workersare assessed. The aim is to ‘assess the performanceand potential of the individual’ and the process islinked to annual ‘talks’ where the the responsiblemanager and the worker him/herself takes part. Theprocess is based on a ‘Mehr-Augen-Prinzip’ (severaleyes principle) where all those directly involved withthe person in question have to give their opinion onissues related to personal attitudes towards companyand work, professional competences as well asmanagement and teamwork competences. Clearresponsibilities have been defined for the worker aswell as for the management and the annual ‘talk’ isprepared through preparatory talks where the

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programme, an evaluation of its progress mid 1998was made and concludes that in several respects ithas been successful. The evaluation emphasised thatthe ECDL has a defined purpose and a defined targetgroup and is clearly meeting a need. There is a clearsyllabus specifying the knowledge and skills to beassessed (although more work is needed on thispoint). The option to use two versions of the test isjudged as sensible, and gives the possibility of servingsmaller groups with particular needs. The relativesuccess of the ECDL, based on a clear definition ofthe domain to be assessed and an efficient institu-tional structure, may inspire itiatives taken in otherareas.

The question is, however, whether the deve-lopment of a multitude of assessment methodologieslimited to narrow tasks and technologies will providea better solution than the development of generalmethodologies at national (or even European level)?

The ability to define the boundaries of thedomain to be tested has been presented (Blackop.cit,) as a prerequisite for reliable and valid testing.Can the example of the ECDL, and other task ortechnology specific approaches, clearly havingfollowed this principle, give rise to a “bottom up”approach to the identification, assessment andrecognition of non-formal learning? This would leavethe developments of assessment-methodologiespartly outside the control of public authorities, and inparticular outside the control of formal education andtraining. It might be argued that approaches like theECDL only operate in “the periphery” of the hugereservoir of competences developed through non-formal learning. It might also be argued that the ECDL,and other related projects, are addressing areas whichcan be easily measured in an almost objective way(as true or false). Such a criticism implies that crucialcompetences, for example related to communication,cooperation and problem solving, remain invisible.Finally, there is a question of how to link thesespecialised tests together, how to support transfer-ability between different sub-domains.

During 2000 and 2001 efforts have been made bythe European Commission (DG Employment) tointegrate the ECDL-approach into the so calledeLearning action plan (European Commission 2000).

employee can provide an input, for example in theform of self assessments.

This illustrates our introductory point that assessmentis being pursued by enterprises, but not necessarilyunder the same heading as those used in the publicsphere and by education and training systems. Boththe Mercedes and the BMW-approaches illustratesthat private businesses are prepared to developcomplicated and resource/time consuming approa-ches to be able to identify and assess the competen-ces of their cuurrent or potential employees. An impor-tant feed-back (for example in Bauer, op.cit.) is thatvalidity is a big problem. Assessments will in manycases be too subjective as they (in practise) will bebased on judgements of one single manager. In caseswhere this bias is acknowledged, like the BMW-portfolio approach, the complexity of the proceduremakes it difficult to integrate it properly in the day today running of production.

A preliminary conclusion is that there is no single orsimple methodological solution to the assessmentneeds of enterprises. To be of any use, rathercomplicated processes of dialogue and observationseems to be required, in some cases supplementedthrough tools for self-assessment and tools forstandardised testing within particular areas.

2.6 Task and/or technologyspecific assessment approaches

At the European level, the catalogue of Leonardo daVinci projects provides us with an interesting list ofefforts to assess competences linked to specific tasksor technologies. These are in some cases linked tothe needs of enterprises, other cases not. The“European computer driving license” (ECDL) is anexample of this, partly implemented by enterprises(notably Volvo), partly an instrument promoted atEuropean level (as a part of the conclusions of theEU Lisbon-summit in 2000).

The idea of a computer driving license origi-nated in Finland in 1988. The scheme was introducedin 1994 and the ECDL-foundation was set up in1997. A computer driving license is awarded tocandidates who pass tests in 7 modules. One of themodules test theoretical understanding of the issue,while the remaining six assess the practical abilitiesto use different types of software (operating systems,word processing and spread sheets). As the ECDL ispartly financed through the Leonardo da Vinci

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An issue only marginally touched by the WhitePaper (indirectly through the reference to a common‘framework’), and even less by the experimental pro-jects themselves, is that of legitimacy and acceptan-ce. Assessments, irrespective of the validity andreliability achieved, are worthless unless they aretrusted by individuals users and accepted by thelabour market, relevant educational institutions etc.This applies in particular to approaches operating atEuropean level, highlighting the question of whoshould ‘stamp’ the document resulting from theprocess and whether already accepted European,national or sectoral standards could be used? Thequestion of legitimacy is inter-linked with the level ofvalidity and reliability of the tests/assessments andhas clearly not been achieved in all the experimentalprojects conducted so far.

Some of these problems can be linked to lackof clarity in the original aims of the projects. A majorproblem lies in the choice between summative(leading to a certificate, a course or a job) andformative (aiming at feed back in order to improvelearning) assessment approaches. The question ishow to embed such methodologies and technologiesinto an appropriate legal, institutional and organisatio-nal framework. So far, efforts have suffered from whatwe may term a technological/instrumental bias. Whileit makes sense to look into the potential of expertsystems and automated assessment solutions, basicconcerns related to the aim (summative or formative),quality (reliability and validity) and legitimacy (legaland political integration) of the assessments inquestion should not be overlooked.

3 COMMON CHALLENGES

The seven different approaches presented aboveillustrate that assessment of non-formal learning cannot be treated as a singular challenge to be solvedby one spesialised tool, but should rather be lookedon as broad field of activity requiring a diverse set ofmethodological and institutional solutions.

In the different cases we have seen all known variantsof testing and assessment methodologies used. Fromcomputer assisted fixed response (multiple choice)methodologies in the personal Skills Card experimen-tation to authentic work based assessment involving

2.7 A European approach to validation?

Although not made operational, the proposal fromthe European Commission to introduce a EuropeanPersonal Skills Card (European Commission 1995,1996, 2000b) may serve as a suitable starting point.This because it has stimulated the debate onvalidation of non-formal learning and because it hastriggered a substantial amount of experimentalactivity. The idea was to develop and introduce aninstrument able to assess and recognise formally aswell as non-formally acquired knowledge and know-how. Areas like “core knowledge”, “vocational/technical knowledge” and “key skills that cut acrossdisciplines” were introduced as potential referencepoints for this exercise. It was envisaged that a rangeof user-friendly validation software packages (acces-sible on the internet) would make a large scale, EU-wide approach possible. The aim was not to create asingle European test covering all core areas, but toestablish a common framework where a multitude ofinstruments could be utilised.

The idea of a PSC has influenced European debatesand developments. The large scale experimentationinitiated by the EU Leonardo da Vinci and Socratesprogrammes from 1995 onwards, can partly beviewed as a reflection of the original PSC-idea(Bjørnåvold, 2000, p.146)* . Even though someinteresting results have been introduced, thisexperimental activity has also uncovered theweaknesses of this approach. In reports fromindependent evaluators (Ward, Guildford EducationalServices 1998, Cullen et.al. 1997) it is concludedthat it as generally difficult to develop computer-delivered tests that are valid and reliable to a numberof different contexts and countries at the same time.Even when an agreed common core is identified, thetest questions must be ‘localised’ (‘contextualised’)to take into account the differing conditions in thevarious countries. Furthermore, the challenge ofestablishing common reference points and properdefinitions of the competence domains, have notbeen fully solved. Properly functioning software aswell as an administrative infrastructure supporting thetests were also factors not satisfactorily met by theprojects**.

*) The European Computer Driving lisence, see discussionin chapter..., was partly developed within thisexperiemental framework and can to a certain degree beseen as a concrete result of the Personal skills card idea,but within a much more limited area.

**) 18 different projects were selected to follow up theidea of ‘automated assessment’, belonging both to theLeonardo da Vinci and the Socrates programme.

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choice) tests. The question is how (and which specifickind of) reliability which should be sought in this newdomain. Is it possible to envisage reliability based onoptimal transparency of the assessment process aswell as on the implementation of systematic qualityassurance at all levels and in all functions. Theexperimentation conducted by the French Chambersof Commerce are interesting in this context, empha-sising the importance of procedures for quality assur-ance and quality control. This kind of thinking hasnot been given much priority in the various approachesto assessment of non-formal learning, a deficit whicheventually may threaten the legitimacy of the approa-ches as such.

3.3 Validity

The highly contextual and (partly) tacit character ofnon-formal learning complicates the quest for validity.There is an acute danger of measuring somethingelse than what is intended. The main thing is to avoida distorted picture of the candidate and the domainand to strive for authenticity. An intriguing questionis whether the new methodologies are workingaccording to content or construct validity. In the firstcase the objective would be to represent a preciselydefined task in the best possible way. In the secondcase the objective would be to capture someconstructed entity, for example key qualifications,communicative skills or co-operative abilities? Asthese are theoretical constructs rather than empiricalentities, assessments must be based on indirectevidence. As we indicated in chapter three, the searchfor key-qualifications is indeed an important part ofthe exercise. In the same way as intelligence testinghas become subject to close scrutiny (what is theentity “intelligence”), constructs like key-qualificationsand communicative skills should become subjectsto the same constructive criticism. This is necessaryin order to achieve sufficient validity.

3.4 Standards

The reference or “standard” is a key-issue, forassessment of formal as well as non formal learning.While norm referencing (using the performance of agroup/the population as point of reference) has notbeen seriously discussed in the context of assessingnon-formal learning (due to the diversity of thecompetences in question), the issue of criterion ordomain referencing lies at the heart of the matter.The definition of boundaries of competence domains(the size and content) and the ways competencescan be expressed within this domain is of critical

planning, observation and evaluation in the Dutchcase. The German and Norwegian cases combineperformance assessments with traditional essay typetesting while the Computer Driving License lean hea-vily on closed response assessments. The Bilan decompetence exemplifies an approach where thewhole range of traditional testing methodologies arecombined in various ways, depending on the institu-tion in charge. Compared to the state of art of testingand assessment in formal education and training (seeBlack 1998 op.cit.), the focus on non-formal learninghas (so far) not lead to major methodological inno-vations. The complexity of the task has, however, ledto innovative combinations of methodologies whicheventually may prove valuable. The complexity of thetask has also drawn attention to fundamentalquestions of assessment quality. The following four‘quality’ questions are relevant to all the sevenapproaches listed above. These can be used as pointsof departure for a systematic development of highquality instruments in this field.

3.1 Functions

Which functions are to be fulfilled by the newmethodologies (and institutional systems) foridentification, assessment and recognition of non-formal learning? Do we talk of a formative role wherethe instruments and tools are used to guide thelearning processes of individuals and enterprises ordo we talk of a more limited summative role wherenon-formal learning is tested for possible inclusioninto the setting of formal education and training? Ordo we talk of a summative role where accountabilityis at stake, focusing on the utilisation of competenceresources at various levels? The purpose of theassessments, in the non-formal as well as in theformal domain, is decisive for the methodologicalchoices to be made and for the ultimate success ofthe exercise. As illustrated in our discussion, thesefunctions are not always clearly separated. In manycases we see a wish to combine the formative andsummative roles, the European Personal Skills Cardbeing a good example of this. A successful develop-ment of methodologies and systems in this areaimplies that these functions are clearly understoodand combined/separated in a constructive andrealistic way.

3.2 Reliability

The diversity of the learning processes and learningcontexts makes it difficult to achieve the same kindof reliability as in standardised (for example multiple

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learning is firmly established as a political priority atEuropean level.

BIBLIOGRAPHY

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importance. The wider the area, the greater is thechallenge involved in designing authentic assessmentapproaches. It is also a question if the purpose is totest a minimum performance or whether a precisemarking of different levels of performance is sought?Assessment of non-formal learning can not succeedwithout the development of these reference points.This leads us in many ways back to the question offunctions to be fulfilled; do we want to give feed backto learning processes or do we want to produce proofs(papers of value). Both purposes are highly legitimateand useful, the setting up of reference points will,however, differ considerable according to thepurposes selected.

4. CONCLUSION

The seven assessment cases presented aboveillustrate that European developments indeed aremoving fast ahead. The attention towards non-formallearning has increased dramatically during the lastfew years. While experimental activity still is dominant,more and more countries move towards actual, full-scale implementation of methodologies and systems.

Current initiatives at European level, and notably inthe recently adopted Communication on Lifelonglearning, recognises the need for systematic qualitydevelopment and assurance. It is underlined that thiscan not take place through a top down standardisationor harmonisation process, but have to be based onvoluntary exchange of experiences and systematicmutual learning. The Communication states that aEuropean system for systematic exchange ofexperiences will be set up during 2002 and that thisshould be used as a basis for the development ofhigh quality approaches not only at national, but alsoat sector, branch and enterprise level. TheCommunication acknowledges that national systemsfor validation of non formal learning play a particularlyimportant role by linking formal and non-formallearning. A strengthened policy on non-formal learningwill therefore depend on initiatives in this field andas it is said (p.18): ‘Member States are encouragedto provide the appropriate legal framework toimplement more widely the identification, assessmentand recognition of non-formal and informal learning.Member States should consider an individual rightto assessment’.

The signal sent by the Communication is importantin the sense that the development of methodologiesand systems for the assessment of non-formal

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

3.2 Stand und Perspektiven zurEinführung eines Weiterbildungs-passes in Deutschland

Dr. Harry Neß, DIPF

Vorbemerkungen

Im Rahmen des BLK-Modellversuchsprogramms „Le-benslanges Lernen“ wurden die beiden BLK-Verbund-projekte „Qualitätstestierung in der Weiterbildung“und „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informel-len Lernens“ als länderübergreifende innovativeProjektlinien entwickelt, die aufbauend auf eine ein-jährige Forschungs- und Entwicklungsphase in einevierjährige Erprobungs- und Evaluationsphase mün-den sollen. Nach einer EU-weiten Ausschreibungwurde im BLK-Verbundprojekt „Weiterbildungspassmit Zertifizierung informellen Lernens“ ab April 2002ein Konsortium mit einer Machbarkeitsstudie beauf-tragt. Das Konsortium besteht aus dem DeutschenInstitut für Internationale Pädagogische Forschung(DIPF/Frankfurt), dem Deutschen Institut für Erwach-senenbildung (DIE/Bonn) und dem Institut fürEntwicklungsplanung und Strukturforschung an derUniversität Hannover (IES/ Hannover). Finanziert wirddas Projekt aus Mitteln des BMBF und des ESF. DieFederführung für elf Bundesländer (Bayern, Berlin,Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklen-burg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) übernahm dasSaarland.

Die Machbarkeitsstudie wird zum 31. März 2003fertiggestellt sein. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sindwesentliche Ergebnisse gewonnen worden, die eineanschließende Erprobungsphase als empfehlenswerterscheinen lassen. Sie werden in den nachfolgen-den Ausführungen näher erläutert und zu einemRahmenkonzept verdichtet.

I Ausgangslage

Spätestens mit den Beschlüssen von Lissabon undNizza des Europäischen Rats und des EU-Bildungs-ministerrats aus dem Jahr 2000 ist mit dem „Me-morandum über lebenslanges Lernen“ der Wirt-schaftsraum der EU um den Aspekt des Bildungs-raums als Grundlage für eigene Wettbewerbsfähig-keit im internationalen Maßstab erweitert worden.Eine der sechs zentralen Botschaften ist die Neu-bewertung des Lernens, im Besonderen auch die

Der hier abgedruckte Beitrag ist eine Fortschreibungdes Vortrages von Dr. Neß durch das Konsortium* undentspricht im Wesentlichen dem von der Begleitgruppebeschlossenen Rahmenkonzept des Verbundprojekts.

Zertifizierung von non-formalen und informellen Lern-prozessen. Der zuletzt genannte Aspekt wird nocheinmal verstärkt mit dem Kommissionspapier „Makingan European Area of Lifelong Learning a Reality“ vomNovember 2001. Dort wird einer (Neu-) Bewertungdes Lernens Priorität eingeräumt. Darüber hinauswerden konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Dazugehören Forschungsarbeiten, Erfahrungsaustauscheund neue Instrumente der Kompetenzerfassung. Die-se Position wird durch den EU-Ratsbeschluss vomJuni 2002 und dem Brügge-Prozess weiter akzentu-iert und bekräftigt. Die EU hat des weiteren Initiati-ven eingeleitet, die der Koordinierung auf europäi-scher Ebene dienen (z.B. TRANSFINE, TechnicalWorking Group/TWG).

Diese europäische Diskussion findet ihre Entspre-chung auch auf der nationalen Ebene. So heißt esim Aktionsprogramm der Bundesregierung „Lebens-begleitendes Lernen für alle“, dass „Verfahren zurMessung und Bewertung individueller Kompetenz-entwicklung – auch in informellen, selbstorganisier-ten Lernprozessen – erarbeitet werden“ sollen. U.a.sollen „Netzwerke, in denen alle Bildungsbereichezusammenarbeiten, gemeinsam die Zertifizierungselbstgesteuerter Lernerfolge für externe Bewerber/innen entwickeln und erproben.“

Im Kontext dieser nationalen, internationalen undsupranationalen Diskussion wird versucht, Fragen zumlebenslangen Lernen und der Kompetenzerfassungzu beantworten. Hervorzuheben sind in diesem Zu-sammenhang diverse Aktivitäten auf EU-Ebene (Eu-ropäischer Lebenslauf, Computerführerschein, Euro-päisches Sprachenportfolio, Europass-Berufsbildung).Diese Maßnahmen greifen auch in Deutschland undbeeinflussen bzw. beschleunigen die hiesige, auf dieWahrnehmung und Anerkennung non-formaler undinformeller Bildung gerichtete Debatte.

Deutschland liegt in dieser Diskussion im europäi-schen und weltweiten Vergleich sowohl bei der theo-retischen Fundierung, bei der Setzung von politischenRahmenbedingungen als auch bei der Erprobung bzw.

*) Beteiligte Wissenschaftler: Dr. Harry Neß, Dr. UlrichArnswald, Susanne Barth, Aklilu Ghirmai, Dr. Uwe Lauter-bach, Dr. Josef Schrader, Markus Bretschneider, Dr.Rüdiger Preißer, Dr. Dieter Gnahs, Elke Sandau, SabineSeidel, Beate Seusing.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

praktischen Umsetzung nicht an der Spitze. Dies liegtvor allem darin begründet, dass durch das deutscheBerufsbildungssystem ein hoher Grad von Forma-lisierung erreicht ist, der in anerkannten Zertifikatenseinen Niederschlag findet. Dieses weithin akzeptierteSystem hat den Handlungsdruck für die Dokumenta-tion insbesondere von informellen Lernprozessen undden dabei erreichten Lernleistungen vergleichsweiseniedrig gehalten. Es wächst jedoch die Sensibilitätund das Problembewusstsein für diesen bildungspo-litischen Komplex. Mit der Erprobung bzw. Einfüh-rung von Bildungspässen unterschiedlichen Zu-schnitts sind erste wichtige Schritte zur Umsetzungentsprechender Konzepte unternommen worden.

II Befunde und Konsequenzen aus derMachbarkeitsstudie

Das Konsortium hat in einem differenzierten For-schungsprozess die Möglichkeiten zur Einführung ei-nes Weiterbildungspasses in Deutschland untersucht.Im Zentrum haben dabei eine Bestandsaufnahme be-reits vorhandener Bildungspässe im In- und Auslandsowie auf EU-Ebene und eine Zusammenschau be-trieblicher und außerbetrieblicher Erfahrungen bei derDokumentation und Sichtbarmachung informell er-worbener Kompetenzen gestanden. Zudem sind eineReihe von Gesprächen mit Experten aus unterschied-lichen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. Sozialpart-ner, Großbetriebe, Wissenschaft) geführt worden, umdie Rahmenbedingungen und die Akzeptanz eines zukonzipierenden Bildungspasses abzuklären. DiesemZiel diente auch eine internationale Fachkonferenzam 21./22. Januar 2003 in Saarbrücken. Als zen-trale Ergebnisse lassen sich festhalten:

II/1 Passaktivitäten

Die durchgeführten Recherchen haben 225 Hinwei-se auf konkrete Bildungspässe bzw. Passaktivitätenergeben, die sich auf 48 im Gebrauch befindlicheBildungspässe in Deutschland beziehen. In Deutsch-land werden derartige Instrumente seit ca. 1995 undverstärkt seit 1997 entwickelt und in Verkehr ge-bracht. Eine Ausnahme ist der inzwischen wieder ein-gestellte Weiterbildungspass des Bundesinstitutes fürBerufsbildung aus dem Jahre 1974.

Die Entwicklung dieser in den neunziger Jahren ent-standenen Bildungspässe hat ihren Ursprung in In-itiativen von Betrieben, Verbänden, Kommunen oderstaatlichen Einrichtungen, die sich auf lokaler, regio-naler, überregionaler, nationaler oder inter- bzw. su-pranationaler Ebene bewegen und infrastrukturell

entweder durch Angliederung an bestehende Einrich-tungen oder aber durch gänzlich neu geschaffeneInstitutionen verankert sind.

Ihre Vielfalt dokumentiert sich zunächst in einer Fül-le unterschiedlicher Bezeichnungen. Die Recherchenim deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz,Österreich, Südtirol) haben aktuell 90 unterschiedli-che Benennungen ergeben.

Die deutschen Passaktivitäten sind durch eine Aus-richtung auf gesellschaftliche Zielgruppen anhand vonLebensphasen oder Lebensbereichen gekennzeich-net, welche auch die Zusammensetzung der unter-stützenden Akteure wesentlich mitbestimmen. Hierlassen sich mehrere Bereiche voneinander trennen:

· der Bereich des Übergangs zwischen Schule undBeruf (hierunter fallen schulische und ausbil-dungsbezogene Pässe – z.B. Aktiv-Pass Osna-brück, Berufswahlpass des Programms Schule-Wirtschaft-Arbeitsleben),

· der berufliche Bereich, der in einen betrieblichen(z.B. VW-Qualifizierungspass, IT-FührerscheinAUDI) und einen überbetrieblichen Bereich (Nach-weisheft der Bundesfachschule Kälte-Klima-Tech-nik, Bildungspass der Zentralvereinigung medizi-nisch-technischer Fachhändler, Europass Berufs-bildung) unterteilt werden kann,

· der ehrenamtliche Bereich (z.B. Hamburger Frei-willigenbuch, Sprungbrett Ehrenamt, Landesnach-weis Ehrenamt NRW),

· der private Bereich (z.B. Familienbilanz des Deut-schen Jugendinstitutes, Europäischer Computer-führerschein, Europäisches Sprachenportfolio).

· Es gibt aber auch Bildungspässe, welche dieserSystematik nicht eindeutig zuzuordnen sind, z.B.der QualiPass Baden-Württemberg, der sowohldem Bereich des Übergangs zwischen Schule undBeruf als auch dem ehrenamtlichen Bereich zu-geordnet werden kann.

Die Anzahl der Bildungspässe aus den Bereichen„Übergang Schule-Beruf“, „Beruf-betrieblich“, „Be-ruf-überbetrieblich“ und „Ehrenamt“ ist in etwa gleichgroß. Fasst man die betrieblichen und überbetriebli-chen Bereiche zusammen, so machen Bildungspässeaus dem Bereich „Beruf“ (d.h. im Wesentlichen: ausdem Bereich Arbeitsmarkt) etwa 50 % aller vorhan-denen Bildungspässe aus. Gemessen an dieser Zahl

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

kommt Bildungspässen im privaten Bereich nur einegeringe Bedeutung zu.

Entsprechend den unterschiedlichen Bereichen wer-den unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. Ganzallgemein lässt sich feststellen, dass der beruflicheAkzent im Regelfall stark ausgeprägt ist, d.h. die ein-gesetzten Bildungspässe dienen häufig dem Einstieg,Wiedereinstieg oder Verbleib auf dem ersten Arbeits-markt. Daher lässt sich festhalten, dass zumindestdie Entstehung vieler Bildungspässe eng mit Re-Integrationsproblemen in den Arbeitsmarkt verbun-den ist, während Fragen der Aufstiegsorientierung eineuntergeordnete Rolle spielen.

Die in Deutschland vorliegenden Ansätze zur Erfas-sung und Bewertung von non-formal und informellerworbenen Kompetenzen zeichnen sich ebenfallsdurch eine große Heterogenität aus. Manche Bil-dungspässe werden ausschließlich zur Erfassung vonKompetenzen eingesetzt. Es existieren aber auchBildungspässe, die an den Schritt der Kompetenzer-fassung anknüpfen und eine anschließende Kompe-tenzbewertung zum Gegenstand haben. Die Syste-me zur Erfassung können sich entweder an vorgege-benen Kompetenzlisten orientieren, dann lassen siesich als geschlossene Systeme bezeichnen. Oder abersie orientieren sich nicht an einem vorgegebenen Ra-ster, dann kann man von offenen Systemen spre-chen. Beispiele für

1. geschlossene Kompetenzerfassung: z.B.Qualifizierungspass (BBJ);

2. offene Kompetenzerfassung (im ehrenamtli-chen Bereich erfolgt ein Eintrag vielfach inAbstimmung mit einer anderen Person, mitwelcher Einträge „auszuhandeln“ sind): z.B.Tu-Was-Tagebuch, VW-Qualifizierungspass,Bildungspass des Hotellerie- und Gaststät-tengewerbes, Sprungbrett Ehrenamt, JULEI-CA, Hamburger Freiwilligenbuch;

3. geschlossene Erfassungs- und Bewertungs-verfahren: z.B. Familienbilanz des DeutschenJugendinstitutes (als quantitative Bewertungauf der Grundlage eines einfachen Messver-fahrens, orientiert an vorgegebenen Kompe-tenzfeldern und deren Ausdifferenzierung),Europäisches Sprachenportfolio, Europäi-scher Computerführerschein;

4. offene Erfassungs- und Bewertungssysteme:

z.B. Aktiv-Pass Osnabrück, Qualipass.

Mit der Art der Kompetenzerfassung bzw. Kompetenz-bewertung ist noch keine Entscheidung darüber ge-troffen, ob es sich um Verfahren der Selbstbeschrei-bung oder um solche der Fremdbeurteilung handelt.Die Wahl zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung er-folgt vielmehr im Hinblick auf Intention und Verwert-barkeit des Passes. In der Praxis zeigen sich meistMischformen aus Selbst- und Fremdbeurteilung. ImRahmen von unkomplizierten und damit gut hand-habbaren Verfahren der Kompetenzerfassung und -bewertung erfolgt im Regelfall keine spezielle Schu-lung der Beurteilenden. Die Entwicklung entsprechen-der Professionalität wird umso erforderlicher, je mehrdie Begleitung auf dem Berufs- oder Lebensweg überdie punktuelle Hilfestellung hinausgeht und eine län-gerfristige Beratung vorgesehen ist.

In einigen Kompetenzerfassungsverfahren des ehren-amtlichen Bereiches werden lediglich ausgeübte Tä-tigkeiten beschrieben, aus denen die entsprechen-de Kompetenz geschlossen werden muss, ohne dasssie explizit genannt wird. Das Sich-Bewegen in ei-nem Erfahrungsfeld belegt aber noch keinen vollzo-genen Lernprozess. Die Lösung besteht darin, dieTätigkeiten zu reflektieren, um so transferierbare Kom-petenzen zu erkennen und sichtbar zu machen.

Die Erfassung und/oder Bewertung von Kompeten-zen mündet in einer nach außen präsentierbarenDarstellung. Die Art dieser Dokumentation ist sehrunterschiedlich. Es existieren verschiedene Dokumen-tengrößen (DIN A4, A5, A6, A7), verschiedene Bin-dungen (lose Blätter ohne Sammelvorrichtung, loseBlätter in einem Hefter, lose Blätter in einem Ring-ordner, geklammerte Hefte) oder die Informations-verwaltung erfolgt mit dem PC. Die meisten Doku-mente enthalten Erläuterungen zum Gebrauch undzu den Intentionen des Passes.

Als zentrales Element hat sich bei fast allen Pass-aktivitäten die Notwendigkeit von sachkundiger Be-ratung, besonders für bildungsferne Gruppen, her-auskristallisiert (z.B. in Form von selbstgewähltenCoaches oder über Lehrende und Ausbilder). Sie er-weist sich als notwendig, um den Passinhabern Hil-festellung bei der Formulierung von Kompetenzen zugeben und um ihnen eine Reflexionsmöglichkeit desGelernten, ihrer Lernmöglichkeiten und Lernbarrieren,letztlich zur Selbststeuerung von lebenslangem Ler-nen einzuräumen.

Der Erfolg der Pässe hängt wesentlich davon ab, in-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

wieweit diese Dokumente im Alltags- und Berufsle-ben einsetzbar sind. So ist die Frage nach der Akzep-tanz nicht nur eine, die auf die Passinhaberinnen undPassinhaber zielt, sondern auch auf potenzielle Nut-zerinnen und Nutzer dieser Information wie Betriebe,Weiterbildungseinrichtungen, Vereine u.ä. Zudemhaben die Expertengespräche mit Vertretern ausUnternehmen, Verbänden, Vereinen und Wissen-schaft gezeigt, dass zur Erhöhung der Akzeptanz ei-nerseits Vergleichbarkeit möglich sein sollte, dabeigleichzeitig aber die Kontextbindung von Kompeten-zen zu berücksichtigen und den rechtlichen Rahmen-bedingungen Rechnung zu tragen ist.

Die Akzeptanz bei den gesellschaftlich relevantenGruppen und Organisationen für einen Ausbau der-artiger Aktivitäten ist jedoch in den letzten Jahrengewachsen, weil sowohl der supranationale und in-ternationale Trend als auch der nationale Problem-druck Handlungsnotwendigkeiten erzeugt haben. ImDetail gibt es allerdings noch divergierende Interes-sen- und Auffassungsunterschiede.

II/2 Erfassung und Zertifizierung informellerworbener Kompetenzen

Die Frage der Anerkennung und Zertifizierung infor-mell erworbener Kompetenzen spielt im Zusammen-hang mit Passaktivitäten, aber auch unabhängig da-von eine wichtige Rolle. Im Rahmen der Machbarkeits-studie sind drei Bereiche näher betrachtet worden:der betriebliche Kontext, das private und sozialeUmfeld sowie das formale Bildungssystem.

Im formalen Bildungssystem liegt das eindeutigeSchwergewicht auf der Anerkennung und Zertifizierungvon Kompetenzen/Qualifikationen, die in genormtenBildungsgängen erworben worden sind. Die Einbe-ziehung von informell erworbenen Kompetenzen, z.B.bei der Zulassung zu Bildungsgängen, zu Prüfungen,bei der Verkürzung von Qualifizierungszeiten, ist dieAusnahme vom ansonsten vorgegebenen „Königs-weg“. Typische Beispiele dafür sind die sogenannteExternen-Prüfung nach BBiG und HWO, die Zulas-sung zum Hochschulstudium ohne Reifezeugnis (Im-maturenprüfung) und die Zulassung zu Fortbildungs-prüfungen über den Nachweis von ausreichenderBerufserfahrung. 2002 wurde mit der Neuordnungder IT-Weiterbildungsberufe der Versuch gemacht,den Gegensatz von formellem und informellem Ler-nen zu überwinden. Nicht mehr ein definiertes Curri-culum, sondern aus der Praxis abgeleitete Referenz-prozesse sind maßgeblich für den Qualifikationsgang.

Im betrieblichen Kontext spielt die Erfassung, Aner-kennung und Bewertung informell erworbener Kom-petenzen bei der Einstellung von Arbeitskräften undAuszubildenden, in der Personalentwicklung und zurPersonalbeurteilung eine wichtige Rolle. Die in for-malen Prozessen erworbenen und im Regelfallzertifizierten Kompetenzen/Qualifikationen sind meistnur noch notwendige, aber keinesfalls eine hinrei-chende Bedingung, um im Beschäftigungssystem be-stehen zu können. Weit verbreitet sind die folgendenVerfahren zur Sichtbarmachung von informell erwor-benen Kompetenzen:

· Bei Neueinstellungen finden Tests, Bewerbungs-gespräche und Assessment-Center mit dem Zielstatt, Anhaltspunkte sowohl über die tatsächli-chen fachlichen wie überfachlichen Fähigkeitender Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen.Eingesetzt werden zum Teil langjährig erprobteund bewährte Verfahren mit einem hohen Gradan Differenziertheit. Die Ergebnisse solcher Ver-fahren sind selten allein maßgeblich für die zufällende Einstellungsentscheidung. Sie bildenzwar ein wichtiges Element, sind aber vor allem„Unterfutter“ für die meist im Diskurs gewonne-ne Entscheidung der Personalauswählenden aufder Basis einer erfahrungsbasierten ganzheitli-chen Sichtweise.

· Die Beurteilung der aktuell Beschäftigten erfolgtgewöhnlich „en passant“ durch die Vorgesetzten.Bei vielen Betrieben, im Besonderen bei denGroßbetrieben, hat sich darüber hinaus ein for-malisiertes Bewertungssystem etabliert. Die da-mit betriebene Personalentwicklung gründet sichim Regelfall auf ein- oder wechselseitig vorge-nommene Einstufungen in Kompetenzlisten, aufzusammenfassende schriftliche Beurteilungenund auf Gespräche zwischen Mitarbeiter und Vor-gesetzten. Derartige Aktivitäten finden regelmä-ßig statt (meist jährlich oder halbjährlich) und sindAusgangspunkt für Personalentwicklungsmaß-nahmen (z.B. Weiterbildung, Job-Rotation). Auchbei diesen Prozessen werden elaborierte Instru-mente zum Einsatz gebracht, die aber ähnlichwie bei den Auswahlverfahren bei Neueinstellun-gen Grundlage für das darauf aufbauende Ge-spräch sind. Im Zentrum steht die Bewährungder Beschäftigten am Arbeitsplatz und die dabeisichtbar gewordenen Stärken und Schwächen.

· Beim Ausscheiden oder auf Wunsch bei einemweiterbestehenden Arbeitsverhältnis von Mitar-beitern findet in Form des Arbeitszeugnisses eine

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

kennung, die bis zur ehrenden Auszeichnung reichenkönnen, Loyalität und Motivation bei den Ehrenamt-lichen. In anderen Bereichen liegt dieser Wahrneh-mungsgrad deutlich niedriger, weil die in Frage kom-menden Aktivitäten im privaten Bereich angesiedeltsind (z.B. alle Formen von Familientätigkeit) oder inschwer zugänglichen Kontexten stattfinden bzw. statt-gefunden haben (z.B. kulturelle Kompetenzen vonMigranten).

Es gibt in diesem Feld erfolgreiche Ansätze und Mo-delle, die sich in Passaktivitäten integrieren lassen.Deutlich sind in diesem Zusammenhang aber aucheinige offene Fragen zutage getreten. Sie beziehensich auf die Grenzen der Standardisierbarkeit bei derKompetenzerfassung, auf die Kontextgebundenheitder Kompetenzen und ihre Übertragbarkeit auf an-dere Situationen, auf die Subjektivität der Bewertungund auf die ethische Dimension, die sich im Span-nungsverhältnis von Freiwilligkeit und gesellschaftli-chem Druck ausdrückt.

In der Summe sind eine Fülle von Befunden gesam-melt worden, die bei einer Einführung eines bundes-weiten Bildungspasses genutzt werden könnten.Gleichwohl ist auch deutlich, dass an einigen Stellennoch Entwicklungs- und Erprobungsarbeit zu leistenist.

II/3 Internationale Beispiele

Die Länder Finnland und Niederlande stehen exem-plarisch dafür, wie mit anderen Steuerungslogikenals in Deutschland die Erfassung, Bewertung undZertifizierung informell erworbener Kompetenzen indas jeweilige Bildungs- und Weiterbildungssystemintegriert wird. Diese Beispiele sind aufgrund ande-rer Ausgangsbedingungen und Traditionen nicht aufDeutschland übertragbar, dennoch liefern sie wert-volle Hinweise und Impulse für politische Überlegun-gen und Maßnahmeplanungen.

Finnland:Anerkennung Competence Based Qualification (CBQ)

Finnland hat sich zu Beginn der neunziger Jahre desletzten Jahrhunderts für die Einführung eines kompe-tenzorientierten Anerkennungssystems entschieden.Unter kompetenzbasierter Qualifikation (auf Finnisch„näyttötutkinto“) werden Fähigkeiten und Wissenverstanden, unabhängig davon, wo sie erworbenwurden (in Bildungseinrichtungen, im Arbeitsprozess,im Selbststudium oder durch andere Aktivitäten). Indem 1994 verabschiedeten Gesetz über Berufs-

summarische Bewertung der Arbeitsleistung statt,die aber aufgrund der durch jahrelange Recht-sprechung erfolgten Standardisierung nur einensehr begrenzten Aussagewert hat.

· Versuche, auch solche Kompetenzen der Mitar-beiter zu erfassen, die außerbetrieblich erworbenbzw. eingesetzt werden, befinden sich noch imAnfangsstadium und stoßen auch nicht auf un-geteilte Zustimmung. Arbeitgeberseitig werden derdamit verbundene Erfassungsaufwand und dieggf. entstehenden Lohn- und Gehaltsansprücheangeführt, arbeitnehmerseitig die Gefahr der all-seitigen Verfügbarkeit, die Befürchtung, dass dieGrenzen zwischen Privat- und Berufsleben sichverwischen, und der Hinweis auf den Daten-schutz.

· Die betrieblichen Instrumente und Verfahren zurFeststellung und Bewertung informell erworbenerKompetenzen sind zwar häufig langjährig im Ein-satz und dabei weiter validiert und optimiert wor-den, dennoch sind eine Vielzahl von Messpro-blemen nach wie vor ungelöst, so dass die Perso-nalverantwortlichen sie im Regelfall nur ergän-zend einsetzen. Dennoch kann aus den betrieb-lichen Erfahrungen Nutzen gezogen werden beider Ausgestaltung eines Bildungspasses.

· Auch im privaten Rahmen und im sozialen Um-feld werden Kompetenzen erworben und einge-setzt. Ein großer Teil dieser Kompetenzen ist u.a.im Kontext einer Erwerbsarbeit relevant und wird,wie oben beschrieben, unter betrieblichem Blick-winkel erfasst und sichtbar gemacht. Doch auchdie Individuen haben ein Interesse daran, ihreArbeitsmarktchancen dadurch zu erhöhen, dasssie über ihre Qualifikationsnachweise hinaus einerweitertes Kompetenzspektrum präsentieren.Zudem sind Tätigkeits- und Kompetenznachweisefür diesen Personenkreis auch eine Art Anerken-nung für das, was außerhalb des Erwerbssystemsgeleistet worden ist.

Vor diesem Hintergrund sind vielfältige Formen derSichtbarmachung von Kompetenzen entstanden, dievom einfachen Tätigkeitsnachweis bis hin zum diffe-renzierten Kompetenznachweis reichen. Einige die-ser Verfahren sind so weit gediehen, dass sie „Pass-charakter“ haben (wie die Freiwilligenbücher). Am wei-testen vorangekommen sind derartige Initiativen imBereich des ehrenamtlichen bzw. bürgerschaftlichenEngagements. Die nutzenden Einrichtungen schaf-fen durch die unterschiedlichsten Formen der Aner-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

qualifikationen (306/1994) wird der rechtliche Rah-men für die Befähigungsprüfungen vorgegeben, durchderen Bestehen Erwachsene eine offiziell anerkann-te Qualifikation erwerben können. Im Jahr 1998 gingdas Gesetz mit leichten Änderungen in das neueGesetz über berufliche Erwachsenenbildung über.

Idealtypisch kann in Kurzform der Verlauf von CBQwie folgt beschrieben werden: Eine erwachsene Per-son überprüft individuell ihre beruflichen Aktivitätenund stellt fest, was sie alles im Beruf kann. Im Falledes nirgendwo formal bescheinigten Könnens wen-det sie sich an eine staatlich anerkannte Bildungs-einrichtung und fragt, ob sie in dieser Institution ge-testet werden könne. Bei einer positiven Antwortwerden das Test-Ziel (Inhalt, Level der Qualifikation)gemeinsam geklärt und ggf. erforderliche Ergänzungs-kurse verabredet.

Zu einem abgesprochenen Termin wird die Personüber zwei bis fünf Tage – möglichst in einer Arbeits-Realsituation – getestet. Da die überprüfte Qualifika-tion aus mehreren Modulen besteht, kann der Prüf-ling alle Module erfolgreich absolvieren oder nur ei-nige, die in einem offiziellen Dokument bescheinigtwerden. Dies erfolgt auf drei Ebenen:

· Auf der ersten Ebene entspricht der Abschlussder Erstausbildung und damit in ihren Anforde-rungen den beruflichen Abschlüssen der SII-Be-rufsschule.

· Die nächste Ebene setzt die Qualifikation der ers-ten Ebene voraus und bescheinigt weitergehen-de Spezialkompetenzen, die frühestens nach drei-jähriger einschlägiger Berufsausübung erworbenworden sein können.

· Auf der dritten Ebene werden hohe Kompeten-zen, die in der Regel eine fünfjährig Berufspraxiserfordern, bescheinigt.

Niederlande:Anerkennung früheren Lernens (APL)

Lebenslanges Lernen in den Niederlanden ist wesent-lich auf die Verbesserung der employability der Be-völkerung gerichtet. Vor dem Hintergrund der Schwie-rigkeiten von etwa einem Drittel der niederländischenBevölkerung im Umgang mit dem formalen Bildungs-system wird staatlich dem informellen Lernen einebesondere Bedeutung für das Bestehen des Landesim internationalen Wettbewerb zugewiesen. Entspre-chend befindet sich das System der Berufsbildung in

einem Veränderungsprozess der verstärkten Anerken-nung informellen Lernens, dessen vorläufiger Höhe-punkt mit der Einführung von beruflichen Kompetenz-standards im Jahr 2004 erreicht sein soll. Nebendem Erwerb einer vollständigen Qualifikation ist auchdie Möglichkeit einer Zertifizierung einzelner Bestand-teile einer Qualifikation vorgesehen.

Zunächst für einen Zeitraum von vier Jahren wurdenim Jahr 2001 Kompetenzzentren für die Anerken-nung früheren Lernens (Kenniscentrum EVC) einge-richtet, mit denen das Ziel verfolgt wird, bisherigeAPL-Aktivitäten in den Niederlanden zu erfassen undNetzwerke zur Weiterentwicklung und systematischenAnwendung der dort entwickelten Verfahren zu eta-blieren.

Im Vordergrund des APL-Verfahrens stehen in zweiSchritten die Stimulation und Strukturierung der per-sönlichen Entwicklung durch ein erweitertes Durch-führungsverständnis der eigenen Arbeitstätigkeit unddas Aufzeigen beruflicher Entwicklungsmöglichkeitenfür Beschäftigte:

· Erfassung von früher erworbenen Kompetenzen:Diskussion mit einem Teilnehmenden zur Sensi-bilisierung seiner bereits vorhandenen Kompe-tenzen. Retrospektiv werden dabei alle berufli-chen und außerberuflichen Tätigkeiten herange-zogen und diejenigen Kompetenzen in den Vor-dergrund gestellt, die für aktuelle oder zukünfti-ge Anforderungssituationen relevant sind. ImAnschluss daran werden durch den Teilnehmen-den selbst Nachweise seiner Kompetenzen ineinem Portfolio zusammengestellt. Ein Coachkann zur Hilfestellung heran gezogen werden.

· Zur Überprüfung der Kompetenzen und dem Er-werb eines Zertifikates stellen die Teilnehmer ers-tens ihr Portfolio vor und geben Einschätzungenihrer Kompetenzen bezüglich der Berufsan-forderungen. Anhand von Referenzgrößen derBewertung werden nationale oder betriebs-bezogene Qualifikationsstrukturen vorgestellt, andie sich eine praktische Demonstration der Kom-petenzen anschließt, der eine Reflexion des ei-genen Handelns folgt. Auf dieser Grundlage dervorausgehenden Aktivitäten wird drittens ein per-sönlicher Entwicklungsplan erstellt, mit dem Emp-fehlungen für weitere Bildungsmaßnahmen ab-gegeben werden.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

III. Handlungsleitende Perspektiven

Die in der Ausgangslage beschriebenen Fakten le-gen es nahe, das Konzept eines bundeseinheitlichen,länderübergreifenden Weiterbildungspasses fürDeutschland zu verfolgen. Der Mehrwert gegenüberdem aktuellen Zustand liegt insbesondere darin,

· die zahlreichen Einzelinitiativen zur Entwicklungvon Bildungspässen, z.B. im Bereich der Lernen-den Regionen und meist EU-finanzierter Projek-te, zu bündeln und die dafür aufgebrachten Res-sourcen in die Entwicklung eines gemeinsamenPasses zu lenken sowie bestehende Bildungs-pässe zu integrieren bzw. anschlussfähig zu ma-chen;

· einen für das lebenslange Lernen werbewirksa-men Bildungspass für alle Lernerinnen und Lernerhandlungsforschend zu entwickeln,

- der zielgruppen- und bildungsbereichsüber-greifend angelegt ist und neue Nutzergruppenfür das Instrument „Bildungspass“ und da-mit das lebenslange Lernen erschließt;

- der allen Lernerinnen und Lernern hilft, ihrenBildungsweg zu strukturieren;

- bisher vernachlässigte Bereiche (z.B. Fami-lientätigkeit, besondere Berufs- und Lebens-situationen) verstärkt aufgreift und im Passverankert und damit informell erworbeneKompetenzen berücksichtigt und aufwertet;

- der neben der Dokumentation und Motivati-on vorrangig auf eine durch fakultative beglei-tende Beratung gestützte Selbstreflexion zielt;

- der besonders für Klein- und Mittelbetriebezusätzliche Möglichkeiten der Personalent-wicklung erschließt;

- der Beratern und Beraterinnen eine Grundla-ge für die Bildungsberatung gibt und damitein Element der Qualitätssicherung und -entwicklung darstellt und letztlich der Förde-rung der Beschäftigungsfähigkeit dient;

- der anschlussfähig für entsprechende Aktivi-täten auf EU-Ebene ist;

- der Informationen darüber enthält, welche

Einrichtungen zu welchen Bedingungen infor-mell erworbene Kenntnisse zertifizieren;

- nachhaltige Strukturen zu schaffen, die auchnach Einführungsphase Bestand haben; diesbetrifft insbesondere die Schaffung von Vor-aussetzungen für einen wirksamen Vertrieb,ein bundesweites Marketing sowie die Nut-zung und den Ausbau von Beratungs-strukturen.

