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Renews Spezial Ausgabe 67 / August 2013 Hintergrundinformation der Agentur für Erneuerbare Energien www.unendlich-viel-energie.de Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Bioenergie im Strommarkt der Zukunft · Renews Spezial Ausgabe 67 / August 2013 Hintergrundinformation der Agentur für Erneuerbare Energien Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

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Renews SpezialAusgabe 67 / August 2013Hintergrundinformationder Agentur für Erneuerbare Energien

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Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 2

Autor:Jörg MühlenhoffStand: August 2013

Herausgegeben von:

Agentur für Erneuerbare Energien e. V.Reinhardtstr. 1810117 BerlinTel.: 030-200535-3Fax: [email protected]

ISSN 2190-3581

Unterstützer:Bundesverband Erneuerbare EnergieBundesverband SolarwirtschaftBundesverband WindEnergieBundesverband WärmepumpeGtV - Bundesverband GeothermieBundesverband BioenergieFachverband BiogasVerband der Deutschen Biokraftstoffindustrie

Gefördert durch:Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitBundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Nr. 67 | S. 3 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Inhalt

• Welche Rolle hat die Bioenergie in der Stromversorgung? 4

• Was Bioenergieanlagen im erneuerbaren Energiemix leisten können 5Flexible Stromerzeugung von Bioenergieanlagen 5Welcher Anlagenpark steht für eine flexible Stromerzeugung zur Verfügung? 6Bioenergieträger flexibel einsetzen 7Biogas hilft dem Strom auf dem Weg ins Gasnetz 8

• Einordnung von Bioenergieanlagen als wichtige Flexibilitätsoption 10Die Residuallast als Referenzwert für die benötigten Ausgleichsmaßnahmen 10Flexibilisierungsoptionen für den Ausgleich der fluktuierenden Erneuerbaren Energien 10Steigender Anteil Erneuerbarer Energien, steigender Ausgleichsbedarf 11Bioenergieanlagen bieten ein bedeutendes Ausgleichspotenzial 13Warum sich Bioenergieanlagen als ideale Ausgleichskapazität anbieten 15

• Wie Bioenergieanlagen flexibel werden können 17Flexibilisierung aus Sicht der Bioenergiebranche 17Technische Voraussetzungen für einen flexiblen Betrieb von Bioenergieanlagen 18

– Fernsteuerung ermöglichen 18– Wärmeabnehmer zuverlässig versorgen 18– Teillastbetrieb vermeiden, Erzeugungskapazität modular erhöhen 19– Gasspeicher vorhalten 20

Ökonomische Hindernisse bei der Flexibilisierung von Bioenergieanlagen 21– Dilemma 1: Kein Platz für Bioenergieanlagen in der Merit Order 21– Dilemma 2: Missing Money-Problem 23– Dilemma 3: Variable Brennstoffkosten 24– Dilemma 4: Hohe Volllaststunden und feste Einspeisevergütung bieten höhere Sicherheit 24

• Mit dem EEG auf dem Weg zur Flexibilisierung von Bioenergieanlagen? 26Direktvermarktung nach Marktprämienmodell 26Direktvermarktung mit Flexibilitätsprämie 30Direktvermarktung nach dem Grünstromprivileg 33Sonstige Direktvermarktung 33

• Optionen für eine Flexibilisierung außerhalb des EEG? 35Regelenergiemarkt 35Kapazitätsmärkte 39

– Umfassender zentralisierter Kapazitätsmarkt 40– Selektive bzw. segmentierte oder fokussierte Kapazitätsmärkte 41– Strategische Reserve 41– Dezentralisierter Leistungsmarkt 42

Bewertung der Kapazitätsmarktmodelle aus Sicht von Bioenergieanlagen 43Eigenvermarktung und Eigenverbrauch 45

• Zusammenfassung 47

• Ausblick und Empfehlungen 49

• Glossar 52

• Quellen und weitere Informationen 58

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 4

Welche Rolle hat die Bioenergie in der Stromversorgung?

Soll der seit den 1980er Jahren unter dem Schlagwort „Energiewende“ beschriebene Strukturwandel der deutschen Energieversorgung zu einem Erfolg werden, reicht es nicht, einfach konventionelle Großkraftwerke abzuschalten und neue Erneuerbare-Energien-Anlagen zu errichten. Bei steigenden Anteilen an der Stromversorgung müssen die Erneuerbaren Energien auch zunehmend Verantwortung für die Systemsicherheit übernehmen. Das heißt, sie müssen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage und dem reibungslosen Zusammenspiel der unterschiedlichen Anlagen im Netz beitragen. Bioenergie hat dabei den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Sonne und Wind keine volatile, wetterabhängige Quelle der Stromerzeugung ist. Bioenergieträger sind bereits „gespeicherte Sonnenenergie“ und können flexibel eingesetzt werden. Strom aus Bioenergieanlagen bietet sich damit als idealer „Teamplayer“ für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage an.

Erneuerbare Stromversorgung benötigt die flexibel einsetzbare Bioenergie als AusgleichBeispielhafte Bedarfsdeckung mit erneuerbarem Strom während einer Woche

Mit der zunächst rein technischen Frage der Systemstabilität ergibt sich bei einem weiteren Zubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen aber auch die Notwendigkeit, die langfristigen Rahmen-bedingungen für die Strommärkte zu klären. Diese werden auch 15 Jahre nach ihrer Liberalisierung in Deutschland hinsichtlich ihrer Funktionalität hinterfragt. Die zunehmende Einspeisung von günstigem Solar- und Windstrom drückt die Preise an der Strombörse* auf Tiefststände. Die klassische Betriebsweise fossiler Kraftwerke wird zunehmend hinfällig. Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Publikation die Rolle von Bioenergieanlagen im Strommix der Zukunft erörtern:

• Sind Bioenergieanlagen tatsächlich das Multitalent der Energiewende, das bereit stehen kann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Wie groß ist Ihr Beitrag zum Ausgleich der wetterabhängigen, fluktuierenden Einspeisung?

• Sind Bioenergieanlagen ausreichend flexibel? Welche technischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Bioenergieanlagen das Zusammenspiel der unterschiedlichen Stromerzeuger ausbalancieren können?

• Können Bioenergieanlagen unter den aktuellen Bedingungen des Strommarktes flexibel und wirtschaftlich betrieben werden? Müssten zunächst Änderungen im Marktdesign, d.h. der Spielregeln auf den Strommärkten, umgesetzt werden – oder bleiben die festen Einspeisetarife des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) unverzichtbar?

*Kursiv gesetzte Begriffe werden im Glossar ab S. 52 erläutert.

Quelle: www.kombikraftwerk.de

Nr. 67 | S. 5 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Was Bioenergieanlagen im erneuerbaren Energiemix leisten können

Der Umbau der Energieversorgung Deutschlands hin zu einer überwiegend auf erneuerbaren Quellen basierenden Strom-, Wärme- und Kraftstoffproduktion bedeutet einen grundlegenden und umfassenden Strukturwandel. Als bislang einziger erneuerbarer Energieträger, der sowohl Strom als auch Wärme und Kraftstoffe bereitstellt, kommt der Bioenergie dabei eine zentrale Rolle zu.

Anteil der Bioenergie an der Energieversorgung 2012

Quelle: BMU/AG EE-Stat, Februar 2013

Bioenergie war und ist die wichtigste erneuerbare Energiequelle. Bioenergie deckte im Jahr 2012 insgesamt 6,9 Prozent des Stromverbrauchs und war damit nach der Windenergie die wichtigste erneuerbare Quelle im Stromsektor. Mit den Beiträgen zur Wärme- (9,5 Prozent) und Kraftstoffversorgung (5,5 Prozent) übernahm Bioenergie insgesamt 8,2 Prozent des deutschen Energieverbrauchs. Auch wenn das Schlagwort der Energiewende nicht auf den Stromsektor begrenzt werden darf, soll in dieser Publikation die Rolle der Bioenergie im Strommix und auf den Strommärkten im Mittelpunkt stehen.

Flexible Stromerzeugung von Bioenergieanlagen

Bioenergieanlagen bieten theoretisch ein großes Potenzial, die Versorgungssicherheit und Stabilität bei steigender Dynamik im Stromnetz zu unterstützen, da Biomasse speicherbar und die Anlagen sehr flexibel regelbar sind. Die Bioenergie kann somit einen Beitrag dazu leisten, dass sich die unterschiedlichen Erneuerbaren Energien untereinander optimal ergänzen. Unter dem Begriff der Flexibilisierung bzw. der flexiblen Stromerzeugung von Bioenergieanlagen soll hier verstanden werden…

… aus ökonomischer Sicht:eine bedarfsorientierte Stromerzeugung, ausgerichtet an Preissignalen des Strommarkts entsprechend der schwankenden Nachfrage und Verfügbarkeit anderer Erzeuger (Wind/Sonne); Betreiber und/oder Stromhändler versuchen, möglichst dann Strom zu erzeugen bzw. zu verkaufen, wenn hohe Erlöse zu erwarten sind (im Gegensatz zu den kostendeckenden Einspeisetarifen des EEG, die unabhängig vom jeweiligen Bedarf eine fixe Vergütung für jede erzeugte Kilowattstunde garantieren).

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 6

… aus technischer Sicht:die Lieferung von Systemdienstleistungen, z.B. Sicherung der Netzstabilität durch Bereitstellung von Blindleistung zur Spannungshaltung im Stromnetz oder die Bereitstellung von Regelenergie zum Ausgleich von Differenzen zwischen prognostiziertem Stromverbrauch und prognostizierter Stromerzeugung.

Welcher Anlagenpark steht für eine flexible Stromerzeugung zur Verfügung?

Unter dem Begriff der Bioenergieanlage sind höchst unterschiedliche Technologien zusammengefasst. Die unterschiedlichen Bioenergieanlagen, die Strom erzeugen, sollen hier hinsichtlich ihrer Bedeutung im Strommix und für eine flexible Bereitstellung von Strom vorgestellt werden.

Bioenergieanlagen zur Stromerzeugung in Deutschland 20121

Anlagentechnologie installierte elektrische Leistung

Stromerzeugung Bedeutung und Potenzial für flexible Stromerzeugung

Biogas-Blockheizkraftwerke (BHKW) (einschließlich mit Biomethan betriebene BHKW)

3.180 MW2 20,5 Mrd. kWh ca. 7.600 Anlagen, technisch sehr gut geeignet, bisher aber wenig für Flexibilisierung genutzt

Holz(heiz-)kraftwerke ca. 1.500 MW 12,5 Mrd. kWh ca. 360 Anlagen, geeignet für flexible Stromerzeugung, jedoch weniger reaktionsschnell als Biogas-BHKW

Klär- und Deponiegas-BHKW ca. 360 MW 1,9 Mrd. kWh ca. 700 Anlagen, vergleichbar mit Biogas-BHKW

Pflanzenöl-BHKW ca. 100 MW 1,1 Mrd. kWh ca. 560 Anlagen, Betrieb derzeit meist unwirtschaftlich, für flexible Stromerzeugung aber zu reaktivieren

Holzvergaser, Holzgaskraftwerke

ca. 23 MW < 0,1 Mrd. kWh noch in der Markteinführung

1 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Erneuerbare Energien 2012. Vorläufige Angaben, 28. Februar 2013; Agentur für Erneuerbare Energien (AEE): Potenzialatlas Bioenergie in den Bundesländern. Berlin, Januar 2013; Deutsches Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ): EEG-Monitoring 2011. Leipzig, März 2012.2 Fachverband Biogas: Branchenzahlen 2011 und Branchenentwicklung 2012/2013, November 2012.

Biogasanlagen bzw. Biogas-BHKW bieten technisch sehr gute Voraussetzungen für eine flexible Stromerzeugung. Verbreitet sind kleine BHKW mit bis zu 500 kW Leistung. In allen Regionen Deutschlands sind landwirtschaftliche Biogas-BHKW zu finden. Die Anlagen liefern in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gleichzeitig Wärme, z.B. über Nahwärmenetze, für Einzelgebäude oder für gewerbliche Wärmeabnehmer. Bisher erprobt nur ein geringer Teil des Anlagenparks von Biogas-BHKW eine flexiblere Stromerzeugung im Rahmen der Direktvermarktung über Stromhändler. Die meisten Biogas-BHKW laufen mit hohen Volllaststunden, d.h. sie produzieren rund um die Uhr zu allen Jahreszeiten eine möglichst gleichbleibend hohe Strommenge.

Bildquelle: MT-Energie

Nr. 67 | S. 7 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Bei Holz(heiz-)kraftwerken handelt es sich üblicherweise um deutlich größer dimensionierte Einzelanlagen, die auf Basis von Altholz oder Holzhackschnitzeln mittels konventioneller Dampfkessel und Turbinen oft in KWK betrieben werden. Zwar kommen diese Anlagen auch für eine flexible Stromerzeugung in Frage, sind jedoch weniger reaktionsschnell als Biogas-BHKW.3 Betreiber sind häufig regionale Energieversorger oder Unternehmen aus der Abfall-, Holz- und Forstwirtschaft.4 Wie bei Biogas-BHKW ist eine flexiblere Stromerzeugung im Sinne der oben

eingeführten Definition bisher kaum etabliert.

Klär- und Deponiegas-BHKW sind hinsichtlich der flexiblen Stromerzeugung mit den Eigenschaften von Biogas-BHKW zu vergleichen. Der Betrieb von Pflanzenöl-BHKW ist aufgrund der gestiegenen Pflanzenölpreise und der politischen Rahmenbedingungen derzeit nicht mehr attraktiv. Viele der dezentral installierten BHKW stehen still. Theoretisch ist eine Reaktivierung für die flexible Erzeugung möglich. Holzvergaser und Holzgaskraftwerke befinden sich noch in der Markteinführung. Bei diesen Anlagen hat sich aber gerade im Bereich kleiner Leistungen unter 200 kW in den vergangenen Jahren eine deutliche technische Verbesserung gezeigt. Die technische und ökonomische Weiterentwicklung bleibt abzuwarten, um die Bedeutung für eine flexible Stromerzeugung abschätzen zu können.

Die Ausbaupotenziale und die im beschriebenen Anlagenpark eingesetzte Biomasse können hier nicht thematisiert werden. Einen Überblick bieten die Ausgaben Renews Spezial 65 „Anbau von Energiepflanzen“, April 2013, und Renews Spezial 64 „Reststoffe für Bioenergie nutzen“, April 2013.

Bioenergieträger flexibel einsetzen

Soll Bioenergie zu einer flexiblen Stromerzeugung beitragen, muss dazu nicht zwangsläufig eine spezielle Bioenergieanlage bereitstehen. Die unterschiedlichen Bioenergieträger wie Holz oder Biogas könnten auch in bestehenden Kraftwerken mitgenutzt werden, die fossile Brennstoffe einsetzen. Für die Mitverbrennung müssen jedoch die technischen Voraussetzungen gegeben sein. Außerdem müssen die Kraftwerke tatsächlich flexibel einsetzbar sein. Um einen effizienten Einsatz der Biomasse sicherzustellen, sollten KWK-Anlagen genutzt werden.

Biogas lässt sich in Biogas-Aufbereitungsanlagen auf Erdgasqualität bringen, um es als Biomethan in die vorhandenen Erdgasnetze einzuspeisen. Anderenorts kann es dann entnommen und wiederum in BHKW oder in bestehenden Erdgas-Kraftwerken mitverbrannt werden. Feste Biomasse wie Holz und biogene Anteile des Abfalls werden bereits in Müllverbrennungsanlagen und Kohlekraftwerken beigefeuert, ohne dass diese jedoch bisher einen Beitrag zur flexiblen Stromerzeugung leisten oder stets als KWK-Anlagen laufen.

Bildquelle: wikimedia/Rainer Sielker

3 Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013.4 DBFZ: EEG-Monitoring 2011. Leipzig, März 2012.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 8

Biogas hilft dem Strom auf dem Weg ins Gasnetz

In der Forschungslandschaft herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die wetterabhängigen Quellen Wind- und Solarenergie den größten Beitrag zu einer ausschließlich auf Erneuerbaren Energien basierenden Stromversorgung der Zukunft leisten werden.5 Damit verstärkt sich nicht nur die zuvor beschriebene Herausforderung, Angebot und Nachfrage im Stromnetz kurzfristig zu stabilisieren. Auch der Bedarf an Langzeitspeichern wird mit steigendem Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien steigen. Werden in den deutschen Stromspeichern aktuell rund 10 Mrd. kWh jährlich aufgenommen6, so ist künftig mit einer Vervielfachung dieser Strommengen zu rechnen. Hierfür sind auch Speicher mit größeren Kapazitäten notwendig, denn einerseits wäre es energiewirtschaftlich nicht sinnvoll, große Überangebote von erneuerbarem Strom zu „verschenken“, andererseits müssen auch längere Phasen mit überregionaler Windstille oder schwacher Solarstromernte überbrückt werden. Einen Überblick zur Rolle von Stromspeichern für den Ausbau Erneuerbarer Energien bietet die Ausgabe Renews Spezial 57 „Strom speichern“ vom Februar 2012.

Typische Stromspeicherkapazitäten7 Wirkungsgrad Stromspeicherkapazität

…eines Lithium-Ionen-Akkus (z.B. Elektrofahrzeug)

90-95 % 50 kWh

…eines Blei-Säure-Akkus 65-90 % 40.000 kWh

…des größten deutschen Pumpspeicherkraftwerks

65-85 % 8,5 Mio. kWh

…aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke 65-85 % 40 Mio. kWh

…der Batterien von 45 Mio. Elektrofahrzeugen 90-95 % 450 Mio. kWh

…aller österreichischen und schweizerischen Pumpspeicher

65-85 % 12 - 30 Mrd. kWh

...des vorhandenen deutschen Gasnetzes bei vollständiger Nutzung als Speicher für synthetisches Methan aus erneuerbarem Strom (Elektrolyse und Methanisierung von Wasserstoff)

30-35 % 138 Mrd. kWh (bei Verstromung von 240 Mrd. kWh Methan

aus dem dt. Gasnetz in einem Gaskraftwerk mit 60 %

Wirkungsgrad)

5 Leprich, Uwe u.a.: Kompassstudie Marktdesign. Bochum/Saarbrücken, Dezember 2012; Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)/Fraunhofer IWES/Ingenieurbüro für neue Energien (IfnE): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. Stuttgart/Kassel/Teltow, März 2012; Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE): Energiekonzept 2050. Berlin, Juni 2010.6 AEE: Strom speichern. Renews Spezial 57, Februar 2012.7 Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013; AEE: Strom speichern. Renews Spezial 57, Februar 2012; Sterner, Michael u.a.: Erneuerbares Methan. In: Solarzeitalter 1/2010, S. 51-58, März 2010.

Biogas kann an der Biogasanlage für einen begrenzten Zeitraum in der Kuppel des Fermenters gespeichert werden. Neben den vorhandenen Pumpspeicherkraftwerken, deren Gesamtspeicher-kapazität innerhalb weniger Tage „voll-“ oder „leerläuft“, bietet allerdings das vorhandene Erdgasnetz den wichtigsten und mit Abstand größten potenziellen Langzeitspeicher. Ein möglicher Einspeisepunkt in das Gasnetz liegt angesichts von 475.000 km Länge fast immer in der Nähe. Soll das Gasnetz als Speicher und Verteilsystem für erneuerbaren Strom genutzt werden, muss dieser in der „Leitwährung“ Methan (= Erdgas, CH4) eingespeichert werden. Auf dem Weg von der elektrischen Kilowattstunde zum Speichermedium Gas können Bioenergieanlagen bzw. vor allem Biogas in Zukunft eine zentrale Rolle spielen.

Nr. 67 | S. 9 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Die folgende Grafik veranschaulicht drei mögliche Pfade für das Speichern bzw. Rückverstromen von erneuerbarem Strom mit Hilfe von Biogasanlagen. Im ersten Pfad (A) wird Biogas zu Biomethan (CH4) aufbereitet. Biomethan wird im Gasnetz gespeichert. Die Stromerzeugung aus Biogas wird bei Überangebot von Sonne und Wind zurückgefahren, um zu einem späteren Zeitpunkt Nachfragelücken mit Biomethan überbrücken zu können.

Im zweiten Pfad (B) wird ein Überangebot von erneuerbarem Strom durch Elektrolyse zu Wasserstoff umgewandelt, der je nach Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt in Biogas-BHKW mitverbrannt werden kann. Der dritte Pfad (C) beschreibt einen an die Elektrolyse anschließenden Schritt, nämlich die Methanisierung des Wasserstoffs. Dabei wird Biogas oder Kohlendioxid aus der Biogas-Aufbereitung hinzugeführt, um synthetisches Methan (CH4) zu erzeugen. Dieses kann wiederum im Gasnetz gespeichert werden. Technisch möglich wäre zudem auch eine eingeschränkte Beimischung von Wasserstoff aus der Elektrolyse in das Gasnetz bis zu einem Anteil von 5 Prozent.

Mit Biogas erneuerbaren Strom im Gasnetz speichern

Quelle: eigene Darstellung nach Sterner/Fraunhofer IWES und Diwald/Enertrag

Während in Deutschland Ende 2012 insgesamt 107 Biogas-Aufbereitungsanlagen in Betrieb waren, sind bisher nur wenige Pilot- und Forschungsprojekte zur Nutzung von Wasserstoff in Biogasanlagen bzw. zur Methanisierung initiiert worden. Der Einsatz von Wasserstoff und synthetischem Methan (bzw. „erneuerbarem Methan“, „erneuerbarem Gas“, „Power-to-Gas“ oder „Windgas“) ist angesichts großer Wirkungsgradverluste und hoher Investitionskosten aktuell jedoch unwirtschaftlich. Nur bei stark steigenden fossilen Brennstoffkosten, technischen Fortschritten und einem großen Überangebot von günstigem erneuerbarem Strom könnte nach 2030 Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Speichertechnologien erreicht werden.8

8 Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag: Regenerative Energieträger zur Sicherung der Grundlast in der Stromversorgung. April 2012.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 10

Einordnung von Bioenergieanlagen als wichtige Flexibilitätsoption

Der weitere Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlagen ändert die Rationalität des heutigen Stromversorgungssystems fundamental. Wind und Sonne als „erneuerbare Grundversorger“ werden die tragenden Säulen der Stromerzeugung. Sie sind dann Taktgeber im System. Die klassische Grundlast, bisher von rund um die Uhr laufenden Braunkohle- und Atomkraftwerken gedeckt, gibt es nicht mehr. Stattdessen kommt es auf eine flexible Ergänzung der wetterabhängigen Erneuerbaren Energien an. Fossile Großkraftwerke sind jedoch nur bedingt dafür geeignet, weil sie ihre Produktion nur eingeschränkt variieren können.

Die Residuallast als Referenzwert für die benötigten Ausgleichsmaßnahmen

Im Folgenden soll die Bedeutung von flexiblen Bioenergieanlagen in der Stromversorgung der Zukunft abgeschätzt werden. Um ihren Beitrag zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung von Wind- und Solarstrom einordnen zu können, muss zunächst der Ausgleichsbedarf des Stromversorgungssystems benannt werden: Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit die Last, d.h. die Stromnachfrage im Netz, stets gedeckt wird, wenn Strom aus Wind- und Solaranlagen wetterabhängig, aber nicht unbedingt bedarfsgerecht anfällt? Je höher die installierte Leistung der Windenergieanlagen und der Photovoltaikanlagen, desto häufiger kann bei Starkwind oder in sonnigen Mittagsstunden ein Großteil des jeweiligen Strombedarfs gedeckt werden. Die verbleibende Nachfrage wird als Residuallast bezeichnet.

Mittelfristig ergibt sich zeitweise auch ein Überangebot von volatilem Wind- und Solarstrom, eine „negative Residuallast“. Die Ermittlung der maximalen Residuallast ist für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit von hoher Bedeutung. Diese Größe beschreibt, wie viel Strombedarf verbleibt, wenn im ungünstigsten Fall, zum Beispiel bei Windflaute und geringer Sonneneinstrahlung im Winter, eine minimale erneuerbare Stromerzeugung auf gleichzeitig maximale Stromnachfrage trifft.

Flexibilisierungsoptionen für den Ausgleich der fluktuierenden Erneuerbaren Energien

Die Residuallast muss – wenn nicht bzw. weniger auf fossile Kraftwerke zurückgegriffen werden kann bzw. soll – aus anderen Quellen gedeckt werden. Dafür kommen verschiedene Ausgleichsmaßnahmen in Frage, die die erneuerbare Stromerzeugung flankieren. Eine Rolle spielen Stromspeicher wie die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke. In Zukunft bietet neben Batterien von Elektrofahrzeugen auch die zuvor beschriebene Entnahme von synthetischem Methan aus dem Speicher Gasnetz eine attraktive Flexibilisierungsoption. Der überregionale oder europäische Stromaustausch hilft schon heute, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen. Ein Ausbau der Stromnetze kann helfen, regionale Überangebote besser abzutransportieren oder die Residuallast effizienter abzudecken.

Quelle: Darstellung nach Leprich 2012

Nr. 67 | S. 11 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Die Herausforderung, die Residuallast zuverlässig zu decken, kann statt mit Speichern auch durch das Verlagern der Stromnachfrage gelöst werden. Man spricht dann von Lastmanagement (Demand Side Management, DSM). Lastvariable Großverbraucher wie z.B. Kühlhäuser reduzieren zum Zeitpunkt einer großen Residuallast gezielt ihre Stromnachfrage und verlagern diese auf einen späteren Zeitpunkt, wenn die Erzeugung von Wind- und Solarstrom wieder ansteigt.

