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Blick WECHSEL Das Magazin des Liechtensteinischen Entwicklungsdienstes LED 2–2012 www.led.li Schwerpunktland: Republik Moldau

Blick WECHSEL - led.li · Wenn gwir die Infra st ruk d eB f - schulen betrachte n, ieht m ad w r zu viele Schulen h ab e n, d rP so l - bestand überaltert ist un d eSchül r - zahlen

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BlickWECHSEL

Das Magazin desLiechtensteinischen Entwicklungsdienstes LED

2–2012www.led.li

Schwerpunktland: Republik Moldau

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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Republik Moldau – Ein Land in Süd-osteuropa, etwa so gross wie diedeutschsprachige Schweiz ? WenigeMitteleuropäer habe eine klare Vorstel-lung von der Republik Moldau, in derrund dreieinhalb Millionen Menschenleben. Ab Altenrhein via Wien in dreiFlugstunden erreichbar, liegt das hüge-lige Land grösstenteils zwischen denFlüssen Prut und Dnister unweit desSchwarzen Meeres, vollständig um-schlossen von den Nachbarn Rumä-nien und Ukraine.

Die Situation der Republik Moldau istgeprägt von einer schwachen Wirt-schaft und hoher Arbeitslosigkeit,schlecht funktionierenden, öffentli-chen Dienstleistungen, maroder Infra-struktur und unproduktiver Landwirt-schaft.

Der Liechtensteinische Entwicklungs-dienst arbeitet seit fünf Jahren in die-sem Schwerpunktland und konzent-riert seine Kräfte auf den Bildungssek-tor. Vor allem die Förderung der Be-rufsausbildung soll junge und fähigeMoldauerInnen heranbilden, die eine

Im Dezember 2011 besuchte Regie-rungsrätin Aurelia Frick die RepublikMoldau und «… war tief beeindruckt,was der LED in Moldau leistet.» In die-ser Ausgabe lernen Sie, liebe Leser undLeserinnen, dieses nahe und doch soferne, unbekannte Land kennen underfahren mehr über die interessanteund wirkungsvolle liechtensteinischeEntwicklungszusammenarbeit in derRepublik Moldau!

Peter Ritter Geschäftsleiter

tragende Rolle bei der wirtschaftlichenEntwicklung des Landes einnehmen.

Seit fast zwei Jahren leitet Pius Frick alsRepräsentant des LED und als Projekt-verantwortlicher das lokale Koordina-tionsbüro in Chişinău. Neben derBegleitung nationaler und internatio-naler Partnerorganisationen bei ihrerProjektarbeit übernimmt er mit dreiMitarbeiterinnen direkte Verantwor-tung für die Umsetzung mehrerer Pro-jekte in Zusammenarbeit mit denBerufsschulen. Das ist eine grosse Her-ausforderung für das LED-Koordinati-onsbüro.

Im deutschen Sprachraum werden alsBezeichnung für das Land die Begriffe«Moldau» oder «Moldawien», seltener«Moldova», verwendet. Das Land hatsich selbst seit 1990 Republica Mol-dova genannt, in Abgrenzung zumrussischen Begriff «Moldavija», wie erin der Sowjetunion gebraucht wurde.Da «Moldawien» eine Entsprechungdes russischen «Moldavija» ist, wirddieser Name heute im offiziellenSprachgebrauch vermieden. Eine ein-heitliche Bezeichnung hat sich jedochnoch nicht eingebürgert. Im Folgen-den wird trotz der Überschneidungmit dem tschechischen Fluss ebenfallsdie Bezeichnung «Republik Moldau»verwendet.

3 Die Probleme in der moldauischen Berufsbildung 4 Die Republik Moldau

6 Stärkung der Berufsbildung 8Wärmere Schulen, geringere Heizkosten 8Aus-

bildung für den Früchte- und Gemüseanbau 9 Neugier und Initiative statt Ruhe

und Ordnung 10Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit 12 Zugang

zu Bildung für ausgegrenzte Kinder 14Die schwierige Situation der Heimkinder

16 Wirkungskontrolle in Entwicklungsprojekten 18 Korruption in Entwick-

lungsprojekten 20Microfinance – Zurück zu den Wurzeln 21 Stimmen aus dem

Süden 22 Vielfalt verlangt nach Vielfalt 23 Praktikumserlebnisse

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Das Berufsbildungssystem mussdringend reformiert werden. Arbeits-marktanalysen zeigen, dass es einengrossen Mangel an qualifizierten Ar-beitskräften gibt. In landesweiten Er-hebungen nannten 67 % der Betriebediesen Mangel ihr grösstes Problem.Das Bildungssystem fördert kaumdie Kompetenzen, die vom Arbeits-markt benötigt werden.

Die Republik Moldau möchte ein Be-rufsbildungssystem, das gut qualifi-zierte, wettbewerbsfähige Fachleuteausbildet, die sich an neue Anforde-rungen anpassen und von der Wirt-schaft des Landes gebraucht werden.Wir brauchen Berufsleute, die nebstden beruflichen Kompetenzen auchmit IT umgehen, sich sprachlich kor-rekt ausdrücken können und die rich-tige Einstellung haben.

Für eine qualitativ gute Berufsbildungbrauchen wir Berufs- und Ausbil-dungsstandards sowie einen nationa-len Qualifikationsrahmen. Ebenfallsbenötigen wir ein Akkreditierungssys-tem und eine Qualitätskontrolle. Dazumuss eine unabhängige Abschlussprü-fung eingeführt werden.

Wenn wir die Infrastruktur der Berufs-schulen betrachten, sieht man, dass wirzu viele Schulen haben, der Personal-bestand überaltert ist und die Schüler-zahlen stetig abnehmen. Die Schulensind sehr schlecht ausgerüstet. Unterdiesen Bedingungen lässt sich nicht dieAusbildung bewerkstelligen, die dieWirtschaft braucht.

Die Schulen benötigen eine leistungs-orientierte Schulleitung und einen Fi-nanzierungsmechanismus, der Initia-tive und Leistung belohnt und dazu an-

regt, engeren Kontakt mit der Wirt-schaft und den Gemeinden zu pflegen.Wir brauchen eine institutionalisierteVerbindung zwischen Bildung undWirtschaft, einen ständigen Austauschzwischen dem Bildungssystem, Arbeit-gebern, Gewerkschaften und Wirt-schaftsverbänden. Auch die Wirtschaftmuss ihren Teil zur Lösung dieses Pro-blems leisten. Betriebe sind gefordert,Verantwortung zu übernehmen undgute Praktikumsangebote zu entwi-ckeln.

All diese Aspekte könnten durch dieEntwicklungszusammenarbeit gleich-zeitig aufgegriffen werden, wobei derEinbezug von Erfahrungen aus ande-ren Ländern von grossem Vorteil wäre.

Mit dem Projekt CONSEPT hilft der LEDden Berufsschulen, Ausbildungen an-zubieten, die den Bedürfnissen derWirtschaft angepasst sind. Mit den dreiKomponenten Weiterbildung der Lehr-

kräfte, Organisationsentwicklung undAusrüstung leistet das Projekt einenwichtigen Beitrag zur Verbesserung derBerufsschulen. Von 2008 bis heute pro-fitierten 16 Berufsschulen von diesemProjekt.

Dieses Projekt ist äusserst wichtig, weiles die Modernisierung nicht nur dermateriellen Ausstattung der Schulenvorantreibt, sondern auch der Pädago-gik sowie der Lehrmaterialien. Das Bil-dungsministerium begrüsst daher dasEngagement des LED ausdrücklich undmöchte die gute Zusammenarbeit wei-ter ausbauen, um gemeinsam an einereffizienteren Berufsbildung zu arbei-ten.

Die Probleme in der moldauischen BerufsbildungVon Loretta Handrabura, Vizebildungsministerin der Republik Moldau

Projekte des LED in Moldau

Eigene Projekte (Durchführung LED)CONSEPT – Stärkung der Berufs-bildungWärmere Schulen – Verbesserungder Infrastruktur einiger BerufsschulenEdAgri – Verbesserung der landwirt-schaftlichen Berufsbildung

Projekte mit lokalen OrganisationenStep-by-Step Moldova – Besserer Unterricht in Kindergärten, Vorschulen und Primarschule-UnterstufeWinrock Moldova – Unterstützungauf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit

Projekt mit internationaler OrganisationStiftung Kinderdorf Pestalozzi –Verbesserung des Zugangs zu Bildungfür Kinder und Jugendliche von sozial benachteiligten Bevölkerungs-gruppen

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sche Sprache als zentralen Bestandteilder nationalen Identität. Die Bevölke-rungsgruppe, die sich Rumänen nichtzugehörig fühlte, empfand das als Be-drohung für ihre kulturelle Identität.Nach sich verschärfenden Spannungenzwischen rumänisch- und nicht rumä-nischsprachigen Bevölkerungsteilenkam es 1992 zu offener Gewalt, bei derüber Tausend Menschen ihr Leben ver-loren und die zur Abspaltung des mol-dauischen Gebietes jenseits des FlussesDnister führte. Seither existiert an derGrenze zur Ukranie ein dünner Land-streifen «Transnistrien», der an der rus-sischen Sprache festhält und auf demnoch immer russische Truppen statio-niert sind. Der Konflikt ist nach wie vornicht gelöst. Auch die Volksgruppe derGagauzen, die vor allem im Süden desLandes leben, stand einer Rumänisie-rung ablehnend gegenüber und ent-wickelte sezessionistische Bestrebun-gen, die aber über einen Autonomie-status aufgefangen werden konnten.

Die Frage der nationalen Identitätscheint nach wie vor eine sensible zu

sein. Das Denken in ethnischen Kate-gorien ist sehr verbreitet. Oft werdenMenschen als «Russen» oder «Bulgaren»oder «Roma» bezeichnet, obwohl diebetreffenden Personen allesamt einenmoldauischen Pass haben und schonseit Generationen in Moldau leben. Erstvor einigen Monaten wurde auf Druckdes Auslands der Vermerk zur ethni-schen Zugehörigkeit aus den Ausweis-papieren gestrichen.

Eine schwache WirtschaftDas Land befindet sich im Spannungs-feld zwischen der politischen Ausrich-tung nach Europa einerseits und derwirtschaftlichen Abhängigkeit vonRussland andererseits. Als Teil der So-wjetunion wurde Moldau die Rolle desFrüchte- und Gemüsegartens zugewie-sen. Entsprechend stark war die Wirt-schaft auf Landwirtschaft ausgerichtet.Noch immer arbeiten die meisten Mol-dauer in der Landwirtschaft. Viele In-dustriebetriebe sind nach der Unab-hängigkeit zugrunde gegangen, dennsie waren auf den sowjetischen Marktausgerichtet und Lieferanten sowie Ab-

Wer zu dieser Jahreszeit durch dieRepublik Moldau fährt, sieht das Landvon seiner schönsten Seite. SanfteHügel, Felder, so weit das Auge reicht,und dazwischen kleine Dörfer mit ein-stöckigen, oft schmucken kleinenHäuschen. Nur vereinzelt sind kleineWälder auszumachen. Auf den Feldernziehen die typischen blauen Belarus-Traktoren ihre Runden, öfter aber ar-beiten Menschen noch mit Hacke oderanderen Handinstrumenten. An denFeldrändern und auf Nebenstrassensieht man hie und da ein Pferdege-spann. In den Dörfern stehen über-dachte Ziehbrunnen zwischen denHäusern. Dem flüchtigen Betrachterbietet sich ein Bild, das einem idylli-schen Film über das Landleben ent-nommen sein könnte. Doch die Idylletrügt. Moldau ist ein europäischesLand, das gemäss jüngstem Entwick-lungsindex der Vereinigten Nationenhinter Sri Lanka oder der Mongoleirangiert.

