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C Y R ANO D’A V IGNON AUGUST 2019

CYRANO - FAZ.NET10 PRÊT-À-PARLER PRÊT-À-PARLER WereineReise antritt, der fährtnicht in den Alltag.Die traurigeWahrheitistaber, dasssichdiewenigstendabeiso benehmen,alsstünde

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CYRANOD’AVIGNON

AUGUST 2019

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Verantwortlicher Redakteur:Dr. Alfons Kaiser

Redaktionelle Mitarbeit:Holger Appel, Dr. Reiner Burger, Leonie Feuerbach,Dr. Stephanie Geiger, Aylin Güler, David Kllaubert,Stefan Locke, Anna-Lena Niemann, Celina Plag,Johannes Ritter, Prof. Dr. Michael Sachs, Julia Schaaf,Peter-Philipp Schmitt, Bernd Steinle, Simon Strauß,Alex Westhoff, Jennifer Wiebking

Bildredaktion:Christian-Matthias Pohlert

Art-Direction:Peter Breul

E-Mail Redaktion:[email protected]

Alle Artikel werden exklusiv für das „FrankfurterAllgemeine Magazin“ geschrieben. Alle Rechtevorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH,Frankfurt am Main.

Eine Verwertung dieser urheberrechtlich geschütztenRedaktionsbeilage sowie der in ihr enthaltenen Beiträgeund Abbildungen, besonders durch Vervielfältigungoder Verbreitung, ist – mit Ausnahme der gesetzlichzulässigen Fälle – ohne vorherige schriftlicheZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.Besonders ist eine Einspeicherung oder Verbreitungvon Inhalten aus dem Frankfurter AllgemeineMagazin in Datenbanksystemen, zum Beispiel alselektronischer Pressespiegel oder Archiv, ohneZustimmung des Verlags unzulässig.

Sofern Sie AAArtikel dieses Magazins nachdrucken, inIhr Internet-Angebot oder in Ihr Intranet übernehmenwollen, können Sie die erforderlichen Rechte bei derF.A.Z. GmbH erwerben unter www.faz-rechte.de.Auskunft erhalten Sie unter [email protected] telefonisch unter (069)7591-2901.

Redaktion und Verlag:(zugleich ladungsfähige Anschrift für die im Impressumgenannten Verantwortlichen und Vertretungsberechtigten)Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbHHellerhofstraße 2-460327 Frankfurt am Main

Geschäftsführung:Thomas Lindner (Vorsitzender)Dr. Volker Breid

Verantwortlich für Anzeigen:Ingo Müller, www.faz.media

Hersteller:Andreas Gierth

Layout:Verena Lindner, Anja Tschulena

Einzelhefte können zum Preis von €5,– [email protected] bezogen werden.

Druck:Prinovis GmbH&Co.KG – Betrieb NürnbergBreslauer Straße 30090471 Nürnberg

etzt suche ich schon wieder einen Anfang – und habe dochimmerhin sieben Wörter niedergeschrieben, die fast als Beginneines Editorials durchgehen könnten, wenn sie nicht schonwieder so selbstreflexiv wären. Immerhin: Man gesteht gleich

mal, dass aller Anfang schwer ist. Es ist aber auch wirklich verflixtverhext. Immer dann kommt etwas dazwischen, wenn man wirk-lich einmal beginnen will. Einmal waren es die Handwerker, dievon mir zu Hause die Steigleitung gezeigt bekommen wollten;einmal musste das Auto plötzlich und unerwartet in die Werkstatt;einmal wurde hier im Gallusviertel doch wirklich eine Weltkriegs-bombe gefunden, und wir mussten abends aus dem Haus, nurdamit diese Seite mal wieder leer blieb. Und jetzt die Hitze:42,6 Grad in Deutschland, das ist eine Katastrophe, über dieschon alles in der Zeitung gesagt wurde, weshalb wir hier darüberschweigen. Ganz nebenbei hält sie mich auch noch vom Arbeitenab. Sollte ich einfach den quasi-lateinischen Blindtext stehenlassen, der hier als Platzhalter dient? Ecus, que voluptatiae consedquissi cuscium liqui doluptatur apeliquatios es etur re nonemqua-tem id utem et reicature omni ut eic tem esti dicia cuptatur repelesciendem qui ipsapie nihillor res assequi te volenihit voluptataaallliiiqqquuueee vvveeerrrccciat ommolor adit acillabo. Na, auch diesem Anfangwohnt keinnn Zauber inne. Also beginne ich doch lieber wieder vonvorn und ssschreibe über Anfänge in diesem Heft, über die unglaub-lich spannende Geschichte eines Mafia-Mechanikers, der neubeginnen wwwill, aber immer wieder von seiner Vergangenheit ein-geholt wirddd, über die unerwartete Beziehung zwischen unseremMode-Teammm und den Theaterleuten in Avignon, über die Anfängevon Kurt BBBiedenkopf in Sachsen, wo bald gewählt wird, weshalbdieses Inteeerview auch das Ende mitdenkt, über den ersten Testeines Golfff---Marathons, der unseren Autor bis an seine Grenzenführte, und nicht zuletzt über Stoffe von Fischbacher – eine Probedavon haben wir auf diese Seite gestellt. Wir haben hier so vieleStoffe, vor allem, wie Sie schon ahnen, dank meiner Kollegen,dass jede selbstreflexive Verhinderung des Kreativen zynisch wäre.Immerhin wissen wir jetzt, dass es einfacher ist, Texte zu beenden,als sie zu bbbeginnen. Wir müssen einfach nur schreiben: FangenSie an zu lesen! Alfons Kaiser

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CARLOS BAFILE und DAVIDKLAUBERT (rechts) wurdenin Ameglia in Ligurien herzlichaufgenommen. Denn GianfrancoFranciosi (Mitte) nimmt dieMenschen schnell für sich ein.Nach drei Tagen mit ihm konn-ten der Fotograf und der Redak-teur dieser Zeitung verstehen, wiees dem Mechaniker gelungen war,das Vertrauen eines spanischenDrogenbosses zu gewinnen undsich „undercover“ in sein Kartelleinzuschleichen. (Seite 16)

ALEX WESTHOFF schätzt amGolfsport, dass er in kürzesterZeit rauschhafte Höhenflüge undniederschmetternde Tiefschlägebereithält. Der Schwung desgelernten Hockeyspielers lässtseine Bälle zwar weit fliegen –nur nicht unbedingt dorthin, wosie hinsollen. Dennoch wollte derMitarbeiter der Sportredaktionwissen, wie weit man beim Golfgehen kann. Er spielte 100 Bahnenam Stück, vom Morgengrauenbis Sonnenuntergang (Seite 46).Und lernte: Golf ist Sport!

SIMON STRAUSS ist in Triestüber den schönsten Platz Europasgeschlendert, hat eindrucksvolleIndustrieromantik entdeckt,Rilkes Traumburg besucht undClaudio Magris (rechts), denbesten Triest-Interpreten, inseinem Stammcafé getroffen.Als die beiden dort saßen undüber alles sprachen, gab es einenZwischenfall (Seite 42), wieman ihn wohl nur in der geradeso aufgeheizten StimmungItaliens erleben kann.

STEPHANIE GEIGER geht amliebsten in den Alpen oder imHimalaja wandern. An das Tou-ristenziel Teneriffa (Seite 48),das nicht einmal so groß ist wiedas Saarland und im vergangenenJahr 5,6 Millionen Gäste zählte,hatte sie deshalb keine allzugroßen Erwartungen. Umsogrößer war die Überraschung,als sie erfuhr, dass auch fürWanderurlauber einiges läuftauf der Kanareninsel – auf1500 Kilometern ausgeschilderterWege. (Seite 48)

MITAR

BEITERHOLGER APPEL hat es beruf-lich häufig mit Assistenten zutun. Dem Leiter des RessortsTechnik und Motor dieser Zeitungbegegnen sie auf Testfahrtenmit neuen Autos beim Einparken,beim Bremsen, dem Lesen vonVerkehrsschildern, dem Haltender Fahrspur oder dem richtigenAbstand, um nur ein paar zunennen. Manche davon findet ersinnvoll, viele bevormundend,einige schädlich. Vor allem aberist er der Meinung, dass Könnenam Steuer immer noch durch

tzen ist. Appel hatfür dieses Heft malen Grenzbereichund sich danachesehen: Ein Fahr-raining (Seite 45)ür Jung und Alt.auch noch Spaß.

am Steuer immnichts zu ersetsich deshalbwieder in debegeben – ubestätigt gesicherheitstlohnt sich füUnd macht a

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9INHALT

ZUM TITELIman Perez, von Yavidan Castilloim Juli beim Theaterfestival vonAvignon fotografiert, ist in die Rolledes Cyrano de Bergerac geschlüpft.Das französische Model trägtdafür Cape, Hose und Bluse ausder letzten Kollektion von KarlLagerfeld für Chanel. Iman, dieTochter des Schauspielers VincentPerez und der Schauspielerin,Regisseurin und Autorin KarineSilla, erinnert mit dieser Rolle anihren Vater, der im Film „Cyranode Bergerac“ von 1990 mitspielte,und an den früheren Lebenspartnerihrer Mutter, Gérard Depardieu,der in dem vielfach ausgezeichnetenHistorienfilm die Hauptrolle spielte.

MODE Viele Frauen tragenin diesem Sommer wiederlange Kleider. Seite 10

SPORT Taco und Ties Carlierdrehen mit ihren Vanmoof-Bikesam großen Rad. Seite 14

DESIGN Das TextilunternehmenFischbacher stellt in sechsterGeneration edle Stoffe her. Seite 36

SCHÖNHEIT Zu Besuch beieinem Bio-Landwirt, der Kräuterfür Naturkosmetik anbaut. Seite 41

ABENTEUER Mit Vollgas wirdim Fahrertraining das Verhaltenim Notfall geübt. Seite 45

REISE Seit Jahrhunderten werdenauf Bali ältere Ehepaare gemeinsamzu Priestern geweiht. Seite 49

Die nächste Ausgabe des Magazins liegt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 14. September bei.Im Netz: www.faz.net/stil Facebook: Frankfurter Allgemeine Stil Instagram: @fazmagazin

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Generationswechsel: Die Urenkel vonOtto Buchinger führen die Klinikenam Bodensee und in Marbella in dieZukunft. Gefastet aber wird weiter wievor 100 Jahren. (Seite 33)

Nach 75 langen Jahren:Rudolf Arendt warU-Bahn-Kommandantim Krieg. Jetzt wurdedas Wrack seines Bootsgefunden. (Seite 38)

12 WOLFGANG JOOP12 CHITOSE ABE14 ANNDEMEULEMEESTER22 KURTBIEDENKOPF50 MARIE BÄUMER

Von der „It-Bag“ zumKlassiker: Die Baggguettevon Fendi (Seite 34)lässt sich nicht hängen –man kann sie einfachunter den Arm klemmen.

55 KKKilometer Laufstreckeund 521 Schläge: Wer denHunnndert-Loch-Pokal spielt,mussss wirklich für Golfbrennnnen. (Seite 46)

10 PRÊT-À-PARLER

PRÊT-À-PARLERWer eine Reise antritt, der fährt nicht in den Alltag. Dietraurige Wahrheit ist aber, dass sich die wenigsten dabei sobenehmen, als stünde etwas Besonderes an, als gingen sieins Theater oder feierten Geburtstag. Wenn man heute dasBild auf einem anderthalbstündigen Flug nach Südeuropaauf sich wirken lässt, das von Jogginghosen und auf-blasbaren Schlafkissen geprägt ist, könnte man wehmütigan die Zeit zurückdenken, als das noch anders war. Oderauch wenn man in einem vollgepackten Bus auf dem Wegzum verspäteteten Flugzeug steht, das auf einer Außen-position geparkt ist, und der Nachbar im Bus richtig schönschmatzend Kaugummi kaut. Oder wenn man in Florenzin den Uffizien zur Hauptsaison endlich einen Platz ge-funden hat, um Leonardo da Vincis „Die Verkündigung“betrachten zu können, und bemerkt, dass der Besuchernebenan nichts Besseres zu tun hat, als parallel miteiner Dame auf Facetime zu kommunizieren, die – derErscheinung auf dem Bildschirm nach zu urteilen – erstgerade aufgewacht ist.

Aber zwischen nackten Füßen auf Hoteldachterrassen-Tischen und dem Daddeln am Handy immer und überallist ein bemerkenswerter Gegentrend zu erkennen: VieleFrauen tragen jetzt im Sommer lange Kleider – keineAbendkleider, natürlich nicht, aber 30 Grad im Schattensind kein Hindernis mehr für bedeckte Knie und Waden.Es sind eben keine Fähnchen im Wind, auch wenn sie aufdieser Seite so schön flattern.

Das Maxikleid des Sommers ist auch keine Keusch-heitskutte. Seine Trägerinnen halten es, selbst wenn sieTouristinnen sind, vielmehr so wie die Römer in Rom.Um zu signalisieren, dass man hier zu Hause ist und mitder Hitze lebt, reichen manchmal schon ein Paar langeChinos statt der Mainstream-Touristen-Uniform Shorts.

Also Maxikleider: Mit den Modellen von MichaelMichael Kors (5) (das ist kein Druckfehler, die Linie heißtwirklich so) und Rat & Boa (2) (erhältlich im Online-ShopMatchesfashion) ist man über Tag schick und abendsschicker angezogen. Dabei entscheidet die Länge der KllK eiderheute nicht mehr über Tag und Nacht, siehe das leichteJersey-Modell von Marc O’Polo (3) und die Kleider ausfester Baumwolle mit Muster von Le Sireneuse Positano(4) (ebenfalls über Matchesfashion) und mit Borte vonWeekend Max Mara (1).

So geht es in die Hundstage, während UmweltministerinSvenja Schulze (SPD) gerade angekündigt hat, das Fliegenteurer machen zu wollen. Der Mensch setze der Erde mitseinem Verhalten einfach zu sehr zu. Wäre Fliegen für ihnwieder etwas Besonderes, die Umwelt würde es danken. Injeder Hinsicht. (jwi.) Foto Helmut Fricke

Stühle, die bewegen – dafür ist das Unternehmen Aeris inHaar bei München bekannt. Bestes Beispiel dafür ist derHocker Swopper, ein Bürostuhl ohne Rückenlehne, derdank einer federgelagerten 3D-Technologie in alle Rich-tungen schwingen kann. Das entlastet die Bandscheibeund fördert die Durchblutung. Auf diesem Stuhl mussman stets das Gleichgewicht halten, und die Wirbelsäuleist immer leicht in Bewegung.

Die Idee hatte Josef Glöckl. Da sein Swopper so erfolg-reich ist (seit 1997 wurden mehr als eine halbe Million derHocker verkauft), stellt der gebürtige Österreicher denEntwurf seit 2002 auch selbst her. Glöckl ist von Hauseaus Bauingenieur. Nach der Wende arbeitete er eine Zeit-lang für die Treuhandanstalt in Dresden. Als Büromenschlitt er damals an Rückenschmerzen, fand aber keinen

KEINEFÄHNCHENIM WIND

EIN FREISCHWINGERAUF VIER BEINEN

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vernünftigen Bürostuhl, der ihm Linderung verschaffte.So entwickelte er seinen bewegenden Hocker.

Fürs starre Sitzen ist der menschliche Körper einfachnicht gemacht. Auf Dauer verspannt die Muskulatur.Darauf aufbbf auend hat der Hamburger Designer AndreasOstwald für Aeris eine Stuhlfamilie entwickelt, die freischwingen kann, auch wenn sie auf vier Beinen steht.Denn die Sitzschale aus Polypropylen ist dank der Kine-matik unter ihr beweglich. Ostwald hat für seinen StuhlNumo zwei Mechaniken entwickelt, die auf dem Prinzipder scherenden Wippe basieren. Dabei kreuzen sich zweiHebelarme, die nicht auf Achsen, sondern auf doppeltenDesmopanscheiben gelagert sind.

Der Numo ist kein reiner Bürostuhl: Es gibt ihn sogarmit Kufengestell für den Einsatz im Freien. Auch dafürwurde der Entwurf mit der höchsten Auszeichnung beimRed Dot Award „Best of the Best“ in der Kategorie Wohn-und Sitzmöbel bedacht. (pps.) FO

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In den vergangenen Jahren hatte sich Nike hauptsächlichauf die Zusammenarbeit mit männlichen Designern kon-zentriert. Nun setzt der größte Sportartikelhersteller derWelt endlich auf Frauenpower. Zuletzt kam Chitose Abezum Zug, die japanische Designerin, die ihr Label Sacaiin wenigen Jahren zu einer Trendmarke gemacht hat.Ihre Zusammenarbeit mit Nike ist eine der begehrtestenSneaker-Veröffentlichungen dieses Jahres.

Schon in ihrer Kindheit war die Dreiundfünfzigjährigefasziniert von der Modeszene in Tokio. In jungen Jahrenkam sie durch ihre Mutter, die als Näherin arbeitete, inBerührung mit Textilien. Nach ihrem Abschluss arbeitetesie für Comme des Garçons und Junya Watanabe, bis sie1999 ihr Label gründete. Sie führte Sacai zunächst von zuHause aus und eröffnete 2003 ein kleines Studio in Tokio.Seit 2009 stellt sie ihre neuen Kollektionen beim Prêt-à-porter vor. Trotz der nun auch internationalen Anerken-nung öffnete der erste Flagship-Store erst 2011 im Tokio-ter Stadtteil Aoyama. Chitose Abe, eine so freundlichewie entschiedene Designerin, hat ihr Label weiter zu100 Prozent in ihrem Besitz. Dadurch hat sie geschäftlichdie volle Kontrolle und kreativ jede Freiheit.