Werden kommunikationstechnische Signale gesendet, können auch Haushalte mit intelligenten Stromzählern („Smart Meter“) auf das jeweilige Stromangebot (und unterschiedlich hohe Strompreise) reagieren. Haushaltsgeräte, Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen beziehen dann vorrangig zu lastschwachen Zeiten Strom aus dem Netz.

Lastmanagement und andere Flexibilitätsoptionen im intelligenten Stromnetz

Steigender Anteil Erneuerbarer Energien, steigender Ausgleichsbedarf

Beispielhaft soll nun der Umfang der Residuallast in einem zukünftigen Stromversorgungssystem beschrieben werden, das überwiegend auf Erneuerbaren Energien basiert. Das Ausbauszenario des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) zeigt, dass mit steigenden Kapazitäten von Erneuerbare-Energien-Anlagen der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung im Jahr 2030 auf bis zu 79 Prozent steigen könnte.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 12

Installierte Leistung und Stromerzeugung von Erneuerbare-Energien-Anlagen bis 20309

2012 2020 2030

installierte Leistung aller Erneuerbare-Energien-Anlagen

73.000 MW 136.000 MW 223.000 MW

Stromerzeugung aller Erneuerbare-Energien-Anlagen

136 Mrd. kWh 260 Mrd. kWh 448 Mrd. kWh

Stromerzeugung der Bioenergieanlagen 41 Mrd. kWh 58 Mrd. kWh 83 Mrd. kWh

Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch

23 % 47 % 79 %

Die Höhe der Residuallast schwankt im Jahresverlauf stark. Die folgende Grafik zeigt, wie hoch die Residuallast an wie vielen Stunden im Jahr maximal ausfällt, wenn das oben beschriebene BEE-Ausbauszenario bis 2030 umgesetzt wird. Über den Verlauf von 8.760 Stunden wird demnach im Jahr 2030 zwar anteilig ein im Durchschnitt sehr hoher Versorgungsgrad mit erneuerbarem Strom erreicht (79 Prozent). Werden jedoch die heute üblichen Erzeugungs- und Lastprofile fortgeführt und werden die im Jahr 2030 installierten Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht flexibel betrieben, verbleibt eine bedeutende Residuallast. An 4.000 Stunden müssen mindestens 20.000 MW Residuallast gedeckt werden. An 1.000 Stunden des Jahres verbleiben sogar mindestens 40.000 MW Residuallast. Das entspricht der Leistung von rund 40 fossilen Großkraftwerken. Für diese Residuallast müssen flexibel regelbare fossile Kraftwerkskapazitäten oder andere Ausgleichsmaßnahmen eingesetzt werden.

Residuallast im BEE-Szenario im Jahr 2030

9 Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE): Das BEE-Szenario Stromversorgung 2030. Dialogkonferenz BEE-Plattform Systemtransformation, 14. Dezember 2012; BMU: Erneuerbare Energien 2012, Februar 2013.

Quelle: Krzikalla 2013

Die maximale Residuallast des Jahres 2030, d.h. der Strombedarf zu jener Stunde des Jahres, während der bei hoher Stromnachfrage die geringsten erneuerbaren Kapazitäten zur Verfügung stehen, wird in der Analyse des BEE-Ausbauszenarios mit 71.000 MW beziffert und liegt damit nur geringfügig unter der maximalen Residuallast des Jahres 2012. Deutlich zunehmen wird nach 2020 jedoch die negative Residuallast: Bis zu 84.000 MW Leistung würden in der Stunde der höchsten Sonnen- und Windenergieverfügbarkeit auf keine unmittelbare Nachfrage treffen. Der Strom müsste gespeichert bzw. verlagert werden, um ihn „aufzufangen“ – wenn Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht abgestellt werden sollen.

Nr. 67 | S. 13 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Insgesamt müssten 34,5 Mrd. kWh erneuerbarer Strom (7,7 Prozent der gesamten erneuerbaren Erzeugung im Jahr 2030) gespeichert oder verlagert werden. Damit wird die zentrale Bedeutung von Ausgleichsmaßnahmen deutlich.

Eine Herausforderung ist die Organisation eines kosteneffizienten Zusammenspiels der unterschiedlichen Flexibilisierungsoptionen. Während bestimmte Technologien schon bereit stehen, sind andere Optionen noch nicht im Markt eingeführt oder (noch) nicht wettbewerbsfähig, obwohl ihr Potenzial als Ausgleichsmaßnahme bedeutend ist. Die Preisbildung an den Strommärkten und die rechtlichen Rahmenbedingungen entscheiden, in welchem Umfang fossile Kraftwerke oder andere Möglichkeiten zum Ausgleich der fluktuierenden Erneuerbaren Energien genutzt werden. Während einige Ausgleichspotenziale noch nicht mobilisiert werden konnten (z.B. Elektrofahrzeuge), werden andere möglicherweise durch die veränderte Rationalität des Versorgungssystems unwirtschaftlich bzw. vorübergehend aus dem Markt gedrängt (z.B. Erdgaskraftwerke).

Bioenergieanlagen bieten ein bedeutendes Ausgleichspotenzial

Flexibilisierte Bioenergieanlagen könnten im Jahr 2020 über insgesamt rund 15.000 MW installierter Leistung und 2030 über 20.000 MW verfügen. Nicht alle Bioenergieanlagen würden – beispielsweise wegen der notwendigen Versorgung von Wärmeabnehmern – in einen völlig flexiblen Anlagenbetrieb wechseln. Darum wird das im Jahr 2030 verfügbare Ausgleichspotenzial auf -/+ 16.000 MW geschätzt. Bioenergieanlagen könnten einen großen Anteil der verbleibenden Residuallast decken, indem sie kurzfristig mit hoher Leistung zum Ausgleich der fluktuierenden Wind- und Solarstromerzeugung eingesetzt würden bzw. bei Überangebot still stünden. Voraussetzung wäre, dass der Anlagenbestand sowie neu zu errichtende Anlagen konsequent auf eine bedarfsorientierte Stromerzeugung umgestellt würden. Die Bioenergieanlagen würden nicht mehr während 8.000 Stunden im Jahr durchgehend in Volllast Strom erzeugen, sondern dieselbe Strommenge während eines geringeren Zeitraums erzeugen. Dafür müsste dann eine größere installierte Leistung der BHKW bzw. Verbrennungskessel und Generatoren vorgehalten werden (2030: 20.000 MW).

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 14

Ausgleichs- und Verlagerungspotenzial von Flexibilisierungsoptionen im Vergleich10

geschätztes Potenzial Dauer

Lastmanagement in der Industrie -4.400 MW bis +2.000 MW 1 bis 4 Stunden

Lastmanagement in Haushalten -2.300 MW bis +600 MW einige Stunden

Lastmanagement mit elektrischen Wärmepumpen

-2.200 MW bis +450 MW ca. 2 Stunden

Nutzung eines Strom-Überangebotes für Wärmeerzeugung

mehr als -10.000 MW unbegrenzt

Einspeisemanagement (= Abregeln) von Wind- und PV-Anlagen

negativ unbegrenzt unbegrenzt

bedarfsorientierte Stromerzeugung von Bioenergieanlagen

-16.000 MW bis +16.000 MW 4 bis 12 Stunden

(einschl. bedarfsorientierter Einsatz von Biomethan im Erdgasnetz)

Wochen/Monate

stromgeführter Einsatz von KWK-Anlagen -25.000 MW bis +25.000 MW 4 bis 12 Stunden

Nutzung bestehender KraftwerkeLaständerungspotenzial 2012 (mit Stilllegungen abnehmend):

80.000 MW inst. Leistung,32.000 MW

unbegrenzt

Neubau flexibler Kraftwerke/KWK-Anlagen unbegrenzt unbegrenzt

Nachrüstung bestehender Kraftwerke für Flexibilisierung

ca. +3.000 MW einige Stunden

Nutzung von Netzersatzanlagen (= Notstromsysteme)

maximal ca. +8.000 MW Stunden/Tage

Pumpspeicherkraftwerke -10.000 MW bis +10.000 MW Stunden/Tage

Druckluftspeicher +320 MW (Kraftwerk Huntorf) Stunden/Tage

Batterien (z.B. in Elektrofahrzeugen) unbegrenzt Stunden/Tage

synthetisches Methan (Speicherung von erneuerbarem Strom im Gasnetz)

unbegrenzt Wochen/Monate

In der Tabelle zum Vergleich des Ausgleichs- bzw. Verlagerungspotenzials wird unterschieden zwischen positivem und negativem Potenzial. Ein positives Potenzial bezeichnet die Fähigkeit zur Bereitstellung zusätzlicher Erzeugungsleistung bzw. zur Abschaltung von Lasten und bedeutet eine Verringerung der Residuallast. Dies kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass ein Pumpspeicherkraftwerk vom Pumpbetrieb auf Stromerzeugung umspringt. Es verbraucht dann nicht mehr Strom, um Wasser in ein höher gelegenes Reservoir zu pumpen, sondern lässt das Wasser aus dem Speicherbecken strömen, um Turbinen anzutreiben. Der Betreiber einer Biogasanlage stellt positives Ausgleichspotenzial bereit, wenn er bei entsprechendem Bedarf die Stromerzeugung aus Biogas hochfährt. Das setzt den vorherigen Stillstand oder gedrosselten Betrieb eines BHKW voraus.

10 Darstellung nach Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013.

Nr. 67 | S. 15 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Ein negatives Verlagerungspotenzial beschreibt dagegen den Umfang der abschaltbaren Erzeugungsleistung bzw. der zuschaltbaren Lasten, beispielsweise eines Pumpspeicherkraftwerks, das Strom verbraucht, wenn es Wasser in ein höher gelegenes Reservoir pumpt. Es zieht dann ein Überangebot von Strom aus dem Netz. Der Betreiber einer Biogasanlage schaltet bei einem Überangebot von Strom für einen bestimmten Zeitraum ein BHKW ab und speichert das Biogas. In diesen Fällen wird die gerade nicht benötigte Stromerzeugung eingestellt bzw. ein Überangebot von Strom gezielt verbraucht und damit eine negative Residuallast abgebaut.

Flexibilisierung der Betriebsweise einer Biogasanlage

Warum sich Bioenergieanlagen als ideale Ausgleichskapazität anbieten

Bioenergie kann und soll die fluktuierenden Erneuerbaren Energien flankieren, statt in Grundlast Strom zu produzieren. Geothermie-Kraftwerke und Wasserkraftanlagen können diese Aufgabe teilweise auch übernehmen, das Potenzial ist jedoch wegen der geringen installierten Leistung von geothermischen Kraftwerken sowie der Niederschlagsabhängigkeit der Laufwasserkraft sehr eingeschränkt. Sowohl für den längerfristigen Ausgleich als auch für das Ausbalancieren tageszeitlicher Schwankungen bieten Bioenergieanlagen ein signifikantes Potenzial.11 Ein Vorteil ist die hohe Zuschaltgeschwindigkeit: BHKW, die Biogas, Klärgas, Deponiegas oder Holzgas einsetzen, können innerhalb von nur fünf Minuten von Stillstand auf maximale Leistung hochgefahren werden.

11 DBFZ: Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG. Leipzig, Juni 2011.

Stand: 6/2013, Quelle: eigene Darstellung nach Holzhammer/Fraunhofer IWES

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Als einzige erneuerbare Anlagentechnologie nutzen Bioenergieanlagen flexibel einsetzbare, leicht zu lagernde Brennstoffe. Sie lassen sich daher bedarfsgerecht mit Brennstoff „füttern“, d.h. sie können im Rahmen der installierten Kapazität genau die zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigte Leistung bereitstellten. Nur bei seltenen technischen Störungen können Bioenergieanlagen unerwartete plötzliche Schwankungen der Stromerzeugung verursachen – damit unterscheiden sie sich aber nicht von konventionellen Kraftwerken. Bioenergieträger wie Holz oder Biogas lassen sich im Gegensatz zu Strom zudem weitgehend verlustfrei und kostengünstig lagern bzw. speichern.

Die Mobilisierung des Ausgleichspotenzials von Bioenergieanlagen trifft in Deutschland auf besonders gute Voraussetzungen. Die Bundesrepublik bildet bisher den global wichtigsten Markt für Bioenergieanlagen zur Stromerzeugung. Weltweit sind ca. zwei Drittel aller Anlagen in Deutschland installiert. Die Bioenergie-Branche versammelt hierzulande rund 180 kleine und mittelständische Hersteller und Planer von Biogasanlagen, die insgesamt den Weltmarkt dominieren, sowie 35 Hersteller von BHKW und Verbrennungsmotoren, davon zwei Weltmarktführer.12 Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 1,5 Mrd. Euro in Bioenergieanlagen zur Stromerzeugung investiert. Die in Deutschland ansässigen Hersteller von Bioenergieanlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung erwirtschafteten ca. 1,8 Mrd. Euro Umsatz (ohne Kleinanlagen wie Holzheizungen). Insgesamt 129.000 Beschäftigte waren 2012 in der Bioenergie-Branche tätig.13

Der strombedarfsorientierte Einsatz von Bioenergieanlagen kann theoretisch mit überschaubarem Nachrüstungs- und Investitionsaufwand umgehend starten (siehe nachfolgender Abschnitt „Technische Voraussetzungen für einen flexiblen Betrieb von Bioenergieanlagen“, S.18). Ein großer dezentraler Anlagenpark ist bereits vorhanden. Im Gegensatz zu vielen anderen Flexibilisierungsoptionen ist die Anlagentechnologie erprobt und erfordert weder eine neue Markteinführungsstrategie noch grundlegende Forschungsanstrengungen. Auch lange Planungs- und Genehmigungsphasen wie bei risikoreichen Großinvestitionen in den Neubau konventioneller Kraftwerke sind nicht erforderlich.

Bioenergieanlagen können auch wichtige Systemdienstleistungen wie die Blindleistung zur Spannungshaltung sowie Primär-, Sekundär- und Minutenreserve als Regelenergie zur Frequenzhaltung bieten. Sie eignen sich daher zur Übernahme von Aufgaben zur Sicherung der Netzstabilität, für die bisher konventionelle Großkraftwerke verantwortlich sind und können dazu beitragen, die Transportkapazitäten der Stromnetze zu erhöhen.

12 Krzikalla, Norbert/Marambio, Constanze: Beitrag der deutschen Industrie zur Umsetzung der Energiewende. Techniken zur Flexibilisierung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Aachen, April 2013.13 O’Sullivan, Marlene u.a.: Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2012. Stuttgart u.a., März 2013.

Nr. 67 | S. 17 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Wie Bioenergieanlagen flexibel werden können

Flexibilisierung aus Sicht der Bioenergiebranche

Aus Sicht von Planern und Projektierern von Bioenergieanlagen wie auch von Interessenverbänden der Branche wird die Flexibilisierung vielfach als große Chance bewertet, die Vorteile der Bioenergie als „Multitalent der Energiewende“ auszuspielen. Angesichts starker Umsatzrückgänge insbesondere beim Neubau von Biogasanlagen sehen sich Anlagenhersteller zunehmend gezwungen, neue Geschäfts- und Betreibermodelle zu entwickeln. Die Anfang 2012 in Kraft getretene Novellierung des EEG bietet zwar bereits erste Anreize für die bedarfsgerechte Stromerzeugung von Bioenergie-anlagen, so dass sich Anlagenbetreiber mit einer entsprechenden Anpassung ihres Betriebskonzepts auseinandersetzen. Dadurch, dass politische Entscheider den Rechtsrahmen des EEG bzw. den Umfang der festen Einspeisevergütungen in Frage stellen, sind Betreiber von Bioenergieanlagen allerdings stark verunsichert. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, tragfähige neue Strategien für eine flexible Strom- und Wärmevermarktung zu entwickeln.14

Ein weiterer Anreiz zum flexiblen Anlagenbetrieb ergibt sich aus drohenden Verlusten im Falle lokaler Netzüberlastungen. In bestimmten Regionen mit hoher installierter Leistung von Bioenergie- und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen ist wegen zu schwach ausgelegter Verteil- und Übertragungsnetze immer häufiger ein Eingreifen der Netzbetreiber zu beobachten: Windenergie- oder Biogasanlagen werden im Rahmen des so genannten Einspeisemanagements abgeregelt, d.h. vom Netz getrennt, um die Netzstabilität nicht zu gefährden. Dieses Abschalten von Erzeugungskapazitäten ist vor allem ein Ausdruck des unzureichenden Netzausbaus. Die verantwortlichen Netzbetreiber müssen darum für die Strommengen, die infolge der Abregelung nicht mehr ins Netz eingespeist werden konnten, eine Entschädigung an den Betreiber zahlen. Allerdings verlaufen diese Entschädigungsverfahren für die Betreiber von Bioenergieanlagen unter Umständen problematisch und langwierig. Auch wenn es zu einer finanziellen Entschädigung kommt, ist die Verschwendung der knappen Ressource Biomasse zu vermeiden. Reicht der Gasspeicher eines Biogas-Fermenters in solchen Situationen nicht aus, muss überschüssiges Biogas über eine Notfackel verbrannt werden, was ökologisch kontraproduktiv ist.15

Der Zubau neuer Biogasanlagen stößt vielerorts auf Kritik. Hintergrund sind häufig Konflikte um Anbauflächen für Energiepflanzen. Naturschützer verlangen oft einen Ausbaustopp für Biogasanlagen. Vor diesem Hintergrund bietet die Flexibilisierung der Anlagen auch eine Chance, die tragende Rolle von Biogas für den Umbau der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien zu untermauern und gleichzeitig eine effiziente Nutzung der wertvollen Ressource Biomasse zu garantieren. Eine Herausforderung ergibt sich dabei im Wechselspiel mit dem Optimierungsdruck auf Biogasanlagen. Diese sollen nicht nur flexibler Strom zu erzeugen, sondern gleichzeitig auch die entstehende Abwärme effizienter nutzen.

14 Fachverband Biogas/Bundesverband Bioenergie: Gemeinsame Stellungnahme zum Thesenpapier des Bundesumweltministeriums zum 2. EEG-Dialog: „Potenzial und Rolle von Biogas“. Berlin, Februar 2013; O’Sullivan, Marlene u.a.: Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2012. Stuttgart u.a., März 2013; Pecka, Michael: Direktvermarktung als Selbstverständnis. In: Energie&Management 8/2013, S. 9.15 Kahnt-Ralle, Edith: Wenn das Stromnetz wieder voll ist. In: Biogas-Journal 1/2013, S. 62-63.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 18

Auf den ersten Blick scheint die bedarfsgerechte Stromerzeugung von Bioenergieanlagen eine klassische „win-win-Situation“ zu bieten: Indem die Betreiber mit der Flexibilisierung ein neues Geschäftsfeld erschließen und ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren, kann ein Beitrag für Ausgleich und Stabilisierung des Stromversorgungssystems erbracht werden. Auf dem Weg zur flexiblen Bioenergieanlage stehen allerdings noch technische und ökonomische Hürden.

Technische Voraussetzungen für einen flexiblen Betrieb von Bioenergieanlagen

Der theoretisch ideale Einsatz von Bioenergie- bzw. Biogasanlagen für die bedarfsgerechte Stromerzeugung stößt auf mehrere technische Hürden, die im Folgenden diskutiert werden.

- Fernsteuerung ermöglichen

Bioenergieanlagen, die bedarfsgerecht Strom erzeugen wollen, müssen den Bedarf im Netz kennen. Dazu ist die Einrichtung entsprechender Informationskanäle notwendig, die Signale des Netzbetreibers bzw. des Stromhändlers übertragen. Die Kommunikation der Anlage mit deren Leitwarte muss so gestaltet sein, dass die Anlage aus der Ferne gesteuert werden kann. Der wechselseitige Austausch stellt sicher, dass am Markt nur dann Strom angeboten wird, wenn eine ausreichende Biogasproduktion und fehlerfrei funktionierende BHKW bereitstehen. Der Aufwand zur Nachrüstung ist überschaubar und stellt kein grundsätzliches Hindernis dar.

- Wärmeabnehmer zuverlässig versorgen

Die meisten Bioenergieanlagen erzeugen Strom in Kraft-Wärme-Kopplung und geben die dabei anfallende Abwärme beispielsweise als Heizwärme an Haushalte, öffentliche Gebäude oder Stall- gebäude ab, oder auch als Prozesswärme für Gewerbebetriebe. Reduziert das BHKW die Stromerzeugung, sinkt auch die Wärmeerzeugung. Trotzdem muss der Anlagenbetreiber gewährleisten, dass die Wärmeabnehmer stets ausreichende Wärmemengen beziehen können, schließlich soll niemand frieren, wenn ein BHKW die Leistung drosselt. Bevor eine Anlage in die flexible Stromerzeugung einsteigt, muss daher überprüft werden, in welchem Umfang ein bestimmter Wärmebedarf zu befriedigen ist. Daraus ergibt sich dann möglicherweise eine Einschränkung der Flexibilität, bzw. Nachrüstungsbedarf für einen separaten Wärmespeicher oder die modulare Er-höhung der BHKW-Leistung. Möglicherweise reicht aber auch schon ein bestehendes Nahwärmenetz aus, um eine am Strombedarf ausgerichtete flexible Fahrweise abzupuffern.

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Technische Herausforderungen bei der Flexibilisierung einer Biogasanlage

Als problematisch kann sich in diesem Zusammenhang die komplexe Abschätzung des Wärmebedarfs einer Vielzahl unterschiedlicher Wärmeabnehmer gestalten. Separate Wärmespeicher mit großem Speichervolumen sind zudem noch nicht breit in den Markt eingeführt. Nachteile von Wärmespeichern sind unter Umständen ein großer Raumbedarf sowie Wärmeverluste bei längeren Speicherzeiten.16

- Teillastbetrieb vermeiden, Erzeugungskapazität modular erhöhen

Variiert ein mit Biomasse betriebenes BHKW bzw. Kraftwerk seine Leistung, um bedarfsgerecht Strom zu erzeugen, sollte ein Teillastbetrieb vermieden werden. Häufiges Hoch- und Herunterregeln, d.h. der Teillastbetrieb eines BHKW führt zu Wirkungsgradverlusten, erhöht den Wartungsbedarf und reduziert die Lebensdauer des Motors.17 Anlagen wie Holzheizkraftwerke, die mit fester Biomasse befeuert werden und über einen Dampfprozess verfügen, können nur im Bereich zwischen Mindestlast und Höchstlast geregelt werden. Sie sind im Regelverhalten langsamer als BHKW, die gasförmige Bioenergieträger einsetzen.

Um ohne Teillastbetrieb kurzfristig große Mengen Biogas verbrennen zu können bzw. für einen bestimmten Zeitraum effizient nur eine geringe Biogasmenge zu verbrennen, ist es sinnvoll, statt eines BHKW mit hoher elektrischer Leistung mehrere kleinere BHKW unterschiedlicher Leistungsstärken modular bereitzuhalten.18 Will ein Biogasanlagenbetreiber mit einem in der Leistung verdoppelten BHKW-Park zu bestimmten Zeiten eine entsprechend größere Strommenge in das lokale Netz einspeisen, so muss möglicherweise auch die Trafokapazität aufgestockt werden und die Aufnahmefähigkeit der betroffenen Netzebene angepasst werden.19

16 AEE: Wärme speichern. Renews Spezial 18, November 2009.17 Neumann, Hinrich: Direktvermarktung: Diese Technik ist nötig. In: Top Agrar Energiemagazin, 1/2013, S. 24-27.18 Frey, Martin: Wichtiger Schritt Richtung Energiewende. In: Biogas-Journal 4/2012, S. 68-72.19 Casaretto, Rainer u.a.: Biogas macht PV im Sommer Platz! In: Biogas-Journal 1/2013, S. 64-69.

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- Gasspeicher vorhalten

Wird die Zufuhr von Biomasse in Biogasanlagen unterbrochen, bricht nach wenigen Stunden auch die Gärbiologie ein, d.h. es entsteht im Fermenter mit einer zeitlichen Verzögerung weniger bzw. kein Biogas mehr durch bakterielle Zersetzung der „gefütterten“ Biomasse. Die Zufuhr von Biomasse kann zwar in bestimmten Bandbreiten variiert werden, sollte aber mehr oder weniger kontinuierlich erfolgen.