Der beschriebene Mehrwert der länderübergreifendenPassinitiative legt es nahe, alsbald mit der Umset-zung zu beginnen. Schon in dieser frühen Phase dernoch probeweisen Einführung sind vor allem Nachhal-tigkeitsüberlegungen anzustellen. Die Zuspitzung aufeine überwiegend im individuellen Interesse liegen-den Passaktivität lässt auch eine private Finanzie-rung des Passes und der Begleitaktivitäten zu. Dieöffentliche Finanzierung hätte nur anschiebende undstützende Funktionen.

Als geeignetes Mittel wird die probeweise Einführungeines bundeseinheitlichen Bildungspasses mit wis-senschaftlicher Begleitung gesehen. Dieses Vorge-hen ermöglicht das Gewinnen von Praxiserfahrungenmit der Zielsetzung der kontinuierlichen Verbesse-rung des Bildungspasses als Dokument und Motivie-rung zum lebenslangen Lernen sowie der begleiten-den Aktivitäten und wird von den Betroffenen leich-ter akzeptiert als eine sofortige verbindliche Einfüh-rung. Dabei sollen vorhandene Passaktivitäten ein-bezogen werden, um Integrationsmöglichkeiten zueröffnen.

Dabei müssen Fragen aus der Machbarkeitsstudieweiter ausdifferenziert und einer Beantwortung nä-her gebracht werden, um den Erkenntnisstand überWeiterbildungspässe und die Bewertung informellenLernens weiter zu verbessern. Diese Ergebnisse kön-nen in der Erprobungsphase genutzt werden, um dieEinführung und den Einsatz des Passes zu erleich-tern. Gleichzeitig dienen sie dazu, den Prozess derAkzeptanz zu fördern und die bildungspolitische Dis-kussion zu versachlichen.

IV. Struktur und Skizze desWeiterbildungspasses

Um den Weiterbildungspass etwas „plastischer“ wer-den zu lassen, werden im Folgenden einige Struktur-elemente beschrieben:

· Der Weiterbildungspass soll zum einen ein Instru-

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ment zur Sammlung und Dokumentation bishe-riger Lernprozesse und Kompetenzen sein, seiensie innerhalb oder außerhalb des formalen Bil-dungssystems erworben, zum anderen ein Instru-ment zur Bilanzierung der Bildungs-, Lern- undTätigkeitsbiografie und soll darüber hinaus Hilfeund Motivation zur weiteren Lern-, Lebens- undLaufbahnplanung bieten.

· Der Weiterbildungspass soll gleichermaßen for-male, non-formale und informelle Bildungspro-zesse einbeziehen. Deshalb sollen in die Doku-mentation Abschlüsse, Zertifikate, Nachweise,Bescheinigungen und Tätigkeitsbeschreibungenaus den Bereichen Schule, Ausbildung, Erwerbs-tätigkeit, Familie, Ehrenamt und Freizeit aufge-nommen werden können.

· Der Weiterbildungspass sollein Instrument in der alleini-gen Verfügbarkeit des Indivi-duums sein. Der Passinhaberentscheidet allein darüber, obder Pass oder Teile davon wei-tergegeben werden. Schonaus diesem Grunde ist derWeiterbi-ldungspass als Sam-melmappe in Papier- und On-linefassung ergänzungsoffenangelegt.

· Der Weiterbildungspass solloptisch ansprechend undleicht handhabbar sein. Er solleinen einprägsamen Namenerhalten, z.B. Kom(petenzen)Pass.

· Der Weiterbildungspass soll ei-nen Kernbestand an Informa-tionen aufweisen, der an-schlussfähig an das formaleBildungssystem sowie für eu-ropäische Entwicklungen ist.

· Der Weiterbildungspass sollzielgruppenunabhängig undmehrsprachig sein (Deutschplus eine Fremdsprache).

· Der Weiterbildungspass soll of-fen für Selbst- und Fremdein-schätzungen sein. Selbstein-schätzungen sollen neben der

Selbstwahrnehmung der Lernprozesse und dererworbenen Kompetenzen sich vor allem auchdadurch auszeichnen, dass die Rahmenbedin-gungen beschrieben werden, aus denen die An-forderungen ersichtlich sind, die der Passinhaberzu bewältigen hatte.

Diese Strukturelemente finden Eingang in der folgen-den Skizze eines Passes: So oder ähnlich könntendie Gliederungspunkte bzw. Komponenten aussehen.Es handelt sich um einen ersten Entwurf, der nochweiter ausgearbeitet werden soll. Vor allem wird esdarauf ankommen, die gesellschaftlichen Gruppenbei der Passgestaltung einzubeziehen, um die Akzep-tanzbedingungen bei der probeweisen Einführung zuverbessern.

Titelseite: Weiterbildungs- und Kompetenzenpass

Innenseite: Persönliche Daten zur Identifikation der PasseigentümerLebens lauf (in Anlehnung an Europäischen Lebenslauf)

1. Einführungstext mit ausführlichen Hinweisen zur Nutzungdes Dokuments/ Handreichungen

2. Dokumentation bisheriger Lernprozesse und Kompetenzen,seien sie innerhalb oder außerhalb des formalen Bildungs-systems erworben

2.1 Abschlüsse/ Zertifikate· Allgemeinbildende Schulabschlüsse· Berufsausbildungsabschlüsse (incl. Hochschulabschlüsse)· Weiterbildungsabschlüsse

2.2 Nachweise (Bescheinigungen) und Tätigkeitsbeschreibungen aus den Bereichen

· Erwerbsarbeit· Familien- und Hausarbeit· Ehrenamt· Hobbys/ Interessenschwerpunkte· besondere Berufs- und Lebenssituationen (z.B. Migration)

3. Bilanzierung der Bildungs-, Lern- und TätigkeitsbiographieReflexion und Bilanzierung· des bisherigen Werdegangs („Das habe ich gelernt.“)· individueller Stärken, Neigungen und Schwächen („Das bin ich.“)· positive und negative Lernerfahrungen

4. Mein Profil, meine Ziele, die nächsten SchritteFokussierung auf die aktuelle Situation zur· Lern-, Lebens- und Laufbahnplanung („Das will ich.“)· Vorbereitung auf Bewerbungen

Anhangwichtige Adressen u.a. Beratung, Information, Internet, Kontakteausführliche Hinweise über rechtliche Regelungen zur Anerkennunginformell erworbener KompetenzenHinweise zu Einrichtungen, die informell erworbene Kompetenzen erfassenund zertifizierenNennung der Coaches (freiwillig)

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

tivitäten sind verschiedene Bildungsbereiche, in de-nen Bildungspässe eingesetzt werden. Dabei han-delt es sich um die Bereiche „Übergang Schule -Beruf“, „Beruf – betrieblich“, „Beruf – überbetrieb-lich“, „Ehrenamt“ und den „Privatbereich“. Dabei fälltauf, dass bis auf den nach unten abweichendenPrivatbereich eine etwa gleich große Zahl vonBildungspässen auf die einzelnen Bildungsbereicheentfällt. Fasst man die betrieblich und überbetrieb-lich verwendeten Bildungspässe zusammen, so ent-fallen knapp 50 % der Bildungspässe auf den beruf-lichen Bereich. Neben Bildungspässen, die einemdieser Bildungsbereiche klar zugeordnet werden kön-nen, existieren aber auch bildungsbereichsüber-greifende Pässe.

Abschließend ist auf zwei weitere Dinge hinzuweisen.Zum einen auf eine mit dieser Heterogenität einher-gehende Dynamik der Einführung und Verwendungvon Bildungspässen, so dass die Zahl 52 lediglichals Momentaufnahme anzusehen ist, und zum an-deren darauf, dass Einführung und Verwendung vonBildungspässen in der Regel im Zusammenhang mitder Integration oder Reintegration in den ersten Ar-beitsmarkt stattfinden. Der letztgenannte Hinweislässt sich u.a. mit dem hohen Anteil von im berufli-chen Bereich verwendeten Bildungspässen begrün-den.

Dieser Heterogenität von Bildungspässen entsprichtauch die Heterogenität der Intentionen von Bildungs-pässen, die sich anhand vielfältiger Beispiele illustrie-ren lässt (diese Beispiele stellen keine Rangfolge dar):

- Anerkennung des Engagements Jugendlicher zurSteigerung von Eigeninitiative und Selbstvertrauen;

- Anreiz und Bereitschaft zur Weiterbildung;- Förderung des autonomen Lernens;- Sensibilisierung für Lebenslanges Lernen;- Werkzeug zur Sensibilisierung für Schlüsselkompe-

tenzen;- chronologische Dokumentation beruflicher Entwick-

lung und allgemeiner Interessenlage;- Erfassung des gesamten Potenzials individueller

Ressourcen aus allen Lebensbereichen und die fai-re, nutzbringende Optimierung von vorhandenenStärken und ihre Umsetzung in Qualifikationen;

- Kompetenzen, Qualifikationen und Fähigkeiten imHinblick auf die Laufbahngestaltung nachhaltigmanagen:

- systematische Erfassung und Dokumentation vonFähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen;

- Transparenz über im Ausland erworbene Qualifika-tionen;

Arbeitskreis 1

4 Intentionen und Funktionen vonBildungspässen

4.1 Einführung

Markus Bretschneider, DIEDr. Rüdiger Preisser, DIE

Im Anschluss an die Ausführungen im Hauptreferatvon Herrn Dr. Neß (Deutsches Institut für Internatio-nale Pädagogische Forschung) werden im Arbeitskreis„Intentionen und Funktionen von Bildungspässen“ zu-nächst nochmals die wesentlichen empirischen Be-funde der Machbarkeitsstudie hinsichtlich der Ver-wendung von Bildungspässen in der BundesrepublikDeutschland als Ausgangspunkt für die weitere Dis-kussion dieses Themas dargestellt.

Das zentrale Ergebnis der vom Projektkonsortiumdurchgeführten Untersuchung besteht in der Hetero-genität der in der Praxis verwendeten Bildungspässein der Bundesrepublik Deutschland. Diese Hetero-genität kann anhand dreier verschiedener Aspektebelegt werden.

Der erste Aspekt bezieht sich auf die Anzahl der er-mittelten Bildungspässe. In der BundesrepublikDeutschland sind dieses zum gegenwärtigen Zeit-punkt 48. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Aktivi-täten in den Jahren seit 1994 begonnen wurden.Eine dieser Ausnahmen bildet der im Jahre 1974vom Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufs-bildung empfohlene „Berufsbildungspass (in der Wei-terbildung)“, der sich aber nicht durchsetzen konnte.

Die Heterogenität zeigt sich weiterhin in der Vielfaltunterschiedlicher Bezeichnungen. Bislang konntenetwa neunzig verschiedene Bezeichnungen ermitteltwerden, welche sich im Regelfall aus zwei Kompo-nenten zusammen setzen. Die am häufigsten benutz-ten Begriffe des ersten Wortteiles lauten „Berufs-„,„Bildungs-", „Kompetenz-" bzw. „Qualifikations-", dieam häufigsten benutzten Begriffe des zweiten Wort-teiles lauten „-buch“, -„nachweis“, „-pass“ bzw.„-portfolio“. Für die weiteren Ausführungen wird stell-vertretend für diese Vielfalt der Begriff „Bildungspass“verwendet.Ein dritter Beleg für die Heterogenität der Passak-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

- Überblick über besuchte Veranstaltungen;- zielgerichtet Bildungsprozesse und Laufbahnent-

wicklung planen und organisieren;- Dokumentation von ehrenamtlich erworbenen Er-

fahrungen und Qualifikationen zur Verwendung imErwerbsleben;

- Erleichterung des Übergangs zwischen Schule undBeruf;

- Erweiterung der Vermittlungschancen in eine ge-eignete Ausbildung, Arbeit, Existenzgründung oderWeiterbildung;

- Transnationale Mobilität im Bereich der beruflichenBildung;

- Überwindung bestehender Schranken bei europa-weiter Arbeitsplatzsuche;

- Verbesserung der Arbeitsmarktchancen;- Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt erleichtern;- Beitrag zu einer Kultur der Anerkennung vielfälti-

ger Praxisleistungen;- deutlichere öffentliche Wertschätzung ehrenamtli-

cher Arbeit zur Sicherung des Bestands ehrenamt-licher Arbeit;

- ehrenamtliche Tätigkeit als qualifizierte und einequalifizierende Tätigkeit dokumentieren;

- Förderung der Mehrsprachigkeit und des Dialogeszwischen den Kulturen;

- Förderung von interkultureller Qualifikation;- Förderung von Internationalität und Mobilität;- Geschlechtergleichstellung;- Sichtbarmachung von Fort- und Weiterbildung als

selbstverständlicher Bestandteil ehrenamtlicherArbeit;

- Schaffung einer engeren Verbindung zwischenSchulen bzw. Ausbildungszentren und Unterneh-men;

- bewusster, realitätsbezogener und eigenverantwort-licher Umgang mit dem individuellen Potenzial;

- Erweiterung beruflicher und persönlicher Hand-lungskompetenz;

- Orientierung bei der Berufs- und Lebensweg-planung;

- Reflexion dessen, was man schon gemacht hat,schon kann und noch machen will;

- Einsparung von Bürokratie;- Unterstützung von Führungsarbeit.

Unter „Intentionen“ sind dabei die mit dem Einsatzeines Bildungspasses beabsichtigten Zielsetzungenzu verstehen. „Funktionen“ meinen hingegen die imGefolge der praktischen Einführung eines Bildungs-passes tatsächlich eingetretenen Wirkungen. Mit demArbeitskreistitel „Intentionen und Funktionen“ sindsomit die „Zielsetzungen und Wirkungen“ von Bil-dungspässen angesprochen. Dabei muss unterschie-

den werden zwischen Wirkungen, die im Einklang mitbeabsichtigten Zielsetzungen stehen (erwünschteWirkungen) und Wirkungen, die nicht im Einklang mitbeabsichtigten Zielsetzungen stehen (unerwünschteWirkungen). Unerwünschte Wirkungen können auchin einer Paradoxie zu den erwünschten Wirkungenstehen, so z.B. bei einer Stigmatisierung vonPassinhabern hinsichtlich einer Schwäche im Um-gang mit dem formalen Bildungssystem.

Für die Impulsreferate und Diskussionen dieses Ar-beitskreises waren die folgenden drei Fragestellun-gen leitend:Welche Zielsetzungen werden mit dem Instrument„Bildungspass“ verfolgt?Welche Wirkungen bzw. welche Nebenwirkungen sindbislang erkennbar?Welche Strukturen sind zur Realisierung der (dispa-raten) Zielsetzungen notwendig?

Der Arbeitskreis setzt sich zusammen aus:Vertretern von Bildungseinrichtungen (Forum Osna-brück für Kultur und Soziales, Universität Heidelberg- Erziehungswissenschaftliches Seminar, UniversitätSheffield, VHS Stadtverband - Saarbrücken), Vertre-tern von Passinitiativen (Gesellschaft CH-Q (Schwei-zerisches Qualifikationsprogramm zur Berufslauf-bahn), InWent (Internationale Weiterbildung undEntwickung gGmbH), EUCEN (European UniversitiesContinuing Education Network), Kompetenzenpass(Südtirol), Vertretern der Politik (Bundesministeriumfür Bildung und Forschung, hessisches Kultusmini-sterium, Konzertierte Aktion Weiterbildung) und Ver-tretern der Wirtschaft (Deutsche Telekom AG, Hei-delberger Druckmaschinen AG, Siemens AG).

Im Rahmen von Impulsreferaten wurden drei Model-le der Erkennung bzw. Anerkennung non-formal bzw.informell erworbener Kompetenzen vorgestellt. Da-bei handelt es sich um das „Schweizerische Quali-fikationsbuch CH-Q“ (vorgestellt durch Anita Calonder-Gerster), den „Kompetenzenpass Südtirol“ (vorgestelltdurch Dr. Eva Brunnbauer) und die „National Vo-cational Qualifications (NVQ)“ bzw. ergänzend das eu-ropäische Projekt „Transfine“ (vorgestellt durchPatricia Davies).

In den sich an die Impulsreferate anschließendenDiskussionen konnte das Thema „Intentionen undFunktionen“ von Bildungspässen nicht losgelöst vonFragen der „Bewertung und Zertifizierung“ bzw. „Im-plementierung und Akzeptanz“ geführt werden.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Instrumente, die von Universitäten, Erwachsenen-bildungseinrichtungen, Freiwilligenverbänden, aberauch von für jeden zugänglichen regionalen „Openuniversities“ genutzt werden. Letztere sind ein Zusam-menschluss von Bildungseinrichtungen und Sozial-partnern.

Die gegen Ende der achtziger Jahre des vergangenenJahrhunderts eingeführten „National Vocational Qua-lifications“ (NVQ) sind also nur ein Verfahren untervielen. Gleichwohl ist es im beruflichen Bereich vonherausragender Bedeutung.

Die Schaffung der NVQ geht auf die Initiative derdamaligen Regierung zurück, die damit u.a. eineAuflösung des landesweiten „Dschungels der Quali-fikationen“ anstrebte, und ist für Großbritannien indem Sinne eine wirkliche Revolution, da es sich umein landesweit gültiges System handelt. Angelehntan die europäischen Berufsstufen stützt es sich aufeinen fünfstufigen Qualifizierungsrahmen. Allerdingsexistiert eine weitere sogenannte Einstiegsstufeunterhalb der ersten Stufe der NVQ.

In der damaligen Phase ansteigender Arbeitslosigkeitbestand eine weitere Absicht der Regierung in derErhöhung des Anteils von Erwerbstätigen mit einerberuflichen Qualifikation, da bis zu diesem Zeitpunktviele Arbeitnehmer keine oder eine nur geringeQualifikation besaßen, gleichzeitig aber umfangreicheErfahrungen im Arbeitsleben erworben hatten.

Die Einführung wurde durch umfangreiches Marketingund Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, mit dem v.a. dasZiel verfolgt wurde, den Nutzen und das Verfahrenverständlich zu kommunizieren.

Der Nutzen der NVQ besteht für Arbeitgeber in dervereinfachten Möglichkeit, das Potenzial an verfüg-baren Arbeitskräften systematischer und effektivernutzen und entwickeln zu können. Arbeitskräftekönnen zudem mit geringerem finanziellen und zeitli-chem Aufwand qualifiziert werden.

Geringerer finanzieller und zeitlicher Aufwand sindauch Aspekte, die dem Individuum zugute kommen.Darüber hinaus kann der Zugang zu Bildungs-maßnahmen bzw. auf den Arbeitsmarkt erleichtert,die Anerkennung von Elementen einer Bildungs-maßnahme bzw. Berufsausbildung ermöglicht odereine persönliche Entwicklung angestossen werden.

Es handelt sich bei diesem für jeden zugänglichenSystem aber nicht um ein Qualifizierungsinstrument,

4.1 National VocationalQualifications (England, Wales)und „TRANSFINE“

Patricia Davies, Sheffield,Großbritannien

Das Impulsreferat von Patricia Davies setzt sich auszwei Teilen zusammen. Im ersten Teil werden Grund-strukturen und Verfahren der englischen „NationalVocational Qualifications“ (NVQ) dargestellt, imzweiten Teil wird das europäische Verbundprojekt„TRANSFINE“ skizziert.

Die Entwicklungen des Bildungssystems in Groß-britannien sind in den vergangenen zwei Jahrzehntendurch zunehmende Diversität in den LandesteilenEngland, Nordirland, Schottland und Wales gekenn-zeichnet, so dass von einer gemeinsamen Entwick-lung in Großbritannien nicht die Rede sein kann. Diefolgenden Ausführungen erstrecken sich im Wesent-lichen auf die englischen Verhältnisse.

Eine systematische Darstellung des Umgangs mitinformellen Lernprozessen ist insofern schwierig, alskeine Eindeutigkeit im Umgang mit der Terminologiebesteht. Für die Erkennung bzw. Anerkennunginformellen Lernens existieren in verschiedenen Berei-chen, Landesteilen, aber auch Ländern unterschied-liche Bezeichnungen. Problematisch ist dabei insbe-sondere die Verwendung derselben Bezeichnung mitvoneinander abweichenden Bedeutungen. Zu nennensind „Accreditation of Prior Learning“ (APL) für denTransfer von Zertifikaten aus einem Bereich in einenanderen Bereich,

- „Accreditation of Prior Experiential Learning“ alsAnerkennung erfahrungsbasierten Lernens im forma-len Bildungssystem (APEL),- „Assessment of Prior Experiential Learning“ alseigentlicher Bewertungsprozess erfahrungsbasiertenLernens im Rahmen des Erkennens und/oder Aner-kennens von Lernleistungen,- „Accreditation/recognition of work-based learning“als Anerkennung bzw. Erkennung arbeitsbezogenerLernprozess (ABWL),- „Recognition of non-formal or informal learning“als diffuse Bezeichnung für die Erkennung non-formaler oder informeller Lernprozesse.

Hinter diesen Abkürzungen verbergen sich landesweiteine Vielzahl verwendeter Ziele, Verfahren und

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

„internal assessor“ begleitet. Dessen Arbeitsweisewird von einem „external assessor“ überprüft.

Ein zunehmendes Problem der NVQ besteht darin,dass Funktionsanalysen und daraus abgeleiteteKompetenzstandards im Laufe der Zeit zunehmendumfangreicher, komplexer und damit schwierigerhandhabbar geworden sind. Darüber hinaus müssendie im Rahmen einer beruflichen Ausbildung beste-henden curricularen Vorgaben (Input) mit den Kompe-tenzstandards der NVQ-Handbücher (Output) in Ein-klang gebracht werden.

Hinzu kommt aber auch der eher technische Sprach-gebrauch in den Handbüchern, der die alleinigeHandhabung durch den Kandidaten im Regelfall un-möglich macht. Aus diesen Punkten leitet sich dieNotwendigkeit der intensiven Begleitung und Bera-tung des Kandidaten ab.

Neben den durch die aufwändige Organisations-struktur bedingten Kosten des Verfahrens – vielfachist das Absolvieren einer Bildungsmaßnahme finanziellgünstiger als das NVQ-Verfahren - besteht ein wei-teres grundsätzliches Problem in der Unmöglichkeit,bestimmte Kompetenzen, über die Personen realverfügen, im Kontext ihrer jeweiligen Arbeitssituationdarstellen zu können. Diese Schwierigkeit verschärftsich mit jedem Anstieg auf die nächsthöhere Quali-fikationsstufe.

In der bisherigen Praxis werden daher auch dieQualifikationsstufen 2 und 3 am häufigsten erworben.Dies hängt auch damit zusammen, dass Personen,die den Erwerb der Qualifikationsstufe 1 anstreben,im Regelfall in der Lage sind, auch Stufe 2 erfolgreichzu absolvieren. Daraus resultieren aktuelle Diskus-sionen um eine Veränderung dieser Stufen.

Im zweiten Teil ihres Referates gibt Patricia Davieseinen kurzen Überblick über das europäische Ver-bundprojekt TRANSFINE („Transfer between formal,informal and non.formal education – siehe auchwww.transfine.net), das sich mit dem Thema „Brü-ckenbildung zwischen Qualifikationen: Transfer- undSammelsysteme von Bildungskreditpunkten imRahmen des lebenslangen Lernens“ beschäftigt.

Vor diesem Hintergrund werden auf transnationalerEbene mehrere Schwerpunkte bearbeitet:

- fortgesetzte und intensivierte Reflektion über bislangvollzogene Entwicklungen hinsichtlich ihrer kurz- undmittelfristigen Bedeutung für die Bildungspraxis,

sondern um ein reines Bewertungsinstrument. Diebranchenbezogenen Standards orientieren sich dabeinicht an einem inputorientierten Curriculum, sondernbasieren auf outputorientierten Formulierungen vonLernergebnissen bzw. Kompetenzen, über die einKandidat zum Erwerb einer vollständigen NVQ odereiner ihrer Einheiten verfügen muss. Dabei sind das„Wie“ und das „Wo“ des Erwerbs irrelevant, vonBedeutung ist lediglich das „Was“. Zugrunde liegt dieAnnahme, dass alle für eine Berufsausübung relevan-ten Verhaltensweisen i.S. von Kompetenzen gemes-sen werden können. Damit gemeint sind nebenpraktischen Fähigkeiten auch fallorientiertes undtransferbezogenes Wissen. Letzteres ist insbesonderefür die höheren Qualifikationsstufen von Bedeutung.Die Beurteilung kann dabei anhand unterschiedlicherVerfahren erfolgen und ist immer dann möglich, wennsich ein Kandidat dazu in der Lage fühlt. Es gibt alsokeine verbindlichen Prüfungstermine.

Eine NVQ setzt sich aus mehreren Einheiten zusam-men, die sich ihrerseits aus mehreren Kompetenz-elementen zusammensetzen. Für jedes dieser Kom-petenzelemente werden Performanzkriterien vorge-geben, die bei der Bewertung des Kandidaten heran-zuziehen sind. Angegeben ist darüber hinaus auchdie erforderliche Form und der Umfang von Kompe-tenzbelegen. Möglich ist dabei die Kombinationunterschiedlicher Belege, d.h. von Belegen überaktuell verrichtete Tätigkeiten, Belegen über Leistun-gen, die zu einem früheren Zeitpunkt erbracht wurden,oder sogenannten Ergänzungsbelegen, welche diebeiden anderen Belegformen ergänzen. Gemeint sinddamit beispielsweise Beurteilungen durch denArbeitgeber.

Die Aufbauorganisation und die damit verbundeneQualitätssicherung beruht auf einer differenziertenStruktur, an deren Spitze die „Qualifications andCurriculum Authority“ (QCA) als oberstes Entschei-dungs- und Überwachungsorgan steht.

„Lead bodies“ sind auf Branchenebene zuständig fürdie Definition und Formulierung von Kompetenzen.Auf der Grundlage von Funktionsanalysen existierendiese derzeit für elf unterschiedliche Berufsfelder.„Awarding bodies“ werden durch die QCA akkreditiertund vergeben die NVQ.

In „Assessment centres“ erfolgt die eigentliche Bewer-tung der in einem Portfolio zusammengetragenenKompetenzbelege. Die Erstellung des Portfolios istbeispielsweise in einem Unternehmen, einer Univer-sität, einem College möglich und wird von einem

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

- Förderung eines gemeinsamen Themenverständ-nisses unter den Projektpartnern,

- Sammlung, Beschreibung und Analyse der Erfah-rungen aus den Programmen Sokrates, Leonardo undYouth,

- Formulierung von Anforderungen für einen inte-grierenden Ansatz des Erkennens, Sammelns undTransferierens von Lernleistungen,

- Umsetzbarkeit eines Verfahrenssets mit experimen-tellem Charakter,

- Formulierung von Voraussetzungen bzw. Entwicklungvon Prinzipien und Methoden zur Sammlung bzw. zumTransfer von Bildungskreditpunkten für unterschied-liche Wissens- und Kompetenzarten unabhängig vonihrer Aneignungsweise,

- Entwicklung von Pilotprojekten.

Die bisherige Recherche hat zunächst eine Reiherelevanter Initiativen und Projekte sichtbar gemacht.Auf nationaler Ebene handelt es sich im Regelfall zwarum konkurrierende Ansätze, vielfach basiert dieEntwicklung neuer Ansätze mittlerweile jedoch aufder Grundlage europaweit ausgetauschter Erfah-rungen. Diese nationalen Initiativen gründen sichhäufig auf bestehende Qualifizierungsrahmen bzw.gesetzliche Vorschriften und fokussieren den beruf-lichen Bereich.

Obwohl auf europäischer Ebene derzeit kaum gemein-same Instrumente existieren, lassen sich trotzdemElemente für eine europäische Architektur erkennen.Zu nennen sind hier die Formulierung grundlegenderVerfahrensprinzipien, eine darauf beruhende Kon-sensbildung, die verbundförmige (Weiter-)Entwick-lung von Instrumenten, deren Ausrichtung auf Lern-outcome, die freiwillige Nutzung der Verfahren, Un-kompliziertheit und Entwicklungsfähigkeit derVerfahren, die Verbindung mit einem individuellenEntwicklungsplan, ein System zur Sicherstellung vonTransparenz und Qualität, sowie geeignete Beratungs-bzw. Unterstützungsstrukturen für die Individuen.

Spannungslinien bestehen dabei im Verhältnistraditioneller, d.h. auf Input gerichteter Bildungssys-teme und der output- bzw. kompetenzorientiertenAusrichtung neuer Verfahren sowie dem Verhältnisvon Bottom-up- zu Top-down-Entwicklungen. Von Be-deutung sind aber auch Fragen der Befugnis und des

Prozesses der Akkreditierung von Lernleistungen, derStandardisierung bzw. Flexibilität in der Erfassung undBewertung von Lernleistungen und ob es sich lediglichum retrospektiv zusammenfassende oder um pro-spektiv lenkende Verfahren handeln soll. Ebenfallsklärungsbedürftig sind finanzielle Aspekte und dieFrage des Verfahrenszugangs.

Deutlich formuliert werden können derzeit hingegendie mit APEL-Verfahren in Europa verfolgten Ziele:

• Zusammenstellung für bzw. Ausrichtung vonWissen und Kompetenzen auf gestellte Arbeitsan-forderungen (Beschäftigungssystem), formale Qualifi-kationen des formalen Bildungssystems (Bildungs-system) oder sonstige persönliche Ziele (Persön-lichkeit),

• vereinfachter Zugang und beschleunigterDurchlauf von Bildungs- / Qualifikationsmaßnahmen,

• Förderung von Bildungskontinuität und Bil-dungsmobilität in Europa.

Beispiele hierfür sind das auf transkribierten Arbeits-leistungen Studierender beruhende „European CreditTransfer System“ (ECTS), das aus sechs Kompe-tenzstufen für fünf Bereiche bestehende und aufeinen europäischen Referenzrahmen gestützte „Euro-päische Sprachenportfolio“ (ESP), der „Euro-PassBerufsbildung“ oder der „Europäische Lebenslauf“(EU-CV).

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

4.3 CH-Q Kompetenz-ManagementModell. Bildungs-, Beratungs-angebote mit integriertenPortfolio- und Nachweisinstru-mentarien

Anita Calonder-Gerster, Zumikon,Schweiz

1 Rahmen:CH-Q Schweizerisches Qualifikations-programm zur Berufslaufbahn

1.1 Hintergrund

Was ist CH-Q? CH-Q ist die Abkürzung für „Schwei-zerisches Qualifikationsprogramm zur Berufslauf-bahn“. Es umfasst ein Gesamtangebot, das sich mitFähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen vonEinzelpersonen beschäftigt. Zentrale Aufgabe dabeiist die Entwicklung und Verankerung von kompetenz-gerichteten Konzepten und Systemen in berufsrele-vanten Anwendungsbereichen. Das CH-Q Kompetenz-Management Modell ist Teil des CH-Q Gesamtan-gebots.

Was bezweckt CH-Q? Hautpanliegen von CH-Q istdie nachhaltige individuelle Weiterentwicklung inBildung und Beruf von Jugendlichen und Erwachsenensowie die Förderung ihrer beruflichen Flexibilität undMobilität. Im Vordergrund stehen die Erfassung, dieBeurteilung und die Validierung von fachlichen undfachübergreifenden Kompetenzen, erworben aufformelle und nicht-formelle Art in allen Lebens-bereichen.

Was bewirkt CH-Q? CH-Q unterstützt und fördertlebenslanges Lernen, schlägt Brücken zwischenAusbildung und Beschäftigung, schafft die Voraus-setzungen für berufliche und persönliche Weiterent-wicklung, eröffnet Perspektiven für neue Bildungs-und Berufswege und fördert die Anerkennung vonLeistungen in allen Lebensbereichen. Ein besonderesAugenmerk gilt der Gleichstellung der Geschlechter.

Wer trägt die Verantwortung?Verantwortlicher Träger für das Gesamtangebot CH-Q ist der Verein: Gesellschaft CH-Q SchweizerischesQualifikationsprogramm zur Berufslaufbahn Associa-tion CH-Q Programme suisse de qualification pour leparcours professionnel Associazione CH-Q Program-

ma svizzero die qualifiche per il percorsoprofessionale.Angeschlossener Partner ist der Schweizerische Ver-band für Berufsberatung (SVB) Association suissepour l‘orientation scolaire et professionnelle (ASOSP)Associazione svizzera per l‘orientamento scolasticoe professionale (ASOSP).

Die Gesellschaft CH-Q ist kein Anbieter, sondern alsNonprofit-Organisation zuständig für Rahmenbedin-gungen, Entwicklung, Qualitätssicherung und Koor-dination. Sie wird in der Umsetzung ihrer Ziele unte-stützt von Entscheidungssträgern des Schweizeri-schen Bildungssystems, der Sozialpartner.

1.2 Bildungsinitiative

Wie entwickelte sich CH-Q? 1993 Anstoß zu einernationalen Bildungsinitiative. Gemeinsames Vorgehenvon Exponenten der Weiterbildung, der Berufsbera-tung, aus Frauenorganisationen, aus Politik für dieInitiative zur:

- Flexibilisierung der Bildungswege;

· Gleichwertigkeit von formellen und informellen Kompetenzen/ Lernleistungen;

· Schaffung von Nachweisinstrumentarien.

Gleichlautender Vorstoß im nationalen Parlamentdurch die beteiligte Gruppe von Parlamentariern ausallen Parteien.

Ergebnis: Auftrag des Bundesrates an das Bundesamtfür Berufsbildung und Technologie BBT, zwei Projektein die Wege zu leiten zur Schaffung:

· eines modularen Aus- und Weiterbildungssystems(Baukasten);

· eines Angebotssystems zur Erfassung, Beurteilung,Anerkennung informeller Kompetenzen samt Begleit-instrumenten (CH-Q).

1996-98 Durchführung der Projekte unter der ge-meinsamen Verantwortung der Trägerorganisationen· Bund Schweizerischer Frauenorganisationen und· Schweizerische Gesellschaft für angewandte Be-rufsbildungsforschung

1998 Fertigstellung der Grundlagen zum Kompetenz-Management Modell.Start der Kurse für Ausbildungs- und Beratungs-fachleute. Ziel: Vermittlung der Inhalte des Kompe-tenz-Management Modells nach festgelegten Quali-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

tätskriterien.

1999 Abschluss der Projektphase und Gründung desVereins „Gesellschaft CH-Q-Schweizerisches Qualifi-kationsprogramm zur Berufslaufbahn“.

Seit 1999 Herstellung und Vertrieb einer Produkte-reihe mit Instrumenten und Manualen für Jugendlicheund Erwachsene als Anwendende, für Lehrpersonen,Personal- und Ausbildungsverantwortliche in Unter-nehmen und Institutionen.

Wer ist beteiligt an CH-Q? Die Verwirklichung der Zieleerfolgte und erfolgt auch heute in einem gezieltenZusammenwirken der beteiligten Gruppen.

Beteiligte:· Organe des Vereins Gesellschaft CH-Q;· Kooperationspartner in Berufs- und Branchen-

verbänden sowie· Behörden (bildungspolitische Ebene);· CH-Q Anbieter in Wirtschaft, Verwaltung, Bildung

und Beratung (institutionelle Ebene);· Qualifizierte Fachleute (inhaltliche Ebene);

– für Entwicklung und Qualitätspflege;– für die Vermittlung der Inhalte und Bildung undBeratung;

· Anwendende/Klienten (individuelle Ebene);auf allen Stufen und in unterschiedlichen Lebens-bereichen.

Partner auf bildungspolitischer und institutionellerEbene sind bisher rund zwei duzend nationale Orga-nisationen ideell angeschlossen oder wirken aktivmit, u.a. das Bundesamt für Berufsbildung undTechnologie (BBT), das Staatssekretariat für Wirt-schaft(seco), der Schweizerische Arbeitgeberverband,der Schweizerische Gewerbeverband SGV, derSchweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), die Ge-werkschaft Syna, der Bund Schweizerischer Frauen-organisationen, der Schweizerische Verband für Be-rufsberatung (SVB) sowie Bildungsträger und For-schungsstellen.

1.3 Führung

Management, WeiterentwicklungWie erfolgt die Finanzierung?

Das CH-Q Qualifikationsprogramm zur Berufslaufbahnwird durch die verschiedenen Akteure mitfinanziert:u.a. durch Mitgliederbeiträge, durch Gebühren imRahmen der Umsetzung des CH-Q Kompetenz-mana-gement Modells, d.h. durch Gebühren für die Vergabe

von Zertifikaten auf Ausbilder- und Anwenderebene,für die Anerkennung von CH-Q Angeboten (Module)der Anbieter/Veranstalter, für Lizenzen (Ausland).Weitere Erlöse ergeben sich aus dem Verkauf derProdukte.

Das Marketing erfolgt im Zusammenwirken derverschiedenen Akteure und umfasst die Aufgaben· Information und Öffentlichkeitsarbeit;· Eine nationale Plattform für den offenen Dialog

zur Bewusstseinsbildung für neue Formen vonKompetenzbewertungen und Qualifikationsver-fahren und deren Akzeptanz zu schaffen;

· Aufbau eines Netzwerks von Fachleuten für dieWeiterentwicklung von CH-Q;

· Herstellung und Vertrieb von Produkten.

Welches sind die Impulse für die Weiterent-wicklung?

Die Weiterentwicklung und Verbreitung erfolgt u.a.durch Projekte· Verbreitung von CH-Q in der Volksschule (Ober-

stufe), Grund-, Weiter-, Erwerbslosen-, innerbe-trieblichen Bildung und der Personalentwicklung;

· Weiterentwicklung der Inhalte, Mittel und Ver-fahren in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus derErziehungswissenschaft und der Praxis und unterder Verantwortung der CH-Q Kommission für Ent-wicklung;

· Pflege der Qualitätssicherung unter der Verant-wortung der CH-Q Kommission für Qualitäts-sicherung.

2 Anwendung:CH-Q Kompetenz-Management Modell

2.1 Grundlagen / Gesamtkonzept

Was ist das CH-Q Kompetenz-Management Modell?Das CH-Q Kompetenz-Management Modell ist einoffenes und flexibles System zum eigenverantwort-lichen und nachhaltigen Selbstmanagement vonKompetenzen. Es beinhaltet:

· ein Rahmenkonzept für Bildungs- und Beratungs-angebote;

· Begleitinstrumente zur Erfassung und zum Nach-weis von Kompetenzen;

· Rahmenbedingungen zur Gewährleistung derQualität;

- Referenzgrundlagen, die die Entwicklung undModell-Anwendung definieren.

Welches sind die Kernanliegen?

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Ziel: Im Vordergrund steht die Befähigung von Einzel-personen oder Gruppen als Anwender· mit ihrem Potenzial bewusst, realitätsbezogen und

eigenverantwortlich umzugehen;· das Management ihrer Fähigkeiten, Kompetenzen

und Qualifikationen nachhaltig in die Hand zunehmen;

· ihre Laufbahn gezielt, d.h. ressourcen- und lö-sungsorientiert zu gestalten.

Zweck ist die nutzbringende Optimierung vorhandenerStärken und ihre Umsetzung in Qualifikationen (Vali-dierung). Aufgabe dabei ist es, die persönliche Iden-tität zu festigen, das vorhandene Potenzial praxisnahin Einklang zu bringen mit den Anforderungen undVeränderungen in der Ausbildung und auf demArbeitsmarkt, sowie den Transfer individueller Kompe-tenzen zwischen Privatalltag, Bildung und Erwerbs-tätigkeit zu unterstützen.

Welche Produkte stehen zur Verfügung?

Rahmenkonzept für CH-Q Bildungs- und Bera-tungsangebote, d.h.

· erprobte Inhalte, Methoden, Verfahren für dieadressatengerechte Anpassung und Anwendungim Tätigkeitsbereich des Anbieters/Veranstalters;

· Ausbildungssystem für Fachleute in Bildung undBeratung durch lizenzierte Anbieter;·Rahmenbaukasten, Standardmodule zur Inte-gration der CH-Q Angebote in ein Netz von ver-knüpfbaren Anwendungsbereichen;

· System der Qualitätsentwicklung und -sicherung.

Begleitinstrumente, d.h. aufeinander abgestimmte,miteinander kombinierbare Instrumente zur Benut-zung im Selbstverfahren oder in gesteuerten Lernpro-zessen, z.B.:· Persönliches Portfolio zur Weiterentwicklung in

Bildung und Beruf: „Schweizerisches Qualifika-tionsbuch“, Jugendportfolio (in Arbeit): Es ist– eine Grundlage für das Dokumentieren und

Reflektieren (berufsbiografischer Prozesse;– ein Instrument zur Laufbahngestaltung und

-begleitung.· Spezifische Nachweis-Dossiers

– zum Erwerb von bestimmten Abschlüssen in derBildung: z.B. „Dossier Kompetenz-Nachweiszum Erwerb des eidgenössischen Fachauswei-ses Ausbilder(in)“; z.B: „Dossier Kompetenz-Nachweis zum Erwerb des FähigkeitszeugnissesHaushaltökonomIn“; z.B. Dossier für die Aner-kennung früherer Leistungen im Pflegebereichdurch das Schweizerische Rote Kreuz;

- für Weiterqualifizierungen im Beruf (Bewer-

bungen, Beförderungen);· Ausweis-Mappen für formelle Belege/Beschei-

nigungen von Arbeitgebern, Schulen, Bildungsträ-gern, Institutionen;

· Arbeitsmaterialien für Begleitfachleute (Manuale)und Anwendende.

Welches sind die Kernmerkmale der Produkte?

Alle Produkte fügen sich in den Gesamtrahmen undsind gekennzeichnet durch:· Kohärenz: aufeinander abgestimmte Ausge-

staltung aller Teile [unité de doctrine] auf der Basiseiner gemeinsamen, einheitlichen Sprache (Iden-tität);

· Adressaten- und Praxisorientierung: Ausrichtungauf Bedürfnisse der Zielgruppen, Berücksichtigungvon Forschungserkenntnissen im Fachbereich, Be-zug zu Entwicklungen in Pädagogik, Wirtschaft,Gesellschaft, Kultur;

· Modulare Ausgestaltung: Flexible und einfacheVernetzung mit anderen bestehenden Program-men, Instrumenten, Konzepten im jeweiligen An-wendungsbereich.

Qualitätssicherung

Welches sind die Rahmenbedingungen? Die Vermitt-lung der Angebote erfolgt nach verbindlichen Kriterien.Maßgebend für die Qualität sind die Grundsätze undRichtlinien der Gesellschaft CH-Q. Sie stützen sichauf die internen verabschiedeten Standards. Siebestimmen

· das Niveau und die Qualität der Angebote;· die Organisation und Durchführung der Angebote.

CH-Q Kommission für Qualitätssicherung

Verantwortlich für Betreuung und Überwachung derQualität ist die von der Mitgliederversammlung CH-Qeingesetzte Kommission für Qualitätssicherung. Sieüberprüft die Erfüllung der Qualitätsanforderungen.Dazu gehört u.a. die Begutachtung der Angebote, bzw.der Programme und Instrumente.

Die Mitglieder der CH-Q Kommission für Qualitäts-sicherung verfügen über eine abgeschlossene Ausbil-dung im CH-Q Kompetenz-Management, über Kennt-nisse im Bereich von Bewertungs- und Qualifikations-verfahren und sind in leitender Stellung tätig.

Die Weiterentwicklung der Angebote ist bedarfs-, ziel-und qualitätsorientiert.

Die Angebote werden periodisch auf ihre Wirksamkeitund die eingesetzten Mittel überprüft. Dazu arbeitenFachleute aus Wirtschaft, Pädagogik, angewandter

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Forschung und Bildungsbehörden mit der GesellschaftCH-Q zusammen. Verantwortlich für den BereichEntwicklung ist die vom Vorstand eingesetzte CH-QKommission für Entwicklung. Sie setzt sich zusammenaus qualifizierten und erfahrenen CH-Q Ausbildungs-und Beratungsfachleuten mit leitender Funktion inihrer Institution.

2.2 CH-Q Bildungs- und BeratungsangeboteAdressaten

Welche Personen sind angesprochen?

Die Bildungs- und Beratungsangebote zum CH-QKompetenz-Management Modell richten sich grund-sätzlich an einen breiten Kreis von Anwendendenunabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Bildungsstand,ihrem Beruf, ihrer Stellung. Angesprochen sind Ju-gendliche und Erwachsene:· in der obligatorischen und nachobligatorischen

Schulstufe;· in der Erstausbildung/Grundbildung, Weiterbildung,

Nachholbildung;· an den Schnittstellen Schule/Bildung-Beruf, Nicht-

erwerbstätigkeit/Erwerbstätigkeit oder beim Wieder-einstieg;

· im Erwerbsleben.

Welche Struktur steht zur Verfügung?

Das CH-Q Kompetenz-Management-Modell ist ineinen Bildungsbaukasten integriert. Er entspricht denQualitätskriterien der Gesellschaft CH-Q und enthält:· Standardmodule für Anwender;· Standardmodule für die Ausbildung der Ausbil-

dungs- und Beratungsfachleute CH-Q.

Die CH-Q Standardmodule· sind durchlässig gestaltet mit Zugängen von der

Anwender- zur Ausbilderebene (u.a. Gleichwer-tigkeitsüberprüfungen);

· verbinden Kurs-/Seminar-/Workshoptage mitSelbststudium;

· sind auf konkrete Umsetzungsschritte ausgerichtet;· schließen mit einem Qualifizierungsschritt ab

(Kompetenznachweis).

Für die Entwicklung und Vermittlung der Angebotesind Fachleute zuständig:

· die eine Ausbildung für CH-Q Ausbildungs- und/oder Beratungsfachleute besucht und abge-schlossen haben;

· die bereit sind, das CH-Q Kompetenz-ManagementModell in der Begleitung und Beratung vonMenschen einzusetzen.

Die Angebotskonzepte werden von den Fachleutenwährend ihrer CH-Q Ausbildung entwickelt. DieKonzeptumsetzung erfolgt als Pilotdurchführungwährend der Ausbildung. Sie wird von der Kursleitungund einer(m) Delegierten der CH-Q Kommission fürQualitätssicherung überprüft und bewertet und giltals Kompetenznachweis (Lernzielüberprüfung).

Wie erfolgt die Zertifizierung?

