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Cosa pensa Repower dei calabresi e la centrale a carbone

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Veröffentlicht auf suedostschweiz.ch (http://www.suedostschweiz.ch)

«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das

Gewehr und erschiesse euch»

Kalabrien will Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung. Repower stellt beides in Aussicht. DerPreis dafür – ein Kohlekraftwerk an der Küste von Saline Joniche – ist aber vielen zu hoch. DieGeschichte einer schwierigen Beziehung.

Von Stefan Bisculm (Text und Bilder)

Saline Joniche. – Diese Sandbank gibt Rätsel auf. Sie liegt vor Saline Joniche und versperrt den Zugang zueinem Hafen. Kein Schiff kann raus, keines kommt rein. Die Hafenanlage an der Küste Kalabriens wurdeeinst gebaut, um die wirtschaftlich rückständige Region im Süden Italiens voranzubringen. Doch der Planging nicht auf. Die Verantwortlichen hatten die lokalen Meeresströmungen nicht berücksichtigt, die hierden Sand im ewigen Naturkreislauf vor dem Hafenzugang abladen.

Eine andere ökonomische Totgeburt befindet sich gleich dahinter. Die rostigen Überbleibsel der in denSiebzigerjahren mit Unmengen von Staatsgeldern gebauten Chemiefabrik Liquichimica. Sie hätte tierischeProtein-Nahrung produzieren sollen, wurde aber vom Umweltministerium einen Tag nach der Eröffnungwieder geschlossen, weil die von ihr hergestellten Stoffe krebserregende Elemente enthielten. «Das isttypisch für Kalabrien», erklärt Fabio Bocchiola, Chef von Repower Italien. «Zuerst wird etwas ohneKontext zum Ort gebaut, und wenn es fertig ist, verlieren alle das Interesse. Repower macht es anders.Wir kommen, um zu bleiben.» Trotz dieser Ankündigung ist auch Bocchiola in Kalabrien nicht sehrbeliebt.

Unberechenbare Demokratie

Repower Italien, der italienische Ableger des gleichnamigen Bündner Energieunternehmens, will inKalabrien für über eine Milliarde Euro ein Kohlekraftwerk bauen (siehe Kasten). Als das Projekt – dasunter anderem auch den Neubau des Hafens beinhalten würde – vor fünf Jahren bekannt wurde, löste dasin Kalabrien einen Sturm der Entrüstung aus. Das Gleiche passierte in Graubünden: Umweltschützerlancierten eine Initiative, die vom Kanton verlangt, allen Firmen, an denen er beteiligt ist, Investitionen inKohle zu verbieten. Der Kanton Graubünden hält 46 Prozent an Repower. Ein Ja zur Kohle-Initiativewürde die Investitionspläne von Repower an der Fussspitze des italienischen Stiefels mit einem Schlagzunichtemachen. Die Botschaft der Regierung zur Kohle-Initiative wird heute Dienstag erwartet, derAbstimmungstermin ist für September 2013 geplant.

Für Repower steht viel auf dem Spiel. Im norddeutschen Brunsbüttel musste das Unternehmen bereits zuBeginn dieses Jahres ein milliardenschweres Kohlekraftwerkprojekt aufgeben. Das vorzeitige Scheiterneines weiteren Grossprojekts würde das Vertrauen in die Repower-Führungsspitze wohl nachhaltigschädigen. Der bevorstehende Abstimmungskampf zur Kohle-Initiative dürfte deshalb mit ein Grundgewesen sein, weshalb Repower kürzlich verschiedene Bündner Medien zu einer Arbeitsreise quer durchItalien zu verschiedenen wichtigen Projektstandorten eingeladen hat. Neben Bocchiola nahmen an derReise auch Konzernchef Kurt Bobst und verschiedene Direktoren von Repower Italien teil. Die«Südostschweiz» nahm die Einladung von Repower an, bezahlte aber Flüge und Unterkunft selber.