Soll Biogas nicht genauso kontinuierlich, sondern zeitlich und mengenmäßig variabel im BHKW verstromt werden, muss deshalb ein ausreichend großer Zwischenspeicher für das Biogas vorhanden sein. Das Biogas sammelt sich zunächst unter der dehnbaren Folie, die den Fermenter luftdicht abschließt. Je nach Größe des Fermenters kann dort die Biogasmenge von ca. zwei bis maximal zehn Stunden Vergärung aufgefangen werden.20 Nach diesem Zeitraum wäre die Aufnahmefähigkeit er- schöpft und die Entnahme von Biogas (zur Stromerzeugung im BHKW) müsste wieder beginnen. Damit sind die zeitlichen Grenzen einer bedarfsgerechten Stromerzeugung typischer Biogasanlagen umrissen. Soll beispielsweise einen ganzen Tag lang (24 Stunden) gezielt auf die Stromerzeugung verzichtet werden, muss ein zusätzlicher Gasspeicher für das kontinuierlich entstehende Biogas vorgehalten werden. Dafür kommen die Gärrestelager in Frage, Vergrößerungen des Speicher- volumens der Fermenterbehälter oder separate Gasspeicher (z.B. Membranspeicher, Folienspeicher, Stahlbehälter). Diese müssen hinsichtlich des Gasstroms und des Gasdrucks in das Betriebskonzept eingepasst werden.21

So funktioniert eine Biogasanlage

20 Jacobi, Fabian u.a.: Flexible Biogasproduktion. Ergänzung und Alternative zum Speicherzubau in der Direktvermarktung. In: Biogas-Journal 4/2012, S. 88-93; Frey, Martin: Wichtiger Schritt Richtung Energiewende. In: Biogas-Journal 4/2012, S. 68-72.21 Schug, Christoph: Die Vielfalt der Biogas-Gasspeicherung. Vortragsskript, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.

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22 Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013; DBFZ: Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG. Leipzig, Juni 2011.

Wenn Biogas über mehrere Tage gespeichert und die technischen Herausforderungen des Gasspeichers vermieden werden sollen, bietet sich die Aufbereitung des Biogases zu Biomethan an. Dieser Nutzungspfad ist zuvor im Abschnitt „Bioenergieanlagen bieten ein bedeutendes Ausgleichspotenzial“ (S. 13) vorgestellt und begrifflich als Speicher eingeordnet worden. Auf die technischen Herausforderungen der über 100 Biogas-Aufbereitungsanlagen in Deutschland wird in dieser Publikation nicht vertieft eingegangen.

Die notwendigen Zusatzinvestitionen in den flexibilisierten Anlagenbetrieb wie die Erhöhung der BHKW-Kapazitäten sowie die Ergänzung von Gas- und Wärmespeichern können je nach Größe der Anlage und Flexibilisierungsgrad Kosten verursachen, die im Bereich von ca. 2 bis 4 Cent pro erzeugte Kilowattstunde Strom liegen.22

Ökonomische Hindernisse bei der Flexibilisierung von Bioenergieanlagen

Trotz der offenkundigen Vorteile als bedeutendes Ausgleichspotenzial sowie für die Netzstabilität ist der bedarfsgerechte Einsatz von Bioenergieanlagen bisher kein Selbstläufer. Das liegt auch an den ökonomischen Hindernissen, die sich aus den Betriebskonzepten der Bioenergieanlagen, sowie aus den Rahmenbedingungen des Strommarkts ergeben. Wollen Betreiber von Bioenergieanlagen auf eine flexible Stromerzeugung umstellen, ergeben sich mehrere Dilemmata.

- Dilemma 1: Kein Platz für Bioenergieanlagen in der Merit Order

Am Stromerzeugungsmarkt erzielen Kraftwerksbetreiber ihre Erlöse ausschließlich aus dem Verkauf einer bestimmten Strommenge, d.h. mit den von ihnen erzeugten Kilowattstunden. Es handelt sich um einen Energy-Only-Markt (EOM). Mit den Einnahmen aus dem Stromverkauf in Höhe der jeweiligen Börsennotierung müssen mindestens die variablen Brennstoffkosten und Kosten für CO2-Emissionsrechte abgedeckt werden, außerdem Betriebs- und Wartungskosten sowie gegebenenfalls noch die Investitionskosten für den Bau der Anlage. Ob ein Kraftwerk am Großhandelsmarkt zum Zuge kommt und für die Stromerzeugung eingesetzt wird, hängt von seinen Grenzkosten ab, d.h. den variablen Kosten, die mit der Erzeugung einer zusätzlichen Strommenge für die Deckung des Bedarfs zu einem bestimmten Zeitpunkt verbunden sind. Die Grenzkosten aller Kraftwerke bestimmen die Einsatzreihenfolge (Merit Order), wobei diejenigen mit den geringsten Grenzkosten zuerst zum Zuge kommen. Das in der Stromerzeugung teuerste Kraftwerk, das gerade noch zum Einsatz kommen muss, um die Nachfrage zu befriedigen, wird als Grenzkraftwerk bezeichnet. Es bestimmt den für alle Kraftwerke zu einem bestimmten Zeitpunkt einheitlichen Börsenstrompreis.

Je nachdem, welches Kraftwerk das Grenzkraftwerk bildet und auf welcher Höhe sich damit der Börsenstrompreis einstellt, erzielen die Betreiber der Anlagen, die im Vergleich zum Grenzkraftwerk günstiger Strom erzeugen, mehr oder weniger hohe Gewinne. Um ausreichend hohe Deckungsbeiträge zu erzielen und zudem einen wirtschaftlich attraktiven Betrieb zu garantieren, muss eine Anlage eine bestimmte Mindestmenge an Strom erzeugen und zu entsprechenden Preisen verkaufen.

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Einsatzreihenfolge der Kraftwerke (Merit Order)

Quelle: AEE, Stand: 02/2011

Die Stromerzeugungskosten bei Bioenergieanlagen liegen meist deutlich über den Stromer-zeugungskosten von fossilen Kraftwerken, die überwiegend abgeschrieben sind und im Gegensatz zu Erneuerbare-Energien-Anlagen keine Investitionskosten mehr erwirtschaften müssen, so dass Bioenergieanlagen in der Merit Order allenfalls selten bei sehr hohen Börsenstrompreisen abgerufen würden. Darum garantiert das EEG die Abnahme der erneuerbaren Strommenge zu einer fixen kostendeckenden Einspeisevergütung. Für die erfolgreiche Markteinführung von Erneuerbaren Energien in Deutschland hat sich die Abnahme- und Vergütungsgarantie des EEG als unerlässlich erwiesen.

Stromerzeugungskosten von fossilen bzw. Atomkraftwerken und Bioenergieanlagen 2010

Bandbreiten der Stromerzeugungskosten

neu errichtete Biogasanlagen (Modellanlage 600 kW, mindestens 6.000 Volllaststunden/Jahr)23

ca. 12 ct/kWh bis ca. 20 ct/kWh

neu errichtete Holzheizkraftwerke (Modellanlage 1 MW, mindestens 4.500 Volllaststunden/Jahr)

ca. 5 ct/kWh bis ca. 20 ct/kWh

neu errichtete Braunkohlekraftwerke24 ca. 4 ct/kWh bis ca. 6 ct/kWh

neu errichtete Steinkohlekraftwerke ca. 6 ct/kWh bis ca. 8 ct/kWh

neu errichtete Erdgaskraftwerke ca. 6 ct/kWh bis ca. 10 ct/kWh

bestehende Atomkraftwerke ab ca. 1 bis 2 ct/kWhQuelle: DBFZ, DLR, Fraunhofer ISE

23 Angaben zu Bioenergieanlagen: DBFZ: Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG. Leipzig, Juni 2011.24 Angaben zu fossilen und Atomkraftwerken: AEE: Kosten und Preise für Strom. Renews Spezial 51, September 2011.

Diese Erträge werden zur Deckung der Stromerzeugungskosten aufgewandt.

Betreiber von Kraftwerken, deren Stromerzeugungskosten niedriger als beim Grenzkraftwerk liegen, erzielen Gewinne.

Für Atom- und Kohlestrom wird der gleiche Preis verlangt wie für Strom aus dem teuersten Kraftwerk. Hier ist das Erdgas-Kraftwerk das Grenzkraftwerk, das den Börsenstrompreis bestimmt.

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Bioenergieanlagen würden in der Merit Order nur auf eine sehr geringe Volllaststundenzahl kommen, da der Börsenstrompreis nur während weniger Stunden eines Jahres auf dem Niveau läge, das für Biogasanlagen oder Holzheizkraftwerke kostendeckend wäre. Weil nur geringe Deckungsbeiträge erwirtschaftet würden, wäre weder ein statischer noch ein flexibler Anlagenbetrieb ausschließlich über die Erlöse an der Strombörse zu refinanzieren.

- Dilemma 2: Missing Money-Problem

Wird Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen eingespeist, erhöht dieser das Angebot am Strommarkt und senktdie Nachfrage nach teurem Mittel- oder Spitzenlaststrom aus Steinkohle- oder Erdgaskraftwerken. Aufgrund der vorrangigen Abnahme des Stroms aus Erneuerbaren Energien spielt die Höhe der Erzeugungskosten keine Rolle, bei Anlagen ohne Brennstoffkosten wie Wind- und PV-Anlagen liegen die Grenzkosten ohnehin nahe Null. Der Betrieb relativ teurer Erdgaskraftwerke und mancher Steinkohlekraftwerke wird immer öfter überflüssig, bzw. sie kommen am Markt nicht mehr zum Zuge, da der Börsenstrompreis durch Anlagen mit niedrigeren Grenzkosten bestimmt wird.

Merit Order-Effekt der Erneuerbaren Energien

Quelle: AEE, Stand: 02/2011

Insbesondere die Einspeisung von Solarstrom schleift mittags zur Spitzenlast die bisher üblichen hohen Börsenstrompreise ab. Diesen Effekt nennt man Merit Order-Effekt. Wind- und PV-Anlagen haben durch den Merit-Order-Effekt die durchschnittlichen Börsenstrompreise in den letzten Jahren bereits deutlich gesenkt.

Da im Jahr 2012 auch der Steinkohlepreis und die Kosten für CO2-Emissionsrechte niedrig lagen, sanken sowohl die Preisnotierungen für langfristige Stromlieferungen an den Terminmärkten als auch die Notierungen für kurzfristige Stromlieferungen an den Spotmärkten deutlich auf durchschnittlich 4,9 bis 6,1 ct/kWh (Terminmarkt, Stromlieferung im Folgejahr, Baseload bzw. Peakload) bzw. 4,3 bis 4,9 ct/kWh (Spotmarkt, Stromlieferung am Folgetag, Baseload bzw. Peakload). Im Jahr 2013 wurden bereits Notierungen von 4 ct/kWh unterschritten.25

25 Europäische Strombörse EEX, http://www.eex.com.

Strom aus Erneuerbaren EnergienGrenzkosten = 0

Handelsvolumen/kWh

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Die Differenz zwischen den Marktpreisen der Strombörse und den Grenzkosten fossiler Kraftwerke ist damit gering. Die Stromerzeugungskosten eines Kraftwerks können möglicherweise während bestimmter Zeiten nicht mehr gedeckt werden, so dass Gewinne sinken oder der Betrieb unwirtschaftlich wird. Angesichts der niedrigen Erlöse aus dem Stromverkauf an der Strombörse fehlen auch Anreize für Investitionen in neue Anlagen. Notwendige Modernisierungen bzw. der für die Netzstabilität und den Ausgleich fluktuierender Erneuerbare Energien erforderliche Zubau flexibler Kapazitäten bleiben aus. Man spricht vor diesem Hintergrund auch vom „Missing Money-Problem“ liberalisierter Energiemärkte. Mögliche Zusatzerlöse durch die Teilnahme am Regelenergiemarkt reichen nicht aus, um die Verluste aus dem Spot- und Terminmarkt wettzumachen. Für die Errichtung bedarfsorientierter neuer Bioenergieanlagen bieten die Strommärkte darum bisher keine Investitionssicherheit.

- Dilemma 3: Variable Brennstoffkosten

Als einzige erneuerbare Anlagentechnologie haben Bioenergieanlagen variable Brennstoffkosten für die eingesetzte Biomasse, die nicht nur kurz- und mittelfristig schwanken können, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die jeweiligen Stromerzeugungskosten haben.26 Steigen beispielsweise die Kosten für Maissilage, die in Biogasanlagen zum Einsatz kommt, kann ein längerfristig kalkuliertes Angebot eines Biogasanlagenbetreibers zur bedarfsgerechten Einspeisung von Strom unwirtschaftlich werden. Das Risiko schwankender Brennstoffkosten tragen selbstverständlich auch konventionelle Kraftwerke, doch sind Bioenergieanlagen weniger flexibel, da ihre Brenn-stoffbeschaffung üblicherweise regional eingegrenzt ist und sich nicht wie bei den fossilen Energie-trägern an globalen Rohstoffmärkten eventuelle Preisvorteile erschließen lassen.

- Dilemma 4: Hohe Volllaststunden und feste Einspeisevergütung bieten höhere Sicherheit

Aus der technischen Sicht des Stromversorgungssystems ist eine rein statische Betriebsweise von Bioenergieanlagen nicht wünschenswert. Betriebswirtschaftlich gilt das Gegenteil. Betreiber bestehender Anlagen sind durch die Vergütungsstruktur des EEG bisher dazu gezwungen, möglichst konstant große Strommengen zu erzeugen. Je höher die Volllaststundenzahl, desto höher fallen die Erlöse aus. Das EEG reizt (in den Fassungen von 2000 bis 2011) eine möglichst effiziente Stromer-zeugung mit dem knappen Gut Biomasse an: Nur wenn Teillastbetrieb und Anlagenausfälle vermieden werden, höchste Wirkungsgrade erreicht werden und dadurch eine maximale Strommenge erzeugt wird, reicht die gesetzliche Einspeisevergütung je Kilowattstunde aus, um eine Amortisation der Investition in die Bioenergieanlage sicherzustellen.

Würde eine Bioenergieanlage nur während bestimmter Zeiten innerhalb eines Jahres bedarfsgerecht Strom erzeugen, fiele die Summe der Einspeisevergütung zu gering aus. Ein unflexibler Anlagenbetrieb auf Basis der Einspeisevergütung bietet damit die beste Investitionssicherheit. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Herausforderung, dauerhaft ausreichende Deckungsbeiträge für die variablen Brennstoffkosten zu erzielen. Ein Rechenbeispiel: Die kostendeckende Einspeisevergütung des EEG sieht für eine vor 2012 in Betrieb genommene Biogasanlage einen Vergütungsanteil von durchschnittlich 7 Cent pro Kilowattstunde für den Einsatz nachwachsender Rohstoffe vor. Damit sollen die Kosten für Maissilage abgedeckt werden, die zu 31 Euro je Tonne beschafft werden kann.

26 DBFZ: Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG. Leipzig, Juni 2011; Pellmeyer, Josef: Biogas als Ausgleichsenergie. Vortrag, DUH Bioenergie-Netzwerk, Berlin, 21. Januar 2011.

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Muss der Anlagenbetreiber den „Brennstoff“ Maissilage aufgrund von lokalen Verknappungen und Preissteigerungen bei Agrarrohstoffen zu höheren Kosten einkaufen, reicht die fixe kostendeckende Einspeisevergütung nicht mehr aus. Sinken die Kosten für Maissilage unter 31 Euro je Tonne, können dagegen dank fixer Einspeisevergütung Rücklagen gebildet werden, die bei einem späteren Preisanstieg wieder abgebaut werden.

Variable Brennstoffkosten bei Biogasanlagen

Die beschriebenen Dilemmata zeigen, dass eine bedarfsorientierte Stromerzeugung von bestehenden oder neu zu errichtenden Bioenergieanlagen weder ausschließlich durch Erlöse an der Strombörse, noch auf alleiniger Basis der festen Einspeisevergütung des EEG sicher zu refinanzieren ist. Ein Umstieg auf einen flexiblen Anlagenbetrieb würde zunächst Zusatzinvestitionen erforderlich machen, die ein zusätzliches Risiko darstellen. Statt der Strategie der bedarfsgerechten Stromerzeugung erscheinen für viele Anlagenbetreiber möglicherweise andere Fragen betriebswirtschaftlich wichtiger, wie die Abwärmenutzung, die Effizienzsteigerung im Betriebsablauf oder die Beschaffung der Biomasse.

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Mit dem EEG auf dem Weg zur Flexibilisierung von Bioenergieanlagen?

Grundlage für den Bau und Betrieb von Bioenergieanlagen war und ist das EEG. Der deutsche Strommarkt im Sinne der unterschiedlichen liberalisierten Handelssegmente gibt für die Refinanzierung von Bioenergieanlagen bzw. ihrer Flexibilisierung bisher keine ausreichende Sicherheit. Vielmehr ist der Wettbewerb auf dem Strommarkt eingeschränkt und weiterhin geprägt von Strukturen, die von den früheren Monopolanbietern bestimmt werden.27 Die derzeitigen Preissignale im Strommarkt reichen nicht aus, um Investitionen in neue Anlagen, Ausgleichskapazitäten und Netzstabilität anzureizen. Fossile Energieträger werden zudem gegenüber der erneuerbaren Stromerzeugung strukturell begünstigt, da ihre externen Kosten wie Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschäden nicht angemessen eingepreist sind. Bei Internalisierung der externen Kosten wären Erneuerbare-Energien-Anlagen auf dem Strommarkt durchaus wettbewerbsfähig. „Aufgrund dieser Marktverzerrungen ist die gezielte Förderung der Erneuerbaren Energien durch das EEG notwendig und berechtigt.

Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die seit 2012 gültige Novelle des EEGs mit ihren neuen Rahmenbedingungen eine bedarfsgerechte Stromerzeugung von Bioenergieanlagen fördern kann. Zu klären ist die Frage, ob damit die Ausgleichspotenziale von Bioenergie erschlossen und die beschriebenen Dilemmata überwunden werden können.

Direktvermarktung nach Marktprämienmodell

Die 2012 in Kraft getretene EEG-Novelle bietet Anlagenbetreibern die Möglichkeit, ihren Strom nicht mehr unter Inanspruchnahme der festen Einspeisevergütung an die Netzbetreiber zu liefern. Stattdessen können sie den Strom an Stromhändler verkaufen, die ihn an der Strombörse oder anderweitig vermarkten (= Direktvermarktung, §33 EEG, Abs. a-i). Da die Erlöse – wie beschrieben im Abschnitt „Ökonomische Hindernisse bei der Flexibilisierung von Bioenergieanlagen“ (S. 21) – trotzdem zu gering sind, sieht das EEG die Auszahlung einer gleitenden Marktprämie vor. Sie gleicht die Differenz aus zwischen dem Marktwert des erneuerbaren Stroms an der Strombörse und der festen Einspeisevergütung, die ein Anlagenbetreiber alternativ in Anspruch hätte nehmen können. Für die zusätzlichen Aufwendungen der Marktanbindung und Handelsabwicklung (z.B. Fernsteuerung, siehe S. 18) gewährt das EEG eine für die Dauer der Direktvermarktung fixe Managementprämie, die jährlich reduziert wird für die Anlagen, die neu in die Direktvermarktung einsteigen.

Die gleitende Marktprämie wird zunächst „aufgesattelt“ auf den für alle Anlagen maßgeblichen monatlichen Mittelwert der Spotmarktpreise (EPEX Spot) an der Strombörse EEX (Rechenbeispiel: 4,2 ct/kWh im Dezember 2012). Die Höhe der zusätzlich gezahlten Managementprämie sinkt bis 2015 jährlich. Sie betrug 0,3 ct/kWh im Jahr 2012 und liegt 2013 bei 0,275 ct/kWh).28

27 Öko-Institut/LBD Beratungsgesellschaft/Raue LLP: Fokussierte Kapazitätsmärkte. Ein neues Marktdesign für den Übergang zu einem neuen Energiesystem. Berlin, Oktober 2012; Monopolkommission: Sondergutachten zur Wettbewerbssituation auf den Elektrizitätsmärkten. Bonn, September 2011; Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2011. Bonn, November 2011; Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2012. Bonn, November 2012.28 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Daten und Fakten zu Biomasse. Die Novelle 2012. Berlin, Mai 2012; BMU: Vergütungssätze, Degression und Berechnungsbeispiele nach dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom 04. August 2011 (EEG 2012). Berlin, August 2011; Europäische Strombörse EEX, http://www.eex.com.

Nr. 67 | S. 27 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Erlöse für Strom aus Bioenergieanlagen: Einspeisevergütung und Direktvermarktung

Im Rechenbeispiel erzielt die Biogasanlage in der EEG-Direktvermarktung durch die Management-prämie zunächst einen Mehrerlös von mindestens 0,3 ct/kWh gegenüber der fixen EEG-Einspeisevergütung, von dem allerdings der Stromhändler einen Teil einbehält.

Bei optimierter Betriebsweise der Bioenergieanlage und geschickter Stromvermarktung können sich zusätzliche Erlöse ergeben, indem statt des monatlichen Mittelwertes des Spotmarktpreises ein höherer Durchschnittserlös erzielt wird. Stellt die Bioenergieanlage beispielsweise während der Stunden mit den niedrigsten Spotmarktpreisen die Stromerzeugung ein und „steuert“ stattdessen die Stromerzeugung zu den Stunden mit den höchsten Spotmarktpreisen an, steigt ihr Durchschnittserlös (Rechenbeispiel: 4,4 ct/kWh). Da die Anlage weiterhin in unveränderter Höhe Anspruch hat auf die gleitende Marktprämie, ergibt sich ein Vorteil gegenüber dem Mindesterlös aus der EEG-Direktvermarktung von 0,2 ct/kWh bzw. 0,5 ct/kWh gegenüber der fixen Einspeisevergütung. Dieser mögliche Zusatzerlös soll den Wechsel in die Direktvermarktung und die bedarfsgerechte Erzeugung anreizen.

Im März 2013 vermarkteten Bioenergieanlagen mit insgesamt rund 2.200 MW Leistung ihren Strom direkt im Rahmen des Marktprämienmodells, davon waren jeweils knapp die Hälfte Holz(heiz-)kraftwerke und Biogasanlagen. Während bei Biogasanlagen rund ein Drittel der gesamten installierten Leistung die Direktvermarktung nutzt, sind es bei Holz(heiz-)kraftwerken rund zwei Drittel.

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Nutzung der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell durch Bioenergieanlagen 2013Aufteilung der installierten Leistung der Bioenergieanlagen nach Aggregatzustand

Quelle: Holzhammer/Fraunhofer IWES, Bundesnetzagentur, Stand: 6/2013

Für alle Biogasanlagen mit mehr als 750 kW installierter Leistung, die ab 2014 in Betrieb gehen, ist die Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell verpflichtend. Alle anderen Anlagen können jeden Monat frei zwischen den beiden Vergütungssystemen wechseln.

Vor- und Nachteile der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell für BioenergieVorteile/Chancen Nachteile/Risiken

• Der Anreiz zu Mehrerlösen durch eine optimierte Betriebsweise und Vermarktung stellt einen ersten Schritt dar, Bioenergieanlagen auf eine bedarfsgerechte Stromerzeugung auszurichten.

• Die Mehrerlöse reichen nicht aus, um Investitionen in Gas- oder Wärmespeicher zu refinanzieren oder zusätzliche BHKW-Kapazitäten für einen flexiblen Anlagenbetrieb anzureizen.29

29 Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013; DLR/Fraunhofer IWES/IfnE: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. Stuttgart/Kassel/Teltow, März 2012.

Nr. 67 | S. 29 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

30 Gaul, Thomas: Direktvermarktung entwickelt sich zögerlich. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 40-42.31 Leprich, Uwe: Vertriebe als Integrationsakteur. Optionen für eine marktnahe Integration erneuerbarer Energien. Vortrag, Berliner Energietage, 16. Mai 2013.32 Gawel, Erik/Purkus, Alexandra: Die Marktprämie im EEG 2012: Ein sinnvoller Beitrag zur Markt- und Systemintegration erneuerbarer Energien? Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ Diskussionspapiere. 12/2012. Leipzig, August 2012.33 Gaul, Thomas: Direktvermarktung entwickelt sich zögerlich. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 40-42.

Vorteile/Chancen Nachteile/Risiken

• Anlagenbetreiber und -projektierer orientieren sich verstärkt an Preissignalen des Strommarktes. Sie „lernen“ Marktmechanismen und Handelsabläufe, müssen Fahrpläne für die Stromerzeugung gegenüber ihrem Vermarkter einhalten. Dabei bleibt das betriebswirtschaftliche Risiko für die Anlagenbetreiber überschaubar. Die Anlagenbetreiber können monatlich in das System der fixen Einspeisevergütung zurückwechseln. Geld gebenden Banken genügt üblicherweise nur eine Absicherung der Zahlungsfähigkeit der Stromhändler als Sicherheit bei der Kreditvergabe an Bioenergieprojekte, die in die Direktvermarktung einsteigen wollen.30

• Einnahmen des Direktvermarkters können ausfallen. Es besteht kein Anspruch auf Vergütung. Fällt die Stromlieferung aus, kommen auf den Anlagenbetreiber evtl. Strafzahlungen an den Direktvermarkter zu. Ein Teil der durch optimierten Anlagenbetrieb und Vermarktung erzielten Zusatzerlöse verbleibt beim Stromhändler. Zwar sind auch Direktvermarkter aus der Erneuerbare-Energien-Branche bzw. der Landwirtschaft aktiv, doch könnte eine Konzentration der direkt vermarkteten Kapazitäten bei wenigen Akteuren zu einem erschwerten Marktzugang führen bzw. die möglichen Zusatzerlöse zu Ungunsten der Anlagenbetreiber abschöpfen. Anlagenbetreiber machen sich in gewissem Umfang von ihrem jeweiligen Stromhändler abhängig.31

• Die Mehrkosten aus der Managementprämie für Bioenergieanlagen, die an die Endkunden über die EEG-Umlage weitergegeben werden, sind 2012 mit schätzungsweise rund 30 Mio. Euro relativ gering.