Ein schwieriger Weg in die Unabhän-gigkeitDie Republik Moldau hat eine wechsel-hafte und von Konflikten geprägte Ge-schichte. Das kleine Land zwischenRumänien und der Ukraine wurde vonrivalisierenden Grossmächten geprägt.Mal gehörte das Gebiet zu Rumänien,dann wieder zum Russischen Reich,später zur Sowjetunion. Es gab aucheine Zeit, in der das Osmanische Reichdas Land beherrschte.

Als das Land 1991 die Unabhängigkeiterlangte, setzten sich viele für eine Wie-dervereinigung mit Rumänien ein. DieFlagge Moldaus sieht der rumänischenFlagge auffallend ähnlich. Die Landes-hymne heisst übersetzt «Unsere Spra-che» und definiert damit die rumäni-

Die Republik MoldauVon Pius Frick, LED-Koordinator in Moldau

© Ion Roshka

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satzmarkt befanden sich plötzlich hin-ter neu gezogenen Grenzen. Zudemkonnten die in Moldau produziertenGüter nur beschränkt mit den Konkur-renzprodukten aus dem Westen mit-halten. Politische Instabilität, Rechts-unsicherheit und Mangel an kompe-tenten Arbeitskräften sind Gründe fürdie nach wie vor geringen ausländi-schen Investitionen.

Moldau und MigrationWer über Moldau spricht, kommt umdas Thema Migration kaum herum. DieSchätzungen variieren. Allgemein wirdangenommen, dass rund ein Viertel derarbeitsfähigen Bevölkerung im Aus-land ihr Geld verdient und ihre Ange-hörigen in Moldau unterstützt. Manchebleiben für Jahre weg, andere verdin-gen sich jeweils als Saisonniers. DieSumme der Rücküberweisungen istentsprechend gross und die Moldauersind auf dieses Geld angewiesen – ohnediese Unterstützung fehlte es vielen amNotwendigsten. So wichtig die Über-weisungen für die Daheimgebliebenensind, Ökonomen weisen schon langedarauf hin, dass diese Gelder v. a. in denKonsum (Lebenskosten) und den Bau(als Ersatz für eine Altersvorsorge)fliessen und damit relativ wenig zurlangfristigen Entwicklung des Landesbeitragen. Das erklärt auch das wider-sprüchliche Phänomen, dass die Zahlder Menschen, die in Armut leben,zwar abgenommen hat, aber gleichzei-tig die Beschäftigungsquote stark gefal-len ist (von 54 % im Jahr 2000 auf 40 %

Die Republik Moldau

Der LED ist seit 2007 in diesem wi-dersprüchlichen und schönen Landengagiert. Seine Unterstützung kon-zentriert der LED auf den Bildungs-sektor. Das aus vier Personenbestehende Team des LED-Koordina-tionsbüros in Chişinău führt zweiBerufsbildungsprojekte durch undbetreut darüber hinaus vom LED fi-nanzierte, aber von anderen Organi-sationen umgesetzte Bildungs-projekte.

im Jahr 2009). Die Tatsache, dass ihreVerwandten im Ausland arbeiten undsie finanziell unterstützen, lässt vielejunge Menschen ebenfalls schon frühan Arbeitsmigration denken. Kaumeine Schulklasse, in der nicht Kindersitzen, deren Eltern im Ausland sind.Und auf die Frage nach den Zukunfts-plänen antworten viele: «Ins Ausland,weg von hier!»

Die vielen Menschen, die im Auslandarbeiten, hinterlassen zu Hause eineLücke. In diesem Zusammenhang istdas Problem der Sozialwaisen zu nen-nen – Kinder, die zwar Eltern haben,die jedoch aus verschiedenen Gründennicht in der Lage sind, sich um ihreKinder zu kümmern. Alkohol und an-dere Drogen spielen dabei genausoeine Rolle wie Depression, Gewalt undAbwesenheit. Migration entzieht Mol-dau nicht nur die oft besten Arbeits-kräfte, sie ist auch eine Hypothek für

die nächste Generation. Die Menschenbrauchen Perspektiven, wie man inMoldau bleiben und gleichzeitig einEinkommen generieren kann, das einLeben in Würde ermöglicht. Diese Per-spektiven in Moldau zu schaffen, isteine schwierige Aufgabe. Liechtensteinversucht, durch Verbesserungen im na-tionalen (Berufs-)Bildungssystem dazueinen Beitrag zu leisten.

LED-Team in Chisinau: Lilia Stircea, Pius Frick, Aurelia Istratii und Aurelia Vartic.

Republik Moldau

Rumänien

Ukraine

Ungarn

Slowakei

Tschechien

Österreich

Deutschland

Schweiz

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Die Berufsschulen haben in Moldaueinen schlechten Ruf. Und das zuRecht. Auf diese Schulen geht, werkeine andere Option hat. Entspre-chend hoch ist der Anteil der Kinderaus sozial und wirtschaftlich schwa-chen Familien oder Heimen.

Beim Besuch einer moldauischen Be-rufsschule trifft man auf dürftig ausge-stattete Klassenzimmer, in denen dieLehrpersonen aus dem Lehrbuch dik-tieren. Auf die jeweils nächste Stundesind die diktierten Zeilen zu lernen undmöglichst wortgetreu wiederzugeben.Das Auswendiglernen von Fakten stehtim Zentrum des Unterrichts. Oft sinddie Bücher veraltet. Nicht besser ist esin den Werkstätten, in denen der prak-

tische Unterricht stattfindet. Für sinn-volle praktische Übungen fehlen so-wohl Ausrüstung als auch Verbrauchs-materialien. In den Wintermonatenbleibt die eine oder andere Werkstattgeschlossen, da sie keine Heizung hat.Doch die zentrale Schwachstelle liegtbei den Lehrkräften selbst. Sie sindmangelhaft ausgebildet. Kein Wunder,ist der Unterricht nicht gerade effizient.Die Wirtschaft beklagt sich schonlange, dass die Absolventen dieserSchulen völlig unzureichend ausgebil-det sind.

Diesen Zustand in einer Reihe von Be-rufsschulen zu ändern und die Ausbil-dungen zu stärken, ist das Ziel des vomLED durchgeführten Projektes CON-SEPT (Consolidarea Sistemului de Edu-

caţie Profesională Tehnică în Moldova).Mittlerweile ist der LED bereits seitüber vier Jahren in der Berufsbildungtätig und zählt zu den wichtigsten Part-nern des Bildungsministeriums in die-sem Bereich.

Die PartnerschulenIn den ersten vier Jahren wurden ins-gesamt 8 Berufsschulen gefördert, seit2012 wurde die Zahl der Berufsschulenauf 14 erhöht. Der LED konzentriertsich nun auf die Förderung von vierBerufen. Unterstützt werden die Aus-bildungen Koch/Köchin, SchneiderIn,ElektromonteurIn und SchweisserIn.Bei der Auswahl der Schulen wurde be-sonders auf die Bereitschaft zur Verän-derung und Anpassung an die Be-dürfnisse des Arbeitsmarktes geachtet.

Stärkung der BerufsbildungVon Lilia Stircea, LED-Mitarbeiterin in Moldau

Ein Elektriker-Lehrling erklärt LED-Mitarbeiterin Lilia Stircea die Prüfungsarbeit.

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Meist sind das die engagierteren Schu-len. Es macht wenig Sinn, «schlafende»Schulen zu fördern. Schulen, die zuwenig Initiative zeigen, werden ausdem Projekt ausgeschlossen. An ihrerStelle erhalten neue Schulen dieChance zu zeigen, wie aktiv sie sind.Dieser kompetitive Ansatz stellt sicher,dass die Unterstützung denjenigenSchulen zugutekommt, die das Besteaus der Unterstützung des LED machenund an der Lösung der Probleme arbei-ten.

Eine bessere SchulleitungDie Stärkung der Schulleitung ist eineGrundvoraussetzung für eine guteSchulentwicklung. Die moldauischenSchulen sind sehr hierarchisch struk-turiert. Im Rahmen des Projektes ent-wickelt jede Schule einen eigenenEntwicklungsplan. Die Schulleitungund das Lehrerteam setzen sich zu-sammen, reflektieren Probleme undmögliche Lösungen. Sie entwickelneine gemeinsame Vision und überneh-men Verantwortung für ihre Schule.Statt auf Direktiven von oben zu war-ten, gilt es, die Zukunft selbst in dieHand zu nehmen. Und je aktiver eineSchule ist, desto mehr Gestaltungs-raum hat sie.

Besser ausgebildete LehrkräfteLehrpersonen sind zentral für jedeSchule. Ohne gute Lehrkräfte nütztauch die beste Ausrüstung nichts. DasProjekt fördert die Weiterbildung derLehrkräfte. Zum einen erhalten sie pä-dagogische Trainings, zum anderen be-ruflich-technische Weiterbildungen.

Für die pädagogischen Trainings hatder LED eine nationale Weiterbil-dungsstruktur für Berufsschullehrergeschaffen. In umfangreichen Semina-ren wurde das Weiterbildungszentrumder Technischen Universität gestärkt.Das erhaltene Wissen und Könnengeben die AusbildnerInnen nun an dieLehrkräfte der Partnerschulen weiter.

Die beruflich-technische Weiterbil-dung orientiert sich am individuellenBedarf der AusbildnerInnen und wirdzusammen mit Betrieben aus der Wirt-schaft und der entsprechenden Fakul-tät der Technischen Universität durch-geführt. Für die Koch-AusbildnerInnenz. B. wurden diesen Sommer zwei ein-wöchige Trainings mit der Catering-Vereinigung durchgeführt.

Besser ausgerüstete WerkstättenFür eine praxisnahe Ausbildung sindauch adäquat ausgerüstete Werkstättennötig. Zusammen mit den Ausbildner-Innen wird der Bedarf für die Werk-

Stärkung der Berufsbildung

Projektname CONSEPT – Stärkung der BerufsbildungOrganisation LED Projektstart 2007Projektbeitrag CHF 624‘105 (2012)

stätten eruiert. Das ist ein intensiverDialog und es ist wichtig, dass nicht dasProjekt entscheidet, was die Schulebraucht, sondern die Lehrkräfte, die inder Werkstatt mit den SchülerInnen ar-beiten. Ebenso muss der lokale Marktbeachtet werden: Was bekommt manvor Ort, gibt es Ersatzteile und einenReparaturservice?

Einheitliche Lehrpläne und guteLehrmittelNeu kommt hinzu, dass die Lehrpläneüberarbeitet und vereinheitlicht wer-den. Das geschieht zusammen mit denLehrpersonen und Vertretern der Wirt-schaft. Bisher hat jede Schule ihren ei-genen Lehrplan, der sich v. a. an denFertigkeiten des Lehrpersonals sowiean den materiellen Möglichkeiten ori-entiert. Eine Vereinheitlichung sollKlarheit darüber schaffen, was die Ab-solventen wissen und können müssenund was nicht.

Letztendlich ist auch der Bedarf anguten Lehrmitteln gross. Manchmalkönnen diese zum Beispiel in Rumä-nien beschafft werden, manchmalmüssen aber auch Lehrmittel entwi-ckelt werden.