Der erfüllte Kompetenznachweis führt zu einemZertifikat der Gesellschaft CH-Q. Die Zertifikatsvergabeerfolgt auf Antrag der Kommissions-Delegierten durchdie CH-Q Kommission für Qualitätssicherung.

Ausbildungs- und Beratungsfachleute können dasZertifikat auf der Anwenderstufe (Basisstufe) weiterge-ben. Sie reichen dazu zusammen mit der veranstal-tenden Institution (Anbieter) bei der CH-Q Kommissionfür Qualitätssicherung ein Dossier zur Anerkennungihres CH-Q Angebots (Modul) ein. Die Anerkennungdes Angebots führt zur Vergabe des QualitätslabelsCH-Q.

Welche Grundsätze bestimmen die Ausge-staltung der Angebote?

Für die inhaltliche Gestaltung der Angebote sindfolgende Grundsätze wegleitend: Prinzip ‚Ganzheit-lichkeit‘ (bildungspolitische/institutionelle Ebene);· die Verbindung von verschiedenen Lebens-/

Tätigkeitsbereichen;· die Verknüpfung von kultureller, allgemeiner,

beruflicher Bildung;· die Gleichwertigkeit von formalem Lernen und

Lernen in der Praxis;· den Einbezug aller Kompetenzarten (Fach-,

Methoden-, Sozial-, Selbstkompetenzen);· die Beachtung der Chancengleichheit.

Prinzip ‚Lebensbegleitendes Lernen‘ (individuelleEbene)· die Erweiterung des Bewusstseins zu den eigenen

Möglichkeiten (Selbstkonzept);· die Erweiterung der Handlungskompetenz (Selbst-

steuerung);· die Erweiterung der beruflichen Flexibilität/Mobilität

(nachhaltige Arbeitsmarktfähigkeit).

Welche Inhalte sind vorausgesetzt?

Die Anwendung des Kompetenz-Managements setztdie Auseinandersetzung mit folgenden Inhaltenvoraus:

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

· Erfassen und Belegen von Fähigkeiten, Kompe-tenzen aus allen Lebensbereichen. Es geht darum,vorhandene Ressourcen bewusst und Leistungensichtbar zu machen.

· Beurteilen von Fähigkeiten, Kompetenzen durchSelbst- und Fremdbeurteilung. Es geht darum,Fähigkeiten, Kompetenzen zu hinterfragen,einzuschätzen, zu evaluieren und zu bewerten.

· Nachweisen von Kompetenzen im Hinblick aufAnerkennungen/Validierungen. Es geht darum,Kompetenzen in Beziehung zu Anforderungen zusetzen (Bewerbungen, Qualifikationsverfahren).

Der Lernprozess erfolgt in Etappen und schließt u.a.die Biografiearbeit (Werdegang/Inventar), dieErfassung des Potenzials (Analyse von Handlungen),die Erstellung des aktuellen Profils (Synthese) ein.Die Inhalte, bzw. Lernprozesse führen zu einer aus-führlichen Bestandsaufnahme und zu einer Bilanz derKompetenzen.

Welches Vorgehen ist zu berücksichtigen?

Das Vorgehen umfasst drei miteinander verknüpfteHandlungen/Arbeitsweisen:· Dokumentieren, d.h. systematisches Festhalten,

Zusammenstellen, Ordnen der Daten und Fakten;· Reflektieren, d.h. periodisches Überdenken der

Entwicklungsschritte, Auswerten von Lern-, Berufs-und Lebenssituationen und das Ableiten vonSchlussfolgerungen;

· Planen, Realisieren, d.h. lösungsorientiertes,situationsgerechtes Vorbereiten und Umsetzen vonWeichenstellungen (Perspektiven, Ziele, Maß-nahmen, Aktionsplan).

Das Vorgehen resultiert in einem persönlichenPortfolio und/oder Dossier für spezifische Kompetenz-nachweise (Bewerbungen, Aufnahmeverfahren inLehrgänge, Gleichwertigkeitsbeurteilungen).

Welche methodisch-didaktischen Leitlinien sindzu beachten?

Für die Vermittlung der Inhalte gelten folgendemethodisch-didaktische Leitlinien:· Prozessorientiertes, individualisiertes Lernen,· Handlungsorientiertes Vorgehen,· Berücksichtigung der Methodenvielfalt unter

Einbezug unterschiedlicher Verfahren zur Selbst-und Fremdbeurteilung.

Organisation

Welches ist die Angebotsform ?Die Angebote sind als Lernveranstaltung, als Einzel-oder Gruppenberatung organisiert. Sie beachten inForm und Organisation die Kriterien:· der Transparenz: klare und vollständige Informa-

tion, Dokumentation;· der Partnerschaft mit dem/der Teilnehmenden:

Vereinbarungen zu den Teilnahmebedingungen(Voraussetzungen, Rechte, Pflichten);

· der Zielgruppenorientierung: angepasste Lernziele,-schritte, Grundlagen. In der Bekanntgabe derAngebote (Ausschreibung, Werbung) sind dieseGrundsätze in entsprechender und verständlicherForm wiedergegeben.

Welches sind die Anforderungen an die Ange-botsdurchführung?

Die Bildungs- und Beratungsangebote zum CH-QKompetenz-Management Modell werden von institu-tionellen Veranstaltern (Institutionen, Organisationen)oder individuellen Anbietern und Anbieterinnen(Beratende, Kursleitende) durchgeführt. Sie sind vonder Gesellschaft CH-Q anerkannt (Anerkennungs-verfahren zum Angebot).

Folgende Anforderungen bestimmen die Organisationund Durchführung der CH-Q Bildungs- und Beratungs-angebote:· Einhaltung der Grundlagen und Richtlinien der

Gesellschaft CH-Q;· Transparenz in der Darstellung des Angebots

bezüglich Rahmenbedingungen;· Zielsetzungen, Inhalt und Gestaltung gegenüber der

Gesellschaft CH-Q und in der Ausschreibung;· Einsatz von qualifizierten Ausbildungs- und

Beratungsfachleuten CH-Q für die Vermittlung derAngebote.

URL: www.ch-q.ch ,Kontakt: Geschäftsstelle CH-Q, Dorfstrasse 116,

8706 Meilen, Tel.: +41-1-793 17 99, Fax: +41-1-923 07 10

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

bereits bestehenden Ansätzen entstehen sollte, son-dern vielmehr ein übergreifender Rahmen geschaf-fen wird, in dem andere Bildungspässe aufgehen undvor dessen Hintergrund sie weiter entwickelt werdenkönnen. Die vorgestellten Modelle aus der Schweizund aus Südtirol weisen darauf hin, dass diese Of-fenheit in besonderem Maße für die BildungsbereicheSchule und Erstausbildung Gültigkeit besitzt.

Neben der Anschlussfähigkeit für unterschiedlicheBildungsbereiche wurde aber auch eine Offenheit fürdas persönlichkeitsbildende Zusammenspiel von all-gemeiner und beruflicher Bildung angesprochen. Ins-besondere die betrieblichen Vertreter sahen keinenWiderspruch, sondern vielmehr die Möglichkeit einersinnvollen Ergänzung beider Aspekte.

Konsens bestand im Arbeitskreis auch darüber, dassdie Zielsetzungen des Bildungspasses primär in derIdentifizierung und Dokumentation von Kompeten-zen zu sehen sind. Ein über den Schritt des Erken-nens hinausgehender Schritt der Anerkennung, d.h.Zertifizierung von Kompetenzen, erscheint in der Bun-desrepublik Deutschland allerdings erst langfristigrealisierbar. Möglicherweise entsteht ein politischerHandlungsdruck dann, wenn eine Vielfalt erkannterund dokumentierter, aber noch nicht zertifizierterKompetenzen in der Bevölkerung sichtbar gemachtwird. Von besonderer Bedeutung für das Gesamtvor-haben ist dabei die Abstimmung mit betrieblichenInteressen, für die es beispielsweise im Rahmendeutsch-französischer Kooperationen bereits ermu-tigende Ansätze gibt. Bisher durchgeführte betriebli-che Experteninterviews und die Hinweise der Unter-nehmensvertreter aus dem Arbeitskreis belegen dasInteresse der Unternehmen, das Instrument Bil-dungspass aufzugreifen.

Als verlässliche Grundlage für die Zusammenarbeitmit Betrieben erscheint die Orientierung an einemReferenzrahmen zur Identifizierung von Kompeten-zen denkbar und hilfreich. In dem oben angespro-chen Fall der grenzüberschreitenden Kooperationhandelt es sich um den Referenzrahmen des Euro-päischen Sprachenportfolios, in dem sechs Kompe-tenzstufen in fünf Anwendungsbereichen eingesetztwerden. Ein weiteres Beispiel für einen solchenReferenzrahmen und die Weiterentwicklung dessel-ben ist der Europäische Computerpass (X-pert), beidem mit einem laufend angepassten Syllabus gear-beitet wird.

4.5 Kommentierte Berichterstattung

Ingrid Schöll,Leiterin der Volkshochschule des Stadt-verbandes Saarbrücken

Einleitend sollen kurz die Zielsetzungen des Arbeits-kreises „Intentionen und Funktionen von Bildungs-pässen" erwähnt werden. In diesem Arbeitskreis wur-den verschiedene Ziele verfolgt. Zum einen solltendie für einen Bildungspass relevanten Zielsetzungenermittelt, und zum anderen sollte über notwendigeStrukturen zur Realisierung dieser Zielsetzungen beider Implementation diskutiert werden.

Aus den durch das Konsortium vorgestellten Ergeb-nissen der Machbarkeitsstudie und der Darstellungund anschließenden Diskussion der Ansätze des„Schweizerischen Qualifikationsbuches CH-Q“, des„Kompetenzenpasses“ aus Südtirol und der engli-schen „National Vocational Qualifications“ bzw. desProjektes „Transfer between formal, informal and non-formal education“ (TRANSFINE) ließen sich aus Sichtdes Arbeitskreises „Intentionen und Funktionen vonBildungspässen“ wesentliche Aspekte für die erfolg-reiche Etablierung eines Bildungspasses in der Bun-desrepublik Deutschland gewinnen. Angesprochenwurden dabei u.a. die Anschlussfähigkeit eines sol-chen Passes und die Einbindung aller gesellschaftli-chen Akteure, der Bildungspass als Instrument zurIdentifizierung bzw. Dokumentation von Kompeten-zen, Selbstreflexion und Profilbildung in den Händendes Lerners, die Orientierung an einem Referenz-rahmen, die Schaffung von Beratungsstrukturen, aberauch Fragen der Qualitätssicherung und des Marke-tings.

Zunächst ist aber darauf hinzuweisen, dass in denDiskussionen, die sich an die Impulsreferate an-schlossen, das Thema „Intentionen und Funktionenvon Bildungspässen" nicht losgelöst von Fragen der„Bewertung und Zertifizierung informell erworbenerKompetenzen“ bzw. der „Implementierung und Ak-zeptanz von Bildungspässen“ behandelt werden konn-te.

Einigkeit wurde im Arbeitskreis darüber erzielt, dassein bundesweit eingesetzter Bildungspass vor allemdann erfolgreich sein kann, wenn er offen ist für be-reits bestehende Passaktivitäten. Das bedeutet, dassmit diesem Bildungspass keine Konkurrenz zu den

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Es erscheint dabei sinnvoll, den Grundgedanken die-ser Ansätze aufzugreifen und für einzelne Bildungs-bereiche oder auch bildungsbereichsübergreifend ver-gleichbare Referenzmodelle, z.B. in Anlehnung anBerufsbereiche oder Branchen, zu entwickeln.

Das schweizerische Modell hat deutlich gezeigt, dasseine breite Akzeptanz für die Entwicklung und Ein-führung eines Bildungspasses dann hergestellt wer-den kann, wenn alle relevanten gesellschaftlichenAkteure möglichst frühzeitig aufeinander zugehen bzw.eingebunden werden. Hierauf können sich weiterevertrauensbildende Maßnahmen stützen. Die Notwen-digkeit frühzeitiger Konsensbildung für den Erfolg ei-nes solchen Vorhabens lässt sich ebenso bei der Ein-führung des englischen Systems der „NationalVocational Qualifications“ belegen. Ein solcher Kon-sens kann Signalwirkung für weitere Akteure habenund dann einen Sogeffekt auslösen. Besonders gutist dieser Effekt zu erzeugen, wenn die Verwendungdes Instrumentes durch veränderte Rahmenbedin-gungen unterstützt wird. In der Schweiz wurden bei-spielsweise durch zwei Teilprojekte die Entwicklungdes Schweizerischen Qualifikationsbuches CH-Q unddie Modularisierung im Berufsbildungssystem mitein-ander eng verzahnt.

Aufbauend auf diesen Überlegungen wurde im Ar-beitskreis auch darüber diskutiert, in wessen Händeein Bildungspass gehört. Die Antwort auf diese Fragelautete einstimmig, dass der Bildungspass in dieHände des Lernenden gehört. Vor dem Hintergrundzunehmend selbstorganisierter Lernprozesse und derZielvorstellung, die Identifikation und Dokumentati-on eigener Tätigkeiten und der damit verbundenenLernleistungen bzw. des Kompetenzerwerbs voran-zutreiben, erscheint dieses als die sinnvollste Lösung.Für die Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutsch-land ist zunächst ein Instrument zu schaffen, bei demdie Identifizierung, d.h. die Erkennung von Lern-leistungen und Kompetenzen als Hauptziel im Vor-dergrund steht. Richtet man den Blick auf die hete-rogene Passlandschaft in Deutschland, so lassen sichhier vielversprechende Ansätze erkennen. Ausgehendvon diesem Schritt kann dann langfristig der Blickauf die Anerkennung, d.h. die Zertifizierung informel-ler Lernleistungen und der damit verbundenen Kom-petenzen gerichtet werden. Sofern dies gelingt,wächst automatisch die Akzeptanz bestehender Ver-fahren der Kompetenzidentifizierung und –doku-mentation, darüber hinaus aber auch die Notwen-

digkeit einer Qualitätssicherung. Die Grundlagen da-für sollten bereits in der jetzigen Phase gelegt wer-den und sich weniger auf spezielle Messinstrumente,sondern vielmehr auf Verfahrensrichtlinien beziehen.Hinsichtlich der Ausgangsfrage „Welche Zielsetzun-gen werden mit dem Instrument „Bildungspass“ ver-folgt?“ bestand für den Arbeitskreis Einigkeit darüber,dass ein bundesweit eingesetzter Bildungspass mitBlick auf die gegenwärtig angespannte arbeitsmarkt-politische Situation nicht auf die Verwendung inBewerbungssituationen beschränkt werden darf. Dieerfolgreiche Bewältigung von Bewerbungssituationenist sicherlich ein wichtiges, jedoch nicht das einzigeZiel. Es geht für lernende Erwachsene insbesonderedarum – zunächst unabhängig von Bewerbungs-situationen –, ein eigenes und unverwechselbaresBildungsprofil zu erkennen, den Bildungspass daraufbezogen souverän und selbstbewusst zu handhabenund weiter zu entwickeln. Auf dieser Basis kann danneine auf verschiedenartige Anforderungssituationengerichtete und somit zielorientierte Zusammenstel-lung der im Bildungspass vorhandenen Belege fürLernleistungen und Kompetenzen i.S. einer Auswahlerfolgen. Eine Bewerbungssituation ist demnach einevon mehreren denkbaren Anforderungssituationen.Mit dem Aufbau eines Dokumentationswesens, dasin Deutschland bisher nur sehr partikular existiert,muss zudem eine gesellschaftliche „Kultur der Aner-kennung von Lernleistungen“ einhergehen. Dies giltfür den allgemeinbildenden Bereich genauso wie fürden berufsbildenden Bereich. Auch hier gibt es ersteAnsätze, im europäischen Vergleich besteht für dieBundesrepublik Deutschland jedoch ein deutlicherNachholbedarf. Diese „Kultur der Anerkennung“ istunter anderem deshalb notwendig, weil die etablier-ten Bildungs- und Berechtigungssysteme in Deutsch-land keine hinreichenden Antworten bereithalten fürdie Fragen von demografischer Alterung oder lebens-langem Lernen.

Ein gutes Beispiel dafür, wie eine vorausschauendeSicherung der gesellschaftlichen und ökonomischenGrundlagen durch umfassende Ausschöpfung vorhan-dener Potenziale gelingen kann, bieten skandinavi-sche Länder.

Insbesondere in Finnland existieren Strukturen einerKommunikations- und Anerkennungskultur von Lern-leistungen. Hier hat sich außerdem gezeigt, dass dieNutzenden hinreichend emanzipiert sind, um überdie jeweiligen Anwendungsformen ihres Bildungs-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Identifizierung und die damit einhergehende Reflek-tion des eigenen Bildungsweges von großer Bedeu-tung ist. Angesprochen ist die Begleitung bzw. dieBeratung des Passinhabers bei diesem Schritt. Hier-zu sollte für die Nutzenden eine geeignete Begleit-struktur zur Verfügung stehen. Auf der Ebene profes-sioneller Beratung erscheint hierzu die Entwicklungeines Qualifikationskonzeptes sinnvoll, da eine aufder Grundlage von Beraterschulungen stattfindendeBegleitung den Reflektionsprozess und die Identifi-kation von Lernleistungen bzw. Kompetenzen wesent-lich erleichtert. Diese Qualifikation kann, das zeigendie Erfahrungen mit dem Schweizerischen Quali-fikationsbuch CH-Q, in einem positiven Sinn niedrig-schwellig eingesetzt werden. Das bedeutet, dass einezeitlich begrenzte Schulung von wenigen Tagen pro-blemlos realisiert werden kann. Nachzudenken ist hieraber auch über die Fortführung bzw. Aktualisierungder einmal erworbenen Beratungskompetenz im Laufeder Zeit. Auch hier existieren bereits Modelle. Überdie Beratung im Einzelfall hinausgehend sollte mitder Einführung eines bundesweiten Bildungspasseszugleich auf die Schaffung einer „Beratungskultur“hingewirkt werden, die sich an bestehende Struktu-ren in Einrichtungen und Verbänden der Weiterbil-dung anlehnt.

In der Schweiz wurde mit der Einführung des Pass-systems auch ein sehr intelligenter Marketingwegeingeschlagen. Durch die Schulung potenzieller Mul-tiplikatoren haben auch Personen dieses Instrumentkennen gelernt, die es auf sich selbst gar nicht an-gewendet haben, aber für den Nutzen sensibilisiertwurden und es im Anschluss bei Betrieben bzw. So-zialpartnern bekannt gemacht haben.

Deutlich geworden ist auch, dass es in der augen-blicklichen Diskussion in Deutschland eine prinzipi-elle Offenheit gibt. Niemand lehnt die Einführung undNutzung des Instrumentes Bildungspass prinzipiell ab.Es gibt aber eine Reihe von offenen Fragen, die v.a.mit der Zertifizierung informell erworbener Kompe-tenzen zusammenhängen.

Vor dem Hintergrund der Entwicklung auf europäi-scher Ebene hinsichtlich der Identifizierung, Doku-mentation und Zertifizierung von Lernleistungen bzw.Kompetenzen erscheint es derzeit möglich, dass sichein solches übergreifendes Instrument in der Bun-desrepublik Deutschland durchsetzen kann. Diesauch deshalb, weil hier bereits umfangreiche Vorar-

passes eigenständig zu entscheiden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die An-schlussfähigkeit für bestehende Passaktivitäten unddie Offenheit für unterschiedliche Bildungsbereichewesentliche Voraussetzungen für die bundesweiteEinführung und Nutzung eines Bildungspasses sind.Dieser in den Händen des Individuums befindlichePass bietet die Möglichkeit, in allen relevanten Be-reichen des öffentlichen Lebens und der Erwerbstä-tigkeit Lernleistungen und damit verbundenenKompetenzerwerb zu identifizieren und zu doku-mentieren. Damit ist die Grundlage für die ziel-orientierte Zusammenstellung einzelner Dokumentegeschaffen.

Seine Verwendung als generelles Reflektionsinstru-ment zur Selbstverstärkung, aber auch als Ref-lektionsinstrument für die eigene Erwerbsbiografieverbindet sich mit der Motivation für einen lebens-langen Lernprozess. Mit der Identifizierung und derDokumentation eigener Lernleistungen bzw. Kompe-tenzen können der eigene Stolz auf diese (Lern-)Leistungen bzw. Kompetenzen und der Respekt an-derer Personen vor diesen (Lern-) Leistungen bzw.Kompetenzen herausgearbeitet werden. Damit kannein Bildungspass nicht zuletzt die Motivation zum le-benslangen Lernen fördern.

Über die oben beschriebene retrospektive Reflek-tionsfunktion hinausgehend sollte ein solcher Passaber auch prospektiv eingesetzt werden. Für die Pla-nung der eigenen Weiterbildung im persönlichen, aberauch im beruflichen Bereich kann er ein sehr wichti-ges Instrument sein, um (berufs-) relevante Entschei-dungen zu unterstützen.

Ein weiteres Argument, das die Einführung einesBildungspasses unterstützt, ist der drohende demo-grafische Wandel, der insbesondere ab dem Jahre2015 das Zurückgreifen auf Wissen von Senior-experten in gesellschaftlichen und beruflichen Hand-lungsfeldern erforderlich machen wird. Dabei kannmit Hilfe eines solchen Passes die gezielte Steue-rung, Aktivierung und Reaktivierung von Kompeten-zen für Gesellschaft und Arbeitswelt vereinfacht wer-den.

In der bisherigen Darstellung der Ergebnisse des Ar-beitskreises ist ein wichtiger Aspekt bislang noch garnicht erwähnt worden, der v.a. für den Schritt der

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

beiten geleistet wurden, aus denen positive wie ne-gative Erfahrungen resultieren, die für die weitere Ar-beit hilfreiche Informationen bereitstellen.

Wir beobachten heute eine zunehmende persönli-che und berufliche Destabilisierung. Patchwork-Biografien bzw. diskontinuierliche Erwerbsbiografienwerden immer mehr zum biografischen Normalfall,bestehende Berufsbilder veralten und neue Berufs-bilder entstehen. Der Bildungspass kann in diesemZusammenhang ein Ermutigungsinstrument für ei-nen offenen, proaktiven Umgang mit diesen Rahmen-bedingungen sein. In einer Gesellschaft, die durchDeregulierung, Individualisierung und Flexibilisierungvon Lernprozessen gekennzeichnet ist, werden neueund einfach zu implementierende Formen der Insti-tutionalisierung von Lernprozessen und des Kompe-tenzerwerbs immer wichtiger. Ein Bildungspass könnteein solches Instrument sein, mit dem gesellschaftli-ches und berufsbezogenes Wissen dokumentiert unddamit nutzbar gehalten werden kann. Denn die Ver-schwendung vorhandener Kompetenzen kann sicheine Gesellschaft nicht leisten.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

5 Arbeitskreis 2Bewertung und Zertifizierung

5.1 Einführung

Sabine Seidel, IES

Nachdem die Komplexität des Themas, die Zielset-zungen des Gesamtprojekts und die Ergebnisse derMachbarkeitsstudie vorgestellt worden sind, werdenim Folgenden die Fragestellungen des Projektes imHinblick auf das Thema dieser Arbeitsgruppe „Be-wertung und Zertifizierung“ zugespitzt. Es geht umdie Sichtbarmachung von Kompetenzen, ungeach-tet wo und wie sie erworben wurden, um im erstenSchritt ein subjektives Bewusstsein über ihr Vorhan-densein herzustellen, und im Weiteren um die Ver-fügbarkeit dieser Kompetenzen – für die Individuen,aber auch für Betriebe, das Ehrenamt und den ge-samten Bereich der Freizeit.

Unter Kompetenz verstehen wir sowohl fachliche wieauch überfachliche Kompetenz. Fachliche Kompetenzumfasst damit Wissen, Fertigkeiten und Kenntnisse,überfachliche den breiten Katalog an Schlüssel-kompetenzen.

Während der Erwerb von Kompetenzen im Bildungs-system in der Regel an Hand von Zeugnissen doku-mentiert wird, stellt sich die Situation außerhalb desformalen Bildungssystems schwieriger dar. Insbeson-dere zur Dokumentation, Bewertung und Zertifizierunginformell erworbener Kompetenzen – Kompetenzen,die Individuen im privaten und beruflichen Umfeld,d.h. in Betrieben und Unternehmen, aber auch imfamiliären Umfeld, im ehrenamtlichen Bereich oderin der sonstigen Freizeit erworben haben – gibt eswohl unterschiedliche praktische Ansätze, in der theo-retischen Diskussion jedoch mehr Fragen als Antwor-ten.

Aber erst, wenn Kompetenzen – gleichgültig in wel-chem Kontext sie erworben wurden – sichtbar undbewusst gemacht worden sind, kann über sie verfügtwerden. Das ist sowohl für den persönlichen Bereichvon Bedeutung, für die persönliche Entwicklung, alsauch für das Beschäftigungssystem.

Im Laufe des Projektes haben sich im Zusammen-hang mit Feststellung, Bewertung und Dokumentati-on von Kompetenzen einige offene Fragen ergeben:

· Die zur Vergleichbarkeit notwendige Standardisie-rung, wie sie teilweise von Individuen selbst undUnternehmen gefordert wird, führt zu neuenBegrenzungen bzw. Einengungen. Aber bewirktdie Einführung von Standards nicht einen Ver-lust dessen, was durch den Blick auf fachlicheund überfachliche Kompetenz gewonnen wird?

· Kompetenzen sind an Kontexte gebunden. Damitstellt sich die Frage ihrer Übertragbarkeit in an-dere Kontexte. Welche Voraussetzungen müs-sen also vorhanden sein bzw. geschaffen wer-den, damit der Transfer von Kompetenzen inandere Kontexte gelingen kann? Hier zeichnetsich ein wichtiges Lernfeld ab.

· Ein Spannungsverhältnis ergibt sich aus derSichtbarmachung und dem zur Verfügung stel-len persönlicher Kompetenzen einerseits unddem Anspruch auf Freiwilligkeit andererseits,dem Anspruch, dass es den Individuen überlas-sen bleiben soll, ob und welche Kompetenzensie sichtbar machen. Wie kann sicher gestelltwerden, dass nicht gesellschaftlicher Druck dieFreiwilligkeit der Dokumentation von Kompeten-zen aushebelt?

· Bewertungsverfahren, wie Beobachtung, Dialog,und Gespräch sind subjektive Verfahren. Ist eineObjektivierung der Bewertung möglich und sinn-voll? Sollte nicht eher die Subjektivität der Be-wertung nachvollziehbar gemacht werden?

· Kompetenzen, insbesondere überfachliche, sindan die Persönlichkeit der einzelnen Individuengebunden und die Merkmale der Persönlichkeitunterliegen einem ständigen Wandel. Wie kanndiesem Wandel bei der Ermittlung und Bewer-tung Rechnung getragen werden?

Ich denke, die besonderen methodischen Problemein Zusammenhang mit Ermittlung und Bewertung in-formell erworbener Kompetenzen sind deutlich ge-worden – gleichwohl handelt es sich dabei um einenalltäglichen Vorgang: Wir beobachten, werten, be-werten jeden Tag, werden beobachtet und bewertet.Und um mit Reinhold Weiß zu sprechen: „Was all-täglich unprofessionell geschieht und gelingt, müsstedoch mit professioneller Unterstützung weit bessergelingen.“ Mit dieser Feststellung schließt sich derKreis zu den eben angesprochenen Fragen.

Wir erhoffen uns von dieser Arbeitsgruppe, in einenAustausch einzutreten über die unterschiedlichen,

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

zum Teil internationalen Erfahrungen, bei der Ermitt-lung, Bewertung und Zertifizierung informell erwor-bener Kompetenzen.

Neben den angesprochenen Spannungsfeldern in-teressiert uns besonders:

· Was wird in den verschiedenen Systemen aufwelche Weise ermittelt ?

· Welche Ziele werden mit der Ermittlung und ge-gebenenfalls Anerkennung und Bewertung ver-folgt?

· Welche Strukturen begleiten die Ermittlung undBewertung der Kompetenzen?

· Welche positiven Effekte lassen sich erkennen,welche Probleme gibt es, welcher Entwicklungs-bedarf wird gesehen?

Ich wünsche uns allen eine interessante Arbeitsgrup-pe.

5.2 Fachstelle UND Familien- undErwerbsarbeit für Männer undFrauen, Bern

Elisabeth Häni, Schweiz

1 Wie sich Familien- und Hausarbeitauszahlt. Zum Nachweis und zurBerücksichtigung von Familien-kompetenzen bei der Personalauswahl

Im Rahmen eines mehrteiligen Projektes zur Förder-ung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fürMänner und Frauen hat das Kurszentrum SonnhaldeWorb in einem arbeitswissenschaftlichen Forschungs-projekt das Qualifizierungspotenzial der Familien- undHausarbeit untersucht. In einem anschließendenUmsetzungsprojekt wurden Methoden und Instru-mente entwickelt oder adaptiert und erprobt, diefamilientätige Personen in die Lage versetzen ihreaußerberuflich erworbenen Fähigkeiten nachzu-weisen. Gleichzeitig wird damit Personalfachleutenein Instrument an die Hand gegeben, diese Fähigkei-ten zu erfassen und zu bewerten.

Bei der Entwicklung der Instrumente konnte in demPilotprojekt, das seit acht Jahren läuft, auf bereitsvorhandene Ansätze zur Erfassung und Bewertung

von Schlüsselqualifikationen aus der französisch-sprachigen Schweiz – das Portfolio der Kompetenzen– zurückgegriffen werden. Auch in der deutschspra-chigen Schweiz finden sich seit 1996 Ansätze zurAnerkennung nicht formal erworbener Kompetenzenin Form des Schweizer Qualifikationsbuches. Allediese Instrumente befinden sich in einem kontinuier-lichen Weiterentwicklungsprozess.

2 Ausgangslage und Projektziele

Bei der Zielgruppe des Projektes handelt es sich umfamilientätige Personen, d.h. in der Regel familien-tätige Frauen. In der Familien- und Hausarbeit erwor-bene Fähigkeiten werden im Erwerbsbereich praktischnicht anerkannt; familientätige Personen erfahrensowohl als Teilzeitbeschäftigte als auch als Wiederein-steigerinnen deutliche Benachteiligungen. Gleichzeitiggewinnen Schlüsselkompetenzen, wie z.B. Organisa-tionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Belastbar-keit oder Verantwortungsbereitschaft, Kompetenzen,die auch in außerberuflichen Tätigkeiten erworbenund trainiert werden können, zunehmend anBedeutung in der modernen Arbeitswelt.

Mit dem Projekt wird das gesellschaftspolitische Zielverfolgt, die Diskriminierung von familientätigenPersonen abzubauen, indem die Qualifikations-möglichkeiten, die ein Haus- und Familienarbeitsplatzbietet, sichtbar gemacht werden. Es leistet einenBeitrag zur Anerkennung außerberuflich erworbenerKompetenzen und zielt darüber hinaus darauf, dieAnstellungschancen und Aufstiegsmöglichkeiteninsbesondere für Frauen zu erhöhen. Nicht zuletztsollen diese Kompetenzen auch bei der Lohnfest-setzung angerechnet werden. Eine Aufwertung derFamilien- und Hausarbeit könnte möglicherweise auchmehr Männer dazu motivieren, diese Arbeiten verant-wortlich zu übernehmen.

3 ArbeitswissenschaftlichesForschungsprojekt –Qualifizierungspotenzial der Familien- undHausarbeit

Im ersten Untersuchungsschritt wurde für die Unter-suchung der Familien- und Hausarbeit ein erprobtesInstrument zur Arbeitsplatzbewertung im Erwerbs-bereich (Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeitennach Katz und Baitsch, ABAKABA, Katz und Baitsch1996) angepasst und angewendet. Durch den Einsatzstandardisierter Instrumente aus dem Erwerbslebensollte der unmittelbare Vergleich von Haus- undErwerbsarbeitsplätzen plausibel gemacht werden. Mit

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Familien- und Hausarbeit erworbenen und geübtenKompetenzen fehlt. Ohne ein Bewusstsein von denArbeits- und Lernanforderungen und Lernmöglich-keiten des Haus- und Familienarbeitsplatzes könnendort erworbene oder entwickelte Kompetenzen abernicht in andere Tätigkeitsfelder transferiert werden.Um diesen Transfer zu ermöglichen, bedurfte es alsoMethoden und Instrumente, die das Individuum indie Lage versetzen, in der Familientätigkeit erworbeneKompetenzen sichtbar zu machen und nachzuweisen.

4 Umsetzungsprojekte

4.1 Individuelle Kompetenzenbilanz –Kompetenzenmanagement fürfamilientätige Personen

Ausgehend von diesen Ergebnissen wurden in diesemProjekt bereits aus anderen Zusammenhängenverfügbare Instrumente zu einem Portfolio – einerKompetenzenbilanz – zusammengestellt. In dieserKompetenzenbilanz werden sowohl fachliche als auchüberfachliche Kompetenzen, die im Laufe des Lebenserworben wurden, reflektiert und dokumentiert.

Die Erstellung des Portfolios obliegt den familientä-

tigen Personen selbst, sie können aber in diesemProzess von Beratungsstellen in Form von Gruppen-und Einzelarbeit begleitet und unterstützt werden. DieArbeit am Portfolio gliedert sich in die folgendenEtappen:· Sensibilisierung für die Thematik: Motivation, Ziele

und Arbeitsweise klären;· Biografische Arbeit: Die verschiedenen Lebens-

bereiche als Lernfelder entdecken;· Erstellung eines Inventars: Aktivitäten und Erleb-

Hilfe der ABAKABA und weiterer Verfahren (Ana-lyseverfahren der Arbeit im Haushalt, AVAH, Resch1994) wurden 86 familientätige Frauen und 16familientätige Männer zu den Belastungen undAnforderungen ihres Arbeitsplatzes interviewt undschriftlich befragt. Als Resultat zeigten sich klareBewertungsunterschiede der untersuchten Haus- undFamilienarbeitsplätze, die bedingt waren durchFaktoren wie die Anzahl der Kinder, die Breite desAufgabenspektrums in der Familien- und Hausarbeitund die persönliche Gestaltung dieser Aufgaben. DerMittelwert (618 Punkte) bei der Bewertung derAnforderungen und Belastungen durch Familien- undHausarbeit entsprach dem anderer Erwerbsarbeits-plätze, wie z.B. der einer Lehrerin (526 Punkte) odereiner Departmentssekretärin (701 Punkte). (vgl.Abbildung 1)

Die Ergebnisse machen deutlich:· Die Anforderungen und Belastungen am durch-

schnittlichen Familien- und Hausarbeitsplatz sindin der Regel mindestens so hoch wie an vielenErwerbsarbeitsplätzen.

· In der Familien- und Hausarbeit können Schlüssel-kompetenzen erworben und weiterentwickeltwerden.

· Aus dem bloßen Vorhandensein von Familien- u.Haushaltserfahrung kann aber nicht unmittelbar aufdas Vorhandensein von Schlüsselkompetenzengeschlossen werden. Dazu sind die Bewertungender Familien- und Hausarbeitsplätze – auch beivergleichbarer Familien- und Wohnsituation – zuunterschiedlich.

Die Befragung ließ darüber hinaus erkennen, dass inden meisten Fällen das Bewusstsein für die in der

175

464 471516 526

618

701

790

868

334

155

0

200

400

600

800

1000

Köchin Bauarbeiter Kinder-gärtnerin

Kranken-Schwester

Polizist Bau-Ingenieur Lehrerin MittelwertFHA

Depart.-Sekretärin

RektorGymnasium

MaximumFHA

Bewertung verschiedener Erwerbsarbeitsplätze im Vergleich mit der durchschnittlichen Familien- und Hausarbeit (FHA) mit Kindern und mit der Maximalbewertung (Koeltzsch Ruch 1997, S.107)

47

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

nisse aus den Bereichen Bildung, Erwerbsarbeit,Familienarbeit, Freiwilligenarbeit, Freizeit auflisten;

· Analyse: Aktivitäten aus den verschiedenen Le-bensbereichen genauer unter die Lupe nehmen,eingesetzte und erworbene Fähigkeiten benennenund einschätzen;

· Synthese: Kompetenzenprofil erstellen und prä-sentieren;

· Perspektiven: Ziele für die persönliche und beruf-liche Weiterentwicklung formulieren, nächsteSchritte planen.

Der gesamte Prozess umfasst in Kursform mindestens20 Kursstunden, zwischen den einzelnen Etappenwerden insgesamt 20 weitere Stunden für individuelleArbeit am bzw. mit dem Portfolio benötigt.

Der Prozess der Bilanzierung stellt selbst einenBildungsprozess dar. Im Laufe der Arbeit am Portfoliowird:· das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen

hergestellt.· das Selbstbewusstsein der Frauen gesteigert,

indem sich die Wertschätzung der eigenenFähigkeiten erhöht.

· die Arbeit in der Gruppe die Kommunikationsfä-higkeit der Teilnehmerinnen sowie ihre Fähigkeit,sich selbst zu präsentieren gefördert.

Gleichzeitig stärkt der Prozess die Reflexionsfähigkeitder Einzelnen. Diese Fähigkeit stellt die wichtigsteSchlüsselqualifikation für den Transfer der Kompe-tenzen in ein anderes Arbeitsfeld dar. Dennoch deutendie Erfahrungen darauf hin, dass der Transfer derKompetenzen von einem in den anderen Bereichsinnvoller Weise – zumindest in Teilen – durch Quali-fizierung unterstützt werden sollte.

Eine weitere Erfahrung aus der Arbeit mit dem Port-folio ist, dass die Dokumentation informell erworben-er Kompetenzen gelernt werden muss und kann. Umdiesen Lernprozess möglichst früh zu beginnen, wirdunter anderen Instrumenten das Portfolio bereits inBerufsschulen eingesetzt. Die Jugendlichen gewöh-nen sich so frühzeitig daran, laufend zu dokumen-tieren, was sie in den verschiedenen Lebensbereichengemacht und gelernt haben. So müssen sie späternicht mehr in aufwändiger Arbeit rückwirkend ihreFähigkeiten nachweisen.

Es ist inzwischen gelungen, die Kompetenzenbilanzin anderen Zusammenhängen zu etablieren. So hatsich u.a. die Schweizer Bundesbahn (SBB) bereitgefunden, im Rahmen ihrer Frauenförderung die

Kompetenzenbilanz einzusetzen.

An den Fachhochschulen für Sozialarbeit wird dieErstellung einer Kompetenzenbilanz seit zwei Jahrenals Zulassungsvoraussetzung für das Studium akzep-tiert, wenn die Bewerberinnen nicht den erforder-lichen, formalen Abschluss, das Abitur, haben. DerHintergrund für diese Entscheidung war, dass befürch-tet wurde, durch die Eingangsvoraussetzung Abitur,kompetenten Frauen den Zugang zu dieser Ausbildungzu verschließen.

Die Kompetenzenbilanz und das Portfolio könnennicht direkt als Nachweisdokumente für solche undandere Einsatzbereiche verwendet werden, sonderndienen als Grundlage dazu. Wichtig ist in jedem Fall,ein zielgerichtetes, anforderungsorientiertes Nach-weisdossier zu erstellen. Kompetenzen müssenimmer wieder kontexbezogen definiert werden, denndie gleichen Begriffe können je nach Arbeitszu-sammenhang sehr verschiedene Bedeutungen ha-ben. Diesen Umstand gilt es bei der Entwicklung einesBildungspasses zu berücksichtigen.

4.2 Praxisnahes Instrument für die Stellen-besetzung – Erfassung und Anerkennungvon Familienkompetenzen imErwerbsbereich

Für die betriebliche Ebene brauchte es ebenfallsMethoden und Instrumente, mit welchen Schlüssel-qualifikationen erfasst und überprüft werden können,denn obwohl die Bedeutung von Schlüsselqualifi-kationen in der modernen Arbeitswelt allgemein aner-kannt ist, fehlen im Personalbereich spezifische,praxisbezogene und allgemein zugängliche Instru-mente für die Erfassung von fachübergreifendenFähigkeiten. In der Praxis braucht man Instrumente,die· Schlüsselqualifikationen wirksam evaluieren und· möglichst zuverlässige Ergebnisse liefern.Die Erfassung soll zudem möglichst wenig Aufwandbereiten.

Vor allem mit Blick auf die Anforderungen an dieWirksamkeit und Zuverlässigkeit der mit den Instru-menten ermittelten Ergebnisse kristallisierte sichheraus, dass in den Instrumenten Raum für exakteBeschreibungen der Kompetenzanforderungen undfür die Ermittlung von Schlüsselqualifikationen vorhan-den sein musste.

Ausgehend von den Erkenntnissen der arbeitswis-senschaftlichen Untersuchung zum Qualifizierungs-

48

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

potenzial von Familien- und Hausarbeit wurde imUmsetzungsprojekt mit IESKO ein Instrument zurErfassung von Schlüsselkompetenzen entwickelt, dasbei jeder Stellenbesetzung verwendet werden kann,unabhängig von der zu besetzenden Stelle und vomGeschlecht der sich bewerbenden Person. Anders alsvergleichbare Tools bezieht IESKO die gesamteLebens- und Arbeitssituation von Bewerbern mit ein.Das betrifft alle Erfahrungen, die sie neben demberuflichen Bereich auch in der Familien-, Haus- undFreiwilligenarbeit oder in der Freizeit erworben haben.Denn Lernen ist überall möglich. Auf diese Weisesollen Personal- und Linienverantwortliche vermehrt

für außerberuflich erworbene (Schlüssel-)Kompe-tenzen von Bewerbern und deren Anerkennung beider Lohnfestlegung sensibilisiert werden. IESKO stelltspezifische Hilfsmittel für das strukturierte Vorgehenzur Verfügung. Es besteht aus drei Haupttools, diemit Hilfe eines benutzerfreundlichen EDV-Program-ms auf die jeweils zu besetzende Stelle zugeschnittenwerden können. (vgl. Abbildung 2). In einem erstenSchritt wird das stellenspezifische Schlüsselkompe-tenzen-Profil erhoben. Ausgehend von diesem Anfor-derungsprofil erfolgt als nächstes die Erarbeitung desGesprächsleitfadens für das Interview. Die währenddes Gesprächs notierten Informationen werdenschließlich mit Hilfe der Checkliste mit den kompe-tenzspezifischen Auswertungskriterien evaluiert undauf das Schlüsselkompetenzen-Profil übertragen. DerVergleich zwischen Soll-Profil der Stelle und dem Ist-Profil der Bewerberin oder des Bewerbers zeigt auf,inwieweit die Person für die zu besetzende Stellegeeignet ist. Die EDV-Version des Instrumentesermöglicht eine rasche Zusammenstellung des Ge-

Abbildung 2

sprächsleitfadens. Für jede im Profil festgelegteSchlüsselkompetenz können entsprechende Fragenund außerberufliche Beispiele ausgewählt und auchergänzt werden.

5 Erste Erfahrungen mit IESKO in der Praxis

Im Rahmen einer Pilotphase wurde eine Papierversionvon IESKO durch Personalverantwortliche in ver-schiedenen Verwaltungen und Unternehmen erprobtund die Rückmeldung verarbeitet. Die Evaluation zeigt,dass· der Einsatz von IESKO Personalfachleute für den

Miteinbezug außerberuflicher Erfahrungsbereichesensibilisiert;

· das bewusste und strukturierte Erfassen derSchlüsselkompetenzen zur klareren Einschätzungund ganzheitlicheren Beurteilung der Bewerberführt;

· über die Erfassung der Schlüsselkompetenzeninsgesamt eine stärkere Strukturierung des Aus-wahlprozesses, was Transparenz und Einheit-lichkeit des Vorgehens angeht, erzielt wurde.

Dieser strukturierende Aspekt ist aus der Sicht derFachleute wünschenswert. Dadurch werden zum Teilaber auch vorherrschende Gewohnheiten in Fragegestellt. Wichtig ist es daher, IESKO an der optimalenStelle in den gesamten Personalauswahlprozesseinzufügen, es mit den vorhandenen Selektions-instrumenten zu verknüpfen und seine Einführung miteiner entsprechenden Schulung zu begleiten.

Schlüsselkompeten-zen-Profil

Vorbereitung und Ver-gleich • Anforderungen der

Stelle • Effektive Kompetenzen

der BewerberInnen • Vergleich Soll- und Ist-

Profil

Gesprächs-Leitfaden Auswertungskriterien

Informationsbeschaffung • Halbstandardisiertes In-

terview • Beispielsfragen • Situationen aus den au-

ßerberuflichen Erfah-rungsbereichen

Beurteilung • Checkliste mit Krite-

rien zur Auswertung der Gesprächsnotitzen

49

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

5.3 Anerkennung und ZertifizierungkompetenzbasierterQualifikationen im finnischenBerufsbildungssystem

Pentti Yrjölä, Helsinki, Finnland

1 Anerkennung der CBQ in Finnland

Mit dem Gesetz aus dem Jahr 1992 wurde der Erwerbkompetenzbasierter Qualifikationen (CBQ) offiziell imfinnischen Berufsbildungssystem anerkannt. Demvorangegangen waren Entwicklungen auf dem Arbeits-markt, die bereits in den achtizger Jahren das ThemaVerbesserung des Bildungsniveaus insgesamt, ins-besondere aber in der berufstätigen Bevölkerung, zumpolitischen Thema hatte werden lassen.

Als wesentliche Rahmenbedingungen, die den Pro-zess der Akzeptanz begleiteten, sind zu nennen:· Die Sozialpartner, insbesondere die Arbeitgeber,

übten Druck aus, weil das Bildungssystem nichtdie, am Arbeitsmarkt benötigten Qualifikationenzur Verfügung stellte.

· Bei den Erwerbstätigen der mittleren Altersgruppefehlten häufig berufliche (Grund-) Qualifikationen.Bereits Mitte der achtziger Jahre war deshalb einPlan zur Entwicklung des beruflichen Weiter-bildungssystems in die politische Agenda auf-genommen worden, der von einem breiten gesell-schaftlichen Konsens (Sozialpartner, Politik, Ver-waltung) getragen wurde.

· Finnland ist ein kleines Land mit einer zahlenmäßigüberschaubaren, kleinen Elite; „man kennt sich“.Und es besteht ein starker Wille zum Konsens.

· Mit dem Gesetz von 1992 wurden CBQs offiziellanerkannt, was eine Aufwertung informeller Lern-prozesse bedeutete.