• Der hinsichtlich Netzstabilität und Ausgleich fluktuierender Einspeisung erreichte Vorteil ist bisher gering. Kosten für Netzstabilisierung und Regelenergie werden nur in geringem Umfang eingespart.32

• Die Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell schafft für Betreiber und Projektierer einen Anreiz, das jeweilige Erlösmodell und die Betriebsabläufe hinsichtlich möglicher Effizienzsteigerungen zu überprüfen. Bioenergieanlagen werden auf die Übernahme von mehr Verantwortung im Sinne der Stabilität eines überwiegend erneuerbaren Versorgungssystems vorbereitet. Eine weitreichende Wärmenutzung wird als zusätzliche Erlösquelle weiterhin benötigt, womit ein Anreiz zur effizienten Nutzung der Biomasse in KWK gegeben ist.

• Die Direktvermarktung nach Marktprämienmodell bietet gegenwärtig teilweise Mitnahmeeffekte, da die Managementprämie als Zusatzerlös automatisch anfällt, auch ohne relevante Anstrengungen in Richtung einer bedarfsgerechten Stromerzeugung. Während die fixe Einspeisevergütung vorschreibt, mindestens einen bestimmten Anteil der anfallenden Wärme zu nutzen, entfällt diese Pflicht in der Direktvermarktung. Damit könnte auch der ökologisch sinnvolle Anreiz zu einer möglichst effizienten Nutzung der Biomasse in KWK abgeschwächt werden.33

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 30

Die Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell wird seit 2012 in großem Umfang auch von anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Wind- und PV-Anlagen in Anspruch genommen, die nur wetterabhängig Strom erzeugen können. Deren Möglichkeiten zur bedarfsgerechten Stromerzeugung beschränken sich auf ein negatives Ausgleichspotenzial, d.h. das Abschalten trotz Angebot von Wind und Sonneneinstrahlung. Das Marktprämienmodell hat auf fluktuierende Erneuerbare Energien mit Grenzkosten nahe Null völlig andere Auswirkungen als bei regelbaren Anlagen wie Bioenergie-anlagen.34 Das Marktprämienmodell kann vor diesem Hintergrund nicht pauschal beurteilt werden.

Einen großen Vorteil bietet die Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell dadurch, dass sie Bioenergieanlagen die Teilnahme am Regelenergiemarkt eröffnet. Diese vom EEG unabhängige Möglichkeit zur Mobilisierung des Ausgleichspotenzials der Bioenergieanlagen wird - nach den weiteren Optionen im Rahmen des EEGs - anschließend im Abschnitt Regelenergiemarkt (S. 35) dargestellt.

Direktvermarktung mit Flexibilitätsprämie

Die 2012 in Kraft getretene EEG-Novelle bietet ausschließlich Betreibern von Biogasanlagen zusätzlich zur Direktvermarktung mit Markt- und Managementprämie die Möglichkeit, eine Flexibilitätsprämie in Anspruch zu nehmen (§33 EEG, Abs. i). Damit soll ein weiterer Anreiz zur bedarfsgerechten Stromerzeugung geboten werden. Die Biogasanlagen müssen dazu im Rahmen der oben beschriebenen Direktvermarktung betrieben werden. Im Abschnitt „Technische Voraussetzungen für einen flexiblen Betrieb von Bioenergieanlagen“ (S. 18) wurde eine modulare Erhöhung der Erzeugungskapazität des BHKW als Bedingung für eine bedarfsgerechtere Stromproduktion beschrieben. Eine solche Aufstockung der installierten Leistung war bisher im Rahmen des EEG nicht refinanzierbar. Die Flexibilitätsprämie belohnt die Biogasanlagenbetreiber, die ihre BHKW-Leistung erhöhen, mit einem zeitlich gestreckten Investitionszuschuss. Während das EEG die Produktion von erneuerbarem Strom je Kilowattstunde vergütet, weicht die Flexibilitätsprämie von diesem Prinzip ab: Vergütet wird die Vorhaltung von Erzeugungskapazität für eine flexible Stromerzeugung. Für jedes installierte Kilowatt Leistung, das über die mindestens notwendige Leistung für einen Betrieb mit hoher Volllaststundenzahl (8.760 h/a) hinausgeht (vgl. Abschnitt „Dilemma 4: Hohe Volllaststunden und feste Einspeisevergütung bieten höhere Sicherheit“, S. 24), erhalten Biogasanlagenbetreiber jährlich 130 Euro. Die Flexibilitätsprämie wird nur während eines Zeitraums von zehn Jahren gezahlt. Sie wird anlagenspezifisch jährlich im Nachhinein berechnet, um die jeweilige Auslastung der Anlage im Verhältnis zum Volllastbetrieb zu berücksichtigen. Voraussetzung ist eine Bestätigung der technischen Fähigkeit zur bedarfsgerechten Stromerzeugung durch unabhängige Gutachter sowie die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur.

Im Rechenbeispiel wird bei einer Biogasanlage mit 500 kW Leistung ein zweites BHKW mit 500 kW installiert sowie ein Gasspeicher nachgerüstet. Damit werden Zusatzinvestitionen von rund 550.000 Euro nötig. Die Biogasanlage könnte dann die Biogasproduktion während rund 10 Stunden speichern. Im Vergleich zur Direktvermarktung nach Marktprämienmodell wäre eine noch besser an Strombedarf und Börsenerlösen orientierte Fahrweise möglich. So kann sich der Betreiber darauf beschränken, nur während der durchschnittlich „teuersten“ Stunden von 8 Uhr bis 20 Uhr mit der vollen Leistung von 1.000 kW Strom zu erzeugen.

34 Fraunhofer ISI/Fraunhofer IWES/BBH/IKEM: Anpassungsbedarf bei den Parametern des gleitenden Marktprämienmodells im Hinblick auf aktuelle energiewirtschaftliche Entwicklungen. Karlsruhe/Kassel/Berlin, Juli 2012.

Nr. 67 | S. 31 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

35 Holzhammer, Uwe: Neue Möglichkeiten für die Integration der Stromerzeugung mittels Biogas in regionalen Bioenergiekonzepten mittels der Einführung der Flexibilitätsprämie durch das EEG 2012. Tagungsbeitrag, 6. Rostocker Bioenergieforum, 14./15. Juni 2012.36 Vgl. ebd.37 Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013.

Erlöse für Strom aus Bioenergieanlagen: Einspeisevergütung, Direktvermarktung und Flexibilitätsprämie

Wird die Flexibilitätsprämie für die Investition in das zweite BHKW mit 500 kW auf die erzeugte Kilowattstunde umgelegt, ergibt sich ein zusätzlicher Erlös von 1,6 ct/kWh. Angenommen wurde außerdem ein gesteigerter Erlös aus der optimierten Vermarktung während der Zeitphase 8 Uhr bis 20 Uhr. Diese verspricht durchschnittlich einen höheren Marktwert des Stroms, so dass in der Direktvermarktung im Vergleich zum monatlichen Mittelwert des Spotmarktpreises 0,9 ct/kWh mehr erlöst werden können.35

Insgesamt ergibt sich einschließlich der Managementprämie ein Mehrerlös gegenüber der fixen EEG-Vergütung von 2,8 ct/kWh. Diese Zusatzeinnahmen würden möglicherweise zusammen ausreichen, um die Zusatzkosten auszugleichen (Installation eines zusätzlichen BHKWs und Gasspeichers sowie zusätzlicher Wartungsaufwand: ca. 2,5 ct/kWh, außerdem: Zusatzkosten für Fernsteuerung der Anlage und Kosten für Händlertätigkeit).36 Je nach Fahrweise und Anlagenkonzept können jedoch auch höhere Zusatzkosten für die Flexibilisierung entstehen, die durch die Direktvermarktungserlöse dann nicht zu refinanzieren wären.37

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 32

Mit 200 Anlagen (80 MW) hat bis Juni 2013 nur ein kleiner Teil der Biogas-BHKW, die ihren Strom mit dem Marktprämienmodell direkt vermarkten, zusätzlich die Flexibilitätsprämie in Anspruch genommen.38 Neben den bereits bei der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell be- schriebenen Vor- und Nachteilen bzw. Chancen und Risiken sind im Zusammenhang mit der Flexibilitätsprämie die folgenden Argumente zu berücksichtigen:

Vor- und Nachteile der Direktvermarktung mit Flexibilitätsprämie für BiogasanlagenVorteile/Chancen Nachteile/Risiken

• Erstmals wird das Bereitstellen von zusätzlicher Erzeugungskapazität für eine bedarfsgerechtere Stromerzeugung vergütet. Investitionen in BHKW, Gas- und Wärmespeicher werden stärker angereizt. Betreiber von Biogasanlagen sind angehalten, ihren Anlagenbetrieb auf eine systemstabilisierende, bedarfsgerechte Stromerzeugung hin zu überprüfen.

• Die Mehrerlöse reichen bei vielen bestehenden Biogasanlagen nicht aus, um Investitionen in Gas- oder Wärmespeicher sicher zu refinanzieren oder zusätzliche BHKW-Kapazitäten für einen flexiblen Anlagenbetrieb anzureizen. Nur bei Neubau von relativ großen Biogasanlagen und wenn sowieso ein Austausch des BHKW fällig wird, lohnt sich eventuell eine Neuinvestition.39

• Anlagenbetreiber sind stärker als bei der ausschließlichen Inanspruchnahme der Marktprämie dazu gezwungen, eine präzise Fahrweise des BHKW sicherzustellen. Damit kann noch besser auf das tatsächliche Marktgeschehen reagiert werden. Das betriebswirtschaftliche Risiko für die Anlagenbetreiber bleibt überschaubar.

• Der Einstieg in die Flexibilitätsprämie erfordert eine grundlegende Neuausrichtung des Betriebskonzepts. Zahlreiche Parameter (BHKW, Gas- und Wärmespeicher) müssen in einer komplexen Wirtschaftlichkeitsberechnung abgewogen werden. Rechtliche Grauzonen und Risiken verbleiben, wenn eine Anlage von der Flexibilitätsprämie zurück in die fixe Vergütung wechselt.40 Sinnvoll ist nur eine langfristige Festlegung auf die Direktvermarktung.

• Bei hohen Kosten für die eingesetzte Biomasse lohnt es sich dank Flexibilitätsprämie, weniger Strom zu erzeugen, da weniger teure Biomasse zugekauft werden muss, gleichzeitig aber durch die bedarfsgerechtere Erzeugung noch ausreichend hohe Erlöse erzielt werden. In Regionen mit starker Konkurrenz um Anbauflächen und Biogassubstrate wie Mais könnten dann mögliche Konflikte durch die sinkende Nachfrage der Biogasanlagenbetreiber reduziert werden.41

• Ein gesteigerter Erlös aus der optimierten Vermarktung zu „Hochpreiszeiten“ an der Strombörse ist notwendig, um zusammen mit der Flexibilitätsprämie die Zusatzinvestitionen refinanzieren zu können. Mit steigender Einspeisung von Solarstrom nimmt die Preisdifferenz zwischen den „Hoch-“ und „Niedrigpreiszeiten“ jedoch weiter ab.42 Die optimierte Vermarktung generiert dann möglicherweise zu geringe Erlöse. Ob die Preisdifferenzen in Zukunft zunehmen, ist umstritten.43

38 Speckmann, Markus/Holzhammer, Uwe: Regelenergiebereitstellung durch Erneuerbare Energien. Fachgespräch Bioenergie in der Direktvermarktung und erneuerbare Regelenergie, Berlin, 06. Juni 2013.39 Casaretto, Rainer u.a.: Biogas macht PV im Sommer Platz! In: Biogas-Journal 1/2013, S. 64-69; Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013; Drescher, Bodo, u.a.: Stromvermarktung außerhalb des EEG 2012. Chancen und Risiken für Biogasanlagen. DLG-Merkblatt 368, November 2011.40 Bensmann, Martin: Direktvermarktung – Erfahrungen aus der Praxis. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 45-51; Maslaton, Martin: Aktuelles zur Direktvermarktung - Die Flexibilitätsprämie im Sinne des EEG, http://www.maslaton.de/news/Aktuelles-zur-Direktvermarktung--Die-Flexibilitaetspraemie-im-Sinne-des-EEG--n112, 28. November 2012.41 Holzhammer, Uwe: Neue Möglichkeiten für die Integration der Stromerzeugung mittels Biogas in regionalen Bioenergiekonzepten mittels der Einführung der Flexibilitätsprämie durch das EEG 2012. Tagungsbeitrag, 6. Rostocker Bioenergieforum, 14./15. Juni 2012.42 Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES): Kurzfristige Effekte der PV-Einspeisung auf den Großhandelspreis. Saarbrücken, Januar 2012.43 Umweltbundesamt (UBA)/Nicolosi, Marco: Notwendigkeit und Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Kapazitätsmechanismus für Deutschland. Dessau-Roßlau, Juli 2012.

Nr. 67 | S. 33 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

44 Gawel, Erik/Purkus, Alexandra: Die Marktprämie im EEG 2012: Ein sinnvoller Beitrag zur Markt- und Systemintegration erneuerbarer Energien? Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ Diskussionspapiere. 12/2012. Leipzig, August 2012.45 Graßmann, Nils u.a.: Biogasstrom außerhalb des EEG vermarkten. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 52-54.

Biogasanlagen, die auf die Flexibilitätsprämie zurückgreifen, um auf einen bedarfsgerechteren Anlagenbetrieb umzustellen, können unabhängig davon auch am Regelenergiemarkt teilnehmen. Diese Option außerhalb des Rechtsrahmens des EEGs wird im nachfolgenden Abschnitt „Regelenergie-markt“ (S. 35) untersucht.

Direktvermarktung nach dem Grünstromprivileg

Endverbraucher können seit der Liberalisierung der Strommärkte in Deutschland ihren Stromanbieter frei wählen. Einige Stromanbieter verkaufen Ökostrom- oder „Grünstrom“-Tarife, deren Stromlieferung bilanziell nur oder überwiegend Strom aus Erneuerbaren Energien umfasst. Stromanbieter, die erneuerbare Strommengen einkaufen und an Endkunden abgeben, können sich von einem Teil der EEG-Umlage befreien lassen. Sie genießen dann das so genannte Grünstromprivileg (EEG § 39). Diesen Kostenvorteil kann der Stromanbieter anteilig sowohl an die Anlagenbetreiber weitergeben, von denen er den erneuerbaren Strom bezieht – als auch an die Endkunden, die er möglicherweise mit einem kostengünstigeren Tarif von anderen Anbietern abwerben kann. Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen können ihren Strom im Rahmen des Grünstromprivilegs nur dann vermarkten, wenn sie auf die fixe Einspeisevergütung verzichten. Ebenso ist keine Kombination mit der Markt- oder Flexibilitätsprämie möglich. Der Erlös aus dem Stromverkauf ergibt sich für den Anlagenbetreiber aus der direkten Liefer- und Vertragsbeziehung mit dem privilegierten Grünstromanbieter.

Im Prinzip besteht hier ein Anreiz, bedarfsgerecht zu erzeugen, da der Grünstromanbieter den schwankenden Verbrauch seines Kundenstammes möglichst günstig mit eigenen (Bioenergie-)Anlagen abdecken will. Ob diese in der Praxis tatsächlich diese Funktion übernehmen, ist jedoch fraglich, da eine Direktvermarktung über das Grünstromprivileg kaum attraktiv ist: Die Erlöse, die ein privilegierter Grünstromanbieter einem Bioenergieanlagenbetreiber anbieten könnte, sind zu gering im Vergleich zu den fixen EEG-Vergütungen oder der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell. Lediglich alte Anlagen, die nach 20 Jahren ihren Anspruch auf eine EEG-Vergütung verlieren bzw. Anlagen mit einer sehr niedrigen Einspeisevergütung wie Klärgas- und Deponiegas-BHKW wählen – neben z.B. Windenergieanlagen – diese Alternative der Stromvermarktung.44

Sonstige Direktvermarktung

Das EEG bietet Anlagenbetreibern die Möglichkeit, ihren Strom statt über fixe Einspeisevergütungen, das Marktprämienmodell oder das Grünstromprivileg auch direkt an einen Stromhändler zu verkaufen, der im Gegenzug von der Zahlung von Netzentgelten befreit wird (EEG § 33b Nr. 3). Der erneuerbare Strom wird durch einen Herkunftsnachweis des Umweltbundesamtes als „Grünstrom“ ausgewiesen und kann als solcher weitervermarktet werden. Die Kostenvorteile aus den eingesparten Netzentgelten und der Grünstromvermarktung sind jedoch zu niedrig, um Anlagenbetreiber zu einem Wechsel in dieses Vermarktungsmodell zu bewegen.45 Spezielle Anreize für eine Flexibilisierung des Anlagenbetriebs fehlen bzw. sind mit den Effekten des Grünstromprivilegs zu vergleichen.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 34

Vorbildliche Praxisbeispiele für bedarfsgerechte Biogasnutzung in der Eifel

In der dünn besiedelten Eifel geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders schnell und stark voran. Während das Nieder- und Mittelspannungsnetz in der Region Bitburg-Prüm nur für eine Stromerzeugung von 500 MW Leistung ausgelegt ist, waren Ende 2011 jedoch bereits Erneuerbare-Energien-Anlagen mit 1.419 MW installiert. Die Stromerzeugung liegt in der Spitze bis zu viermal höher als die maximale Stromnachfrage in der Region. Um das Netz zu entlasten, hat der Netzbetreiber RWE daher im Rahmen des Projekts „Smart Country Rheinland-Pfalz“ gemeinsam mit dem Energiehof Hoffmann in Üttfeld-Spielmannsholz die bedarfsgerechte Einspeisung von Biogas-Strom vorangetrieben. Die Tagesproduktion von Biogas fließt vom Fermenter zunächst in Niederdruck-Gasspeicher oberhalb des Gärrestelagers. Das Speichervolumen von 2.000 m3 reicht für die Biogasproduktion von ca. 8 bis 10 Stunden. Das Biogas-BHKW reagiert auf ein Signal der Photovoltaik-Anlage des Energiehofs: Sobald die Solarstromproduktion endet, springt zum Ausgleich die Biogas-Stromerzeugung an. Alternativ könnte auch ein Preissignal der Strombörse oder ein Signal des Netzbetreibers als Auslöser dienen. So lassen sich nicht nur Mehreinnahmen für die Stromerzeugung generieren, sondern auch Netzausbaukosten reduzieren.

http://www.rwe.com/web/cms/de/683570/smart-country

Die Biogasanlage Niederweiler im Deutsch-Luxemburgischen Naturpark zeigt idealtypisch, wie Biogas bedarfsgerecht gespeichert und zu Strom und Wärme umgewandelt werden kann. Ein Mikrogasnetz leitet das Biogas zu einem Satelliten-BHKW in einem Hotelkomplex. Es wird dort wärmegeführt betrieben, d.h. der Strom ist nur das „Nebenprodukt“ der klimafreundlichen Wärmeversorgung des Hotels. Zwei weitere BHKW am Standort der Biogasanlage dienen der Stromerzeugung. Die dabei entstehende Abwärme fließt in das Nahwärmenetz der nahe gelegenen Ortschaft. Benötigt das Hotel vor allem im Sommer weniger Biogas zum Heizen, werden die BHKW an der Biogasanlage hochgefahren, um mit den zusätzlichen BHKW-Kapazitäten bedarfsgerecht Strom zu erzeugen. Hierzu nutzen die Betreiber die Direktvermarktung nach Marktprämienmodell. Eine zusätzliche Hackschnitzelheizung ist an das Nahwärmenetz der Ortschaft angeschlossen und gleicht im Winter den Spitzenbedarf an Wärme aus. Hotel und Anwohner können sich auf eine stabile Wärmeversorgung zu ebenso stabilen Kosten verlassen.46

http://hotel-eifel-bitburg.dorint.com/de/alles-bio

46 Frey, Martin: Bioenergie verwöhnt Hotelgäste. In: Biogas-Journal 1/2013, S. 112-115.

Nr. 67 | S. 35 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Optionen für eine Flexibilisierung außerhalb des EEG?

Für eine abschließende Bewertung der im EEG 2012 eingeführten Möglichkeiten der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell bzw. mit Flexibilitätsbonus ist es noch zu früh. Zwar erhalten Bioenergieanlagen in der Direktvermarktung nun Preissignale der Strombörse, doch ergibt sich dadurch noch kein ausreichender betriebswirtschaftlicher Vorteil, der eine Mobilisierung der Ausgleichspotenziale des Anlagenparks zu einem Selbstläufer machen würde. Noch verbleiben zumindest die meisten bereits in Betrieb befindlichen Bioenergieanlagen „im sicheren Hafen“ der fixen EEG-Vergütung. Allerdings konnte mit dem Flexibilitätsbonus erstmals ein direkter Anreiz zur Umorientierung der bisher inflexibel betriebenen Biogasanlagen gegeben werden. Damit lassen sich die beschriebenen Dilemmata teilweise überwinden. Das folgende Kapitel untersucht mehrere Modelle der Stromvermarktung, die nicht im Rahmen des EEG geregelt werden. Dabei soll geklärt werden, ob diese Modelle neben dem EEG als zusätzlicher oder alternativer Rahmen für die Flexibilisierung des Anlagenbetriebs dienen und ob sie das Ausgleichspotenzial für ein erneuerbares Versorgungssystem der Zukunft mobilisieren können.

Regelenergiemarkt

Während die unterschiedlichen Ansätze zur Flexibilisierung im Rahmen des EEG auf das Preissignal der Strombörse abzielten, um höhere Erlöse zu generieren, handelt es sich bei der Bereitstellung von Regelenergie um eine technische Systemdienstleistung. Regelenergie wird auch als Reserveleistung bezeichnet und ist für das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage unverzichtbar. Nur wenn zu jedem Zeitpunkt exakt so viel Strom ins Netz eingespeist wie verbraucht wird, kann die Netzstabilität gehalten werden. Differenzen zwischen dem prognostizierten Stromverbrauch und der prognostizierten bzw. bestellten Stromerzeugung aller erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Anlagen und Kraftwerke müssen daher umgehend durch Regelenergie ausgeglichen werden. Hier kommt das positive und negative Ausgleichspotenzial der Bioenergieanlagen ins Spiel (siehe Abschnitt „Bioenergieanlagen bieten ein bedeutendes Ausgleichspotenzial“, S. 13).

Die Flexibilität von Bioenergieanlagen kann zunächst zur Deckung der beschriebenen Residuallast zum Einsatz kommen. Bioenergieanlagen sind dann Teil des täglichen Fahrplans der Stromvertriebe zur Deckung des prognostizierten Strombedarfs. Ergänzend besteht der Regelenergiemarkt, an dem Bioenergieanlagen nach Anforderung durch die Netzbetreiber kurzfristig als positives Ausgleichspotenzial „einspringen“, um Ungenauigkeiten und Fehler der Prognose auszugleichen, beispielsweise bei einem technischen Ausfall eines Kraftwerks oder bei einer nicht im Fahrplan einberechneten Windflaute, die regional zu einem plötzlichen Verlust der einkalkulierten Erzeugungskapazität von Windenergieanlagen führt. Entscheidend ist dabei nicht allein die Strommenge, die eine Bioenergieanlage kurzfristig einspeisen oder reduzieren kann, sondern vor allem, dass eine bestimmte Erzeugungskapazität (Leistung in MW) als Sicherheitsreserve bereitgehalten wird. Drei Arten von Regelenergie (Primärreserve, Sekundärreserve, Minutenreserve) werden danach unterschieden, wie schnell sie wie viel Strom als positives Ausgleichspotenzial (bzw. als positive Regelenergie) zur Verfügung stellen können.

Der Regelenergiemarkt fragt die drei Arten von Regelenergie auch als negative Regelenergie nach. Diese ist nötig, wenn überschüssiger Strom vorhanden ist. Das kommt vor, wenn die Stromnachfrage unerwartet gering ausfällt oder die Sonneneinstrahlung oder das Windaufkommen höher ausfällt als prognostiziert. Negative Regelenergie kann aus Anlagen mit großer elektrischer Leistung bestehen, die als zusätzliche Verbraucher zugeschaltet werden, um den Überschussstrom aufzufangen (z.B. Pumpspeicherkraftwerke oder andere Stromspeicher). Bioenergieanlagen können durch Reduktion ihrer Stromerzeugung negative Regelenergie anbieten.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 36

Charakteristika der Primär-, Sekundär- und MinutenreservePrimärreserve Sekundärreserve Minutenreserve

Abruf der Regelenergie

durch…

europäisches

Verbundnetz

nationaler

Übertragungsnetz-

betreiber

nationaler

Übertragungsnetz-

betreiber

Aktivierung innerhalb…/

Bereitstellung während…

30 Sekunden/

15 Minuten

5 Minuten/

15 Minuten

15 Minuten/

60 Minuten

eingesetzter Kraftwerkstyp flexible Gas-, GuD-,

Pumpspeicher und

Blockheizkraftwerke

flexible Gas-, GuD-,

Pumpspeicher und

Blockheizkraftwerke

Steinkohle-, Gas-,

Blockheiz- und

Pumpspeicher-

kraftwerke

Abruf erfolgt… automatisch automatisch telefonisch

Vergütung für… Leistung (MW) Leistung (MW) und

erzeugten Strom (kWh)

Leistung (MW) und

erzeugten Strom (kWh)

Mindestangebotsgröße47 1 MW 5 MW 5 MW

Ausschreibungen

erfolgen…

wöchentlich;

für eine Woche

wöchentlich;

für eine Woche

täglich;

für den Folgetag

ausgeschriebene Leistung

2011 für positive (+) und

negative (-) Regelenergie48

612 MW 2.073 MW – 2.231 MW (+)

2.044 MW – 2.228 MW (-)

1.812 MW – 2.118 MW (+)

2.469 MW – 2.642 MW (-)

Quelle: Bundesnetzagentur, eigene Darstellung

Die vier bundesweiten Übertragungsnetzbetreiber schreiben für unterschiedliche Zeiträume die drei Regelenergiearten aus. Anbieter können Gebote abgeben und je nach Bedarf und Preis in einer Auktion den Zuschlag erhalten. Vergütet wird dann – wie bei der Flexibilitätsprämie im EEG – die Bereitstellung einer bestimmten Erzeugungskapazität. Wird diese tatsächlich zur kurzfristigen Stromerzeugung herangezogen, wird auch die erzeugte Strommenge durch eine auf die Kilowattstunde bezogene Vergütung entgolten. Die Übertragungsnetzbetreiber begleichen die Regelenergiekosten, indem sie diese bei den Endkunden über die Netzentgelte wieder eintreiben.