EigenverantwortungStatt eine einzige mustergültige Mo-dellschule (d. h. eine Parallelstruktur)zu schaffen, die vollumfänglich vomProjekt finanziert wird, beschränkt sichdas Projekt auf die Verbesserung der öf-fentlichen Berufsschulen. Dem Staatsoll die Verantwortung nicht aus derHand genommen werden. Der LEDnimmt bei der Stärkung der Berufsbil-dung zwar eine wichtige Unterstüt-zungsfunktion ein, die Verantwortungbleibt jedoch zu jeder Zeit bei denSchulen und beim Bildungsministe-rium.

«Ein zentrales Element des Projekteswar die Erarbeitung des Schulent-wicklungsplans, der mehr ist als nurdas Produkt der Schulleitung und desLehrerteams. Er brachte uns dazu,über unsere Möglichkeiten nachzu-denken und reale Veränderungen ein-zuleiten. Diese Aktivitäten waren sehrwertvoll, weil sie auch den Teamgeistgefördert und uns zu einer lernendenOrganisation gemacht haben.»

Direktor der Bau-Berufsschule in Chisinau

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Zwei weitere vom LED durchgeführte Projekte in Moldau Von Pius Frick, LED-Koordinator in Moldau

Ausbildung für den Früchte-und Gemüsebau

Moldau ist ein Agrarland. Landwirt-schaft ist ein eminent wichtiger Sektorin Moldau, auch was die Beschäfti-gungszahlen anbelangt. Gleichzeitigfällt die Produktivität der moldaui-schen Landwirtschaft im Vergleich zuden Nachbarländern stark ab. FehlendeInvestitionen sind ein Grund, fehlen-des Know-how ein anderer. Im Junidieses Jahres hat der LED beschlossen,sein Engagement für die Berufsausbil-dung um ein weiteres Kapitel zu erwei-tern. Drei Landwirtschaftsschulen wer-

Wärmere Schulen, geringereHeizkosten

In Moldau herrscht ein kontinentalesKlima, d. h. heisse Sommer und kalteWinter. Die öffentlichen Gebäudestammen fast durchwegs noch auseiner Zeit, in der Energie beim Planenund Bauen kaum eine Rolle spielte.Moldau erhielt Kohle, Öl, Gas undStrom von den benachbarten sowjeti-schen Republiken auf der Basis einerzentral strukturierten Planwirtschaft.Seit der Unabhängigkeit muss die Re-publik Moldau für eingeführte Energiezahlen und die wärmetechnischschlechte Bauweise wird zur finanziel-len (und ökologischen) Belastung. DieGaspreise werden stetig nach oben an-gepasst und bewegen sich nun auf mit-teleuropäischem Niveau.

Ein irrational grosser Teil des Schul-budgets muss jeweils für Heizkosten

aufgewendet werden. Die Temperaturin den Schulen ist während der kaltenJahreszeit trotzdem relativ tief, weshalbLehrpersonal und Schüler in Winter-jacken den Unterricht abhalten müs-sen. Werkstätten sind oft gar nichtgeheizt, was zur Folge hat, dass siewährend der grössten Kälte gar nichtgenutzt werden können.

Um hier eine Besserung zu erreichen,hat der LED beschlossen, dringend not-wendige Infrastrukturmassnahmen indrei Partnerschulen zu finanzieren. Fürdiese zusätzliche Unterstützung wur-den die drei engagiertesten Schulen desBerufsbildungsprojektes ausgewählt.Darunter befindet sich die Berufs-schule Nr. 1 in Cupcini, im Norden desLandes. Das Gebäude, in dem Werk-

stätten und das Studentenheim unter-gebracht sind, verfügte während vielerJahre über keine Heizung. Wärmewurde durch allerlei provisorisch in-stallierte Elektrogeräte produziert.Nicht schwer vorzustellen, dass dieStromrechnung quasi durch die Deckeging. Jetzt werden Heizkörper einge-baut und das System an den bereitsvorhandenen Heizkessel angeschlos-sen. Unsere Vorbedingung, im gesam-ten Gebäude neue Fenster zu ins-tallieren, hat das Bildungsministeriumbereits erfüllt, sodass die Arbeiten amHeizungssystem in den Sommerferienbeginnen konnten. Der Verbrauch anErdöl und damit die Rechnung fürEnergie wird im nächsten Winter mitSicherheit um einiges geringer ausfal-len.

Projektname EdAgri – Verbesserung der landwirtschaftlichen Berufsbildung

Organisation LEDProjektstart 2012Projektbeitrag CHF 208‘884 (2012)

Projektname Wärmere Schulen – Verbesserung der InfrastrukturOrganisation LEDProjektstart 2012 (einjähriges Projekt)Projektbeitrag CHF 308’000 (2012)

team wird mit jeder Schule jährlichePläne erarbeiten, wie die Ausbildungverbessert werden kann und welchesder Beitrag des LED resp. der Schulesein muss. Wie in anderen Projektenwird der LED auch hier seine Unter-stützung vom Einsatz der Schulen ab-hängig machen. Wer sich mehr enga-giert, den werden wir stärker unter-stützen und umgekehrt.

den in der Professionalisierung derAusbildung im Bereich Früchte- undGemüsebau unterstützt. Es wird einebesondere Herausforderung sein, dieAusbildung so praxisnah wie möglichzu gestalten. Ein gutes Potenzial dafürbietet der schuleigene Betrieb, der bis-her vorwiegend für die Erwirtschaf-tung von Einkommen, aber nur be-schränkt für die praktische Übung derLernenden benutzt wurde. Das Projekt-

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Ein Kind, das in einem mol-dauischen Dorf lebt, hat um einigesschlechtere Startbedingungen alsseine AltersgenossInnen in der Stadt,denn auf dem Land ist die Armutgrösser als in den Städten. Entspre-chend grösser ist auch die Anzahl derEltern, die im Ausland arbeiten undihre Familie zurücklassen.

Diejenigen, die bleiben, haben oftSchwierigkeiten, über die Runden zukommen. Depression und Alkoholgehen oft mit Armut einher. Darüberhinaus ist die soziale Infrastruktur aufdem Land weniger gut entwickelt. DieFolge ist eine mangelhafte Förderungder Kinder. Eine Studie zum Entwick-lungsstand der Kinder bis sieben Jahrehat ergeben, dass Kinder auf dem Landweit unter dem Durchschnittsniveauliegen. Das wirkt sich stark auf die Zu-kunftschancen aus. Die Wahrschein-lichkeit ist gross, dass diese Kinderschlechtere Schulleistungen erbringenund ihnen deshalb viele Möglichkeitenverschlossen bleiben.

«Ein guter Start für Kinder auf demLand» ist ein Projekt, das die Pädagogikin den Kindergärten, den Vorschulenund Primarschule-Unterstufen verbes-sert. Denn wichtig ist nicht unbedingt,wie der Kindergarten aussieht, son-dern, was dort gemacht wird.

In den vergangenen drei Jahren hat dieRepublik Moldau grosse Anstrengun-gen unternommen, um in bisher ver-nachlässigten Dörfern Kindergärtenaufzubauen. Etwa 100 Kindergärtenwurden in Gemeindezentren einge-richtet. Step-by-Step hat mit Unterstüt-zung des LED die Lehrpersonen dieserKindergärten aus- und weitergebildet.Die gängige Erziehung, die einseitig auf

In den kommenden drei Projektjahrensoll das Erreichte konsolidiert werden.Zudem wird die Lehrerausbildung ver-bessert, sodass bereits in den Lehrerse-minaren eine kindgerechte Pädagogikvermittelt wird. Einige der bereits ge-förderten Kindergärten dienen dabeials Modell für die Lehrerausbildung.

Disziplin und Ordnung ausgerichtet ist,wird durch eine Pädagogik ersetzt, dieKinder möglichst vielfältig fördert.Schliesslich sollen sie während der Zeitim Kindergarten nicht bloss «versorgt»sein. Vielmehr muss ihre kognitive, so-ziale, motorische Entwicklung geför-dert werden. Um diesen Wechsel zubewirken, braucht es eine praxisorien-tierte Weiterbildung, welche die neuePädagogik nicht nur theoretisch ver-mittelt, sondern die Lehrpersonenauch im Schulzimmer begleitet. DennWissen und Tun geht oft nicht Hand inHand. Das Ziel ist erreicht, wenn dieLehrperson die kindliche Neugier undden Willen zum Lernen nicht zuguns-ten von Ruhe und Ordnung unter-drückt, sondern fördert. Das benötigteinen grundlegenden Wandel der Ein-stellung und der Arbeitsweise unddamit Zeit.

Neugier und Initiative statt Ruhe und OrdnungVon Cornelia Cincilei, Direktorin von Step-by-Step Moldau

Umgesetzt wird das Projekt von Step-by-Step Moldau – eine sehr erfahrenemoldauische Organisation im BereichFrüherziehung und Pädagogik in derUnterstufe. Step-by-Step ist eine lo-kale Organisation mit internationalerExpertise. Die Organisation ist Mit-glied der Internationalen VereinigungStep-by-Step (ISSA) und steht in re-gelmässigem fachlichem Austauschmit anderen Organisationen, die sichebenfalls auf diesen Fachbereich kon-zentrieren. Step-by-Step wird vomLED seit 2009 unterstützt.

Projektname Besserer Unterricht in Kindergärten, Vorschulen und Primarschule-Unterstufe

Organisation Step-by-Step Moldova (lokale Organisation)Projektstart 2009Projektbeitrag CHF 130 ‘000 (2012)

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rock Moldova. Kürzlich besuchten wirzusammen mit Mitarbeitenden desLED einige der Jungunternehmer-Innen – ein Augenschein:

Criuleni ist eine Kleinstadt mit ca.15’000 Einwohnern direkt am FlussNistru und damit an der Grenze zur ab-trünnigen Republik Transnistrien. Wirbetreten die Berufsschule Nr. 2 in Criu-leni – ein Plattenbau aus den 60er-Jah-ren. Im Direktorenzimmer empfängtuns Maria Kalinkin, eine Frau um dieFünfzig, mit lieben Augen und einemfreundlichen Lächeln. Beim Gesprächund beim Rundgang durch die Schulewird schnell klar, dass wir eine sehr un-ternehmerisch denkende Frau vor unshaben, die ständig Mittel und Wegesucht, die Schule weiterzubringen. Dader Staat die Berufsschulen chronischunterfinanziert, sind solch engagierteMenschen dringend nötig. Kein Zufall,

Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit Von Sofia Shuleanschi, Direktorin von Winrock Moldova

Winrock Moldova unterstützt jungeLeute, die sich selbstständig machenwollen. Oft sind das Absolventen vonBerufsschulen. In umfangreichenKursen erhalten sie wichtige Kennt-nisse und Tipps.