· Die Anerkennung der CBQs hatte zur Folge, dasseine Umorientierung stattfinden musste vonLernprozessen hin zu Lernergebnissen.

· Die Individuen waren gefordert, unterstützt durchdie Lehrkräfte, persönliche Pläne für ihre weitereberufliche Entwicklung zu entwerfen.

· Die Qualität der Erwachsenenbildung und dasBildungssystem insgesamt sollte verbessertwerden, mit dem Ziel, die Motivation und Lern-kompetenz der Bevölkerung (Stichwort: Lebens-langes Lernen) zu erhöhen, Ausbildungszeiten zuverkürzen und dadurch Kosten zu sparen.

2 Anerkennung und Zertifizierungkompetenzbasierter Qualifikationen

Der Begriff der „kompetenzbasierten Qualifikation“besagt, dass der Zugang zu beruflichen Abschluss-prüfungen allen Erwachsenen unabhängig davon offensteht, auf welchem Weg ihre beruflichen Kompeten-zen erworben wurden. Durch Bestehen der Prüfungkönnen Erwachsene einen offiziell anerkannten Be-rufsabschluss erwerben.

Abschlüsse können auf drei Qualifikationsniveauserreicht werden:· Der Abschluss der Erstausbildung ((Basic) Voca-

tional Education) entspricht in seinen Anfor-derungen den beruflichen Abschlüssen der be-rufsbildenden Schule.

· Der zweite Abschluss bescheinigt beruflicheSpezialkenntnisse (Further Vocational Qualifica-tions). Er setzt den Abschluss der Erstausbildungvoraus, zusätzliche Fortbildung und in der Regeleine dreijährige Berufserfahrung.

· Das Erreichen des spezialisierten Berufsab-schlusses (Specialist Vocational Education) er-fordert hohe berufliche Kompetenzen, beruflicheFortbildungsaktivitäten und eine fünfjährigeBerufspraxis.

Kompetenzbasierte Qualifikationen auf der Ebene derErstausbildung wurden im Herbst 2000 in 95 Berufenanerkannt; auf der Ebene der beruflichen Spezial-kenntnisse in 174 und auf der Ebene spezialisierterBerufsabschlüsse in ca. 120 Berufen.

3 Erfolgsfaktoren

Vier Faktoren bilden die zentralen Voraussetzungenfür den Erfolg des finnischen Bildungssystems imZusammenhang mit der Anerkennung und Zertifizie-rung kompetenzbasierter Qualifikationen:· Es ist gelungen, die Dezentralisierung und Deregu-

lierung des Bildungssystems, die wichtige Vor-aussetzungen für die Umsetzung der Anerkennungder CBQs bilden, zu realisieren.

· Die Entscheidungsbefugnis über Bildungsfragenliegt in der Hand der Schulträger. Schulträger sindin der Regel die (eigenständigen) Gemeinden.

· Wichtig für die weitere Entwicklung der Aner-kennung und Zertifizierung der CBQs , vor allemfür die schnelle Umsetzung der Initiative war, dassFinnland eine stark konsensorientierte Gesellschaftist.

· Lehrer ist ein Beruf mit ganz hoher gesellschaft-licher Anerkennung. Die Lehrer sind zum großen

50

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Teil gewerkschaftlich organisiert.

4 Inanspruchnahme des CBQ-Systems

Seit 1995 hat sich die Zahl der Teilnehmenden anPrüfungen zur Anerkennung kompetenzbasierterQualifikationen mehr als verzehnfacht. 1995 habenrd. 3.000 Personen daran teilgenommen. Bis zumJahr 2002 stieg ihre Zahl kontinuierlich auf rd. 43.000Personen an. Diese hohe Inanspruchnahme istAusdruck der Anerkennung, die dieser Zugang zumBildungssystem in Finnland genießt.

Im Jahr 2001 handelte es sich bei 30% der Teilnah-men um Prüfungen auf dem Niveau der beruflichenGrundbildung. 61% zielten auf ein mittleres Niveauund 9% dienten der Zertifizierung beruflicher Spe-zialkenntnisse. Da der Bedarf an beruflichen Spezial-kenntnissen nur begrenzt ist, entspricht diese Strukturden Anforderungen des Arbeitsmarktes.

56% der Teilnehmenden erreichten einen vollstän-digen (Berufs-) Abschluss, 27% schlossen ein odermehrere Module einer Ausbildung erfolgreich ab. 17%der Teilnehmenden bestanden die Prüfungen nicht.

5 Das finnische Schulsystem

Die neunjährige Schulpflicht beginnt im Alter vonsieben Jahren. Bis zum Alter von 16 Jahren besuchendie Schüler eine Gesamtschule, die in einen Primar-bereich und eine Oberstufe unterteilt ist. Mehr als90% eines Jahrgangs besuchen nach dem Ende derSchulpflicht eine weiterführende Schule des Sekun-darbereichs II. Die Mehrheit, 55%, entscheidet sichfür die allgemeinbildenden Schulen, die zum Abiturführen. 36% besuchen eine berufsbildende Schule.Der allgemeinbildende Sekundarbereich II bietet einedreijährige Vorbereitung auf das Abitur an. Er setztdie Bildungsaufgabe der Gesamtschule fort. Am Endedieser Jahre steht das Abitur (national matriculationexamination), das eine Zugangsmöglichkeit für dieweiterführenden Bildungsgänge darstellt.

Die berufliche Erstausbildung dauert seit 1999 in allenBereichen drei Jahre. Auch für Abiturienten stehtdieser Ausbildungsweg offen. Durch Anrechnung vonZeiten des allgemeinbildenden Sekundarbereichs IIverkürzt sich für diese Gruppe die Dauer der Berufs-ausbildung. Inhaltlich umfasst die Ausbildung über-wiegend die Vermittlung beruflicher Grundkenntnisse,zusätzlich aber auch beruflicher Spezialkenntnisse.Die Ausbildung findet hauptsächlich in schulischenAusbildungseinrichtungen statt. In Zukunft soll der

berufspraktische Anteil an dieser Ausbildung erhöhtwerden. Es besteht auch die Möglichkeit, die Aus-bildung in einem Betrieb, ähnlich der dualen Aus-bildung in Deutschland, zu absolvieren.

Der Tertiärbereich des finnischen Bildungssystemsuntergliedert sich in zwei Sektoren: Fachhochschulenund Universitäten. Im universitären Bereich liegt derSchwerpunkt auf der wissenschaftlichen Forschungund Lehre. Fachhochschulen hingegen haben einenstarken Praxisbezug. Ihre Curricula sind an denBedürfnissen und Anforderungen der Berufspraxisausgerichtet. Es wird angestrebt, für zwei Drittel einerAltersklasse Studienplätze an Hochschulen zur Ver-fügung zu stellen.

6 Die Struktur des Systems zur Anerkennungund Zertifizierung kompetenzbasierterQualifikationen

Die Abbildung auf Seite 50 verdeutlicht die Aufgaben-verteilung innerhalb des CBQ-Systems und diewechselseitige Einflussnahme der verschiedenenOrganisationen und Verbände auf die Gestaltung undEntwicklung, auf die im Weiteren noch eingegangenwerden wird. Zu erkennen ist, dass auch von demBeschäftigungssystem bzw. dem Arbeitsmarkt einwesentlicher Einfluss ausgeht. Die dort formuliertenAnforderungen bilden die Grundlage und Orientierungfür die Festlegung der Qualifikationen, die durch dasCBQ-System abgedeckt werden sollen.

Die Verantwortlichkeiten sind folgendermaßen gere-gelt: Das Bildungsministerium (Ministry of Education)legt die Anzahl und die Bezeichnung der Qualifikatio-nen fest. Derzeit werden kompetenzbasierte Qualifi-kationen in 334 Bildungsgängen als Voraussetzungfür die Zulassung zur Prüfung anerkannt.

Das National Board of Education (NBE) ist eine demBildungsministerium nachgeordnete Institution. Sielegt die in den jeweiligen Tests festzustellenden Qua-lifikationen fest. Diese Festlegungen sind nicht bis inalle Einzelheiten detailliert, sie enthalten Rahmen-vorgaben, die von den jeweiligen Prüfungskomiteesumgesetzt werden.

Das NBE unterstützt durch die kontinuierliche Eva-luation des CBQ-Systems, seiner Probleme und Er-folge, dessen Weiterentwicklung.

Die Prüfungskomitees werden vom NBE ernannt. Die-se Ausschüsse sind für die Durchführung und Über-wachung der Fähigkeitsprüfungen zuständig und set-

51

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

zen sich aus Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitneh-mer und der Lehrkräfte zusammen. Ihre Aufgabe istes,· die Durchführung der Prüfungen zu überwachen;· Verträge mit Bildungseinrichtungen abzuschließen,

die die Prüfungen organisatorisch vorbereiten unddurchführen;

· das Erreichen des Prüfungsabschlusses zu verifi-zieren und zu zertifizieren sowie

· Vorschläge für die Weiterentwicklung des Systemsder Anerkennung der CBQs und der Prüfungsan-forderungen zu machen.

Die Bildungseinrichtungen sind Anlaufstellen für dieerwachsenen Lernenden, die sich über die Anerken-nung ihrer kompetenzbasierten Qualifikationen undihren persönlichen Weiterbildungsbedarf beraten las-sen wollen.

Die Realisierung der Prüfungen liegt ebenfalls bei denBildungseinrichtungen. Alle Prüfungen sollen hohepraktische Anteile haben, da nicht die Fähigkeit, Testsauszufüllen, überprüft werden soll, sondern die Be-wältigung von Anforderungen, die sich aus der beruf-

lichen Praxis ergeben. Es gibt drei gängige Formender Prüfung:· „Authentische“ Bewertung der Kenntnisse am Ar-

beitsplatz, ergänzt durch schriftliche/mündlicheBefragungen;

· Nachweis der Kenntnisse anhand praktischer Auf-gaben, die durch mündliche oder schriftliche Er-läuterungen ergänzt werden;

· Bewertung der Kenntnisse in einer Bildungseinrich-tung durch Experten aus dem Bildungsbereich unddem berufspraktischen Bereich. Die Rahmenbe-dingungen eines Arbeitsplatzes sollen in dieserSituation so realistisch wie möglich nachempfun-den werden.

Die am häufigsten gewählte Prüfungsform ist die Be-wertung in Bildungseinrichtungen, da die Bewertungam Arbeitsplatz in vielen Fällen als zu aufwändig an-gesehen wird.

Die Bewertungsskala für die Prüfungen der berufli-chen Grundqualifikationen reicht von „sehr gut“ (5),über „gut“ (4-3) und „befriedigend“ (2-1). In den Prü-fungen der Further Vocational Qualifications und der

4

Competence-based Qualifications System (Struktur des Systems zur Anerkennung und Zertifizierung Kompetenzbasierter Qualifikationen) )

Ministry of Education

Legislation

Titles of vocational qualifications

(358 titles)

Qualification Committee

(168 committees, 1240 members)

Contracts with educational institutions who then in practice organise and implement

tests of competence

Quality of tests of competence

Oversees the arrangements of competence tests

Award qualification certificates

Educational Institutions (~350)

Education leading to CBQ

Organize tests of competence together with experts of working life

ALVAR-project (quality assurance of competence tests)

Draws up competence tests material (e.g. practical tests for certain branches

AMK-Institutions of vocational teacher training

Training for Specialists of Competence-based Qualifications

National Board of Education

Decides on the qualification requirements (expert groups; working life + teachers)

Appoints qualification committees

Evaluates the conditions of educational institutions to arrange skills demonstrations

National Training Committee (32)

Qualifications requirements

Working Life

Need for new Qualification

Revision of existing Qualification

Quelle: National Board of Education

52

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

beruflichen Spezialkenntnisse wird nur zwischen „be-standen“ und „nicht bestanden“ unterschieden.

Abschlüsse können sowohl für ganze Bildungsgän-ge, als auch für einzelne Module einer Berufsausbil-dung erworben werden. Die Untergliederung in Mo-dule orientiert sich an den Aufgaben und zentralenFunktionen des jeweiligen Berufs.

Ebenfalls beim NBE angesiedelt ist ALVAR. ALVARwurde 1995 als Reaktion auf die Ergebnisse der er-sten Evaluation des CBQ-Systems gegründet. MitALVAR soll verhindert werden, dass die Rahmenvor-gaben zu stark abweichend umgesetzt und somit dienationalen Qualitätsstandards sowie die Vergleich-barkeit der individuell erworbenen CBQs gefährdetwerden. ALVAR führt eine Datenbank für Prüfungs-aufgaben und unterstützt mit Schulungsangebotendie Qualifikation und die Kommunikation der Prüfer.Die Arbeit von ALVAR basiert auf der Annahme, dassder Ablauf einer kompetenzorientierten Prüfung nichtim Vorhinein definiert werden kann, sondern die Aus-bildung und Vernetzung der Prüfenden unterstütztwerden sollte.

7 Schwächen des finnischen Systems

· Die Teilnahme an prüfungsvorbereitenden Kursenist im Verhältnis zu den abgelegten Prüfungenrelativ hoch. Diese Diskrepanz entspricht nicht denursprünglichen Ansprüchen des Systems, dasgerade im Arbeitsprozess angeeigneten Kompe-tenzen zur Anerkennung verhelfen wollte. Sieresultiert jedoch aus der Tatsache, dass Bildungs-einrichtungen diejenigen, die sich prüfen lassenmöchten, beraten und es im Interesse der Bil-dungseinrichtungen liegt, ihre Kurse zu „verkaufen“.

· Bei vielen Prüfungen sind die Durchfallquotenrelativ hoch.

· Die Prüfungsanforderungen variieren in den ver-schiedenen Einrichtungen. Es gibt also Einrich-tungen, deren Prüfungen durchgängig als leichtgelten und die deshalb von den Prüflingen bevorzugtwerden.

· Die Verbindung zwischen der Lehrlingsausbildungund CBQ-System sind nur schwach ausgeprägt.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass an denSchwächen des finnischen Systems gearbeitet wird,dass die finnische Gesellschaft jedoch auch mitvorhandenen, unvermeidlichen und geringen Unter-schieden und Ungleichheiten zu leben bereit ist.

Vor dem Hintergrund der finnischen Erfahrungen mitder Implementierung der Anerkennung und Zertifi-zierung kompetenzbasierter Qualifikationen lassensich folgende Punkte benennen, die in einem solchenProzess berücksichtigt werden sollten. Dem Pass solldie Leitidee zu Grunde liegen, dass Kompetenzenanerkannt werden, die im Arbeitsleben gebraucht unddaher auch dort definiert werden. Es sollte möglichsein, diese Kompetenzen ebenfalls im formalenBildungssystem zu erwerben. Inhalte und Niveau derformal erwerbbaren Abschlüsse bilden somit dieReferenzkriterien für die (Prüfung der) im Pass be-scheinigten Kompetenzen.

Folgende Voraussetzungen fördern die erfolgreicheUmsetzung des Gesamtkonzepts:

· Klare politische Entscheidung und Willenser-klärung;

· Klar erkennbarer Nutzen des Passes für Individuenund Wirtschaft;

· Kooperation aller Beteiligten von Beginn an;

· Zielgruppen des Passes definieren;

· Einfachheit und Transparenz der Anerkennungs-und Zertifizierungsverfahren;

· Definition der inhaltlichen Mindestanforderungenan den Pass;

· Beginn der Implementierung durch Erprobung mitwenigen Beispielbereichen für die Feststellung derFähigkeiten und Fertigkeiten;

· Anschlussfähigkeit des Passes an vorhandeneZertifizierungssysteme statt Aufbau konkur-rierender Strukturen;

- Im Pass sind Kompetenzen, nicht Lernprozesse,zu bescheinigen.

53

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

5.4 Feststellung, Bewertung undZertifizierung von Kompetenzenals Hinführungsstrategie zumLebenslangen Lernen

Arminda Coutinho da Silva, NationalAgency for Adult Education and Training(ANEFA), Ministry of Education,Portugal

1 Ausgangssituation in Portugal

Ausgangspunkt der portugiesischen Aktivitäten imRahmen des Projektes Recognising, Validating andCertifying Competencies (RVCC), das im Jahr 1999begonnen wurde und von der EU gefördert wird, istdie Tatsache, dass 64% der erwachsenen portu-giesischen Bevölkerung nicht die (volle) Schulpflichterfüllt haben. Voraussetzung für eine berufliche Aus-bildung bzw. eine qualifizierte berufliche Tätigkeit istaber eine abgeschlossene Schulbildung. Über dieErhöhung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus derportugiesischen Bevölkerung sollen die Beschäf-tigungsfähigkeit und das Bewusstsein über die Bür-gerrechte (citizenship) gefördert werden.

Mit dem Projekt soll Erwachsenen, deren schulischeVoraussetzungen schwach ausgeprägt sind, sowieErwachsenen, die keine Berufsausbildung haben, derZugang zu (Weiter)Bildung eröffnet werden.

Zielgruppen des Projektes sind Personen über 18Jahren, die

· ihre Schulbildung nicht abgeschlossen haben;· keine berufliche Qualifikation erworben haben;· erwerbslos oder erwerbstätig sind.

Das zentrale Element des Vorhabens bildet einNetzwerk lokaler Bildungsberatungsstellen. DieseBildungsberatungsstellen unterstützen die Erwachse-nen bei der Erstellung der eigenen Kompetenzenbilanzgenauso wie beim Abgleich ihrer Kompetenzen mitden Anforderungen des Bildungssystems. Vor einerKommission präsentiert das Individuum sich mitseinem Kompetenzenportfolio und seinen weiteren(Bildungs- bzw. Lebens-) Planungen. Die Bestätigungder Kompetenzen durch die Kommission genauso wiedie Zertifizierung basiert auf der Einschätzung durchdie Kommission. Es werden keine schriftlichen odermündlichen Prüfungen abgenommen.

Für die weitere Qualifizierung informieren und beratendie Zentren über (Weiter-)Bildungsangebote. DieseBildungsangebote zielen auf drei Bereiche:

· allgemeinbildende Kurse zur Vorbereitung aufSchulabschlüsse;

· Weiterbildungskurse für Erwachsene;· Kurzkurse, die zum Weiterlernen anregen sollen,

insbesondere zu den Themen Informations- undKommunikationstechnologien und Sprachen.

Die Kurse sind modularisiert, um die Einstufung derTeilnehmenden entsprechend ihrem Kompetenz-niveau zu ermöglichen. Im Jahr 2002 haben 5.000Teilnehmende das Kursangebot wahrgenommen.

2 Die lokalen BeratungsstellenRVCC-Centres

In ganz Portugal finden sich die Centres for Recogni-sing, Validating, and Certificating Competencies(RVCC Centres). Mit dem Aufbau dieser Beratungsin-frastruktur wurde mit sechs Zentren im Jahr 2000begonnen. Im Jahr 2003 gibt es 56 Zentren, im Jahr2005, wenn 84 eröffnet worden sind, wird der Aufbaudes Netzwerkes abgeschlossen sein. Die Zentrenbefinden sich in öffentlicher und privater Trägerschaft.Sie erhalten eine staatliche Anerkennung ihrerTätigkeit als Instanz zur Anerkennung, Bewertung undZertifizierung informell erworbener Kompetenzen undWissens. Die Vergabe der staatlichen Zulassung liegtbei der DGFV (Direcção Geral de Formação Vocacio-nal, General Direction of Vocational Training).

In erster Linie führen die Zentren Assessments zurKompetenzfeststellung und zu deren Bewertung bzw.Zertifizierung durch. Dieser Prozess gliedert sich indrei Stufen:

Feststellung der Kompetenzen· Evaluation der im Laufe des Lebens erworbenen

Kompetenzen und Kenntnisse;· Erstellung eines persönlichen und beruflichen

Entwicklungsplanes;· Dokumentation in einem persönlichen Kompe-

tenzportfolio.

Bestätigung der Kompetenzen· Präsentation des Portfolios und des beruflichen

Entwicklungsplanes für eine Kommission;· Bestätigung der identifizierten Kompetenzen

anhand der Vorgaben der Schlüsselkompetenzen-Richtlinie;

54

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

· Dokumentation der Bewertungsergebnisse in einerKarte der persönlichen Schlüsselkompetenzen.

Zertifizierung der Kompetenzen

· Zertifizierung der persönlichen Schlüsselkompe-tenzen anhand der staatlich anerkannten Schul-abschlüsse der vierten, sechsten und neuntenKlasse. Die Zertifizierung basiert auf der Ein-schätzung der Kommission;

· Dokumentation persönlicher Schlüsselkompe-tenzen in einem Pass .

Die Beratungsteams arbeiten in allen drei Phasenmit den Erwachsenen zusammen. Es ist die Aufgabeder Nutzerinnen und Nutzer, die Feststellung derKompetenzen selbstständig vorzunehmen; die Bera-tungseinrichtungen geben in diesem Prozess nur dieZiele bzw. Arbeitsschritte vor. Bei der Bestätigung derKompetenzen ebenso wie bei der Zertifizierung werdendie Berater durch externe Evaluatoren unterstützt.

Führt der Feststellungs- und Bestätigungsprozess zudem Ergebnis, dass die vorhandenen Kenntnisse nichtden Anforderungen der Zertifizierung genügen, werdendie Erwachsenen über weiterführende Lernangeboteinformiert. In diesem Sinne und im Abgleich mit denPrüfungsanforderungen fungiert die Analyse der Kom-petenzen auch als Analyse des Qualifizierungsbedar-fes. Die Nutzer können so ihre Bedarfe erkennen undsich durch eine Bildungsteilnahme auf die Prüfung

für den angestrebten Abschluss vorbereiten.

Über die Kompetenzfeststellung hinaus bieten dieBeratungszentren ebenfalls (Weiter-)Bildungsbera-tung für Erwachsene an, die sich über Qualifizierungs-angebote aus dem allgemeinbildenden oder demberuflichen Bereich informieren wollen.

3 Das Nachholen von Schulabschlüssen

Der erste Baustein des Qualifizierungsangebotes imRahmen des Projektes sind Kurse, die auf Schulab-schlüsse vorbereiten. Es können Abschlüsse auf dreiNiveaus erreicht werden. Sie entsprechen den Ab-schlüssen der vierten (B1), der sechsten (B2) undder neunten Klasse (B3) der allgemeinbildendenSchulen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Kurseorientiert sich an der DGFV-Richtlinie über Schlüssel-kompetenzen.

Die Richtlinie definiert vier Lernfelder, in denen dievorhandenen Kompetenzen mit den Anforderungendes jeweiligen Abschlusses abgeglichen werdenmüssen:· Informations- und Kommunikationstechnologie;· Sprachkompetenz;· Mathematik im Alltag;· Beschäftigungsfähigkeit und Staatsbürgerkunde

(Abbildung ).

C id a d a n ia E m p reg a b ilid ad eC itiz e n s h ip a n d

E m p lo y a b ility (C E )

In fo rm a tio n an dC o m m u n ic a tio n

T e ch n o lo g ies (IC T )

L an g u a g e a n dC o m m u n ic a tio n

(L C )

M a th e m atic sfo r E ve ry d a y L ife

(M L )

C itize n s h ip a n dE m p lo y ab ility (C E )M o d u la r

O rg a n is a tio n

D G F V K e y C o m p e te n c ie s G u id e lin e

3 C o m p e te n c y L e ve ls

55

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

4 Weiterbildung für Erwachsene(Adult Education and Training (AET)

Mit den Weiterbildungskursen für Erwachsene sollenvor allem Personen mit einer geringen beruflichenQualifikation erreicht werden. Die Kurse sind sogestaltet, dass sie sowohl einen allgemeinbildendenals auch einen berufsbildenden Teil beinhalten. Damitsoll dem Defizit in der schulischen und beruflichenQualifikation dieser Personengruppe begegnet unddie Beschäftigungsfähigkeit der Einzelnen erhöhtwerden.

Durch die Kurse soll das lokale Weiterbildungsangebotverbessert und der Aufbau lokaler Netzwerke fürErwachsenenbildung gefördert werden.

Die folgenden Elemente kommen im Rahmen derWeiterbildung für Erwachsene zum Einsatz:

- Richtlinien über Schlüsselqualifikationen;· Richtlinie über berufliche Weiterbildung des Insti-

tute of Employment and Vocational Training (IEFP);· Prozess zur Feststellung, Bewertung und Zerti-

fizierung kompetenzbasierter Qualifikationen;· Personalisierte, modulare, flexible Weiterbildungs-

pläne.

Die Curricula der einzelnen Kurse decken den Bereichder allgemeinen Bildung und den Bereich der beruf-lichen Bildung ab.

Die thematischen Anforderungen an den allgemeinbil-denden Bereich entsprechen den Anforderungen andie Kurse zur Vorbereitung auf schulische Abschlüsse.Die berufsqualifizierenden Elemente dieser Kursezielen auf rd. 20 Tätigkeitsfelder bzw. Wirtschafts-bereiche. Auch hier können Abschlüsse auf dreiQualifikationsniveaus erreicht werden. Die Anfor-derungen orientieren sich an den Richtlinien des IEFP.Einschließlich der Analyse vorhandener Kompetenzenund des Weiterbildungsbedarfs umfassen die Kursebis zum Abschluss B1 und B2 zwischen 385 und840 Stunden, die Kurse zur Vorbereitung auf denAbschluss B3 zwischen 1.105 und 2.080 Stunden.Die große Spannbreite bei den Angaben zurStundenzahl ergibt sich aus den unterschiedlichenVorkenntnissen und dem Qualifizierungsbedarf derErwachsenen. Je nach Vorkenntnissen kann nicht nurder Umfang der Kurse variieren sondern außerdemdie inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, indem ent-weder auf den allgemeinbildenden oder den berufsbil-denden Teil des Kurses größere Anteile des Stunden-volumens entfallen.

Kommt es zu einem Abbruch der Weiterbildung,erhalten die Teilnehmenden eine Dokumentation, diedie Feststellung und Bestätigung ihrer Kompetenzenenthält. Dieses Dokument können sie vorlegen, wennder Abschluss später nachgeholt werden soll.

5 Kurzkurse „Acções s@ber+"

Das dritte Element des Programms zur Verbesserungdes allgemeinen und beruflichen Bildungsniveaus inPortugal sind die Kurzkurse „Acçoes s@ber +“. Eshandelt sich um Weiterbildungsangebote vorwiegendin den Themenfeldern „Sprachen“ und „Informations-und Kommunikationstechnologie“. Diese Angeboteumfassen jeweils drei Kursblöcke mit einem Stunden-volumen à 50 Stunden. Die drei Blöcke stehen fürunterschiedliche Niveaus:· Im ersten Block werden Grundkenntnisse vermit-

telt;· Im zweiten Block werden die Kenntnisse erweitert;· Der dritte Block dient der Festigung der Kenntnisse.Zum Abschluss erhalten die Teilnehmenden eine Teil-nahmebescheinigung.

Diese Kurse sind vor allem als Einstieg in das Lernenzu verstehen. Sie sollen die Neugier und die Lern-motivation von Erwachsenen wecken. Zu diesemZweck werden den Beratungszentren jetzt auchInternetclubs angegliedert. Über den erst genanntenNutzen hinaus soll auch die Internetkompetenz derBevölkerung durch das Angebot erhöht werden.

6 Erste Erfahrungen aus der Umsetzung

Das System befindet sich noch in der Entwicklungs-und Aufbauphase. Die Implementierung wird von einerstaatlichen PR-Kampagne für das Programm beglei-tet. Um die Akzeptanz der Bildungs- und Beratungs-angebote zu erhöhen, hat sich eine Zusammenarbeitmit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppenbewährt. Das Beratungsangebot zur Erstellung derindividuellen Kompetenzanalyse wird gut angenom-men. Es zeigt sich jedoch, dass es schwer ist,bildungsferne Personen für eine Weiterbildungsteil-nahme zu gewinnen. Es fehlt noch an dem Bewusst-sein in der Bevölkerung über die Notwendigkeit mehrzu lernen, um mit der weltwirtschaftlichen Entwicklungund der wirtschaftlichen Entwicklung in Europamithalten zu können.

56

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

5.5 Kommentierte Berichterstattung

Annemarie Gerzer-Sass, DeutschesJugendinstitut, München

In der Arbeitsgruppe hat sich generell die Frage ge-stellt,

1)ob in Deutschland ein Bildungspass benötigt wirdund wenn ja, was die Gründe dafür sein könnten.

2)was bei der Einführung eines solchen Instrumentsberücksichtigt werden sollte bzw. muss.

Der Blick auf andere Länder, die sich in der AG prä-sentiert haben, zeigt Motivlagen, die nicht mit der inDeutschland zu vergleichen sind. So zum Beispiel:Portugal, vorgestellt von Frau Coutinho da Silva, hatals Hauptmotiv, die Defizite in der erwerbstätigenBevölkerung in Bezug auf Schulbildung auffangen zukönnen. So haben 65% der erwerbstätigen Bevölke-rung die Mindeststandards einer neunjährigen Schul-bildung nicht erreicht, und Ausgangspunkt für einePortfolioerstellung sollte sein, diese Defizite durchandere Fähigkeiten kompensieren zu können.

Um ein Portfolio persönlicher Qualifikationen für dieeinzelnen Personen erstellen zu können, wird dasalltägliche Leben der Erwachsenen genauer betrach-tet. Im Mittelpunkt steht die Evaluierung der Lebens-vielfalt; der Bewertungsprozess ist so angelegt, dasser eine Übertragung auf vier festgelegte Schlüssel-qualifikationen ermöglicht. Diese Schlüsselqualifi-kationen sind:

1) Sprache und Kommunikation,2) Mathematik im Alltag,3) Bürgerschaft und Beschäftigung,4) Informations- und Kommunikationstechniken.

Mit dem Bewertungsprozess ist das Ziel verbunden,einen Abschluss analog einer vierjährigen, sechsjäh-rigen oder neunjährigen Schulbildung zu ermöglichen.Zu diesem Zweck sollen bis 2005 über 84 Zentrenim Land eingerichtet werden, bisher gibt es schon andie 50 Zentren. Dies ist nur möglich, da es einennationalen Konsens dazu gibt, der über große Aktio-nen, so z. B. auch von Arbeitgebern, über Kampa-gnen hergestellt wurde.

Die Motivation der Anhebung des formalen Bildungs-standes trifft für Deutschland nicht in dem Maße zu,zumal wir einen insgesamt höheren Bildungsstand

haben. Deutsche Schulentlassene haben nur zu 8%keinen Abschluss, zu 25% einen Hauptschulab-schluss, zu 41% einen Realschulabschluss und zu26% eine Fach- bzw. Hochschulreife. Bei Jugendli-chen ausländischer Herkunft sehen die Zahlen et-was anders aus, da haben 19% keinen Schulab-schluss, 43 % einen Hauptschulabschluss, 28% ei-nen Realschulabschluss und 10% eine Fach- bzw.Hochschulreife (Statistisches Bundesamt, Fachserie11, Reihe 1, 1998). In diesen Zahlen spiegelt sichimmer noch der schichtspezifische Zugang zur höhe-rer Bildung, wie auch durch PISA nochmal verdeut-licht worden ist.

Finnland, vorgestellt von Herrn Yrjölä, hatte als Aus-gangspunkt die geringen formalen Ausbildungspo-tenziale, gerade von Personen mittleren Alters, zukompensieren. Da dieser Personenkreis aber de fac-to erwerbstätig ist, lag es nahe, die Fähigkeiten, dieam Arbeitsplatz sichtbar sind, zu zertifizieren und diesemit formalen Qualifikationen gleichzusetzen. In derKonsequenz bedeutet dies, dass damit auch eine Hö-herstufung verbunden sein kann. Mittlerweile kön-nen Erwachsene durch den Nachweis kompetenz-basierter Qualifikationen zu Prüfungen für über 350Abschlüsse auf verschiedenen Qualifikationsniveauszugelassen werden.

Auch in Finnland wurde dies auf einem nationalenKonsens aufgebaut, d.h. sowohl Arbeitgeber- als auchArbeitnehmervertretungen und Bildungsvertreter ha-ben gemeinsam dieses Modell entwickelt. Ermöglichtund unterstützt wurde die rasche Umsetzung durcheinen generellen Prozess der Entbürokratisierung imBildungsbereich.

Betrachtet man die Motivlage in Deutschland, so istaufgrund des dualen Ausbildungssystems weniger diegeringe formale Qualifizierung für einen Bildungspassentscheidend, als vielmehr, bedingt durch den schnel-len technologischen Strukturwandel, der hohe Ver-änderungsdruck. Auch auf qualifizierten Mitarbeiternlastet der Druck, aus bestehendem Wissen neue Ide-en entwickeln zu müssen und diese in innovative Pro-zesse umsetzen zu können – Stichwort „human res-source management“. Die immer noch „industriellgetaktete“ Bildung muss deshalb dahingehend ver-ändert werden, dass weniger eine Qualifikation, alsvielmehr die Potenziale eines Mitarbeiters im Mittel-punkt stehen.

Somit sollte ein Instrument, möglicherweise ein Bil-dungspass oder ein Portfolio, Auskünfte enthalten,was an persönlichen Potenzialen vorhanden ist, bzw.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Auskunft darüber geben, was jemand wirklich kann.Deshalb ist es unverzichtbar, den Blick auch auf non-formell und informell erworbene Kompetenzen zu len-ken. Dabei ist eine Differenzierung notwendig:

· Was gibt es an non-formell erworbenen, berufs-relevanten Kompetenzen, die einer formalenLegitimation bedürfen – so z.B. im neuen Tech-nologiebereich? Eine Form der formalen Legiti-mation können sog. Externenprüfungen anHandwerkskammern usw. sein.

· Was gibt es an Kompetenzen, die vor allem infor-mell erworben, trainiert und weiterentwickeltwerden? Der Kompetenzbegriff steht hier für dieFähigkeit zur selbstständigen Weiterentwicklungvon Wissen und Können, um offene Handlungs-möglichkeiten bewältigen zu können und hier-bei vor allem die Schlüsselqualifikationen ange-sprochen sind.

An einem weiteren Beispiel zeigt sich die Möglichkeitder Erfassung von Kompetenzen aus informellen Lern-orten:

Schweiz, vorgestellt von Frau Häni, die ein For-schungs- und Umsetzungsprojekt präsentierte, indessen Kontext ein Instrument zur Erfassung, Be-wertung und Anerkennung von Schlüsselqualifika-tionen von „familientätigen Personen“ – in der RegelFrauen – entwickelt worden ist und in Kursen fürBerufsrückkehrerinnen angewandt wird. Dabei gehtes vorrangig nicht um den fachlichen Link zu haus-wirtschaftlichen Berufen, sondern um eine Kompe-tenzbilanzierung in Bezug auf die in der Wirtschaftimmer mehr nachgefragten Schlüsselqualifikationen.Das Instrument ist auf dem Prinzip der Selbstein-schätzung mit der Validierung durch eine Fremdein-schätzung aufgebaut. Zentral dabei ist die Eigen-reflexion über Lernprozesse in einem gesellschaft-lich eher abgewerteten Feld von Familienarbeit. Ziel-setzung dabei ist, Familie nicht mehr unter demDefizitaspekt wahrzunehmen, d. h. Familie nicht mehrnur als Karriereknick zu sehen, sondern auch als Lern-ort für die immer wichtiger werdenden Schlüssel-qualifikationen.

Dieses Instrument ist auch auf ehrenamtliche Tätig-keit anzuwenden und es gibt in Deutschland mittler-weile ebenfalls ein Instrument, die „Kompetenz-bilanz“, die die Kompetenzen aus Familien- und eh-renamtlicher Tätigkeit erfasst und mit Unternehmensoweit getestet wurde, dass das damit erstellte indi-viduelle Kompetenzprofil für die Personalarbeit nutz-

bar sein kann.

Damit wurde die Transferfrage angesprochen, daLernen immer auch in einem bestimmten Kontextstattfindet. Ein Beispiel aus Österreich zeigte anhandeines zertifizierten Portfolios, das in Zusammenar-beit mit der Wirtschaftskammer erstellt wurde, dassindividuell ermittelte Kompetenzen sehr wohl aus ei-nem Lernfeld in ein anderes übertragbar sind. Daskönnte bedeuten, dass der Transfer von einem Kon-text in einen anderen mehr von der gesellschaftli-chen Bewertung eines Kontextes abhängt als einebildungstheoretische Frage darstellt.

Entscheidend für ein Instrument zur Erfassung voninformell erworbenen Kompetenzen hat sich gezeigt:

· Selbstreflexion: Diese sollte mit dem Ziel verbun-den sein, die Subjektivität nachvollziehbar zumachen und in brauchbaren Kompetenz-kategorien darzustellen. Das bedeutet die „Kul-tur der Selbstreflexion“ zu stärken, die mehr imangelsächsischen Bereich Teil der Lernkultur ist.So zeigen Studien aus den USA, dass die Selbst-reflexion zu 70% valide ist, auch wenn derGender-Aspekt dahingehend mit berücksichtigtwerden muss, dass sich Männer besser ein-schätzen als Frauen. Gerade aber die Selbst-reflexion weist stärker auf Autonomie und Selbst-verantwortung hin und ist ein notwendiger Kon-trapunkt zur bisherigen Schulsozialisation, dieauf die Bewertung durch andere aufgebaut ist.Das würde für Deutschland auch bedeuten, dassder Aspekt der Selbstreflexion in Kompetenz-kategorien im Schulalltag schon eingeübt undTeil der Lernkultur in der Schule werden muss.

· Zielgruppenspezifisches Vorgehen: Für unter-schiedliche Personengruppen besteht auch einunterschiedlicher Beratungs- und Unterstüt-zungsbedarf, wie z. B. für Frauen, die lange ausdem Erwerbsleben ausgeschieden sind oderauch für Jugendliche.

· Was in einem persönlichen Portfolio veröffentlichtwird, liegt in der Autonomie des Einzelnen: Esdarf keine Normierung und Zwang geben, dasPortfolio zu verwenden bzw. es mit allen vor-handenen Unterlagen weiterzugeben. Es mussdem Nutzer überlassen sein, das herauszuneh-men, was nützlich z. B. für eine bestimmte Be-werbung erscheint. Damit gibt es auch keinebranchenspezifischen Portfolios.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Zusammenfassend kann festgehalten werden:

1) Formelle Bescheinigungen reichen nicht aus,um darzustellen, was Menschen können,deshalb ist ein zusätzliches Instrument not-wendig, dessen Bezeichnung noch offen ist,sei sie „Bildungspass“, „Portfolio“ oder et-was anderes.

2) In diesem Instrument sollten generell Aussa-gen zu informellen Lernorten und den dortgemachten Kompetenzgewinnen mit Hilfeeiner Selbst- und Fremdeinschätzung enthal-ten sein. Ebenso Aussagen zu Kompetenz-gewinnen von nonformellen Lernorten, dieberufsbezogen nutzbar gemacht werden kön-nen.

3) Es soll zur Selbstreflexion anleiten und da-durch ein neues Element in die bisherige Lern-kultur einbringen. Je nach Zielgruppe ist eineUnterstützung durch Beratung zu geben.

4) Es liegt in der Entscheidung der Einzelnen,was daraus veröffentlicht werden soll.

5) Die Einführung sollte durch eine nationaleKampagne unterstützt werden.

Damit wird auch ein Beitrag zu einem Wandel desgesellschaftlichen Klimas geleistet, Personen und ihrePotenziale in den Mittelpunkt zu stellen. Dies hat dannauch Auswirkungen auf Institutionen wie Schule, Aus-und Weiterbildung, dahingehend, dass diese so ge-staltet werden müssen, dass sie mit ihren Lern-inhalten anschlussfähig an die Kompetenzen sind,die außerhalb von Institutionen erworben werden.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6 Arbeitskreis 3:Akzeptanz und Implementierung

6.1 Einführung

Dr. Uwe Lauterbach, DIPF

Das „beste“ Produkt bleibt in der Schublade, wennes nicht vermarktet wird. Es wird trotz brillantenMarketings wieder schnell vom Markt verschwinden,wenn es von den „Konsumenten“ nicht angenommenwird, weil diese möglicherweise den Zweck, derdurchaus „irrational“ sein kann, nicht „einsichtig“aufnehmen. Diese zwei Sätze, die aus einem Hand-buch für Marketing stammen könnten, charakteri-sieren ein wesentlichen Essenzial, das gleichfalls fürden Erfolg oder Misserfolg des Weiterbildungspassesentscheidend sein wird.

Beim Weiterbildungspass sind diese Konsumenten,hier besser Zielgruppen genannt, relativ genau zubestimmen. Im Zentrum stehen die

(a) Passinhaber, wie Jugendliche beim Übergang vomBildungswesen auf den Arbeitsmarkt sowieErwachsene im Prozess des lebenslangen Lernensund

(b) die Abnehmer und Nutzer, wie Betriebe, Kammern,Arbeitsämter, Weiterbildungsanbieter.

Ohne die Unterstützung durch eine Infrastruktur bzw.Transferstruktur, die aus Institutionen wie Ausgabe-und Servicestellen, Lernende Regionen und dasberatende Personal wie Coaches, Berater, Prozess-begleiter besteht, werden die(a) Passinhaber und(b) Abnehmer kaum das Potenzial des Weiterbil-

dungspasses nutzen.

Damit ist die Strategie der Implementierung grund-sätzlich skizziert, ohne dass eine Aussage zur Ak-zeptanz durch die Zielgruppen gemacht wurde. DieAkzeptanz durch die Passinhaber und Abnehmer wirdim positiven Bereich liegen, wenn sie mit dem ProduktWeiterbildungspass etwas anfangen können, oderanders ausgedrückt, wenn ihnen der Weiterbil-dungspass hilft, vorhandene Problemlagen zu bewäl-tigen oder in der nahen oder fernen Zukunft sichmöglicherweise einstellende Qualifikationsdefizitedurch die Förderung des Prozesses des lebenslangenLernens – auch im informellen und non-formalen Bil-

dungsbereich – nicht entstehen zu lassen.Das Akzeptanzproblem betrifft nicht nur die direktenNutzer (a) und (b) der Zielgruppen, sondern imbesonderen Maß die Sozialpartner, die teilweisebezogen auf einzelne Personen mit den Zielgruppenals Arbeitgeber oder Gewerkschaftsvertreter identischsein können. Eine Implementierung eines Weiterbil-dungspasses ohne die Einbeziehung der Gewerk-schaften und der Arbeitgeberverbände im weiterenSinn ist kaum vorstellbar, nicht nur bezogen auf diedeutsche Situation, sondern gleichfalls auf die in derEU.

Für den Erfolg einer modellhaften Einführung odereiner dauerhaften Implementierung – verbunden miteiner Fixierung durch gesetzliche Normen – sind dieseEssenzials von zentraler Bedeutung. Ausgehend vondiesen grundsätzlichen Rahmenbedingungen zurAkzeptanz und Implementierung wurden als zentraleFragestellungen für den Arbeitskreis 3 herausgestellt:

(1) Welche institutionellen Rahmenbedingungenfördern die Einführung von Zertifizierungs- bzw.Validierungsinstrumenten für die informelle undnon-formale Bildung?

(2) Gibt es Erfahrungen mit regionalen Beratungs-und Servicestationen zur dokumentierten Absi-cherungen von lebenslangem Lernen?

(3) Welche Rechtsgrundlagen fördern die Nutzungeines Weiterbildungszertifikats?

(4) Welchen Nutzen haben Personen an der erstenund zweiten Schwelle des Arbeitsmarktes,Betriebe, Verbände und freie Träger von derlebenslangen Dokumentation informell undnon-formal erworbener Kompetenzen?

(5) Mit welchen Implementierungsstrategien, Mar-keting- und Organisationskonzepten ist dieAkzeptanz von Dokumentationsformen zuoptimieren?

(6) Wie ist die Akzeptanz für Nutzer und Anwenderzu sichern und zu verbessern?

(7) Wie wird die Vergleichbarkeit sowie die Verwert-barkeit der dokumentierten informellen undnon-formalen Lernergebnisse im Bildungs- undBeschäftigungssystem sichergestellt?

(8) Welche Gütekriterien kommen für die Verläss-lichkeit einer dokumentierten Erfassung von

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

informell erworbenen Kompetenzen zum Ein-satz? Wie werden diese rechtlich sichergestellt?

Neben diesen zentralen Fragestellungen wurden fürdie Impulsreferate noch einmal herausgestellt:

· Kurzdarstellung des eigenen Arbeitszusam-menhangs in Bezug auf informelles Lernen;

· Erfahrungen mit Implementierung und Akzeptanzvon informell und non-formal erworbenen Kompe-tenzen;

· Problemlagen bzw. positive Effekte bei der Aner-kennung informell und non-formal erworbenerKompetenzen;

· Strategie für die Nachhaltigkeit eines Dokumen-tationskonzepts.

Von den Referenten der Impulsreferate aus denausgewählten Ländern (Schweiz, Frankreich, Ver-einigtes Königreich (England), Italien (Südtirol),Niederlande, Österreich) wurden die in der Einleitungzu dieser Konferenz angemahnte Kontextuierung derAktivitäten zur Nutzung von informeller und non-formaler Bildung ernst genommen. Sie stellten nebendem eigenen Arbeitszusammenhang diese mehrsystemisch orientierten Verknüpfungen her. Daserleichterte besonders für die Teilnehmer amArbeitskreis, die keine Länderexperten sind, dieEinschätzung des Vorgetragenen und die Schluss-folgerungen für die deutsche Situation, besondersauch für die Akteure in Bildungspolitik, -verwaltung,die sich auf die Gestaltung der Rahmenbedingungenbei der Einführung eines Weiterbildungspasseskonzentrieren müssen, aber auch für die Vertretervon Unternehmen und Verbänden, die so die verschie-densten Aspekte des Nutzens von Weiterbildungs-pässen für das eigene Unternehmen oder für dievertretene Branche besser abschätzen können. Diesesinnvolle Kontextuierung führte auf der anderen Seiteebenfalls dazu, dass die in den beiden anderenArbeitskreisen angeschnittenen Fragen aus Ver-ständnisgründen latent mit bearbeitet wurden.

Der eigene Arbeitszusammenhang in Bezug auf in-formelles Lernen teilt die Referenten in zwei Gruppenauf. Während die beruflich wissenschaftlich ausge-richteten Referenten (Schweiz, England, Österreich)die Gesamtschau und die Kontexte mehr heraus-arbeiteten, waren die anderen Referenten direktbetroffen als Implementierer (Niederlande, Südtirol)oder als Vertreter einer Einrichtung, die informell bzw.

non-formal erworbene Kompetenzen zertifizierenmüssen (Frankreich).