Wenn schrittweise konventionelle Großkraftwerke durch erneuerbare Erzeugungskapazitäten ersetzt werden, müssen diese folglich auch deren Systemdienstleistungen übernehmen. Dass Bioenergieanlagen am Regelenergiemarkt eine stärkere Rolle übernehmen, ist vor diesem Hintergrund notwendig und erwünscht.49 Voraussetzung für die Teilnahme am Regelenergiemarkt ist eine technische Qualifizierung und Überprüfung der Anlagen. Mit den 2011 geänderten Rahmenbedingungen hat die Bundesnetzagentur den Regelenergiemarkt für neue, kleinere Anbieter, weitere flexible Lastpotenziale und neue Technologien geöffnet – nicht zuletzt, um den Wettbewerb zu fördern. Sekundär- oder Minutenreserve darf bisher trotzdem nur in einem Block von mindestens 5 MW Leistung angeboten werden. Da einzelne Bioenergieanlagen meist nur über maximal 1 MW Leistung verfügen, bündeln Direktvermarkter mehrere kleine Biogas-BHKW oder andere Anlagen in einem virtuellen Kraftwerk („Pooling“). Durch größere Zusammenschlüsse können Kosten und Risiken (z.B. Abweichungen vom Fahrplan, Ausfälle von Anlagen) minimiert werden.50

47 Bundesnetzagentur: Beschluss Az.: BK6-10-099, Bonn, 18. Oktober 2011; https://www.regelleistung.net.48 Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2012. Bonn, November 2012.49 Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag: Regenerative Energieträger zur Sicherung der Grundlast in der Stromversorgung. April 2012.50 Sämisch, Hendrik: Bündelung von Biogasanlagen zur Regelenergiebereitstellung. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.

Nr. 67 | S. 37 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

51 Bensmann, Martin: Direktvermarktung – Erfahrungen aus der Praxis. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 45-51; Kahnt-Ralle, Edith/Gaul, Thomas: Flexibel sein. In: Joule 2/2013, S. 60-66.52 Fachverband Biogas/Bundesverband Bioenergie: Gemeinsame Stellungnahme zum Thesenpapier des Bundesumweltministeriums zum 2. EEG-Dialog: „Potenzial und Rolle von Biogas“. Berlin, Februar 2013.53 Speckmann, Markus/Holzhammer, Uwe: Regelenergiebereitstellung durch Erneuerbare Energien. Fachgespräch Bioenergie in der Direktvermarktung und erneuerbare Regelenergie, Berlin, 06. Juni 2013.

Biogas-BHKW in der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell stellen ihre Kapazitäten auf diesem Wege bereits als Minutenreserve und vereinzelt als Sekundärreserve zur Verfügung. Mit der Teilnahme an diesen Regelenergiemärkten gelingt es Bioenergieanlagen, Zusatzerlöse zu erzielen.51 Aus technischen Gründen ist nur die Bereitstellung von Primärreserveleistung durch Bioenergieanlagen bisher nicht praktikabel. BHKW können die notwendige Reaktionszeit zur Aktivierung von 30 Sekunden üblicherweise nicht einhalten, doch wäre eine Öffnung des Primärregelenergiemarktes für Bioenergieanlagen grundsätzlich möglich. Alle Bioenergieanlagen könnten im Jahr 2013 schätzungsweise rund 1.000 MW negative und rund 500 MW positive Regelenergieleistung zur Verfügung stellen.52 Das Fraunhofer IWES schätzt, dass 2013 Bioenergie-anlagen mit ca. 250 bis 500 MW vor allem am negativen Minutenreservemarkt und weniger am Sekundärreservemarkt (ca. 50 bis 100 MW) teilnehmen.53

Die Zusatzinvestitionen für die Teilnahme am Regelenergiemarkt sind durch die Erlöse aus der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell und aus der Flexibilitätsprämie mit abzudecken. Allerdings müssen Betreiber von Bioenergieanlagen bei Teilnahme am Regelenergiemarkt absolut zuverlässig auf die Anforderungen der Vermarkter bzw. der Übertragungsnetzbetreiber reagieren können. Wird eine angebotene Regelenergieleistung bzw. Strommenge entgegen des Gebots nicht vollumfänglich geliefert, entstehen umso höhere Zusatzkosten.

Erlöse für Strom aus Bioenergieanlagen: Einspeisevergütung, Direktvermarktung, Flexibilitätsprämie und Regelenergie

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 38

Die zusätzlichen Erlöse aus der Teilnahme am Regelenergiemarkt können nur in groben Bandbreiten je Kilowattstunde dargestellt werden. Die Einnahmen schwanken in ihrer Höhe und je nach Zeitraum stark. Biogasanlagen können für die Bereitstellung von Erzeugungskapazität während nur weniger Stunden je bereitgestelltem Megawatt Leistung Einnahmen von 27.000 Euro (Minutenreserve) und 105.000 Euro (Sekundärreserve) erzielen.54 Wird die Leistung tatsächlich abgerufen, kommen gegebenenfalls noch überdurchschnittlich hohe Arbeitspreise je Kilowattstunde hinzu. Umgelegt auf die Erzeugung einer Kilowattstunde können am Regelenergiemarkt zusätzliche Erlöse von ca. 0,1 ct/kWh bis 0,5 ct/kWh erzielt werden.55 Insgesamt kann sich einschließlich der Managementprämie, der Mehrerlöse aus optimierter Vermarktung sowie der Flexibilitätsprämie ein durchschnittlicher Mehrerlös gegenüber der fixen EEG-Vergütung von mehr als 3 ct/kWh ergeben.

Vor- und Nachteile der Teilnahme am Regelenergiemarkt für BioenergieanlagenVorteile/Chancen Nachteile/Risiken

• Bioenergieanlagen können aktiv Systemdienstleistungen konventioneller Kraftwerke übernehmen bzw. teilweise ersetzen. Bioenergieanlagen übernehmen Verantwortung für die Netzstabilität.

• Bisher beschränkt sich die Teilnahme am Regelenergiemarkt überwiegend auf die Bereitstellung negativer Minutenreserve, d.h. Biogas-BHKW fahren ihre Leistung für kurze Zeit herunter, um statt der geringeren Börsenstrompreise dann Einnahmen aus Regelenergie erzielen zu können. Die rechtliche und betriebswirtschaftliche Komplexität steigt.

• Durch die Bereitstellung von Sekundär- und Minutenreserve können Anlagenbetreiber attraktive Zusatzerlöse erzielen. Die notwendigen Zusatzinvestitionen in ein zusätzliches BHKW, Gas- und Wärmespeicher sowie die Gewährleistung der Fernsteuerung können zusammen mit Erlösen aus optimierter Vermarktung im Marktprämienmodell sowie Erlösen aus der Flexibilitätsprämie gegenfinanziert werden.

• Schwankende Erlöse am Regelenergiemarkt alleine können die gewünschte Flexibilisierung des Anlagenbetriebs noch nicht anreizen, sondern generieren nur zusammen mit optimierter Direktvermarktung im Marktprämienmodell mit Managementprämie sowie Flexibilitätsprämie die notwendigen Erlöse zur Refinanzierung der Zusatzinvestitionen. Bieten Bioenergieanlagen (negative) Regelenergie, so steht diese Betriebsweise möglicherweise einer Fahrweise entgegen, die regelmäßig gezielt während den Stunden mit den höchsten Börsenstrompreisen Strom produzieren bzw. im Winter ausreichende Wärmemengen liefern muss.56

Während der Regelenergiemarkt von den Übertragungsnetzbetreibern überregional für die Übertragungsnetze organisiert wird, fehlen bisher entsprechende Signale auf der immer wichtiger werdenden Verteilnetzebene. Dort sind Bioenergieanlagen und andere Erneuerbare-Energien-Anlagen überwiegend angeschlossen.

54 Sämisch, Hendrik: Bündelung von Biogasanlagen zur Regelenergiebereitstellung. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.55 Drescher, Bodo, u.a.: Stromvermarktung außerhalb des EEG 2012. Chancen und Risiken für Biogasanlagen. DLG-Merkblatt 368, November 2011; Fenner, Sebastian: Perspektiven im EEG 2012: Gemeinsam, direkt und nachhaltig vermarkten! Vortrag, Genossenschaft Deutscher Grün-Energie Erzeuger eG, Würzburg, 07. März 2012; Müller, Torsten: Wirtschaftliche Aspekte der Marktprämie aus Erzeuger- / Beratersicht. Vortrag, Treurat und Partner, Lüneburg, 25. September 2012.56 Sämisch, Hendrik: Bündelung von Biogasanlagen zur Regelenergiebereitstellung. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013; Ritter, Peter: Wirtschaftlichkeit und wirtschaftlich optimierte Auslegung von flexibilisierten Biogasanlagen. Vortrag, ebd.

Nr. 67 | S. 39 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

57 Matthes, Felix: Strommarktdesign der Zukunft. Die Topologie der aktuellen Debatten. Vortrag, Berliner Energietage, 16. Mai 2013; Agora Energiewende (Hg.): Kapazitätsmarkt oder strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Berlin, März 2013; Umweltbundesamt (UBA)/Nicolosi, Marco: Notwendigkeit und Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Kapazitätsmechanismus für Deutschland. Dessau-Roßlau, Juli 2012.

Kapazitätsmärkte

Im Gegensatz zum Regelenergiemarkt sind Kapazitätsmärkte in Reinform bisher nur theoretische Modelle für eine zukünftige Umgestaltung des Strommarktes in Deutschland. Die in der wissenschaftlichen Diskussion kursierenden Vorschläge für die Einführung von Kapazitätsmärkten wollen eine Antwort geben auf das Missing Money-Problem (vgl. Abschnitt „Dilemma 1: Merit Order und Missing Money-Problem“, S. 21): Wie kann aus Sicht der langfristigen Versorgungssicherheit gewährleistet werden, dass es für bestehende bzw. neu zu errichtende Anlagen einen Anreiz zu Betrieb bzw. Neubau gibt, wenn die Erlöse aus dem Stromverkauf auf einem zu niedrigen Niveau verbleiben?

Angesichts eines Überangebotes von erneuerbaren und konventionellen Erzeugungskapazitäten sehen manche Akteure ein Marktversagen des Energy-Only-Marktes hinsichtlich der jederzeitigen Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Da der Anreiz für Weiterbetrieb, Modernisierung und Neubau von Kraftwerken fehle, komme der notwendige Umbau des Kraftwerksparks ins Stocken. Es könnte, so die Befürchtung einiger Befürworter von Kapazitätsmärkten, sogar zeitweilig die Netzstabilität gefährdet und die Stromversorgung eingeschränkt werden. Über das Ausmaß, den Zeithorizont und die Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Gefahren herrscht jedoch Uneinigkeit.57 Um mögliche Anreize für die Mobilisierung des Ausgleichspotenzials der Bioenergieanlagen abschätzen zu können, sollen zunächst die unterschiedlichen Modelle und Motive für Kapazitäts-märkte unterschieden werden.

Gemeinsam haben alle Vorschläge für Kapazitätsmärkte die folgenden Prinzipien:

1. Ein unabhängiger Koordinator wie z.B. eine Regulierungsbehörde schreibt eine bestimmte Kapazität zur Sicherung der Stromnachfrage während eines bestimmten Zeitraums aus. Es kann sowohl ein positives als auch ein negatives Ausgleichspotenzial nachgefragt werden. Alternativ kann auf eine zentrale Ausschreibung verzichtet werden und die Bestimmung der benötigten Kapazitäten den Vertrieben der Stromhändler überlassen werden.

2. Für diese Kapazitäten wird eine Auktion organisiert. Alternativ beschaffen die Vertriebe der Stromhändler selbst Kapazitäten ohne Auktion.

3. Die Anlagen, die den Zuschlag erhalten, sind verpflichtet, mit ihrer Kapazität betriebsbereit zur Verfügung zu stehen. Dafür erhalten die Betreiber ein zeitlich befristetes Kapazitätsentgelt.

4. Die Kapazitätsentgelte werden auf die Stromverbraucher umgelegt bzw. über die Vertriebe der Stromhändler an die Endkunden weitergegeben. Die Anlagenbetreiber können (in den meisten Kapazitätsmarkt-Modellen) am Energy-Only-Markt durch den Verkauf von Strom zusätzliche Erlöse erzielen.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 40

Strom, Leistung und Geldflüsse in KapazitätsmärktenGesicherte Leistung als zusätzliche Einnahmequelle für regelbare Erneuerbare Energien und konventionelle Kraftwerke

Sowohl die Flexibilitätsprämie für Biogasanlagen im Rahmen der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell als auch der Regelenergiemarkt kennen bereits Vergütungen für die reine Bereitstellung von Leistung. Diese beiden Vermarktungswege bieten damit bereits Grundzüge von Kapazitätsmärkten. Auch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK-G) für Anlagen, die fossile Energieträger zur kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung einsetzen, besitzt Merkmale von Kapazitätsmärkten.

- Umfassender zentralisierter Kapazitätsmarkt

Der Koordinator definiert die angenommene Nachfrage nach Kapazitäten (Spitzenlast), beispielsweise mit fünf bis sieben Jahren Vorlauf. Damit soll ein Anreiz zu Planung und Bau neuer Anlagen gegeben werden. Neben neu zu errichtenden können auch bestehende Anlagen teilnehmen. Der Koordinator startet die Auktion mit einem sehr hohen Kapazitätsentgelt, zu dem mehr Kapazitäten angeboten werden, als tatsächlich zur Deckung der angenommenen Nachfrage benötigt werden. Mit schrittweiser Senkung des Preises reduziert sich auch die angebotene Kapazität. Ist die benötigte Kapazität

Nr. 67 | S. 41 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

erreicht, wird das zu diesem Zeitpunkt geltende Kapazitätsentgelt der Einheitspreis. Die Teilnehmer der Auktion, die Kapazitäten höchstens bis zu diesem Preis angeboten haben, erhalten den Zuschlag.

Um zu verhindern, dass Kapazitäten zurückgehalten werden, um den Börsenstrompreis in die Höhe zu treiben, legt der Koordinator der Auktion zusätzlich einen Ausübungspreis fest, der über den Grenzkosten des teuersten Kraftwerks liegt. Steigen die Börsenstrompreise über diesen Ausübungspreis, müssen die Teilnehmer des Kapazitätsmarkts eine Verfügbarkeitsoption an den Koordinator zahlen. Die Höhe dieser abschreckenden Zahlungsandrohung ergibt sich aus der Differenz zwischen Börsenstrompreis und Ausübungspreis sowie dem Anteil des Marktteilnehmers an den gesamten Kapazitäten.58 Gezielte Anreize zur Flexibilisierung sind nicht vorgesehen.

- Selektive bzw. segmentierte oder fokussierte Kapazitätsmärkte

In Abgrenzung zum umfassenden Kapazitätsmarkt schlagen andere Modelle eine Differenzierung der Ausschreibung vor. So sollen entweder nur neu zu errichtende Anlagen für die Teilnahme in Frage kommen oder eine getrennte Auktion von bestehenden Altanlagen stattfinden. Ein Einheitspreis ist nicht vorgesehen, um bestehende Altanlagen nicht zu übervorteilen. Aus Sicht der Vertreter selektiver Kapazitätsmärkte kommen die Anbieter von Kapazitäten von Altanlagen beim umfassenden Kapazitätsmarkt unnötigerweise in den Genuss von Mitnahmeeffekten, da ihre Kraftwerke größtenteils bereits abgeschrieben sein dürften und relativ niedrige Stromerzeugungskosten aufweisen.

In den Ausschreibungen können auch qualitative Kriterien wie die regionale Standortwahl, die Klimabilanz (z.B. Teilnahme ausschließlich für Anlagen mit weniger als 600 Gramm CO2-Emissionen je Kilowattstunde) oder das Ausmaß der Flexibilität der Kapazitäten berücksichtigt werden. Auch regelbare Lasten von Großverbrauchern (Lastmanagement) sollen gezielt einbezogen werden. Bestehende Kraftwerke sollen im Gegensatz zu neu zu errichtenden Anlagen gar nicht oder nur für wenige Jahre Kapazitätsentgelte in Anspruch nehmen können, wenn sie zur Deckung der Residuallast regional benötigt werden. Um künstliche Verknappungen der Kapazitäten durch Kraftwerksbetreiber zwecks Steigerung des Börsenstrompreises zu verhindern, werden ähnliche Mechanismen wie beim umfassenden zentralisierten Kapazitätsmarkt vorgeschlagen. Die Mehrkosten der Kapazitätsmärkte werden ebenfalls per Umlage oder Netzentgelte an die Endkunden weitergegeben.59

- Strategische Reserve

Während die umfassenden bzw. selektiven Kapazitätsmärkte grundsätzlich Kapazitätsentgelte für alle Stromerzeuger bereitstellen wollen, die die gesamte Stromnachfrage abdecken, zielt das Modell einer strategischen Reserve lediglich auf seltene Zeitpunkte ab, zu denen die Stromnachfrage nicht durch das Angebot am Strommarkt gedeckt werden kann. Es handelt sich um eine Reservekapazität, die im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Kapazitätsmärkten nur wenige Kraftwerke umfassen kann. Nach einer gegebenenfalls mehrfach durchzuführenden Auktion schließt der Koordinator mit den Anbietern der Anlagen, die den Zuschlag erhalten haben, einen mehrjährigen Vertrag zur Bereitstellung einer bestimmten Reservekapazität. Das Prinzip ähnelt einer Ausweitung des Regelenergiemarkts, mit dem wesentlichen Unterschied, dass der Anbieter mit seinem Kraftwerk nicht am Energy-Only-Markt teilnehmen darf, um die Marktpreise dort nicht zu beeinflussen.60

58 Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI): Untersuchungen zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign. Köln, März 2012; Elberg, Christina, u.a.: Der umfassende Kapazitätsmarkt. In: Agora Energiewende: a.a.O., S. 37-50.59 Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET): Kapazitätsmarkt. Rahmenbedingungen, Notwendigkeit und Eckpunkte einer Ausgestaltung. Aachen, September 2011; LBD Beratungsgesellschaft/Öko-Institut/WWF Deutschland: 20 Fragen zur Bewertung von Kapazitätsmechanismen. Berlin, Juni 2012.60 Maurer, Christoph: Die strategische Reserve. Versorgungssicherheit effizient gestalten: Zur Diskussion um Kapazitätsmechanismen in Deutschland. Kurzfassung eines Gutachtens für den BDEW. In: Agora Energiewende: a.a.O., S. 27-36.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 42

Das Modell zielt vor allem auf Altanlagen, die aus Wirtschaftlichkeitsgründen vor der Stilllegung stehen, jedoch aus Gründen der Versorgungssicherheit weiter bereitgehalten werden sollten. Die strategische Reserve ist vor allem als vorübergehende Lösung gedacht, die punktuell bei Angebotslücken am Strommarkt Leistung sichert. Spezielle Anreize zum Umbau bzw. Aufbau eines flexibler agierenden konventionellen und erneuerbaren Anlagenparks sind nicht vorgesehen, sondern sollen weiter aus dem bestehenden Strommarkt bzw. den dafür bestehenden Instrumenten kommen. Die Strategische Reserve wird von jenen Akteuren favorisiert, die (noch) nicht von einem Versagen des Energy-Only-Markts überzeugt sind, sondern die Ansicht vertreten, dieser Markt sei in der Lage, bei Knappheiten rechtzeitig entsprechende Preis- und damit Investitionssignale zu senden.

- Dezentralisierter Leistungsmarkt

Unter Leistungsmärkten sind Kapazitätsmärkte zu verstehen, die auf eine zentrale Auktion durch einen Koordinator verzichten. Diese Modelle befürchten bei umfassenden wie auch bei selektiven Kapazitätsmärkten durch die langen Ausschreibungszeiträume sowie durch mögliche Mitnahmeeffekte eine Bevorzugung etablierter großer Kraftwerkskapazitäten. Währenddessen würden effizientere dezentrale Lösungen für die Bereitstellung gesicherter Leistung vernachlässigt.

Befürworter von dezentralisierten Leistungsmärkten halten eine langfristige, zentrale Modellierung der zukünftigen Stromnachfrage für zu ungenau und ineffizient als Grundlage einer Auktion, die große Summen an Kapazitätsentgelten für einen langen Zeitraum verteilen würde. Stattdessen sollen die Vertriebe der Stromhändler, die unmittelbar mit den Endverbrauchern in Kontakt stehen, kurzfristig die Stromnachfrage mit Kapazitäten decken. In Zeiten hoher Stromnachfrage würde die Beschaffung zusätzlicher gesicherter Leistung (d.h. Kapazität, z.B. in Form von Leistungszertifikaten für je ein Megawatt) notwendig, was als zusätzliches Preissignal an den Endverbraucher weitergegeben würde. Die Bereithaltung von Kapazitäten könnte damit direkt und verursachergemäß entgolten werden – statt mit Einheitspreisen über (mehrjährige) pauschale Kapazitätsentgelte. Nicht nur die Anlagenbetreiber, auch die Stromverbraucher erhielten mit den Kosten für die Bereithaltung von Kapazitäten neben dem Börsenstrompreis einen weiteren Anreiz, ihr Nachfrageverhalten zu flexibilisieren. Kann ein Stromverbraucher, beispielsweise ein großer Industriebetrieb, seine Nachfrage in gewissem Umfang flexibel reduzieren, ist er nicht mehr auf den Erwerb der entsprechenden Menge von Leistungszertifikaten angewiesen und spart diese Kosten.61

Möglich wären Leistungsmärkte, die auf eine gesetzliche Verpflichtung zum Erwerb von Leistungszertifikaten verzichten bzw. diesen auf bestimmte Kundenbereiche beschränken. Sowohl selektive Leistungsmärkte, die die bereitzustellende Kapazität qualitativ differenzieren, als auch umfassende Leistungsmärkte sind möglich, in denen ein einheitliches Zertifikat für alle technischen Optionen gehandelt wird.

61 Enervis Energy Advisors/BET: Ein zukunftsfähiges Energiemarktdesign für Deutschland. Berlin/Aachen, März 2013; Ecke, Julius u.a.: Kapazitätssicherung durch Privatisierung der Versorgungssicherheit. Ein Leistungsmarkt mit dezentraler Nachfrage. Kapazitätssicherung durch Produktdifferenzierung. Kurzfassung eines Gutachtens für den VKU. In: Agora Energiewende: a.a.O., S. 65-76; Leprich, Uwe: Vertriebe als Integrationsakteure. Optionen für eine marktnahe Integration erneuerbarer Energien. Vortrag, Berliner Energietage, 16. Mai 2013.