Dienstleister und Ämter, die für Unter-nehmer wichtig sind, werden in dieKurse miteinbezogen. Jungunterneh-merInnen erzählen von ihren Schwie-rigkeiten und welche Lösung siegefunden haben. Schliesslich verfassendie TeilnehmerInnen einen Business-plan, der von einer Jury auf Herz undNieren geprüft wird. Die Kandidatenmit den überzeugendsten Strategienerhalten ein Startgeld (finanziert voneiner anderen Stiftung). Die Betreuungall derer, die den Schritt in die Selbst-ständigkeit gewagt haben, ist ein wich-tiges Element der Tätigkeit von Win-

dass sie selbst die neuen Kurse für En-trepreneurship leitet. Sie erzählt unsvon den vielen Hürden, die die Schulennehmen müssen, um sich selbst zu hel-fen. Bei allem Verständnis für Vorsichtund Antikorruptionsmassnahmen –uns kommt vor, dass die Behördenständig nach Gründen suchen, weshalbetwas nicht geht, statt Unterstützung zuleisten, damit etwas gemacht werdenkann. Vor einigen Jahren gelang esMaria Kalinkin, ein ungenutztes Schul-gebäude einem moldauisch-italieni-schen Textilbetrieb zu vermieten. DerBetrieb hat das Gebäude zuerst reno-viert und bietet mittlerweile Prakti-kumsplätze für eine Handvoll Prakti-kanten und Praktikantinnen der Be-rufsschule. Das Gebäude bleibt inSchuss und die Schule erhält zusätzli-che Mittel z. B. für die horrenden Heiz-kosten. Da die Schule auch eine Mensahat, die nur einmal täglich in Gebrauchist, wollte die Direktorin auch diese In-frastruktur besser nutzen und einenCatering-Service für den Textilbetriebaufziehen, doch diese Pläne scheitertenam Widerstand des Bildungsministeri-ums. «Entweder sie finanzieren uns so,dass wir einen anständigen Schulbe-trieb führen können, oder sie gebenuns den Spielraum, gute Gelegenheitenfür Einkommen zu nutzen. Doch bei-des ist nicht der Fall. Das geht dochnicht!» Mit den Einwänden der Behör-den gibt sie sich nicht zufrieden. Siewird nach weiteren Möglichkeiten su-chen und hartnäckig weiterbohren amdicken Brett der moldauischen Büro-kratie.

Olga – Schneiderin mit 150 % ArbeitsbelastungWir besuchen eine Unternehmerin undeinen Unternehmer, die auf demSchulgelände arbeiten. Im eingemiete-ten Textilbetrieb treffen wir Olga. Die

Dumitru, ein Absolvent des Entrepreneurship-Kurses, bei der Reparatur eines Handys.

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junge selbstbewusste Frau ist Vollzeitin der Firma als Verantwortliche fürQualitätssicherung tätig. Nebenher bil-det sie sich an der Technischen Univer-sität weiter. Zusätzlich zu Arbeit undFernstudium betreibt sie ein kleinesAtelier in ihrem Dorf, zusammen mitihrer Mutter. Zusammen mit der Schul-direktorin plant sie, einen schuleige-nen Textilbetrieb zu eröffnen, der u. a.Restmaterialien der eingemietetenFirma verarbeitet und beispielsweiseKochhandschuhe und Ähnliches her-stellt. Ihre Mutter wird dann das Atelierim Dorf ganz übernehmen und sie wirdnebst der Arbeit in der auswärtigenFirma auch noch die Arbeit im schulei-genen Betrieb übernehmen. Wir sindbeeindruckt von den ambitioniertenPlänen der jungen Frau, ihrer Zuver-sicht und vor allem ihrem Durchhalte-vermögen. Freizeit scheint für diesejunge Frau ein rares Gut zu sein. «VieleMänner denken, dass Frauen nicht ge-eignet sind, ein eigenes Unternehmenaufzubauen oder zu führen. Ich weiss,dass das nicht stimmt und dass wirFrauen das ebenso gut können.»

Dumitru – Serviceleistungen fürElektronikgeräteDer zweite Unternehmer ist derschüchterne Dumitru. Er bietet ver-schiedenste Serviceleistungen für elek-tronische Geräte wie Mobiltelefone,Fotoapparate und Computer an. Erkann das Hinterzimmer des Computer-raums der Schule benutzen. AnstattMiete zu bezahlen, kümmert er sichum die Wartung aller Computer derSchule. Kunden hat er regelmässig –doch er hat begrenzte Kapazitäten fürAufträge, da er noch ein Fernstudiuman der Technischen Universität absol-viert. «Die Technik macht rasche Fort-schritte, und um da am Ball zu bleiben,muss ich mich weiterbilden.»

Unterstützung auf dem Weg in die Selbstständigkeit

Wenn es technische Probleme gibt, fin-det er meist die notwendigen Informa-tionen auf spezialisierten Foren imInternet. Kunden findet er auf ver-schiedene Arten: Mund-zu-Mund-Pro-paganda funktioniert in der Kleinstadtgut, denn die Leute sind sich gewöhnt,gute Erfahrungen weiterzuempfehlen.Ausserdem hat er eine Internetseite, dieseine Dienstleistungen anbietet.Schliesslich besteht ebenfalls eine loseZusammenarbeit mit einem örtlichenServicezentrum für Mobiltelefone, dasab und zu Aufträge an ihn weitergibt.Nach den Kursen von Winrock hat ereinen überzeugenden Businessplanvorgelegt und eine Startfinanzierungvon ca. 1’000 Euro bekommen, mit derer sich die Grundeinrichtung, Messge-räte und eine Lötvorrichtung kaufenkonnte.

Tatiana – durch Qualität zum ErfolgZwanzig Minuten entlang des Dnisternach Norden, im kleinen Dorf Molo-vata Veche begegnen wir Tatiana. Auchsie verdient als Schneiderin ihren Le-bensunterhalt. Sie lebt zusammen mitihren Eltern in einem kleinen Dorf. IhreSchwester arbeitet ebenfalls als Schnei-derin, aber in Moskau. Das Geschäftläuft nicht besonders gut. Mit den Prei-sen, die die Leute im Dorf zu zahlen be-reit sind, bringt die Arbeit gerade genugein, um sich und das Baby über dieRunden zu bringen. Gerne hätte sieeine stärkere Nähmaschine, mit der sieauch dickere Stoffe nähen kann. Siewill sich durch bessere Qualität vonihren Konkurrenten abheben und istzuversichtlich, dass sich ihr Geschäftdadurch stetig verbessern wird.

Projektname Unterstützung auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit

Organisation Winrock Moldova (lokale Organisation)Projektstart 2008Projektbeitrag CHF 250‘648 (2012)

Die Jungunternehmerin Tatiana präsentiert uns stolz ihr Diplom und ihre Kollektion.

Zugang zu Bildung für ausgegrenzte Kinder und interkulturelle Bildung Von Markus Berger, Stiftung Kinderdorf Pestalozzi

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Die Stiftung Kinderdorf Pestalozziarbeitet seit vielen Jahren in Südost-europa in einem Umfeld, das vonethnischen Konflikten und wirt-schaftlichen Krisen geprägt ist. Seit2009 auch in der Republik Moldau,dem ärmsten Land Europas.

Dabei steht der Zugang zu einer hoch-stehenden Grundschulbildung für Kin-der, die von der Gesellschaft ausge-grenzt werden, im Vordergrund. Einer-seits fördern wir die Integration vonKindern mit Behinderungen in den öf-fentlichen Schulen. Andererseits unter-stützen wir zusammen mit der lokalenPartnerorganisation eine Methodik fürdie Schulbegleitung von Roma-Kin-dern, die «Schule nach der Schule». In-terkulturelle Bildungsprojekte für jun-ge Menschen fördern zudem den Auf-bau einer modernen, demokratischenGesellschaft in Moldau.

Schritt für Schritt Hürden überwin-denDas Projekt «Schritt für Schritt könnenRoma-Kinder vorwärtskommen» unse-rer Partnerorganisation Tarna Romschafft die Voraussetzungen, dassRoma-Kinder die Hürden auf dem Wegzur Bildung überwinden können undeinen besseren Start ins Leben bekom-men.

Roma-Kinder können nach den regulä-ren Schulstunden am Nachmittag di-rekt in den «Schule nach derSchule»-Unterricht. Hier machen sieihre Hausaufgaben, erhalten Bücherund Schulmaterial, aber auch Nahrung,Kleidung und Schuhe, ohne die sie inder kalten Jahreszeit weder die Schulenoch den Stützunterricht besuchenkönnten. Begleitet werden sie von spe-ziell ausgebildeten Roma-Mediatorin-

nen, die die persönliche Situation derKinder kennen und deren Eltern vonder Notwendigkeit des Schulbesuchsüberzeugen. Sie helfen auch bei der In-tegration der Roma-Kinder in dasSchulsystem und vermitteln bei Pro-blemen mit LehrerInnen und Mitschü-lerInnen.

Zugang zu Bildung für Kinder mit BehinderungenDas Schulhaus Lyceum Pro Success inder moldauischen Hauptstadt Chişinău

ist hell und freundlich eingerichtet.Speziell an dieser Schule ist, dass sierollstuhlgängig ist. Von den 175 Schü-lerinnen und Schülern der 1. bis 12.Klasse haben 18 eine Behinderung, diemeisten davon körperlich. Pro Successist eine von vier Pilotschulen des Pro-jektes Speranta, die nach dem Systemder inklusiven Pädagogik funktionie-ren. Ziel ist, dass die Kinder trotz ihrerBehinderung in der Schule sozialisiertwerden können. Damit ihre speziellenBedürfnisse abgedeckt sind, werden fürsie individuelle Lehrpläne erstellt. Sieerhalten massgeschneiderte, pädagogi-sche und therapeutische Unterstüt-zung, das heisst, sie lernen Dinge, diefür sie wichtig sind, um sozial integriertleben zu können.

Friedliches Zusammenleben ist lernbarEs ist eine friedliche Stimmung in derSchulanlage des Lyceum Mihai Emi-nescu in Cimislia an diesem Samstag-morgen im Mai. Nach und nachtröpfeln sie herein, die Jugendlichen,von den verschiedensten Schulen desBezirks. Dumitru und Dorin werdenden Workshop «Mit interkultureller Bil-dung gegen Diskriminierung und Into-

leranz» leiten, beide auch gerade mal 16Jahre alt.

In dem kleinen Land zwischen Ukraineund Rumänien lebt eine Vielfalt vonKulturen: Moldauer, Rumänen, Gagau-zen, Roma, Russen, Weissrussen, Polen,Deutsche, Tataren und noch weiterekleinere Gruppen. Die 3,5 MillionenEinwohnerinnen und Einwohnerleben aber mehr nebeneinander alsmiteinander. Nur wenige von ihnensind sich überhaupt bewusst, dass ver-schiedene Ethnien in ihrem Landleben. Man kennt einander nicht, willdas auch nicht und verschweigt seineeigene Kultur. Eine gemeinsame natio-nale Identität gibt es nicht. Vorurteilewerden nicht hinterfragt, Hass undKonflikte können die Folge sein. Zu-sammen mit dem Nationalen Jugend-rat (NYCM), der Partnerorganisation inMoldau, fördert die Stiftung KinderdorfPestalozzi in einem Projekt Begegnun-gen und Austausch zwischen Kindernund Jugendlichen verschiedenster Kul-turen.

Die Jugendarbeit zeigt: Es ist möglich,dass verschiedene Kulturen friedlichzusammenleben. Und friedliches Zu-sammenleben lässt sich lernen. Was imKinderdorf in Trogen vor über 66 Jah-ren begann, strahlt heute weit in dieWelt hinein und wird immer weiterge-geben, von Mensch zu Mensch.

Die Arbeit im Kinderdorf Pestalozziin Trogen

emPower: Interkulturelle Ausbil-dung für junge ErwachseneJunge Erwachsene aus verschiedenenLändern absolvieren eine neunmona-tige interkulturelle Ausbildung im Kin-derdorf Pestalozzi in Trogen. Sie kom-men aus Ländern und Regionen, in

Zugang zu Bildung für ausgegrenzte Kinder und interkulturelle Bildung

denen die Stiftung Kinderdorf Pesta-lozzi tätig ist – aus Zentralamerika, Ost-afrika, Südostasien und Südosteuropa.Die jungen Erwachsenen sind zwi-schen 22 und 28 Jahre alt und arbeitenbei unseren Partnerorganisationen. DieStudierenden werden in den BereichenInterkulturalität, Entwicklungszusam-menarbeit und Bildung unterrichtet,gefördert und weitergebildet, mit demZiel, die Partnerorganisationen beimAufbau von Kompetenzen zu unter-stützen. Einer dieser Studenten ist Eu-geniu Spatari, 27 Jahre, aus Moldau. Erhat einen Bachelor of Law und arbeitetfür die Partnerorganisation CNTM alsLeiter des Jugendprogramms.