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«Wenn ihr kommt, wird alles nur noch schlimmer»

Eine offensive Kommunikationsstrategie ist auch in Kalabrien von Repower gefragt. In einer Region, wodie Arbeitslosenquote bei knapp 30 Prozent liegt, müsste ein Investor vom Kaliber Repowers eigentlichals Heilsbringer verehrt werden. Doch die Realität ist eine andere. «Hier sind fast alle gegen dasKohlekraftwerkprojekt», erklärt ein arbeitsloser Jugendlicher, der am Ende der Mole im «Hafen» vonSaline Joniche zusammen mit Freunden fischt. Als die Repower-Delegation auf ihrer Arbeitsreise an ihremFischerplatz auftaucht, versucht der junge Mann, ihnen das Projekt auszureden. Als Grund für seineAblehnung nennt er die sieben Millionen Tonnen CO2, die das Kraftwerk jährlich ausstossen würde.«Schon heute sterben hier in der Gegend die Menschen wie die Fliegen an Krebs. Wenn ihr kommt, wirdalles nur noch schlimmer.» Trotz seiner Bedenken würde der junge Mann aber am Aufbau der Anlagebedenkenlos mithelfen. «Und wenn ihr mir keine Arbeit gebt, dann hole ich das Gewehr und erschiesseeuch.» Er lächelt nicht bei diesen Worten.

Bocchiola hört die drohenden Abschiedsworte des jungen Mannes bereits nicht mehr. Schon lange vorherhat er sich entnervt abgewendet. «Ich kann das Gerede nicht mehr hören. Es nützt nichts, wenn man ihnenerklärt, dass CO2 für den Menschen ungiftig ist, sie hören nicht zu», sagt der italienische Repower-Chef.Die Beziehung zwischen Bocchiola und den Kalabresen ist schwierig. Wenn er über sie spricht, fällt oftdas Wort «ungebildet». Ihr tiefes Bildungsniveau, so glaubt er, würde den Umweltschützern in die Händespielen, welche die diffusen Ängste bewusst schürten. Bocchiola ist unumstösslich in seiner Überzeugung,dass ein modernes Kohlekraftwerk, wie es Repower in Kalabrien plant, keinerlei gesundheitliche Risikenfür die Bevölkerung darstellt. «Wenn unser Kohlekraftwerk Kinder krank machen würde, müssten siejemand anderen suchen, der es baut.» Richtig sei, dass das Kraftwerk Arbeitsplätze schaffe undwirtschaftliche Impulse für die Region bringe. Dass ihm seine guten Absichten in Kalabrien aber kaumjemand abnimmt und er stattdessen überall, wo er öffentlich spricht, vor allem Misstrauen erntet, verletzteinen Mann wie Bocchiola persönlich. Eine solch offene Ablehnung ist der blauäugige Hüne mit demKirk-Douglas-Kinn nicht gewohnt. Wenn der 48-Jährige an einem Tresen einen Kaffee bezahlt, bleibt aufdem Gesicht der Barista für gewöhnlich ein Lächeln zurück, und bei grossen Tafelrunden ist die Stimmungimmer dort am besten, wo er Platz genommen hat.

Bocchiola ist für die Bündner Strombarone bei ihrer Expansionsstrategie in Italien ein Glücksgriff. Derausgebildete Konzertpianist und Ökonom wurde vor zehn Jahren damit betraut, im liberalisiertenStrommarkt Italiens einen Ableger für die damalige Rätia Energie aufzubauen. Heute sind in der Zentralein Mailand 170 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen nochmals 400 nicht fest angestellte Verkäufer imAussendienst, die Strom an rund sieben Prozent aller KMU in Italien verkaufen. Von den insgesamt 2,5Milliarden Franken Umsatz, die Repower im Jahr macht, fällt eine Milliarde in Italien an.

Viel lieber als in Kalabrien hält sich Bocchiola derzeit in Kampanien auf. Im ProvinzhauptstädtchenBenevento ist die Konzernspitze gern gesehen. «Ich hoffe, dass sie ihr Projekt so schnell wie möglichrealisiert», erklärt der Präsident der Provinz bei einem Besuch im Rathaus. Das Energieunternehmen plantin der Nähe von Benevento, in Campolattaro, ein Pumpspeicherkraftwerk für rund 600 Millionen Euro.Als unterer Speicher ist ein Staubecken vorgesehen, dessen Damm in den Achtzigerjahren für dieLandwirtschaft mit Geldern aus Rom gebaut wurde. Bis heute wurde mithilfe des Stausees aber noch nieein Feld bewässert.