Nr. 67 | S. 43 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Modelle für Kapazitätsmärkte im VergleichBestimmung

des Kapazitäts-

bedarfs

Auktion Teilnehmer Vergütung Flexibilisierung von

Bioenergieanlagen

Umfassender zentralisierter Kapazitätsmarkt

zentrale und langfristige Ausschreibung durch Koordinator

zentrale Auktion mit Einheitspreis für alle Kapazitäten

keine Differenzierung teilnehmender Kapazitäten

langfristiges Kapazitätsentgelt zum Einheitspreis, reguliert durch Ausübungspreis, Energy-Only-Markt (EOM)

kein Anreiz für Bioenergie-anlagen bzw. deren Flexibilisierung zu erwarten

Selektive bzw. segmentierte oder fokussierte Kapazitäts-märkte

zentrale, kurz- und langfristige Ausschreibung durch Koordinator

Auktion für zeitlich und qualitativ differenzierte Kapazitäten

ggfs. qualitative Differenzierung u.a. nach Alter, Region und Klimabilanz

mittel- und langfristige Kapazitätsent-gelte, reguliert durch Aus-übungspreis, EOM

nur bei Differenzierung nach Alter, Region und Klimabilanz evtl. Teilnahme und Flexibilisierung zu erwarten

Strategische Reserve

zentrale und langfristige Ausschreibung durch Koordinator

zentrale Auktion mit Einheitspreis für alle Kapazitäten

keine Differenzierung teilnehmender Kapazitäten, Ausrichtung auf Anlagen, die ansonsten stillgelegt würden

langfristiges Kapazitätsentgelt zum Einheits-preis, dauerhafter Ausschluss vom EOM, Kapazität kommt nur bei punktueller Angebotslücke zum Einsatz

Bioenergie-anlagen werden nicht angesprochen

Dezentralisierter Leistungsmarkt

dezentral und kurzfristig durch Stromvertriebe für Nachfrage ihrer Endkunden oder durch Koordinator

keine Auktion, Handel von Leistungs-zertifikaten

keine oder qualitative Differenzierung, verpflichtend oder freiwillig

kurzfristig zu handelnde Leistungszertifikate mit schwankenden Preisen, EOM

Anreiz für Teilnahme von Bioenergieanlagen und Flexibilisierung durch dezentrale Orientierung auf kurzfristige Nachfrage

Bewertung der Kapazitätsmarktmodelle aus Sicht von Bioenergieanlagen

Die Errichtung und der Betrieb von Bioenergieanlagen werden in umfassenden Kapazitätsmärkten voraussichtlich nicht angereizt. Gründe sind die Vorteile von alten konventionellen Kraftwerken, die einen Großteil der ausgeschriebenen Kapazitäten zu geringen Kosten bei der Auktion anbieten könnten. Die strategische Reserve zielt tendenziell ebenfalls auf die Bereitstellung großer Kapazitätsblöcke durch alte konventionelle Kraftwerke ab, die anderenfalls stillgelegt würden. Auch bei selektiven bzw. segmentierten Kapazitätsmärkten, die ausschließlich Neuinvestitionen in Kapazitäten ausschreiben, könnten Bioenergieanlagen wegen der höheren Investitionskosten gegenüber Erdgaskraftwerken das Nachsehen haben. Werden Kapazitätsmärkte so weit differenziert, dass Kriterien wie die Klimabilanz oder der Standort Grundlage einer Ausschreibung werden, könnten bestehende bzw. neu zu errichtende Bioenergieanlagen wegen ihrer geringen CO2-Emissionen und ihrer dezentralen Verfügbarkeit auch gegenüber Erdgaskraftwerken im Vorteil liegen. Damit könnten die Modelle selektiver bzw. segmentierter oder fokussierter Kapazitätsmärkte eine Möglichkeit bieten, die Flexibilisierung von Bioenergieanlagen in Bestand und Neubau voranzutreiben.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 44

Fraglich ist jedoch, ob Ausschreibungsmodelle alleine geeignet sind, neuen Bioenergieanlagen eine ausreichende Investitionssicherheit zu bieten. Wollen Bioenergieanlagen in Auktionen mitbieten, reicht es für die Betreiber nicht aus, in ihrem Gebot ausschließlich die Investitionskosten der Anlage je Kilowatt Leistung zu beziffern – in der Hoffnung, dafür den Zuschlag zu erhalten und dann durch die Erlöse des Kapazitätsentgelts die Investitionskosten im Laufe mehrerer Jahre wieder einzuspielen. Die Stromerzeugungskosten sind bei Bioenergieanlagen schließlich zu einem hohen Anteil von den schwankenden Rohstoffkosten für die Biomasse abhängig. Während die fixe EEG-Einspeisevergütung als feste Erlösquelle diesen Nachteil bisher langfristig ausgleichen kann (vgl. Grafik „Variable Brennstoffkosten bei Biogasanlagen“, S. 25), würden die deutlich niedrigeren Börsenstrompreise keine ausreichenden Erlöse zur Deckung der Rohstoffkosten generieren können. Dieses Problem würde dadurch verschärft, dass die Einführung von Kapazitätsmärkten die Börsenstrompreise tendenziell sinken lässt.62 Bioenergieanlagen als Auktionsteilnehmer müssten – wenn ein halbwegs kostendeckender Anlagenbetrieb möglich sein soll – ihre Rohstoffkosten für mehrere Jahre in die Zukunft abschätzen und anteilig im Gebot einpreisen.

Ob vor diesem Hintergrund mit Ausschreibung und Auktion tatsächlich stets das kosteneffizienteste Anlagenkonzept den Zuschlag erhalten kann, ist nicht garantiert. Werden von den Auktionsteilnehmern die Rohstoffkosten zu niedrig und/oder die Erlöse am Strommarkt zu hoch angesetzt, wird nach Errichtung der Anlage mit Kapazitätsentgelt die Stromerzeugung möglicherweise dennoch unwirtschaftlich. Ausschreibungsmodelle können auch Missbrauch ermöglichen, indem von den Teilnehmern zu niedrige Gebote abgegeben werden, um Mitbewerber aus dem Rennen zu werfen, die Anlagen dann jedoch gar nicht errichtet werden. Dieses Fehlverhalten müsste verhindert werden mit der Androhung von Strafzahlungen bei Nicht-Bereitstellung der angeforderten Kapazität. Diese höheren Risiken hätten Risikoaufschläge und damit teurere Kredite zur Folge, würden die Investitionskosten also steigern. Mangels Liquidität und hoher Transaktionskosten wären kleine und mittelständische Betreiber aus Land- und Forstwirtschaft tendenziell benachteiligt oder de facto von der Teilnahme an der Ausschreibung ausgeschlossen.

Am weitesten könnten dagegen voraussichtlich die Modelle dezentraler Leistungsmärkte der Einbindung von Bioenergieanlagen entgegenkommen. Modelle für Leistungsmärkte sind auf die schnelle Reaktion auf die dynamische Verbrauchernachfrage ausgerichtet. Bioenergieanlagen könnten hier an ihre ersten Erfahrungen am Regelenergiemarkt, aus der Direktvermarktung mit Marktprämienmodell bzw. der Flexibilitätsprämie anschließen. Darüber hinaus bieten sich die in allen Regionen modular verfügbaren Bioenergieanlagen optimal an für die dann von einer Vielzahl von Vertrieben bzw. Stromverbrauchern gesuchten kleinteiligen positiven und negativen Ausgleichsmöglichkeiten. Dezentrale Leistungsmärkte können vor diesem Hintergrund als vielversprechende Modelle für die Flexibilisierung von Bioenergieanlagen bewertet werden. Allerdings würde bei Leistungsmärkten ein langfristiges, stabiles Kapazitätsentgelt als Investitionssicherheit fehlen. Erlöse an Leistungsmärkten könnten aber möglicherweise ein weiteres finanzielles Standbein neben anderen Einnahmen aus Stromverkauf und Regelenergiebereitstellung bieten.

62 Winkler, Jenny u.a.: Perspektiven für die langfristige Entwicklung der Strommärkte und der Förderung Erneuerbarer Energien bei ambitionierten Ausbauzielen. Diskussionspapier Fraunhofer ISI/Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Karlsruhe, März 2013.

Nr. 67 | S. 45 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Eigenvermarktung und Eigenverbrauch

Außerhalb des Rechtsrahmens des EEG und unabhängig von der Preisbildung an der Strombörse können Bioenergieanlagen ihren Strom (und ihre Wärme) direkt vermarkten. Eigenvermarktung bedeutet, dass Strom an einen Abnehmer im räumlichen Zusammenhang zur Anlage geliefert wird, beispielsweise in einem Bioenergiedorf oder an ein benachbartes Wohn- oder Industriegebiet. Der Betreiber der Bioenergieanlage wird dann zu einem Energieversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und muss keine Stromsteuer (2,05 ct/kWh) zahlen, wenn die räumliche Nähe gegeben ist und die Anlage über maximal 2 MW Leistung verfügt. Die Bioenergieanlage hat keinen Anspruch auf EEG-Einspeisevergütung. Als Stromhändler bzw. Energieversorgungsunternehmen muss der Betreiber der Bioenergieanlage nunmehr auf jede verkaufte Kilowattstunde selbst die EEG-Umlage und die KWK-Umlage erheben und abführen – wie jeder andere Stromanbieter für Endkunden auch. Liefert die Bioenergieanlage den Strom über das bereits bestehende öffentliche Stromnetz, müssen auch Netzentgelte an die Netzbetreiber bzw. die Konzessionsabgabe an die Kommune abgeführt werden.

Je nachdem, wie hoch die Stromerzeugungskosten liegen (ca. 5 ct/kWh bzw. 12 ct/kWh bis 20 ct/kWh, vgl. Abschnitt „Ökonomische Hindernisse bei der Flexibilisierung von Bioenergieanlagen“, S. 21), können Betreiber von Bioenergieanlagen jedoch keine attraktiven Endverbraucher-Strompreise mehr anbieten. Werden EEG-Umlage, Netzentgelte und Konzessionsabgabe auf die reinen Stromerzeugungskosten aufgeschlagen, läge der Preis, zu dem die Kilowattstunde Strom abgegeben werden könnte, möglicherweise deutlich über dem durchschnittlichen Strompreisniveau für Endverbraucher. Die durchschnittlichen Haushalts- bzw. Industriestrompreise von 26,8 ct/kWh bzw. 16,6 ct/kWh können (noch) schwer „unterboten“ werden.63

Windparks bieten ihren Nachbarn als Eigenvermarkter nach diesem Modell allerdings bereits vereinzelt kostengünstige Endverbraucher-Strompreise an.64 Bioenergieanlagen besitzen häufig schon Erfahrungen in der Vermarktung ihrer Wärme an Anlieger in räumlicher Nähe. Auf dieser Grundlage könnten sich bei steigenden Strompreisen auf Seiten der Endverbraucher und sinkenden Stromerzeugungskosten auf Seiten der Bioenergie auch Chancen für die Eigenvermarktung von Strom ergeben.

Wird der Strom der Bioenergieanlage ausschließlich über eine direkte Stromleitung und nicht über das öffentliche Stromnetz an den Kunden geliefert, entfallen Netzentgelt, Konzessionsabgabe und KWK-Umlage. Allerdings müssten im Gegenzug die Investitions- und Betriebskosten für die neu zu errichtende Stromleitung auf den Preis umgelegt werden, zu dem die Kilowattstunde Strom abgegeben wird. Je nach potenzieller Kundenzahl (z.B. Bioenergiedorf, Genossenschaft) und je nach Kostenstruktur einer Bioenergieanlage könnte sich auch eine Eigenvermarktung mit direkter Stromleitung lohnen.65

63 Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL): Vermarktung von Biogasstrom. Marktintegration von Regelenergie aus landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Jena, November 2011.64 http://www.windpark-lichtenau-asseln.de65 Graßmann, Nils u.a.: Biogasstrom außerhalb des EEG vermarkten. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 52-54.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 46

Kostenvergleich der Stromerzeugung von Bioenergieanlagen bei Eigenvermarktung 2013

Aus der Perspektive der Flexibilisierung der Bioenergieanlagen wäre mit Modellen zur Eigenvermarktung ein unmittelbarer Anreiz gegeben, bedarfsgerecht für die eigenen Kunden Strom zu erzeugen. Je kleiner die Strommenge, die dieser Kundenkreis abnimmt, desto schwieriger wird jedoch eine wirtschaftlich attraktive bedarfsgerechte Erzeugung. Möglicherweise ergibt sich in Zukunft durch den Zusammenschluss von Bioenergieanlagen mit anderen Kapazitäten in virtuellen Kraftwerken eine Perspektive für einen flexibilisierten Anlagenbetrieb. Eine Eigenvermarktung über eine direkte Stromleitung zwingt zwar zum flexibilisierten Anlagenbetrieb, ist angesichts der zu erwartenden hohen Zusatzkosten aber kein verallgemeinerbares Modell. Die eigenvermarkteten Strommengen stünden außerdem nicht mehr zur Verfügung als Ausgleichspotenzial für die Netzstabilität des Gesamtsystems - wo sie eigentlich ebenso dringlich benötigt würden.

Neben der Eigenvermarktung ist auch ein Eigenverbrauch des Stroms von Bioenergieanlagen möglich. Während bei der Eigenvermarktung der Strom – unabhängig von EEG und Strommarkt – an Dritte verkauft wird, sind beim Eigenverbrauch der Betreiber der Bioenergieanlage und der Stromverbraucher identisch. Umlagen und Netzentgelte entfallen dabei. Zwar könnte auf diesem Wege der Strombedarf des Betreibers theoretisch günstiger gedeckt werden als beim Strombezug zum durchschnittlichen Endverbraucher-Strompreisniveau. Die jährliche Stromerzeugung einer Biogasanlage dürfte den Stromverbrauch des Betreibers jedoch deutlich übersteigen. Einspeisetarife oder Direktvermarktung mit Marktprämienmodell stellen daher die wirtschaftlich attraktivere und zuverlässigere Einnahmequelle dar. Das eigentliche Ziel der Flexibilisierung, nämlich die Mobilisierung des Ausgleichspotenzials für die Systemstabilität, würde mit einem verstärkten Eigenverbrauch verfehlt.

Nr. 67 | S. 47 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

66 Ecofys/Fraunhofer ISI/TU Wien/Ernst & Young: Financing Renewable Energy in the European Energy Market. Brüssel, Januar 2011; Diekmann, Jochen u.a.: Erneuerbare Energien: Quotenmodell keine Alternative zum EEG. In: DIW-Wochenbericht 45/2012, November 2012.

Zusammenfassung

Auf dem Weg zu einer überwiegend erneuerbaren Energieversorgung stellt sich die Herausforderung, die verbleibende Residuallast optimal abzudecken. Immer weniger mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke verbleiben am Netz. Immer seltener werden diese Kraftwerke im Jahresverlauf ihre volle Erzeugungskapazität nutzen. Gleichzeitig muss eine große Bandbreite an Ausgleichsmaßnahmen (z.B. Lastmanagement, Speicher, Stromnetze) ausgebaut und flexibel bereitgehalten werden. Bioenergieanlagen können technologisch die Brücke für den erneuerbaren Strom in den größten verfügbaren Speicher, das Gasnetz, bauen. Bioenergieanlagen sind unter den Flexibilisierungsoptionen eine vergleichbar günstige und schnell verfügbare Lösung mit einem Ausgleichspotenzial von +/-16.000 MW. Voraussetzung ist mittelfristig eine Abkehr der Bioenergieanlagen vom bisher dominierenden Betriebsmodell, das auf eine möglichst gleich hohe Stromerzeugung auf Volllast setzt.

Weder für die Mobilisierung von Ausgleichsmaßnahmen noch für den massenhaften Umstieg der Bioenergieanlagen hin zu einer flexibilisierten, bedarfsgerechten Stromerzeugung, geben die gegenwärtigen Rahmenbedingungen des EEGs und des Strommarktes als Energy-Only-Markt ausreichende Anreize. Die Flexibilisierung von Bioenergieanlagen ist betriebswirtschaftlich und rechtlich anspruchsvoll. Ob eine bedarfsgerechte Stromerzeugung tatsächlich lohnt, ist insbesondere bei bereits bestehenden Anlagen nicht pauschal zu beurteilen, sondern nur unter Berücksichtigung der anlagenspezifischen Chancen und Risiken. Bioenergieanlagen, die neu geplant werden, können jedoch gezielt für einen flexibilisierten Anlagenbetrieb ausgelegt werden, der sich betriebswirtschaftlich lohnt. Mit der Flexibilitätsprämie in der EEG-Direktvermarktung haben – bisher allerdings nur wenige – Bioenergieanlagen ihr Ausgleichspotenzial erfolgreich mobilisieren können. Auch am Regelenergiemarkt konnte eine wachsende Zahl von Bioenergieanlagen bereits aktiv Systemdienstleistungen für die Stabilisierung des Stromnetzes bereitstellen. Sie ersetzen wegfallende Regelenergiekapazitäten, erhöhen das Regelenergieangebot und können damit zu sinkenden Regelenergiekosten beitragen. Angesichts der noch sehr neuen Möglichkeit zur Teilnahme an komplexen Mechanismen des Strommarktes ist die Zurückhaltung der land- und forstwirtschaftlichen Anlagenbetreiber allerdings nicht überraschend. Mit dem Auslaufen der 20jährigen EEG-Vergütung für einen Großteil der Bioenergieanlagen nach 2020 müssen deren Betreiber ein neues Vermarktungsmodell finden und könnten verstärkt auf Flexibilisierung setzen.

Die Rahmenbedingungen des Strommarktes stehen mit der Debatte um die Einführung von Kapazitätsmärkten möglicherweise vor einem grundsätzlichen Umbruch. Sollen Bioenergieanlagen als Flexibilisierungsoption in Zukunft gezielt mobilisiert werden, scheinen neben selektiven Kapazitätsmärkten vor allem dezentralisierte Leistungsmärkte am besten auf die Potenziale von Bioenergieanlagen zugeschnitten zu sein. Ein fundiertes Urteil ist ohne weitere Präzisierung der Modelle hinsichtlich der spezifischen Funktion von Bioenergieanlagen momentan nicht möglich. Im Gegensatz zu den zahlreichen neuen theoretischen Kapazitätsmarktmodellen gibt es zu Effekten von Ausschreibungsmodellen bereits negative Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern.66 Ausschreibungsmodelle würden Bau und Betrieb von Bioenergieanlagen erschweren und verteuern.

Grundsätzlich kann im Rahmen des EEGs mit der Flexibilitätsprämie bei optimaler Auslegung der Anlage eine bedarfsgerechte Stromerzeugung von Bioenergieanlagen erreicht werden. Die Mehrerlöse aus der Direktvermarktung zu Börsenstrompreisen, aus der Managementprämie, der Marktprämie und Flexibilitätsprämie sowie aus der Bereitstellung von Regelenergie belaufen sich nur in günstigen Fällen addiert auf mehr als 3 ct/kWh. Die notwendigen Zusatzinvestitionen in BHKW-Kapazitäten,

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 48

Gas- und Wärmespeicher von rund 2 bis 4 ct/kWh können daher nicht immer abgedeckt werden. Die flexibilisierte Stromerzeugung von Bioenergieanlagen ist damit nicht ohne Mindesteinnahmen in Höhe der fixen EEG-Einspeisevergütung umzusetzen.

Die Erwartung, dass Bioenergieanlagen und andere Erneuerbare Energien im Laufe der Jahre „wettbewerbsfähig“ werden und sich gleitend in den bestehenden Strommarkt „integrieren“, muss als Fehlannahme gewertet werden. Der Energy-Only-Markt ist zumindest momentan nicht geeignet, die Refinanzierung von erneuerbaren Erzeugungskapazitäten zu garantieren. Zwar besteht für die fluktuierende Wind- und Solarstromerzeugung mittelfristig großer Bedarf an Ausgleichsoptionen, doch können deren brach liegenden Potenziale über das Marktgeschehen an der Strombörse bisher ebenso wenig mobilisiert werden.

Eine Direktvermarktung an der Strombörse würde weder Bioenergieanlagen noch fluktuierenden Erneuerbare-Energien-Anlagen einen kostendeckenden Anlagenbetrieb ermöglichen. Zu dem Zeitpunkt, an dem große Mengen von Wind- und Solarstrom eingespeist werden, liegt der Strompreis durchschnittlich stets niedriger als im Monatsdurchschnitt, der für die Berechnung der Marktprämie entscheidend ist. Mit steigendem Zubau von Windenergie- und PV-Anlagen wird dieser preissenkende Merit Order-Effekt immer häufiger auftreten. Die Erlöse der wetterabhängig produzierenden Anlagen gehen damit tendenziell weiter zurück. Ob während der übrigen Zeiten ein ausreichend hohes Strompreisniveau herrscht, das den Betrieb von flexiblen Bioenergieanlagen wirtschaftlich macht, ist unsicher. Die Preisdifferenz zwischen Spitzen- und Schwachlastzeiten als Anreiz für einen flexibilisierten Anlagenbetrieb nimmt bisher jedenfalls ab. Ob sich dies zukünftig ändert, ist noch unklar und umstritten.

Je nach zeitlicher Perspektive kann das beschriebene Ausgleichspotenzial von Bioenergieanlagen auch gegenläufige Effekte mit sich bringen: Würden alle Bioenergieanlagen im heutigen, überwiegend von fossilen Großkraftwerken dominierten Stromversorgungssystem zu Zeiten niedriger Strombörsenpreise flexibel ihre Erzeugung drosseln, so käme dieses Erzeugungsverhalten vor allem den unflexiblen Atomkraftwerken, Braun- und Steinkohlekraftwerken entgegen. Diese Kapazitäten könnten ihre Stromerzeugung auf unverändert hohem Niveau fortsetzen, weil die flexiblen Bioenergieanlagen ihnen den „Vortritt“ lassen würden. Damit würde kein Beitrag zum Umbau der Erzeugungsstrukturen geleistet. In einem überwiegend von fluktuierenden Erneuerbaren Energien geprägten Stromversorgungssystem der 2030er Jahre wäre dasselbe Erzeugungsverhalten dagegen unverzichtbar für die Systemstabilität.

Die Eigenvermarktung von Strom im räumlichen Zusammenhang beispielsweise für Bioenergiedörfer und Genossenschaften könnte mittelfristig eine – im wahrsten Sinne des Wortes – naheliegende Alternative zur Direktvermarktung über die Strombörse bilden. Bioenergieanlagen können ihr Ausgleichspotenzial dann in virtuellen Kraftwerken wie beispielsweise regionalen Verbünden erneuerbarer Erzeugungskapazitäten ausspielen. Das hätte aber Nachteile für das Gesamtsystem, da diese Kapazitäten nicht als Ausgleichspotenzial zur Systemstabilisierung auf dieser Ebene zur Verfügung stünden.

„Integration Erneuerbarer Energien in den bestehenden Strommarkt, das ist so, als fordere man, Herzkatheteruntersuchungen mit Operationsbesteck der 1960er Jahre durchzuführen.“

(Dr. Volker Buddensiek, Chefredakteur SWW, Editorial, April 2013)

Nr. 67 | S. 49 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Ausblick und Empfehlungen

Zwar hat das Vergütungsmodell des EEG aus Gründen der Kosteneffizienz bisher einen inflexiblen Betrieb von Bioenergieanlagen gefördert, doch kann und muss es auf absehbare Zeit als Basis für eine zukünftige Flexibilisierung dienen. Einerseits werden Bioenergieanlagen fast ausschließlich im Rahmen des EEG betrieben, andererseits kann der derzeit dysfunktionale Strommarkt alleine keine ausreichenden Anreize setzen. Die zumindest für einen überschaubaren Anlagenbestand erfolgreiche Flexibilitätsprämie für Biogasanlagen zeigt, in welche Richtung eine Weiterentwicklung des EEGs gehen könnte.

Mit der Direktvermarktung nach Marktprämienmodell konnten Bioenergieanlagen erste positive Erfahrungen im Umgang mit Marktmechanismen sammeln. Zu prüfen wäre, ob Bioenergieanlagen neben dem kurzfristigen Spotmarkt auch den langfristigen Terminmarkt für eine Direktvermarktung sinnvoll nutzen können.

Sollen mehr Bioenergieanlagen auf einen bedarfsgerechten Betrieb umgerüstet werden, könnte beispielsweise ein Frühstarterbonus jene Anlagen belohnen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entsprechende Zusatzinvestitionen in BHKW-Kapazitäten, Gas- oder Wärmespeicher durchführen. Denkbar sind auch zeitvariable EEG-Tarife, bei denen im Tagesverlauf mehrere unterschiedliche Vergütungen geboten werden.67 Erlöse in Höhe der fixen Einspeisevergütung des EEG sind dabei langfristig notwendig und unverzichtbar. Das erfolgreiche Modell des EEG könnte auch Grundlage für ein Biogas-Einspeisegesetz sein, das die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan als Nutzungspfad vorantreibt.

Auch die ersten positiven Erfahrungen am Regelenergiemarkt könnten ausgeweitet werden, wenn der Zugang zum Regelenergiemarkt im Sinne dezentraler Kleinanlagen weiter vereinfacht wird. Alternativ oder ergänzend zu Kapazitätsmärkten, die in großem Stil bundesweit eine gesicherte Kraftwerksleistung vorhalten sollen, könnte ein kosteneffizienter Ausgleich von Nachfrage und Angebot kurzfristig durch dezentrale Bioenergieanlagen erfolgen. Bei der wetterabhängigen Wind- und Solarstromproduktion können Abweichungen von der prognostizierten Stromerzeugung wenige Stunden vor der Erzeugung präziser und zuverlässiger ermittelt und ausgeglichen werden als mehrere Tage im Voraus. Eine Stärkung des Intraday-Handels, d.h. des Stromhandels am unmittelbaren Tag der Stromerzeugung, könnte eine gezielte Nachfrage nach dem Ausgleichspotenzial von Bioenergieanlagen schaffen.

Die zahlreichen diskutierten Modelle für Kapazitätsmärkte bergen viele bisher unklare Effekte, deren Vor- und Nachteile für die Flexibilisierung von Bioenergieanlagen noch geklärt werden müssen: Wie hoch wird der Kapazitätsbedarf angesetzt? Wie hoch wird der Beitrag der Windenergieanlagen zur Sicherung der Leistung angesetzt und die sich daraus ergebende Residuallast? In welchem Umfang würde die Ausgleichskapazität von Bioenergieanlagen selbst im Kapazitätsmarkt berücksichtigt?