Interkulturelle Austauschprojekte –Multiplikatoren für die kulturelleVielfaltSie sind heimgekehrt: die Kinder ausMoldau, die diesen Sommer zwei Wo-chen im Kinderdorf Pestalozzi als fes-ter Bestandteil unserer internationa-len Bildungsarbeit verbringen durften.Dabei trafen sie auf Schweizer Schul-kinder und stärkten in der direkten Be-gegnung ihre sozialen und interkul-turellen Kompetenzen, lernten mitein-ander zu reden, statt gegeneinander zukämpfen. Denn Friedensbereitschaftund gegenseitiger Respekt sind die Vor-aussetzungen für eine Welt, in der dieKinder frei und glücklich aufwachsenkönnen.

Projektname Verbesserung des Zugangs zu Bildung für Kinder und Jugendliche von sozial benachteiligen Bevölkerungs-gruppen

Organisation Stiftung Kinderdorf Pestalozzi (Internationale Organisation)

Projektstart 2009Projektbeitrag CHF 200‘000 (2012)

© Fotos von Roland Schnetz, zur Verfügung gestellt von der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi

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Die schwierige Situation der HeimkinderVon Smiljana Simeunovic Frick, LED-Mitarbeiterin bei der Organisation CRIC

Die Situation in den staatlichen Hei-men in Moldau ist bedenklich. Dortsind nicht nur Waisenkinder unter-gebracht, sondern auch viele Kinder,deren Eltern aus verschiedenenGründen nicht in der Lage sind, sichum sie zu kümmern. In jüngster Zeitwurden einige Heime geschlossen,weitere Schliessungen sollen folgen.

Die moldauische Regierung versucht,die Heimstrukturen abzubauen unddie gesellschaftlichen Bedingungen sozu verbessern, dass Kinder gar nichterst in Heime eingewiesen werden.Aufgrund der Bemühungen, Kinderaus dem Heim zu bekommen, sind dieHeime selbst und die Kinder, für die eskeine entsprechende Lösung gibt, ausdem Blickfeld geraten. Die Zahl derKinder, die in Heimen untergebrachtsind, ist nach wie vor hoch und es wirdnoch lange eine gewisse Heimstrukturbrauchen. Die Heimschliessungen sinddaher nur eine Teillösung. Um dieChancen der Heimkinder für eine Inte-gration in die Gesellschaft zu verbes-sern, müssen sich Heime, und vorallem deren Erziehungs- und Bildungs-methoden ändern.

Die Erziehung zur Unselbstständig-keitDie Heime haben eigene Schulstruktu-ren. Die Heimkinder gehen nicht in dieöffentliche Schule des Ortes. Die Bil-dung, welche die Kinder in diesenHeimschulen erhalten, bereitet sienicht für ein selbstständiges Leben vor.Das trifft zwar auch auf viele öffentli-che Schulen zu, doch während die an-deren Kinder Eltern haben, die ihnenviele praktische Dinge beibringen unddie Kinder begleiten, haben die Heim-kinder niemanden, der diese Rolleübernimmt. Deshalb ist es für sie noch

wichtiger, dass gewisse, fürs Lebenwichtige Dinge in der Schule vermitteltwerden. Die Heimkinder wissen z. B.nicht, welche Möglichkeiten ihnennach dem Heim offenstehen und wel-che Unterlagen sie dazu benötigen. Die-jenigen, die sich für eine weiter-führende Schule oder eine Berufs-schule einschreiben möchten, erhaltenoft die dafür notwendigen Dokumentenicht, werden von Amtsstellen igno-riert oder auf andere Weise benachtei-ligt. Dies ist deshalb möglich, weil dieseKinder für gewöhnlich niemandenhaben, der sich für sie einsetzt. Unddiejenigen, die es schliesslich schaffen,sich an einer weiterführenden Schuleeinzuschreiben, berichten oft, dass sieSchwierigkeiten haben, Schule und

Haushalt zu meistern, da sie völlig aufsich gestellt sind. Die Lebensbedingun-gen in den Heimen sind schlecht unddurch ein Übermass an Kontrolle ge-kennzeichnet. Alles ist festgelegt undalles wird bereitgestellt. Wenn die Ju-gendlichen mit 16 oder 17 Jahren ausdem Heim kommen, haben sie imGrunde keine Ahnung vom Leben aus-serhalb dieser Strukturen.

Die Arbeit des KinderrechtszentrumsDas Kinderrechtszentrum (CRIC) ar-beitet bereits seit 2002 mit Heimkin-dern. Dabei werden mehrere Ebenenmiteinbezogen: die Heimleitungen, dasHeimpersonal, die Gemeinden, die So-zialarbeiterInnen und natürlich auchdie Heimkinder. Ziel ist, dass die Kinder

Das Kinderrechtszentrum (CRIC) organisiert regelmässig Workshops mit Heimkindern.

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Die schwierige Situation der Heimkinder

mehr Kontrolle über ihr eigenes Lebenerhalten und den Übergang ins Lebenausserhalb des Heims meistern.

In Kursen bringt CRIC den Jugendli-chen bei, wie man eine eigene Mei-nung entwickelt, mit Gefühlen undKonflikten umgeht, sich ausdrückt undvieles mehr, was man zum täglichenLeben braucht. Auch Berufsberatungist ein wichtiges Thema. Die Kindermüssen ja herausfinden, welchen Wegsie überhaupt nach dem Heim ein-schlagen sollen. Leider gibt es in Mol-dau keine Berufsberatungsstellen. CRIChat deshalb selbst Informationsmate-rial und einen Ratgeber für die Jugend-lichen verfasst. Bei all diesen Aktivi-täten werden die Lehrkräfte des Heimseingebunden, damit auch sie lernen,wie man solche Themen unterrichtenund die Jugendlichen unterstützenkann.

Auch die SozialarbeiterInnen werdenin die Arbeit von CRIC einbezogen. So-zialarbeit ist noch ein junges Phäno-men in Moldau. Entsprechend grosssind die Lücken in der Ausbildung derSozialarbeiterInnen. Durch die Arbeitvon CRIC lernen sie das Fürsorges-Sys-tem kennen und erfahren praxisnahdie Probleme der Heimkinder und wasfür sie gemacht werden kann.

Die Begleitung JugendlicherSchliesslich wird eine Gruppe von Ju-gendlichen auf ihrem Weg vom Heimin die (Berufs-)Bildung oder ins Ly-ceum unterstützt. Nebst einer finan-ziellen Unterstützung für die not-wendigen Ausgaben des täglichen Le-bens werden sie von einer Fachpersonbegleitet. Diese hilft den Jugendlichen,die für die weiterführende Schule nöti-gen Papiere zu besorgen und besuchtsie regelmässig, um zu erfahren, wie es

ihnen geht, mit welchen Problemen siezu kämpfen haben, um dann gemein-sam mit ihnen Lösungen zu erarbeiten.Mit dieser engen Begleitung wird ver-hindert, dass die Jugendlichen ihrenBildungsgang vorzeitig abbrechen undorientierungslos auf der Strasse enden.

Die derzeitigen Aktivitäten von CRIC indiesem Bereich werden von den vierKleinstaaten Monaco, San Marino, An-dorra und Liechtenstein via OSZE fi-nanziert.

Die Geschichte von ViorelDie Familie ist aus Viorels Leben verschwunden, als er noch nicht lesen undschreiben konnte. Nur vage erinnert er sich an die Umstände, wie er verlassenwurde. Klar ist, dass er zusammen mit seiner Familie in einem Dorf im Südostendes Landes lebte. Die Familie reiste aus irgendwelchen Gründen in die Ukraine.Dort haben ihm die Eltern gesagt, er solle warten, bis sie zurückkommen. Viorelwartete an dieser Stelle einen ganzen Tag. Schliesslich griffen ihn Polizisten auf,identifizierten ihn und schickten ihn zurück in sein Dorf. Er wurde ins Heim ein-gewiesen, wo er bis zum 17. Lebensjahr blieb. Seine Familie hat er seither nichtwiedergesehen. Die einzige Verwandte war seine Grossmutter, bei der er manch-mal die Ferien verbrachte. Als sie starb, blieb Viorel vollkommen allein. Im Som-mer vor der Anmeldung an eine Berufsschule kam er bei einer Familie unter,die von seinem Schicksal erfahren hat und helfen wollte.

In der Berufsschule fand er sich anfangs nur schwer zurecht. Die neue Umge-bung gefiel ihm nicht, die LehrerInnen schienen etwas gegen ihn zu haben under war sich nicht sicher, die Ausbildung gewählt zu haben, die zu ihm passt. Nachdem ersten Jahr hatte er sich eingewöhnt und seine Zweifel überwunden. Ermöchte seine Ausbildung zum Elektromonteur erfolgreich abschliessen undseine Familie und Verwandten finden. Einmal ging er zurück ins Dorf, klopftebei verschiedenen Häusern und erkundigte sich, ob sie etwas über seine Fami-lie wüssten. Auf diese Weise fand er eine Tante und den älteren Bruder, der ge-rade aus dem Gefängnis entlassen wurde. Von ihnen erfuhr er, dass sein Vaterbereits seit einigen Jahren tot ist und seine Mutter mit seinen zwei Schwesternin der Ukraine lebt.

Aus der Dokumentation des Kinderrechtszentrums. Viorel wird im Rahmen des oben beschrie-

benen Projekts unterstützt.

Das Kinderrechtszentrum (Child Rights Information Center – CRIC) ist einesehr erfahrene lokale Nichtregierungsorganisation mit dem Fokus auf die Ver-besserung der Situation der Kinder. Dabei geht es vorrangig darum, die den Kin-dern zustehenden Rechte zu verwirklichen sowie die Rechenschaftspflicht derverantwortlichen Stellen und Personen zu stärken. LED-Mitarbeiterin SmiljanaFrick arbeitet seit 2011 zu 50 % bei CRIC. Die Organisation erhält vom LED keinedirekte finanzielle Unterstützung.

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Wirkungskontrolle in Entwicklungsprojekten Von Heinz Dünser, LED-Mitarbeiter

Der LED setzt sich ein für eine Welt,in der alle Menschen ihre Grundbe-dürfnisse befriedigen können: Nah-rung, Sicherheit, Gesundheit undBildung. Die Lebensbedingungensollen verbessert werden, damit dieMenschen in Entwicklungsländernlangfristig auf eigenen Beinen stehenkönnen.

So steht es im LED-Leitbild. Doch wiekann sichergestellt werden, dass LED-Projekte tatsächlich zu diesen Zielenbeitragen ? Zur Qualitätssicherung derProjekte richtet sich der LED nach deninternationalen Konzepten der Ent-wicklungszusammenarbeit. Wir möch-ten hier einige Instrumente vorstellen,mit denen gemessen werden kann, obProjekte im definierten Zeitrahmen mitden geplanten Mitteln erfolgreich dieAusgangssituation verbessern, d. h., dieProbleme lösen oder abmildern konn-ten.