Der Damm hat derzeit auch sonst keine Funktion, er ist bloss ein Mahnmal für eine scheinbar planlosestaatliche Wirtschaftsförderung. In einem Jahr hofft Repower, alle Bewilligungen für dasPumpspeicherkraftwerk in der Tasche zu haben. Gegen das Projekt gab es lange keine Opposition, biskürzlich eine kleine Umweltschutzorganisation wegen der Gefahr von Erdbeben Bedenken anmeldete.Insgesamt ist der Protest aber ein laues Lüftchen verglichen mit dem Sturm in Kalabrien.

Windräder auf jedem Acker

Eineinhalb Autostunden östlich von Benevento hat Repower im Sommer in Lucera einen Windpark mit 13Windrädern fertiggestellt. Auf der Fahrt in das apulische Örtchen passiert man unzählige Windparks. Die

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Riesen aus Stahl stehen auf nahezu jedem Grat und auf jedem Acker. Apulien – bekannt als KornkammerItaliens – ist aufgrund günstiger Windbedingungen heute in Italien die Region mit den meistenWindrädern. Und noch immer kommen Energieunternehmen von überall her, um noch mehr Windriesenaufzustellen. Repower plant in Lucera ebenfalls 15 weiter Windräder.

Weil neben der Windenergie in Italien auch das Geschäft mit den Sonnenkollektoren überall sichtbarboomt, setzt Repower grosse Hoffnungen in das Pumpspeicherkraftwerk in Campolattaro. Repower gehtmit vielen Experten einig, die glauben, dass die Energiewende ohne Pumpspeicherkraftwerke nicht zuschaffen sein wird. Als Speicher für die schubweise anfallende Wind- und Sonnenenergie scheinen sieunverzichtbar.

Billiger Strom dank Kohle

Repower-Chef Bobst steht in seinen schwarzledernen Halbschuhen auf einem Acker bei Lucera undschaut hoch zum nigelnagelneuen Repower-Windturm Nummer 14, dessen Propeller sich langsam undwuchtig im Wind dreht. «Ich bin ein grosser Fan von Windenergie», sagt er. «Die Anlagen brauchenverhältnismässig wenig Platz, und die Energie ist zu 100 Prozent erneuerbar.» Trotz des Hohelieds auf dieerneuerbare Windenergie steht Bobst zu seinem Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche. EinenWiderspruch sieht er darin nicht. «Wir brauchen nochmals eine Generation konventionellerKraftwerkanlagen, um die Energiewende zu schaffen», ist Bobst überzeugt.

Umweltschützer bringt der Repower-Chef mit solchen Aussagen auf die Palme, doch die italienischeRegierung scheint seine Einschätzung zu teilen. Sie unterstützt das Kohlekraftwerkprojekt von Repowerund hat erst kürzlich dessen Umweltverträglichkeit bestätigt. Rom hat aber auch wirtschaftlicheInteressen. Mit dem Kohlekraftwerkprojekt in Kalabrien soll die Abhängigkeit Italiens vonGaskraftwerken – und damit auch von den ausländischen Gaslieferanten – gemildert werden. Für dieVersorgungssicherheit bräuchte Italien keine neuen Kraftwerke. Schon heute liegt die installierte Leistungaller Kraftwerke auf italienischem Boden weit über der maximalen Nachfrage.

Italien könnte demnach auf das CO2-intensive Kohlekraftwerk verzichten, ohne befürchten zu müssen,dass im Land bald die Lichter ausgehen. Bocchiola lässt dies als Argument gegen sein Projekt aber nichtgelten. «Der Mensch braucht überhaupt keinen Strom. Was er braucht, ist billiger und bezahlbarer Strom.»Bocchiola macht keinen Hehl daraus, dass es beim Kohlekraftwerkprojekt in erster Linie darum geht,Repower im hart umkämpften italienischen Markt besser zu positionieren, um den Kunden günstigerenStrom anbieten zu können als die Konkurrenz. Die Stromproduktion mit Kohle – auch wenn diese vielfachaus Übersee kommt – ist kostet weniger als mit Gas. Von Wind und Sonne gar nicht zu sprechen. «Wennich in diesem Marktumfeld nicht bereit bin, über Kohle nachzudenken, muss ich diesen Job nichtmachen», sagt Bocchiola.