Von Frühjahr 2015 an enthüllten Sacai und NikeLabeine Reihe gemeinsamer Kollektionen. Chitose Abe verliehdem sportlichen Ansatz von Nike einen Hauch vonEleganz, indem sie die klassischen Sportbekleidungsstückewie Trainingsjacken und Trainingsanzüge mit Rüschen,Netzstoffen und asymmetrischen Details verzierte. MitErfolg: Ihre Damenkollektion war bahnbrechend.

Und nun gibt es endlich wieder eine Zusammenarbeit.Zwei ikonische Nike-Schuhe hat sie in einem abstraktenHybrid-Design vereint. Die Silhouette verbindet den NikeDunk und den Nike Blazer und hat doppelte Zungen,Schnürsenkel und Swooshes mit Nike-x-Sacai-Co-Branding

auf dem Fersen-Tab. Der Double Layered Look soll dieIdee von Stabilität verkörpern, auch die Sohle zieht sichteilweise sehr weit nach oben und macht den Eindruck, alswäre sie aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt. DasObermaterial ist aus Leder und unterstreicht durch dieAnordnung der Farben die einzelnen Designelemente.Die skate-inspirierte Silhouette soll die charakteristischevielschichtige Ästhetik von Chitose Abe aufgreifen. DasKonzept wurde gleich noch weiter vorangetrieben, undes entstand der Sacai x Nike LDV Waffle Daybreak, eineKombination zweier weniger bekannter Swoosh-Silhouetten:des Nike Waffle Daybreak und des LDV Fusion.

Knapp ein Jahr lang habe ich auf diese Kooperationgewartet. Vom Ergebnis wurde ich nicht enttäuscht.Sowohl der Blazer als auch der Daybreak sind gelungeneSneaker. Dass Nike jetzt mit Designern arbeitet, die avant-gardistische Formen bevorzugen und viel experimentieren,ist der richtige Schritt in die Zukunft. Auf dem Wieder-verkaufsmarkt wird der Sacai x Nike Blazer derzeit fürrund das Doppelte des Verkaufspreises gehandelt. Sei’sdrum – ich behalt’ mein Paar. Aylin Güler

PRÊT-À-PARLER

PRÊT-À-PARLER

„Man traut in Deutschland keinem Designer“: Wolfgang Joop, 74, im Juli in Berlin bei der Präsentation seiner Kollektion für van Laack

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SAYLINGÜLE

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„ICH HABE DAS HEMD AUF DEN KOPF GESTELLT“Herr Joop, leben Totgesagte länger?Das sagt man so, oder? Das sagt man vor allem über eineMarke, die richtig staubig ist. Die wiederzuerwecken locktsehr kreative Leute an, die sich das zutrauen. Eine totereMarke als Gucci gab es vor Tom Ford nicht. Eine totereMarke als Chanel gab es vor Lagerfeld auch nicht.

Sie haben nach dem Ausscheiden bei dem von Ihnen gegrün-deten Label Wunderkind nun einen neuen Job: Bei vanLaack sind Sie als Kreativdirektor der neuen Marke „vanLaack Meisterwerk byWolfgang Joop“ ab sofort für zweiKollektionen pro Jahr verantwortlich.Natürlich kommt die Frage: „Warum jetzt noch mal?“

Und, warum?Ich hatte keinen Abschied genommen. Nach Wunderkindwusste ich, dass ich mit der Mode nicht aufhhf ören werde.Aber ich wusste auch, dass ich kein Unternehmer mehrsein wollte. Es brauchte die richtige Orientierung mitleichtem Gepäck. Für van Laack war ich bereit.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit?Ich hatte das Glück, einen ihrer Mitarbeiter per Zufall inder „Paris Bar“ getroffen zu haben. Als er sagte, er sei vonvan Laack, wurde ich hellhörig. Die fand ich schon immergut. Von van Laack war mein Konfirmationshemd, ichhatte mich bei meinen Eltern erfolgreich gegen ein anderesdurchgesetzt. Wenig später kam der Anruf des CEOsChristian von Daniels. Er ist so open minded, er hat micheinfach gewähren lassen. Es gibt nicht viele Unternehmenin Deutschland, die so eine Partnerschaft ermöglichen.

Inwiefern?Man traut in Deutschland keinem Designer – das könnteja riskant sein! Weil Marken lieber den mediokren Ge-schmack wollen, von dem sie glauben, dass der Deutscheihn will. Mode ist Aufregung! Warum denn noch KllK eiderkaufen, wenn man eh schon zu viele hat? Wenn ich etwasNeues möchte, dann will ich mich neu zeigen, neu fühlen.

Van Laack ist für seine Business-Hemden bekannt. Worinliegt für Sie die kreative Herausforderung?Im Grunde war mein Denken bei Wunderkind auch sehrshirtig. Die KllK eider waren Shirts in verschiedenen Varia-tionen. Dann stellte ich fest, dass van Laack mit demgleichen Lieferanten arbeitet, mit dem ich auch gearbeitethabe. Es ist kein Absturz in ein anderes Niveau. Aber esfehlte ihnen natürlich … hallo-ho (schwenkt seine Hand,als würde er mit einem Zauberstab fuchteln). Ich schon

nervös und ihr noch am Schlafen? Anfangs hatte ich dasGefühl, die machen nur Urlaub.

Und dann haben Sie in kürzester Zeit eine Kollektion auf dieBeine gestellt.Das haben wir in nur zwei Monaten geschafft! Zu meinemTalent kommt bei van Laack der kommerzielle Aspekt, dasfunktioniert. Wir haben ein wunderbares Werk in Tunesien.Aus der KllK äranlage kommt ein Wasser heraus, das ist sosauber wie in diesem Glas hier, das könnte man trinken.Alles habe ich genau geprüft, weil ich eines weiß: Ichwerde heute nach diesen Dingen gefragt.

„Van Laack – das königliche Hemd“ lautete ein früher Slogander 1881 gegründeten Marke. Es heißt, dass in den Neunzigernausgerechnet Sie, damals noch mit der Marke Joop, zu einemder größten Konkurrenten wurden.Und heute entwerfe ich für sie. Witzig, oder? Aber ichhabe lange gewartet. Joop ist derweil Menswear geworden.Das ist traurig. Mir fehlen Sexappeal und Spannung.Bei van Laack konnte ich auch die Frauen reinbringen.Da ist der schärfste Rock überhaupt dabei, wie ich ihnschon in den Siebzigern hammerscharf an allen Mädchenfand, die ich kannte: ein verstellbarer Wickelrock ausHemdenstoff, ein doppelter Kreis mit Taschen. MeineFrau trug so etwas damals während der Schwangerschaft.

Und das Motto der Kollektion, „Shirt-Life-Balance“?Das ist ein Wort, das ich natürlich oft benutze: Es mussalles in der Balance stehen. Die Kollektion ist um einHybrid-Business-Hemd herumgebaut, das ich erfundenhabe. Es hat seitlich eingearbeitete Gewirk-Streifen,die Bewegungsfreiheit erlauben. Generell habe ich dasShirt auf den Kopf gestellt. Hemden bemalte ich wieeine Leinwand. Ich bin zudem ein großer Sammlerafroamerikanischer Kunst. Davon inspiriert habe ichHip-Hop mit reingebracht und ein wenig hillbilly.Alles ist etwas ironisch, aber auf eine unzynische Art.

Können Sie das erklären?Für einen Herrenlook kombiniere ich zum Beispiel einSakko zu einer Boxershorts, als hätte der Junge die Hosevergessen. Das finde ich an der Mode im Gegensatz zurKunst so toll: Design kommt in den Alltag und verändertihn. Mit jedem einzelnen piece kannst du deine Garderobeneu aufbbf auen. Kunst bedeutet Distanz. Bei der Mode istalles zum Anfassen.

Die Fragen stellte Celina Plag.

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FRIEDE SEINER TASCHE!Die Shopping-Mall Bikini Berlin wird fünf Jahre alt. Beiallen Problemen, von denen auch dieses Einkaufszentrumin Zeiten des zunehmenden Online-Handels nicht ver-schont bleibt, ist das eine kleine Leistung. Zum Jubiläumist gemeinsam mit dem Berliner Designer William Faneine Tasche aus recyceltem Polyurethan entstanden, dievon Donnerstag nächster Woche an in limitierter Stück-zahl erhältlich ist. Sie sieht aus wie eine modische Inter-pretation der karierten Einkaufstasche, die man aus demeinschlägigen Großhandel kennt. Wie es sich zum Ge-burtstag gehört, gibt es die Tasche weder zu kaufen nochzu gewinnen, sondern geschenkt, also fast. Bikini Berlinbedient sich nämlich eines alten Retail-Tricks: Wer imWert von 150 Euro einkauft, bekommt den Shopper gratisdazu. Die Einkäufe können dann gleich in der Designer-tasche verstaut werden. (cepl.)

EIN PINSELSTRICHFÜR DEN NEUBEGINN

Es war eine Überraschung, als Ann Demeulemeester vorfünf Jahren ihr Label verließ. Die belgische Modemacherinhatte 28 Jahre lang ihre Marke erfolgreich geführt undbewiesen, dass es auch ohne einen großen Konzern geht.Seither war es ruhig geworden um die Konzeptualistin, diemit Dirk Bikkembergs, Walter Van Beirendonck, DriesVan Noten, Dirk Van Saene und Marina Yee zu den legen-dären „Antwerp Six“ gezählt wird, die seit den Achtzigerndie Welt der Mode mit asymmetrischen und körperfernenEntwürfen auf den Kopf stellten. „Frauen sind keine Barbie-Puppen“, sagte Ann Demeulemeester über ihre androgyneMode, die lange stilprägend war.

2014 hatte sie genug davon. Die Designerin, die imDezember 60 Jahre alt wird, zog sich mit ihrem Ehemann,dem Fotografen Patrick Robyn, aus der Stadt zurück. Diebeiden renovierten ein Landhaus aus dem 19. Jahrhundertund richteten es mit selbst entworfenen Möbeln ein. UmsHaus herum legten sie einen Garten an. Die einstigeModeschöpferin begann, Obst und Gemüse zu ziehen.Sie kochte, entwickelte Rezepte und entwarf ihr eigenesGeschirr und Besteck. Dafür modellierte sie mit Ton undbeschäftigte sich mit der Porzellanherstellung.

Schließlich wurde daraus eine Kooperation mit derbelgischen Marke Serax. Eine Kollektion mit Gläsern ent-stand, dazu zwei Porzellangeschirre, die in China nachDemeulemeesters Vorgaben von Hand bemalt werden. BeiDé zum Beispiel ließ sich die Belgierin von Chiaroscuro,der Hell-Dunkel-Malerei der Spätrenaissance, inspirieren.Die Schattenmalerei auf den Tellern, der harmonischeFarbverlauf (Dégradé), entsteht durch feine Schraffurenmit dem Pinsel. Neben einer schwarzen Serie gibt es eineVariante in Rot sowie ein passendes Besteck: Zoë. (pps.)

Integriertes Design: Auch beim Electrified S2 von Vanmoofstecken die Funktionselemente im Rahmen des Fahrrads.

Ihre Fahrräder sind leicht zu erkennen: Sie haben alle eindickes Oberrohr, das an seinen Enden Vorder- und Rück-licht aufnimmt. Zehn Jahre ist es her, dass die Brüder Tacound Ties Carlier Vanmoof gründeten. „Moof“ steht fürBewegung, der Zusatz „van“ weist den Weg in die Nieder-lande und die Fahrradmetropole Amsterdam, wo der Unter-nehmenssitz ist. Ihr beeindruckender Erfolg hat auch mitden rasant gestiegenen Verkaufszahlen von E-Bikes zu tun:Allein in Deutschland wurden 2018 eine Million Stückverkauft. Vanmoof hat schon mehr als 100.000 Fahrräderauf die Straßen der Welt gebracht.

Wichtig ist den Brüdern, dass ihre Räder aussehen wieaus einem Guss. Was sie nicht wollen, ist ein Haufen Teilevon verschiedenen Herstellern. So feilten der mittlerweile41 Jahre alte Taco Carlier und der ein Jahr jüngere Ties anDesign und Funktion. Immer mehr der eigens entwickel-ten Elemente packten sie in den Rahmen: den Elektro-antrieb zum Beispiel, aber auch den Diebstahlschutz, dermit einem Mehrphasenalarm abschreckt.

Auch das Schloss ist integriert, es entriegelt sich, sobaldder Besitzer mit einem Smartphone in Reichweite ist. DerClou aber sind die hauseigenen Fahrradjäger, die auf derganzen Welt im Einsatz sind: Wird ein Vanmoof Electri-fied gestohlen, können die „bike hunters“ die Diebe dankTracking-Signal verfolgen. Sie bringen das Rad – inbislang 70 Prozent der Fälle – seinem Besitzer zurück.Wenn nicht, wird das Rad einfach ersetzt. (pps.)

EIN RAT FÜR DIEBE: KEIN RAD FÜR DIEBE

Mode-Ikone: AnnDemeulemeesterentwirft heuteGläser, Besteck undGeschirr ausPorzellan – wie Dé,das mit Licht undSchatten spielt.

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16 PORTRÄT 17

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PORTRÄT

Gianfranco Franciosi schraubte an Motoren und bauteSpeedboote. Bis ein spanischer Drogenboss vor seiner Türstand – und er zum Undercover-Mechaniker wurde.Von David Klaubert, Fotos Carlos Bafile

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NACIONAL,PRIVAT

ls Gianfranco Franciosidämmerte, dass er dieKontrolle über seinLeben verlor, hatte essich schon so sehr

beschleunigt, dass jeder Fehler tödlich seinkonnte. Er stand am Steuer einer AlbatroTender 50, einer Luxusyacht, die er selbstaufgemotzt hatte, angetrieben von dreiMotoren à 470 PS und mit Stauraum fürdrei Tonnen Kokain. Er flog nach Vene-zuela, für Partys, auf denen ProstituierteSchichtdienst schoben, und um dort insGeschäft eingewiesen zu werden. Er hattedas Vertrauen des spanischen Drogen-bosses. Und das Vertrauen der italienischenAntimafiastaatsanwaltschaft. Er ging zuLagebesprechungen im Polizeipräsidiumin Genua ein und aus, er trug versteckteKameras und Aufnahmegeräte. SeinLeben jagte auf den Showdown zu wie einActionfilm. Gianni, der Mechaniker.

Doch das Leben ist kein Film. Aufdas Ende der Mission folgte kein Abspann.Es ging weiter, in einem Zeugenschutzpro-gramm, das nicht funktionierte. Zermürbtvon der Bürokratie und den Vorschrifteneines Staates, der ihn nun nicht mehrbrauchte. Verdächtigt, gemieden, pleite.Und bis heute in Angst vor der Rachederer, die er verraten hat. Jedes Mal, wenner in seinem verqualmten Mini unterwegsist und sich ein Motorrad nähert, zuckter zusammen. Zwei Männer auf einerMaschine, die Gesichter von Helmen ver-deckt: Cazzo! Sein Herz beginnt zu rasen.Er greift nach der kugelsicheren Weste aufdem Beifahrersitz, im Fall des Falles kanner die von innen gegen das Seitenfensterdrücken. Denn was nützt es, den Ober-körper zu schützen, wenn die, die ihntöten sollen, auf seinen Kopf schießen.

Gianfranco Franciosi, 40 Jahre, vondenen er zwei Gianfranco Ferrero war, istzurück in Ameglia, wo er aufgewachsenist, wo alles begann. Das Dorf liegt imsüdlichsten Zipfel Liguriens, ein paar tau-send Einwohner, der historische Kern obenauf dem Hügel, der Hafen unten an der

Boote wie Torpedos:GianfrancoFranciosi auf demGelände seinerWerft in Ameglia

Mündung des Magra, dahinter das Meer.Als Franciosi seine Geschichte erzählt, lebter gerade im „Ala Bianca“, dem Hotel einesFreundes, in dem vor allem Reisegruppenabsteigen, die auf dem Weg zwischen Pisaund den Cinque Terre einen Stopp ein-legen. Von hier aus führt er zu den Schau-plätzen seines Lebens wie durch Kulissen.

Los geht es gleich auf der anderen Stra-ßenseite. Hinter einem Zaun liegen zweiPolizeiboote im Gestrüpp, daneben dieHalle einer Werkstatt. Schon mit 17 war erhier sein eigener Chef. Ein gemächlichesLeben hat Gianfranco, Sohn einer spani-

schen Köchin und eines italienischenGastwirts, nie gelebt. Für den Schulwegbaute er einen Rasenmähermotor an seinBMX. Nachmittags schraubte er in derWerft eines Nachbarn an Rennbooten. Ölbis an die Ellenbogen, Benzin in der Nase,das liebte er. Mit 15 lernte er in der Disko-thek Marica kennen, fünf Jahre älter als er.Wenig später bekam er seinen ersten Sohn.

Gianfranco verließ die Schule, ohneStudium, ohne Ausbildung. Aber miteinem außergewöhnlichen Gespür fürMotoren. Einmal frisierte er zwei VolvoPenta, gewöhnliche Diesel, die Drehzahlvon 3000 auf mehr als 8000, dröhnendeUngeheuer kurz vor der Explosion. Ermontierte sie an ein altes Speedboot, dasihm sein Nachbar geschenkt hatte, undtrat bei einem Rennen an. Im Ziel warendie Motoren ruiniert. Aber er kam an.Und ließ viele andere hinter sich. Gianni,der Mechaniker, machte sich über Amegliahinaus einen Namen.