Project Cycle Management (PCM)Der LED wendet das Konzept «ProjectCycle Management» in seinen eigenenProjekten an und fordert das auch kon-

sequent von allen Partnerorganisatio-nen. Nachfolgend wird aufgezeigt, wie mithilfe der wirkungsorientiertenPCM-Methode Projekte geplant, umge-setzt, überwacht und evaluiert werden.

ProjektplanungZuallererst wird der Ist-Zustand analy-siert. Wie ist die Ausgangslage, was sinddie Rahmenbedingungen? Damit dieWirksamkeit des Projekts überprüftwerden kann, sollte die Ausgangssitua-tion vor dem Start mittels einer Daten-erhebung (Baseline Study) dokumen-tiert werden. Von Anfang an werdenDaten gesammelt, die dann am Endeder mehrjährigen Projektphase als Ver-gleichsgrössen für die Wirkungsmes-sung herangezogen werden. Nachdemdie Probleme, Ursachen und Bedürf-nisse mit der Zielgruppe analysiertworden sind, können die Projektzielegemeinsam formuliert werden. Welchedirekten, kurz- und mittelfristigen Wir-kungen soll das Projekt bei der Ziel-gruppe erreichen ?

Und wie kommen wir dahin ? WelcheMittel und Ressourcen stehen inner-halb der Organisation zur Verfügung

oder müssen von aussen beschafft wer-den? Wie kann sinnvoll und strategischvorgegangen werden, wer ist am Pro-jekt zu beteiligen und einzubeziehen ?Wichtig ist der Miteinbezug der Ziel-gruppe bereits bei der Planung («Parti-zipation»), um deren Akzeptanz sicher-zustellen. Das ist die Grundvorausset-zung für die spätere Übernahme desProjektes («Ownership»). Am Ende derPlanungsphase steht ein schriftlichesKonzept (Projektdokument), das einenAktionsplan mit Erfolgsindikatoren,Terminen, Verantwortlichkeiten undBudgetplanung beinhaltet.

Monitoring (Erfolgskontrolle) Sind wir auf dem richtigen Weg ? DieAnalyse von allfälligen Schwierigkeitenund Mängeln eines Projektes findetnicht erst am Schluss statt. Die Wir-kungsziele werden in messbare Indika-toren übersetzt. Anhand dieser Indi-katoren überwacht das Monitoringständig die Vorschritte des Projektes. Esist ein Frühwarnsystem, um Verände-rungen qualitativer und quantitativerArt frühzeitig zu erkennen und daraufzu reagieren.

ProjektumsetzungDie Resultate aus der Planung und dievom Monitoring produzierten Infor-mationen dienen als Grundlage undOrientierungshilfe zur Entscheidungs-bildung während der Durchführungdes Projektes. Diese werden bei derDurchführung immer wieder konsul-tiert, um zu prüfen, ob sich das Projektgemäss Plan entwickelt.

Evaluation (Auswertung, Beurtei-lung)Am Ende einer Phase wird oft eine ex-terne Evaluation durchgeführt, alsoeine Beurteilung von aussen eingeholt.Dabei werden die Baseline Study und

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die Informationen verwendet, die dasMonitoring im Verlauf der Durchfüh-rung gesammelt hat. Anhand ausge-wählter Fragen wird das Geplante mitder Durchführung und den Resultatenanalysiert und verglichen. Was ist gutgelaufen ? Was weniger ? Wie haben dieverschiedenen Beteiligten das Projektbewertet? Sind die Projektziele erreichtworden ? Die Evaluation beurteilt dieRelevanz, aber auch die Wirkung undEffizienz des Projekts (Wurde das Rich-tige unternommen ? Und wurde dieskorrekt durchgeführt ?). Aufgrund derEvaluation können Schlüsse für dieWeiterarbeit, die Steuerung und Ge-staltung eines Projekts und Schlussfol-gerungen für neue Vorhaben gezogenwerden.

WirkungsmessungDie Wirkungsmessung erfasst jene Ver-änderungen, die das Projekt bei derZielgruppe auslöst, aber auch länger-fristige Veränderungen, die über dieZielgruppe hinausgehen. Um diese Ver-änderungen zu messen, sind verschie-dene Mechanismen in den obenbeschriebenen Schritten des Projekt-management-Zyklus integriert.

Der LED ist in stetem Kontakt mit denProjektpartnern. Durch die regelmäs-sige Berichterstattung können die Pro-jektfortschritte verfolgt werden. Bei

Projektbesuchen überprüfen LED-Mit-arbeiter die erreichten Resultate undderen Wirkung und kontrollieren dieBuchhaltung stichprobenartig. Vorallem bei der Zusammenarbeit mit lo-kalen Organisationen ist eine enge Be-gleitung wichtig. Diese Aufgabe wirdvon unseren Koordinationsbüros vorOrt (Moldau, Simbabwe und Bolivien)wahrgenommen. Sie unterstützen dieSüdpartner bereits im Planungsprozessund statten ihnen regelmässig Besucheab. Zudem werden jährliche Audits vonunabhängigen Revisoren nach interna-tionalen Standards durchgeführt unddas Projekt mit der externen Evalua-tion neutral bewertet.

Oft ist jedoch der Zusammenhang zwi-schen Ursachen und Wirkungen relativschwierig nachzuweisen, denn die Pro-jekte werden nicht unter Laborbedin-

gungen umgesetzt, viele verschiedeneAkteure und externe Faktoren wie diepolitische Situation und Umweltein-flüsse können den Projekterfolg beein-trächtigen. Während die grossenFortschritte in der Gesundheit, Bildungund anderen ausgewählten Bereichenrecht einfach nachzuweisen sind, ist esschwieriger zu belegen, welchen Anteildie Entwicklungszusammenarbeit da-ran hat. Schliesslich ist die Entwicklungein vielschichtiger Prozess, der vonzahlreichen Faktoren beeinflusst wird.Eine gute Planung und sorgfältige Be-treuung sind angesichts dieses dyna-mischen Kontexts unabdingbar, um dieGrundlage für eine spätere Wirkungs-messung zu schaffen.

Zum Teil werden bei Entwicklungspro-jekten auch zu hohe Erwartungen ge-weckt: Es ist unrealistisch zu denken,dass mit einzelnen Projekten ganzeLänder von der Armut befreit werdenkönnen. Dazu ist das Umfeld viel zukomplex. Die langwierigen Entwick-lungsprozesse müssen letztlich von derRegierung und der betroffenen Bevöl-kerung selbst vollzogen werden. DochProjekte liefern wichtige Impulse undunterstützen lokale, regionale und nationale Entwicklungsprozesse nach-haltig.

Wirkungskontrolle in Entwicklungsprojekten

© Stiftung Zewo

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Korruption verletzt und schwächtMenschen täglich auf der ganzenWelt. Personen, Volksgruppen undganze Nationen leiden unter diesemPhänomen, das Entwicklung behin-dert. Der LED setzt sich aktiv mit derThematik auseinander. Korruptionist ein komplexes Problem, das sichin unterschiedlichen Formen mani-festiert, das aber mit gezielten Mass-nahmen stark eingeschränkt werdenkann. Stefan Biedermann stellt seinerArbeitskollegin Ute Mayer Fragen zurThematik.

Ute, du hast dich in letzter Zeit ver-mehrt mit dem Thema auseinander-gesetzt. Welche Erkenntnisse hastdu bisher gewonnen ?

Korruption gibt es überall. Sie ist einglobales Phänomen. In der Entwick-lungszusammenarbeit muss man sichaber besonders damit auseinanderset-zen, da die Arbeit häufig in einem «kor-rupten Umfeld» stattfindet. Das ist eineder Tatsachen, denen sich Entwick-lungsorganisationen wie der LED stel-len müssen. Die Hauptfrage dabei ist,wie kann Korruption verhindert bzw.wie kann sie so eingegrenzt werden,dass weder die Geldgeber noch die Ziel-bevölkerung um die versprochenenLeistungen betrogen werden.

Das heisst also, der LED ist sowohlden Liechtensteiner Steuerzahlen-den als auch den Begünstigten inden Empfängerländern rechen-schaftspflichtig ?

Ja, genau. Es geht darum, die Mittel soeinzusetzen, dass sie wirklich bei denArmen ankommen. Das ist die grosseHerausforderung.

Wie wird Korruption definiert undwelche Formen von Korruption gibtes ?

Unter Korruption versteht man denMissbrauch einer Machtstellung zu pri-vaten Zwecken. Korruption ist kein ju-ristischer Begriff, deshalb unterscheidetman zwischen verschiedenen Erschei-nungsformen wie Bestechung, Verun-treuung oder Vetternwirtschaft, auchNepotismus genannt. Zudem wird zwi-schen externer oder interner Korrup-tion unterschieden. Externe Korrup-tion umfasst das generelle Umfeld. Invielen Ländern ist Korruption ein All-tagsphänomen, das vor allem in Kon-takt mit Behördenvertretern z. B. inForm von «Beschleunigungsgeld» fürBewilligungen vorkommt. Man sprichthier manchmal auch von «petty cor-ruption», Korruption in kleinem Mass-

stab. Bei interner Korruption geht esum Akteure, mit denen man in der Ent-wicklungsarbeit direkt zusammenar-beitet. Das können staatliche Stellen,Auftragnehmer oder lokale Organisa-tionen sein.

Wo liegen die speziellen Risiken inder Entwicklungszusammenarbeit ?

Die externe Korruption ist sicher einRisiko, das die Verantwortlichen vor dieFrage stellt: Nehmen wir Projektverzö-gerungen in Kauf, weil zum Beispielbestimmte Bewilligungen noch nichtda sind? Das ist aber oft das kleinereProblem, das zum Teil mit viel Ver-handlungsgeschick gelöst werdenkann. Schwieriger wird es, wenn es umKorruption in grösserem Stil geht, woHinterziehung oder Veruntreuung vonGeldern stattfinden. Die Akteure versu-chen dabei natürlich, die korruptenVorgänge möglichst gut zu verdecken.Das reicht von überhöhten Rechnun-gen oder Offerten (sog. Kick-back beiAufträgen) über gefälschte Belege biszu Wechselkursmanipulationen. Einegrosse Gefahr sind auch Doppelfinan-zierungen, bei denen die Akteure die-selben Projektaktivitäten bei verschie-denen Geldgebern einreichen undnicht die gesamte Buchhaltung offen-legen.

Wie geht der LED mit diesen Risikenum ? Wie kann er Korruption in sei-nen Entwicklungsprojekten verhin-dern ?

Der LED wendet verschiedene Mass-nahmen in der Zusammenarbeit mitlokalen Partnerorganisationen an, diedie Korruption eingrenzen. Das um-fasst eine intensive Projektkontrolle,mit regelmässigen Besuchen vor Ort,um zu prüfen, ob die versprochenen

Korruption in Entwicklungsprojekten Mit Ute Mayer sprach Stefan Biedermann, beide LED-Projektverantwortliche

Ute Mayer, LED-Mitarbeiterin

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Resultate auch tatsächlich erreichtwurden. Der LED gibt auch regelmässigexterne Evaluationen und Revisionen,zum Teil von internationalen Firmen,in Auftrag. Das sind alles wichtigeMassnahmen, aber die Erfahrung hatgezeigt, dass sie allein nicht ausreichen.Deshalb ist der LED dabei, Richtlinienzu erarbeiten, um alle Anti-Korrupti-ons-Massnahmen systematisch aufzu-arbeiten, und den Dialog über derenUmsetzung intern und mit den Part-nerorganisationen zu fördern.

Hattest du bei deiner Arbeit im LEDmit konkreten Korruptionsfällen zutun ?