Hilfreich erscheinen aus Sicht der Bioenergieanlagen bisher allenfalls selektive, differenzierte Kapazitätsmärkte und dezentralisierte Leistungsmärkte. Dabei sollten teure, aber wenig effektive Ausschreibungsmodelle vermieden werden. Wird langfristig festgelegt, welche Kapazitäten in den Genuss von Kapazitätsentgelten kommen, würde ein relativ unflexibles Verfahren gewählt, bei dem Bioenergieanlagen eventuell außen vor blieben.

67 Fraunhofer IWES: Ausbau und Integration von Biogasanlagen in Energieversorgungsstrukturen. Simulation zur optimalen Nutzung von Biogas und Bewertung der unterschiedlichen Nutzungspfade. Kassel, Oktober 2011.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 50

Bioenergieanlagen müssen angesichts der hohen Zusatzinvestitionen in ihre Flexibilisierung möglichst viele potenzielle Erlöse über optimierte Direktvermarktung, über EEG-Prämien, über den Regelenergiemarkt, über den Wärmeverkauf und über andere Einnahmequellen generieren können. Soll die technische Flexibilisierung gelingen, ist auch eine betriebswirtschaftliche Flexibilisierung nötig. Eine Abkehr von der fixen EEG-Vergütung sollte nicht mit einer Abkehr vom unverzichtbaren Rahmen des EEGs gleichgesetzt werden.

Bei den Betreibern gilt es, Informationsdefizite zu beheben. Die Plattform Erneuerbare Energien beim Bundesumweltministerium, ein Beratungsgremium von Politik und Energiewirtschaft, weist in ihrer Bewertung der unterschiedlichen Flexibilitätsoptionen darauf hin, dass die Bioenergieanlagen mit der bedarfsgerechten Stromerzeugung Neuland betreten. Bei Errichtung zusätzlicher BHKW-Kapazitäten sollten Unklarheiten beseitigt werden, sowohl hinsichtlich der Einordnung der Anlage im EEG, als auch bei den Genehmigungsverfahren.68 Wenn diese Grauzonen beseitigt werden, kann auch die Bereitschaft der Anlagenbetreiber steigen, sich auf komplexe Vermarktungsstrategien einzulassen.

Angesichts geringer Erfahrungen ist zusätzliche Forschungsarbeit zur kosteneffizienten Flexibilisierung von Bioenergieanlagen notwendig. Wissenschaftler nennen in diesem Zusammen-hang unter anderem Anstrengungen für Effizienzsteigerungen, beispielsweise durch eine zeitlich angepasste „Fütterung“ der Biogasanlage und eine Flexibilisierung, die über den Tagesverlauf hinaus geht und saisonale Nachfrage- und Produktionsschwankungen berücksichtigt.

Auch wenn sich zeigen sollte, dass andere Flexibilisierungsoptionen Bioenergieanlagen den Rang ablaufen oder flexible Bioenergieanlagen gar andere Optionen konterkarieren, sollte ihr großes Ausgleichspotenzial nicht brach liegen gelassen werden.

Die Vielfalt des Energieträgers Biomasse kann die flexible Stromerzeugung jedoch auch selbst in Frage stellen. Steigt die Nachfrage nach Biomasse im Wärmebereich oder wird durch politische Vorgaben und Fördersysteme die Biomasse vor allem als Erdölersatz in den Verkehrssektor gelenkt, fällt das Ausgleichspotenzial auf dem Strommarkt geringer aus.

68 Plattform Erneuerbare Energien: Bericht der AG 3 Interaktion an den Steuerungskreis der Plattform Erneuerbare Energien, die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Berlin, Oktober 2012.

Nr. 67 | S. 51 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Bioenergie sichert das Stromnetz der Zukunft: Das regenerative Kombikraftwerk

In diesem Forschungsprojekt wird untersucht, welchen Beitrag Erneuerbare Energien zur Versorgungsqualität im Stromnetz leisten können. Bereits heute verfügen Solar-, Biogas- und Windenergieanlagen über technische Eigenschaften, die zur Netzstabilität beitragen und bei Engpässen das Stromnetz entlasten können. Die Wirksamkeit so genannter Systemdienstleistungen bei einer regenerativen Vollversorgung testet das „Kombikraftwerk 2“ unter realen Wetter-bedingungen. Mit dem Fokus auf die System- und Netzintegration knüpft das „Kombikraftwerk 2“ an sein Vorgängerprojekt an, das bereits 2007 eine bedarfsgerechte Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nachgewiesen hatte. Die in das Projekt eingebundenen Biogasanlagen zeigen ihre Leistungsfähigkeit für die Bereitstellung von Regelenergie, Spannungshaltung, Versorgungswiederaufbau und Netzpassmanagement.

Eine Animation im Internetangebot des Projektes veranschaulicht die Funktionen von Bioenergieanlagen im Stromnetz der Zukunft.

http://www.kombikraftwerk.de

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 52

Glossar

Baseloadsiehe Grundlast

Biogasanlagen, Biogas-BHKWBiogasanlagen sind Anlagen, die Energiepflanzen, tierische Exkremente und andere Reststoffe zu Biogas vergären, das vor Ort in der Regel in Blockheizkraftwerken (BHKW) zu Strom und Wärme umgewandelt wird. An einigen Anlagen wird Biogas auch zu Biomethan aufbereitet, das in das Erdgasnetz eingespeist wird, um es als Biokraftstoff für Fahrzeuge mit Gasmotor zu verwenden oder anderenorts zur Strom- und Wärmeerzeugung in BHKW zu entnehmen.

BlindleistungDie Bereitstellung von Blindleistung ist eine Systemdienstleistung zur Erhaltung der Netzstabilität. Die Blindleistung ist neben der Wirkleistung ein Teil der elektrischen Scheinleistung (Gesamtleistung). Nur die Wirkleistung umfasst die Leistung, die über das Stromnetz an einen Endverbraucher abgegeben wird. Die Blindleistung wird zum Aufbau von elektromagnetischen Feldern benötigt, kann aber nicht als Energie genutzt werden, d.h. sie verrichtet keine Arbeit. Die Bereitstellung von Blindleistung ist jedoch wichtig für eine stabile Spannung im Netz: Beim Transport von Strom über große Distanzen kommt es zu einem Spannungsabfall. Je länger ein Netz, desto größer sind die Spannungsverluste. Um regional die Spannung stabil zu halten, muss Blindleistung eingespeist werden. Bioenergieanlagen können technisch auch Blindleistung bereitstellen.

DeckungsbeitragDer Begriff beschreibt die Differenz zwischen den Kosten für die Bereitstellung einer Energieeinheit und den daraus erzielten Erlösen. Im Zusammenhang mit dem Strommarkt beziehen sich Deckungsbeiträge auf die Differenz zwischen den kurzfristigen Grenzkosten zur Erzeugung einer bestimmten Strommenge und dem Erlös aus der verkauften Strommenge. Wenn die kurzfristigen Grenzkosten unter dem Marktpreis liegen, bleibt für den Erzeuger ein Deckungsbeitrag, mit dem er die Investition einer Erzeugungsanlage refinanziert, die Fixkosten deckt und Gewinne erwirtschaftet. Sind die kurzfristigen Grenzkosten höher als der aktuelle Marktpreis, wird der Betreiber die Anlage in der Regel still stehen lassen. Die Grenzkosten der Stromerzeugung der Kraftwerke bestimmen deren Einsatzreihenfolge für den Strommarkt, die so genannte Merit Order.

Demand Side Management (DSM)siehe Lastmanagement

Energy-Only-MarktDas bestehende Marktsystem zum Handel von Strom ist ein Energy-Only-Markt. Das heißt, dass auf dem Strommarkt nur die erzeugte Kilowattstunde zählt - sie wird gehandelt und vergütet. Durch die Merit Order-Logik sind für den Handel allein die kurzfristigen Erzeugungskosten einer Anlage entscheidend. Weitere Leistungen, wie zum Beispiel die Bereithaltung von Erzeugungskapazitäten, werden in diesem Markt nicht berücksichtigt oder honoriert. Erneuerbare-Energien-Anlagen, die mit hohen Investitionskosten und sehr geringen Betriebskosten verbunden sind, wie Wind- und Solaranlagen werden im Energy-Only-Markt nie wirtschaftlich bestehen können. Der Grund dafür ist, dass die Marktpreise für die erzeugte Kilowattstunde immer dann sehr niedrig sind, wenn diese Anlagen einspeisen. Diese Prägung der Marktpreise durch die zunehmende Erzeugungsleistung auf Basis von Wind und Sonne ist bereits heute deutlich zu beobachten. Wind- und Solaranlagen werden also im Energy-Only-Markt nie die erforderlichen Deckungsbeiträge zur Refinanzierung der Investition erwirtschaften können. Aber auch für konventionelle Kraftwerke, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, erweist sich das bestehende Marktdesign als zunehmend schwierig. Sie haben mit sinkenden Volllaststunden bei gleichzeitig sinkenden Börsenstrompreisen zu kämpfen. Zudem sollen Kraftwerksneubauten mit Strom aus abgeschriebenen Altkraftwerken konkurrieren.

Nr. 67 | S. 53 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wird durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert. Jeder Anlagenbesitzer erhält - je nach Technologieart und Jahr der Inbetriebnahme - für den Zeitraum von 20 Jahren eine feste Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde (kWh) Strom. Die Vergütungen für Strom aus Wind-, Solar- und Bioenergie sowie Wasserkraft und Geothermie unterscheiden sich in ihrer Höhe. Auch innerhalb der Technologiearten gibt es Unterschiede. So ist die EEG-Vergütung von Photovoltaik-Anlagen abhängig von der Größe der Anlage, die der Windenergie ist abhängig vom Standort der Anlage. Die Vergütung des regenerativen Stroms ist auch abhängig davon, in welchem Jahr die Anlage installiert wurde, da die Vergütungssätze für Neuanlagen degressiv gestaltet sind. Die Differenz zwischen der Gesamtsumme der bundesweiten EEG-Vergütungen und dem Erlös für den erneuerbaren Strom an der Strombörse wird als EEG-Umlage auf den Strompreis umgelegt.

Grenzkosten, GrenzkraftwerkDie Grenzkosten sind die variablen Kosten, die mit der Erzeugung einer zusätzlichen Strommenge für die Deckung des Bedarfs zu einem bestimmten Zeitpunkt verbunden sind. Unter idealtypischen Bedingungen richtet sich der an der Strombörse ermittelte Marktpreis nach den Grenzkosten des letzten (teuersten) Kraftwerks, das zur Deckung der Nachfrage gerade noch benötigt wird. Dieses Kraftwerk wird als Grenzkraftwerk bezeichnet. Es bestimmt die Einsatzreihenfolge (Merit Order) und gleichzeitig den für alle Kraftwerke zu einem bestimmten Zeitpunkt einheitlichen Börsenstrompreis.

Grundlast (Baseload)Die Grundlast ist von der Mittel- und Spitzenlast zu unterscheiden. Sie bezeichnet in der Stromversorgung die Leistung, die konstant rund um die Uhr nachgefragt wird. Im Gegensatz dazu beschreiben die Begriffe Mittel- und Spitzenlast den höheren Strombedarf am Tag. Die Grundlast wird von Kraftwerken gedeckt, die aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen möglichst kontinuierlich arbeiten. Zu den Grundlastkraftwerken gehören vor allem Atomkraftwerke und Braunkohlekraftwerke. Typische Mittellastkraftwerke sind Steinkohlekraftwerke. Im Stromhandel bezeichnet der Handel von Baseload-Blöcken eine über 24 Stunden konstante Stromlieferung zur Abdeckung der Grundlast. Mit zunehmendem Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung nimmt der Bedarf an klassischen Grundlastkraftwerken, die durchgehend Strom produzieren, stark ab. Es geht künftig nicht mehr darum, eine fixe Grundlast abzudecken, sondern Sonne und Wind flexibel und zuverlässig zu ergänzen, um den Strombedarf zu decken. Da Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft sich ergänzen können, sind auch die Erneuerbaren Energien in der Kombination „grundlastfähig“, bzw. können bedarfsgerecht Strom bereitstellen.

Holz(heiz-)kraftwerkeHolzkraftwerke sind Anlagen, die Holz zur Stromerzeugung nutzen. Wird neben Strom gleichzeitig Wärme in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt, spricht man von Holzheizkraftwerken. Es handelt sich dabei um Anlagen mit mehreren Megawatt (MW) installierter elektrischer Leistung, die üblicherweise im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Strom in das Stromnetz einspeisen. Holzvergaseranlagen erzeugen häufig in gewerblichen Anwendungen Strom und Wärme und befinden sich noch in der Markteinführung.

HolzvergaserHolzgas entsteht beim Erhitzen von Holz unter Luftabschluss. Bei der Holzvergasungstechnik wird Holz zunächst verschwelt. Das Schwelgas kann dann in einem BHKW bzw. in Gasmotoren verbrannt werden. Holzgas kann auch – ähnlich wie Bio- und Erdgas – als Kraftstoff im Verkehrsbereich dienen. Die Holzvergasung gilt als wichtige Zukunftstechnologie, weil sie gegenüber anderen Techniken einen fast doppelt so hohen elektrischen Wirkungsgrad hat. Seit 2009 ist ein deutlicher Zubau von kleineren Holzgas-BHKW zu verfolgen. Ende 2011 waren nach Erhebungen des DBFZ rund 100 Anlagen über 10 kW Leistung bundesweit in Betrieb, überwiegend im Leistungsbereich bis 500 kW. Erste größere Holzgaskraftwerke mit mehr als 1 MW Leistung sind in Planung bzw. Betrieb. Dank des Anreizes über das EEG befinden sich Anlagenhersteller und -konzepte mittlerweile in der Markteinführung, jedoch noch vor einem breiten Durchbruch.

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KapazitätsmarktMit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien werden zunehmend Strommengen eingespeist, deren Erzeugung nahezu keine Grenzkosten hat. Gerade Windenergie- und Solaranlagen haben relativ hohe Investitionskosten, aber kaum Betriebskosten, da sie keine Brennstoffe benötigen. Sie stehen in der Einsatzreihenfolge des Kraftwerksparks (Merit Order) deswegen ganz vorne. Je mehr Strom mit sehr niedrigen Grenzkosten eingespeist wird, desto geringer fällt der Strompreis an der Börse aus, da Kraftwerke mit hohen Grenzkosten, wie zum Beispiel Gaskraftwerke, nur noch selten zum Zuge kommen. Gerade in der Mittagszeit, wenn die Einspeisung aus Photovoltaikanlagen hoch ist, wird dieser Merit Order-Effekt deutlich. Früher waren die Strompreise zu diesem Zeitpunkt am höchsten, Spitzenlastkraftwerke wie Gas- oder Pumpspeicherkraftwerke konnten hier hohe Deckungsbeiträge erzielen. Das ist heute schon nicht mehr der Fall. Der insgesamt gesunkene Börsenstrompreis und vor allem die schrumpfende Differenz zwischen Base- und Peakload-Preis hat zur Konsequenz, dass die Rentabilität von Neuinvestitionen in fossile Kraftwerke und Energiespeicher sinkt, sogar der Betrieb mancher bestehender Kraftwerke mit hohen Grenzkosten lohnt nicht mehr. Da zum Ausgleich von sonnen- und windarmen Zeiten jedoch fossile Kraftwerke und Stromspeicher erforderlich sind, diskutieren Experten die Schaffung eines Kapazitätsmarktes bzw. von Kapazitätsprämien. Hierdurch soll nicht nur die erzeugte Kilowattstunde einen Preis bekommen, sondern auch die Bereitstellung von Erzeugungskapazitäten.

Klär- und Deponiegas-BHKWDas in Kläranlagen bei der Abwasserreinigung entstehende Klär- oder Faulgas wird in BHKW in Kraft-Wärme-Kopplung zu Strom und Wärme umgewandelt. Ebenso können die an Mülldeponien entstehenden Gase gesammelt und in BHKW zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden. Auch eine Aufbereitung zu Biomethan ist möglich.

Lastmanagement/Demand Side Management (DSM)Im bisherigen Stromversorgungssystem bestimmt in der Regel die Stromnachfrage den Betrieb von Kraftwerken. Das Stromangebot passt sich durch die Betriebsweise der Kraftwerke den Nachfrageschwankungen an. Im Zuge eines immer stärker auf Erneuerbare Energien ausgerichteten Stromversorgungssystems wird es künftig wichtig, die Last teilweise auch dem Angebot, d.h. vor allem der Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom anzupassen. Dadurch lässt sich der Bedarf an fossilen Kraftwerken und Speicherkapazitäten reduzieren. Ein solches Lastmanagement setzt allerdings eine entsprechende Infrastruktur voraus: Die Verbraucher müssen stets über die vorhandenen Stromkapazitäten informiert sein und Anreize zur Anpassung ihrer Stromnachfrage durch entsprechende Tarife und Preissignale bekommen. Zudem müssen sich Geräte wie zum Beispiel Spülmaschinen, Trockner und Waschmaschinen entsprechend steuern bzw. programmieren lassen. Die Lastmanagementpotenziale werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Das technische Lastmanagementpotential liegt sehr hoch und beträgt mehrere Gigawatt Leistung. Das praktisch und wirtschaftlich realisierbare Potenzial gilt jedoch als deutlich geringer.

Merit Order, Merit Order-EffektAls Merit Order wird die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken bezeichnet, die sich an der Strombörse ergibt. Die Abfolge richtet sich nach den Kosten, zu denen das jeweilige Kraftwerk Strom erzeugen und vermarkten kann, d.h. zuerst kommen die Kraftwerke mit den niedrigsten Grenzkosten zum Einsatz und am Schluss die teuersten. Aufgrund der Abnahmepflicht für Strom aus Erneuerbaren Energien im Rahmen des EEG und der nahe Null liegenden Grenzkosten kommen diese Strommengen vorrangig zum Zuge. Dies wirkt sich an der Strombörse wie eine Absenkung der Stromnachfrage aus und senkt den Börsenstrompreis, da zunehmend die Stromer-zeugung aus teureren konventionellen Kraftwerken verdrängt wird. Abgesehen von der Vorrangregelung wirkt sich die Stromerzeugung aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen auch dadurch preissenkend aus, dass die Erzeugung aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen mit sehr niedrigen Grenzkosten verbunden ist, da keine Brennstoffe benötigt werden. Dieser Preis senkende Effekt der Erneuerbaren Energien auf den Strompreis wird Merit Order-Effekt genannt. Er reduziert die Einnahmen der Stromerzeuger und senkt die Kosten für Stromlieferanten und auch die Verbraucher, soweit die Lieferanten die Einsparungen weiterreichen.

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Minutenreserve (auch: Minutenregelreserve, Minutenregelenergie, Minutenreserveleistung oder Tertiärregelung)Die Minutenreserve zählt neben der Primär- und der Sekundärreserve zu den drei Arten von Regelenergie, die zur Stabilisierung der Netzfrequenz dienen. Die Art der Regelenergie wird nach der Aktivierungs- und Änderungsgeschwindigkeit zur Strombereitstellung bzw. -verbrauch unterschieden. Bei der Minutenreserve handelt sich um eine vorgehaltene Leistung, die innerhalb von 15 Minuten zur Verfügung steht. Kraftwerke der Minutenreserve sind zum Beispiel Steinkohle-, Gas- und Pumpspeicherkraftwerke. Auch Biogas-BHKW und andere Bioenergieanlagen können technisch Minutenreserve bereitstellen. Minutenreserveleistung wird telefonisch vom Betreiber des Übertragungsnetzes angefordert.

Must-run-KapazitätFür den Betrieb des Stromnetzes sind verschiedene Systemdienstleistungen zur Sicherung der Netzstabilität erforderlich. Diese Leistungen werden bisher noch überwiegend durch konventionelle Kraftwerke erbracht, die deshalb immer mit einer Mindestkapazität am Netz sein müssen, d.h. als „rotierende Masse“ dauerhaft Strom erzeugen. Die für die verschiedenen Systemdienstleistungen erforderliche Erzeugungsleistung konventioneller Kraftwerke wird als Must-run-Kapazität bezeichnet. Um diesen notwendigen Sockel an installierter Leistung konventioneller Kraftwerke zu verringern, müssen verstärkt Erneuerbare Energien für die Erbringung von Systemdienstleistungen eingesetzt werden. Technisch sind diese dazu in der Lage, allerdings müssen die rechtlichen Bedingungen auf den Märkten für Regelenergie noch weiter angepasst werden.

NetzstabilitätSoll die Stromversorgung stabil und ohne Unterbrechungen gewährleistet werden, muss die Netzstabilität gesichert sein. Das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. Nur wenn zu jedem Zeitpunkt exakt so viel Strom ins Netz eingespeist wird, wie verbraucht wird, kann die Netzstabilität gehalten werden. Die Netzspannung muss in Deutschland in einem Toleranzbereich um 230 Volt (V) bzw. 400 V (Niederspannungsnetz) gehalten werden. Die Netzfrequenz muss stabil im Bereich von 50 Hertz (Hz) gehalten werden. Übermäßige Spannungsschwankungen müssen die Bereitstellung von Blindleistung vermieden werden. Übermäßige Frequenzschwankungen müssen durch die kurzfristige Bereitstellung von Regelenergie (Primär-, Sekundär- oder Minutenreserve) vermieden werden. Differenzen zwischen dem prognostizierten Stromverbrauch und der prognostizierten bzw. bestellten Stromerzeugung aller erneuerbaren und konventionellen Anlagen und Kraftwerke lassen sich dadurch ausgleichen. Grundsätzlich muss eine Mindestkapazität von Kraftwerken Strom erzeugen (Must-run-Kapazität), um die Frequenz stabil zu halten. Geraten Netzspannung bzw. Netzfrequenz außerhalb der Toleranzbereiche, können Geräte, die an das Stromnetz angeschlossen sind, Schaden nehmen. Ohne ausreichende Systemdienstleistungen zur Sicherung der Netzstabilität bricht die Stromübertragung zusammen. Bioenergieanlagen können technisch die notwendigen Systemdienstleistungen erbringen.

Peakload siehe Spitzenlast

Pflanzenöl-BHKWIn Pflanzenöl-BHKW werden Pflanzenöle wie z.B. Rapsöl verbrannt und in Kraft-Wärme-Kopplung zu Strom und Wärme umgewandelt.

Primärreserve (auch: Primärregelung, Primärregelenergie, Primärregelleistung oder Sekundenreserve)Die Primärreserve zählt neben Sekundär- und Minutenreserve zu den drei Arten von Regelenergie, die zur Stabilität der Netzfrequenz dient. Bei der Regelenergieleistung wird nach der Aktivierungs- und Änderungsgeschwindigkeit zur Strombereitstellung bzw. -verbrauch unterschieden. Die Primärreserve ist vorgehaltene Leistung, die innerhalb von 30 Sekunden und mindestens 15 Minuten lang verfügbar sein muss, um zum Beispiel bei ungeplanten Kraftwerksausfällen einzuspringen und Stromausfall zu verhindern. Die Bereitstellung von Primärreserveleistung wird über das Verbundnetz der zentraleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E: European Network of Transmission System Operators for Electricity) gesichert und automatisch aus regelfähigen Kraftwerken innerhalb des Verbundnetzes abgerufen. Bei allen Regelenergiearten gibt es positive und negative Reserveleistung, positiv bedeutet die Erhöhung der Einspeisung, negativ die Absenkung der eingespeisten Energie. Bioenergieanlagen können technisch auch Primärregel-energie bereitstellen.

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Regelenergie (auch: Reserveenergie)Regelenergie ist Energie, die für den kurzfristigen Ausgleich von Schwankungen in Erzeugung und Verbrauch von Strom bereitgehalten wird, damit zu jedem Zeitpunkt exakt so viel Strom ins Netz eingespeist, wie verbraucht wird. Nur so kann die Netzfrequenz stabil gehalten und ein Stromausfall verhindert werden. Regelenergie wird an den Regelenergiemärkten der Strombörse gehandelt. Dabei unterscheidet der Markt positive und negative Regelenergie, je nachdem, ob es einen Mangel bzw. Überschuss an Leistung gibt im Vergleich zur prognostizierten Stromversorgung. Bei Bedarf an positiver Regelenergie wird kurzfristig zusätzliche Kraftwerksleistung zur Verfügung gestellt. Als Regelkraftwerke werden Dampfturbinen-, Speicherwasser-, Pumpspeicher- und Gasturbinenkraftwerke eingesetzt, die entweder im Teillastbetrieb operieren oder im Bedarfsfall gestartet werden. Negative Regelenergie ist nötig, wenn überschüssiger Strom vorhanden ist. Das kommt vor, wenn die Stromnachfrage unerwartet gering ausfällt oder die Sonneneinstrahlung oder das Windaufkommen höher ausfällt als prognostiziert. Negative Regelenergie kann aus Anlagen mit großer elektrischer Leistung bestehen, die als zusätzliche Verbraucher zugeschaltet werden, um den Überschussstrom aufzufangen (z.B. Pumpspeicherkraftwerke oder andere Stromspeicher). Prinzipiell ist auch eine Bereitstellung negativer Regelenergieleistung zum Beispiel durch das Abschalten von Windparks möglich. Die verschiedenen Arten der Regelenergie (Primär-, Sekundär-, und Minutenreserve) werden hinsichtlich der Aktivierungs- und Änderungsgeschwindigkeit zur Strombereitstellung bzw. zum Stromverbrauch unterschieden.