Am Abend des 22. Januar 2005 wurdedann mitten in Rom ein Mann ermordet:Giuseppe Valentini, genannt Tortellino.Franciosi sah die Nachricht im Früh-stücksfernsehen. Drei Schüsse in den Kopf,danach waren die Killer auf ihrem Motor-roller geflohen. Als Motiv vermutete diePolizei eine Auseinandersetzung unterMafia-Clans. Schließlich war Tortellinoein vorbestrafter Drogenhändler.

Franciosi erschrak. Tortellino war einerseiner treuesten Kunden. Ein Unternehmer,der Tauchschulen in Italien und Spanienbetrieb. Das jedenfalls habe er ihm ge-glaubt, sagt Franciosi. Immer wieder warTortellino nach Ameglia gekommen. Erwollte keine billigen Gummidinger, son-dern hochseetaugliche Geschosse. Über-motorisiert für seine Zwecke, eigentlich.Aber er zahlte pünktlich und auf Rech-nung, alles sauber. Ein weiteres Boot war-tete schon in der Werkstatt darauf, dassTortellino es abholte.

Gianfranco Franciosi hat auch ein gutesGespür für Geschichten. Er springt vonPointe zu Pointe wie ein Speedboot über

die Wellen. Er genießt es. Und immer wie-der überdreht er dabei. Nicht alle Detailsseiner Erzählungen stimmen, viele sindaufgemotzt. Viele lassen sich nicht über-prüfen. Schließlich geht es um eine Under-cover-Mission in einem internationalenDrogenkartell. Aber es gibt Beweise undZeugen, die seine unglaubliche Geschichtegrundsätzlich bestätigen: Gerichtsunterla-gen, Briefe, Fotos. Marica, seine Ex-Freun-din, Deborah, seine Ex-Frau. Ein spani-scher Drogenfahnder, der Staatsanwalt,der die Ermittlungen leitete, und der Poli-zist, der die Sonderkommission führte. Ersagt: „Über diese Operation könnte manwahrlich ein Buch schreiben.“

Nach Tortellinos Tod, sagt Franciosi,hätten ihn viele im Dorf misstrauischbeäugt. Er war ja immer wieder mit demMafioso gesehen worden. Trotzdem ver-gaß er die Episode schnell. Sein Alltagnahm ihn ganz in Beschlag: die Boote,die beiden Söhne David und Malcom, diewiederkehrenden Krisen mit Marica.

Bis er eines Tages, zwei Jahre späteretwa, vor dem Tor seiner Werkstatt ab-gefangen wurde. Zwei Typen warteten imAuto auf ihn. „Wir suchen Giannino, dasbist du, oder?“, fragte der eine, ein Neapo-litaner, das erkannte Franciosi am Akzent.„Wir sind Freunde von Tortellino.“

Franciosi war morgens immer der erstein der Werkstatt, meist gegen sechs, so er-zählt er, seine Arbeiter kamen um acht. Erwar sich sicher, dass die Fremden das wuss-ten, dass sie ihn beobachtet hatten. „Müs-sen wir mitten auf der Straße sprechen?“,sagte der zweite, ein junger Kerl, so um die30. Er sprach Spanisch. Und weil Franciosinicht wusste, was er sonst tun sollte, nahmer die beiden mit ins Büro der Werkstatt.

Tortellino habe immer sehr gut vonGianninos Fertigkeiten als Mechanikergesprochen, sagte der Spanier, der sich alsElías vorstellte. Deshalb wolle auch er mitihm ins Geschäft kommen. Er brauche einSchlauchboot, schnell und stark, 3000 Kilo-gramm wolle er damit transportieren. Ersagte auch, worum es ging: Kokain.

Bedroht: Diese Patronen lagen eines Morgens aufdem Auto von Gianfranco Franciosi.

Beschlagnahmt: Die Polizei zeigt Handys, Geldund Luxusuhren des spanischen Drogenbosses.

Beladen: Der venezolanische Kutter DoñaFortuna transportierte tonnenweise Kokain.

UNTERNARCOS

18 PORTRÄT PORTRÄT 19

Noch am selben Tag, sagt Franciosi, seier in die Stadt gefahren und habe der Poli-zei von dem Vorfall erzählt. Die Polizistenhätten ihn gebeten, auf das Geschäft ein-zugehen, damit sie die beiden Männerüberprüfen könnten. KriminalkommissarFrancesco Navarra, der die Ermittlungenspäter von Genua aus leitete, erinnert sichanders: Franciosi habe schon Geschäftemit dem Spanier gemacht, bevor er mit derPolizei zusammenarbeitete. „Er hat eineWeile gebraucht, um zu verstehen, wiegefährlich das Spiel war, auf das er sicheingelassen hatte.“ Zu welchem Zeitpunktsich Franciosi tatsächlich an die Polizeiwandte, ist nicht sicher nachzuvollziehen,der Kontakt blieb lange inoffiziell. Auchdie Polizisten brauchten wohl eine Weile,um zu verstehen, wie groß der Fall war,der sich da vor ihnen auftat.

Franciosi jedenfalls kam mit demSpanier ins Geschäft, er hatte ja noch dasSchlauchboot in der Werkstatt stehen, dasTortellino nicht mehr abholen konnte.Elías bezahlte es bar. Und bald schon be-stellte er ein zweites.

Den Kontakt hielt Elías über Mobil-telefone, die er Franciosi zukommen ließ:spanische oder portugiesische Prepaid-Handys, billige Dinger, die alle paarWochen ausgewechselt wurden. Und überBlackberrys, denn deren Messenger, er-klärte Elías, sei abhörsicher. Er wollte aufdem Laufenden gehalten werden, wollteFotos von den Booten, wurde ungeduldig,wenn Franciosi mal nicht erreichbar war.Und er lud ihn zu sich nach Spanien ein.Elías habe ihm nur Uhrzeit und Flug-nummer geschrieben, sagt Franciosi. DieTickets seien immer schon gebucht ge-wesen. Am Flughafen wartete dann einFahrer, der ihn weiter an die galizischeKüste brachte, Elías’ Heimat.

In einem Restaurant namens „O Cru-ceiro“, eine halbe Stunde von Santiagode Compostela, so erinnert sich Franciosi,wurde er vorgestellt: „Der Mechaniker, derunsere Boote zu Ferraris macht!“ Dannhabe Elías ihm eine Rolex überreicht. Alser sich umsah, erkannte Franciosi, dass alleMänner am Tisch solch eine Armbanduhrtrugen.

Elías habe keine Gelegenheit ausgelas-sen, seine Macht zu demonstrieren, sagtFranciosi. Er habe ihn mit auf eine Reisenach Caracas genommen. „Dort hat unsdie Polizei aus dem Flughafen eskortiert.“Elías habe ihm seine Villa gezeigt, habemit ihm seine venezolanischen Geschäfts-partner besucht, Orgien mit Prostituier-ten, auf denen nur eine Regel galt: Werfür Elías arbeitete, durfte selbst kein Koksanrühren. „Er war dort ein König.“ Bestä-tigen lassen sich die Details dieser Reisenicht, ein spanischer Drogenfahnder abererinnert sich, dass Franciosi tatsächlichmit in Venezuela war. Kommissar Navarrasagt: „Gut möglich, aber nicht währendder Zusammenarbeit mit uns.“

Dank Franciosis Hinweisen gelang esden italienischen Polizisten, mehr überden Spanier herauszufinden: Elías PiñeiroFernández, geboren 1975, wurde verdäch-tigt, am Transport großer Mengen Kokainnach Europa beteiligt zu sein. Er hatteKontakte zu kolumbianischen und venezo-lanischen Kartellen. Zu seiner Kundschaftgehörte unter anderen die Camorra, dieneapolitanische Mafia. Davon waren diespanischen Ermittler überzeugt. Schon seitJahren hatten sie Piñeiro im Fokus. Bewei-sen konnten sie ihm bislang nichts.

Die Polizisten ermunterten Franciosi,den Kontakt aufrechtzuerhalten. DochElías blieb vorsichtig. Er gab ihm einen

Auftrag, der nichts mit Booten zu tunhatte: Er sollte einen Verräter erschießen.

„Elías wollte mich testen“, sagt Franci-osi. „Das ist die einzige Möglichkeit, sicherzu sein, dass einer nicht mit den Sicher-heitsbehörden zusammenarbeitet: wenn erjemanden tötet.“ Einer seiner Männer inItalien habe der Polizei Hinweise aufKokaintransporte gegeben, sagte Elías. Dafürmüsse er sterben. „Er wollte sehen, wie ichreagiere. Deshalb habe ich den Hartengegeben: Klar, kein Problem, gebt mir einePistole!“ Zurück in Italien, meldete sichFranciosi bei der Polizei. „Das war derMoment“, sagt Kommissar Navarra, „indem er endgültig verstanden hatte, dass erin einer sehr komplizierten Lage war.“

Die Polizisten in Genua beruhigtenFranciosi und schickten ihn zurück nachAmeglia. Er geriet in eine Verkehrskon-trolle. Und als die Beamten seinen Last-wagen durchsuchten, fanden sie die Bau-teile einer Pistole. Er wurde wegen illega-len Waffenbesitzes vorläufig festgenom-men. Die Lokalzeitung berichtete darüberund nannte seinen Namen.

Elías fiel auf die fingierte Festnahmeherein. Aber nicht nur er. „Spätestens vondiesem Tag an war ich für alle im Dorf einVerbrecher“, sagt Franciosi. Marica hatteer angedeutet, dass er mit der Polizeizusammenarbeite. Sonst war außer derSonderkommission niemand eingeweiht,nicht einmal die Carabinieri der Wachein Ameglia. Zu groß war die Gefahr, dassElías oder seine italienischen Partnererfahren könnten, dass sich ein Spitzel inihre Reihen eingeschlichen hatte.

Aussteigen konnte Franciosi nicht mehr.Von beiden Seiten wurde er immer weiterangetrieben. Der einzige Ausweg, den er

sah: so lange mitzuziehen, bis Elías verhaf-tet werden konnte.

Die Polizisten machten ihm Hoffnung,dass es bald so weit sein könnte. Franciosihatte ein weiteres Boot umgebaut, eineAlbatro Tender 50. „Ich bin selbst einmaldamit gefahren“, sagt Kommissar Navarra.„Ein Torpedo.“ Die Polizisten verstecktendarin ein Ortungsgerät und Mikrofone,die alle Gespräche an Bord aufzeichnensollten.

Elías schickte einen seiner Männernach Ameglia, um das Boot abzuholen.Franciosi kannte ihn schon: Mario, dierechte Hand des Bosses, ein misstrauischerSoziopath. Wieder bewies Elías, was ihn soerfolgreich machte: seine Unberechenbar-keit. Gianfranco, so ordnete er an, solledas Boot selbst nach Spanien fahren, zu-sammen mit Mario. Und zwar, anders alsgeplant, nicht morgen, sondern sofort.

Die Sonderkommission erhielt nocheine Nachricht von Franciosi, dass es los-gehe, mitten in der Nacht. Doch sie warennicht bereit und verloren das Signal desBootes. Erst später erfuhren sie, dass es vorFrankreich, auf der Höhe von Marseilleetwa, von der französischen Küstenwacheabgefangen worden war.

Der offizielle Käufer des Bootes, einStrohmann, hatte es, wie vor riskantenOperationen üblich, als gestohlen gemel-det. Mario war in Frankreich offenbarbekannt, wegen Drogengeschäften undGeldwäsche. Sie wurden in das GefängnisToulon-La-Farlède gebracht und zu mehr-monatigen Haftstrafen verurteilt.

Franciosi blieb ruhig. Er war ja in offi-zieller Mission unterwegs. Nach einer an-gemessenen Frist, um seine Tarnung nichtauffliegen zu lassen, würde die italienischePolizei ihn aus dem Knast holen. Doch soeinfach war es nicht: In den Ermittlungenwurde er nur als Informant geführt, er warja kein Polizist, kein verdeckter Ermittler.Den französischen Behörden konnte ernichts vorweisen. „Ich habe mich verratengefühlt. Vom italienischen Staat und vonElías, der hat auch keinen Finger krummgemacht, um uns rauszuholen.“

Nur wenn er formal kooperiere undeine Aussage mache, erklärten ihm diePolizisten aus Genua, als sie schließlichdoch nach La Farlède kamen, könnten sieseine Freilassung erwirken. Franciosi lehnteab. Er hatte Angst, dass Elías Wind davonbekommen könnte, zumal Mario mit imGefängnis war. Drei Monate und dreiWochen blieb er in Haft. Dann wurde erwegen guter Führung entlassen und desLandes verwiesen.

Sein Leben in Ameglia war in dieserZeit zerborsten. In der Bootswerkstattherrschte Chaos, denn der Chef war jaüber Nacht verschwunden. Marica hatteendgültig beschlossen, sich von ihm zutrennen. Und sein Vater, der schon längernichts mehr mit ihm zu tun haben wollte,war tot. „Er ist in der Überzeugung gestor-ben“, sagt Franciosi, „dass sein Sohn einVerbrecher war.“

Nur Elías schien zufrieden. Er schickteseinen Bruder nach Ameglia und ließausrichten: Er wisse sehr zu schätzen, dassGianfranco den Knast in Frankreich er-tragen habe. Ein Beweis der Treue. Aufweitere gute Zusammenarbeit!

Auch die Sonderkommission in Genualieß nicht locker. Sie bot Franciosi an, ihreZusammenarbeit zu formalisieren, auf derGrundlage eines recht neuen Gesetzes, dasverdeckte Einsätze von Zivilisten regelte.Sie schalteten die Antimafiastaatsanwalt-schaft ein. Gianfranco Franciosi war nunauch offiziell undercover.

UNTERNARCOS

Allein: Über Jahrehielten ihn vieleim Dorf für einenVerbrecher – sogarsein eigener Vater.

Mahnung: Halb im Spaß, halb im Ernst habenFreunde ihm ein Grabkreuz geschenkt.

Erinnerung: Von seiner letzten Mission hatFranciosi Handys und Dokumente aufbewahrt.

PORTRÄT20

UNTERNARCOS

In dieser Zeit, sagt Franciosi, habe erHass verspürt wie nie zuvor. Er habe auchweitergemacht, um sich zu rächen. SeinVerhältnis zu Elías wurde immer vertrauens-voller. Er wurde in die neuesten Pläneder galizischen Drogenhändler eingeweiht:Mit ihren südamerikanischen Partnernhatten sie einen Fischkutter namens DoñaFortuna. Beladen wurde er aus Kleinf lug-zeugen, die das Kokain direkt aus Venezu-ela auf den Atlantik hinausf logen und inder Nähe des Schiffes abwarfen. Oder inafrikanischen Häfen, die als Umschlag-plätze dienten. Vollgepackt mit Kokain,kreuzte das Mutterschiff im Meer. Klei-nere Boote brachten die Ware je nachBedarf an die Küste.

Auch die spanische Polizei hatte vondem schwimmenden Drogensupermarktgehört. „Ein Schiff mitten im Atlantik“,sagt Kommissar Navarra. „Es ist einfacher,eine Nadel im Heuhaufen zu finden.“

Die Narcos beauftragten Franciosi,Speedboote vorzubereiten. Wichtig warenextragroße Tanks, damit ihnen auf demRückweg über Hunderte Kilometer nichtdas Benzin ausging. Und er sollte dabeihelfen, die Routen zu berechnen.

Die Sonderkommission aus Genuaarbeitete immer enger mit der Antidrogen-einheit der Polizei in Galizien zusammen.Sogar der spanische Innenminister war beieinigen Besprechungen dabei. Schiffe derMarine wurden losgeschickt. An der gali-zischen Küste fingen sie ein Speedboot ab,das gut 3,5 Tonnen Kokain transportierte.Doch das Mutterschiff blieb ein Phantom.

Dann bekam Franciosi den Auftrag,selbst Kokain abzuholen. Er fuhr vonAmeglia aus quer durchs Mittelmeer, hin-aus auf den Atlantik. Mehr als eine grobeRichtung hatte auch er nicht bekommen.Auf Madeira tankte er. Und erhielt schließ-lich ein Passwort, mit dem er sich beieinem E-Mail-Postfach anmeldete. Er öff-nete den Ordner „Entwürfe“ und fanddarin zwei Zahlen: die Koordinaten.

Rund 1480 Kilometer nordwestlichder Kanarischen Inseln stoppte am Mor-gen des 26. Juli 2009 ein Patrouillenbootder spanischen Marine die Doña Fortuna.Unter Deck lagerten fünf Tonnen Kokain,abgepackt in 184 Bündel. Der Wert: mehrals 250 Millionen Euro. Die Besatzung,fünf Venezolaner, wurde festgenommen.Außerdem verhafteten Spezialeinheitenin Galizien neun Männer, darunter JoséManuelVila Sieira, „O Presidente“, einer dergrößten Drogenbosse der spanischen Ge-schichte. Nicht darunter war Elías Piñeiro.Die Beweise gegen ihn reichten nicht.

„Ich dachte, das war’s“, sagt Franciosi,der den Polizisten die Koordinaten weiter-gegeben hatte. „Ich bin tot.“

Bei den Pressekonferenzen wurdeFranciosi mit keinem Wort erwähnt, undauch in den spanischen Ermittlungsunter-lagen tauchte sein Name nicht auf. Soschaffte er es erst einmal, den Verdachtauf einen der anderen Speedbootfahrer zulenken. Doch Elías blieb argwöhnisch.