Implementierung und Akzeptanz

Diese Erfahrungen bezogen sich einmal direkt aufdas Management der Implementierung. Hier wurdeam Beispiel des Südtiroler Bildungspasses ein „bestpractice“ Modell von Frau Dr. Haller vorgestellt, dasneben den Strategien (Einbeziehen der Betroffenen,Öffentlichkeitsarbeit, Schulung der Multiplikatorenund Berater, Struktur der "beratenden“ Materialien)aus der Erfahrung gewonnene Akzeptanzkriterienenthält.

Am niederländischen Beispiel stellte Herr Pjils dasInstrument „Knowledge Centre“ dar, durch das dielandesweite Einführung der Verfahren zur Anerken-nung von prior learning (APL) nicht nur gefördert,sondern besonders beschleunigt wird. Ähnlich wiebeim Beispiel Südtirol wird auf den Nutzen für dieBetroffenen [Profit for all] als Akzeptanzkriteriumhingewiesen. Besonders herausgestellt werden dabeidie Sozialpartner, aber immer konkretisiert am Perso-nal, das sich durch dieses Verfahren aktiv im Requali-fizierungsprozess engagieren kann und auf die Unter-nehmen, denen gegenüber die verschiedenstenVorteile wie effektivere Ausbildung und geringereKosten herausgestellt werden. Besonders vorteilhaftsind dabei die Rahmenbedingungen in den Nieder-landen mit tarifvertraglichen Regelungen zum Kom-plex Weiterbildung.

Konträr zu den sonstigen Darstellungen und Ein-schätzungen ist der Beitrag von Prof. Dr. Deißingerüber die Entwicklung in England und Wales undbezogen auf die National Vocational Qualifications(NVQ) und modern apprenticeship einzuordnen. Erbegründet mit empirischen Daten schlüssig, wie dieNVQs zur Systementwicklung genutzt werden, umganzheitliche Konzepte wie die modern apprentice-ship zu fördern. Hier ist der Blickwinkel gegenüberder kontinentaleuropäischen Situation in den einbezo-genen Staaten, wo neben den festgefügten akzeptier-ten formalisierten Bildungsgängen durch die Anerken-nung von informeller und non-formaler Kompetenzenweitere Möglichkeiten eröffnet werden und damit dieFlexibilisierung der festgefügten Bildungssystemegefördert wird, geradezu auf den Kopf gestellt Dievorhandene Fragmentierung der Bildungsgänge – hierist besonders die berufliche Bildung betroffen – sollzugunsten von übersichtlichen Ausbildungen abge-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

baut werden.Das Beispiel Österreich – wo die Zertifizierung infor-meller und non-formaler Kompetenzen bisher nichtin das Zentrum der politischen Aktivitäten wie in denanderen analysierten Staaten rückte, regelt der Marktbisher diese Verfahren außerhalb der formalen Bil-dung. Die Beispiele dazu, die in das formale Bildungs-wesen integriert sind, wurden als bewusste bildungs-politische Akzente mit dem Schwerpunkt Chancen-gleichheit implementiert.

Auch die Situation in der Schweiz ist bisher durch dieMarktrelevanz gekennzeichnet. Hier wird seit längererZeit von Betroffenen und Verbänden die Implemen-tierung eines formal abgesicherten Weiterbildungs-systems mit einem Schwerpunkt Zertifizierung undAnerkennung von informell und non-formal erworbe-nen Kompetenzen als politische Forderung nachhaltigmit überwiegend induktiven Strategien verfolgt. Manhofft nicht auf das zentrale Bundesgesetz, sondernentfacht einen Strauß von Aktivitäten, die sich in dermultikulturell orientierten Schweiz oft auf Anregungenvon den umgebenden Ländern stützen können, auflokaler und regionaler Ebene (z.B. im Rahmen desSchweizerisches Qualifikationshandbuch (CH-Q), desSchweizerischen Sozialzeitausweis (BENEVOL), desBildungspass (SVEB); der Bilan de compétences oderdes Portfolio personnel de compétences (ARRA)).Diese formalisierenden Strukturen werden toleriert,auch wenn sie streng formal juristisch nicht existierendürften. Das Verfahren der „Verlautbarung“, das derVerabschiedung eines Gesetzes vorgeschaltet ist, wirdgenutzt, um praxisbezogene Erfahrungen zu sammeln.Die Verbände erhalten parallel dazu die Gelegenheitund die Zeit für das Lobbying. Das Ende Dezember2002 verabschiedete neue Berufsbildungsgesetz, indem die Möglichkeit der Zertifizierung von außerhalbder direkten formalen Wege erworbenen Kompe-tenzen eröffnet wird, steht als Beispiel für eine prak-tische Umsetzung dieser Strategie. Das SchweizerBeispiel demonstriert sehr nachdrücklich die wichtigeRolle der Verbände bei der Implementierung vonverbindlichen Strukturen in einem Bundesstaat. Auchder Weg über die Verbände und deren Basisarbeiterst ein Bewusstsein für das Thema „Anerkennungvon informeller Bildung“ zu schaffen (bottom up) hatals Einführungsstrategie einen hohen Stellenwert.

Am französischen Beispiel konnte von Herrn Zettel-meier mit praxisbezogenen Ergebnissen gezeigtwerden, dass die Aufklärung über die Möglichkeiten

und Verfahren der Zertifizierung von informell erworbe-nen Kompetenzen sich nicht auf die positive ziel-gruppenorientierte Werbung beschränken kann. Diegeweckten positiven Erwartungen gegenüber denZertifizierungsverfahren – z.B. an einer Universität –lassen sich bei der Beibehaltung der Qualitätsstan-dards nicht erfüllen. Hier wird der Aufbau von dauer-hafter Beratungskompetenz, die dabei die Zielgruppenerreicht, dringend empfohlen.

Problemlagen bzw. positiven Effekte

Das französische Beispiel leitet direkt auf einenzentralen Punkt bei der Akzeptanz hin, der bei derImplementierung zentral bearbeitet werden sollte, dieIntegration der Beratungskompetenz in gesamtsys-temische Strukturen. Am Beispiel der Niederlandeist das besonders gut gelungen durch die Nutzungbzw. Neuinstallation von Institutionen, die in dieberuflichen Erst- und Weiterbildung sowie die Arbeits-marktverwaltung eingebunden sind. Dadurch lassensich die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeberdirekt erreichen und was noch fast wichtiger ist, sieerkennen und erfahren den Nutzen dieser neuenAngebote.

Strategie für die Nachhaltigkeit eines Dokumen-tationskonzepts

Mit diesem Konzept lässt sich die Strategie derNachhaltigkeit gut verbinden. Die Integration in dasjeweilige nationale System allgemeiner und beruflicherBildung eröffnet den Nachweis der dauerhaften vor-teilhaften Nutzung des Instruments der Zertifizierungvon informeller und non-formaler Bildung. Solangediese normiert abgesicherte Strategie sich nichtumsetzen lässt, sind von den Sozialpartnern und derArbeitsverwaltung definierte und akzeptierte (abge-sicherte) Verfahren stellvertretend einzurichten. Diezentralen Fragestellungen zum Arbeitskreis 3 sind inder Berichterstattung zusammengefasst dargestelltworden.

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6.2 Akzeptanz und Implementierungvon Bildungspässen – das BeispielSchweiz zwischen Innovation undTradition

Prof. Dr. Philipp Gonon, Trier

1 Ausgangslage

Die Forderung, andere und nicht im traditionellenschweizerischen Bildungssystem erworbene Kompe-tenzen anzuerkennen ist seit einigen Jahren zu ver-nehmen. „Lernen sichtbar machen“ (Björnavold2001), das nicht im formalen Bildungsbereich statt-findet, ist von verschiedensten gesellschaftlichen Ak-teuren in unterschiedlichen Regionen als Zielsetzungaufgegriffen worden. Frauen, die durch mehrjährigeFamilien- und Hausarbeit Fähigkeiten erworben ha-ben, die auch in anderen Arbeitsumgebungen be-deutsam sind, ausländische Arbeiter, die keine Ab-schlüsse vorweisen können oder aber durch mehr-jähriges praktisches Tun auf facharbeiteradäquatemNiveau qualifiziert sind, Stellensuchende oder auchStudienabbrecher, die auf längere Betriebserfahrungzurückblicken können und beispielsweise besondereKenntnisse in Informatiktechnologien mitbringen – siealle können von einem Verfahren profitieren, das ent-sprechende Fähigkeiten und Kenntnisse ermittelt,bewertet und für Wirtschaft und Gesellschaft aner-kennt. Der Portfolio-Ansatz oder aber der Bildungs-pass, im Sinne einer Bestätigung von Kursbesuchen,hatte hierbei bereits in einzelnen Berufsverbändenund insbesondere auch in Kreisen der Weiterbildungeine längere Tradition. Erst in den neunziger Jahrenhat sich aber die umfassende Bilanzierung von Kom-petenzen und Forderung einer Ausweitung und Eta-blierung nicht formal erworbener Kompetenzen dankentsprechender Entwicklungen und Forschungen ausdem französischen Sprachraum als prominentes An-liegen durchgesetzt.

2 Bildungsreformen in der Schweiz:Optimieren, nicht reformieren

Ähnlich wie die meisten Bildungssysteme zeichnetsich auch das schweizerische Bildungswesen durchein Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität aus.Gesamthaft betrachtet überwiegt eine eher vorsich-tige Haltung gegenüber Neuerungen. Weitreichende-ren Umgestaltungsansprüchen sind daher nur wenigChancen beschieden. So hatten etwa in den sechzigerJahren die Gesamtschulbefürworter und diejenigen,

die die Matura- bzw. Abitursquote erhöhen wollten,einen schweren Stand. Artikulierte Reformvorhabenhaben daher nicht den Anspruch, das Bestehenderadikal in Frage zu stellen, sondern es zu optimieren(Gonon 2002, S. 321 ff.). Bis heute zeichnet sichdie Schweiz pro Jahrgang durch eine der europaweitniedrigsten Akademikerquoten einerseits und eine derhöchsten Quoten von jungen Erwachsenen aus, dieeinen Berufsabschluss (auf Facharbeiterniveau) er-reichten. Das Bildungswesen auf der Ebene derSekundarstufe II ist demgemäss zweigliedrig: mit ei-nem dominant berufsbildenden und einem zwarwachsenden, aber dennoch sich um die 20 % ein-pendelnden allgemeinbildenden Bereich. Allgemein-bildung und Berufsbildung waren bis vor knapp zehnJahren separiert und diese grundlegende und in ih-rer rigiden Trennung wohl europaweit einmalige Ar-chitektur des Bildungswesens ist bis heute nicht we-sentlich herausgefordert. Erst die Schaffung einerBerufsmaturität, im Jahre 1993 eingeführt, hat dieAnschlussfähigkeit der beruflichen Bildung an daseinem akademischen Curriculum verpflichtete Allge-meinbildungssystem erhöht (Kiener/Gonon 1998).

Auslöser dieser Reformen war nicht zuletzt auch diestärkere Wahrnehmung und Ausrichtung der Schweizan die berufsbildungspolitischen Neuerungen in Eu-ropa.

3 Föderalismus und Partikularität alsReformmotor

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, das keinBildungsministerium auf nationaler Ebene kennt.Entsprechende Bestrebungen im 19. Jahrhundertscheiterten und alle Angelegenheiten der Bildung sindeine der zentralen Aufgabenbereiche der Kantone.Hiervon ausgenommen ist lediglich die beruflicheBildung, die von ihrer Tradition her klar in den Be-reich der nationalen Wirtschaftsförderung eingebun-den ist. Bildung ist daher in der Schweiz sehr starkregional bzw. kantonal geprägt und es gibt nicht we-nige, die der Anzahl der Kantone entsprechend von26 Bildungssystemen sprechen. Anders wiederum dieBerufsbildung, die auf einer nationalen Gesetzgebungberuht. Gerade wegen der Disparität und Partikularitätauch innerhalb der beruflichen Bildung war das bisvor kurzem gültige Berufsbildungsgesetz aus demJahre 1978 ein Rahmengesetz. Ein solches Geset-zeswerk ermöglicht auf der Ebene von Verordnungenund Ausführungsbestimmungen wie auch im Hinblickauf kantonale Gesetzgebungen wiederum viel Spiel-raum. Während sich in der deutschsprachigenSchweiz das duale - bzw. gemäss den drei Lernorten

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Betrieb, Berufsschule und überbetrieblicher Aus-bildungsort - „triale“ System etabliert hat, dominiertim französischsprachigen und italienischsprachigenTeil ein fachschulbezogenes bzw. eher technisch undallgemeinbildungsbezogen orientiertes Modell beruf-licher Bildung (Wettstein 1994). Auch das neue, seitdiesem Jahr gültige Berufsbildungsgesetz ist im Kerndieser Orientierung treu geblieben. Die gleiche kan-tonale und je nach Branche und Region stärker aus-geprägte Partikularität bzw. Singularität ist auch aufder Ebene der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung fest-stellbar. In diesem Spannungsbogen zwischen derVertretung föderaler Eigenheiten und dem Anspruchbundeseinheitlich kompatibler Strukturen, die einegemeinsame Kommunikationsbasis und Mobilitätgewährleisten, bewegt sich die helvetische Bildungs-politik. Das Element der Konsensfindung und, wie esgut schweizerisch heißt, die „Vernehmlassungs-kultur“, die unterschiedlichsten Anliegen von diver-sen Interessengruppen Zugang und Gestaltungs-macht verleiht, sind hierbei ein wichtiges Elementder gesamtschweizerischen (Bildungs-)Politik. EineVarianz von Modellen und Lösungen erlaubt es nunbei entsprechender Wahrnehmung, die verschiede-nen kantonalen Besonderheiten als großes Labora-torium, als Experimente, aus denen Schlüsse fürweitere Innovationen zu ziehen sind, zu betrachten.So sah es zumindest mit Bezug auf die SchweizerKantone bereits der erste große erziehungswissen-schaftliche Komparatist, Marc Antoine Julien de Pa-ris.

4 Modellversuche

Die kantonale Vielgestaltigkeit und die offene Gesetz-gebung verbinden sich mit einer auch in der Schweizsehr ausgeprägten pragmatischen Haltung in demSinne, dass strittige Fragen und neue Ideen mit un-gewissen Folgen die Chance erhalten, als Modellver-suche auf ihre praktischen Konsequenzen hin befragtzu werden. „Bewähren“ sich Neuerungen, so sind imSinne eines sich gegenseitig beobachtenden Föde-ralismus der Umsetzung und Neugestaltung wenigGrenzen gesetzt. Verschiedenartigkeit erweist sichdemgemäss als Lernchance. Innovationen werdenauch durch das neue Berufsbildungsgesetz erleich-tert.

So ist es nicht erstaunlich, dass die Anerkennungund Validierung nicht formell erworbener Kompeten-zen zunächst in einzelnen Regionen und Kantonenals Modellversuche erprobt wurden: In Genf undNeuchâtel, im Wallis und Zürich, aber auch branchen-und verbandspezifische Erfahrungen (auf die in die-

sem Beitrag nicht näher eingegangen wird, vgl. aberWinkler 2002). Besonders auch die SchweizerischeVereinigung für Erwachsenenbildung kann im Hinblickauf Bildungspässe auf einige Erfahrungen im Bereichder Weiterbildung zurückblicken; ihr Know-how istauch in dem zur Zeit aktivsten Verein „GesellschaftCH-Q“ erkennbar.

5 Folgerungen

Trotz einer auf den ersten Blick wenig starken Nei-gung für Experimente im Bildungswesen und einemSetzen auf das „Bewährte“ ist es erstaunlich, wie inden letzten Jahren sich die Schweiz bezüglich Bil-dung als erstaunlich innovativ erwiesen hat. Nacheiner längeren Periode der Stagnation in den achtzigerJahren hat vor allem die Sorge um die Anschluss-fähigkeit an Europa, einen bedeutsamen Innovations-schub ausgelöst. Die Erprobung von Neuerungen ineinem kleineren Rahmen erhöht hierbei die Akzep-tanz bei bildungspolitischen Entscheidungsträgern wieauch bei Anbietern und Nachfragern von Bildung.

Literatur:

Björnavold, J.: Lernen sichtbar machen. Ermittlung,Bewertung und Anerkennung nicht formal erworbenerKompetenzen in Europa. Luxemburg 2001.

Gonon, Ph.: Arbeit, Beruf und Bildung. Bern 2002.

Kiener, U./Gonon, Ph.: Die Berufsmatur. Ein Fallbeispielschweizerischer Berufsbildungspoliltik. Zürich 1998.

Wettstein, E.: Berufliche Bildung in der Schweiz. Luzern1994.

Winkler, R.: Machbarkeits- und Konzeptstudie zurAnerkennung und Validierung nicht formell erworbenerKompetenzen im Kanton Zürich. Zürich 2002

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6.3 Dokumentation und Zertifizierungvon informellem und nonformalemLernen in Frankreich

Werner Zettelmeier, Cergy-Pontoise,Frankreich

Die französische Debatte zur Dokumentierbarkeit undZertifizierung von informell erworbenen Kompetenzenist seit der Verabschiedung des „Gesetzes zur sozialenModernisierung“ im Dezember 2001 durch die franzö-sische Nationalversammlung in eine qualitativ undquantitativ neue Phase getreten. Ein wichtiger Teildieses umfänglichen Gesetzeswerkes ist den nun-mehr erweiterten Möglichkeiten eines teilweise odervollständigen Erwerbs von staatlichen, berufsquali-fizierenden Diplomen und einer Reihe von sonstigenZertifikaten und Titeln vermittels der Anerkennung voninformell bzw. durch non-formales Lernen erworbenen(beruflichen) Kompetenzen gewidmet. Als wichtigeNeuerungen gegenüber bereits vorher bestehendenRegelungen sieht das Gesetz u. a. vor, dass dieKandidaten nunmehr auch gesellschaftspolitischesoder soziales Engagement für das Zertifizierungs-verfahren geltend machen können und dass nebenden staatlichen Diplomen auch andere Titel undZertifikate, z.B. die von den Sozialpartnern auf Bran-chenebene seit Ende der achtziger Jahre vereinbartenQualifikationszertifikate teilweise oder vollständig aufdiese Weise erworben werden können. Mit diesenErleichterungen beim Zugang zu beruflichen Qualifi-zierungsmöglichkeiten hoffen der Gesetzgeber sowiedie das Gesetz unterstützenden Sozialparteien, dieZahl der Zertifizierungen erheblich zu steigern unddie berufliche Weiterbildung für breitere, bislang nochunzureichend betroffene Schichten der erwerbstätigenBevölkerung öffnen zu können.

Um die Tragweite dieser voluntaristischen Qualifika-tionsoffensive im französischen Kontext besser verste-hen zu können, sollen im Folgenden zunächst einigeGrundzüge des französischen Systems der beruflichenErst- und Weiterbildung sowie Entwicklungen imBeschäftigungssystem in den letzten 30 Jahrenthesenartig zusammengefasst werden.

1 Charakteristika der französischenBerufsbildung

Bildung im Allgemeinen wird in Frankreich seit Beginndes 20. Jahrhunderts sehr viel stärker als in Deutsch-land als vornehmlich öffentliche und damit zentral-staatliche Aufgabe verstanden. Dies gilt seit Ende des

2. Weltkrieges auch verstärkt für die Berufsbildung,wie die schrittweise Integration der beruflichenErstausbildung, die bis Mitte des 20. Jahrhundertsnoch eine gewisse Autonomie gegenüber denanderen Bereichen des Bildungswesens genoss, indas öffentliche Schul- und Hochschulsystem seit1945 zeigt. Die seit den siebziger Jahren bestehendenBemühungen um eine stärkere Beteiligung von nicht-staatlichen Akteuren – Unternehmen und Sozialpart-ner, wenn auch in zumeist beratender Funktion – ander inhaltlichen und formalen Gestaltung des beruf-lichen Bildungswesens sowie die Übertragung einerArt Generalkompetenz für die Gestaltung des Ange-bots im Bereich der beruflichen Bildung auf die 22französischen Regionen in den neunziger Jahrenzeigen jedoch, dass das staatliche Monopol imBildungsbereich nicht mehr so unangefochten ist, alsdas es im Ausland vielfach noch wahrgenommen wird.

Die Integration des enseignement professionnel, insstaatliche Schulsystem ab den sechziger Jahren hatzu einer starken Verschränkung von allgemeiner undberuflicher Bildung in den Bereichen des sekundärenund tertiären Bildungswesens geführt, die letztlicheine Hierarchisierung zwischen dem gesellschaftlichsehr hoch anerkannten allgemeinbildenden Schulwe-sen und der gesellschaftlich weniger valorisiertenberuflichen Bildung förderte. Seit mehr als zwanzigJahren ist das berufliche Bildungswesen durch engeAnlehnung an Verfahrensweisen und Zertifizierungs-mechanismen des allgemeinbildenden Schul- undHochwesens um eine Aufwertung seiner Bildungsan-gebote bemüht. Die Anordnung sämtlicher berufsbil-dender Abschlüsse auf einer Stufenskala mit demAbitur als Angelpunkt für die Definition der existieren-den sechs Stufen (vom untersten Niveau des Schul-abgängers ohne formalen allgemeinbildenden oderberufsbildenden Abschluss bis hin zum Ingenieurtitelbzw. den höchsten Universitätsdiplomen) ist Ausdruckdieser Verschränkung, aber auch unterschiedlichensozialen Wertschätzung von beruflicher und allge-meiner Bildung.

Diese Stufenleiter umfasst auch den Hochschul-sektor, wo heute in vielen Studiengängen immerweniger eine Unterscheidung zwischen theoriege-leiteter akademischer Bildung und praxisorientierterBerufsausbildung auf Hochschulebene gemachtwerden kann. Ein Kennzeichen der Entwicklung derfranzösischen Universitäten seit den siebziger Jahrenist gerade, dass sie die Gründung von pluridisziplinärangelegten und praxisorientierten Kurz-, Voll- undAufbaustudiengängen forciert haben, die sich bei denneuen Studentengenerationen großer Beliebtheit

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

erfreuen. Auf diese Weise haben die Hochschulenversucht, der im Zuge der Expansion des Bildungs-wesens erfolgten veränderten individuellen Bildungs-nachfrage sowie auch der durch technologischen Fort-schritt und gesellschaftliche Entwicklungen bedingtenveränderten Qualifikationsnachfrage der Unterneh-men Rechnung zu tragen.

Als ein weiteres wichtiges Kennzeichen kannschließlich die enge Verbindung von beruflicherErstausbildung und Weiterbildung gesehen werden.Ziel der französischen Bildungspolitik ist es, allestaatlichen berufsbildenden Diplome sowohl über dieverschiedenen Möglichkeiten in der beruflichenErstausbildung (vollschulisch oder im Rahmen einerbetrieblichen Lehre) als auch über die berufliche Wei-terbildung zugänglich zu machen. Auf diese Weisewerden eine Vielzahl von staatlichen Hochschul-diplomen, insbesondere die einjährigen und sehrpraxisorientierten Aufbaustudiengänge auf bac+5Niveau in wachsendem Maße als Angebote der beruf-lichen Weiterbildung wahrgenommen, zumal dieKandidaten die Möglichkeit haben, für diese Weiter-bildungsform mit Hochschulabschluss einen bezahl-ten einjährigen Bildungsurlaub zu beantragen. Dem-gegenüber haben Diplome, die nur im Rahmen derberuflichen Weiterbildung erworben werden können,wie z.B. die Aufstiegsfortbildung zum Techniker-abschluss in Deutschland, in der französischenBerufsbildungssystematik weit weniger Bedeutung.

Seit Ende der achtziger Jahre gibt es die eingangsbereits erwähnten branchenspezifischen Zertifikate[certificats de qualification professionnelle], dieWeiter-bildungsmaßnahmen im Umfang von ca. 6 -8 Monaten abschließen, deren Inhalt und Prüfungs-modalitäten paritätisch von den Sozialpartnern aufBranchenebene ausgehandelt werden. Sie warenursprünglich als komplementäre Instrumente zu denstaatlichen Diplomen konzipiert worden und wurdenals nachholende Qualifizierungsmaßnahmen und zurErleichterung der beruflichen Eingliederung für geringqualifizierte Jugendliche im Rahmen eines befristetenArbeitsvertrags mit Qualifizierungskomponente(contrat de qualification) benutzt. Nach und nach sindsie aber auch für die anderen Arbeitnehmer einesUnternehmens als Weiterbildungsangebote geöffnetworden. Es handelt sich um Zertifikate, die von Bran-che zu Branche sehr unterschiedlich in ihrenAnforderungen und Prüfungsmodalitäten sind. Ins-gesamt stellen diese CQP auch heute noch nicht mehrals 1% der gesamten Zertifizierungsfälle dar, innerhalbderer die staatlichen Diplome nach wie vor dieüberwiegende Mehrheit darstellen.

2 Entwicklungstendenzen der Weiterbildungin Frankreich

Unter diesen Prämissen ist in den letzten 30 Jahrenein sehr komplexes System von beruflicher Erst- undWeiterbildung entstanden, das sich im Gegensatzetwa zum deutschen System, das sehr viel stärkerauf einer Unterscheidung von allgemeiner bzw.akademischer einerseits und beruflicher Bildungandererseits beruht, durch die Logik eines hierar-chisch geordneten Systems von Qualifikationsstufenauszeichnet. Das dem deutschen Berufsbildungs-system eigene Verständnis eines ganzheitlichenBerufs ist somit im französischen System sehr vielweniger ausgeprägt. Die Stufenlogik setzt – zumindestauf dem Papier – eine hohe vertikale Durchlässigkeitzwischen den möglichen Ausbildungsabschnittenvoraus. Diese herzustellen, um eine generelle Anhe-bung des Qualifikationsniveaus der Erwerbsbevöl-kerung zu erreichen, war ein zentrales Anliegen derBildungspolitik in den letzten 30 Jahren .*

Zweifellos sind auf dem Weg zu diesem Ziel, nichtzuletzt aufgrund einer starken Beteiligung der Unter-nehmen an den Kosten für die berufliche Weiter-bildung, große Fortschritte erzielt worden. Ein Ver-gleich der formalen Qualifikationen der Erwerbs-bevölkerung zwischen Ende der sechziger Jahre undMitte der neunziger Jahre veranschaulicht dies.**

3 Der qualifikatorische Wert von Arbeit:Zertifizierung von beruflichen Kompetenzenin Frankreich

Unter diesen Voraussetzungen sind die seit Anfangder neunziger Jahre vom Gesetzgeber und den Sozial-partnern angestellten Anstrengungen zu sehen, denqualifikatorischen Wert von beruflichen Erfahrungenstärker zu berücksichtigen und diese als Zugangs-

*) Sie fand z. B. einen deutlichen Ausdruck in dem Mitte derachtziger Jahre formulierten Ziel, 80% eines Altersjahrgangs zumAbiturniveau zu führen und der gleichzeitig erfolgten Schaffungeines Berufsabiturs [baccalauréat professionnel], das sowohleinen berufsqualifzierenden Abschluss darstellt, als auch dieallgemeine Zugangsberechtigung zum Hochschulwesen zurWeiterqualifizierung beinhaltet.**) So ist z.B. der Anteil der Erwerbstätigen ohne formalenBildungsabschluss im Zeitraum von 1968 bis 1996 von 38%auf 19% gefallen, der Anteil der Erwerbstätigen mit dem unterstenformalen Qualifikationsniveau ist von 15% auf 30% gestiegenund der Anteil der Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss (incl.Kurzstudiengängen) ist im gleichen Zeitraum von 4% auf 21%gestiegen. Nur noch ca. 9% (ca. 60.000 bis 70.000 Jugendliche)aller Schulabgänger verlassen heute die Schule ohne formalenAbschluss (d.h. ohne berufsbildenden oder allgemeinbildendenAbschluss) gegenüber 33% im Jahre 1980.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

voraussetzungen zu staatlichen Diplomen stärkeranzuerkennen. Damit sollte gerade im Bereich derberuflichen Weiterbildung der Zugang zu formalenBildungsabschlüssen erleichtert werden, indemErfahrungswissen und informell erworbene Kompe-tenzen, die im Laufe einer beruflichen Tätigkeiterworben werden, als Zulassungskriterien für dieTeilhabe am staatlichen (Weiter)bildungsangebotaufgewertet werden. Damit hoffte man psycholo-gische Hemmschwellen zu überwinden, die festge-stellten Ungleichheiten in der Weiterbildungsteilhabebekämpfen und die mit dem technologischen undsozialen Wandel notwendigen Anpassungsprozesseauf dem Arbeitsmarkt sowohl der Erwerbspersonenwie auch der (kleinen und mittleren) Unternehmenin ihrer Personalentwicklung begleiten zu könnensowie letztlich unausgeschöpfte Bildungsreserven zumobilisieren.

So wurde schon 1985 ein Gesetz verabschiedet, dasArbeitnehmern und Arbeitslosen den Zugang zuHochschuldiplomen ermöglicht, auch wenn sie nichtdie formalen Zugangsvoraussetzungen, d.h. dieerforderliche formale Vorbildung, besitzen. Hierbeimuss die starke Strukturierung des französischenHochschulstudiums berücksichtigt werden, wonachjedes Studienjahr mit Ausnahme des ersten mit einemstaatlichen Diplom abgeschlossen wird. Die Zulassungzum angestrebten Studiengang bzw. Studienjahrerfolgt nach Prüfung der schriftlichen Unterlagen, dieder Kandidat vorzulegen hat und einem Gespräch miteiner Kommission, die in jeder Hochschule gebildetwerden muss. Mit der erfolgten Zulassung istallerdings nicht der Erwerb der normalerweise für dasangestrebte Diplom erforderlichen Qualifikations-niveaus verbunden. Die Regelung von 1985 ist aufeinen gewissen Zuspruch gestoßen, auch wenn dieZahl der Fälle im Verhältnis zur Gesamtzahl der anfranzösischen Hochschulen eingeschriebenenStudenten (ca. 2 Mio.) kaum ins Gewicht fällt. Sieist von 8.405 Fällen im Jahre 1998 auf 13.881 Fälleim Jahre 2001 gestiegen.*

Von insgesamt 18.000 Anforderungen von Bewer-bungsunterlagen sind 5.377 tatsächlich eingereichtund von einer Kommission auf der Ebene der regio-nalen Schulverwaltung geprüft worden.** Einepersönliche Beratung der Antragsteller hat in gut derHälfte der 18.000 der Fälle stattgefunden. 4.500Kandidaten sind schließlich über die Zertifizierung

ihrer beruflichen Erfahrungen von bestimmten Stu-dien- oder Prüfungsleistungen für das von ihnenangestrebte Diplom in mehr oder weniger starkemUmfang befreit worden. Auch bei diesen Kandidatenüberwiegen die Berufstätigen (80%) gegenüber denArbeitslosen (16%). Frauen stellen auch bei den nicht-universitären Diplomen die Mehrheit der Bewerber.Über den endgültigen Studienerfolg der Kandidatenlassen sich vorerst wegen der unterschiedlichenQualität des von den regionalen Schulbehördengelieferten Datenmaterials keine exakten Angabenmachen. Festhalten lässt sich jedoch, dass dasGesetz von 1992, das ausschließlich den Zugang zuden staatlichen Diplomen, d.h. im Wesentlichen denDiplomen im Verantwortungsbereich des Erzie-hungsministeriums betraf, längst nicht den erhofftenZuspruch sowohl bei den Bildungsnachfragern alsoffenbar auch den Bildungsanbietern gefunden hat,auch wenn sich seit Ende der neunziger Jahre einstei-gendes Interesse feststellen lässt.

Im Lichte dieser Erfahrungen ist nun das eingangserwähnte Gesetz zur sozialen Modernisierung vonEnde 2001 zu sehen, mit dem man das Bewerber-profil diversifizieren und die Zahl der Bewerbererhöhen möchte. Wesentliche Neuerungen betreffenzunächst einmal die Tatsache, dass nicht nur reinberufliche Erfahrungen, sondern auch gesellschafts-politisches und soziales Engagement in der Arbeits-welt als zertifizierbar geltend gemacht werden könnenfür den nicht mehr nur teilweise, sondern nunmehrauch vollständigen Erwerb von staatlichen Diplomen,wie es die Bezeichnung „validation des acquis del’expérience“ auch sprachlich ausdrückt. Die Dauerder erforderlichen beruflichen Tätigkeit wurde nachdem neuen Gesetz auf drei Jahre festgesetzt.Schließlich ist die Zahl der mit dem Verfahren be-trauten Akteure erheblich erweitert worden, dennneben den staatlichen Diplomen des Erziehungs-ministeriums können jetzt auch andere Zertifikate undTitel auf diese Weise teilweise oder ganz erworbenwerden. Dies betrifft z.B. Zertifikate von Handelskam-mern oder die bereits erwähnten branchenspe-zifischen Qualifikationszertifikate, die in vielen Bran-chen eher dem Qualifikationsbedarf der Unternehmenentsprechen als die existierenden staatlichen Schul-und Hochschuldiplome. Für eine Bewertung derResonanz, die das Gesetz gefunden hat, ist es nochzu früh, doch lässt sich sagen, dass die Medien sehrausführlich über die Neuerungen berichtet haben unddass sich die Bildungsanbieter auf eine starksteigende Nachfrage einstellen. VorsichtigeSchätzungen gehen von ca. 40.000 Diplomen aus,die bis 2007 auf diese Weise verliehen werdenkönnten.

*) Ministère de la Jeunesse, de l’Education et de la Recherche,Note d’Information, 03.01, Januar 2003.

**) ebenda

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Es muss davon ausgegangen werden, dass aufgrundder sehr ausführlichen Medienberichterstattung undauch der Unterstützung durch die Sozialpartner einegroße Erwartungshaltung bei potenziellen Kandidatenaufgebaut worden ist, die die Bildungsanbieter(Hochschulen, Schulen und sonstige Träger) vorerhebliche Herausforderungen bezüglich der erfor-derlichen Standardisierung der Verfahren, der Schu-lung der beteiligten Akteure zur Qualitätssicherungund auch zur Akzeptanz beim Lehrpersonal stellt.Gerade Letzteres dürfte erhebliche Anstrengungenerforderlich machen, denn das klassische Selbstver-ständnis der Lehrenden ist durch das Zertifizier-ungsverfahren in Frage gestellt, insofern diese jetztauch in der Lage sein sollen, berufliche Erfahrungenund soziales Engagement auf ihre Dokumentier- undZertifizierbarkeit für den Erwerb eines (staatlichen)Diploms zu bewerten. Die Gefahr der Desillusionierungder potenziellen Kandidaten durch die Herausbildungvon Diplomen zweiter Klasse, die über das Zertifi-zierungsverfahren erworben würden, gegenüber denDiplomen, die auf klassische Weise erworben wurden,ist nicht von der Hand zu weisen.

Kennzeichen der französischen Debatte ist gerade,dass nicht über neu zu schaffende Bildungspässediskutiert wird, sondern über die offizielle Anerken-nung von non- formalen Lernen bzw. informell erwor-benen Kompetenzen für den Erwerb von formalenBildungsabschlüssen, deren zentrale Bedeutung füreine französische Bildungsbiografie letztlich auf dieseWeise bestätigt wird.

6.4 EVC in the Netherlands

Tijs Pijls, CINOP S`Hertogenbosch,Niederlande

EVC Knowledge Centre accelerates the imple-mentation of EVC

Given the major advantages that EVC (accredition orrecognition of pior learning) offers employers, em-ployees, educators, government and intermediaries,its practical implementation could be carried outmuch more swiftly than is currently being done. Var-ious sectors of trade and industry both in the Nether-lands and abroad have already set countless practicalexamples. What is still missing, however, is anexhaustive overview of the existing possibilities.Furthermore, the parties involved make insufficientuse of one another’s experience.

In setting up the EVC Knowledge Centre, the Dutchgovernment’s intention is to promote the applicationof the EVC system in the Netherlands. The ministriesof Economic Affairs; Education, Culture & Scienceand Social Affairs & Employment finance the Know-ledge Centre for a period of four years (2001 - 2004).The initiative also enjoys the support of the socialpartners and educational umbrella organisations.

In 2000, the EVC Knowledge Centre was awarded toa joint venture comprising three educational con-sultancy organisations: Stoas (Consultancy Organi-sation for agricultural Education, Trade and Industry:www.stoas.nl), CINOP (National Centra for Vocationaland Adult Education: www.cinop.nl) and Citogroep(consultancy organisation specialized in the deve-lopment of test and exams to measure educationaloutcomes: www.cito.nl). From their own perspective,all three organisations have a great deal of knowledgeand experience in the field of EVC.

The Knowledge Centre operates largely on the basisof cooperation between various network partners. Ithas therefore consciously opted for a minimal staffcomplement. The EVC Knowledge Centre employsone fulltime coordinator and three part-time assis-tants, responsible for documentation, communicationand administration. In addition, one senior researcher/consultant and two senior consultants each work oneday a week at the Knowledge Centre.

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Spider in the web

The EVC Knowledge Centre studies, accumulates anddistributes information on every imaginable aspectof EVC, such as national and international informationpertaining to EVC projects, procedures, instruments,financing, yield and legislation. Incidental bottlenecksin the sphere of legislation and regulations aresurveyed and discussed with the responsible au-thorities.

Research is carried out into the standard-setting (=the yardstick for the definition and recognition ofcompetencies), the civil status (= certification) forvarious parties and the level of accessibility of EVCprovisions. Other activities include research into thevarious parties’ interests in EVC, the profitability ofEVC, the significance of EVC in the field of mediationand reintegration, into various assessment methodsand validity, and the preconditions for the applicationof EVC in the small and medium-sized businesssector. The centre commissions third parties toexecute these projects and carry out further research.

The provision of information largely takes place inthe form of the EVC Newsletter that appears severaltimes a year and the website www.kennis-cen-trumevc.nl, which contains a wealth of backgroundinformation.

The EVC Knowledge Centre also organises confe-rences and expert meetings for the dissemination ofknowledge.

Network partners: works in practice

A large and widespread network is necessary todevelop, accumulate and distribute knowledge on theEVC system. Employers, employees, branches,government bodies, target-group organisations, inter-mediaries, educational organisations, etc., all playindividual roles in the implementation and applicationof EVC. The EVC Knowledge Centre greatly appre-ciates all these parties’ participation in the AdvisoryCouncil and as network partners.

The Advisory Council of the EVC Knowledge Centreadvises the centre on the subject of activities, providesfeedback with regard to its activities and policy, whilealso performing a signal function. The Advisory Councilcomprises representatives of employers’ and em-ployees’ organisations, the government, employmentmediation agencies and the educational sector.

Network partners provide information on their ownactivities and are actively involved in communicationwith the grassroots. Furthermore, they sometimescooperate in the execution of projects and researchassignments. This is a two-way process: knowledgeof their own of sector of trade or industry (developedEVC procedures, key figures) are made accessible toother sectors. New EVC developments within thesector are swiftly transmitted to the grassroots throughthe existing infrastructure. Moreover, active partici-pation is an essential precondition for support anddistribution of the range of ideas. The KnowledgeCentre’s intention is to attract at least 15 new networkpartners each year.

APL: a taste of the Netherlands

Often, people have more skills than are reflected bytheir diplomas. Competence development takes placenot only through education, but also through paidwork, voluntary work, hobbies or social participation.By making their, often hidden, talents visible andformally recognising these, a great deal of profit canbe obtained for several parties.

Recognising previously acquired competences (APL:accreditation of prior learning) motivates workseekersand employees alike, stimulates them to followcourses, increases their value on the employmentmarket and gives them a better prospect of their owncareer. Employers can improve the availability of theirpersonnel though APL and strengthen the innovativepower of the sector.

The employment service and temporary employmentagencies can use APL to mediate better and morequickly, and offer realistic opportunities to non-traditional target groups. Through APL, traininginstitutes, incl. higher education!, can offer tailor-made packages and provide more efficient training.Finally, the government has an interest in a strong,socially oriented economy. A society in which peopledo the work they are most suited to and in whichthere is a balance between the supply of and demandfor labour.

An APL procedure can be implemented in a varietyof ways, but the following steps can always bedistinguished:· mapping competences – recognition;· assessing competences – acknowledgement;· determining the potential of competences –

development

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Identifying competences

An APL procedure starts with an initial discussion withthe participant. The assessment of this is intendedto make the participant aware of the competencess/he has and that are of importance for his/her presentor future work. All education and training coursesfollowed are included, as well as all work previouslyundertaken. In addition, care tasks performed outsideof work, voluntary work, sports and hobbies are alsoexamined in relation to “competences acquired”.

The participant then collects proof of these compe-tences in a ‘portfolio’. This proof is specifically aimedat the occupation or position for which the APLprocedure was developed. Proof can include diplo-mas, employee declarations, testimonials, projectsor photographs, for example, of work delivered.

The portfolio is compiled by the participant him orherself, possibly supported by the coach who alsosupervises the further procedure.

Assessing competences

In the next phase, assessors assess the competencesand proof of these contained in the portfolio. If addi-tional proof is required, an assessment may follow.In this case, the participant is observed while workingand asked about how and why s/he is doing what s/he is doing. In the case of employed persons, thisusually takes place during their normal work.

An assessment in this sense is not “intimidating”: allthe person concerned has to do is what they wouldnormally do anyway. For other target groups, such asworkseekers, those returning to work and newcomers,a working situation is sought that most closely re-sembles a possible future workplace.

Assessors compare the competences of the parti-cipant with a standard that describes what someoneshould know and be able to do. This results in theallocation of one or more certificates or a full diploma.

Often, the national qualification structure for voca-tional training acts as the standard. This is set byprofessional and sector organisations. The assess-ment standard applied can also be determined by acompany. This then results in company-relatedcertificates. In practice, assessment standards arepreferred that are common not only within the com-pany, but also outside of it.

The personal development plan

Now that the missing competences have beenrecognized and mapped out, the last step in the APLprocedure can take place: the participant’s personaldevelopment plan. This often contains a trainingrecommendation, but can also be about functioningin the current work situation or contain career advice.

System requirements

The system requirements are the prerequisites andfacilities which must be present at macroeconomiclevel in order for prior learning assessment to beoptimally used. The responsibilities of the variousplayers and the (existing) development level differsfor each requirement.· The successful application of prior learning

assessment depends on various prerequisites:· The presence of assessment facilities;· A high level of accessibility to the procedure;· A system for quality assurance of the assessment

procedures;· A workable assessment standard (= the “yard-

stick” by which an assessment is made);· A stimulating financial and legal framework;· A supportive national and international framework;· The ability to measure feasibility and profitability.

Assessment

Assessment is a method for identifying personalgrowth and development opportunities. Informationabout existing skills and qualifications is gathered ina controlled and standardised way. Based on theresults of this inventory, advice is then offered aboutpossible follow-on steps to bring about furtherdevelopment. In order to optimally develop priorlearning assessment as an instrument to boost em-ployability, the assessment procedure will need tobe a low threshold facility.

Every organisation is in principle free to establish andoffer an assessment facility. However, if the assess-ment is used to guide a recognisable civil effect, thenthe assessment must be carried out independentlyand be subjected to a quality control system.

Acquiring externally legitimised certificates anddiplomas based on the national qualification stan-dards is currently effectively tied to institutions for(secondary) professional education. By training andevaluating, and/or by unlinking the award ofcertificates and diplomas from formal channels, it

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

will be possible to establish independent assessmentcentres.

The evaluation and recognition of skills and quali-fications is carried out by assessors. The legitimisationof providing assessment facilities depends on thequality of the assessors who are available. So far,there have been no quality criteria, or a qualificationstandard, for assessors who are implementing priorlearning assessment procedures.

Accessibility

Prior learning assessment procedures should beaccessible for individuals and organisations (on oraround the labour market). The concept of acces-sibility relates to:

· Recognisability and acceptance;· The accessibility of organisations that carry out

the assessment procedures;· The affordability of procedures.

The acceptance of the importance and the profitabilityof prior learning assessment as a facility will be assis-ted by the optimum accessibility and availability ofprocedures, including both the physical accessibilityand the financial accessibility of procedures.

Accessibility is also increased if the value of certifi-cates and hence the value of the standard applied iscross-branch in nature. For example, a certificateawarded on the basis of a standard applied by theretail trade will also have to have some value withinthe care sector or the automobile industry. Essentially,it is a matter of increasing the transparency andcomparability of the various qualification structures.

A decentralised provision of assessment will increasethe accessibility of the procedure. ‘Decentralised’ inthis context means the regional spread andimplementation of the procedure in the workplaceand the place of learning of the candidate. Anotherprerequisite for accessibility is practicability andefficiency for users. Time-consuming and bureaucraticprocedures are disastrous for accessibility.

State co-funding of prior learning assessmentprocedures is a fundamental prerequisite for ensuringaccess to, and the successful application of, thesystem. A decentralised and practicable system whichis too costly for users will reduce access to pro-cedures.

Quality assurance

Quality assurance relates to the validity of the stan-dard applies, the quality and accreditation of asses-sors and the quality assurance system for assessmentprovisions. Because rights can be derived from theaward of certificates and diplomas on the basis ofthe procedure, professional and complaints proce-dures will need to be formulated – in other words, anationally implemented prior learning assessmentsystem based on a properly coordinated and cohesivesystem of quality assurance that applies to all theassessment centres.

The government is responsible for the qualityassurance of the assessment standard that is appliedin the case of prior learning assessment. The qualityof the standard can be guided by establishing proce-dures for developing standards and by applying aprogramme of requirements to the structure of thestandard. Important quality criteria include validity,acceptance, reproducibility, functionality, transpa-rency and comparability of structures.

There are various important players involved inassessing the quality of prior learning assessment.The government must supervise this quality (validity,reliability and legitimacy). It can delegate this respon-sibility to third parties, but remains liable for the overallsupervision of quality. This quality assurance can takethe form of a system of audits of internal quality caresystems for assessment centres, or a system of ran-dom studies by independent research institutes tostudy the validity and reliability of assessment results.Another possibility is the accreditation of assessors.

In tandem with the unlinking of training and assess-ment, as described under dimension 1, provisionmust also be made for the quality assurance of theaforesaid assessment centres, even if they are notoperating within the quality frameworks of state-funded education. This can be done via the accre-ditation of assessors.