Ja, wir hatten vor zwei Jahren einenkonkreten Fall mit einer lokalen Orga-nisation im südlichen Afrika, in Sam-bia. Die Organisation hat Projekte zurfunktionalen Alphabetisierung undEinkommensförderung in ländlichenRegionen durchgeführt. Zu Beginnhaben wir den lokalen Revisionsbe-richt akzeptiert, der jeweils eine kor-rekte Buchführung der Organisationbestätigt hat. Wie auch bei anderenProjekten wechselten wir nach einigerZeit die Revisionsfirma. Dadurchkamen Unregelmässigkeiten ans Licht,wie fehlende Belege und nicht be-gründbare Ausgaben.

Welche Konsequenzen wurden ge-troffen ? Wurde ein Strafverfahreneingeleitet ?

Da sich der Bericht wegen dieser Unge-reimtheiten verzögerte, haben wir dieZusammenarbeit zuerst ausgesetzt undsie dann nach Erhalt des Berichts defi-nitiv beendet. Wir waren in ständigemKontakt mit dem Management der Organisation und den anderen Geld-gebern. Die Antworten, die wir auf

unsere Nachfragen bekamen, waren jelänger, je weniger überzeugend. DieOrganisation hat den Buchhalter entlassen und ihn angezeigt. Wir er-hielten zur Anzeige aber nie eineschriftliche Bestätigung. Wir haben unsintern überlegt, einen Prozess gegendie gesamte Organisation anzustrebenund haben uns dann aber dagegen entschieden. Ein Prozess kann sich jahrelang hinziehen, er ist mit grossemAufwand verbunden und die Wahr-scheinlichkeit, das Geld wieder zu-rückzuerhalten, ist verschwindendklein. Wir haben aber andere Geld-geber vor der Zusammenarbeit mit dieser Organisation gewarnt.

Welche «lessons learnt» hast du bzw.der LED aus diesem Fall gezogen ?

Wichtig ist, über Korruption offen zusprechen und das Problem aktiv undmöglichst präventiv anzugehen. Es isteine Tatsache, dass Korruption in Ent-wicklungsprojekten vorkommen kann.Lange war es ein absolutes Tabuthema.Eine Nulltoleranz-Strategie nützt indem Fall wenig, denn damit trägt manwieder zur Tabuisierung und Verde-ckung von Tatsachen bei. Es ist abernicht so, dass man nichts dagegen tunkann. Im Gegenteil, es gibt viele wir-kungsvolle Massnahmen. Wichtig istzum Beispiel, dass wirkungsbezogeneKontrollen durchgeführt werden, dassKorruptionsklauseln und Vorgaben füreine transparente Buchführung in Ver-trägen enthalten sind und dass man dieBedingungen vor Ort gut kennt, z. B.über die lokalen Preise und LohnstufenBescheid weiss. Wichtig ist ebenfalls,sehr eng mit lokalen Organisationenzusammenzuarbeiten und sie auch inihrer institutionellen Entwicklungstark zu fördern. Die Zielgruppen derProjekte sollten ebenfalls in die Kon-

trolle einbezogen werden (sog. sozialesAudit). Und als letzte Konsequenz ineinem Korruptionsfall müssen Sank-tionen ergriffen werden. Je nach Aus-mass sind das: Entlassung von Einzel-personen oder Stopp der Zusammenar-beit, juristische Strafverfolgung und«schwarze Listen».

Denkst du, dass der LED diese Mass-nahmen richtig umsetzt ?

Der LED setzt einige der Anti-Korrupti-ons-Massnahmen schon jetzt konse-quent um. Aber es gibt sicher nochVerbesserungspotenzial. Wir müssennoch genauer hinschauen und uns mitden spezifischen Risiken auseinander-setzen. Den Einbezug der Zielgruppenzur Korruptionsbekämpfung finde ichsehr wichtig, den müssen wir auf jedenFall fördern.

Korruption in Entwicklungsprojekten

Glückwunsch !

Wir gratulieren Peter und SarafinaRitter mit Dominic und Lisa recht herzlich zur Geburt von Stellaam 20. Juli 2012.

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Microfinance – Zurück zu den Wurzeln Von Heinz Dünser, LED-Mitarbeiter

In den letzten 20 Jahren ist der Mi-crofinance-Sektor enorm gewachsen.Im Jahr 1997 wurde die Zahl aktiverMikrokreditnehmer auf 15 Millionengeschätzt. Diese Zahl ist auf 190 Mil-lionen im Jahr 2009 angestiegen, alsoein jährliches Wachstum von fast 25Prozent. Lange Zeit wurde Microfinance als dieWunderwaffe gegen Armut angeprie-sen. Der Zugang zu Krediten sollte dievielfältigsten Probleme der Menschenin Entwicklungsländern lösen. Mit demschnellen Wachstum und der einher-schreitenden Kommerzialisierung wur-den aber immer mehr kritische Stim-men laut. Nebst dem gesellschaftlichenund entwicklungsrelevanten Zweckhätten manche Mikrokredit-Instituteden Profit in den Vordergrund gestellt.In den Medien sind Skandale von miss-bräuchlichen Praktiken der Mikrofi-nanz-Institute aufgetaucht, die dieMenschen in Überschuldung trieben.Die Reputation von Microfinance erlitteinen Rückschlag und die Euphorievon 2005, dem Jahr der Mikrokredite,war verflogen. Es wurde klar, dass Mi-crofinance nur ein Puzzlestück untermehreren im Kampf gegen die Armutdarstellt. Mit dem Zugang zu Mikrofi-nanzdienstleistungen können die wirt-schaftlichen Kapazitäten (geschäftlicheTätigkeiten) der Armen gestärkt wer-den – nicht mehr und nicht weniger. Während man früher bei Microfinancegenerell an eine gute Sache dachte,wurde mit der Zeit klar, dass gewisseInvestoren nur an der finanziellen Ren-dite interessiert sind und die sozialenAspekte (Social Performance), d. h., dieVerbesserung des Lebensstandards derKreditnehmer, oft nicht berücksichtigtwurden. Deshalb wurde 2005 die SocialPerformance Task Force (SPTF) insLeben gerufen. Ziel dieses Ausschusses

ist es, allgemein gültige Richtlinien zusozialen Standards zu entwickeln undden Austausch zu fördern. Die sozialeWirkung von Microfinance soll durchmehr Transparenz und besseres Ma-nagement gestärkt werden. Mit über1‘000 Mitgliedern aus allen Bereichender Microfinance ist die Social Perfor-mance Task Force das weltweit füh-rende Gremium dieser Branche.

Während der letzten 18 Monate habenüber 400 SPTF-Mitglieder aus allen Re-gionen dieser Welt an der Ausarbei-tung eines einheitlichen Standards zurMessung des sozialen Handels der Mi-krofinanz-Institute, den sogenannten«Universal Standards of Social Perfor-mance Management» mitgearbeitet. Ander Jahreskonferenz im Juni 2012 inJordanien, an der über 350 Fachleuteaus der ganzen Welt anwesend waren,konnten sich alle Teilnehmer auf dieseuniversellen Standards einigen. Einwichtiger Diskussionspunkt war, wiediese Standards von den verschiedenenAkteuren umgesetzt werden könnenund wie damit der Kunde, also der Kre-ditnehmer, wieder ins Zentrum gerücktwerden kann.

Die «Universal Standards for Social Per-formance Management» beinhalten dieArbeit der bestehenden «Social Perfor-mance»-Initiativen. Sie wurden alle ineinem umfassenden einheitlichen Do-

Unter Microfinance versteht man fi-nanzielle Basisdienstleistungen wieKredite, Sparbücher oder Versiche-rungen für einkommensschwacheMenschen, die von den herkömmli-chen Banken nicht bedient werden. Der LED ist seit 2007 Teil der SocialPerformance Task Force (SPTF), demglobalen Forum der Mikrofinanzspe-zialisten, dessen Auftrag es ist, sozialeStandards in der Mikrofinanzbranchemessbar zu machen und zu veran-kern. Der LED setzt sich dafür ein,dass die Mikrofinanz-Institute finan-zielle Nachhaltigkeit anstreben, abergleichzeitig auch sozial verantwort-lich handeln. Das Thema «Social Per-formance» ist in der Mikrofinanz-Strategie des LED verankert und wirddurch die Unterstützung von wegwei-senden Projekten vorangetrieben. DerLED ist ausserdem Mitglied der Mi-crofinance Initiative Liechtenstein(MIL).

kument vereint. Die Standards sind einSet von Management-Richtlinien, diealle Mikrofinanz-Institute betreffen, diefinanzielle und auch soziale Nachhal-tigkeit anstreben. Und das ist kein Wi-derspruch. Verschiedene Studien zei-gen auf, dass Social Performance Ma-nagement sogar zu höheren Einnah-men und/oder geringeren Kostenführen kann.

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Das Berufsbildungsprojekt CETA(Centro Educativo de TrabajadoresAdolescentes) in der Stadt Sucre rich-tet sich gezielt an junge Menschenaus sozial benachteiligten und bil-dungsarmen Schichten. CETA bietet eine berufliche Aus- undWeiterbildung in Fachgebieten miteiner hohen Arbeitsnachfrage an.Dabei werden den jungen Menschendie nötigen technischen und kaufmän-nischen Fertigkeiten vermittelt. Da eingrosser Teil der Absolventen spätereinen Kleinbetrieb selbstständig leitenmuss, beinhaltet der Lehrplan auchElemente der Betriebsführung. DerLED unterstützt die Institution seit1996. Isabel (34) erhielt im CETA-Zentrumeine Ausbildung als Schneiderin, Edu-ardo (23) wurde Schreiner. Isabel, wie hat sich dein Leben in denletzten Jahren verändert?Vor der Ausbildung war ich eine sehrschüchterne Person und getraute michkaum aus dem Haus. Als Mutter undEhefrau habe ich mich um die Familiekümmern müssen. Mein Mann war

früher ein richtiger Macho: «Eine Fraumuss einen Mann bedienen.» Zu dieserZeit musste ich ihn um Geld bitten.Jetzt haben wir eine neue Situation.Grundsätzlich wollten wir keine Schei-dung, damit die Familie zusammen-bleibt. Mein Mann lernte, Respekt vormir zu haben, auch weil ich mit mei-nem Geschäft eigenes Geld verdiene.Ich sage meine Meinung und gebemein Geld aus, ohne meinen Mann fra-gen zu müssen.Was hat diesen Wechsel ausgelöst? Ich wollte immer Schneiderin werden.Zufällig hörte ich im Radio, dass CETAKurse in dieser Berufssparte anbietet.Also habe ich mich bei der Institutiongemeldet und wurde ins Programmaufgenommen. Möglich war das abernur, weil ich meine zwei Kinder wäh-rend der Unterrichtszeit in der CETA-Kindertagesstätte abgeben konnte. 2006 erhielt ich einen Startkredit undkaufte damit zwei elektrische Nähma-schinen, die die Grundlage für die Er-öffnung meines kleinen Geschäftsbildeten. Anfangs arbeitete ich allein.Ich erhielt aber so viele Aufträge, dassmeine Schwester und mein Mann mit-helfen mussten. In der Zwischenzeitkaufte ich vier weitere Nähmaschinenund habe nun sechs Angestellte. Heutekonnten wir beispielsweise 4‘000 T-Shirts ausliefern. Welche Träume hast du? Ich möchte, dass meine kleine Firmawächst, damit ich jungen Leuten eineArbeit anbieten kann. Ein weitererTraum ist es, ein eigenes Haus zu besit-zen. Mit Gottes Hilfe können wir das er-reichen. Eduardo, wie kamst du zu CETA?Eigentlich kam ich nach Sucre, um ander Universität zu studieren. Leider wares nicht möglich, Vorlesungen zu besu-chen und gleichzeitig zu arbeiten, um

Geld zu verdienen. Dann erfuhr ich,dass CETA Berufsausbildungen anbie-tet. Früher arbeitete ich als Hilfskraft ineiner kleinen Schreinerei. Obwohl ichdie Arbeit gerne erledigte, lernte ichnicht sehr viel über die Holzverarbei-tung. Deshalb schrieb ich mich in dieKurse ein. Letztes Jahr erhielt ich einStartkapital, womit ich Holz und einigeWerkzeuge kaufen konnte. Um Möbelzu produzieren, benötige ich aber grös-sere Maschinen, die mir im CETA-Zen-trum zur Verfügung gestellt werden. Was wünschst du dir für die Zukunft?Ich möchte mich auf die Produktionvon Truhen spezialisieren, die ich mitLeder und typischen Textilien der Re-gion dekoriere. Ich glaube, dass sichdiese Möbel sehr gut für den Exporteignen würden und ich von den Ein-nahmen besser leben könnte. Ein wei-terer Wunsch ist, dass mein Berufgeschätzt wird. Denn in Bolivien zählstdu nur etwas, wenn du einen Titel voneiner Universität hast.