Vor dem Supermarkt in Ameglia trafGianfranco in dieser Zeit Deborah wieder,eine Jugendfreundin. Sie war verheiratetund hatte vier Kinder. Trotzdem verab-redeten sich die beiden nun öfter. Gian-franco überzeugte sie, sich von ihrem ge-walttätigen Ehemann zu trennen. Sie wur-den ein Paar. Weil Deborah immer mehrvon seinen Kontakten mitbekam, weihte er

Entfremdet: Die Isolation machte Franciosi im Zeugenschutzprogramm zu schaffen. Außerdem vermisste er die Weite des Meeres.

sie ein. „Gianni war immer gut darin, denDingen die Schwere zu nehmen, auchwenn er wusste, dass sein Leben und dasseiner Familie auf dem Spiel stand“, sagtDeborah. „Er spielte es locker herunter,wenn einer der Narcos bei uns vorbeikam.Er wollte das zu Ende bringen, um endlichin Sicherheit zu sein.“

Doch die Ermittlungen zogen sich hin.Erst im März 2011 gelang es der Polizei, inder Nähe von Ameglia zwei spanischeKuriere festzunehmen, mit 49 Kilo Kokain.Einer der beiden sagte im Gefängnis aus.Und als Elías immer stärker unter Druckgeriet, wurde er leichtsinnig, verriet sichin Telefonaten mit Franciosi selbst. Am29. November stürmten Spezialeinheitenseine Villa in Galizien und verhafteten ihn.In einem Bunker, versteckt hinter einemWeinregal, fanden sie eine Geldzähl-maschine, Tausende Euro Bargeld, Dollar,venezolanische Bolívar, paraguayischeGuaraní und boxenweise Luxusuhren.

Franciosi war da schon nicht mehrin Ameglia. Denn anders als er geglaubthatte, war mit Elías’ Festnahme nicht allesvorbei. Viel zu groß war der Schaden, dener den Narcos zugefügt hatte, den Venezo-lanern, den Galiziern, den Neapolitanern.Viel zu groß war die Gefahr, dass sich einervon ihnen für den Verrat rächen würde.

Er war ins Zeugenschutzprogramm desitalienischen Staates aufgenommen wor-den, zusammen mit Deborah und ihrenKindern. Hals über Kopf hatten sie ihreKoffer gepackt. Was nicht hineinpasste,

ließen sie zurück, so wie ihr bisherigesLeben. Über mehrere Stationen wurdensie nach Padua eskortiert, nur die Beamtendes Programms waren eingeweiht. DasHaus, das sie dort bezogen, war groß undschön. Bald aber fühlten sie sich wie ineinem Gefängnis.

Um zu verhindern, dass sie aufgespürtwurden, mussten sie alle Kontakte abbre-chen. Nicht einmal ihren Familien durftensie sagen, wo sie waren. Sie erhielten einenneuen Nachnamen: Ferrero. Doch derexistierte nur auf den Ausweisen, die esdazu gab. Sie hatten keine entsprechendenGeburtsurkunden, Krankenversicherungs-nummern, Bankkonten, Zeugnisse. Ihrealten Leben waren gelöscht worden, ohnedass sie neue bekamen.

Das Geld, das ihnen monatlich vomInnenministerium ausbezahlt wurde, sagtFranciosi, habe kaum für die ganze Fami-lie gereicht. Jedes Extra musste er schrift-lich beantragen, jede Waschmaschinen-reparatur. Die Kinder mussten wochen-lang warten, bis die Beamten Schulengefunden hatten. Arztbesuche mussten siemit 48 Stunden Vorlauf ankündigen. Dasie keine Versicherung auf ihre Tarnnamenhatten, mussten sie dafür in eine andereStadt gebracht werden. Auch als Edoardo,ihr Jüngster, krank wurde, sagt Deborah,hätten die Beamten sie vertröstet. Weil eraber nicht aufhörte, sich zu übergeben,und das Fieber stieg, brachte sie ihn selbstin die Notaufnahme. Aus Sicht der Beam-ten riskierte sie so, dass ihr Aufenthaltsortauff liegen könnte. Sie ordneten die sofor-tige Verlegung in eine andere Stadt an.

Wieder hatte Franciosi die Kontrolleüber sein Leben verloren. Sie saßen in denHäusern fest, die ihnen zugewiesen wur-den, isoliert und ohne irgendetwas zu tun.Gefangen im Stillstand, ohne Aussicht,dass sich das irgendwann ändern könnte.„Das ist psychische Folter“, sagt Deborah.Hinzu kam die Angst, doch aufzufallen,doch aufgespürt zu werden. Sie waren janicht aus der Welt. „Erklären Sie maleinem Sechsjährigen, dass er plötzlichlügen soll“, sagt Deborah. „Dass er in derSchule seinen echten Namen nicht sagendarf, nicht wo er herkommt, nicht warumer da ist. Das funktioniert einfach nicht.“

Knapp zwei Jahre hielten sie durch, inPadua, in Venedig, auf Sardinien und inArezzo, dann entschieden Gianfranco undDeborah, das Programm zu verlassen. „Esging nicht mehr“, sagt er.

Und so ist Gianfranco Franciosi zu-rück in Ameglia. Er und Deborah habengeheiratet, sich wieder getrennt. Bis heutesteckt er in juristischen Scharmützeln mitdem Staat. Er hat eine Abfindung bekom-men, wie sie allen zusteht, die aus demZeugenschutzprogramm ausscheiden, zurWiedereingliederung. Viel zu wenig, umsich anderswo ein neues Leben aufzubau-en, sagt Franciosi. Aber auch zu wenig, umsein altes in Ameglia wieder aufzunehmen.Als er in der Obhut des Staates war, küm-merte sich niemand um die Werkstatt. DasHochwasser des Magra richtete Schädenan. Kunden, die noch Boote bei ihm ste-hen hatten, klagten. Und der Staat berech-nete weiter Steuern und Abgaben, Zehn-tausende Euro, gegen deren Bezahlung ernun ebenfalls vor Gericht kämpfen muss.

Gelieben ist ihm seine Geschichte. Alser sich 2014 einen Smart mit kugelsicherenFenstern kaufte, lagen kurz darauf zweiProjektile auf den Scheibenwischern, inder Garage, trotz Videoüberwachung. Dabeschloss Franciosi, an die Öffentlichkeitzu gehen. Erst in einem Fernsehbeitragüber das Versagen des Zeugenschutzes,dann schrieb er mit dem Journalisten einBuch: „Die Uhren des Teufels“. Das italie-nische Fernsehen verfilmt es gerade, Net-f lix dreht eine Dokumentation. „Gianniist pf lichtbewusst, ein Guter. Aber ichdenke, dass er in all den Jahren auch vonseinem Stolz angetrieben wurde, von demGedanken, es irgendwann all denen sorichtig zeigen zu können, die ihn für einenVerbrecher hielten und entsprechend be-handelten“, sagt Deborah. „Die Aufmerk-samkeit schützt mich auch. Denn Auf-merksamkeit schreckt die Verbrecher ab“,sagt Franciosi. „Gefährlich wird es, wennich wieder in Vergessenheit gerate.“

Elías Piñeiro Fernández wurde 2013in Genua wegen internationalen Drogen-handels zu neun Jahren Haft verurteiltund nach Spanien überstellt. Inzwischenist er dort im offenen Vollzug. Auch erwird bald heimkehren.

Zuhause: Inzwischen lebt Gianfranco Franciosiauf dem Gelände seiner Werft.

MOOD/MUT 21

In Wellness-Blütezeiten gehört das medizinische Spa Lanserhof, ursprünglich vom Tegernsee,zweifelsohne zu den großen Gewinnern. Gerade haben sie im Londoner Arts Club eröffnet.FO

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MOOD

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Bedeutende Dinge,Menschen, Ideen,Orte und weitereKuriositäten,

zusammengestellt vonJennifer Wiebking

Vilebrequin macht schöneStrandmode und MateriaBikes schöne Räder.Kreuzt man die Produktebeider Marken, entstehtein Beach-Cruiser.

GESICHTS-TATTOOS .. .. . . verlieren allmählich ihrStigma, nämlich jenes, dass essich bei seinen Besitzern umzweifelhafte Zeitgenossenhandeln muss. Also zumindest,wenn Pinterest ein belastbarerGradmesser ist. Die Suche nach„cute face tattoos“ stieg vonDezember 2017 bis Dezember2018 auf der Moodboard-Platt-form um 466 Prozent. Dortdifferenziert man denn auchspätestens seitdem sehr genau,zwischen „Next-to-Eye Tattoos“,„Schläfen-Tattoos“, „Side-Face-Tattoos“, „Tattoos unter demKinn“ oder „Ohr-Tattoos“ – diesind übrigens auch kompatibelmit „Ear Seeds“.

Und noch ein Beispielfür Müll, der übrigbleibt,wenn man was trinkenwwwiiillllll. DDDiiieeessseeesss MMMaaalll KKKaaaffffffeeeeee.Von Caran d’Ache gibtes jetzt einen Kugel-schreiber aus recyceltenNespresso-Kapseln.

Noch ist Sommer. Aber nicht mehr lange, undman stapft durch Herbstlaub, und es wird grau.Kein Problem in Dr.-Martens-Sandalen mitdickem Profil und optimistischem Herz-Muster.

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EAR SEEDSAuch das muss es gebenin Zeiten von täglicherMeditation und Kristallen inder Hosentasche: vergoldete„Samen“, mit denen perAkupressur die Ohrmuschelnbearbeitet werden. Soll beiJetlag helfen.

SACHSEN22

Kurt Biedenkopf über seine Liebe zu Sachsen,die Lage in Ostdeutschland, das Machtstreben der Populisten

und das Frühstück in einer Regierungs-WGVon Stefan Locke, Fotos Robert Gommlich

Herr Biedenkopf, ich würde mit Ihnengern über Sachsen sprechen. Sie und IhreFrau sind vor zwei Jahren zurück nachDresden gezogen.Nicht zurück! Meine Frau und ich sind1990 nach Sachsen gekommen. Vorausging im Dezember 1989 eine eindrucks-volle Begegnung mit Kurt Masur inLeipzig. Im Gespräch mit ihm hörtenmeine Tochter Susanne und ich die Orgelim Gewandhaus. Masur lud uns zu einemBesuch im Konzertsaal ein. Er bat denOrganisten, für uns zu spielen. Die Kraftder Musik und ihre Schönheit überwältig-ten Susanne und mich. Wir hatten Tränenin den Augen. Ich bat den Maestro umseinen Rat, was ich in Sachsen Nützlichestun könne. Als ich ihn Anfang Januarwiedersah, riet er mir: „Sie müssen inLeipzig Gastprofessor werden, dann sindSie einer von uns.“ Er hat mich damit inSachsen integriert. Das war im Grundeder Schlüssel für alle folgenden Ent-wicklungen.

Wie haben Sie Sachsen und die Menschendamals empfunden?Die Menschen waren ohne jeglicheKenntnisse und Erfahrungen in einerneuen Ordnung angelangt. Auch ich hätteim umgekehrten Fall jemanden gebraucht,der mir hilft, das Land zu verstehen, dasmir bis dahin fremd war, der mir dasNeue erklärt, den Übergang vom Altenzum Neuen beschreibt und welche Folgendas hat. Nehmen Sie die Braunkohle:Damals haben wir gewusst, dass dortvon 150.000 Mitarbeitern nur etwa einZehntel bleiben kann. In Hoyerswerdahabe ich versucht, den Betriebsräten zuerklären, warum das so ist. In der Diskus-sion meldete sich einer und sagte, siehätten doch eigentlich das Recht, genausowie die Kohlekumpel im Ruhrgebietbehandelt zu werden. Da stand ein andererauf und sagte: Kollege, du weißt doch,dass das nicht geht. Er stieß nicht aufWiderstand. Die Bereitschaft war damitzudenken. Das hat mich gefreut.

Heute steht das Thema Braunkohle wiederauf der Tagesordnung.Ja, aber heute ist noch immer nichtgeklärt, woher künftig die Energiekommen soll und wovon die Leute inder Lausitz dann leben sollen. Es istja sinnvoll, die Kohleverbrennung zureduzieren. Zugleich wollen wir keinenAtomstrom mehr. Das hat Angela Merkelentschieden, ohne den Bundestag zu

fragen, doch bisher ist nicht geklärt, woherkünftig der Strom kommen soll. Zynikersagen, dann kaufen wir Atomstrom ausFrankreich und Kohlestrom aus Polen.Aber ehrlich wäre das nicht. Dabei war dieWissenschaft auf gutem Weg, Kernenergieohne Risiko zu erzeugen. Nur leider warda die politische Wand. Was mich beimThema Klima freut: dass einer Sechzehn-jährigen gelingt, was der Politik nichtgelingt. Sie begeistert die Jugend, treibtsie auf die Straße. Sie machen das für dieAllgemeinheit, denn die ist geschädigt,wenn sich das Klima verändert.

Zurück zu Sachsen: Sie sagten, Sie wollteneigentlich nicht wieder in die Politik.Nach dem Debakel in Nordrhein-West-falen 1987 habe ich mich zurückgezogenund bin nur im Bundestag geblieben.Nach Sachsen ging ich, um bei derNeuordnung der Wirtschaft mitzuhelfen.Ich hatte nicht die Absicht, Ministerpräsi-dent zu werden. Erst Ende August 1990rief mich mein Freund Lothar Späthmitten in der Nacht an und sagte: „Wirwollen Dich für Sachsen haben.“ Bis dahinhatte das Kohl schon dreimal verhindert.

War Helmut Kohls Ablehnung Ihnen einzusätzlicher Ansporn?Nein, ich bin ja nicht kindisch. NachSachsen zu gehen haben meine Frau undich so entschieden. Wenn sie gesagt hätte:„Ich glaube nicht, dass das gut ist“, hätteich es nicht gemacht. Aber wir habengesagt: Wir können uns nicht verweigern.Wir wussten, wie es um die DDR steht.

Sie kannten das Land noch von früher.Von 1938 bis 1945 lebte ich mit meinenEltern und zwei Brüdern in Schkopaubei Merseburg. Meine Frau wohnte inLeipzig, ich kannte sie damals schon, siewar elf und ich zwölf, unsere Eltern warenbefreundet. Mein Vater war einer von dreiDirektoren des Buna-Werks. Ich ging indie Zwei-Klassen-Schule, die Stufen einsbis vier und fünf bis acht wurden gemein-sam unterrichtet. Das war lehrreich, weilman unterschiedlichen Altersgruppenbegegnete. Als Kind sprach ich auchSächsisch. Wobei das westliche Sächsischweniger edel ist als das Dresdner.

Ihr Wahlkampfmotto 1990 war: „Für einblühendes Sachsen“.Es war ein Experiment. Aber ich hatteWahlkampferfahrung, ich hatte schon denBundestagswahlkampf 1976 als General-

sekretär geführt. Und die Sachsen warenmotiviert, es war ihre erste freie Wahl.

Ihre Konkurrentin war die damaligeSPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs.Eine gute Politikerin. Aber sie, ich unddie SPD wussten schon, dass ihr Einsatzziemlich sinnlos war. Sie mussten aberjemanden schicken. Ich wusste, dass ichin Sachsen auf fünf Millionen Menschentreffe, die keine Ahnung hatten, wie eineDemokratie und eine freie Gesellschaftfunktionieren. Ich sah die Möglichkeit,das Wissen so zu transferieren, dass dieMenschen es akzeptieren. Ich betontein meinen Reden von Anfang an: Ichbin nicht euer Boss. Ihr habt die Mauergesprengt, den sozialistischen Dunstvertrieben und eure Freiheit gewonnen.Macht etwas daraus.

Die Leute nannten Sie bald „König Kurt“.Nach meiner Nominierung parkte ichin Leipzig am Gewandhaus mal auf demParkplatz von Kurt Masur. Da kam einWächter angelaufen und wollte michvertreiben, aber als er mich erkannte, sagteer ganz freundlich: „Ei verbibbsch, das is’ja unser neuer Geenich.“ Die Sachsenfingen an, mir zu vertrauen. Meine Redenim ersten Wahlkampf beendete ich mitden Worten: „Der Weg wird schwer undmühsam sein. Ihr werdet in einem Jahrvielleicht vor der Staatskanzlei demon-strieren, weil ihr glaubt, ihr könntet dieLast nicht ertragen. Aber in fünf Jahrenwerdet ihr stolz darauf sein, was ihrgeleistet habt.“

Sie waren 1990 gerade 60 Jahre altgeworden, als Sie noch mal ein neues Lebenanfingen und in Dresden in eine Regierungs-Wohngemeinschaft zogen.Es war keine Wohngemeinschaft. Oderdoch. Die Sachsen hatten die Regierungs-bildung gut vorbereitet und wollten füruns eine große Villa besorgen. Da hab’ ichgesagt: Nun mal langsam. Es gab diesesehemalige Gästehaus der Stasi, die hatteein Hotel gemietet für Leute, die länger inDresden wohnten. Das Haus führte eineDame für 3000 Mark im Monat. MeineFrau besorgte für die Verwalterin einegleichwertige Stellung, das Hotel räumtedie angemieteten Apartments. DasGebäude wurde zum Quartier fürMinister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter,Personal, Fahrer und Gäste, die ausWestdeutschland kamen und beimAufbbf au der Verwaltung mitwirkten.

SACHSEN 23

Insgesamt ein freundliches Völkchen, beidem nur die Zurechnung der Kosten desBierkonsums Schwierigkeiten machte.

Beschreiben Sie bitte mal das Leben dort.Sehr kameradschaftlich und dankbar.

Sie haben gemeinsam gefrühstückt?Ja, anders können Sie ja unter diesenUmständen gar nicht frühstücken. Ichbitte Sie! Was würden Sie denn machen,wenn Sie mit so vielen Leuten aus allenunterschiedlichen Ecken Westdeutsch-lands unter einem Dach wohnen? Dageht man doch nicht hin und sagt: Ichhätte aber gern Frühstück aufs Zimmer!