Er denkt als Unternehmer, daneben versteht sich der ausgebildete Musiker aber auch als Ästhet. Er sprichtviel darüber, dass die Kraftwerkprojekte von Repower optimal in die jeweilige Umgebung eingepasstwerden müssten. Als leuchtendes Vorbild dient ihm die Kraftwerkzentrale Palü bei Pontresina. UmÄhnliches in Italien zu schaffen, arbeitet Repower Italien eng mit Italo Rota zusammen. Den Architektenmit dem ungestümen Rauschebart würde man von seinem Äusseren her eher auf einem Liegevelo an einerAntikohledemo erwarten als im Boot des bei Umweltschützern umstrittenen Bündner Energiekonzerns.Rota hat auch die Pläne für das Kohlekraftwerk in Saline Joniche entworfen. Diese sehen eine Anlage mitbegrünten Dächern und von Pflanzen überwucherten Pergolas vor. Wer das Promotionsvideo nur flüchtiganschaut, könnte fast den Eindruck gewinnen, hier werde ein grüner Freizeitpark gebaut.

Mit zeitgenössischer Architektur und ökologischen Ersatzmassnahmen möchte Repower die Akzeptanzfür seine Projekte bei der Bevölkerung erhöhen. Was in Benevento gut funktioniert, harzt in SalineJoniche gehörig. Das Provinzparlament hat den Bau des Kohlekraftwerks wiederholt einstimmigabgelehnt, und bei einer in diesem Jahr durchgeführten Umfrage des WWF Graubünden sprachen sich 61Prozent der Kalabresen gegen das Projekt aus. Vor fünf Jahren wäre die Ablehnung wahrscheinlich nochklarer gewesen. Italienische Umweltschützer und die Repower-Führungsriege stellen einhellig fest, dass

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der Widerstand bröckelt. Viele Gespräche in kleinen Gruppen, Inserate in Zeitungen und die in Aussichtgestellten Kompensationszahlungen zeigen offenbar langsam Wirkung.

Repower macht ein Angebot, das niemand will

Repower macht den Menschen in Kalabrien mit dem Kohlekraftwerk ein Angebot. Eines, das keineRegion der Welt leichten Herzens annehmen würde. Die Einwohner rund um Saline Joniche wissen jedochgenau, was die wahrscheinlichste Alternative zum Kohlekraftwerk ist: nichts. Die Industrieruinen derLiquichimica würden wohl einfach nochmals 40 Jahre vor sich hinrosten. Die Idee einiger Kohlegegner,Touristen in diese Gegend zu locken, erscheint utopisch. Der Tourismus hat hier keine Tradition, und dieentsprechende Infrastruktur fehlt vollständig. Ausserdem scheuen private Investoren das Mafialand wieein Gault-Millau-Testesser den Besuch bei McDonald’s. Kalabrien – bella Italia bestenfalls fürAbenteurer.

Von einem fairen Angebot für die Bevölkerung Kalabriens kann allerdings nicht gesprochen werden. Denndie Entscheidung, ob das Kohlekraftwerk gebaut wird, fällt nicht an der lokalen Urne, sondern in Rom undin den Gerichtssälen, wo die eingegangenen Beschwerden gegen die erteilteUmweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden. Das einzige Stimmvolk, das sich zumindest indirekt ineiner demokratischen Abstimmung zum Kohlekraftwerk in Saline Joniche äussern darf, lebt kurioserweiseknapp 1400 Kilometer weiter nördlich: in Graubünden.

Datum: 30.10.2012 00:00

Quelle: Südostschweiz Ausgabe Graubünden

Ressort: Region

Webcode: 2706306

Quellen-URL: http://www.suedostschweiz.ch/zeitung/wenn-ihr-mir-keine-arbeit-gebt-hole-ich-das-gewehr-und-erschiesse-euch

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