Isabel und Eduardo, herzlichen Dankfür das Gespräch!

Stimmen aus dem Süden – Berufsbildung, Kleinbetriebe, Lebensträume Von Ingrid Tapia, LED-Koordinatorin in Bolivien

LED-Intern

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Im Mai besuchte ich zusammen mitStefan Biedermann, Projektverant-wortlicher für Lateinamerika, ver-schiedene LED-Bildungsprojekte inPeru. Die Reise führte uns unter an-derem nach Apurímac in den Hoch-anden, eines der ärmsten Departe-mente in Peru. Hier unterstützt derLED über seinen Nordpartner Tear-Fund die lokale Institution Paz y Es-peranza und deren Bildungsprojekte. In Peru gibt es ein Überangebot anLehrpersonen. Vielen Lehrerinnen undLehrern bleibt so oft keine andereWahl, als eine Stelle anzunehmen, diesie in abgelegene Gebiete führt, fernvon ihren Familien und Freunden. EinePrimarlehrerin erzählte mir, dass sieihren Mann und ihre Tochter norma-lerweise nur in den Semesterferiensieht, denn die Fahrt nach Hause istweit und teuer. Einen Job für ihrenMann gibt es dort oben in den Hochan-den nicht. In den Dörfern, in denen die Lehrper-sonen arbeiten, sind sie meist fremd.Oft verstehen und sprechen sie dieSprache der einheimischen Bevölke-rung nur schlecht oder gar nicht. Hinzukommt, dass sie mit den lokalen Bräu-chen nicht vertraut sind. Wenn mansich vor Augen führt, dass es in PeruDutzende verschiedene Volksgruppenund Sprachen gibt, wird deutlich, dassdieser Vielfalt nicht mit einer einzigenSprache – nämlich der AmtsspracheSpanisch – und einem einzigen Lehr-plan begegnet werden kann. Doch lei-der nahm die Ausbildung der Lehr-personen zu lange keine Rücksicht aufdiese Vielfalt an Sprachen und Kultu-ren. Das schlägt sich in prekären Schul-leistungen vieler indigener Kinder undJugendlicher nieder. Im DepartementApurímac beispielsweise schliessenüber vierzig Prozent der Kinder die Pri-

marschule nicht erfolgreich ab. Eindenkbar schlechter Start in ein selbst-bestimmtes Leben. Denn ohne Schul-abschluss besteht keine Möglichkeit,einen Beruf zu erlernen, und das wie-derum verunmöglicht den sozialenAufstieg. Viele Menschen werden da-durch leicht zu Opfern von Diskrimi-nierung und Unterdrückung. Mehrere LED-Projekte setzen bei derLehrerausbildung an und haben zumZiel, die pädagogisch-didaktischen Kennt-nisse der Lehrpersonen sowie die Unter-richtsmaterialien zu verbessern. Konkretsollen die Lehrpersonen befähigt wer-den, einen den lokalen Gegebenheitenangepassten Unterricht zu planen unddurchzuführen. Angepasst bedeutet,dass der Unterricht auf dem kulturellenUmfeld und der Sprache der Schülerin-nen und Schüler aufbaut. Die Amts-sprache Spanisch und die Lerninhaltedes nationalen Lehrplans werden erstin einem zweiten Schritt vermittelt. Sosollen im ersten Schuljahr 75 % desLernstoffes in der Muttersprache und

Vielfalt verlangt nach VielfaltVon Andreas Gstöhl, LED-Stiftungsrat

25 % in Spanisch vermittelt werden. Biszur sechsten Klasse der Primarschulekehrt sich das Verhältnis um und inden Sekundarschulen wird aus-schliesslich in Spanisch unterrichtet. Auch die Regierung hat das Problemmittlerweile erkannt. Sie fordert undfördert die interkulturelle zweispra-chige Bildung. Trotz einer Steigerungdes Bildungsbudgets in diesem Jahrklafft zwischen Handlungsbedarf undfinanziellen Mitteln eine grosse Lücke. Mit dem Schwerpunktthema interkul-turelle zweisprachige Bildung enga-giert sich der LED somit genau amrichtigen Ort. Die lokalen Institutionen,die ich auf der Reise kennengelernthabe, verfügen über hochmotivierte,engagierte und kompetente Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter. Ich bin über-zeugt, dass die Unterstützung ausLiechtenstein einen wichtigen Beitragleistet für eine bessere Bildung, mehrSchulabschlüsse und damit eine her-anwachsende Generation, die ihre Zu-kunft selbst in die Hand nehmen kann.

Andreas Gstöhl im Gespräch mit Projektleiter Juan Cerna.

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Impressum Herausgeber: Liechtensteinischer Entwicklungsdienst (LED), Im Malarsch 14, 9494 Schaan, Tel. +423 232 09 75 · Verantwortlich für den Inhalt: Heinz Dünser (LED)Redaktionelle Betreuung: Jnes Rampone-Wanger (L-Press GmbH, Vaduz) · Korrektorat: Iris Friedli, Punktum.li, Triesenberg · Grafische Gestaltung: Gassner. Grafische Anstalt, VaduzDruck: BVD AG, Schaan · Titelbild: Mihai Stamati

«Karibu» (willkommen) gehört zumErsten, was man hört, wenn man inTansania ankommt. Und willkom-men fühlt man sich auch, wenn manan der Viktoria-Schule oder in Nyas-hana im Jugend- und Frauenzen-trum ist. Seit fast einem halben Jahr bin ich nunin Mwanza und habe sehr viel Positi-ves, aber auch einige Rückschläge er-lebt. In der Viktoria-Schule sprang ich wäh-rend der ersten Wochen meines Auf-enthalts als Lehrkraft ein, da sich einLehrer spontan für eine andere Stelleentschieden hatte. Das verschaffte mireinen sehr guten Einblick in die Lageder Lehrer und ich konnte einige Bei-spiele für offeneren Unterricht geben.Denn die fast durchwegs übliche Un-terrichtsmethode in den tansanischenSchulen ist: Der Lehrer spricht undschreibt an die Tafel, die Schüler hörenzu und schreiben ab. Bei dieser Formdes Unterrichtens ist es natürlichschwierig, die Klasse zu führen und daseit einiger Zeit das Schlagen der Kin-der offiziell verboten ist, fehlt den Leh-rern auch das ihnen geläufigsteDruckmittel. Auf diese Kernthemenrichtete ich dann auch mein erstes Se-minar aus. Am Abend des ersten Seminartags warich recht demotiviert. Zwei der Lehrerwaren gar nicht aufgetaucht und zweiwaren über eine Stunde verspätet. Alsich ihnen Spiele für den Sportunter-richt oder eine Variante für spezielleSchulstunden zeigen wollte, haben sichzwei ältere Lehrer geweigert mitzuma-chen. Sie wollten das Ganze lieber nurtheoretisch vermittelt bekommen, weiles ihnen peinlich war, Kinderspiele zu

spielen. Am nächsten Tag kamen dieanderen Lehrer zu mir und wolltennoch mehr Spiele lernen, was mich na-türlich sehr gefreut hat. Die Einstellungvon Tansaniern zum Spielen ist allge-mein besonders. Wenn man den Leu-ten sagt: «Wir spielen ein Spiel!»,kommt meist die Rückfrage: «Wo ist derBall?» Ein Spiel ohne Ball – undenkbar.Einmal angefangen, haben sie aberauch an anderen Spielen Spass. Amdritten Tag schauten wir uns die unter-schiedlichen Materialien an, die ihnenzwar zur Verfügung stehen, mit denensie aber bisher noch nicht gearbeitethatten. Das Malen mit Wasserfarbenhat sie alle sehr begeistert und Memo-ryspielen fanden sie äusserst spannend,beides Sachen, die sie zuvor nichtkannten.Ein persönliches Highlight für michwar, als eine Woche später ein Lehrervon sich aus auf die Idee kam, für sei-nen Unterricht Uhren zu basteln, umdie Zeiten besser üben zu können.

Mit den Kindern arbeite ich jetzt nurnoch in speziellen Einheiten, dafürkonzentriere ich mich mehr auf dieLehrerausbildung und administrativeSachen. Einmal in der Woche helfe ich beieinem Projekt in Nyashana mit, einembitterarmen Vorort von Mwanza. DasZentrum bildet Frauen aus, damit sieein Einkommen erwirtschaften undsich und ihre Familien ernähren kön-nen. Der Englischunterricht mit diesenFrauen ist sehr unterhaltsam und ichfreue mich immer wieder darauf. Aus-serdem gebe ich einigen Sekundar-schülern, die die Bibliothek imZentrum für ihre Studien nutzen,Nachhilfeunterricht in Naturlehre undInformatik.

Erfolgreicher EinsatzIm August beendete die Primarlehre-rin Jasmin Spalt ihrer Tätigkeit alsFachkraft für den LED. Sie arbeitete 3 Jahre in Thailand bei Youth Connect,einem Lehrlingsprojekt für burmesi-sche Migranten. Der LED dankt Jasminganz herzlich für ihren Einsatz undwünscht ihr alles Gute für die Zukunft.

Vorankündigung:Fairer BrunchSonntag, 28. Oktober 201210:00–14:00 UhrPfarreizentrum SchaanReberastrasse 16

Gemeinsame Veranstaltung von LED,Freiwilligengruppe Terre des hommesund Verein Welt und Heimat. Weitere Informationen im Oktober inder Tagespresse.

Praktikumserlebnisse Von Raphaela Marxer, LED-Praktikantin

LED-Fotowettbewerb in Moldau

Das Titelbild und das Foto auf Seite 4 stammen von Teilnehmerndes vom LED-Koordinationsbürosin Chişinău ausgeschriebenen, nationalen Fotowettbewerbs. Einerder Gewinner, John Donica, wirdseine Bilder im LED-Kalender 2013präsentieren. Der Kalender kannab November 2012 bei der LED-Geschäftsstelle bestellt werden.

Der Fotograf Roland Korner stelltedem LED die Entschädigung fürseinen Arbeitsaufwand für den Kalender 2012 als Spende für denLED-Kalender 2013 zur Verfügung.Als Teil der Jury liess er sein Fachwissen bei der Bewertung derFotos einfliessen. Wir möchten Roland Korner dafür recht herzlichdanken!