Kommt auf den Charakter an.Wenn Sie einen solchen Charakter gehabthätten, hätte ich Sie rausgeschmissen. Dashätte die ganze Gemeinschaft zerstört.Es war eine selbstverständliche, von allenBeteiligten mitgetragene Angelegenheit.

Ihre Aufgabe lautete, das Land neuaufzubauen.Das ist zu viel gesagt. Es gab Sachsen alsLand auch vorher. Das war zwar in dreiBezirke unterteilt, aber zusammen ergabensie ungefähr das Land Sachsen, wie eszuletzt als Königreich existierte.

Sie mussten den Übergang von der Planwirt-schaft zur Marktwirtschaft organisieren.Es gab damals nichts außer Vorlageneines Instituts, das Ludwig Erhard in denfünfziger Jahren eingerichtet hatte, umdie Entwicklung in der DDR zu studieren.Darüber hinaus hatte man sich inWestdeutschland kaum für den Osteninteressiert. Die DDR war abgeschrieben.Es gab schöne Worte um eine Wieder-vereinigung, aber ohne reale Intention.Als ich damals im Westen Vorträge überdie Wiedervereinigung hielt, sah ich,wie gering dort der Wunsch danach war.

Das lag auch an den enormen Kosten, dieviele auf den Westen zurollen sahen.Natürlich, aber wir hätten doch auchehrlich sein müssen: Schon als Deutsch-land nach dem Krieg in Besatzungszonengeteilt wurde, begann Westdeutschlandenorm von Ostdeutschland zu profitieren,weil wichtige Industriebetriebe undInstitutionen in den Westen gingen undauch geholt wurden. Denken Sie anAudi, das in Zwickau war und eben nichtin Ingolstadt. Oder Siemens und dieMax-Planck-Gesellschaft, die in Berlinihren Sitz hatten und nicht in München.Carl Zeiss wurde von den Amerikanernaus Jena abgezogen. Alles, was halbwegsnutzbar war, wurde in Westdeutschlandangesiedelt. Ostdeutschland wurdeim wahren Sinn des Wortes geplündert.

Außerdem demontierte die sowjetischeBesatzungsmacht Industriebetriebe,Bahngleise, öffentliche Einrichtungen.Das sind alles auch Ursachen, warumOstdeutschland hinter Westdeutschlandzurückliegt. Mir missfällt, wie bis heuteim Westen diskutiert wird nach demMotto: Die waren und sind eben zu blöd.Nein, die Ostdeutschen hatten nach demKrieg viel schwierigere Startbedingungenals der Westen, der das Glück hatte, von

In Dresden: KurtBiedenkopf (CDU)war nach der Wendevon 1990 bis 2002der erste Minister-präsident Sachsens.

SACHSEN24

Amerikanern, Briten und Franzosenbesetzt zu werden. In Vergleichsunter-suchungen beleidigt der Westen dieMenschen im Osten kontinuierlich mitder Behauptung: Die kommen nicht mit.Aber keiner fragt, wie die Leute inWestdeutschland mitgekommen wären,hätte Amerika ihnen nicht geholfen. Sowächst nicht zusammen, was zusammengehört. Das regt mich auf!

Haben Sie trotz der langen Teilung 1990Ähnlichkeiten zwischen neuen und altenLändern erkannt?Ja, viele. Sachsen hatte nicht nur eine guteindustrielle Basis, sondern hat auch eineherausragende Kultur, eine jahrtausend-alte Geschichte, die Musik Bachs oderMendelssohn Bartholdys, der in Leipzigwirkte und den Masur wiederentdeckte.Phantastisch! Kein anderes ostdeutschesLand hat eine Gemäldegalerie wie die dersächsischen Könige. Schon zu DDR-Zeiten wurde die Semperoper wiederauf-gebaut. Wer hat schon so ein Opernhaus!Was die Ostdeutschen nicht hatten,war die Freiheit, die jeder braucht, dersich entfalten will.

Nach 1990 herrschte schnell Massenarbeits-losigkeit, weil die meisten Betriebe abgewi-ckelt wurden. Daraus folgten Frust undWut, die teils noch nicht überwunden sind.Das sehe ich anders. Die Substanz desAlten war viel zu schwach, um es wett-bewerbsfähig zu machen. Trotzdem: DieMenschen in der DDR haben oft unterschwierigsten Bedingungen etwas geleistetund waren stolz darauf. Als ich inZwickau war, wo 1991 der letzte Trabivom Band lief, wollten die Leute wissen,wie es weitergeht. Da stellte ich eine Frage,die vielleicht hart war, aber einleuchtend:„Wer von Ihnen würde jetzt noch einenTrabant kaufen?“ Alle Hände bliebenunten. Sie sahen ein, dass das nicht mehrging. Aber dann waren VW und beson-ders Carl Hahn bereit, hier wiederanzufangen. Sobald Menschen merken,es geht weiter, fassen sie Mut und machenmit. Das ist heute leider nicht mehrselbstverständlich.

Wie empfinden Sie Sachsen heute?Ich finde das Land wunderbar. DieMenschen, die hier leben, sind mir offenund ehrlich begegnet. Sie stehen zu ihremLand. Ihre Bereitschaft mitzumachen, isteindrucksvoll. Ich mag sie, und sie mögenmich. Die positive Grundstimmung hierhat sich nicht verändert. Wenn Sie mich sofragen: Ich fühle mich in Sachsen genausowohl wie früher. Und ich fühle michverpflichtet, soweit ich das noch kann,den Menschen hier zu helfen. Ich willnicht, dass sie in eine Ecke gedrängt oderwieder aus dem Westen belehrt werden,weil der Einfluss der AfD zunimmt.

Aber sind die Leute nicht auch für dieseEntwicklung verantwortlich?Das Problem ist doch folgendes: Wennman ein Ziel, den Aufbbf au Ost, erreichthat, was macht man dann? Wird’slangweilig? Fängt man an zu maulen?Dreht man durch, weil man nichterkennen kann, ob und wie sich die Dingeweiterentwickeln? Erschweren dieschnellen Veränderungen die Orientie-rung und schüren Angst, etwa um deneigenen Arbeitsplatz?

Fehlt also ein Ziel?Vielen fehlt es – aber nicht nur in Sachsen.Ziele zu formulieren ist schwierig, wennsich die Wirklichkeit schneller verändertals zuvor und das nicht akzeptiert wird.Aber gerade dann wird ein Ziel gebraucht.

Fehlt es der sächsischen CDU und ihrerFührung an Zielen?Die Führung und die Partei sollten in derRegel eine Einheit bilden. Aber wenn dieFührung trottelig ist und ihr die Zu-kunftsziele fehlen, fehlen sie in der Regelauch der Partei, und sie wird trottelig! Esgibt sicher eine Reihe von guten Leuten,aber ohne die Partei und deren Bereit-schaft zur Unterstützung können sie sichnicht entfalten. Ich habe versucht, in zwölfJahren Regierung das zu hinterlassen, wasnotwendig ist, um vernünftig weiter-zumachen. Aber die Leute, die weiter-gemacht haben, haben es nicht begriffen.

Wie hätten Sie als Ministerpräsident dennauf Pegida reagiert?Warum hätte ich überhaupt reagierensollen? Pegida ist keine Partei. Dieübernehmen keine Verantwortung, laufenmit Galgen durch die Gegend und sehennicht, was sie damit anrichten. Wasdadurch aber deutlich wird, ist ein anderesPhänomen: Der Zusammenhalt schwin-det, die Gesellschaft zersplittert. Die Leutehaben Angst, dass sie verdrängt werdenvon Jüngeren, die von außen kommen.Das wollen sie nicht. Die Menschen hierhaben keine Erfahrung mit Zuwanderung.Aber das müssen sie lernen. Viele wissennoch nicht, wie sehr sie in Zukunft aufZuwanderung angewiesen sein werden.

Der Taxifahrer, mit dem wir vorhinunterwegs waren, und der Sie sehr verehrt,wollte aber genau das nicht hören.Natürlich wollen sie das nicht hören. Aberdas Land hat zu wenig Kinder. Gucken Siesich die Statistiken an. Wenn man dannnoch an der Rente mit 63 festhält, wird esschlimm. Schon heute suchen Hand-werker händeringend Nachfolger. Findensie niemanden, geht der Betrieb den Bachrunter. Natürlich ist es schwierig, dieMenschen mit so langfristigen Dingenzu konfrontieren. Aber die Aufgabe vonPolitikern ist genau dies: Menschen zuerklären, welche Folgen ihr Verhalten hat.

Zur Zeit hat eine Partei wie die AfD, dieeinfache Lösungen verspricht, viel Erfolg.Die AfD ist eine populistische Organisa-tion. Sie lehnt die EU und Einwanderungab, will keine Ausländer mehr und zurückzu einer nationalen Politik. Schon jetztzeigt sich, dass ihre Führungsleute zwardie Macht, aber nicht das Wohl derBevölkerung anstreben. Das Ganze istfür uns Deutsche, für alle Europäer, eineZäsur. Wenn die Populisten wirklichMacht gewinnen können und damit dieFreiheit bedrohen, zerfällt Europa. Wenndie europäische Bevölkerung das nichtbegreift, dann wird sie verlieren.

Trotzdem wählen viele Leute AfD.Ja, weil niemand das Gespräch mit denMenschen sucht. Stattdessen stürzt sichdie politische Elite darauf, die Digitalisie-rung voranzutreiben, mit der Folge, dassTausende Menschen die Arbeit verlieren.Aber keiner erklärt ihnen, warum dasnötig ist. Was ist denn künstliche Intelli-

genz gegen menschliche Intelligenz? Wersagt den Menschen, dass das alles keineGefahr ist, sondern eine Herausforderung?Die Leute müssen verstehen, warum siezur Wahl gehen und wofür sie sichentscheiden. Heute würden sicher vielenoch mal Merkel wählen, weil sie wissen,dass sie eine grandiose Persönlichkeit ist.

Wäre Annegret Kramp-Karrenbauer einewürdige Nachfolgerin?Ich habe mit dafür gesorgt, dass siegewählt wurde. Ich habe für sie geworben,auch weil die anderen Bewerber nichtgeeignet sind. Der eine war zu jung undder andere in seinem Verhalten proble-matisch. Friedrich Merz hat behauptet,Angela Merkel habe ihn vom Fraktions-vorsitz verdrängt. Als verantwortungs-voller Politiker hätte er Merkel, als dieBundestagswahl damals verloren ging,sofort von sich aus den Fraktionsvorsitzanbieten müssen.

Jetzt ist Frau Kramp-Karrenbauer CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin.Ich finde sehr erstaunlich, wie sie sichentwickelt. Sie hatte ja mit dem Saarlandnun wirklich ein kleines Reich, aber siewusste was damit anzufangen. Sie sprichtfließend Französisch. Sie hat Mut, und siehängt nicht am Job. Sie möchte gestaltenund helfen. Und das gefällt mir.

Trifft das auch auf Michael Kretschmer inSachsen zu?Ich finde, dass sich Michael Kretschmerbesonders positiv entwickelt und das Zeug

hat, in der nächsten Generation dieFührung in Sachsen zu übernehmen.Das ist für mich eine große Freude. Erbeeindruckt mich sehr durch seine Artund Weise und seinen Mut, mit dem er ineiner sehr schwierigen Situation antritt.Er hat seinen Wahlkreis verloren an einenSpitzbuben von der AfD, da war er nichtvorsichtig genug. Aber die AfD kann mandoch überwinden. Die Sachsen sind helleund erkennen ihre Möglichkeiten.

Das sagen Sie so leicht.Lesen Sie das AfD-Programm. Es ist vollvon unhaltbaren Versprechen, aber leervon Wegen zum Ziel. Das ist typischfür Populisten. Es ist eine Partei, die denLeuten alles verspricht, aber an keinerStelle sagt, was das alles kostet. Was füreine tiefe Verlogenheit! Ich würde denLeuten im Wahlkampf sagen: Passt auf,es geht denen nicht um Freiheit undDemokratie. Es geht um Macht. Alle,die Macht anstreben, haben ein tollesProgramm und viele Versprechungen.Aber Versprechen kosten Geld. Alsomüssen sie das Land und den Bund inAnspruch nehmen. Der Freistaat Sachsenkann nicht für das Machtstreben der AfDaufkommen. Damit der Bund Geld zurVerfügung stellt, muss die AfD im BundMacht gewinnen. Ob Deutsche undSachsen das wollen?

Dennoch kann die AfD eine Größe errei-chen, mit der sie eine Regierungsbildungverhindert.Ich halte das für wenig wahrscheinlich.Aber selbst wenn die Partei 20 Prozenterreichen sollte, fehlt es ihr an Partnern.Für die CDU kommen Bündnisse mitPopulisten nicht infrage. Und wennwirklich keine Regierung zustandekommt, muss der Landtag sich auflösen,und es gibt Neuwahlen. Die AfD inSachsen ist politisch nicht sonderlichbedeutsam. Es sollte deshalb keinewirkliche Angst vor ihr geben.

Was sagen Sie AfD-Wählern?Wenn nötig, erinnere ich an ihren Stolzund ihren Mut und ihre Freiheit. Einepopulistische Partei hält nichts vonFreiheit, wenn sie ihr auf dem Weg zurMacht im Wege steht. Dann werden dieSachsen die Rechnung bekommen, mitder sie die Macht bezahlen. Ich bin gernebereit, die Fragen zu beantworten und zuerklären. Aber ich werde denen, die ihreAugen vor der Wirklichkeit verschließen,nicht die Verantwortung abnehmen.Wenn sie die AfD wählen wollen, sindsie frei, aber an den Folgen selbst schuld.Man kann sich vorher über Alternativeninformieren. Wer trotzdem die AfDwählt, sorgt dafür, dass die Leute aufSachsen nicht mehr stolz sein können.

Herr Biedenkopf, Sie werden im Januar90 Jahre alt. Was haben Sie noch vor?Meine Frau und ich müssen uns erst maleinrichten in der neuen Wohnung. Wirgehen gerne ins Theater, ins Konzert,besuchen Freunde. Vor allem will ichgesund bleiben. Vor zwei Jahren hatte icheine schwere Erkrankung, daran wäre ichfast gestorben. Wenn der Herrgott will,bleiben uns noch ein paar Jahre. Ich werdeversuchen, mit Hilfe der Konrad-Adenau-er-Stiftung zwei weitere Tagebuch-Bändeherauszugeben. Und noch ein Buch habensich meine Frau und ich vorgenommen,es soll „Als wir Ministerpräsident waren“heißen. Wir waren es zwölf Jahre lang.Dem Land hat es nicht geschadet.

Geboren wurdeBiedenkopf in

Ludwigshafen. Ersagt: „Ich mag dieSachsen, und siemögen mich.“

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Was gibt’s Neues in Avignon? Unser Model informiert sich – in Gucci – über die Ankündigungen.

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Hier spielen einfach alle auf der Straße, auch das Kollektiv „Les Impromptus“, und unsere Models spielen links mit. Clara (ganz links): Mantel und Jeans Celine, Bluse Salvatore Ferragamo; Noëmie (Vierte vonlinks): Bluse Acne Studios, Hose Y/Project, Schuhe Salvatore Ferragamo; Iman (Mitte): Bodysuit und Kleid Marine Serre.

Das schönste Theaterfest derWelt lockt Schauspieler, Kritikerund Fans in die südfranzösischeStadt – und eine Truppe aus Paris,die mit KllK eidern und Kamerasangereist ist.Styling Evelyn TyeFotos Yavidan Castillo

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Die Zauberer auf der Straße machen mit. Héloïse (links): Die Tücher von Hermès kommen aus ihrem Ärmel, Top und Shorts Olivier Theyskens, Schuhe Salvatore Ferragamo; Iman (Mitte): Dolce & Gabbana.Mit dabei Anthony Falkowsky (rechts) von der Gruppe La Caravelle.

Das hier ist auch ein Tanzfestival, zumindest an der Place Crillon, zumindest in Balenciaga.

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Das Haus ist blassrosafarben, das Kleid ist von Louis Vuitton.

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Wie gemalt: Kleid Fendi, Stiefel Salvatore Ferragamo, Schmuck Delfina Delettrez.

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Sie sind bis zum Papstpalast gepilgert. Marie‐Mathis (links): Jacke und Hose Àcheval Pampa, Gürtelund Stiefel Saint Laurent by Anthony Vaccarello; Iman (Mitte): Kleid und Kette Christian Dior;Clara (rechts): Tunika von Jil Sander, Stiefel Salvatore Ferragamo.

Die Jacke von Etro wird, kaum getragen und fotografiert, schon als Kunstobjekt ausgestellt.

Ein Clown! Noëmie (links): Missoni, Schuhe Salvatore Ferragamo; Iman (Zweite von rechts): TsumoriChisato, Stiefel Salvatore Ferragamo; Clara (rechts): Giorgio Armani, Schuhe Dolce & Gabbana.

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Wenn man sich im Jardin des Doms auf den Sockel setzt, könnte man in einem Kleid von Loewe zur historischen Figur werden.

Ins „Théâtre des Lucioles“, wo die Gruppe La Caravelle auftritt,passt die Linie Comme des Garçons Comme des Garçons . . .

. . . oder ein Vivienne-Westwood-Archiv-Look, wenn die CompanieAlain Bertrand im Cinevox „L’École des Femmes“ aufführt.

Im Cloître Saint-Louis passen Givenchy (links) und AlexanderMcQueen (rechts) zur einst mönchischen Stimmung.

as Leben ist ein Theater. Nirgends kann mandas besser sehen und schöner erleben als beimFestival von Avignon im Sommer. Und für nie-

manden ist diese Stadt in der Provence besser geschaffenals für uns, ein fahrendes Völkchen aus Paris. Stylistin,Fotografin, Models, Assistenten: Wir wollen hier selbstetwas aufführen, das so noch niemand gesehen hat.