Standard

When developing the prior learning assessmentsystem, efforts must be made to tie it in with thenational qualification structures for professionaleducation. This will provide the greatest possibleguarantee for the civil effect of the qualificationsacquired via prior learning assessment. A civil effectcan range from the right to access and/or exemptionsfor a particular training course, the award of cer-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

tificates or diplomas and follow-on phases in thecontext of careers development.

Recognition of skills and qualifications can be basedon the qualification structures of sectors and branchesor on internal (company) standards. In the first case,the capacity for adjusting the standards will be animportant prerequisite for acceptance of, and supportfor, the standard. The feedback function of proceduresfor the capacity to adjust the standards is of immenseimportance here. In order to utilise this function,agreements must be made between assessors andthe bodies responsible for developing the nationalqualification standards. In the case of internal stan-dards, the civil effect is not a main priority. Internalstandards should be coordinated as far as possiblewith national standards in order to assist emplo-yability.

It is important for the standard applied to be demand-led. The need for skills and qualifications on the labourmarket must be the point of departure for developingthe standard. The incorporation of so-called informallyacquired skills and qualifications can therefore onlybe to the good. As a result, if there are follow-onphases after assessment, this can ensure a goodmatch between education/training and the labourmarket. It may well be useful to re-incorporate theexisting qualification structure in a national skills andqualifications structure for professional education.

Financial and legal framework

The financial and legal framework must support thesystem. The development and application of thesystem must not be hampered by financial and legalobstacles; on the contrary - prior learning assessmentshould in fact provide a financial and legal incentivefor learning, notably in terms of its flexibility anddynamism.

Concluding agreements at branch level about theways in which people can obtain access toassessment is clearly important for prior learningassessment. Such agreements could be set down incollective labour agreements (CAOs) in terms of thespending of available training budgets. Anotherpossibility is to offer a tax facility for implementingassessments for careers guidance.

The award of exemptions and credits based on workexperience should also be given attention. Not onlydoes this require the active deployment of priorlearning assessment but it is also an incentive for

‘lifelong learning in work’.

The establishment of an prior learning assessmentsystem involves development and maintenance costs.Experiences in other countries show that these sys-tems can ultimately pay for themselves, thanks totax facilities which encourage investment inemployability. It should be noted that the governmentwill continue to have a responsibility for the partici-pation of job-seekers in prior learning assessment.

National and international developments andknowledge

In terms of knowledge, for prior learning assessmentit is crucial to organise the knowledge flow that isrequired to keep it as a system up to date. The ex-change of knowledge is the key prerequisite here.The aim is to avoid having to duplicate effort and tobe able instead to learn from others, both nationallyand internationally.

At national and international level, platforms for theongoing supply of knowledge will need to ensure thegeneration of new insights and innovation, mea-surement techniques, IT applications and so on. Priorlearning assessment could also be used to encouragethe recognition of international diplomas. Within thevarious platforms, knowledge will be exchangedbetween participants from various countries. Ob-viously these platforms should preferably be organisedvia the Internet as far as possible.

Feasibility and profitability measurement

In order to more effectively highlight the benefits ofthe system for everyone, it is important to be able toclearly indicate its workability and profitability invarious situations.

Prior learning assessment as an instrument must leadto an accessible structure in which more attention isgiven to the qualities which people already have. Thisstructure applies to all the different forms of orga-nisation that are active on the labour market, tosuppliers of training courses, to assessment providers,to careers advisory bodies and to individuals.

The results of the application of prior learningassessment must ultimately be visible in, say,increased assessment for careers planning orpersonal development and, proceeding on from this,in a more effective application of the availableresources for education and training. The provision

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

of a customised service to individuals will also risesharply.Measurable effects will include a rise in the numberof diplomas, certificates and other qualificationsawarded on the strength of procedures. The visiblereturn for individuals and organisations of investingin human capital must also be properly measurable.The other results of application include a reductionin the drop-out rate in education and a higher rate ofsuccessful labour market reintegration, an increasein the ‘sideways’ inflow onto the labour market,increased mobility of workers and an increase in thesuccessful placement of job-seekers.

Profit for a-ll

APL provides an insight into people’s actual caAPLitiesand potential. APL is not an aim in itself, but a meanstowards stimulating and structuring the developmentof people. APL is an instrument that leads to:· broader availability of both older and younger

personnel;· greater independence of employees as they are

equipped for their work;· increased self-esteem among employees;· better motivation to follow (training) courses;· greater commitment from the personnel to the

organisation; confidence by managers inemployees increases and vice-versa;

· a concrete formulation of the personnelrequirement and optimum (internal) filling ofvacancies;

· targeted evaluation meetings and career planning;· effective application of training;· less time lost and lower training costs;· a demonstrable, and therefore improvable,

individual contribution to the operating result.

Good practices

· recruitment employees: an APL project in co-operation with the Dutch police;

· dropout prevention: an APL project in cooperationwith the building and construction industry;

· outplacement employees: an APL project incooperation with the Dutch army;

· reorganization: an APL project in the SMB (smalland medium sized business);

· human Resource management: an APL project incooperation with the process industry;

· quality requirements: several APL projects fornurses;

· upgrading transfer employees: an APL project incooperation with wood and furniture industry.

6.5 Zertifizierung informellenLernens: Strukturen und Erfahrun-gen in England und Wales

Prof. Dr. Thomas Deißinger, Konstanz

Beim englischen Berufsbildungssystem handelt essich um ein vom deutschen dualen System grund-verschiedenes Konzept der Qualifizierung. Diese An-dersartigkeit betrifft sowohl seine historische Herkunftals auch die Prozesse der politischen Willensbildung,die für die Strukturentwicklung der letzten drei Jahr-zehnte verantwortlich zeichnen (Deißinger 1992;Deißinger/Greuling 1994). Vor allem fehlen klar ab-gegrenzte Zuständigkeiten, eine rechtliche Grundla-ge für die betriebliche Ausbildung und Lernort-strukturen oder gar Formen der Lernortkooperation,die mit den Attributen „Ganzheitlichkeit“, „Gleichwer-tigkeit“ oder „Partnerschaft“ ausgestattet wären. Inden damit verbundenen ordnungspolitischen und di-daktischen Überzeugungen dürften nach wie vor dieHauptunterschiede zwischen dem deutschen unddem angelsächsischen Verständnis von der gesell-schaftlichen und pädagogischen Bedeutung der be-ruflichen Bildung liegen (Canning/Deißinger/Loots2000; Raggatt 1988; Ryan 2001; Boreham 2002).Hierbei weist gerade das Berufsbildungswesen inEngland und Wales eine Vielschichtigkeit und Unüber-sichtlichkeit auf, die das, was aus deutscher Per-spektive unter beruflicher Erstausbildung in einemstrukturierten Sinne verstanden wird, nur als eineunter mehreren Varianten ausweist. Im Wesentlichensind es vier Pfade, die Jugendlichen im Rahmen dernicht-akademischen Berufsbildung und als Integra-tionswege in das Beschäftigungssystem zur Verfü-gung stehen.

An der Grafik (Seite 74) wird deutlich, dass Kern desangelsächsischen Berufsbildungsverständnisses dieIdee eines nationalen Zertifizierungsrahmens ist, derjedoch nicht nur die Erstausbildung, sondern vor al-lem auch die Weiterbildung und die Erwachsenenbil-dung einschließt. Berufliche Qualifikationen (NVQsund GNVQs) sind hierbei grundsätzlich modular struk-turiert. Dies gilt auch – wenn auch mit Einschrän-kungen – für die Lehrausbildung (Modern Appren-ticeship), die sich gegenwärtig als die strukturiertesteAusbildungsvariante im Bereich der betrieblichen Be-rufsausbildung heraus kristallisiert (Deißinger 1999;Ryan 2001; Ertl 1998).

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

die national operierende Qualifications and Curricu-lum Authority (QCA) in Kooperation mit den unter-schiedlichen Prüfungsinstitutionen (Awarding Bodies).

Eine der Leitideen im englischen Zertifizierungsansatzist die Idee der accreditation of prior learning: Nachdieser „Philosophie“ können erworbene Kompetenzenex post formalisiert und auf eine bestimmte NVQ an-gerechnet werden (Deißinger 1994; Hodgson/Spours1997; Williams/Raggatt 1998). Das „System“ ent-spricht somit unverkennbar der im Weißbuch der EU(Kommission der EG 1996) skizzierten offenen, aufTeilkompetenzen basierenden Berufsbildungs-konzeption und besteht mittlerweile aus 976 NVQtitles.

Zu den Innovationen der jüngeren Zeit zählt auch dieEinführung des Systems der General NationalVocational Qualifications (GNVQs) Anfang der neun-ziger Jahre (Spours 1999). Dieses repräsentiert heutedas mittlere Segment des im Dearing Report (Dearing1996) avisierten britischen National QualificationsFramework. Seit September 2002 unterscheidet dasSystem neben den auf die Hochschulen zuführen-den Vocational A-levels nur noch eine „Unterstufe“für 14 bis 16-jährige mit der Bezeichnung VocationalGCSE. Damit wird unterstrichen, dass es hier zwarum eine „realistische“ Ausrichtung des Sekundar-schulcurriculums geht, gleichwohl eine Verknüpfungdieses „allgemeinen“ beruflichen Bildungsweges mitdem traditionellen gymnasialen Pfad im Sinne for-maler Gleichwertigkeit und seiner Ausdehnung „nachoben“ angestrebt wird (Ryan 2001, S. 144). Nichts-destoweniger handelt es sich nach wie vor um einenAnsatz der gezielten Praxisausrichtung des Sekun-darschulcurriculums, „which is neither narrowly aca-demic nor occupationalist“ (Yeomans 1998, S. 130).Im Unterschied zu den „akademischen“ A-Levels gehtes auch hier um einen Individualisierungsansatz imHinblick auf die Gestaltung von Bildungsbiografien,wie er typisch ist für das i.e.S. betrieblich-tätigkeits-bezogene NVQ-System (Jessup 1995, S. 42). Des-halb sind auch die GNVQs nicht nur modular struktu-riert, sondern Kompetenzbeschreibungen und nicht

Definiert man als „Module“ Elemente eines Gesamt-systems, dann lässt sich „Modularisierung“ als dieVorstellung über die Relationen dieser Teile zueinan-der sowie zu einem wie auch immer gearteten über-geordneten Ganzen fassen. Jedoch unterscheidensich Modulkonzepte im Bildungsbereich hinsichtlichihrer Dimensionierung sowie der mit ihnen assoziier-ten Zielvorstellungen. Dies kann am Beispiel der eng-lischen Berufsbildung aufgezeigt werden, bei der essich um einen Modularisierungsansatz mit einem sehrweit reichenden Innovationsanspruch handelt. Da essich um ein sowohl „kompetenzorientiertes“ wie auch„outputorientiertes“ Konzept handelt, dominiert hiernicht etwa die Überzeugung curricularer Normierungder Berufsausbildung unter reliablen Strukturbe-dingungen, sondern vielmehr die „Strategie, denNachweis von Kompetenzen statt den Prozess derAusbildung bzw. die Inhalte der Ausbildungsmodulezu regulieren“ (Hillmert 1999, S. 269). Gleichzeitigsteht der Portfolio-Gedanke unverkennbar im Zen-trum: „The NVQ framework offers a means of obtain-ing credit for work-based activities. It provides a struc-ture for the work placement which culminates in aportfolio of evidence” (Morgan 1997, S. 186).

Bei den 1986 eingeführten National VocationalQualifications (NVQs) handelt es sich um Aggre-gierungen einzelner Module, deren Umfang und Wer-tigkeit innerhalb eines fünfstufigen Ordnungsschemasvariieren. Jedes Modul setzt sich aus sog. elementsof competence sowie sog. performance criteria zu-sammen, die die für das Vorliegen eines „Kompetenz-elements“ zu erfüllenden Arbeitsaufgaben qualitativbeschreiben. Als entscheidend wird erachtet, dassdiese „Kompetenzeinheiten“ partikulare, diskrete Ar-beitsprozesse abbilden und dass sie einem assess-ment am Arbeitsplatz – d.h. unter „realistischen“Bedingungen – zugeführt werden können. Der Ar-beitsweltrelevanz einer NVQ wird dadurch Rechnunggetragen, dass die Kompetenzprofile von Gremien derWirtschaft, den sog. Standards Setting Bodies bzw.Sector Bodies, ausgearbeitet und festgelegt werden.Zuständig für die Akkreditierung der Abschlüsse ist

Hauptpfade des Berufsbildungssystems:Betriebliche Ausbildung/ Anlernung, Abschluss: NVQs, alle Stufen

Foundation (Modern) Apprenticeships, Abschluss: NVQs, Level 2 oder 3

Advanced (Modern) Apprenticeships, Abschluss: NVQs, Levels 3 oder 4

Berufsbildung in Colleges und Schulen, Abschluss: GNVQs

74

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

curriculare Regelwerke, obschon ihnen eine ver-gleichsweise größere Verbindlichkeit zukommt als denNVQs. Ihre „Brückenfunktion“ innerhalb des Natio-nal Qualifications Framework besteht darin, dass ih-nen einerseits die Kompetenzstruktur der NVQs zueigen ist, sie zum anderen aber Wege zur Gleichwer-tigkeit (parity of esteem) zwischen der allgemeinen/akademischen und der beruflichen Bildung beschrei-ben (Yeomans 1998, S. 138 ff.).

Die Einführung der NVQs bzw. GNVQs ist Ausdruckeines grundlegenden berufsbildungspolitischenParadigmenwechsels, der seit den späten siebzigerJahren eingeläutet wurde. Ein angebots- und curricu-lumorientiertes System sollte durch ein nachfrage-und kompetenzorientiertes Berufsbildungskonzeptabgelöst werden. Gleichzeitig ging es um die Ermög-lichung „lebenslangen Lernens“ (Deißinger 2002) so-wie die Abkehr von etablierten Bildungsgängen und -institutionen. Entscheidend sollte vielmehr sein, dassjegliche Form beruflicher Bildung einen Verwer-tungscharakter bekam und den Bedürfnissen derBetriebe folgte. An der Motivstruktur der Einführungdes NVQ-Systems lässt sich dies sehr anschaulich

illustrieren, da sie auf einerFundamentalkritik an der bis-herigen Ausrichtung desBerufsbildungssystems ba-sierte:

Motive der Einführung derNVQs:

- no clear readily understan-dable pattern of, and consi-derable overlap, duplica-tionand gas in vocational quali-fications provisiiion,

- many barriers to access tovoacational qualifications andinadequate arrangements forprogression and transfer ofcredit,

- assessment methods basedtowards tetsing of knowledgerather than skill or compe-tence,

- insufficient recognition oflearning gained qutside for-mal education and training,

- limited take-up of vocational qualifications.

Vor diesem Hintergrund erscheint das deutscheBerufsbildungssystem weitaus strukturierter undtransparenter. Vor allem jedoch ist hier die Idee derErstausbildung leitend. Es ist ein Kennzeichen gera-de des dualen Systems, dass die im Konsens derSozialpartner erarbeiteten Ausbildungsberufe durchden Staat normfähig gemacht werden und ihnendurch den „Ausschließlichkeitsgrundsatz“ (§28 BBiG)ein „exklusiver“ Status zukommt (Deißinger 1996;Deißinger 2001 a). Ihr entscheidendes didaktischesMerkmal ist jedoch ihre Berufsförmigkeit, d.h. die An-wendungsvoraussetzungen qualifizierter Arbeit sinddadurch bestimmt, dass ihnen ein institutionell fi-xiertes, ganzheitlich strukturiertes, im Rahmen einesgeordneten, mit einer Prüfung abschließenden Ausbil-dungsgangs erworbenes Profil von Kenntnissen undFertigkeiten zugrunde liegt, welches in multiplen er-werbswirtschaftlichen Anwendungskontexten „verwer-tet“ werden kann (Deißinger 1998). Vor dem Hin-tergrund des „Berufsprinzips“ lassen sich die folgen-den Unterschiede zwischen den Kompetenzprofilendes NVQ und den staatlich anerkannten Ausbildungs-

Institutionelle Struktur des NVQ-Systems (Quelle: ww.qca.org.uk)

SECTOR BODIES Identify, define and update

employment-based standards of competence for agreed

occupations

AWARDING BODIES Design assessment and quality

assurance systems and gain sector bodies endorsement prior

to submission to QCA for accreditation of the qualification

QCA accredits proposals for qualifications submitted by awarding bodies

QCA

QCA monitors awarding bodies offering NVQs

AWARDING BODIES Approve assessment centres to offer NVQs, implement and assure quality of the NVQs

ASSESSMENT CENTRES Organisations which meet awarding body criteria for assessing NVQs

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

berufen anführen. Sie markieren gleichzeitig die po-tenzielle Entgrenzung, die das jeweilige System imHinblick auf die Problembereiche des „lebenslangenLernens“ und der Portfolio-Zertifizierung zulässt:

· Das Modulprinzip mit der Möglichkeit des Er-werbs funktional zugeschnittener Partialqualifika-tionen sowie der Komposition „personalisierter“ Quali-fikationsprofile steht im Gegensatz zum Grundsatz derganzheitlichen Fixierung von Ausbildungsberufsbildund Ausbildungsinhalt im dualen System. Anders alsdie in der Tendenz „job-orientierten“, in jedem Falle„job-orientiert“ angeeigneten NVQ repräsentierenAusbildungsberufe Bündel von Qualifikationen, dieniemals nur zu einer spezifischen Erwerbstätigkeit be-fähigen sollen.

· Das Reformkonzept der NVQ verkörpert eine„nach einer Seite hin offene Reform“, da es zwar dieBenennung gewünschter Ausbildungsergebnisse,nicht jedoch die Fixierung standardisierter Ausbil-dungsinhalte als Voraussetzung effizienter Quali-tätskontrolle vorsieht. In Deutschland verkörpern dieAusbildungsordnungen vor allem die didaktisch-curri-culare Dimension des Ausbildungsprozesses, d.h. dieNotwendigkeit einer „geordneten und einheitlichenBerufsausbildung“ (§ 25 I BBiG) ohne die Möglich-keit der Teilqualifizierung. Über sie kommt es zu ei-ner „unternehmensübergreifenden Normierung derBerufsausbildung“ (Kutscha 1992, S. 539).

· Neben der Beliebigkeit des Lernortes und der

Möglichkeit, einzelne Module als Qualifikationsnach-weise geltend zu machen, behindert das Nebenein-ander „alter“ und „neuer“ Abschlüsse sowie unter-schiedlicher prüfender und zertifizierender Institutio-nen nach wie vor die Transparenz, Komparabilität undMarktgängigkeit der NVQs. Die Ausbildungsberufesind demgegenüber nicht nur eindeutig identifizier-bare Bindeglieder zwischen dem vom Gesetzgebervorgeschriebenenen geordneten Ausbildungsgangund den damit korrespondierenden „Erwachsenen-berufen“, sondern sie konstituieren auch „soziale undtarifliche Berechtigungen“ im Rahmen der Erwerbs-tätigkeit (Benner 1981, S. 25 f.).

Ein berufspädagogisch relevanter Problemaspekt die-ser gleichsam „fragmentierenden“ bzw. „singulari-sierenden“ Modularisierungsstrategie (Deißinger2001 b; Sloane 1997) liegt darin, dass die damitkorrespondierenden Qualifizierungsprozesse tenden-ziell ebenfalls „modularisiert“ werden (Stanton 1991,S. 141). Qualifizierungs- und Zertifizierungsmöglich-keiten werden im Hinblick auf eine in hohem Maßediffuse und fragmentierte Nachfrage von Seiten desArbeitsmarktes bereit gestellt (Aitken, Lilley & Ward-man-Browne 1991, S. 144 ff.). Damit korrespon-diert selbstredend der Portfolio-Gedanke. Im deut-schen System dürfte es demgegenüber schwerer sein,Strukturen abseits der etablierten Wege formellen Ler-nens (einschließlich der dualen Berufslehre) zu eta-blieren, nicht zuletzt, weil hier auch die Weiterbildungund die berufliche Karrierisierung in hohem Maße anformelle Berufsabschlüsse gekoppelt sind. Des wei-

National Qualifications Framework (Quelle: ww.qca.org.uk)

Level of qualification General Vocationally-

related Occupational

5 Level 5 NVQ

4

Higher-level qualifications BTEC Higher Nationals

Level 4 NVQ

3 advanced

level A level Free-standing mathematics

units level 3

Vocational A level

(Advanced GNVQ)

Level 3 NVQ

2 intermediate

level

GCSE grade A*-C

Free-standing mathematics units level 2

Intermediate GNVQ Level 2 NVQ

1 foundation

level

GCSE grade D-G

Free-standing mathematics units level 1

Foundation GNVQ Level 1 NVQ

Entry level Certificate of (educational) achievement

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

teren sind hier nach wie vor Teilqualifikationen wieauch Kurzausbildungsgänge mit dem Makel der „Un-vollkommenheit“ behaftet. An diesen mentalen Ge-sichtspunkten sollte sich auch jegliche Form der In-stitutionalisierung von Portfolio-Strukturen orientie-ren.

Literatur

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Benner, H. (1981). Beziehungen zwischen der Klassifizierung der Be-rufe und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen. Probleme undLösungsansätze, in: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 10. Jg.,H. 3, S. 24-28.

Boreham, N. (2002). Work Process Knowledge, Curriculum Control andthe Work-based Route to Vocational Qualifications, in: British Journal ofEducational Studies, Vol. 50, S. 225-237.

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Dearing, R. (1996). Review of Qualifications for 16 to 19 Year Olds,London.

Deißinger, Th. (1992). Die englische Berufserziehung im Zeitalter derindustriellen Revolution. Ein Beitrag zur vergleichenden Erziehungswis-senschaft, Würzburg.

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Deißinger, Th. (2001 a). Entwicklung didaktisch-curricularer Vorgabenfür die Berufsbildung in Deutschland, in: Bonz, B. (Hrsg.), Didaktik derberuflichen Bildung, Baltmannsweiler, S. 71-87.

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Deißinger, Th. (2002). Different Approaches to Lifelong Learning in Britainand Germany: A Comparative View with Regard to Qualifications andCertification Frameworks, in: Harney, Klaus et al. (Eds.), Lifelong Learning:One Focus, Different systems, Frankfurt a.M., S. 183-194.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6.6 Südtiroler Bildungspass undKOM(petenzen)PASS

Gerlinde Haller, Bozen, Italien

Im Zeitraum von 1999-2001 wurde in Südtirol dasPilotprojekt „Einführung eines Qualifikations-Pro-grammes zur Berufslaufbahn“ durchgeführt, das untereinigen Gesichtspunkten als Vorläuferprojekt desvorliegenden Projektes zu sehen ist.

Eine Arbeitsgruppe hat im Rahmen eines ESF-finanzierten Projektes das „Schweizerische Qualifika-tionshandbuch“ erprobt – ein Instrument, das den/die NutzerIn anregen soll, seine persönlichen Kompe-tenzen systematisch zu erfassen und seine Bildungs-und Berufslaufbahn zielgerichtet zu planen. Bereitsin dieser Erprobungsphase waren

· Berufsbildung;· Schule;· Arbeitsamt;· Berufsberatung;· sowie zwei Wirtschaftbetriebe involviert.

Bei einer im November 2001 veranstalteten Ab-schlusstagung mit Vertretern der Projektpartner hatsich gezeigt, dass auch in Südtirol das Interessebesteht, eine Aufwertung von informell und non-formalerworbenen Kompetenzen zu ermöglichen. Allerdingshat die Erprobung des Schweizerischen Qualifikations-handbuches gezeigt, dass es notwendig ist ein anSüdtirol angepasstes Modell zu erarbeiten.

Parallel wurde mit 30. Mai 2001 von der italienischenRegierung ein Gesetzesdekret genehmigt, das dieEinführung der scheda professionale als Grundlagefür eine geplante digitalisierte Datei der abhängigBeschäftigten vorsieht. Dieses Dekret soll zusammenmit der scheda anagrafica das bisherige Arbeitsbuch– das seit 1935 gültig war – ersetzen.

Das Land Südtirol besitzt sekundäre Zuständigkeitim Arbeitsmarktbereich laut Autonomiestatut, Art. 9,Pkt 4 und laut „konkurrierende Befugnis“ zwischenStaat und Regionen/Autonomen Provinzen imArbeitswesen laut Verfassungsreform (Art. 117).

Mit diesen Rahmenbedingungen wurde auf Initiativeverschiedener Institutionen das Projekt „SüdtirolerBildungspass“ und „KOM(petenzen)PASS" gestartet.

Ziel des Projektes ist· Territorial angepasste Umsetzung der scheda

anagrafic und der scheda professionale lautMinisterialdekreten vom 30. Mai 2001;

· Ersatz für das bisherige Arbeitsbuch;· Zertifizierung der erworbenen Bildungs- und Be-

rufstitel und Sammlung der Attestate der staat-lichen Schulen und der Berufsaus- und -weiter-bildung;

· Ansatzweise europaweit „lesbare“ Bildungs- undBerufsbiografie;

· Anregung zur Reflexion über die eigene Lernbio-grafie, zur systematischen Laufbahnplanung;

· Entwicklung eines Instruments zur Dokumentationvon non-formal und besonders von informell erwor-benen Kompetenzen.

Aufbau des Bildungspasses

I Dokumentation der formellenKompetenzen

Inhalte:A) Anagrafische Daten;B) Daten zur Schul- und Bildungspflicht, Militär-/

Zivildienst;C) Sonstige formelle Bildungsbiografie und erreichte

Befähigungen: Weiterbildungszertifikate, Führer-scheine, Eintragung in Berufsalben u.a.;

D) Berufsbiografie: abhängige, selbstständige undsonstige berufliche Tätigkeit.

Die Eintragung soll offiziellen Charakter haben undamtlich durch Schulen, Arbeitsämter, Arbeitgeber,auch im Ausland, Militärbehörden, Berufskammern,private Bildungseinrichtungen, Selbsteintragungen,evt. Gemeinden erfolgen. Alle Teile sind in beidenLandessprachen abgefasst.

Verwendung des 1. Teils des Bildungspasses: Vorlagebei Bewerbungen, Einschreibungen in Bildungsin-stitutionen, in Zukunft Statistik (über eine Übertragungauf elektronisches System).

Dieser offizielle Teil des Bildungspasses soll beiAufnahme einer abhängigen Beschäftigung, bei derEinschreibung in eine Bildungseinrichtung, falls eineVorbildung verlangt wird, und bei Kontakten mitanderen Behörden vorgelegt werden, dann aber beim/bei der InhaberIn verbleiben.

Der erste Teil des Bildungspasses wird durch einenzweiten Teil ergänzt werden. Die Provinz Bozen würdeauf diese Weise die Neueinführung der scheda

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

professionale zum Anlass zu nehmen, um die formaleBildungs- und Berufsbiografie durch eine umfassendeBeschreibung der informell und non-formal erworbe-nen Kompetenzen , sprich des persönlichen und be-ruflichen Potenzials eines Menschen qualitativ zuerweitern.

II Dokumentation der informell erworbenenKompetenzen

Inhalte:1) Persönliche Lebenswegbeschreibung;2) Berufliche und außerberufliche Aus- und Weiterbil-

dungsmaßnahmen;3) Berufliche Erfahrungen;4) Tätigkeiten in Familie, Freizeit und Ehrenamt;5) Zusammenfassende Kompetenzenbilanz und

Aktionsplan;6) KOM(petenzen)LISTE;7) Sammlung der Bescheinigungen, Zertifikate und

Zeugnisse;8) Bewerbungstipps, Unterlagen zur eigenen Lebens-

planung;9) + 10) Kenntnisse und Kompetenzen in Fremdspra-

chen und Informatik;11) Kopiervorlagen.

Mit diesem geplanten zweiten Teil des „KOM-(petenzen)PASS“ wird das Ziel verfolgt, die Nutzerzur Reflexion über den eigenen Werdegang anzuregenund in der Folge auch zum Erkennen und Dokumen-tieren von non-formal, aber besonders auch informellerworbener Kompetenzen. Diese Dokumentation sollder persönlichen Verwendung dienen und vor allembei Bewerbungen um eine Arbeitsstelle, bei beruflicherUm- und Neuorientierung sowie bei der Entwicklungeines persönlichen Aus- und Weiterbildungsplaneshilfreich sein; nach Entscheidung des/der InhalberInkönnen auch Teile daraus dem Arbeitsgeber gezeigtwerden.

Vorgehen für Kapitel 1) bis 5) und 8)

· Dokumentation der eigenen Biografie in Form eines„Parcours“ und Erstellung einer persönlichenWegbeschreibung, damit es möglich wird „einenroten Faden“ zu finden.

· Beurteilung der eigenen Stärken und Entwick-lungspotenziale durch Selbstreflexion und Ana-lyse des schulischen (Qualifikationen) undpersönlichen bzw. berufsbezogenen Referenz-systems (Kenntnisse, Kompetenzen, Einstel-lungen, Motivationen und Interessen).

· Entwicklung eines Zukunftsszenarios und eines

Aktionsplans mit konkreten Etappen zur Ziel-orientierung.

Primäre Zielgruppe des KOM(petenzen)PASSES· Schüler, die ihre berufliche Zukunft planen;· Arbeitssuchende und Wiedereinsteiger, die in den

Arbeitsmarkt eintreten;· Interessierte Personen, die sich in einer Orien-

tierungsphase befinden;· Berufstätige, die ihre persönliche Laufbahn oder

ihre Weiterbildungsschritte planen wollen;· Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter gezielt fördern

möchten.

Die Implementierung

Ein sinnvoller Umgang mit diesem geplanten zweitenTeil des Bildungspasses erfordert ein hohes Maß anSelbstreflexion; eine Hilfe können Einführungsse-minare oder zumindest eine intensive Beratung sein.In der Schule soll dies in Form von eigenen Orien-tierungsprojekten geschehen. Erwachsene können infakultativen Einführungsseminaren lernen, ihreKompetenzen zu dokumentieren bzw. können sich inden örtlichen Berufsberatungsstellen diesbezüglichberaten lassen. Für die Ausbildung bzw. Anleitungfür die Verwendung des Bildungspasses sindMultiplikatoren (in jeder Schule, in den Arbeitsämtern,bei den privaten Bildungseinrichtungen, bei denBerufsberatungsstellen) auszubilden, die als An-sprechpersonen dienen. Für die Durchführung derSeminare und Beratungsgespräche werden Arbeits-materialien und Beratungsleitfäden ausgearbeitet.

Unumgänglich ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeitzur Sensibilisierung der Zielgruppen.

In einem mittelfristigen Zeitraum (z.B. fünf Jahre)sollen alle in der Prov. Bozen ansässigen oder länger-fristig berufstätigen Bürgern über die Wohnsitz-gemeinden in den Besitz des Bildungspasses gelan-gen.

Die Einführung erfolgt schrittweise über· alle Pflichtschulabgänger (15. Lebensjahr);· alle Jugendlichen im letzten Oberschul- und

Berufsschuljahr (18-20. Lebensjahr);· alle Bürger mit Wohnsitz in Südtirol, die mit dem

Arbeitsamt in Kontakt kommen;· Bürger, welche an Maßnahmen der Erwachse-

nenbildung teilnehmen;· Bürger, welche sich an Personalvermittlungsämter

wenden;· Mitarbeiter von Betrieben (über Verbände und

79

Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Gewerkschaften);· Arbeitgeber, welche Lehrlinge ausbilden (über

Ausbildung der Ausbilder).

Die Projektpartner

Die Projektpartner sind· Deutsche und ladinische Berufsbildung = Projekt-

träger;· Italienische Berufsbildung;· Land-, forst- und hauswirtschaftliche Berufsbil-

dung;· Deutsches Schulamt;· Italienisches Schulamt;· Ladinisches Schulamt;· Abteilung Arbeit;· Amt für Berufsberatung;· Amt für Weiterbildung;· Amt für Lehrlingswesen und Meisterausbildung;· Amt für europäische Integration;· Verschiedene Weiterbildungseinrichtungen (KVW,

WIFI);· Private Betriebe (Firma Dr. Schär, Firma Elas

Management);· Arbeitnehmervertreter (Südtiroler Gewerkschafts-

bund);· Arbeitgebervertreter (Hotelier- und Gastwirtever-

band, Landesverband der Handwerker).

Die Beteiligung der verschiedenen Ämter und Körper-schaften erleichtert einerseits die Akzeptanz bei derUmsetzung, andererseits sind damit verschiedensteErwartungen und Anforderungen an das Instrumentverknüpft:

Bedürfnis der Arbeitsmarktverwaltung:

Nach Aussagen des Direktors des Arbeitsamtes istKompass besonders für die Beratung von benach-teiligten Arbeitssuchenden seitens der Arbeitsver-mittler nützlich, da er für die persönliche Laufbahn-planung Hilfestellung geben kann, die Selbstbe-wertung, die gezielte Planung der Beseitigung vonwesentlichen Bildungslücken und das Zurechtlegeneiner Strategie für die Arbeitssuche fördern kann.

Voraussetzungen und Bedürfnisse der Schule

In der Schulwelt wurde in den letzten Jahren immermehr das Bedürfnis nach persönlicher und beruflicherOrientierung laut, was sich in entsprechenden Zielenin den Lehrplänen sowie in der Praxis in oft bereitsinstitutionalisierten Berufswahlvorbereitungs- und

Orientierungsprojekten niederschlägt. Zielgruppe sinddabei in erster Linie junge Menschen, die an einemWendepunkt ihrer Laufbahn stehen, also Absolventender Pflichtschule sowie Schülern in Abschlussklassenvon weiterführenden Schulen (Maturaklasse).

Auch das Portfolio-Modell als neuer Weg der Leis-tungsbewertung im Rahmen der geplanten Schulre-form entspricht den Zielsetzungen des Kompasses.Im Portfolio sind der Bewertungsbogen und ein soge-nannter Orientierungsbogen, ein individuelles Schüler-Profil vorgesehen. Bis zum 18. Lebensjahr soll inZukunft jeder Schüler von einem Portfolio begleitetwerden. Neben dem herkömmlichen Zeugnis soll eseine Dokumentationsmappe geben, welche dieStationen des persönlichen Lernweges belegt.

Voraussetzungen und Bedürfnisse

der Weiterbildung

Aus dem Bereich der Weiterbildung kommt Zustim-mung zur Initiative Kompass. Nach Aussage desAmtdirektors erwarten sich die Einrichtungen derWeiterbildung auf längere Sicht eine Aufwertung ihrerAktivitäten sowohl inhaltlich als auch im Sinne einerImageaufwertung, was auf jeden Fall den Bemühun-gen des Amtes und der Weiterbildungseinrichtungenselbst um Qualitätsentwicklung und Qualitätssiche-rung entgegenkommt.

Den Nutzern ermöglicht der Kompass ihren Bedarfan Weiterbildung systematisch zu ermitteln; zudemkönnte dieser sinnvoll in Berufsorientierungskursensowie Modulen zur beruflichen Standortbestimmungeingesetzt werden.

Bedürfnis der Berufsbildung

Von Seiten der Berufsschulen wurde bemängelt, dassdie Bewertungen bei der Lehrlingsabschlussprüfungzu einseitig auf die Schule bezogen sind. Die Beson-derheit der dualen Ausbildung, sprich die parallelenLernfelder Betrieb und Schule, werden bei der Bewer-tung nicht berücksichtigt. Ein Nachweis der im Betrieberlernten Fähigkeiten und Kompetenzen fehlt. MitHilfe des Kompasses könnten die im Arbeitslebenerlernten Kompetenzen dokumentiert und berück-sichtigt werden.

Bedürfnis der WirtschaftJeder Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird mit demErsatz des alten Arbeitsbüchleins – wie immer er auchheißen mag – in Kontakt kommen. Der Kompass wäreaber ein Schritt in eine ganz andere Richtung: Erstwenn ein Mitarbeiter sich seiner Stärken bewusst ist,

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

die Übersetzung auch in die arabische und eineslawische Sprache, evt. limitierte Auflage einerFassung dreisprachig (dt., it., lad.) und evt.limitierte Fassung in englischer/arabischer/einerslawischen Sprache(n).

· Der Bildungspass bleibt im persönlichen Besitz.

Der zeitliche Ablauf des Projektes:

Juli 2002 bis Oktober 2002:Allgemeine Recherche zum Thema „Bildungspass“:Sammlung von Informationen über wissenschaftlicheUntersuchungen, Projekte, Modelle und Literatur.

05. und 06. September 2002:Bestandsaufnahme im Rahmen einer eineinhalb-tägigen Tagung: Darstellung und Analyse der beste-henden Modelle; Erfahrungsberichte aus Deutsch-land, Schweiz, Österreich, Luxemburg und Italien.

Oktober 2002 bis Dezember 2002:Erarbeitung des Rohentwurfs und Planung derpilotweisen Umsetzung des Bildungspasses inSüdtirol.

Januar 2002 bis Mai 2003:Pilotphase im Bereich der Weiterbildung, derArbeitsmarktverwaltung und im schulischen Bereich:Überprüfung und Erprobung des Produktes inTestseminaren, eventuell Ergänzung und Revision derProdukte.

Mai 2003 bis Oktober 2003:Verfassen und Publizieren des Abschlussberichtes,Konzeption des Beobachtungs- und Betreuungs-zentrums für die Weiterentwicklung und Verwaltungdes Bildungspasses.

Projektteam:Dr. Gerlinde Haller, Dr. Eva Brunnbauer, Cristina Zucal

Informationen unter Projektbüro Bildungspass:Dr. Eva Brunnbauer, Tel. +39 0473 252207, [email protected] oder Dr. GerlindeHaller, Tel. +39 0473 550078 oder +39 3381015947, Email: [email protected]

kann er Personalverantwortlichen gegenüber selbst-bewusst argumentieren und dann auch seine Selbst-einschätzung mit der Fremdbeurteilung vergleichen.Insofern sehen die Initiatoren des vorliegenden Pro-jektes den zweiten Teil des Bildungspasses alsInstrument der Personalentwicklung und als Mög-lichkeit, die geeigneten Bildungsmaßnahmen für denEinzelnen zu ermitteln – so wie dies bereits im Rah-men des Projektes zum Schweizerischen Qualifika-tionshandbuch in zwei Südtiroler Betrieben in diePraxis umgesetzt worden ist.

Anforderungen an die Struktur des Modellverfahrens,damit die Akzeptanz gewährleistet wird:

· Begriffe für Kompetenzen müssen klar definiertund abgrenzbar sein;

· Vergleichbarkeit auf europäischer Ebene mussgewährleistet sein;

· Übertragbarkeit muss gewährleistet werden;· Es muss ein offenes System und erweiterbar sein.

Sicher ist, das Modell muss den nächsten Schritt ineinem späteren Moment zulassen:1. Selbsteinschätzung;2. Fremdeinschätzung;3. Validierung und Zertifizierung:

· Transparenz muss gewährleistet werden;· Es werden Stärken formuliert und keine

Bewertungen vorgenommen;· Das Verfahren muss effizient sein hinsichtlich

Zeitaufwand und Ergebnis/Aussage;· Der Finanz- und Personalaufwand muss sich

in Grenzen halten;· Praktikabilität muss gewährleistet sein;· Nachhaltigkeit des Modells muss garantiert

sein;· Modell muss gut verständlich sein;· Modell ist Abbildungsmöglichkeit von ungelernt

bis hoch qualifiziert;· Berücksichtigung sprachlicher und kultureller

Werte.

· Die Eintragungen im In- und Ausland von Bildungs-und Berufstiteln, Beschäftigungsbereichen usw.ist möglichst mit italien- und europaweit gelten-den Codes zu versehen, die in der Anleitungangeführt sind (siehe Europass).

· Alle Teile sind in beiden Landessprachen abge-fasst, die Anleitungen enthalten zwecks europa-weiter „Lesbarkeit“ die englische und franzö-sische Übersetzung (siehe Europass), evt. fürdie leichtere Benutzung durch Nicht-EU-Bürger

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6.7 Erfassung und Bewertung vonBerufskenntnissen in Österreich

Dr. Johannes Steinringer, Wien

1 Berufsbildungssystem

Das österreichische Berufsbildungssystem kann wiefolgt charakterisiert werden:1

· Starke Ausrichtung auf die berufliche Erstaus-bildung; außerhalb des formalen Systems gibt es nurwenig Tradition anderer Pfade des Lernens. Das führtdazu, dass bislang nur geringer Bedarf an neuen For-men der Zertifizierung von non-formalem Lernen ge-sehen wird. Allerdings impliziert die duale Ausbildung,dass non-formales Lernen quasi automatisch in dasAusbildungssystem integriert ist.

· Orientierung an Berufsprofilen, die genau definierteQualifikationen/Kompetenzen vorschreiben; das Kon-zept des „Berufs“ nach Abschluss der formalen Aus-bildung ist auch mit gewissen Lohnstufen und Re-geln verbunden, die Rechte und Pflichten festlegen.Als Vorteile dieses Systems können angeführt wer-den:2

· Vertrauen und Konsens der Arbeitnehmer und Ar-beitgeber in die Erstausbildung;

· Standards (Zeugnisse) dokumentieren den brei-ten nationalen gesellschaftlichen Konsens;

· Übersichtliches Angebot;

· Schnittstellen im Stufenbau sind klar definiert;

· Reglementierte Abschlüsse sichern den „Wech-selkurs“ des Faktors Arbeit, z.B. Entlohnung, Auf-

stiegschancen, Weiterbildung.

Neben der dominanten formalen beruflichen Erstaus-bildung gibt es reichlich Wege, berufliche Kompe-tenzen zu erwerben und diese bewerten und aner-kennen zu lassen. Im Folgenden werden Beispielefür diese Möglichkeiten näher beleuchtet.3

1. Personalzertifizierungen im Rahmen der vomBMWA festgelegten Akkreditierungsbereiche („akkre-ditierte Zertifizierungen“ gemäß EN 45013);

2. Zertifizierungen non-formal erworbener Kompeten-zen zur Erlangung eines formalen Abschlusses und

3. International standardisierte Zertifizierungen au-ßerhalb der BMWA-Akkreditierungsstrukturen („markt-mäßige Zertifizierungen“).

2 Akkreditierte Zertifizierungen

Zur europaweiten Vereinheitlichung der Qualitätssi-cherung in der Personalzertifizierung wurde die NormEN 45013 eingeführt, welche die Zertifizierung vonPersonen nach einheitlichen Verfahrensvorschriftenzulässt.

Unter akkreditierter Zertifizierungen von Personal-qualifikationen kann somit die Zertifizierung von fest-gelegten Personalqualifikationen durch Stellen ver-standen werden, die dazu von der österreichischenAkkreditierungsstelle, dem Bundesministerium fürWirtschaft und Arbeit (BMWA), ermächtigt wurden.

Die Akkreditierung als Zertifizierungsstelle erfolgtdurch Verordnung. Ausgangspunkt ist die Übermitt-lung einer Dokumentation (Qualitätssicherungs-handbuch, aufzubauen nach ÖNORM/ÖVE EN450134 ) entsprechend dem vom BMWA herausge-gebenen „Leitfaden für Akkreditierungsansuchen vonStellen, die Personal zertifizieren“. Ein Akkreditie-rungsverfahren dauert ca. ein Jahr, das Überwa-ch-ungsaudit erfolgt einmal jährlich.5

Zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen habensich die akkreditierten Stellen im Verein „austrolab“zusammengeschlossen. Auf europäischer Ebene istdie European Cooperation for Accrediation (EA) Ba-

1) Vgl. Bjornavold, J., Ermittlung, Bewertung und Anerkennungnicht formal erworbener Kompetenzen: Trends in Europa, in:Cedefop Panorama Series; 48: Agora V, Ermittlung, Bewertungund Anerkennung nicht formal erworbener Kompetenzen, Luxem-burg 2002, 12. Die wichtigsten Daten und Fakten zum österrei-chischen Bildungs- bzw. Berufsbildungssystem sind in einem In-formationsblatt zusammengestellt, das in deutscher Sprache undverschiedenen Fremdsprachen unter: http://www.berufsinfo.at/infopool/berufsinformation/system/bildung.htm auffindbar ist.2) Vgl. Ergebnisprotokoll zum Koordinationsworkshop desBMBWK, Anrechenbarkeit von Bildung/Zertifizierung, Wien 2001.3) siehe auch Wallner,J.: Zertifizierung von Berufskenntnissen,unveröff. Manuskript des ibw, Wien 2002. Diese Studie wurdevom Autor angeregt und begleitet.

4) Auf internationaler Ebene zur Zeit in Überarbeitung als ISO/IEC 17024 General criteria for certification bodies operatingcertifcation of persons.(Zeitplan bis Ende 2002), Vgl. DeutscherAkkreditierungsrat (DAR), www.dar.bam.de5) Vgl. tel. Interview mit DI Franz Gruber, Leiter von bfi-CERT,11.11.2002.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

sis für die multilaterale Zusammenarbeit der jeweilsnational anerkannten Akkreditierungsstellen. Die EAist Forum der Kooperation in sämtlichen Akkredi-tierungsfeldern (Prüf-, Überwachungs-, Kalibrier- undZertifizierungsstellen) und Mitglied internationalerOrganisationen zur Zusammenarbeit bei Akkredi-tierungen. Eine wichtige internationale Einrichtung istdie International Laboratory Accreditation Cooperation(ILAC), die auf dem Gebiet der Zusammenarbeit vonAkkreditierungsstellen für Prüfstellen tätig ist. DieAkkreditierungsstelle des BMWA hat im Rahmen derEA mit den anderen Mitgliedern (EU- und EFTA-Staa-ten) ein Abkommen über die gegenseitige Anerken-nung von Akkreditierungen geschlossen. Besonderseng ist die Kooperation zwischen den Ländern Öster-reich, Deutschland und Schweiz. So wurde z.B. dieSachverständigenausbildung vereinheitlicht. 6

3 Zertifizierung von nom-formal erworbenenKompetenzen im Rahmen des formalenBildungssystems

Der Frage der Anerkennung non-formal erworbenerberuflicher Kompetenzen kommt aufgrund des do-minanten beruflichen Erstausbildungssystems nachwie vor nur geringe Bedeutung zu. In Österreich bie-ten vor allem die ausnahmsweise Zulassung zurLehrabschlussprüfung sowie die Berufsreifeprüfung(als Brücke zu höherer Bildung) Möglichkeiten derAnerkennung beruflicher Vorerfahrungen.

Ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschluss-prüfung gemäß § 23 Abs. 5 Berufsaus-bildungsgesetz (BAG)

Zweck der Lehrabschlussprüfung ist es festzustellen,ob sich der Kandidat die im betreffenden Lehrberuferforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeig-net hat und in der Lage ist, die für diesen Beruf not-wendigen Tätigkeiten selbst fachgerecht ausführenzu können.

Zur Lehrabschlussprüfung können zugelassen wer-den:

· Lehrlinge (im erlernten bzw. verwandten Lehrbe-ruf);· Personen, welche die festgesetzte Lehrzeit unterAnrechnung einer schulmäßigen Ausbildung been-det haben oder aufgrund einer solchen keine Lehr-

zeit zurücklegen müssen. § 23 Abs. 5 BAG eröffnetaber auch Personen, die keine formale Ausbildung(Lehre oder Schule) durchlaufen haben, den Zugangzur Lehrabschlussprüfung und somit die Möglichkeitdes Erwerbes einer formalen beruflichen Qualifikati-on. Im Konkreten müssen dafür folgende Vorausset-zungen vorliegen:7

· Vollendung des 20. Lebensjahres;· Erbringung des Nachweises, dass die erforderli-chen Fertigkeiten und Kenntnisse des betreffendenLehrberufes, z.B. durch eine entsprechend lange undeinschlägige Anlerntätigkeit oder sonstige praktischeTätigkeit oder durch den Besuch einer entsprechen-den Kursveranstaltung (z.B. Arbeitsmarktservice-Schulungsmaßnahme) erworben wurden.

Als Nachweis gilt gem. § 23 Abs. 5 lit. B BAG auchdie Zurücklegung von mindestens der halben für denentsprechenden Lehrberuf festgesetzten Zeit, wennkeine Möglichkeit besteht, für die restliche Lehrzeiteinen Lehrvertrag abzuschließen. Die Altersgrenze von20 Jahren gilt in diesem Fall nicht.

Berufsreifeprüfung (BRP)

Die Berufsreifeprüfung wurde 1997 (BGBl. I Nr. 68/1997) eingeführt, um im Berufsleben erworbenesPraxiswissen schulischem theoriebezogenem Wissenformell gleichzustellen. Mit der BRP wird es Absol-venten einer Lehre, berufsbildender mittleren Schu-len oder Gesundheits- und Krankenpflegeschulenermöglicht, die Reifeprüfung nachzuholen und damitauch den allgemeinen Hochschulzugang zu erlangen.Sie kann auch als Brücke zwischen dem dualen Sy-stem und der höheren Bildung verstanden werden.Formell ist die Berufsreifeprüfung als Externisten-prüfung an einer höheren Schule (HTL, HAK, etc.)anzusehen. Darüber hinaus können Teilprüfungenauch in anerkannten Vorbereitungslehrgängen inErwachsenenbildungseinrichtungen (BFI, WIFI undVolkshochschulen) abgelegt werden. Zumindest eineder vier Teilprüfungen muss jedoch in jedem Fall aneiner höheren Schule absolviert werden.

Die Zahlen für das Sommersemester 2001 weisen6.075 Kandidaten und insgesamt 9.966 Kurs-belegungen aus. Der Anteil der teilnehmenden Frau-en beträgt im Schnitt ca. 54 %, rund zwei Drittel derTeilnehmer sind Absolventen einer Lehre.8

Im Schuljahr 2000/01 haben – einschließlich desReifeprüfungstermins im Juli 2001 – österreichweit861 Personen alle BRP-Teilprüfungen und damit diegesamte Berufsreifeprüfung abgelegt.

6) Vgl. Homepage des BMWA, www.bmwa.gv.at7) Vgl. § 23 Abs. 5 lit. a BAG.

8) Vgl. ebenda.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

4 Marktmäßige Zertifizierung

In nahezu allen Wirtschaftsbereichen wurden Struk-turen entwickelt, die Anbieter von Weiterbildungenund Prüfungen in ein international akkordiertes Ge-füge einbetten. Vor allem im Bereich IKT und Spra-chen stoßen die entsprechenden Angebote auf gro-ße Akzeptanz, sowohl bei Absolventen als auch amArbeitsmarkt.

In einer globalisierten Wirtschaft dienen die Zertifika-te zum einen den Interessen transnationaler Konzer-ne, denen international anerkannte und standardi-sierte Zertifikate als Qualifikationskriterium für Per-sonal zur Verfügung stehen und zum anderen derMobilität von Arbeitnehmern, die mit dem jeweiligenZertifikat ihre Qualifikation klarbelegen können.

4.1 Zertifizierung von IT-Qualifikationen

IT-Industriezertifikate, wie MPC9 ,CCNA10, Java-Programmier-Zerti-fikat oder vor allem auch der Eu-ropäische ComputerführerscheinECDL haben sich als feste Größenam Markt etabliert. Die bei denHard- und Softwareanbietern vor-handenen Kompetenzen zur Aus-bildung und Zertifizierung von IT-Kenntnissen werden sowohl vonSchulen und Universitäten, wievon Erwachsenenbildungsinstitu-ten in Anspruch genommen. Beider Ausbildung und der Zertifi-zierung von IT-Industriezertifikatengehen Bildungsinstitute daher viel-fach Kooperationen mit IT-Unter-nehmen ein, um vor allem mit derraschen Entwicklung dieser Bran-che Schritt halten zu können.11

Systematisch könnte der ECDL alsBasis-Stufe einer IT-Ausbildungangesehen werden, der ECDL-Advanced level“ bzw. MOUS

„Microsoft Office User Spezialist“ als Fortgeschritte-nen-Stufe und die Industriezertifikate als High-Level-Stufe.

4.2 Zertifizierung von Sprachenkenntnissen

Im Jahr der Sprachen 2001 meldeten Erwachsenen-bildungseinrichtungen dem BMBWK steigendes In-teresse am Erwerb fremdsprachlicher Kompetenz.12

Das Angebot an zertifizierten Abschlüssen ist groß.Dabei ist zwischen den seit langem bestehendenAngeboten (z.B. Cambridge-Prüfungen) und den neu-en, transnationalen (z.B. europäische Sprachen-zertifikate) Zertifizierungsstrukturen zu unterscheiden.

9) Microsoft Certified Professional.10) Cisco Certified Network Associate11) Vgl. www.gym1.at/schulinformatik.12) Österreicher interessierten sich fürSprachen – Europäisches Jahr der Spra-chen 2001 erfolgreich umgesetzt, Presse-information des BMBWK, 2001.

Abb.: In Österreich akkreditierte Personalzertifizierungsstellen

Organisation Zertifizierungsbereiche

CIS – Certification & Information Security Services GmbH, Wien

• ISMS-Manager und • ISMS-Auditoren nach ISO 10011-2

TÜV-Österreich, Wien

• Personen im Bereich der Schweiß- und Löttechnik

• Sachkundigen Personen gem. ÖNORM F 1053

Schweißtechnische Zentralanstalt, Wien • Personen im Bereich der Schweißtechnik • Sachverständige Personen gem.

ÖNORM F 1053

Zertifizierungsstelle des Österreichischen Brandschutzverbandes (ÖBV-Cert), Wien

• Sachkundige Personen für die periodische Überprüfung und Instandhaltung von tragbaren Feuerlöschern gem. ÖNORM F 1053

• Brandschutzbeautrage gem. § 43 der Arbeits-stättenverordnung

Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), Wien • Wassermeister gem. ÖVGW-Richtlinie W 10

Institut für Fertigungstechnik, Abteilung Austauschbau und Messtechnik der TU Wien

• Personen im Bereich des Qualitätsmanagements, insbesondere Qualitätsauditoren und Qualitätsmanager

Zertifizierungsstelle des Berufsförderungsinstituts (bfi-CERT), Leoben

• TQM-Manager • Personen im Bereich der Schweißtechnik

Österreichische Vereinigung für Qualitätssicherung (ÖVQ), Wien

• Personen im Bereich des Qualitätsmanagements, insbesondere Qualitätsauditoren, Qualitätsmanager, Qualitätsbeauftragte, Qualitätstechniker, Qualitätsassistenten, Qualitätsprüfer

• Personen im Bereich des Umweltmanagements, insbesondere Umweltauditoren, Umweltmanager

• Personen im Bereich der Arbeitssicherheit, insbesondere Sicherheitsfachkräfte

Wifi-Österreich, Wien • Qualitätsbeauftragte in kleinen und mittleren

Unternehmen und interne Auditoren • Personen im Bereich der Schweißtechnik

Österreichische Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (ÖGfZP), Wien

• Personen im Bereich der zerstörungsfreien Prüfung

INDUZERT, Industrie-Zertifizierungsstelle der VOEST-ALPINE STAHL LINZ GmbH, Linz

• Personen im Bereich der Schweißtechnik

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6.8 Kommentierte Berichterstattung

Sonja Brunner, Zentralverband desDeutschen Handwerks, Berlin

Darstellung von Praxisbeispielen

Zunächst werden in Impulsreferaten und weiterenBerichten seitens der Teilnehmer die Erfahrungen dervertretenen Länder in einer Art Bestandsaufnahmedargestellt. Ziel ist ein umfassender Erfahrungs-austausch sowie die Erweiterung des „deutschenBlickwinkels“ aus dem spezifisch deutschen Bildungs-kontext hinaus.

Diese so durchgeführte Bestandsaufnahme zeigt denEntwicklungs- und Diskussionsstand in den vertre-tenen Länder zum Thema der Anerkennung und Zerti-fizierung des informellen und non-formalen Lernens.Die meisten Ansätze befinden sich im experimentellenStadium, d.h. die Entwicklung von zielgruppenge-rechten Lösungen steckt in allen Ländern noch inden Anfängen.

Viele ordnungspolitische, rechtliche und organisato-rische Fragen müssen noch beantwortet werden, umzu einer umfassenden Systematik zu gelangen.

Zwei Beispiele unterschiedlicher Ansätze sollen andieser Stelle vorgestellt werden: Beim ersten Beispiel,Frankreich, handelt es sich um ein Beispiel einerrechtlichen Validierung und Anerkennung von außer-halb des formalen Bildungssystems erworbenen Qua-lifikationen. Beim zweiten Beispiel, Südtirol, handeltes sich um eine freiwillige Dokumentation von infor-mell erworbenen Kompetenzen.

1. Frankreich

Frankreich hat mit dem Anfang 2002 erlassenenGesetz zur sozialen Modernisierung den Grundsteinzur rechtlichen Anerkennung von außerhalb desformalen Bildungssystems erworbenen Kompetenzengelegt. Ziel dieser Zertifizierung informellen Lernensist es, mehr Personen den Zugang zur Hochschulebzw. den Hochschulabschluss zu ermöglichen, als esüber die formalen Wege möglich wäre. Dabei ist einefeste Quantifizierung vorgesehen: Jährlich gibt es40.000 durch die Bewertung eingereichter Portfolioszu vergebende Universitätsdiplome. Dabei habenEinzelpersonen die Möglichkeit, gegen Vorlage ihresPortfolios bei einer universitären Anerkennungskom-

mission sowie ggf. durch die Entrichtung einer (gerin-gen) Gebühr, ihre bisher erworbenen Qualifikationenauf ein Universitätsdiplom ganz oder teilweise ange-rechnet zu bekommen.

Damit ist eine Überführung informell oder non-formalerworbener Qualifikationen in das staatliche Ab-schlusssystem gegeben. Vergleichbare Möglichkeitengibt es auch auf den unteren Qualifikationsstufen(berufliche Bildung).

Die Frage nach einem „Bildungspass“ war allerdingsin diesem Zusammenhang in Frankreich bislang(noch) nicht relevant. Allerdings gibt es hier eine Reiheweiterer zu lösender Fragen, die für alle Länder exem-plarisch sind, z.B.:

· Wer leistet die Bewertung der Kompetenzen undQualifikationen?

· Wie wird diese Bewertung vorgenommen unddurchgeführt?

· Welche institutionellen Strukturen sind dafürnotwendig?

· Wie müssen die bewertenden Personen geschultwerden, damit eine objektive, bildungsbereichs-übergreifende Bewertung geleistet werden kann?

· Wer trägt die Kosten für· die Feststellung der Kompetenzen und des

Nachqualifikationsbedarfs (für dieErlangung eines formalen Abschlusses) ?

· den entstehenden Zeitaufwand/ die zu vergü-tende Arbeitszeit?

· Beratungs- und Orientierungsleistungen?· die Sensibilisierung von Unternehmen (insbe-

sondere KMU), dabei sowohl· Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, damit mehr

Personen ihre Kompetenzen oder ihren Weiter-qualifizierungsbedarf feststellen lassen?

· Wie wird dabei Qualität und Gleichwertigkeitgesichert?

· Wer ist für die Setzung von Qualitätsstandardsverantwortlich?

2. Südtirol

Für die autonome Provinz Bozen wurde in einem Mo-dellprojekt ein „Kompetenzen-Pass“, der sog. KOM-PASS entwickelt. Ziel dieses neuen Instrumentes sindu.a.· die europaweite Lesbarkeit von Bildungsbio-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

grafien;· die Förderung der individuellen Motivation;· die Erfassung informell und non-formal erworbener

Kompetenzen.

Dazu wurde der Pass in zwei Teilen angelegt:Teil 1 für die Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt, Teil2 für die persönliche Erfassung informeller Kompe-tenzen für den individuellen Gebrauch als persönlicheOrientierungs- und Planungshilfe für die eigeneBerufslaufbahn.

Die Zielgruppe des Passes ist breit angelegt und decktdas Spektrum aller Altersgruppen (Schüler bis Arbeit-nehmer/Unternehmer/Wiedereinsteiger) sowie allerQualifikationsstufen (ungelernt bis hochqualifiziert) ab.

Der Pass soll durch umfangreiche PR-Maßnahmenund Multiplikatorenschulungen flächendeckend ver-breitet werden.

Als Anforderungen an das Modell sind u.a. zu nennen:· klare Begrifflichkeit (Begriffsdefinitionen);· offene Gestaltung und Erweiterbarkeit;· transparente, wertfreie Darstellung von Kompe-

tenzen;· Übertragbarkeit und europäische Vergleichbarkeit;· Effizienz und Leistbarkeit des Verwaltungsaufwan-

des;· Nachhaltigkeit;· Zielgruppen unspezifisch.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Anhand dieses Ländervergleichs werden in deranschließenden Diskussion mögliche Wege zurSchaffung von Akzeptanz für das Instrument „Bil-dungspass“ sowie zu dessen Implementierung be-leuchtet.

Die Gruppe stellt fest, das eine breite Akzeptanz (undNutzung) des Instrumentes nur dann geschaffenwerden kann, wenn den Nutzern und Akteuren derMehrwert zu den bereits bestehenden Initiativen (z.B.Europäischer Lebenslauf, etc.) deutlich erkennbarwird. Es folgt die Definition verschiedener Mehrwerteund Funktionen, die das neue Instrument liefern soll:

· IntegrationseffektEin solches Instrument hilft insbesondere be-stimmten Zielgruppen (Arbeitslose, Lernschwa-che, Personen, die durch das „Raster“ des for-malen Systems fallen) beim Nachweis von Kom-petenzen und Fertigkeiten, auf denen aufgebaut

werden kann, sei es durch Qualifizierungs-beratung, durch Berücksichtigung bei der Bewer-bung, etc.). Die Voraussetzung für Akzeptanzhierbei ist hier aber eine allgemeine Wertschät-zung und Bekanntheit des Instrumentes bei denUnternehmen.

· Sicherung der BeschäftigungsfähigkeitDadurch, dass das Instrument zur persönlichenFeststellung von Kompetenzen sowie zurindividuellen Weiterbildungs- und Qualifizie-rungsplanung nutzbar ist, wird der Einzelnebefähigt, Qualifizierungsbedarfe zu erkennen undsich den Anforderungen des Arbeitsmarktesanzupassen.

· Legitimations- und MotivationsfunktionIm Zusammenhang mit dem vorgenannten Punkterfahren die Individuen durch die „Sichtbar-machung“ ihrer informell erworbenen Kompe-tenzen eine „Aufwertung“, was zur Weiterbildunganimieren kann.

· Orientierungspädagogische Funktion für denEinzelnenDurch die beiden vorgenannten Punkte ergibt sichfolglich das Potenzial des Instrumentes, zur För-derung von Berufswahlkompetenzen und Berufs-laufbahnplanung beizutragen.

· Orientierungsrahmen für die Lesbarkeit vonQualifikationen und Kompetenzen für denArbeitgeber.Durch das Instrument wird ein einheitlicher,„standardisierter“ Rahmen für die Erfassung vonKompetenznachweisen geschaffen. Ein solcherRahmen könnte die derzeitige, nicht standar-disierte Form des Lebenslaufs formalisieren undso einen Bewerbungsstandard setzen. Werdenzudem mit dem Instrument Qualitätsstandardsoder „Gütekriterien“ für die Bewertung von nach-gewiesenen Kompetenzen gesetzt bzw. verbun-den, kann für den Arbeitgeber das Instrumentwesentlich zur umfassenden Lesbarkeit undErfassung der Kompetenzen eines (potenziellen)Mitarbeiters beitragen.

· Transparenz und ÜbertragbarkeitIm Kontext des vorgenannten Punktes trägt diebessere Transparenz von erworbenen Qualifikatio-nen zur Transferierbarkeit von Kompetenzen zwi-schen verschiedenen Bereichen bei. Der Zugangund Übergang von formalen Systemen zum Ar-beitsmarkt oder zur Weiterbildung wird erleichtert.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

6.9 Bildungspass kritisch gesehenaus Sicht des Handwerks

Sonja Brunner, Zentralverband desDeutschen Handwerks, Berlin

Vor dem Hintergrund der bisherigen Informationenund geführten Diskussion konnten nicht alle Fragen,die noch im Zusammenhang mit der Machbarkeiteines Bildungspasses stehen, beantwortet werden.Neben den Fragen der differenzierten Ausgestaltung– also der Frage, wie differenziert ein Bildungspassgestaltet werden muss, um ergänzend zum formalenSystem zu wirken – der Handhabbarkeit und der Nut-zung der bereits vorhandenen institutionellen Struk-turen schließt sich eine Vielzahl weiterer Fragen an.Sollte das Instrument eine nationale oder europäi-sche Lösung sein, wie sollte es dargestellt werden –elektronisch? In welchen Sprachen?

Aus Sicht des Handwerks gilt sicherlich, dass Bil-dungspässe sich als Ergänzung für die Personalent-wicklung einsetzen lassen. Wer die vorhandenenKompetenzen seiner Mitarbeiter nutzen oder weiterentwickeln will, muss erst einmal den Stand erfas-sen. Bildungspässe können bei der Einstellung oderRekrutierung von Fachwissen, aber auch bei der Ana-lyse der Kompetenzen von Bewerbern aus dem Aus-land helfen. Die Erstellung von individuellen Kompe-tenzprofilen unterstützen, die Leistungsfähigkeit derMitarbeiter oder Bewerber einzuschätzen und regenden Einzelnen zur Weiterbildung an.

Bei der weiteren Entwicklung dieser Projektgedankensind folgende Überlegungen zu berücksichtigen:

1 HandhabbarkeitJe handhabbarer das Instrument ist, desto höher istdie Wahrscheinlichkeit einer breiten Nutzung.

2 Ausgewogenes Aufwand-Nutzen-VerhältnisDas Verhältnis des Aufwandes einer Einführung undHandhabung des Instrumentes muss zum Mehrwertund Nutzen in einem ausgewogenen Verhältnis ste-hen, um eine möglichst große Akzeptanz zu erfah-ren. Ein „Dokumentieren um zu dokumentieren“ bin-det im Verhältnis zum Mehrwert überproportional Res-sourcen und ist daher zu vermeiden.

3 Verwertung von Kompetenzen auf dem Ar-beitsmarkt nur unter Wahrung des BerufsprinzipsEin Nachweissystem für informell erworbene Kom-petenzen soll nicht das Berufsprinzip sprengen undes durch ein umfassendes Zertifizierungs- oder

Dokumentationssystem für Bildungsmodule, -ab-schnitte oder -teilqualifikationen ersetzen, sondernsoll - v.a. bestimmten Zielgruppen - eine bessere Ver-wertbarkeit erworbener Qualifikationen auf dem Ar-beitsmarkt ermöglichen.

4 Schaffung zusätzlicher TransparenzGrundsätzlich sind Maßnahmen zur Transparenz undbesseren Lesbarkeit erworbener Qualifikationen undKompetenzen zu begrüßen. Sollte es sich jedoch beidem Bildungspass / Portfolio/ o.ä. um bloße ‘Sam-melmappen’ handeln, ist eine Schaffung von Trans-parenz fraglich, sondern führt lediglich zur Überfrach-tung von Bewerbungsunterlagen.

5 Qualitätsstandards und -sicherungStandards für Qualifikationsbeschreibungen oder -bewertungen sind in enger Kooperation mit der Wirt-schaft festzulegen, um eine Verwertbarkeit auf demArbeitsmarkt herzustellen.

6 Erleichterung und Zugang zu formalen Ab-schlüssenDas Ziel der Einführung eines solchen Instrumenteskann sein, erworbene Teilqualifikationen im Hinblickauf den möglichen späteren Erwerb eines Berufsab-schlusses (z.B. durch die Externenprüfung an denKammern) zu dokumentieren. Wichtig ist, dass einBildungspass als Ergänzung zum bestehenden for-malen System fungiert.

7 Rechtliche Anerkennung und Validierung in-formeller KompetenzenFür den deutschen Bildungskontext und das deut-sche Berufsbildungssystem ist die Zielsetzung, diemit der Einführung eines solchen Instrumentes ver-folgt wird, genau zu überprüfen. Sollen die dokumen-tierten Kompetenzen nutzbar gemacht werden? Wennja, auf welche Weise? Soll eine Anrechenbarkeit aufbestehende Berufsabschlüsse hergestellt werden (wieim französischen Modell)? Wenn ja, müssen wir unsGedanken darüber machen, ob die Begriffe des Un-, Angelernten und des Facharbeiters aufgeweicht wer-den sollen, um damit wiederum Intransparenz (v.a.bei der tariflichen Vergütung und Einstufung) herzu-stellen? Dabei ist zu überlegen, wie den Bedürfnis-sen der Unternehmen nach qualitativ gut ausgebil-deten Fachkräften entsprochen werden kann.

8 Es muss gewährleistet werden können, dass dieAus- und Weiterbildung sich – in transparenter Wei-se – am aktuellen Qualifikationsbedarf ausrichtet ohnedurch den Bildungspass zusätzliche Bürokratisierungzu schaffen oder die Unternehmen mit „Profiling“,Gutachten etc. zu überfrachten.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

7 Podiumsdiskussion

Prof. Philipp Gonon, Universität Trier – Lehrstuhl fürberufliche und betriebliche WeiterbildungKlaus Luther, BMBF – Unterabteilung „Lebenslan-ges Lernen und Weiterbildung“ / Lenkungsausschussdes BLK-Programmes „Lebenslanges Lernen“Dr. Peter Krug, Abteilung für Lehrerbildung, Prü-fungsämter und Weiterbildung im Ministerium für Wis-senschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur desLandes Rheinland-Pfalz, Vorsitzender des KMK-Aus-schusses für Fort- und Weiterbildung , Vorsitzenderdes Lenkungsausschusses des BLK-Programmes „Le-benslanges Lernen“Moderation: Prof. Avenarius, Deutsches Institut fürInternationale Pädagogische Forschung

Die Podiumsdiskussion wird mit Aussagen zu den bis-her im Rahmen der Konferenz vorgestellten und inden Arbeitskreisen erzielten Ergebnissen eröffnet.Prof. Gonon begrüßt zunächst den Beginn einer in-tensiveren Diskussion um die Erfassung und Bewer-tung informeller Lernleistungen in Deutschland. Zu-gleich weist er auf die Notwendigkeit hin, informellesLernen als einen öffentlichen Lernprozess zu begrei-fen. Dieses konnte in der Schweiz durch einen kla-ren politischen Aktivismus bei gleichzeitiger Konsens-bildung der entsprechenden Interessenvertretungenerreicht werden. In diesem Zusammenhang unter-streicht er die Bedeutung einer „Vernehmlassungs-kultur“, bei der alle relevanten Gruppen die Möglich-keit haben, ihre Positionen in den Diskurs einzubrin-gen. Für die weiteren Entwicklungen in der Bundes-republik Deutschland ist es aus seiner Sicht zudemerforderlich, möglichst frühzeitig die nationalen undinternationalen Forschungsergebnisse im positivenwie im negativen Sinne auf diesem Gebiet einzube-ziehen und fruchtbar zu machen. Als Fundus verweister u.a. auf das föderalistische Bildungssystem derSchweiz mit unterschiedlichen Entwicklungen in denKantonen, die als Bildungslaboratorium in einemkompetitiven Föderalismus interpretiert werden kön-nen. Von besonderem Interesse können dabei An-sätze sein, die aufgrund eines im Vergleich zuDeutschland, Österreich oder in Teilen der Schweizgeringer institutionalisierten Berufsbildungssystemsentwickelt wurden.

Klaus Luther unterstreicht die Bedeutung des inter-nationalen Aspektes dieser Fachkonferenz als Hilfe-stellung für die weiteren Entwicklungen in der Bun-desrepublik Deutschland, aber auch die Bedeutung

der Kooperation zwischen Bund und Ländern. DieRealisierung lebenslangen Lernens bedeutet aus sei-ner Sicht im wesentlichen, dass die Bildungssystemevon einer Betrachtung der Lernenden als „Objekte“zu einer Nutzerperspektive übergehen müssen. Beider Einführung eines bundesweit gültigen Passesmuss daher der Mensch als ein unabhängig vom Al-ter zu betrachtendes selbständiges Subjekt im Zen-trum stehen. Die Richtung weist weg von der obrig-keitlichen Betrachtung von Bildungsprozessen zur ei-genverantwortlichen Organisation der Bildungs-prozesse durch den Einzelnen.

Dahinter verbirgt sich allerdings auch das Spannungs-verhältnis zwischen Neoliberalismus und einerPersönlichkeitsentwicklung, die den Einzelnen in dieLage versetzt, ein selbstbestimmtes Leben zu füh-ren. V.a. der letztgenannte Aspekt ist der Leitgedan-ke einer Vielzahl von Projekten, die vom BMBF ange-stoßen wurden. Von zentraler Bedeutung für zukünf-tige Entwicklungen ist der Impuls zur Motivierung undEntwicklung der Persönlichkeit hin zu selbständigenEntscheidungen, d.h. der Schaffung von Handlungs-fähigkeit im Kontext gesellschaftlicher und wirtschaft-licher Veränderungsprozesse. Erst mit dieser Nutzer-orientierung kann lebenslanges Lernen bzw. eine ler-nende Gesellschaft tatsächlich verwirklicht werden.Dabei geht es aber nicht um die Ablösung formalenLernens durch informelles Lernen, sondern vielmehrum eine Ergänzung formalen Lernens um informel-les Lernen auf der Basis eines gleichwertigen Neben-einanders von allgemeiner und beruflicher Bildungzur Verbesserung der Durchlässigkeit des Bildungs-systems.

Mit dem Bildungspass sollte zwar eine breite Anspra-che von Zielgruppen erfolgen, v.a. sind es jedochbildungsferne, ausgegrenzte bzw. lernschwächerePersonen, d.h. Personen mit Schwierigkeiten im Um-gang mit dem formalen Bildungssystem, die im Zen-trum der Bemühungen stehen müssen. Der Bildungs-pass soll also nicht Personen begünstigen, die sichbereits im Bildungssystem etabliert haben, da diesdie Kluft zwischen beiden Gruppen vergrößern könn-te. Es gilt, einen Beitrag zur Förderung des sozialenZusammenhaltes zu leisten.

Neben der Durchlässigkeit des Bildungssystem müs-sen zugleich dessen Transparenz verbessert, geeig-nete Beratungsstrukturen geschaffen und Finan-zierungskonzepte für lebenslanges Lernen entwickeltwerden. Dabei gilt es, den mit einem solchen Passverbundenen Mehrwert zu kommunizieren. Interes-sant erscheint in diesem Zusammenhang eine Aus-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

wertung der Erfahrungen mit dem 1974 vom Bundes-institut für Berufsbildung eingeführten (Weiter-) Bil-dungspass.

Als Bezeichnung für den bundesweit einzuführendenPass favorisiert Klaus Luther – in Anlehnung an denin Südtirol verwendeten Pass – den Begriff „Kom-pass“, der in seiner Doppeldeutigkeit hervorragendgenutzt werden kann.

Ausgangspunkt weiterer Aktivitäten muss derAnschluss an bestehende Strukturen sein, um Kon-kurrenzen zu vermeiden und eine integrative Entwick-lung anzustoßen. Das hat allerdings auch zur Konse-quenz, dass es zunächst nur ein recht allgemeinesRahmenkonzept geben kann. Dabei ist absehbar,dass die Entwicklung eines übergreifenden bundes-weiten Bildungspasses nur über einen zeitlich sehrlangen Prozess realisiert werden kann, bei dem manvorhandene Projekte vernetzen und u.U. auch Fehl-versuche hinnehmen muss.

Dr. Krug bekräftigt im Grundsatz die Ausführungenvon Klaus Luther. Er wirft die Frage auf, warum estrotz der vielfältigen Projektansätze bislang nicht zurHerausbildung einer strukturellen Nachhaltigkeit ge-kommen ist. Ursächlich führt er dieses auf die Exi-stenz nach wie vor stark regulativer Systeme im deut-schen Bildungswesen zurück, die von vielen Bezugs-partnern jeweils integriert und akzeptiert werdenmüssen. Die KMK strebt – nicht im Sinne eines Neo-liberalismus – eine stärkere Deregulierung der ord-nungspolitischen Rahmenbedingungen des Bildungs-systems zur Förderung individualisierter Prozesse imSinne einer Selbstverantwortung an. In diesem Zu-sammenhang kann auch dem Bildungspass einewichtige Funktion zukommen. Der Nutzen darf sichaber nicht nur auf der Seite des Individuums befin-den, sondern muss ebenso von der abnehmendenSeite und für die Gesellschaft als Ganzes klar erkenn-bar sein. Von besonderem Interesse sind dabei so-ziale Chancengleichheit und berufliches Fortkommen.

Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es aus seiner Sichtnicht angeraten, die Einführung mit einem umfas-senden Lösungsentwurf für die sehr komplexenSchwierigkeiten von Kompetenzmessverfahren zubelasten, sondern einen durchdachten „schlichten“Beginn zu machen und den Pass zunächst in diepolitische Strategie zu bringen.

Prof. Avenarius weist zusammenfassend darauf hin,dass sich das Problem der Akzeptanz wie ein roterFaden durch alle bisherigen Beiträge zieht. Wie mit

der Frage der Akzeptanzsicherung umgegangen wer-den kann, verdeutlicht die Präsidentin der GesellschaftCH-Q, Anita Calonder-Gerster, anhand der Entwick-lungen des CH-Q Kompetenz-Management Modellsund den integrierten Portfolio-Instrumenten (u.a.Schweizerisches Qualifikationsbuch) - in der Abkür-zung CH-Q.

Eigentlicher Ursprung dieses Ansatzes war die Initia-tive einer Einrichtung, die sich mit den Belangen vonBerufsrückkehrerinnen beschäftigt. Die darauf auf-bauenden Entwicklungen in der Schweiz wurden inder Folge durch zwei ineinander verzahnte Projektebegünstigt. Dabei handelt es sich zum einen um dieModularisierung des Bildungssystems zur Erhöhungvon Durchlässigkeit und Flexibilisierung (Projekt „Bau-kasten“), und zum anderen um die Schaffung prag-matischer Dokumentationsinstrumente zur Umset-zung dieser Modularisierung. Auf dieser Grundlagekonnte eine Lobby aus Sozialpartnern, Politik undFachkreisen geschaffen werden.

Gesteuert wurde die Einführung und Verankerung desCH-Q Ansatzes durch einen eigens geschaffenenDachverband (Gesellschaft CH-Q), der einzelnen Ein-richtungen das von ihm entwickelte System und Pro-gramm zur Implementierung gemäss den jeweiligeneigenen Bedürfnissen übergibt.

Geschaffen wurden Referenzgrundlagen, welche dieQualitätssicherung der Produkte und ihrer Anwendunggewährleisten. Dazu gehören die ethischen Grund-sätze für Ausbildung und Beratung (festgelegt ist bei-spielsweise, dass persönliche Dokumente persönlichbleiben und mit dem Nutzer vereinbart werden muss,welchen Personen gegenüber Informationen offen-gelegt werden dürfen), das Rahmenkonzept und dieRichtlinien für die Anwendung des Kompetenz-Ma-nagement Modells sowie das Reglement für die Ver-gabe von Zertifikaten, Labels und Lizenzen. Die Ge-sellschaft CH-Q hat ein Ausbildungssystem für Fach-leute bzw. Beratende entwickelt. Diese durchlaufenden Prozess der Portfolioerstellung zunächst selbst,um dann ein Konzept für die eigene Zielgruppe zuentwickeln und in einem Pilot durchzuführen.

Der Lernprozess enthält Schritte zum Erfassen undNachweisen von Kompetenzen (Potenzial, Profil), zumReflektieren und Beurteilen der Lernerfolge, und zurPlanung und Umsetzungsvorbereitung der nächstenWeichenstellung (Perspektiven, Aktionsplan).

Der Nutzen dieses Systems für die Wirtschaft bestehtin der Möglichkeit des Vergleichs verschiedener For-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

men der Nachweisdokumentation. Hierzu müssenaber aussagekräftige und äquivalente Nachweis-kriterien ebenso wie Prozesskriterien gemeinsam fest-gelegt werden. In diesem Sinne ist ein Referenz-rahmen für Instrumente und den Prozess zu schaf-fen, in dem sich von Firmen langjährig erprobte undwirkungsvolle Instrumente wiederfinden und Bewähr-tes nicht aufgegeben werden muss.

Grundlage eines national einheitlichen Umgangs mitdiesem System ist die Gewährleistung von Kohärenzder Produkte und des Vorgehens. Das schließt z.B.die gemeinsame Verwendung von zentralen Begrif-fen ein (hier „Fähigkeiten“, „Kompetenzen“ und „Qua-lifikationen“), die im Rahmen einer wissenschaftli-chen Begleitstudie definiert wurden. Diese finden sichu.a. in allen Instrumenten (z.B. eingangs des Schwei-zer Qualifikationsbuchs) und haben inzwischen insgesamte Bildungssystem Eingang gefunden. AndereBegriffssysteme sind damit nicht ausgeschlossen, dasie dem CH-Q-System zugeordnet werden können.

Im weiteren Verlauf entwickelt sich u.a. eine Diskus-sion um den Mehrwert eines Bildungspasses. Dr. Krugweist auf die Bedeutung der Orientierung, Motivati-on, Bildungsbeteiligung und Chancengleichheit fürdas Individuum hin und verdeutlicht den Mehrwertfür Arbeitgeber anhand der europäischen Einstellungs-praxis in der Lehrerausbildung. Der Mehrwert bestehthier abweichend von einer Darstellung reiner Forma-lien in einer Darstellung von Inhalten. An Hochschu-len kann die Auswahl eigener Studierender verein-facht werden. Diese Art der Darstellung könnte zu-dem für modularisierte Elemente unterhalb vonBerufsabschlüssen als Orientierungshilfe genutztwerden. Im Sinne der Ersparung von Assess-mentverfahren wäre ein Bildungspass auch eine Hil-fe in der Einstellungspolitik privater Unternehmer.

Diese Mehrwerte müssen aufgelistet und kommuni-ziert werden, um ein geeignetes Klima für eine Ein-führung zu bereiten. Der Pass muss dabei zunächstin die ordnungspolitische Diskussion gebracht wer-den. Zu berücksichtigen sind u.a. die Wirtschafts-ministerkonferenz, die Sozialministerkonferenz, dieKultusministerkonferenz, aber auch das Bündnis fürArbeit oder die Konzertierte Aktion Weiterbildung.

Klaus Luther betont diesbezüglich die Notwendigkeiteiner baldigen Konkretisierung des Produktes hinsicht-lich Aussehen und Inhalt, auch um Anschluss an dieeuropäischen Entwicklungen zu halten. Aus seinerSicht muss es sich um „etwas Portfolioartiges“ han-deln, das durch den Einzelnen selbst geführt wird. Es

dient der Reflexion und Dokumentation eigener Lern-prozesse und Kompetenzen, aber auch dazu, diesein Gesprächen mit anderen - z.B. Arbeitsverwaltung,Arbeitgeber, weiterführenden Bildungseinrichtungenoder Verkäufern von Lernsoftware ... – zu nutzen undweiter zu entwickeln. Es dient weiterhin der Darstel-lung des dynamischen Wandels eigener Stärken undSchwächen, so dass der Passinhaber zum Herrn sei-ner Bildungsprozesse werden kann. Schwächen sol-len dabei aber nicht betont werden.

Parallel zur Frage der Gestaltung des Bildungspassesals Produkt wird auch über Bedingungen einer Um-setzung diskutiert. Ein wichtiger Punkt besteht darin,dass von Bund und Ländern gemeinsam der näch-ste Schritt zur Realisierung des Vorhabens gegangenwerden muss. Die praktische Erprobung muss schnellerfolgen, um die derzeitige Emphase nicht zu verlie-ren. Hierzu ist eine konkrete Umsetzungsstrategieerforderlich.

Diskutiert werden müssen dabei auch die Kosten ei-nes solchen Projektes. Das Individuum darf dabeinicht allein die anfallende Kosten tragen. Aussichts-reich erscheint ein Joint-Venture zwischen Sozialpart-nern und Trägereinrichtungen. Frau Gerzer-Sass weistin diesem Zusammenhang auf bestehende Projekteim Kontext der Kompetenzerfassung hin, die für dieweitere Arbeit im Sinne eines effektiven Vorankom-mens unbedingt zu berücksichtigen sind.

Wie ein umfassendes System der Kompetenz-bewertung aussehen kann, erläutert Patricia Daviesam Beispiel der „National Vocational Qualifications“in England. Zentraler Aspekt dieses Verfahren ist dieBewertung der Leistung in beruflichen Anforderungs-situationen, die auf unterschiedliche Weise nachge-wiesen und dokumentiert werden kann. Grundlegendfür die Sammlung der Belege und Bewertung derLeistung ist die Ausrichtung an Kompetenzstandards,die branchenspezifisch durch Arbeitgeber, Sozialpart-ner und Verbände erarbeitet werden. Vor dem Hin-tergrund einer zunehmend schwierigeren Handhabungfür Einzelpersonen wird dieser sehr komplexe Ansatzhäufig als zu schwerfällig und bürokratisch kritisiert.Den Entwurf des deutschen Bildungspass schätztPatricia Davies als sehr starkes Instrument für denpersönlichen Bereich ein, da das Individuum in dieLage versetzt wird, eigene Fähigkeiten einzuschät-zen und zu entwickeln. Klärungsbedarf sieht sie je-doch noch hinsichtlich der Frage, wie dieses Instru-ment auch im öffentlichen Bereich einen für die Indi-viduen konkret greifbaren Nutzen entfalten und alsKatalysator für Veränderungen dienen kann. Der Hin-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

weis auf eine aus ihrer Sicht in Deutschland fehlen-de Möglichkeit der Überführung von informell erwor-benen Kompetenzen ins formale Bildungssystem wirdvon Frau Brunner dahingehend beantwortet, dass einsolcher Übergang in Form der Externenprüfung be-reits besteht. Ergänzend wird aber auch darauf auf-merksam gemacht, dass ein klarer und über dieMöglichkeit der bereits existierenden Externenprüfunghinausgehender Impuls zur Veränderung des Bil-dungssystems hinsichtlich der Anerkennung von in-formell erworbenen Kompetenzen nicht ohne eineVeränderung innerhalb des formalen Systems zu er-warten ist.

Die abschließende Bewertung der Diskussionen undErgebnisse der Internationalen Fachkonferenz erfolgtzunächst aus der Sicht des Konsortiums. Dr. Schraderunterstreicht die Notwendigkeit, rasch mit der Erpro-bung eines solchen Passes in Deutschland zu begin-nen. Erforderlich ist dabei v.a. ein bildungspolitischerKonsens und ein reflektierter experimenteller Prag-matismus. Der Pass muss zudem auf der Basis einerfundierten wissenschaftlichen Begleitung eingeführtwerden und als lernendes und ausbaufähiges Systemangelegt sein, um die derzeit erkennbaren, aber nochnicht lösbaren Probleme deutlicher sichtbar machenund in der Folge bearbeiten zu können. Auf dieserGrundlage lässt sich eine mit der Schweiz vergleich-bare Sogwirkung erhoffen, die die Einführung einesPasses erzeugen wird. Dr. Ness ergänzt, dass derBildungspass verschiedene Nutzergruppen und Be-reiche ansprechen und in enger Abstimmung mit denBetrieben eingeführt werden muss. Benachteiligtesollten jedoch nicht die alleinige Zielgruppe sein, daeine Stigmatisierung als paradoxe Wirkung die Folgesein kann.

Den Aspekt der tarifrechtlichen Verwendung des In-strumentes greift Dr. Krug erneut auf und gibt zubedenken, dass eine Berücksichtigung in Entloh-nungssystemen auch als movens bewertet werdenkann. Zunächst muss dafür allerdings das entspre-chende Klima geschaffen werden.

Aus Sicht von Prof. Gonon befindet sich die Diskus-sion in Deutschland auf einem guten Weg. Betonensollte man, dass der Bildungspass eine Ergänzungdes formalen Bildungssystems darstellt und dieseskeinesfalls in Frage stellt. Damit einhergehen sollteaber auch eine Aufweichung der relativen Über-strukturierung im deutschen Bildungssystems.

Für die engere systematischere Zusammenarbeit al-ler europäischen Initiativen im Bereich der Kompe-

tenzmessung spricht sich Klaus Luther abschließendaus. Für die weiteren deutschen und europäischenEntwicklungen ist aus seiner Sicht die Herausbildungtransnationaler Netzwerke unbedingt erforderlich.

Markus Bretschneider, DIE

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

8 Schlusswort

Willi Kräuter

Schlussworte sind dafür da, Resümee zu ziehen undDankeschön zu sagen.

Als Resümee möchte ich auf die Kürze gebracht zu-sammenfassen: Ich bin froh über diesen Kongress,ich bin stolz auf diesen Kongress und ich danke Ih-nen dafür, dass Sie wesentlich dazu beigetragenhaben, dass er ein Erfolg geworden ist. Wir habenuns sehr viel vorgenommen, das ist nicht einfach. Eswäre vielleicht leichter, wir würden am Anfang ste-hen und hätten noch keine Pässe in Deutschland,aber wir haben sie 48fach und über 170 weitere In-itiativen. Umso mehr gilt es, dieses Feld genau zuuntersuchen und zu bestellen, um Schlussfolgerungund gemeinsame Lösungen daraus abzuleiten. Esmag auch sein, dass sich hier und da ein Minenfeldauftut und das sollte man nicht betreten müssen.Daher dieser Forschungs- und Entwicklungsauftrag.

Eine leitende Strategie bildet die ganzheitlichen Be-trachtung . Man muss alle Zusammenhänge versu-chen zu deuten und über den Tellerrand hinweg-schauen. Dieser Kongress ist Beleg dafür, dass wirüber den Tellerrand hinausschauen, in dem wir unsanderen Kulturen zuwenden, und dass wir versuchen,alle gesellschaftlichen Einflussfaktoren zu berücksich-tigen.

Sehr geehrte Damen und Herren,am Ende eines Films gibt es immer einen langenAbspann. Da sind immer etliche Namen drauf undman wundert sich, mein Gott, wie viele haben damitgewirkt. Allein bei diesem Kongress haben außerIhnen über 30 Personen mitgewirkt. Ich möchte ganzbesonders dabei nennen: die Dolmetscherinnen unddie Dolmetscher von den Bundesbehörden und mei-ne Kolleginnen und Kollegen aus dem Kultusmini-sterium und von der Volkshochschule des Stadt-verbandes. Ich nenne sie deswegen gesondert, weilsie aus freien Stücken und gerne geholfen haben.

Man müsste dies alles ja nicht tun. Wir müssten unsauch als Land nicht so sehr in diesem Projekt enga-gieren. Aber: Was ist das berufliche Leben, nimmtman sich nicht Ziele und Herausforderungen vor. Siebilden Ansporn für das Handeln. Und es gibt auchimmer einen Lohn dafür. Der Lohn, das ist das Er-gebnis, ein Produkt. Der Lohn ist aber auch - und da

geht mein ganz herzliches Dankeschön an das Kon-sortium - die Zusammenarbeit mit den Wissenschaft-lern und den Länderkollegen. Mir persönlich bringtdiese Zusammenarbeit unendlich viel, die neuenMenschen, diese Freundschaften und die neuen Er-kenntnisse, die damit verbunden sind. All das ist eseinfach Wert, alles daranzusetzen, dieses Projektvoranzubringen. Vielen Dank dafür an alle Konsor-tialpartner und Länderkollegen.

Dass dieses Projekt möglich wurde - das muss manimmer wieder betonen - ist ein wesentliches Verdienstdes Bundes. Ich darf dabei ausnahmsweise einmalzwei Personen nennen: Es sind Klaus Luther undMarlene Lohkamp-Himmighofen. Beide haben sehrengagiert mitgewirkt, das Projekt auf den Weg zu brin-gen. Frau Lohkamp-Himmighofen wirkte darüber hin-aus in der Begleitgruppe mit. Ihnen Beiden gilt meinherzliches Dankeschön.

Ein herzliches Dankeschön geht auch an den Stadt-verband Saarbrücken dafür, dass er uns diese wun-derschönen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellthat, um den Kongress durchführen zu können. Auchdies ist ein Beispiel für den ganzheitlichen Ansatz. Eswar uns wichtig, dass der Erfolg dieses Kongressesnicht nur durch Sie, durch Ihren Beitrag, hergestelltwird, sondern auch, in dem Sie förderliche Bedin-gungen erfahren, die diese Beiträge noch schönererscheinen lassen: Man befindet sich in einem schö-nen Schloss, hat gutes Essen, wunderschöne Mu-sik, ein gutes Hotel. Ich denke, es ist uns gelungen,dies ermöglichen und zur Wirkung bringen zu kön-nen. Ich hoffe, dass dies mit dazu beigetragen hat,dass Sie ein kleines Stück aus diesem Land mitneh-men, eine Erinnerung, und vielleicht irgendwannnochmal hierher kommen werden.