ResiduallastDie Residuallast umfasst die Verbraucherlast, d.h. die Nachfrage nach installierter Leistung zur Stromerzeugung abzüglich der Stromerzeugung aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie unter der Annahme, dass weder eine Flexibilisierung der Erneuerbare-Energien-Anlagen selbst noch andere Ausgleichsoptionen in Anspruch genommen werden. Die Residuallast kann auch negativ ausfallen, wenn ein Überangebot von Erneuerbaren Energien im Netz herrscht, dem eine zu geringe Nachfrage im Netz gegenübersteht.

RegelenergiemarktEin Teilmarkt des Strommarktes, an dem Regelenergie gehandelt wird. Mit der Zunahme an fluktuierenden Stromeinspeisern im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist in Zukunft ein erhöhter Regelleistungsbedarf zu erwarten. Damit gewinnt der Markt für Regelenergie an Bedeutung. Mit den Ende 2011 geänderten Rahmenbedingungen will die Bundesnetzagentur den Regelenergiemarkt für neue Anbieter, weitere flexible Lastpotenziale und neue Technologien erschließen, unter anderem um den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu fördern.

Sekundärreserve (auch: Sekundärregelenergie, Sekundärreserveleistung oder Sekundärleistung)Die Sekundärreserve zählt neben Minuten- und Primärreserve zu den drei Arten von Regelenergie, die zur Stabilität der Netzfrequenz dient. Damit ist die Bereitstellung von Stromerzeugungsleistung gemeint, die innerhalb von 5 Minuten vollständig aktivierbar bzw. deaktivierbar ist. Im Unterschied zur Primärreserve wird die Sekundärreserve nicht durch das europäische Verbundnetz, sondern vom jeweiligen nationalen Übertragungsnetzbetreiber bereitgestellt. Dabei müssen sich die nationalen Übertragungsnetzbetreiber allerdings austauschen, um ein ineffizientes „Gegeneinanderregeln“ zu vermeiden. Ebenso wie bei der Primärreserve wird Sekundärreserveleistung vom Übertragungsnetzbetreiber automatisch aus regelfähigen Kraftwerken abgerufen und es gibt positive und negative Sekundärreserve.

Smart Meter/Intelligente StromzählerNach dem Energiewirtschaftsgesetz ist seit Januar 2010 in Deutschland bei Neubauten und Grundsanierungen der Einbau von digitalen Stromzählern Pflicht. Diese erfassen im Vergleich zu den herkömmlichen Stromzählern nicht nur die Verbrauchsmenge, sondern den genauen Zeitpunkt des Verbrauchs, also den Lastverlauf und bieten dem Kunden damit zusätzliche Informationen. Je nach Modell übermittelt der Stromzähler die Daten direkt an den Stromversorger, kann Verbrauchs- und Kostenprognosen abgeben und visualisieren. Diese verschiedenen Prozesse werden als „Smart Metering“ bezeichnet. Ziel ist es, durch die Anzeige des tatsächlichen, momentanen Energieverbrauchs Effizienzpotenziale zu erschließen und Lastmanagement anzureizen. Künftig sind Smart Meter ein Bestandteil intelligenter Netze, in denen viele Akteure des Energiesystems von der Erzeugung über den Transport, die Speicherung und die Verteilung bis hin zum Verbrauch kommunikativ

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vernetzt sind und intelligent gesteuert werden. Anreize zur Steuerung des Stromverbrauchs sollen dann helfen, Verbrauchsspitzen zu vermeiden, den Verbrauch generell bei knappem Stromangebot zu reduzieren und in Zeiten hoher Stromeinspeisung aus Wind- und Solarenergie zu verlagern. Voraussetzung dafür sind variable Tarife, die von der jeweiligen Nachfrage und Netzauslastung abhängen. Verbunden mit Prognosen über das Stromangebot in den nächsten Stunden signalisieren intelligente Stromzähler den Verbrauchern, wann es gerade günstig oder ungünstig ist, Geräte einzuschalten. Die Kunden können durch lastabhängige Tarife Kosten sparen und im Stromversorgungssystem werden die vorhandene Kraftwerksinfrastruktur besser ausgenutzt bzw. Regelenergie oder Investitionen in Spitzenlastkraftwerke vermieden. Diese Funktionen sind allerdings noch kein Standard, sondern beschränken sich bisher auf Pilotprojekte zu Smart Metering und intelligenten Stromnetzen („Smart Grids“). Zum Beispiel werden im Rahmen des seit 2008 laufenden Programms „E-Energy“ intelligente Stromzähler in etwa 7.000 Haushalten und Unternehmen in sechs Modellregionen von Cuxhaven bis zum Schwarzwald dem Alltagstest unterzogen und wissenschaftlich begleitet.

Spitzenlast (Peakload)Auf dem Strommarkt werden Grundlast (Baseload) und Spitzenlast (Peakload) unterschieden. Der Handel spiegelt hier das Verbrauchsverhalten. Der Handel von Baseload-Blöcken bedeutet eine über 24 Stunden konstante Stromlieferung zur Abdeckung der Grundlast, Peakload betrifft die Stromlieferung über 12 Stunden zwischen 8 und 20 Uhr. Darüber hinaus gibt es noch Einzelstundenkontrakte, um den tatsächlichen Lastverlauf genauer abzubilden. Energietechnisch bedeutet Spitzenlast eine besonders hohe Energienachfrage, die nur an wenigen Tagen im Jahr oder an wenigen Stunden am Tag auftritt. Bei der Stromversorgung werden diese Spitzen in der Lastkurve durch Spitzenlastkraftwerke (Erdgas- oder Pumpspeicherkraftwerke) abgedeckt. Sie sind schnell regelbar und zeichnen sich durch höhere Stromgestehungskosten aus als Grundlastkraftwerke. Bioenergieanlagen können ebenfalls als Spitzenlastkraftwerke eingesetzt werden.

Stromerzeugungskosten, StromgestehungskostenGestehungskosten im Allgemeinen sind die Kosten für die Herstellung eines Gutes. Diese umfassen die Materialkosten sowie die Fertigungskosten. Die Kosten für Transport und Vertrieb werden nicht hinzugerechnet. Stromerzeugungskosten oder Stromgestehungskosten sind die Kosten, die für die Umwandlung einer Energie-quelle in elektrischen Strom aufgewendet werden müssen. Sie entstehen im Wesentlichen aus den Materialkosten wie dem Brennstoff und den Fertigungskosten, die beispielsweise die Investitionskosten für ein Kraftwerk und dessen Betrieb umfassen. Sie werden in der Regel in Euro je Megawattstunde oder Cent je Kilowattstunde angegeben. Die Einspeisevergütung des EEGs orientiert sich ebenfalls an den Stromgestehungskosten, d.h. an den Kosten, die dem Anlagenbetreiber beispielsweise einer Photovoltaik- oder Windenergieanlage entstehen.

StrombörseZentraler Marktplatz, an dem zeitlich abgegrenzte Strommengen gehandelt werden. Der Handel funktioniert ähnlich wie an Wertpapierbörsen nach dem Auktionsverfahren, mit dem Unterschied, dass der Handel an die technischen Gegebenheiten des Stroms und des Marktes angepasst ist. Dabei spielt die zeitliche Verfügbarkeit des Stroms eine entscheidende Rolle. Um zu jedem Zeitpunkt die Deckung der jeweiligen Stromnachfrage zu gewährleisten, gibt es verschiedene Handelsverfahren. Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland nimmt der Stromhandel an der Börse eine wachsende Bedeutung ein. Seit 2002 hat die deutsche Strombörse European Energy Exchange (EEX) ihren Sitz in Leipzig. Der Marktpreis, der am Ende für die gesamte an der Börse verkaufte Strommenge gilt, richtet sich nach dem teuersten Gebot, das gerade noch zum Zuge kommt, um die Nachfrage zu befriedigen, den Grenzkosten des Grenzkraftwerks. Der an der Strombörse ermittelte Preis ist auch ein wichtiger Orientierungspunkt für außerbörslich abgewickelte Stromgeschäfte, den OTC-(„Over the Counter“)Handel.

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Virtuelles KraftwerkEin Verbund aus verschiedenen dezentralen Stromerzeugungsanlagen, die zusammengeschaltet werden. Gesteuert wird ein solches Netzwerk aus kleineren Erzeugern zentral. Durch die enge Vernetzung der Einzelanlagen bekommen die vielen dezentralen Anlagen den Charakter eines Großkraftwerks. Bausteine eines virtuellen Kraftwerks können z.B. Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen, Biogasanlagen, Blockheizkraftwerke oder Wasserkraftanlagen, aber auch Energiespeicher sein, die zusammen gekoppelt betrieben werden. Die technischen und ökonomischen Vorteile und Schwachstellen der einzelnen Technologien lassen sich durch die Zusammenschaltung insgesamt ausgleichen. Das Zusammenspiel sowohl von fluktuierenden als auch regelbaren Einspeisern gewährleistet eine sichere und flexible Stromerzeugung. Ein virtuelles Kraftwerk kann z.B. Lastspitzen glätten oder Regelenergie bereitstellen. Die Bezeichnung „virtuell“ rührt daher, dass der Erzeugungsverbund nach außen hin wie ein einzelnes großes Kraftwerk erscheint, aber eigentlich kein einzelnes Kraftwerk existiert, sondern mehrere, über verschiedene Standorte verteilte Anlagen.

Quellen und weitere Informationen

Agentur für Erneuerbare Energien (AEE): Anbau von Energiepflanzen. Umweltauswirkungen, Nutzungskonkurrenzen und Potenziale. Renews Spezial 65, April 2013.

AEE: Potenzialatlas Bioenergie in den Bundesländern. Berlin, Januar 2013.

AEE: Strom speichern. Renews Spezial 57, Februar 2012.

AEE: Kosten und Preise für Strom. Renews Spezial 51, September 2011.

AEE: Erneuerbare Energien 2020. Potenzialatlas Deutschland. Berlin, Dezember 2009.

AEE: Wärme speichern. Renews Spezial 18, November 2009.

Agora Energiewende (Hg.): Kapazitätsmarkt oder strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Berlin, März 2013.

Asselner Windkraft GmbH & Co.KG, http://www.windpark-lichtenau-asseln.de.

Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE): Das BEE-Szenario Stromversorgung 2030. Dialogkonferenz BEE-Plattform Systemtransformation, 14. Dezember 2012.

Bensmann, Martin: Direktvermarktung – Erfahrungen aus der Praxis. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 45-51.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Daten und Fakten zu Biomasse. Die Novelle 2012. Berlin, Mai 2012.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Erneuerbare Energien 2012. Vorläufige Angaben, 28. Februar 2013.

BMU: Vergütungssätze, Degression und Berechnungsbeispiele nach dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom 04. August 2011 (EEG 2012). Berlin, August 2011.

Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2012. Bonn, November 2012.

Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2011. Bonn, November 2011.

Bundesnetzagentur: Beschluss Az.: BK6-10-099, Bonn, 18. Oktober 2011.

Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET): Kapazitätsmarkt. Rahmenbedingungen, Notwendigkeit und Eckpunkte einer Ausgestaltung. Aachen, September 2011.

Nr. 67 | S. 59 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag: Regenerative Energieträger zur Sicherung der Grundlast in der Stromversorgung. Berlin, April 2012.

Casaretto, Rainer u.a.: Biogas macht PV im Sommer Platz! In: Biogas-Journal 1/2013, S. 64-69.

Deutsches Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ): EEG-Monitoring 2011. Leipzig, März 2012.

DBFZ: Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß § 65 EEG. Leipzig, Juni 2011.

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)/Fraunhofer IWES/Ingenieurbüro für neue Energien (IfnE): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. Stuttgart/Kassel/Teltow, März 2012.

Diekmann, Jochen u.a.: Erneuerbare Energien: Quotenmodell keine Alternative zum EEG. In: DIW-Wochenbericht 45/2012, November 2012.

Drescher, Bodo, u.a.: Stromvermarktung außerhalb des EEG 2012. Chancen und Risiken für Biogasanlagen. DLG-Merkblatt 368, November 2011.

Ecke, Julius u.a.: Kapazitätssicherung durch Privatisierung der Versorgungssicherheit. Ein Leistungsmarkt mit dezentraler Nachfrage. Kapazitätssicherung durch Produktdifferenzierung. Kurzfassung eines Gutachtens für den VKU. In: Agora Energiewende (Hg.): Kapazitätsmarkt oder strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Berlin, März 2013, S. 65-76.

Ecofys/Fraunhofer ISI/TU Wien/Ernst & Young: Financing Renewable Energy in the European Energy Market. Brüssel, Januar 2011.

Elberg, Christina, u.a.: Der umfassende Kapazitätsmarkt. In: Agora Energiewende (Hg.): Kapazitätsmarkt oder strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Berlin, März 2013, S. 37-50.

Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI): Untersuchungen zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign. Köln, März 2012.

Enervis Energy Advisors/BET: Ein zukunftsfähiges Energiemarktdesign für Deutschland. Berlin/Aachen, März 2013.

Europäische Strombörse EEX, http://www.eex.com.

Fachverband Biogas: Branchenzahlen 2011 und Branchenentwicklung 2012/2013, November 2012.

Fachverband Biogas/Bundesverband Bioenergie: Gemeinsame Stellungnahme zum Thesenpapier des Bundesumweltministeriums zum 2. EEG-Dialog: „Potenzial und Rolle von Biogas“. Berlin, Februar 2013.

Fenner, Sebastian: Perspektiven im EEG 2012: Gemeinsam, direkt und nachhaltig vermarkten! Vortrag, Genossenschaft Deutscher Grün-Energie Erzeuger eG, Würzburg, 07. März 2012.

Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE): Energiekonzept 2050. Berlin, Juni 2010.

Fraunhofer ISI/Fraunhofer IWES/BeckerBüttnerHeld (BBH)/Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM): Anpassungsbedarf bei den Parametern des gleitenden Marktprämienmodells im Hinblick auf aktuelle energiewirtschaftliche Entwicklungen. Karlsruhe/Kassel/Berlin, Juli 2012.

Fraunhofer IWES: Ausbau und Integration von Biogasanlagen in Energieversorgungsstrukturen. Simulation zur optimalen Nutzung von Biogas und Bewertung der unterschiedlichen Nutzungspfade. Kassel, Oktober 2011.

www.unendlich-viel-energie.de

Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 60

Frey, Martin: Bioenergie verwöhnt Hotelgäste. In: Biogas-Journal 1/2013, S. 112-115.

Frey, Martin: Wichtiger Schritt Richtung Energiewende. In: Biogas-Journal 4/2012, S. 68-72.

Gaul, Thomas: Direktvermarktung entwickelt sich zögerlich. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 40-42.

Gawel, Erik/Purkus, Alexandra: Die Marktprämie im EEG 2012: Ein sinnvoller Beitrag zur Markt- und Systemintegration erneuerbarer Energien? Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ- Diskussionspapiere. 12/2012. Leipzig, August 2012.

Graßmann, Nils u.a.: Biogasstrom außerhalb des EEG vermarkten. In: Biogas-Journal 5/2012, S. 52-54.

Holzhammer, Uwe: Energiewirtschaftliches Potential der bedarfsorientierten Stromproduktion – Einblicke und Ausblicke. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.

Holzhammer, Uwe: Intelligente Betriebskonzepte für die bedarfsorientierte Stromproduktion aus Biogas und Biomethan auf Grundlage der neuen EEG-Instrumente Markt- und Flexibilitätsprämie. Vortrag 2. VDI-Konferenz „Bedarfsorientierte Stromproduktion aus Biogas und Biomethan“, Mannheim, 18./19. September 2012.

Holzhammer, Uwe: Neue Möglichkeiten für die Integration der Stromerzeugung mittels Biogas in regionalen Bioenergiekonzepten mittels der Einführung der Flexibilitätsprämie durch das EEG 2012. Tagungsbeitrag, 6. Rostocker Bioenergieforum, 14./15. Juni 2012.

Holzhammer, Uwe: Die neuen Instrumente im Detail: Marktprämie und Flexibilitätsprämie - neue Wege ohne fixe EEG Vergütung. Vortrag Fraunhofer IWES, EEG-Workshop, Bad Hersfeld, 17./18. November 2011.

Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES): Kurzfristige Effekte der PV-Einspeisung auf den Großhandelspreis. Saarbrücken, Januar 2012.

Jacobi, Fabian u.a.: Flexible Biogasproduktion. Ergänzung und Alternative zum Speicherzubau in der Direktvermarktung. In: Biogas-Journal 4/2012, S. 88-93.

Kahnt-Ralle, Edith: Wenn das Stromnetz wieder voll ist. In: Biogas-Journal 1/2013, S. 62-63.

Kahnt-Ralle, Edith/Gaul, Thomas: Flexibel sein. In: Joule 2/2013, S. 60-66.

Krzikalla, Norbert u.a.: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien. Aachen, März 2013.

Krzikalla, Norbert/Marambio, Constanze: Beitrag der deutschen Industrie zur Umsetzung der Energiewende. Techniken zur Flexibilisierung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Aachen, April 2013.

LBD Beratungsgesellschaft: Energiewirtschaftliche Erfordernisse zur Ausgestaltung des Marktdesigns für einen Kapazitätsmarkt Strom. Berlin, Dezember 2011.

LBD Beratungsgesellschaft/Öko-Institut/WWF Deutschland: 20 Fragen zur Bewertung von Kapazitätsmechanismen. Berlin, Juni 2012.

Leprich, Uwe u.a.: Kompassstudie Marktdesign. Bochum/Saarbrücken, Dezember 2012.

Leprich, Uwe: Vertriebe als Integrationsakteure. Optionen für eine marktnahe Integration erneuerbarer Energien. Vortrag, Berliner Energietage, 16. Mai 2013.

Maslaton, Martin: Aktuelles zur Direktvermarktung - Die Flexibilitätsprämie im Sinne des EEG, http://www.maslaton.de/news/Aktuelles-zur-Direktvermarktung--Die-Flexibilitaetspraemie-im-Sinne-des-EEG--n112, 28. November 2012.

Nr. 67 | S. 61 Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft

Matthes, Felix: Strommarktdesign der Zukunft. Die Topologie der aktuellen Debatten. Vortrag, Berliner Energietage, 16. Mai 2013.

Maurer, Christoph: Die strategische Reserve. Versorgungssicherheit effizient gestalten: Zur Diskussion um Kapazitätsmechanismen in Deutschland. Kurzfassung eines Gutachtens für den BDEW. In: Agora Energiewende (Hg.): Kapazitätsmarkt oder strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Berlin, März 2013, S. 27-36.

Monopolkommission: Sondergutachten zur Wettbewerbssituation auf den Elektrizitätsmärkten. Bonn, September 2011.

Müller, Torsten: Wirtschaftliche Aspekte der Marktprämie aus Erzeuger- / Beratersicht. Vortrag, Treurat und Partner, Lüneburg, 25. September 2012.

Neumann, Hinrich: Direktvermarktung: Diese Technik ist nötig. In: Top Agrar Energiemagazin, 1/2013, S. 24-27.

Öko-Institut/LBD Beratungsgesellschaft/Raue LLP: Fokussierte Kapazitätsmärkte. Ein neues Marktdesign für den Übergang zu einem neuen Energiesystem. Berlin, Oktober 2012.

O’Sullivan, Marlene u.a.: Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2012. Stuttgart u.a., März 2013.

Pecka, Michael: Direktvermarktung als Selbstverständnis. In: Energie & Management 8/2013, S. 9.

Pellmeyer, Josef: Biogas als Ausgleichsenergie. Vortrag, DUH Bioenergie-Netzwerk, Berlin, 21. Januar 2011.

Plattform Erneuerbare Energien: Bericht der AG 3 Interaktion an den Steuerungskreis der Plattform Erneuerbare Energien, die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Berlin, Oktober 2012.

Ritter, Peter: Wirtschaftlichkeit und wirtschaftlich optimierte Auslegung von flexibilisierten Biogasanlagen. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.

Regelleistung.net, Internetplattform der Übertragungsnetzbetreiber, http://www.regelleistung.net.

Sämisch, Hendrik: Bündelung von Biogasanlagen zur Regelenergiebereitstellung. Vortrag, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013

Schug, Christoph: Die Vielfalt der Biogas-Gasspeicherung. Vortragsskript, 3. VDI-Konferenz Bedarfsorientierte Stromerzeugung aus Biogas und Biomethan, Berlin, 09. April 2013.

Speckmann, Markus/Holzhammer, Uwe: Regelenergiebereitstellung durch Erneuerbare Energien. Fachgespräch Bioenergie in der Direktvermarktung und erneuerbare Regelenergie, Berlin, 06. Juni 2013.

Sterner, Michael u.a.: Erneuerbares Methan. In: Solarzeitalter 1/2010, S. 51-58, März 2010.

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL): Vermarktung von Biogasstrom. Marktintegration von Regelenergie aus landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Jena, November 2011.

Umweltbundesamt (UBA)/Nicolosi, Marco: Notwendigkeit und Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Kapazitätsmechanismus für Deutschland. Dessau-Roßlau, Juli 2012.

Winkler, Jenny u.a.: Perspektiven für die langfristige Entwicklung der Strommärkte und der Förderung Erneuerbarer Energien bei ambitionierten Ausbauzielen. Diskussionspapier Fraunhofer ISI/Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Karlsruhe, März 2013.

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Renews Spezial Bioenergie im Strommarkt der Zukunft Nr. 67 | S. 62

In der Reihe Renews Spezial sind bisher erschienen:Titel der Ausgabe Nr. Datum

Holzenergie - Bedeutung, Potenziale, Herausforderungen 66 April 13

Anbau von Energiepflanzen - Umweltauswirkungen, Nutzungskonkurrenzen und Potenziale 65 April 13

Reststoffe für Bioenergie nutzen - Potenziale, Mobilisierung und Umweltbilanz 64 April 13

Erneuerbare Wärme – Klimafreundlich, wirtschaftlich, technisch ausgereift 63 Jan 13

Planungsrecht & Erneuerbare Energien 62 Dez 12

Bundesländervergleich Erneuerbare Energien 2012 61 Dez 12

Akzeptanz & Bürgerbeteiligung für Erneuerbare Energien 60 Nov 12

Intelligente Verknüpfung von Strom- und Wärmemarkt 59 Nov 12

„Smart Grids“ für die Stromversorgung der Zukunft 58 Juni 12

Strom speichern 57 Feb 12

Akzeptanz Erneuerbarer Energien in der deutschen Bevölkerung 56 März 12

Nachhaltigkeit von Bioenergie und fossilen Energieträgern im Vergleich 55 Jan 12

Biokraftstoffe Rahmenbedingungen, Klima- und Umweltbilanz, Marktentwicklungen 54 Jan 12

Zertifizierung von Bioenergie – Wie Nachhaltigkeit in der Praxis funktioniert 53 Dez 11

Kosten und Preise für Strom 52 Sept 11

Konflikte und Risiken der Energieversorgung – Erneuerbare Energien als Beitrag zu

Ressourcenversorgung und Energiesicherheit51 Feb 11

Erneuerbare im Netz – Die notwendige Anpassung der Versorgungsinfrastruktur 50 Feb 11

Klima- und Umweltschutz durch Erneuerbare Energien 49 Feb 11

Erneuerbare Energien – Ein Gewinn für den Wirtschaftsstandort Deutschland 48 Jan 11

Erneuerbare Wärme – Klimafreundlich, wirtschaftlich, technisch ausgereift 47 Jan 11

Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien 46 Dez 10

Solarparks – Chancen für die Biodiversität 45 Dez 10

Bundesländervergleich Erneuerbare Energien 2010 44 Nov 10

Holzenergie – Bedeutung, Potenziale, Herausforderungen 43 Okt 10

Erneuerbare Energien – Mehr Unabhängigkeit vom Erdöl 42 Sep 10

20 Jahre Förderung von Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland - eine Erfolgsgeschichte 41 Sept 10

Kosten und Potenziale von Photovoltaik und solarthermischen Kraftwerken 40 Aug 10

Biokraftstoffe 38 Aug 10

Innovationsentwicklung der Erneuerbaren Energien 37 Juli 10

Daten und Fakten Biokraftstoffe 2009 36 Juli 10

Grundlastkraftwerke und Erneuerbare Energien – ein Systemkonflikt? 35 Juni 10

Anbau von Energiepflanzen 34 Juni 10

Erneuerbare Energien und Elektromobilität 33 Juni 10

Wirtschaftsfaktor Erneuerbare Energien in Deutschland 32 Juni 10

Akzeptanz der Erneuerbaren Energien in der deutschen Bevölkerung 31 Mai 10

Erneuerbare Elektromobilität 30 April 10

Strom speichern 29 April 10

Kosten und Nutzen des Ausbaus Erneuerbarer Energien 28 März 10

10 Jahre Erneuerbare-Energien-Gesetz - 20 Jahre Stromeinspeisungsgesetz 27 März 10

Kosten und Preise für Strom — Fossile, Atomstrom und Erneuerbare Energien im Vergleich 26 Feb 10

Siehe auch: http://www.unendlich-viel-energie.de/de/service/mediathek/renewsspezial.html

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Agentur für ErneuerbareEnergien e.V.Reinhardtstr. 1810117 BerlinTel.: 030-200535-3Fax: [email protected]

ISSN 2190-3581