In diesem Jahr gab es beim Festival d’Avignon in dreiJuli-Wochen 1500 Aufführungen. Mehr als 150.000 Men-schen schauten Tausenden Schauspielern zu. Bei demTheaterfest, das 1947 von Jean Vilar gegründet wurde,kommt das Publikum den Darstellern nahe. So konntenauch wir Theatermode zum Modetheater machen.

Denn zwischen „In“ und „Off“ ist hier viel Platz. Nichtnur die großen Truppen zeigen ihre Kunst („In“), auch diekleinen („Off“), zu deren Aufführungen kein Kritikerkommt. Und wo gäbe es eine bessere Kulisse für Experi-mente als auf der Rue des Terniers, auf der Place d’Horlogeoder vor dem Papstpalast? Oder auch vor Schaufenstern,in Hinterhöfen oder in Schulen.

Wir wussten nicht, wie und wo wir fotografieren soll-ten. Bis wir dort ankamen. Dann wussten wir es. Dennfast jeder, den wir kennenlernten, wollte auch in diesemStück eine Rolle spielen und manchmal sogar seine Rollespielen. Wir bedanken uns für die Mitarbeit, indem wirhier den Fotos ihre Bühne geben. Yavidan Castillo

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Fotografin: Yavidan CastilloStyling: Evelyn TyeModel: Iman Perez (Next)Extras: Noëmie Harder, Clara Antic, Héloïse July,Marie-Mathis AubertProduktion: Evelyn Tye, Yavidan CastilloFoto-Assistent: Nathan ZaouiStyling-Assistentinnen: Sophia Schünemann (Berlin),Divya Chauhan (Paris)Produktionsassistent: Joël HarderPost-Produktion: Johanna Urban

Dank an Markus Ebner, Family Antic, „Les Impromptus“ (WW( illiam Franchi,Charles Garcia, Victor Ciri, Yannis Moussouni, Antoine Capra,Cécile Chevalier, Mathilde Tardy, Raphael Gressier, Nicolas Quillet,Clara Curien), Théâtre des Lucioles, La Caravelle (TT( homas Gendronneau,Anthony Falkowsky), Provence Nature, Restaurant Le Labo,Tommaso, Dyrectype, Damien Gautier, Cinevox Theatre, KompagnieAlain Bertrand (Alain Bertrand, Mélanie Samie, Simon Lapierre,Christelle Garcia, Philippe Codorniu, Cécile Boucris), Paul Jaroslawski

33HEILFASTEN

ie Unvernunft hat einen festen Platz, zwei Meterist er lang, grau und unscheinbar. Eine Parkbankneben dem Rondell vor der Fastenklinik. Auf derRückenlehne der Bank, an der Hecke und auf demMülleimer kleben kleine runde Schilder, auf denendurchgestrichene Zigaretten zum erhobenen Zeige-

finger werden. Auf den Mann in grauer Jogginghose, dergerade durch die Glastüren nach draußen schlendert,haben sie keine Wirkung. Er steuert zielsicher zur Bank.Nur ein kurzer Blick über die Schulter zur Klinik, dannder Griff in die Tasche, zur Zigarettenschachtel und zumHandy. Telefonieren und Rauchen – das macht gleich zweiSünden in der Überlinger Fastenwelt. Aber auf der Bankdarf man in den drei Minuten paffenden Ungehorsamsder Klinik wenigstens den Rücken zuwenden.

Streng genommen steht die Bank ohnehin hinterder Geländegrenze, außerhalb des Sanktionsbereichs derKlinik. „Sanktionen“ – das ist keine Übertreibung. Für21 Tage Heilfasten zahlen die Gäste hier je nach Zimmer-kategorie zwischen 5000 und 30.000 Euro. An den stren-gen Regeln ändert das nichts. Anfangs versuchten dieKlinikleiter noch ein Handyverbot durchzusetzen, dochinzwischen gehe das an der Lebenswirklichkeit ihrer Gästevorbei. Das Ergebnis ist ein Kompromiss wie bei derKllK assenfahrt: In den privaten Zimmern ist das Telefonierenerlaubt, auf dem Gelände werden Handys nur lautlosgeduldet. Wer wiederholt dagegen verstößt, der fliegt.

Gerade wird über eine Verschärfung nachgedacht, einvollständiges Handyverbot im Speisesaal. Unter Klinik-gründer Otto Buchinger musste jeder allein am Tischsitzen, Ablenkung war unerwünscht. Heute sei das immernoch „eine sinnvolle Übung“, findet Katharina Rohrer-Zaiser. Die 38 Jahre alte Marketing-Spezialistin ist OttoBuchingers Urenkelin. Vor eineinhalb Jahren hat sie mitihrem 33 Jahre alten Cousin Victor Wilhelmi die Leitungder Buchinger Wilhelmi Klinik in Marbella übernommen.Damit war der Generationswechsel des Familienunter-nehmens zu zwei Dritteln geschafft. Das fehlende Drittelist Victors ein Jahr jüngerer Bruder Leonard Wilhelmi,der seit Anfang des Jahres die Klinik in Überlingenam Bodensee leitet. Dort haben sich die drei nun zu-sammengefunden – zum ersten Pressetermin der viertenGeneration.

Leonard Wilhelmis neuer Wirkungsbereich liegt ter-rassenförmig am Berghang. Von fast jeder Ecke des Gelän-des hat man einen Blick auf den Bodensee. Pool, Kneipp-anlage, Fitnessräume, Sportplatz, Sauna und Lehrkücheliegen zwischen denWohneinheiten, mit 150 Zimmern undSuiten. Die meisten sind mit Doppelbetten ausgestattet,obwohl die eigentlich fast nie nötig sind. Zur Fastenkurkommen die Leute lieber allein, und wenn sie doch malzusammen anreisen, bestehen sie häufig auf eigenenZimmern. „Innere Selbstreinigung“ ist eine nette Um-schreibung dafür, dass man die ersten Tage vor allem aller-lei ausscheidet, Glaubersalzen und Einläufen sei Dank.Da ist zu viel Nähe nicht unbedingt erwünscht.

In Überlingen kommen jedes Jahr rund 3000 Gästezur Kur, in Marbella noch einmal so viele. Einige vonihnen schlappen an diesem Vormittag, gehüllt in weißeFrottee-Bademäntel, durch die Beetreihen. Noch öfterzu sehen sind weiße Kittel. Auf jeden Gast bei BuchingerWilhelmi kommen zwei Mitarbeiter – acht Ärzte, außer-dem Therapeuten, Krankenschwestern, Zimmerpersonal,Köche. Gerade die Küche hat viele Mitarbeiter – dabeiwird hier so wenig gegessen wie in keinem anderen Resort.

Das hat sich in 100 Jahren nicht geändert. „Was wirmachen, haben wir über die Jahre an den Stand derForschung angepasst“, sagt Leonard Wilhelmi. „Ansonstenist die Methode immer gleich geblieben.“ So also, wieder Urgroßvater Otto Buchinger sich das gedacht hat. AlsMarinearzt diente er im Ersten Weltkrieg, bis ihm einerheumatische Arthritis das unmöglich machte. Die Schmer-zen verschwanden erst, als er 1917 zu fasten begann. DreiJahre später war er so weit, das Buchinger Heilfasten auchanderen anbieten zu können. Damals wie heute erwartendie Patienten ein Paradoxon: tagelang nichts zu essen undtrotzdem keinen Hunger zu spüren.

Wie soll das gehen? Zum Beispiel, so die Idee, indemder Kopf gefüttert wird, während der Körper fastet. DieGäste wandern, meditieren, lesen oder besuchen Vorträge,Konzerte und Kunstausstellungen. Wenn überhaupt malein Magen knurre, dann bei jemandem, der zum erstenMal faste, sagt Katharina Rohrer-Zaiser. Und auch nur dieersten zwei, drei Tage. Den Entlastungstag haben sie daschon hinter sich. Heißt: erst mal ankommen und leichte

vegetarische Kost zu sich nehmen. Es folgen die Fasten-tage, mindestens sind es fünf. Danach wird die Kalorien-zufuhr langsam wieder hochgeschraubt.

Zum Fastenbrechen wird ein Apfelkompott mit zwei,drei abgezählten Nüssen serviert. Gleich danach gibt eseinen frischen Apfel, „wieder etwas Richtiges zu beißen“,sagt Katharina Rohrer-Zaiser. Während der Fastentageverzichten die Patienten nicht ganz auf Kalorien. Kräuter-tees werden nicht rationiert, und ein Löffel Honig amTag ist erlaubt. Mittags kommt ein frisch gepresster Saftauf den Tisch, abends Gemüsebouillon. Der Hungerkomme erst mit dem Check-out. Und dann ist er auchgewollt, die Leute sollen „den wahren Hunger“ wieder-entdecken, sagt Leonard Wilhelmi, den man noch ausder Schulzeit kenne, vor der großen Pause, bevor dasLeben zu einer Endlosschleife von Snacks und Vollmahl-zeiten wurde.

In der Fastenzeit leben die Gäste von ihren Reserven.Das eine oder andere Kilo am Bodensee zurückzulassen istnicht der einzige Grund. Heilfasten soll die körpereigeneAutophagie fördern, bei der alte oder beschädigte Zell-strukturen abgebaut und neue aufgebaut werden. Entzün-

dungen und Schmerzen werden gelindert. Wie periodischesFasten genau wirkt, wurde kürzlich an 1422 Buchinger-Patienten untersucht. Die Ergebnisse der klinischen Studie,die man gemeinsam mit Wissenschaftlern der BerlinerCharité ein Jahr lang durchführte, waren vielversprechend.Die Bäuche wurden schmaler, der Blutdruck normalisiertesich, wie auch die Werte für Blutfett und Cholesterin, unddie Patienten fühlten sich weniger erschöpft.

Tatsächlich sagten 93 Prozent der Befragten, sie hättenkeinen Hunger gehabt. Wäre es anders, wären die Ab-brecherquoten wohl auch weit höher. Die Kippen imMülleimer vor dem Klinikeingang sind schließlich diestummeligen Zeugen dafür, dass der Mensch manchmaleben nicht der Meister eines freien Willens ist. Wo fastalles fast immer verfügbar ist, wird bewusster Verzichtschwer. Am Buffet hat die Selbstkontrolle Pause; Über-gewicht, Stress und Herzkreislauferkrankungen sind nurallzu oft die Folgen. „Essen wird zu einem maschinellenProzess“, sagt Victor Wihelmi. „Mit der Pastaschüsselvorm Fernseher geht es nur darum, möglichst schnell fürEnergie zu sorgen – das ist das Programm, nach dem vieleMenschen leben.“

Und doch nimmt der Gesundheits- und Wellness-boom kein Ende. Gesundheit, vor allem gesunde Ernäh-rung, ist den Deutschen wichtiger als gutes Aussehen,ermittelte Price Waterhouse Coopers in einer Studie. Fragtman die Personen aber, ob ihr Lebensstil tatsächlich dar-auf ausgerichtet ist, gesund zu bleiben, ob sie sich gegenRauchen, Trinken, Bewegungsmangel und ungesundeErnährung entscheiden, tun das nur 48 Prozent der Frauenund 44 Prozent der Männer – obwohl 90 Prozent sagten,dass genau das wichtig für sie sei. Die Lücke zwischenWollen und Tun ist groß. So wächst der Markt der Helferund Ratgeber. Krankenkassen pflegen Punktesysteme,Fitnessarmbänder registrieren jeden Schritt, und Köchegeben den veganen Guru.

Der Trend kommt den noch frischen Klinikleitern dervierten Buchinger-Generation zugute. „Wir sind in einerZeit angekommen, in der wir uns nicht mehr erklärenmüssen“, sagt Leonard Wilhelmi. Auf der Welle der zwang-haften Selbstoptimierer wollen sie aber nicht reiten. Trotz-dem checken auch solche Leute bei ihnen ein. „DieseGäste sind wahnsinnig aufs Gewicht fokussiert“, sagtKatharina Rohrer-Zaiser. „Für uns besteht dann die Heraus-forderung darin, einen Weg zu finden, diese Personenwieder zu entspannen.“

Viel größer sei die Gruppe derer, die auf sich achtgebenwollen und darauf, wie gut die Lebensmittel sind, die sieessen. Eine Idee, die mehr ist als eine Mode. Seit Jahrhun-derten wird der bewusste Verzicht auf Essen in fast allenWeltreligionen gepflegt, oft in festen Ritualen. Christenfasten vor Ostern, Muslime im Ramadan, Juden an JomKippur. Es geht um eine Einkehr nach innen. Wer fastet,werde empfänglicher für Religion und Spiritualität;von „Inspiration“ spricht man bei Buchinger Wilhelmi.Vor allem sei Fasten schon immer ein Mittel gewesen, umeine Gemeinschaft zusammenzubringen, sagt LeonardWilhelmi.

Die Gemeinschaft bei Buchinger Wilhelmi ist injedem Fall ziemlich international. Über Namen wird nichtgesprochen, doch dass Josef Ackermann, Mario VargasLlosa und Philippe Starck Stammgäste sind, ist inzwi-schen kein Geheimnis mehr. Aus 60 Nationen kommendie Patienten, dauernd wechseln die Mitarbeiter an derRezeption zwischen Deutsch, Englisch und Französisch.Auf den Couchtischen in der Lobby liegen „New YorkTimes“, „Le Monde“ und „Asharq al-Awsat“.

Welchen Nationen fällt der Verzicht besonders schwer?Den Genusshochburgen Frankreich oder Italien vielleicht?Große Unterschiede gebe es nicht, aber ja, manchmallitten Gäste aus Kulturen, bei denen das Essen alles undallgegenwärtig sei, wohl etwas mehr, sagt Leonard Wil-helmi. Einmal sei ein französischer Drei-Sterne-Kochbei ihnen zu Gast gewesen. „Hochgetrunken“ und „hoch-gegessen“ hatte er sich, wie er selbst über sich sagte. Nurder beste, nur der teuerste Wein durfte es sein, bis es kaumnoch etwas gab, das ihn noch zufriedenstellen konnte.Fasten habe ihn davon wieder heruntergeholt, dieGeschmacksknospen auf Null gesetzt und für die Feinheitder einfachen Dinge sensibilisiert. „Kleine Sensationen“nennt Victor Wilhelmi das. Weil es sich nach dem Fastenanfühlt, als könnte man seine Lieblingsdinge immer wie-der zum ersten Mal schmecken. Ein neuer erster Espresso,ein neuer erster grüner Apfel. Und für die Unverbesser-lichen vielleicht sogar eine neue erste Zigarette.

Generationswechsel in denBuchinger-Kliniken: Die Urenkeldes Gründers übernehmen –und setzen die Kuren nicht auf Diät.Von Anna-Lena NiemannFoto Frank Röth

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Immer mit Aussicht: Katharina Rohrer-Zaiser, LeonardWilhelmi und Victor Wilhelmi (rechts) auf der Terrasse derBuchinger Wilhelmi Klinik in Überlingen am Bodensee

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Fendi orientiert sich nach dem Tod vonChefdesigner Karl Lagerfeld neu – und macht

die Baguette wieder zum Trendobjekt.Von Alfons Kaiser

chon den Kaisern gefiel dieserBlick: Vom Palatin, einem dersieben Hügel Roms, schaut mangeradewegs hinüber auf dasKolosseum. Noch schöner ist

die Aussicht, wenn die Sonne langsamuntergeht, der Champagner perlt und aneinem heißen Juli-Abend die Show be-ginnt: 54 Fendi-Looks für die 54 Jahre,die Karl Lagerfeld für das römische Mode-haus arbeitete, bis er im Februar starb.Silvia Fendi, die Designerin, hat das allesim Sinne dieses Kaisers inszeniert, nachseinen Skizzen aus dem Archiv, aber nichtals Rückschau, eher als Selbstvergewisse-rung. Man erahnt es an den Marmor-mustern auf den Kleidern: Hier geht eswirklich mal um spätrömische Dekadenz.

Absichtsvoll absichtslos lassen dennauch die Models bei der Schau die kleinenHandtaschen ins Bild pendeln. Der wo-möglich schönste Mode-Abend des Jahresist ein riesiges Marketingevent für einwinziges Produkt: Vor der Kulisse derEwigen Stadt sollen die Luxusartikel aus-sehen wie dauerhafte Werte.

Vor gut zwei Jahrzehnten erfand SilviaFendi die Baguette. Aber die Geschichte,die in dieser Tasche steckt, ist noch viellänger. Man muss schon zurückgehen indas Jahr 1925, als ihre Großeltern Edoardound Adele in Rom die gemeinsame Firmafür Pelze und Lederwaren gründeten.Oder zumindest ins Jahr 1965, als derenKinder, die fünf Fendi-Schwestern, Lager-feld engagierten. Denn damit begannendie Experimente: Der Modemacher ausParis ließ Pelze anders verarbeiten, in Strei-fen schneiden, einfärben. Und er entwarfmit schneller Hand das Doppel-F-Logo,für „Fun Fur“. Der Familienbetrieb wurdelangsam zur Luxusmarke.