Letztlich möchte ich mich bei meinem Minister, HerrnSchreier. und meinem direkten Vorgesetzten, HerrnAbteilungsleiter Dr. Bach bedanken. Sie haben vieleMitarbeiter und Mitarbeiterinnen unseres Ministeri-ums freigestellt, hier mitzuarbeiten und ermöglichenes meinem Referat und mir, das Verbundprojekt zuleiten und unterstützen inhaltlich unsere Bemühun-gen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wünsche Ihnen zum Abschluss eine gute Heim-reise und zuvor ein abschließendes feines Essen. Ichbedanke mich nochmals herzlich für Ihre Teilnahme.Herzliches Dankeschön und behalten Sie unser Landin guter Erinnerung.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Finnland

Finnland hat mit 18,8 Einwohnern pro km² eine ge-ringe Bevölkerungsdichte. Bis zum Zweiten Weltkriegwar Finnland landwirtschaftlich strukturiert und er-lebte erst danach eine schnelle Industrialisierung undeinen wirtschaftlichen Aufschwung.

Für die Absolventen der neunjährigen allgemeinbil-denden Gesamtschulen beginnt die schulische Be-rufsausbildung mit den Grundausbildungsgängen ineinem Berufsgrundbildungsjahr. Nach dem Berufs-grundbildungsjahr erfolgt die Ausbildung in der Drei-jahresform einer beruflichen Vollzeitschule. Für Ab-solventen der allgemeinbildenden Oberstufen existie-ren in den beruflichen Schulen in vielen Berufen spe-zielle Abiturklassen und -kurse mit kürzerer Ausbil-dungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr.

Durch die Zusammenlegung mehrerer höherer tech-nischer Lehranstalten wurden 1991 die AMK (ammat-tikorkeakoulu) geschaffen. Sie bildet im Rahmen ei-nes Modellversuchs in drei- bis vierjährigen Aus-bildungsgängen Fachkräfte auf den Ausbildungs-ebenen Techniker und Ingenieur aus. Sie ist ein Bin-deglied zwischen Sekundarbereich II und Tertiär-bereich.

Im Bereich der beruflichen Weiterbildung müssen inerster Linie die beruflichen Erwachsenenbildungs-zentren der Gemeinden bzw. der Gemeindeverbändegenannt werden, die neben Weiterbildungsangebo-ten auch die jeweiligen Lehrgänge, z.B. Umschulun-gen im Rahmen der beschäftigungspolitischen Maß-nahmen, anbieten. Neben den meist kommunalenErwachsenenbildungszentren gibt es über 50 Wei-terbildungseinrichtungen der Industrie, die in ersterLinie betriebsspezifische Weiterbildungsangeboteunterbreiten, aber auch das Nachholen der Abschlüs-se des Sekundarbereichs ermöglichen.

Aktivitäten und Verfahren zur Erfassung und Be-wertung von Kompetenzen

Competence Based Qualification (CBQ) wurde seit1994 vorbereitet und 1998 noch einmal gesetzlichgeregelt. Ausschlaggebend war, dass die formaleQualifikation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern besonders im Hinblick auf die gewünschteökonomisch-technologische Entwicklung als unbefrie-

digendes Ergebniss angesehen wurde und eine Nach-qualifizierung angezeigt war, die dem Einzelnen eineschnelle Bestätigung des vorhandenen Könnens be-scheinigte, dieses Können erweiterte und so zur Stei-gerung der Qualität und zu größerer Mobilität undFlexibilität der Arbeitskräfte beitragen konnte. Die Artund Weise, wie das vorhandene Können erworbenworden war, sollte dabei keine Rolle spielen. DerAnstoß zu CBQ kam von der Seite der Arbeitsmarkt-akteure: Arbeitgeber und Gewerkschaften, die in Finn-land in hohem Konsens arbeiten, forderten dieseNach-Qualifikation Erwachsener. Erst danach beganndie staatliche Bildungsverwaltung, sich mit dieser Ideezu beschäftigten.

Idealtypisch verläuft CBQ folgendermaßen: Ein Er-wachsener überprüft individuell seine beruflichenAktivitäten und stellt fest, was sie/er alles kann imBeruf. Allerdings ist dies Können nirgendwo formalbescheinigt, was aber nun – aus welchen Gründenauch immer – gewünscht wird. Sie/er wendet sich aneine Bildungseinrichtung und fragt, ob sie ihn/sie te-sten könne. Bei positiver Antwort wird das Test-Ziel(Inhalt, Level der Qualifikation) geklärt und ggf. erfor-derliche Ergänzungskurse verabredet. Zu einem ver-abredeten Termin wird die Person über zwei bis fünfTage – möglichst in einer Arbeits-Realsituation – ge-testet. Da die mögliche Qualifikation aus mehrerenModulen besteht, kann der Prüfling alle Module er-folgreich absolvieren oder nur einige, die in einemoffiziellen Dokument bescheinigt werden.

CBQ kann auf drei Ebenen erreicht werden: Die ersteEbene – Abschluss der Erstausbildung – entsprichtin ihren Anforderungen den beruflichen Abschlüssender SII-Berufsschule, die zweite Ebene setzt die Qua-lifikation der ersten Ebene voraus und bescheinigtweitergehende Spezialkompetenzen, die zumeist frü-hestens nach dreijähriger einschlägiger Berufsaus-übung erworben sein können, die dritte Ebene be-scheinigt hohe Kompetenzen, die in der Regel einefünfjährig Berufspraxis erfordern.

CBQ der ersten Ebene können in 52 Berufen erwor-ben werden; auf der zweiten Ebene in ca. 175 undauf der dritten in ca. 120. Die in den jeweiligen Testsfestzustellenden Qualifikationen werden durch dasZentralamt für Unterrichtswesen [National Board of

9 Kurzdarstellung der Bildungssysteme

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Education] nachgeordnete Behörde des Unterrichts-ministeriums) festgelegt. Diese Festlegungen sindnicht bis in alle Einzelheiten detailliert, sie enthaltenRahmenvorgaben, die individuell ausgestaltet wer-den können.

Ebenfalls beim NBE angesiedelt ist die ALVAR, eineEinrichtung, die Prüfungsaufgaben entwickelt, Kursefür Lehrende zur Organisation und Durchführung vonCBQ-Tests anbietet und eine Prüfungsaufgaben-Da-tenbank vorhält. Mit ALVAR soll verhindert werden,dass die Rahmenvorgaben zu stark abweichend um-gesetzt und somit die nationalen Qualitätsstandardssowie die Vergleichbarkeit der individuell erworbenenCBQ gefährdet werden. Die Daten von ALVAR zeigensowohl den steilen Anstieg der Prüfungszahlen seit1995 als auch die Schwerpunkte der CBQ-Tests: Hierdominieren die technischen Berufe, neuerdings auchDienstleistungen im Sicherheitsbereich (Objektschutz,private Sicherheitsdienste u.ä.).

Die Möglichkeit, eine kompetenzbasierte Qualifikati-on als Erwachsene/Erwachsener zu erwerben, ist nachden verfügbaren Daten eine wichtige Ergänzung zumQualifikationserwerb in den SII-Berufsschulen. Dastatsächlich vorhandene Potenzial der Beschäftigtenwird auf diese Weise erkennbar, formal einordnungs-fähig und damit konkreter planbar bzw. beeinflussbar.Für den einzelnen bietet der CBQ-Test die Chance,informell erworbene Fähigkeiten in die Kategorien desformalen Qualifikationssektors einzuordnen, sie amArbeitsmarkt auf nationalem Level „objektiviert“ an-zubieten und auf ihnen aufbauend weitere formaleQualifikationen erwerben zu können. Das System derCBQ kann zur jeweiligen vollen beruflichen Qualifika-tion auf einer der drei Ebenen führen, es ist jedochebenso zur Zertifizierung von Teilqualifikationen ge-dacht. Die Anforderungen an jede Vollqualifikationsetzen sich aus Anforderungsmodulen zusammen,die jeweils geprüft werden. Dem Einzelnen bleibt esüberlassen, ob er nur in bestimmten Modulen gete-stet werden möchte oder ob die Vollqualifikation an-gestrebt wird.

Die finnische Bildungsadministration und die finni-schen Sozialpartner betrachten das CBQ-System alsdas wesentliche Element zur beruflichen formalen(Nach-) Qualifizierung Erwachsener. Von den wie auchimmer erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten ineinem Tätigkeitsbereich ausgehend kann die/der ein-zelne die Zertifizierung einer formalen Berufsqua-lifikation erreichen, in dem sie/er durch Prüfung nach-weist, den staatlich festgelegten Anforderungen zugenügen. Auch bestandene Prüfungsteile – Module

– werden zertifiziert, die Nachfrage danach ist jedochrelativ gering. Die staatlichen, mit den Sozialpartnernabgestimmten Rahmenvorgaben lassen den die Testsdurchführenden (Bildungs-) Einrichtungen Gestal-tungsfreiräume; inhaltliche Vergleichbarkeit, Organi-sationshilfen und Qualitätsstandards für die Prüfun-gen sichert die Datenbank ALVAR.

Einführende Literatur:

Hellwig, Wolfgang (2001) Finnland. In: Hellwig, W.; Lauter-bach, U.; von Kopp, B. (Hrsg.) Innovationen nationalerBerufsbildungssysteme von Argentinien bis Zypern. Nomos:Baden-Baden, S. 87-90

National Board of Education (ed.) CBQ 5/2002, January1st 2002

National Board of Education Evaluation 4/2002: AssessingLearning to Lern. A Framework

Rapponen, Matti (1996) Continuing Training in Finland.In: Brandsma, Jitti / Kessler, Frank / Münch, Joachim(1996) Continuing vocational training: Europe, Japan andthe United States. Utrecht: Lemma., 71-86

Elke Sandau u. Sabine Seidel, ies

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Frankreich

Flächenmäßig ist Frankreich der größte Mitgliedsstaatder EU mit einer Einwohnerzahl von knapp 60 Mio.Menschen. Charakteristisch für das französische Bil-dungswesen ist seine traditionell zentralistische Or-ganisation, sowie die umfassende, wenn nicht garalleinige Zuständigkeit des Pariser Erziehungsminis-teriums in allen Fragen, die Inhalt und Form des Bil-dungswesens betreffen. Andere Akteure, wie z. B.Gebietskörperschaften, Sozialpartner oder auch dieUnternehmen haben in der Vergangenheit in Bil-dungsfragen überwiegend beratende Funktionen ge-habt und spielen auch heute noch im Bereich derberuflichen Erstausbildung eine eher subsidiäre Rol-le. Seit ca. 20 Jahren lässt sich jedoch eine deutli-che Tendenz zur Dezentralisierung von ursprünglichzentralstaatlichen Kompetenzen auf die regionaleEbene und zur stärkeren Einbeziehung anderer Ak-teure, insbesondere der Unternehmen, in Konzepti-on und Organisation der beruflichen Erstausbildungwie des Hochschulwesens feststellen.

An die fünfjährige Grundschule schließt sich der Be-such des nicht differenzierten vierjährigen Sekundar-bereichs I (collège) an. An den Besuch des Collège,mit dem die offizielle Schulpflicht endet, schließt sichder Sekundarbereich II an, der sich in einen allge-meinbildenden, einen technologischen und einenberufsbildenden Zweig (lycée général, lycée techno-logique, lycée professionnel) aufteilt.

Ein wesentlicher Unterschied zur beruflichen Bildungin Deutschland besteht in der vorwiegend vollzeit-schulischen Organisation der Berufsausbildung undder geringeren Bedeutung dualer Ausbildungsformen.Dies entspricht dem französischen Verständnis vonBildung als einer vornehmlich öffentlichen Aufgabe,so wie sie in der Verfassung seit der IV. Republikdefiniert ist. Grundsätzlich können alle beruflichenAbschlüsse alternativ an einer beruflichen Vollzeit-schule [lycée professionnel] oder im Rahmen derLehrlingsausbildung [apprentissage], meist auch imRahmen der beruflichen Weiterbildung, erworbenwerden. Im Tertiärbereich bestehen zweijährige praxis-orientierte Kurzstudiengänge [Section de TechnicienSupérieur] oder an einem Institut Universitaire deTechnologie, IUT und drei- bis sechsjährige Langzeit-studiengänge an einer Universität oder an einer derGrande Ecole.

Als zentrale Schwachstelle des Berufsbildungs-systems wird die Praxisferne genannt. Sie ist durch

den überwiegend vollschulischen Charakter seiner be-ruflichen Erstausbildung bedingt und äußert sich auchin einer unzureichenden Abstimmung von Bildungs-system und den Anforderungen des Beschäftigungs-systems. Ein zentraler Ansatzpunkt bei den aktuellenReformbestrebungen ist die Annäherung von Schuleund Unternehmen in der Berufsbildung.

Aktivitäten und Verfahren zur Erfassung und Be-wertung von Kompetenzen

Das heutige System der beruflichen Weiterbildungist zu Beginn der siebziger Jahre im Zuge eines histo-rischen Gesetzes zur Kodifizierung der beruflichen Bil-dung und insbesondere der Finanzierung der Weiter-bildung geschaffen worden. Zu seinen Struktur-merkmalen gehört die enge Verbindung zur berufli-chen Erstausbildung auf Sekundarschul- und Hoch-schulebene, insofern es seit den neunziger JahrenZiel der Politik ist, ein möglichst hohes Maß an Durch-lässigkeit zwischen beiden Säulen der Berufsbildung,bzw. den beruflichen und der allgemeinbildendenAbschlüsse zu schaffen. Alle berufsqualifizierendenAbschlüsse sollen über die Erstausbildung und überdie Weiterbildung angestrebt werden können. Diezentrale Rolle der staatlichen Abschlüsse, und ins-besondere der staatlichen Diplome des Erziehungs-ministeriums, wird hierdurch nachhaltig gestärkt.

Charakteristisch für die Organisation der beruflichenWeiterbildung ist weiterhin die paritätische Verwal-tung der von den Unternehmen seit dem Gesetz von1971 obligatorisch zu zahlenden Abgaben zur Finan-zierung der Weiterbildung durch die Sozialparteienund die Verankerung eines allgemeinen Rechts aufWeiterbildung für alle Arbeitnehmer. Das Gesetz hatsomit Unternehmen und Sozialpartner zu einer akti-veren Beteiligung des Berufsbildungsangebots geführtund die Regeln für ein strukturiertes Angebot derberuflichen Weiterbildung geschaffen. Da die Finan-zierung eines großen Teils der Weiterbildung durchdie Unternehmen getragen wird, haben andere bis indie sechziger Jahre bestehende Formen einer öffent-lich getragenen, für die Nutzer kostenlosen Erwach-senenbildung an Bedeutung verloren. Die Wirtschafts-krisen der späten siebziger und der achtziger Jahrehaben zudem zu einer Akzentverlagerung der berufli-chen Weiterbildung, soweit sie öffentlich finanziertwird, als Mittel zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeitund zur beruflichen Eingliederung gering qualifizier-ter Jugendlichen geführt.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Seit Mitte der achtziger Jahre gibt es Bemühungen,die Zertifizierung von informell erworbenen Kompe-tenzen zu regeln. Der Zutritt insbesondere gering qua-lifizierter Beschäftigter zu den Weiterbildungsmög-lichkeiten sollte damit erleichtert werden und dasQualifikationsniveau der französischen Arbeitnehmer-schaft, innerhalb derer der Anteil der ungelernten bzw.angelernten Arbeitnehmer traditionell wesentlich grö-ßer als z. B. der entsprechende Anteil in Deutsch-land war, anzuheben. Eine erste Maßnahme im Rah-men dieser Regelung [validation des acquis pro-fessionnels] gestattet seit 1985 Arbeitnehmern undArbeitslosen den Zugang zu Studiengängen bzw. Di-plomen im Hochschulbereich, ohne dass sie die for-mal erforderlichen Zulassungsberechtigungen vorwei-sen müssen. Die Zulassung erfolgt nach Anhörungdes Kandidaten und Prüfung seiner Unterlagen durcheine Kommission, die jede Hochschule zu berufenhat. Diese Maßnahme ist auf Zuspruch gestoßen,wenn auch die Zahl der Fälle im Verhältnis zur Ge-samtzahl der an den Universitäten eingeschriebenenStudenten kaum ins Gewicht fällt. Für das Jahr 2000sind 17.000 Fälle bei insgesamt gut 2 Mio. Studen-ten im Hochschulsektor zu verzeichnen. Eine zweiteMaßnahme betrifft ab 1992 alle Qualifikationsniveausdes französischen Berufsbildungssystems. Sie sollden Kandidaten ermöglichen, Teile eines Diplomsbzw. Examens über die Anerkennung von beruflicherErfahrung und Kompetenzen zu erwerben. Diese Formder Zertifizierung ist nur auf sehr verhaltenen Zuspruchgestoßen; im Hochschulbereich ca. 2.000 Fälle imJahr 2000, auf der Ebene der Abschlüsse imSekundarbereich II nur ca. 5.000 Fälle (pro Jahr) Mitteder neunziger Jahre.

Um die Zahl der Zertifizierungen zu steigern und dasBewerberprofil zu diversifizieren, und um somit einervon allen EU-Ländern eingegangenen Verpflichtungeiner Förderung des „lebenslangen Lernens“ zu ent-sprechen, ist im Mai 2002 im Rahmen des Gesetzeszur sozialen Modernisierung eine Bestimmung in Kraftgetreten, die den Anwendungsbereich dieser Zerti-fizierungen erheblich ausweitet. Im Rahmen dervalidation des acquis de l’expérience gelten seit 2002nicht nur berufliche Erfahrungen und Kompetenzen,sondern nunmehr auch gesellschaftspolitisches undsoziales Engagement als zertifizierbar für den teilwei-se und nunmehr auch vollständigen Erwerb von staat-lichen Diplomen. Zudem ist die Zahl der Akteure, diemit diesen Verfahren betraut werden, erheblich er-weitert worden. Neben dem Erziehungsministeriumsind jetzt u. a. das Arbeitsministerium und die Han-delskammern beteiligt, da jetzt neben den staatli-chen Diplomen auch andere Titel oder Diplome auf

diese Weise anerkannt werden können. Die hierfürerforderliche Standardisierung der Verfahren undSchulung der Akteure zur Qualitätssicherung stecktnoch in den Anfängen und stellt alle betroffenen Ak-teure vor große Herausforderungen, die einer um-fassenden Begleitforschung bedürfen.

Einführende Literatur:

Aventur, François /Brochier, Damien (1996) ContinuingTraining in France. In: Brandsma, Jitti / Kessler, Frank /Münch, Joachim (1996) Continuing vocational training:Europe, Japan and the United States. Utrecht: Lemma.,87-112

Oerter, Heinz (2001) Frankreich. In: Hellwig, W.;Lauterbach, U.; von Kopp, B. (Hrsg.) Innovationennationaler Berufsbildungssysteme von Argentinien bisZypern. Nomos: Baden-Baden, S. 91-94

Werner Zettelmeier, CIRAC, Universität Cergy-Pontoise

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Großbritannien (England und Wales)

Großbritannien besteht aus den Landesteilen Eng-land, Schottland und Wales und bildet zusammenmit Nordirland das Vereinigte Königreich (UnitedKingdom).

Nach Abschluss des Primarbereichs, also im Altervon elf bis 13 Jahren, wechseln die Schüler in denSekundarbereich über. Die meisten besuchen eineComprehensive School (Gesamtschule), die restli-chen 10% gehen auf Grammar Schools (vergleich-bar mit den bundesdeutschen Gymnasien) oder an-dere Schultypen des Schulsystems über.

Mit 16 Jahren haben die Schüler ihre Schulpflichterfüllt und haben anschließend die Möglichkeit, zweiweitere Jahre auf die Schule (Sekundarbereich II ) zugehen, um eine Hochschulzugangsberechtigung zubekommen. Die großen Probleme beim Übergangvom Bildungs- in das Beschäftigungssystem warenein wichtiger Grund für den seit den achtziger Jahrenin Großbritannien eingeführten New Vocationalism(Neue Beruflichkeit) – soll heißen, dass die Regie-rung versucht, die Berufsbildung zu verbessern. Seit-dem gibt es verschiedene Initiativen, um die berufli-che Bildung in allgemeinbildende Schulen zu inte-grieren. Prinzipiell lassen sich fünf Einstiegspfade indas Beschäftigungssystem identifizieren: College-Aus-bildung, betriebsgebundene Ausbildung mit Ab-schlussmöglichkeit, betriebliche Anlernung ohneAbschluss; betriebliche Ausbildung im Rahmen staat-lich finanzierter Programme, berufliche Lehre.

Da es sich beim britischen System um ein vergleichs-weise „offenes“ Konzept der beruflichen Bildung han-delt, ein besonderes Augenmerk dem Problem deslife-long learning gewidmet wird, und die Übergängezwischen Erstausbildung und Weiterbildung sowie dieGrenzen zwischen Sekundarbildung und Berufsbildungfließend sind, gibt es anders als in Deutschland eineVielzahl heterogener Qualifizierungs- und Re-Quali-fizierungsoptionen, im Rahmen derer jedermann dieMöglichkeit erhalten soll, eine Nationale beruflicheQualifikation (National Vocational Qualification(s),NVQ) zu erwerben. Die Philosophie dieser Zertifi-zierungssysteme basiert auf der Idee der Kompetenz-orientierung. Des weiteren zeichnen sich die hier zu-grunde gelegten Berufsbilder durch eine modulareStruktur aus. Die Feststellung des Kompetenzerwerbs

soll i.d.R. am Arbeitsplatz erfolgen, ohne dass eineformalisierte Prüfung vorausgesetzt wird.

Aktivitäten und Verfahren zur Erfassung und Be-wertung von Kompetenzen

Im Zusammenhang mit der Anerkennung informel-len Lernens in Großbritannien ist insbesondere aufdie Mitte der achtziger Jahre eingeführten „NationalVocational Qualifications“ hinzuweisen, die im berufs-bildenden Bereich für fünf in Umfang und Komplexi-tät unterschiedlichen Stufen angeboten werden undeine von drei Säulen eines durch die „Qualificationsand Curriculum Authority“ etablierten nationalen Qua-lifikationssystems sind.

Das NVQ-System wird derzeit für elf verschiedeneBranchen angeboten und basiert auf der Formulie-rung von durch Gewerkschaften und Unternehmenerarbeiteten Kompetenzstandards. Eine „NVQ“ be-steht aus mehreren Kompetenzeinheiten und dazu-gehörigen Elementen, deren Beherrschung in einemPortfolio nachzuweisen sind. Dabei können mehrereKompetenzeinheiten durchlaufen werden, die dannzum Erwerb einer „NVQ“ führen, es besteht aber auchdie Möglichkeit lediglich einzelne Kompetenzeinheitennachzuweisen. Die Grundlage hierfür besteht zumeinen in der Erfüllung vorgegebener Durchführungs-kriterien [performance criteria], die dem Kandidatenausgehändigt und als Prüfungsmaßstab herangezo-gen werden, und zum anderen in der Nennung vonauf die einzelnen Elemente einer NVQ bezogenengeeigneten Nachweisformen [performance evidence]der geforderten Kompetenzen. Der Kandidat wird imProzess der Portfolioerstellung durch eine bewerten-de Person [assessor] beraten, unterstützt und über-prüft. Die Grundlage hierfür ist ein gemeinsam ent-wickelter Bewertungsplan für jede Kompetenzeinheitzu Beginn des Verfahrens, mit dem ein Zeitplan fürden Nachweis der Inhalte bis zum Erwerb der NVQaufgestellt wird. Der Aufbau des Portfolios sollte da-bei einer vorgegebenen Struktur folgen. Das vervoll-ständigte Portfolio wird schließlich von einem inter-nen Prüfer [internal verifier] abgenommen, der sei-nerseits von einem anerkannten Zentrum [approvedcentre] ernannt wird. Diese Zentren werden wieder-um im Hinblick auf die Einhaltung von Standards re-gelmäßig durch externe Prüfer [external verifier] be-

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

wertet.

Im Rahmen des NVQ-Verfahrens können u.a. imRahmen von APL („Accreditation of prior learning“)erbrachte Nachweise genutzt werden. Diese Bezeich-nung dient im britischen Raum als Oberbegriff füraccreditation of prior achievements (APA), accre-ditation of prior certificated learning (APCL) undaccreditation of prior experiential learning (APEL).Ziele des APL-Verfahrens sind die Identifizierung vonzurückliegenden Lernprozessen in unterschiedlichenLebenszusammenhängen, die darauf aufbauendeAbstimmung erworbener Kompetenzen mit den füreine Anerkennung jeweils erforderlichen Vorgaben,die Demonstration der durch dieses Lernen erwor-benen praktischen Fähigkeiten, die Erstellung undBeurteilung erbrachter Nachweise früheren Lernenssowie die eigentliche Anerkennung dieses Lernens.Ein aus einer Erfahrung resultierender Lernprozessist dabei wesentlich an die Reflektion dieser Situati-on hinsichtlich der Ermittlung grundlegender Struk-turen und den Transfer auf andere Situationen ge-bunden.

APL findet bereits seit Beginn der siebziger Jahre imHochschul- und Weiterbildungsbereich hinsichtlichder Zulassung bzw. Befreiung von Bestandteilen ei-ner formalen Bildungsmaßnahme Verwendung, derNutzungsgrad wird jedoch als marginal eingestuft.Ähnlich wie bei den in jüngster Vergangenheit zu-nehmend zum Abbau sozialer Ungleichheiten einge-setzten APEL-Verfahren erscheinen mangelndeKenntnis der Existenz, Unklarheiten über den eigent-lichen Ablauf und der hohe formale und personelleAufwand des Verfahrens als größte Hindernisse aufdem Weg zu einer breiten Akzeptanz.

Die Anerkennung informellen Lernens in Großbritan-nien ist im Kontext bereits vollzogener und noch nichtrealisierter umfangreicher Veränderungen des gesam-ten Bildungssystems zu sehen.

Einführende LiteraturDeißinger, Thomas (2001) Großbritannien (England und Wales).In: Hellwig, W.; Lauterbach, U.; von Kopp, B. (Hrsg.) Innovatio-nen nationaler Berufsbildungssysteme von Argentinien bis Zy-pern. Nomos: Baden-Baden, S. 99-102

Davis, Norman (1996) Continuing Training in the United Kingdom.In: Brandsma, Jitti / Kessler, Frank / Münch, Joachim (1996)Continuing vocational training: Europe, Japan and the UnitedStates. Utrecht: Lemma., 265-281

Markus Bretschneider/ Dr. Rüdiger Preißer, DIE

Niederlande

Erst im Anschluss an die acht Jahre ausschließlichbinnendifferenzierte Schulzeit findet eine äußere Dif-ferenzierung in grundsätzlich vier Schulformen statt:sechs Jahre Gymnasium (voorbereidend weten-schappelijk onderwijs), fünf Jahre höhere Allgemein-bildung [Hoger Allgemeen Voortgezet Onderwijs], vierJahre mittlere Allgemeinbildung (Middelbaar Alge-meen Voortgezet Onderwijs), vier Jahre berufsorien-tierende Bildung (Voorbereidend Beroep-sonderwijs).Die berufliche Erstausbildung beginnt im Sekundarbe-reich II, in der Regel mit dem 16. Lebensjahr. Übli-cherweise wird die berufliche Erstausbildung von denAbsolventen der mittleren Allgemeinbildung und derberufsorientierenden Bildung gewählt. Die Absolven-ten der beiden anderen Schulformen wechseln di-rekt an die Universität oder Fachhochschule.

Das Schulwesen zeichnet sich durch große Pluralitätbei den Trägern der Bildungseinrichtungen und durchdie Freiheit der einzelnen Schulen, ihren Unterrichtselbst zu gestalten, aus. 70% der Schulen sind inprivater Trägerschaft. Die Einflussnahme des Staa-tes gestaltet sich eher indirekt. Sie ist verbunden miteiner Fülle von Beratungsgremien und Dachverbän-den der Schulträger-, Lehrer- und Elternverbände.Dies gilt traditionell auch für die an schulischen Lern-orten praktizierte Berufsbildung. Daneben spielten dasLehrlingswesen und mit ihm die Sozialpartner eineeher untergeordnete Rolle. Die Sozialpartner besit-zen nach einschneidenden Reformen in den vergan-genen zehn Jahren mittlerweile bedeutend mehrEinfluss auf die inhaltliche und organisatorische Aus-gestaltung und Steuerung der Berufsbildung.

Aktivitäten und Verfahren zur Erfassung und Be-wertung von Kompetenzen

Lebenslanges Lernen in den Niederlanden ist wesent-lich auf die Verbesserung der Employability der Be-völkerung gerichtet. Vor dem Hintergrund der Schwie-rigkeiten von etwa einem Drittel der niederländischenBevölkerung im Umgang mit dem formalen Bildungs-system wird dem informellen Lernen eine besondereBedeutung für das Bestehen des Landes im globa-len Wettbewerb zugewiesen. Entsprechend befindetsich das System der Berufsbildung in einem Verän-derungsprozess, dessen vorläufiger Höhepunkt in derEinführung von beruflichen Kompetenzstandards imJahr 2004 zu sehen ist.

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Ausgangspunkt der gezielten Förderung informellerBildung war die Arbeit der im Jahre 1993 eingesetz-ten Kommission Erkenning Verworven Kwalificatie(EVK), welche die Schaffung infrastruktureller Vor-aussetzungen, die Förderung gesellschaftlicher Ak-zeptanz und die Durchführung von Pilotprojekten zurEntwicklung geeigneter Bewertungsmethoden desinformellen Lernens empfohlen hat. Mit der letztge-nannten Aufgabe ist insbesondere das Centrum voorInnovatie van Opleidingen (CINOP) betraut.

Von Bedeutung ist diesbezüglich auch die Umstruk-turierung beruflicher Standards im Rahmen des 1996erlassenen Gesetzes über Erwachsenenbildung undberufsbildenden Sekundarunterricht. Für die Erwach-senenbildung existiert seither eine sechsstufige Quali-fikationsstruktur und im Bereich des berufsbildendenSekundarunterrichtes gelten übergreifende Lehr- undLerninhalte, Ausbildungsziele und Berufsabschluss-bezeichnungen auf vier Qualifikationsstufen. Nebendem Erwerb einer vollständigen Qualifikation ist auchdie Möglichkeit einer Zertifizierung einzelner Bestand-teile einer Qualifikation vorgesehen. Mit diesem Ge-setz haben zudem regionale Ausbildungszentren,deren Aktivitäten in Abstimmung mit den Sozialpart-nern erfolgen, als Steuerungselement einer dezen-tralisierten Bildungslandschaft an Gewicht gewonnen.

Zunächst für einen Zeitraum von vier Jahren wurdeim Jahr 2001 ein Kompetenzzentrum für die Aner-kennung früheren Lernens [Kenniscentrum EVC] ge-schaffen. Diese Einrichtung verfolgt das Ziel, bisheri-ge APL-Aktivitäten in den Niederlanden zu erfassenund Netzwerke zur Weiterentwicklung und systema-tischen Anwendung dieser Verfahren zu etablieren.Im Vordergrund steht die Stimulation und Strukturie-rung der persönlichen Entwicklung durch ein erwei-tertes Durchführungsverständnis der eigenen Arbeits-tätigkeit und das Aufzeigen beruflicher Entwicklungs-möglichkeiten für Beschäftigte.

APL-Verfahren können in vielfältigen Formen durch-geführt werden, bestehen jedoch immer aus denSchritten Erfassung, Bewertung und Entwicklung.Ausgangspunkt der Erfassung von früher erworbenenKompetenzen ist eine Diskussion mit einem Teilneh-menden, in der eine Sensibilisierung für bereits vor-handene Kompetenzen vorgenommen wird. Retro-spektiv werden dabei alle beruflichen und außerbe-ruflichen Tätigkeiten herangezogen und diejenigenKompetenzen in den Vordergrund gestellt, die für ak-tuelle oder zukünftige Anforderungssituationen rele-vant sind. Im Anschluss daran werden durch denTeilnehmenden selbst Nachweise seiner Kompeten-

zen in einem Portfolio zusammengestellt. Dieser kanndabei von einem Coach Hilfestellung erhalten. Imfolgenden Schritt erfolgt die eigentliche Überprüfungder Kompetenzen, die dann im Erwerb eines Zertifi-kates mündet. Der Teilnehmende muss hierbei zu-nächst sein Portfolio vorstellen und eine Einschät-zung seiner Kompetenzen bezüglich der Berufsan-forderungen abgeben. Referenzgröße der Bewertungsind entweder nationale oder betriebsbezogeneQualifikationsstrukturen. Daran schließt sich einepraktische Demonstration der Kompetenzen an, dereine Reflexion des eigenen Handelns folgt. Im drit-ten Schritt wird auf Grundlage der vorausgehendenAktivitäten ein persönlicher Entwicklungsplan erstellt,mit dem unter anderem Empfehlungen für weitereBildungsmaßnahmen abgegeben werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beson-derheit dieses Ansatzes der Anerkennung informellerworbenen Lernens in einer Kombination der Über-prüfung von praktischen Fähigkeiten, Wissen und aufüber die eigentliche Anforderungssituation hinausge-hendes Verständnis des eigenen Handelns basiert.

Einführende Literatur

Frommberger, Dietmar (2001) Niederlande. In: Hellwig,W.; Lauterbach, U.; von Kopp, B. (Hrsg.) Innovationennationaler Berufsbildungssysteme von Argentinien bis Zy-pern. Nomos: Baden-Baden, S. 135-138

Visser, Karel (1996) Continuing Training in theNetherlands. In: Brandsma, Jitti / Kessler, Frank / Münch,Joachim (1996) Continuing vocational training: Europe,Japan and the United States. Utrecht: Lemma., 199-208

Markus Bretschneider / Dr. Rüdiger Preißer, DIE

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Schweiz

Die Schweiz hat trotz ihrer sieben Mio. Einwohnerund einer überschaubaren geographischen Größeeine extrem dezentrale politische Struktur. Die kultu-rellen Schwerpunkte der 26 Kantone und Halb-kantone sind historisch gewachsen. Ein äußeresMerkmal dieser Differenzierung sind die vier offiziel-len Landessprachen. Die kulturellen Unterschiedesind ebenfalls im Bildungswesen und in der Berufs-bildung festzustellen mit der dominanten Form be-triebliche Berufslehre in den deutschsprechendenKantonen oder der beruflichen Vollzeitschule in denfranzösisch sprechenden Kantonen. Durch bundes-staatliche Gesetzgebungen und durch zwischen denKantonen vereinbarte Regelung zu Struktur und Ab-schlüssen ist die erforderliche Vergleichbarkeit undEinheitlichkeit gegeben. In der Wirtschaft dominie-ren kleine Betriebe.

Nach dem für alle Kinder gleichermaßen angebote-nen Elementarbereich (Vorschule, Kindergarten) undPrimarbereich erfolgt im Sekundarbereich I in denSchuljahren fünf, bzw. sechs oder sieben bis neunder obligatorischen Volksschule eine innere Differen-zierung mit kantonalen Unterschieden nach "Leis-tung". Nach der obligatorischen Schule treten die Ab-solventen in den Sekundarbereich II ein, in dem un-terschiedliche Bildungswege parallel angeboten wer-den. Sie reichen von den allgemeinbildenden Mittel-schulen (Maturitätsschulen, Diplom-Mittelschule) biszur beruflichen Bildung (Berufslehre, Berufslehre mitBerufsmaturität).

Zertifizierung von informell erworbenen Kompe-tenzen

Weiterbildung ist ein Schlüssel zum 21. Jahrhundert.Angesichts zunehmend rascherer Veränderungen inGesellschaft und Wirtschaft wird sie für den Einzel-nen immer wichtiger, wenn er seine persönliche undberufliche Mobilität bewahren und entwickeln will undfür die Gesellschaft, die von vielseitig qualifiziertenund flexiblen Menschen aller Altersgruppen lebt. Wei-terbildung sorgt für die laufende Erneuerung dieserlebensnotwendigen Grundlagen, die wegen der fol-genden in der Schweiz besonders virulenter Problem-bereiche immer mehr an Bedeutung gewinnen: (a)verschärfter internationaler Wettbewerb, (b) Migrati-on und Verschiebung des Qualifikationsbedarfs, (c)

Demografische Entwicklung bei den Erwerbstätigen(Alterung der Bevölkerung), (d) Steigende Lebenser-wartung, (e) Sozialer Wandel durch beschleunigtetechnologische und wirtschaftliche Veränderungen,(f) zunehmender beruflicher Wiedereinstieg von Frau-en.

Die aktuelle Situation der Weiterbildung ist jedochweit davon entfernt, diesen Herausforderungen nureinigermaßen gebührend Rechnung zu tragen. Aufdiesen Wandel ist die Gesetzgebung bis jetzt wenigeingegangen, und die Strukturen werden diesenneueren Entwicklungen nicht gerecht. Die Weiterbil-dung ist nach wie vor in einen berufsbildenden undin einen allgemeinen, kulturell orientierten Bereichaufgeteilt. Diese Spaltung spiegelt sich auch in denFörderstrukturen wider. Während die enge berufs-orientierte Weiterbildung Bundessache bleibt, obliegtdie allgemeine bzw. nicht-berufsspezifische Weiter-bildung den Kantonen. Auch die Frage nach der Chan-cengleichheit bei der Weiterbildungsbeteiligung istnoch grundlegend zu bearbeiten. Hier sind neben demFaktor Geschlecht weitere Faktoren zu berücksich-tigen, wie der erreichte Bildungsstand, die Integrati-on im Arbeitsmarkt, die berufliche Position, familiäreund soziale Rahmenbedingungen und die Alters-struktur der Teilnehmenden.

In den letzten Jahren ist in dieses starre Gefüge derWeiterbildung Dynamik und Entgrenzung eingezogen.Beruflich-betriebliche Weiterbildung ist nicht mehrausschließlich funktionale Anpassungsfortbildung,und Bereiche der traditionellen Erwachsenenbildungwurden „verberuflicht“. Dementsprechend finden For-derungen wie Bildungsurlaub, Modularisierung derBildung, Qualitätssicherung, neue Formen derZertifizierung, Bildungsgutscheine usw. zunehmendmehr Gehör.

Wegen der wenig vorhandenen Regelungen könnensich deshalb private Vereine, Verbände u.ä. mit denunterschiedlichsten Konzepten zur Zertifizierung oderSammlung von informell erworbenen Fähigkeitenausprobieren und diese auf dem Weiterbildungsmarktanbieten. Dabei stellen die kulturellen Unterschiedezwischen den Kantonen eine große Chance dar, weilhier aus den verwandten Kulturen der Nachbarlän-der viele Anregungen gewonnen wurden, wie die fol-genden Beispiele für Weiterbildungspässe zeigen:

Deutschsprachige Kantone: 1. SchweizerischesQualifikationshandbuch (CH-Q), 2. Dozier Kompetenz-nachweis-Bäuerin mit Fachausweis/Hauswirtschafter/

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

in, 3. Schweizerischer Sozialzeitausweis (BENEVOL),4. Bildungspass (SVEB);Französischsprachige Kantone: 1. Bilan de compé-tences, 2. Portfolio personnel de compétences(ARRA).

Dabei stoßen die Anbieter durchaus in Bereiche vor,die vom Bund oder den Kantonen nicht wahrgenom-men werden. Sie bieten hier einen Kompetenz-nachweis an, für den auf dem Arbeits- oder Weiterbil-dungsmarkt Bedarf besteht, wie beim Verfahren Bilande compétences im Kanton Genf, oder sie „hängen“sich an vorhandene Kompetenznachweise an undbieten dann eine Alternative zu den öffentlichenZertifizierungsverfahren an, wie beim EidgenössischenFachausweises Ausbilder(in) mittels Gleichwertigkeits-beurteilung.

Damit entsprechen die alternativen Initiativen genauder Systemphilosophie. Der bisher von der öffentli-chen Hand wenig bearbeitete Bereich der Weiterbil-dung wird von ihnen im Rahmen des Subsidiaritäts-prinzips ausgefüllt. Die Intentionen und Funktionender meist als Pässe angebotenen Qualifizierungs-nachweise bewegen sich in diesem Rahmen oder sienehmen sich besonderer Gruppen wie den Erwachse-nen ohne Volksschulabschluss an. Die Bewertungenund Zertifizierungen orientieren sich bezogen auf dieIntentionen und Funktionen an den entsprechendenVerfahren wie Assessment (Bilan de compétences)oder einem Dossier für spezifische Kompetenznach-weise (Dossiers für Bewerbungen, Gleichwertigskeits-beurteilung bei Ausbildungs- und/oder Beratungsfach-leuten) im Rahmen des Schweizerisches Qualifika-tionshandbuchs. Damit sind Implementierung undAkzeptanz der angebotenen Nachweise von informellerworbenen Fähigkeiten oder von Portfolioausschrei-bungen bei diesen offenen staatlichen Rahmenbe-dingungen letztlich direkt von den Nutzern abhängigund das besonders, wenn die Finanzierung der Instru-mente und Gesellschaften vom Gebrauch durch dieNutzer bestimmt wird.

Einführende Literatur:Schläfli, André / Gonon, Philipp (1999) Weiterbildung in derSchweiz : Situation und Perspektiven. Deutsches Institut fürErwachsenenbildung (DIE). Frankfurt am Main 1999

Wettstein, Emil / Lauterbach, Uwe (2002) Länderstudie Schweiz.In: Internationales Handbuch der Berufsbildung, hrsg. von UweLauterbach. Nomos: Baden-Baden (Manuskript abgeschlossenund vor der Veröffentlichung)

Dr. Uwe Lauterbach, DIPF

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Bildungspässe - Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten

Teilnehmende

I. Gäste

Name Vorname Institution

Adam Reiner Behörde für Bildung und Sport, Hamburg,[email protected]

Aengenvoort Ulrich DVV Bonn, [email protected] Dr. Wolfgang Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes

[email protected] Dr. Hans-J. ies Hannover, [email protected] Elisabeth Ministerium für Wirtschaft, Saarland,

[email protected] Jens Europäische Kommission, Generaldiektion Bildung und Kultur, Brüssel,

[email protected] Dr. Eva-Maria Projektbüro Bildungspass, Meran, [email protected] Sonja Zentralverband des Deutschen Handwerks, Berlin, [email protected] Anita Gesellschaft CH-Q, Zumikon, [email protected] Arminda Portugal, [email protected] Prof. Dr. Pat School of Education, University of Sheffield, [email protected]ßinger Prof. Dr. Thomas Universität Konstanz, [email protected],Dellbrück Dr. Joachim BBJ e.V, Herzbergstraße 83, 10365 Berlin, [email protected] Prof. Dr. Günther Tübingen, [email protected] Sibilla Europass Berufsbildung, InWEnt gGmbH Köln [email protected] Robert Finkenweg 6, D – 35099 BurgwaldGerzer-Sass Annemarie Deutsches Jugendinstitut e. V.. München, [email protected] Barbara KVHS Ludwigshafen, [email protected] Prof. Dr. Philipp Universität Trier, [email protected] Kathrin BiBB, Bonn, [email protected] Dr. Gerlinde Bildungspass Südtirol, Lana (BZ), [email protected]äni Elisabeth Fachstelle UND Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen,

Bern, [email protected]ätter Hans-Peter Kultusministerium Hessen, [email protected] Hanne Isoplan Institut SaarbrückenKäpplinger Bernd DIE, Bonn, [email protected] Wolfgang Verband Österreichischer Volksbildungswerke, Wien, [email protected] Dr. Christiane Büro für Qualifikationsforschung, Bremen,

[email protected]äuter Willi Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes

[email protected] Dr. Peter Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur, Mainz

[email protected] Dr. Marlene BMBF, [email protected] Klaus BMBF, [email protected] Bernhard Bundesverband Deutscher Privatschulen, [email protected] Sabine Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (NRW), [email protected] Heinz Siemens AG, Qualification and Training, Competence Area Business,

MünchenPetrikowski Frank BMBF, [email protected] Tijs Kennitnisscentrum (Niederlande), [email protected]

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Preis Petra Deutsche Bahn AG, [email protected] Kerstin Hessischer Jugendring, Wiesbaden, [email protected] Bernd Heidelberger Druckmaschinen AG, [email protected] Silke Bad Münstereifel, [email protected], Prof. Dr. Christiane Universität Heidelberg, [email protected]ögl Mag. Peter Österreichisches Institut für Berufsbildungsforschung, Wien,

[email protected]öll Ingrid VHS Stadtverband Saarbrücken, [email protected] Claus Kultusministerium Bremen, [email protected] Daniela BASF Ludwigshafen, Bildungspolitik, [email protected] Jürgen Deutsche Telekom Telekom Training Center, Bonn,

[email protected] Dr. Johann Ibw-Geschäftsführer,1020 Wien, [email protected]önnissen Frank Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im

Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Bonn,[email protected]

Triphaus Margret Aktiv-Pass Osnabrück, Forum Osnabrück für Kultur und [email protected]

Wack Otto Georg Landesinstitut für Qualifizierung, Soest (NRW),[email protected]

Weickert Jesco Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur, [email protected]

Yrjölä Prof. Dr. Pentti Counsellor of Education (Finnland), National Board of Education,Helsinki, [email protected]

Zettelmeier Dr. Werner Cirac, Université de Cergy-Pontoise (F), [email protected]

II. Konsortium

Arnswald Dr Ulrich DIPF, Frankfurt, [email protected] Prof. Dr. Hermann DIPF, Frankfurt, [email protected] Susanne DIPF, Frankfurt, [email protected] Markus DIE, Bonn, [email protected] Aklilu DIPF, Frankfurt, [email protected] Dr. Dieter IES, Hannover, [email protected] Dr. Uwe DIPF, Frankfurt, [email protected]ß Dr. Harry DIPF, Frankfurt, [email protected]ßer Dr. Rüdiger DIE, Bonn, [email protected] Elke IES, Hannover, [email protected] Dr. Josef DIE, Bonn, [email protected] Sabine IES, Hannover, [email protected] Beate IES, Hannover, [email protected]

III. Dolmetscher

Nickel Inga [email protected] Peter [email protected] Julia Julia.semmler.bmvel.bund.deDemircan Hatice [email protected] Frau L. [email protected] Christine Neunkirchen/Saar