Die Geschichte der Baguette-Tasche,mit der 1997 das Zeitalter der „It-Bags“begann, verbindet auch Karl Lagerfeldund Silvia Fendi. Der Modemacher küm-merte sich zwar nur um die Kleider. AberSilvia Fendi, die 1960 geboren wurde,schaute schon als Jugendliche dabei zu, wieihre Mutter Anna und Lagerfeld mit denPelzen und Kleidern arbeiteten. „Dannwar es für mich an der Zeit zu experi-mentieren, so wie sie es bei den anderenProdukten gemacht hatten. Den gleichenAnsatz wollte ich für die Taschen nutzen.“

Accessoires waren damals nur ein Zu-behör, eine Nebensache – „accedere“ heißtim Lateinischen einfach nur „hinzukom-men“. „Taschen wurden damals noch ganzanders behandelt“, sagt Silvia Fendi beimGespräch in der Firmenzentrale im Palazzodella Civiltà Italiana, dem neoklassizis-tischen Klotz in Rom, mit dem Benito

diese oder jene Tasche bekommen konnten,denn es gab so viele Varianten“, sagt SilviaFendi. Betriebswirtschaftlich ausgedrückt:Der Differenzierung der Konsumwünschekam die Marke mit einem Varianten-management entgegen. Auf gut Deutsch:Für jeden Geschmack war etwas dabei.Und: „Es gab so viele Versionen – die Kun-din hatte nicht das Gefühl, es mit Massen-produkten zu tun zu haben.“

Der wirkliche Erfolgsfaktor jedoch wardie Knappheit. „Und das war keine Mar-ketingentscheidung“, sagt Silvia Fendi.„Wir hatten ja kaum eine Marketingabtei-lung, weil die Firma noch viel kleiner war.Wir waren nicht auf den Erfolg vorbereitetund hatten gar nicht genug Zulieferer, sodass wir Wartelisten anlegen mussten.“

Solche Listen, die man bis dahin vorallem von Hermès kannte, gaben derNachfrage gleich noch einen Schub. „DieLeute wurden verrückt. Sie fragten: ,Aufeine Warteliste? Ich?!‘“ Also bekam dieDesignerin seltsame Anfragen: „Ich binauf Platz 20 der Liste bei diesem Modell –bei welchem Modell käme ich auf denersten Platz?“

Silvia Fendis Erfolg – für die deutscheSprache war er ein Misserfolg. Denn Endeder neunziger Jahre kam plötzlich dashässliche Wort von der „It-Bag“ auf, einem„Must-have“, das vor allem den Zweckhatte, dem Konsumenten jede Saison aufsNeue das Geld aus der Tasche zu ziehen –was der Konsument schon wegen des auf-geblähten Vokabulars gar nicht bemerkte.

Handtaschen wie die 2.55 von Chanel,die Kelly von Hermès oder die Bamboovon Gucci gehörten nicht in diese Katego-rie, weil es sie schon viel länger gab. „It-Bags“ sind schnelllebiger, wie dann auch

Phoenix ausder Tasche

S Mussolini als „colosseo quadrato“ an dasKolosseum erinnern wollte – der allerdingsmit den sechs senkrechten Rundbogen-arkaden (für „Benito“) und den neun waage-rechten (für „Mussolini“) vor allem andie Großmannssucht eines faschistischenFührers denken lässt.

So wie neoklassizistische Kästen sahenbis in die neunziger Jahre auch Taschenaus: funktional, aber klobig, schön, aberkantig, konstruiert, aber nicht dekoriert.„Und Taschen gab es meist nur aus Lederoder Leinen“, sagt Silvia Fendi, die seit1994 Mit-Designerin der Damenmode anLagerfelds Seite war sowie Chefdesignerinfür Accessoires und Lederwaren. „Damalswurden Taschen noch in einem anderenShowroom präsentiert. Auf Laufstegenwaren sie kaum zu sehen. Ich wollte sieaber modisch machen. Die Revolution derPelzmode, die wir losgetreten hatten – diewollte ich auf die Taschen anwenden. Eswaren die ersten Accessoires, die wie einKleidungsstück behandelt wurden.“

Aber die ersten Reaktionen waren ver-halten. „Zu klein und nicht funktionalgenug“, hieß es im Showroom. Der Nach-teil wurde schließlich doch noch als Vor-teil erkannt, denn die Baguette war zu-gleich weich und leicht. „Das hatte auchschon zum Erfolg unserer Mäntel geführt“,sagt Silvia Fendi. „Und wenn man dieinnere Struktur weglässt, dann ist aucheine kleine Tasche geräumig.“

Der praktische Aspekt passte in dieZeit. „Ende der Neunziger wurde allesimmer kompakter. Mobiltelefone wurdenkleiner, man brauchte keine großenKalender mehr, also auch keine großenTaschen.“ Silvia Fendi hatte, wenn manso will, die Tasche fürs iPhone entworfen,bevor es das iPhone überhaupt gab. Und esgeht weiter: An diesem heißen Juli-Abendin Rom ist auch eine neue Tasche dabei,die Nano Baguette, die so flach ist undso klein, dass wirklich nur Handy, Kredit-karte und Lippenstift hineinpassen.

Man sollte die Tasche einfach so unterden Arm stecken wie die Franzosen ihrBaguette – daher der Name, den man zu-gleich als französische Verkleinerungsformdes englischen Worts „bag“ lesen kann.„Früher musste man sich die Taschen überdie Schulter hängen, festhalten und wiederrunternehmen“, sagt Silvia Fendi. „Nunhatte man seine Hände frei.“

Ganz langsam machte sich die Tascheselbständig. Der wichtigste Grund für denErfolg war wohl die Vielfalt. Es gibt sie inHunderten Versionen, aus Segeltuch oderLeder, mit Perlen oder mit Pailletten, inRot oder Blau oder Braun. „Plötzlich rie-fen die Leute an und wollten wissen, wo sie

In ihrer Vielfaltsteckt der Erfolg:

Auch bei der Schauvor dem Kolosseumkann man einfachnicht glauben, dassdie Baguette ein

Massenprodukt ist.

MODE 35

Silvia Fendi über Karl Lagerfeld

Im Februar 2016: Karl Lagerfeld und SilviaFendi zeigen sich nach der Fendi-Schau.FO

TOSEPA

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ERSTE

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„Ich binnicht sein KllK on“

die Saddle von Dior (1999), die Murakamivon Louis Vuitton (2002), die Paddingtonvon Chloé (2005), die Luggage Tote vonCéline (2010) oder die Alexa von Mul-berry (2009) zeigten.

Das Wort „It-Bag“ ist zwar heute soüberreizt, dass es sogar in Modemagazinenseltener benutzt wird. Auch um die „It-Shoes“, die bald folgten, ist es ruhigergeworden. Aber der Effekt wirkt noch. Sohat Dior-Designerin Maria Grazia Chiuridie Saddle wiederbelebt, und die Baguetteerlebt ihren zweiten Frühling. Serge Brun-schwig, seit vergangenem Jahr Geschäfts-führer von Fendi im Auftrag des LVMH-Konzerns, der seit 2001 die Mehrheit ander Modemarke hält, sagt es umstandslos:„Wir arbeiten natürlich daran, dass dieTaschen für immer begehrlich sind.“

Damit meint er auch die Peekaboo, dieebenfalls weiter gut läuft. „Taschen sindschon immer ein Kerngeschäft von Fendi“,sagt Brunschwig mit Blick auf Mode-marken, die erst in den vergangenen Jah-ren das margenstarke Geschäft mit denAccessoires für sich entdeckt haben. „An-dere sind glücklich, wenn sie eine erfolgrei-che Tasche haben, wir haben zwei.“

Der Luxus-Boom lässt Brunschwighoffen, dass Fendi weiter gut in die eigeneTasche wirtschaftet. Zahlen nennt er abernicht, so ist es im LVMH-Konzern üblich.Marktbeobachter nehmen an, dass Fendischon seit 2017 mehr als eine MilliardeEuro pro Jahr erwirtschaftet; damit liegtdie Marke im Konzern deutlich hinterLouis Vuitton und Dior, aber gleichaufmit der Modemarke Celine und demKaschmirspezialisten Loro Piana.

Die neu lancierte Baguette soll nundazu beitragen, nicht von anderen in die

Tasche gesteckt zu werden. Dabei hilftauch die deutsche Influencerin Caro Daur.In einem Werbe-Kurzfilm erzählt sie ihrenFreundinnen, dass sie im Geschäft inManhattan ihre Traumtasche entdeckthabe, eine Baguette mit lilafarbenen Pail-letten. Als sie in den Laden an der Madi-son Avenue stürmen, ist es zu spät: Geradeist sie verkauft worden. Die vier laufen aufdie Straße, entdecken die Tasche an einerFrau, und Caro Daur ruft: „Ma’am, I needthat bag!“ Da dreht sich die Frau um, undes ist Sarah Jessica Parker, die in der Serie„Sex and the City“ seit 1998 nicht nurManolo-Schuhe bekannt gemacht hat,sondern auch die Baguette. Ihre Antwort:„Oh, this is not a bag. It’s a Baguette.“Dreht sich um – und ist weg.

„Wenn man eine gute Idee hat, bleibtsie auch“, sagt Silvia Fendi. „Selbst wennsie als It-Bag begann – nun ist sie ein Klas-siker. Ich mag sie heute mehr als früher.Man muss die Dinge über die Zeit be-trachten, denn die Zeit ist der zuverlässig-ste Test.“ So ganz zufrieden scheint siemit der Ausbeute aber noch immer nichtzu sein: „Meine Lieblingstasche ist die, dieich noch nicht entworfen habe.“

An diesem Juli-Abend in Rom tragendie Models federn- und pelzbesetzte Klei-der bei noch immer 30 Grad. Auf demPalatin haben sie 2000 Jahre Geschichteim Blick. Für die Restaurierung des Tem-pels der Venus und der Roma, die Ruineeines Doppeltempels, auf den die Modelsbei Sonnenuntergang zulaufen, spendetFendi in den nächsten Jahren 2,5 Millio-nen Euro. Nach der Schau noch ein Din-ner unter freiem Himmel für die vielenGäste – solche Momente bleiben hängenwie die Taschen an den Models.

Signora Fendi, Anfang Juli haben Siein einer Schau auf dem Palatin in RomKarl Lagerfelds gedacht, der von 1965 biszu seinem Tod im Februar Chefdesignervon Fendi war. Eine richtige Rückschauauf seinWerk war es aber nicht.Nein. An Karl erinnert man sich ambesten mit einer Hommage, nicht miteiner Retrospektive, das hätte er nichtgemocht. Wir wollten zeigen, dass eruns viel hinterlassen hat. Nicht nur inden Archiven, sondern auch in unserenFähigkeiten. Dieses Unternehmenwurde durch seinen Willen und seineVorstellungen geprägt, durch das, waser uns jede Saison abverlangt hat. Fürunsere Schau sind wir natürlich insArchiv gegangen, haben es dann aberso präsentiert, dass sogar er überraschtgewesen wäre.

Und warum in Rom?Das haben wir noch zusammenentschieden im vergangenen Jahr.Er fand die Idee sehr gut. Weil dieMarke hier sitzt und unsere Mode hierentworfen wird, wollten wir die Ideevon einer Römerin wiederbeleben, dieich „cinematic“ nennen möchte: Siewohnt in einem Palazzo und kleidetsich exquisit, damit sie auch noch ineiner Umgebung wahrgenommen wird,die schon so prächtig ist.

Die Italien-Sehnsucht der Deutschen istlegendär. Bei Ihnen hat also wieder malein Deutscher, noch dazu aus dem Norden,seinen Hang zum Süden ausgelebt.Ja, er hat mal gesagt: „Chanel ist meinefranzösische Seite, Fendi ist meineitalienische Seite, besser sogar: meinerömische Seite.“ Vor allem in den erstenJahren verbrachte er viel Zeit bei uns.Damals hatte er auch eine Wohnung imZentrum der Stadt, er wurde quasi vonRom adoptiert. Seit 1983 war er nichtmehr so oft da, denn seitdem haben wirihn uns ja mit Chanel geteilt.

Ihre Mutter Anna und deren SchwesternPaola, Franca, Alda und Carla habenihn 1965 für Ihr Pelz- und Lederwaren-haus verpfllf ichtet.

Ja. Und als sie nach Paris fuhren, umihn den Vertrag unterschreiben zulassen, hat er sie warten lassen. Sieklingelten an seiner Wohnung an derPlace des Vosges, aber niemand öffnete.Also blieben sie einfach im Hausfllf ursitzen. Und weil in Paris die Lichterim Flur nach einer Minute ausgehen,standen sie abwechselnd auf undmachten das Licht wieder an: „Jetzt bistDu dran, jetzt Du, jetzt Du!“ Er kamdann drei Stunden zu spät. MeineTanten und meine Mutter haben späterdarüber gelacht und es immer wiedererzählt, weil er ja oft unpünktlich war.

Warum war er eigentlich immer verspätet?So hat er getestet, ob man ihn wert-schätzte: Wenn sie wirklich etwas vonmir wollen, werden sie schon warten.

Ihre Mutter und Ihre Tanten dachtendamals fortschrittlich, denn er war erstAnfang 30 und noch nicht so bekannt.Ihn zu verpfllf ichten war auch deswegenschon sehr modern, weil er nichteinmal in Rom lebte. In den letztenJahren hatten wir vor allem über iPhoneKontakt. Aber vor einem halbenJahrhundert kamen die Zeichnungennoch per Päckchen. Wenn so eineSendung verlorenging, und daspassierte, durchlebten wir Albträume.Über die Distanz von Rom nach Pariszu arbeiten war nicht so einfach.

Was sind Ihre ersten Erinnerungen an ihn?Das weiß ich nicht mehr genau, ich warja erst fünf Jahre alt, als er zu uns kam.Für mich war er immer schon da. ZuBeginn dachte ich, er sei ein Zauberer.Vielleicht wegen seiner Art zu arbeiten.Er setzte sich hin, dann sah man nurein paar Linien, die er zeichnete, dannwurde daraus eine ganze Silhouette,und beim nächsten Treffen wurde ausdieser Silhouette Wirklichkeit. Ichstaunte, wie man aus einer Idee eineganze Kollektion machen konnte.So wurde er zu einem unglaublichwichtigen Bezugspunkt für mich.

Und jetzt müssen Sie das alles alleinemachen. Haben Sie Angst davor?Natürlich. Jedes Mal, wenn man einesolche Verantwortung hat, ist es wiedas erste Mal. Aber das ist auch gut so.Denn wenn man glaubt, man hättein seinem Leben schon etwas erreicht,dann ist das der Moment, in dem manbeginnt, langweilig zu werden.

Erkennt man ihn denn in Ihrer neuenKollektion?Ja, aber ich mache es wahrscheinlichfemininer, vielleicht etwas weicher,offener, auch mit mehr Transparenz.Karl war ja sehr streng in seinem Stil.

Fendi ändert sich also.Ja. Ich sehe mich nicht als Klon vonKarl. Ich habe viel von ihm gelernt.Und jetzt stehe ich eben unter beson-derer Beobachtung.

Die Fragen stellte Alfons Kaiser.

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UNTERNEHMEN

St. Gallen, New York, Paris, Teheran:Das Textilunternehmen Fischbacher hat

200 bewegte Jahre hinter sich.Von Johannes Ritter, Foto Patrick Junker

tauschjahr nach Oxford. Auf einer Erst-semester-Party traf sie Michael Fisch-bacher, der in Oxford Sinologie studierte.Um drei Uhr morgens kamen die beidenins Gespräch. Michael erzählte, dass er ausder Schweiz komme, und dachte: Jetztmuss ich bestimmt wieder erklären, dass essich dabei nicht um Schweden handelt.Doch Camilla antwortete wie aus derPistole geschossen: „Denn chönemer joSchwizerdütsch rede!“ Und Michael fiel dieKinnlade herunter.

Michael Fischbacher ist in sechsterGeneration Nachfahre von ChristianFischbacher, der 1819 das Textilunterneh-men gründete. Der Bauernsohn sammeltebei Handwebern die von ihnen gefertigtenLeintücher ein und verkaufte sie in St.Gallen auf dem Markt. Die nachfolgendenGenerationen bauten das Geschäft schritt-weise aus, jede von ihnen setzte dabei eige-ne Akzente. Christian IV. brach Ende derdreißiger Jahre nach Amerika auf undgründete dort eine Tochtergesellschaft.Er wollte dadurch auch einen Teil desFirmenkapitals vor einem befürchtetenEinmarsch der Nationalsozialisten inSicherheit bringen. In den sechziger Jah-ren schlug Christian IV. eine Brücke zurPariser Haute Couture und entwarf Stoff-kollektionen für die Modebranche. Chris-tian Lacroix, van Laack, Louis Féraud undDior kauften damals bei Fischbacher ein.Doch der Erfolg war nicht von Dauer.Immer mehr Modehäuser bezogen ihreStoffe direkt von Textilfabrikanten. EinMittler wie Fischbacher, der selbst nie übereine eigene Produktion verfügt hatte,war plötzlich nicht mehr gefragt.

Um den Textilverlag vor dem Aus zubewahren, stellte Christian Fischbacher V.

das Angebot in den achtziger Jahren aufHeimtextilien, Bettwäsche und Einrich-tungsstoffe um. Sein zweitältester SohnMichael steht seit 2008 an der Spitze desUnternehmens, das einst mehr als 400Mitarbeiter beschäftigte. Heute sind es230. Den Umsatz 2018 beziffert Fisch-bacher auf 40 Millionen Franken.

Hat ihn sein Vater in die Führungs-aufgabe gedrängt? Muss ein Fischbacherim Unternehmen Fischbacher seinen Mannstehen? Nein, sagt Michael Fischbacherund erzählt, wie er als Schüler seinem Vatereröffnete, dass er Sinologie studieren wolle– weil ihn das rasend interessierte. Mit 14hatte er angefangen, Chinesisch zu lernen,mit einem Sprachkurs auf Kassette. „Anunsere Firma habe ich damals keinenGedanken verschwendet.“ Sein Vater re-agierte gelassen und schlug ein Studiumim Ausland vor. So landete der Junior inOxford – und traf Camilla.

Nach dem Abschluss suchte Michaelnach einer Arbeitsstelle in der Schweiz.Aber es hagelte Absagen. Damals, Anfangder neunziger Jahre, war China für vieleUnternehmen noch längst kein Zauber-wort. Dann bot ihm ein Freund seinesVaters einen Job in Malaysia an. Michaelsagte zu: „Ich war offen für Neues undhatte Lust auf ein Abenteuer.“

Camilla kam mit und unterrichteteEnglisch an einer internationalen Schulein Kuala Lumpur. Dort heirateten die bei-den – und zogen nach einem Jahr weiternach Hongkong. Michael heuerte bei demdeutschen Unternehmensberater JürgenKracht an, der europäischen Mittelständ-lern bei der Ansiedlung in China half.Camilla arbeitete als Verkäuferin in einemEinrichtungsgeschäft.

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er am Privathaus derFischbachers klingelt, be-

kommt es als erstes mitLaleh zu tun: einem schwar-

zen Wollknäuel auf vier Beinen, das alleBesucher freudig hüpfend und bellendempfängt. Laleh ist persisch und bedeutetTulpe, sagt Camilla Fischbacher. DieHausherrin stammt aus Persien. Seit elfJahren lebt sie mit ihrem Mann Michaelauf dem Anwesen zehn Autominutenaußerhalb von St. Gallen. In der einstigenHochburg der schweizerischen Textil-industrie liegen die Wurzeln der FamilieFischbacher, die seit 200 Jahren ihr Geldmit dem Verkauf edler Stoffe verdient. InDeutschland ist die nach dem Firmen-gründer benannte Marke Christian Fisch-bacher vor allem durch ihre Bettwäsche-kollektionen bekannt.

Michael und Camilla Fischbacher ar-beiten zusammen: er als Chef der Firma,sie als Art-Direktorin. Geplant war dasnie. Aber es hat sich so gefügt. Revolution,Zufall, Abenteuerlust, Neugierde, Mut,Glück und Liebe sind die Zutaten dieserGeschichte, die an zwei sehr unterschied-lichen Orten beginnt: in Teheran und inSt. Gallen.

Camilla Douraghy wurde 1970 in deriranischen Hauptstadt Teheran geboren.Ihre Mutter ist Amerikanerin, ihr VaterIraner. Die Eltern hatten sich in den fünf-ziger Jahren auf einer Sommerschule inHarvard kennen und lieben gelernt undwaren später gemeinsam nach Persien ge-zogen. Im Sommer 1980, der Schah warbereits aus dem Land geflohen, verbrachtedie Familie den Urlaub in der Schweiz.Ein dort lebender Onkel hatte sie ein-geladen. In diesen Urlaubstagen wurdedie im Süden Irans liegende Heimatstadtder Familie angegriffen. An eine Rückkehrwar nicht mehr zu denken. Zu gefährlich.So strandete die Familie in der Schweiz.

Camilla, seinerzeit neun Jahre alt,empfindet bis heute Groll darüber. „DieRevolution hat damals mein Leben zer-stört. Wir haben alles verloren“, sagt sie.Sie spricht fließend Deutsch, mit leichtemamerikanischen Akzent. Damals verstandsie in ihrer neuen Heimat kein Wort.

Ihre Eltern schickten sie auf eine ameri-kanische Schule in Lörrach. Später wech-selte sie auf ein Gymnasium in der Schweiz.Im Rahmen des Kunst- und Geschichts-studiums in Amerika ging sie für ein Aus-

Dann rief Vater Fischbacher an undbot einen Job im familieneigenen Unter-nehmen an. Michael sagte zu. „Ich wollteeigentlich immer Unternehmer sein, hattebis dahin aber nicht an unseren Familien-betrieb gedacht.“ Also St. Gallen. Von derWeltstadt Hongkong in die schweizerischeProvinz, das war kein leichter Schritt fürCamilla: „Ich hatte anfangs viel Mühe,Anschluss zu finden.“ Sie arbeitete mitihrem Mann im Unternehmen und bauteeinen Showroom auf.

Gemeinsam besuchten sie Lieferanten,Vertriebspartner, Kunden in aller Welt,um das Textilgeschäft von Grund aufzu verstehen. Nach vier Jahren zogen sie,mit zwei kleinen Jungs, nach Amerika. Aneiner Universität in Kalifornien schlossMichael sein Finanzstudium ab. In Ame-rika kam ihr drittes Kind zur Welt, einMädchen. Von dort ging es weiter nachJapan, zur größten Auslandsgesellschaftder Fischbachers. „Japan ist einer der größ-ten Märkte für hochwertige Textilien“,sagt Michael. Er lernte Japanisch, sprichtinzwischen sieben Sprachen, auch passabelpersisch. Camilla studierte in Tokio Foto-grafie. Etliche ihrer Schwarz-Weiß-Bilder,die sie im Lauf der Jahre unter ihrem Mäd-chennamen Camilla Douraghy in Galerienausgestellt hat, hängen heute in ihremWohnhaus außerhalb von St. Gallen.

Michaels Großvater hat die Villa Mitteder fünfziger Jahre erbaut und im Testa-ment verfügt, dass bestimmte Gegenständefür immer dort zu bleiben hätten: dieselbstgezimmerten Esszimmermöbel zumBeispiel, die in dem kathedralenartigenHauptraum auf einem handgeknüpftenPerserteppich stehen, einem Sarugh.

Das riesige Haus gleicht einem Museum,in dem in jeder Ecke etwas zu entdecken ist– dank der Reise- und Sammellust derBewohner. Zu ihnen zählt die Katze Kuro(Japanisch für „Schwarz“). Das Tier liefder Familie in Tokio zu und durfte mit-kommen, als Michael 2008 mit Kind undKegel heimkam, um die Führung derFirma zu übernehmen. Seinen älterenBruder Christian VI. zog es nicht an dieSpitze. Er kümmert sich um den Vertriebin Osteuropa.

Kaum hatte Michael Fischbacher dieAufgabe übernommen, blies ihm der Windkalt ins Gesicht. Mit Beginn der Finanz-krise 2009 schrumpfte der Markt für Ein-richtungsstoffe. Die Leute kauften kaum

Erste Generation: ChristianFischbacher gründete die Firma.

Zweite Generation: ChristianFischbacher II. führte sie weiter.

Dritte Generation: Otto Christi-an Fischbacher übernahm 1928.

GUTERSTOFF

37UNTERNEHMEN

Sechste Generation:Im Wohnzimmer vonCamilla und MichaelFischbacher fühltsich auch Hund Lalehzu Hause.

noch Vorhänge. Zugleich wurde derSchweizer Franken immer stärker. Das gingauf Kosten der Margen beim Verkauf imAusland. Fischbacher machte Verlust – undmusste reagieren. Früher hatte die Firmanur Schweizer Lieferanten, heute beziehtFischbacher seine Einrichtungsstoffe weit-gehend aus Norditalien. Die Vorhänge fürden japanischen Markt lässt er in Thailandnähen. Nur die feinen Baumwollstoffe fürdie Bettwäschekollektionen kauft das Un-ternehmen aus Qualitätsgründen immernoch zu mehr als 90 Prozent in der Schweizein. Wichtigster Lieferant ist die MitlödiAG im Kanton Glarus – „der letzte Textil-drucker, der den Zwölf-Schablonen-Druckbeherrscht“.

Der Aufwand hat seinen Preis: EineBettwäschegarnitur von Fischbacher kostetin Deutschland gut und gerne 370 Euro.In dieser Liga werden einem die Warennicht aus der Hand gerissen. FischbachersUmsätze stagnieren, die Ertragslage istnicht gerade rosig. Im vergangenen Jahrhabe das Ergebnis nur knapp über Nullgelegen, sagt der Unternehmer. Um inZukunft wieder zu wachsen, hat Fisch-bacher eine Vertriebspartnerschaft mit demfranzösischen Luxusbettwäsche-HerstellerFremaux Delorme abgeschlossen. Dazuhat er die Bettwäschesparte in eine selb-ständige Einheit ausgegliedert, an der sichdie Franzosen beteiligt haben. Fortan wirdFremaux Delorme die Fischbacher-Bett-wäsche über das deutlich größere eigeneVertriebsnetz im Ausland verkaufen.Dabei haben die Partner vor allem Ameri-ka, China und Großbritannien im Visier.

Impulse erhoffen sich die Fischbachersauch von der diesjährigen Jubiläums-kollektion. Die Chef-Designerin CamillaFischbacher hat sich von der Arbeit in denvergangenen 200 Jahren inspirieren lassen.„Wir haben alte Motive aufgegriffen undmit einer modernen Note versehen“, sagtsie. Pünktlich zum Jubiläum ist Fisch-bacher mit dem German Design Award2019 ausgezeichnet worden, für einen neuentwickelten Stoff namens Interfloral.Durch das raffinierte Einflechten feinerMetallfäden in das Gewebe wechselt dasMotiv je nachdem, von welcher Seite manden Stoff betrachtet. Camilla Fischbacherschlägt damit einen Bogen zur wechsel-vollen Geschichte des Unternehmens:„Der Stoff glänzt und strahlt und zeigtzugleich, wie wandelbar wir sind.“

38 GESCHICHTE

Erst jetzt wurde U 23 im Schwarzen Meer entdeckt.Rudolf Arendt, einst Kommandant des U-Boots,erinnert sich an ein bizarres Kapitel des Kriegs.

Von Reiner Burger

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ass er noch erlebt, wie sich derKreis schließt – diese Hoff-nung hatte Rudolf Arendtschon aufgegeben. Dann kamEnde Januar die Nachricht,

dass türkische Marinetaucher vor Agva,nordöstlich von Istanbul, das letzte bishernicht geortete deutsche Unterseeboot imSchwarzen Meer gefunden haben. „Ichhatte befürchtet“, sagt Arendt, „illegaleWracksucher hätten U 23 unter Wassernach und nach zerschnitten, um es alsSchrott verkaufen zu können.“

Rudolf Arendt war der letzte Kom-mandant von U 23. Ein Dreivierteljahr-hundert ist das her, er ist jetzt 96 Jahrealt. Mit 21 Jahren hatte er im September1944 auf Befehl der Seekriegsleitungdie Aufgabe, das Schicksal des Rests der30. U-Boot-Flottille durch Selbstversen-kung zu besiegeln. Nichts sollte den Sow-jets in die Hände fallen.

Am 9. September 1944 trafen sichU 19, U 20 und U 23 noch einmal außerSichtweite vor der Küste. „Wir tauschtenErfahrungen aus und Proviant.“ U 19hatte Ende August noch ein russischesMinensuchboot versenkt und dabei Ver-pflegung erbeutet. „Die Russen hattenHilfsgüter der Amerikaner dabei: Break-fast, Lunch, Dinner, dazu Kaffee undZigaretten – alles wasserdicht verpackt.“Als U 23 ihre letzte Position erreicht hatte,wies Arendt seine Mannschaft an, dasBoot nach und nach zu verlassen. „Für dasGepäck hatten wir zwei kleine Schlauch-boote.“ Sieben Minuten lang schwammendie Männer schon Richtung Küste, als umkurz vor Mitternacht am 10. September1944 U 23 mit einem Knall explodierte.

Mit der Selbstversenkung der dreiletzten der ursprünglich sechs Schiffe zäh-

lenden 30. U-Boot-Flottille endete vor75 Jahren eines der bizarrsten Kapiteldes Zweiten Weltkriegs. Bei den geheimenPlanungen des Angriffs auf die Sowjet-union hatte auch die deutsche Seekriegs-leitung Anfang 1941 keinen Zweifel aneinem schnellen Erfolg. Zwar sei dieÜberführung von kleinen U-Booten insSchwarze Meer technisch möglich, aberäußerst zeitaufwendig, argumentierte derOberbefehlshaber der Marine Mitte Märzwährend einer „Führerbesprechung“. DieSchiffe seien für den Fall „Barbarossa“nicht mehr rechtzeitig in Rumänien.

Als Hitler die Sowjetunion dann am22. Juni 1941 überfallen ließ, war dasSchwarze Meer – ein Seegebiet größer alsdie Ostsee – deshalb aus der Perspektiveder deutschen Streitkräfte weitgehendungesichert und nicht überwacht. „Diesowjetische Flotte übt, auf Sewastopol ge-stützt, die uneingeschränkte Seeherrschaftaus und ist in der Lage, jeden Verkehrnach den ukrainischen Häfen zu unterbin-den oder zum mindesten außerordentlichverlustreich zu gestalten“, meldete die See-kriegsleitung Anfang August. Stalin ent-schied Ende September, die eingeschlosseneKüstenstadt Odessa zu räumen. Der sow-jetischen Schwarzmeerflotte gelang es, inkaum mehr als zwei Wochen 86.000 Rot-armisten, 15.000 Zivilisten und großeTeile des Materials bei nur geringen Ver-lusten abzutransportieren.

Derweil musste die Wehrmacht, dieRichtung Kaukasus und Stalingrad vor-stieß, versorgt werden. Das konnte, so dieÜberlegung, nur über das Schwarze Meervon Süden her geschehen. Rumänien undBulgarien, die beiden Verbündeten desReichs, konnten mit ihren wenigen Zer-störern und Torpedobooten kaum etwasSommer 1944: Rudolf Arendt (Mitte) hat das Kommando auf U 23 übernommen.

Ort der Erinnerung: Rudolf Arendt, ehemaliger U-Boot-Kommandant, in seinem Arbeitszimmer in Meckenheim Foto Edgar Schoepal

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einer Slipanlage wurden die U-Boote ausdem Wasser gezogen und auf große Tief-lader mit 32 Vollgummireifen verfrachtet.Über eine eigens vom Dresdner Tiefbbf au-amt errichtete Stichstraße rollte der Ultra-Schwertransport zur AutobahnauffahrtDresden-Neustadt. Dann ging es mitmaximal acht Kilometern pro Stunde aufdie rund 400 Kilometer lange Reise nachIngolstadt. Bis zu vier der damals stärkstenZugmaschinen mussten hintereinander ge-koppelt werden, um die U-Boote in Schritt-geschwindigkeit durch Erzgebirge und Vogt-land zu wuchten.

In Ingolstadt bekamen die Schiffe wie-der ihren Schwimmträgergürtel und wur-den über eine Slipanlage in die Donau ge-lassen – womit die Schwierigkeiten längstnoch nicht zu Ende waren. Sie mussten nochweitere kritische Stellen passieren, wie dieWeltenburger Enge mit ihrer S-förmigenStromschnelle und die Steinerne Brückein Regensburg. Während die ersten dreider sechs Boote der 30. Flottille zunächstZwischenstation in Linz machten, wurdedie zweite Bootsgruppe direkt in den fürihren Wiederaufbbf au vorgesehenen Donau-werfthafen in der rumänischen Stadt Ga-latz gebracht.

Insgesamt 500 Kriegs- und Handels-schiffe gelangten im Zweiten Weltkriegauf dem mühsamen Transportweg ausder Nord- und Ostsee ins Schwarze Meer.Für die besonders aufwwf ändige Überführungder sechs U-Boote waren bis zu 600 Schiff-bauer, Fahrer, Funker und Verkehrspoli-zisten im Einsatz. Fotografen der Marinedokumentierten den abenteuerlichen Bin-nen- und Überlandtransport ausführlich.Nach dem Zweiten Weltkrieg galt dasMaterial als verschollen. Doch 1989 er-hielt das damalige Militärarchiv der DDRAnlegemanöver: Von Ende 1942 an brachen deutsche U-Boote zu Feindfahrten im Schwarzmeer auf.

Im Schlepp: Mit gewaltigem Aufwand wurden 1942 sechs U-Boote von der Ostsee ins Schwarze Meer gebracht – hier der Transport über die Elbe bei Kaditz, kurz vor Dresden.

gegen die sowjetische Flotte ausrichten.Deshalb forderte Hitler Anfang 1942 denEinsatz von U-Booten. Um die Sache zubeschleunigen, wollte er mit der Türkeiüber ein verwegenes Tauschgeschäft ver-handeln: Der neutrale Staat sollte eigeneU-Boote, die im Schwarzen Meer statio-niert waren, zur Verfügung stellen und imGegenzug dafür U-Boote der deutschenMittelmeerflotte bekommen. Die deut-sche Seekriegsführung warnte allerdingsdavor, die neutrale Türkei zu kompromit-tieren. „Es ging darum, künftig sowohldas Eindringen britischer Seestreitkräfteins Schwarze Meer zu verhindern als auchden Ausbruch der russischen Flotte insMittelmeer“, sagt Arendt.

Also beorderte Erich Raeder, der Ober-befehlshaber der Marine, sechs U-Booteder Baureihe B II von der Ostsee insSchwarze Meer. Weil auch dabei die Neu-tralität der Türkei zu wahren war, konntendie Boote nicht einfach über die Nordsee,den Atlantik, das Mittel- und das Marmara-meer ins Schwarze Meer gebracht werden.Stattdessen mussten die Boote durch denNord-Ostsee-Kanal nach Hamburg, aufder Elbe bis Dresden, dann über dieReichsautobahn bis Ingolstadt und vondort über die Donau bis in die rumänischeStadt Konstanza transportiert werden.

Die Geheimaktion war in vollemGange, als Rudolf Arendt in der Marine-unteroffiziersschule Plön das erste Malvon ihr hörte. Arendt hatte gerade seineU-Boot-Ausbildung in der OstseestadtGdingen abgeschlossen, die Hitler inGotenhafen umbenannt hatte. In Plönfühlte sich Arendt „zwischengelagert“, wieer ironisch formuliert. „Ich war jung, wollteunbedingt auf ein Frontboot. Damals gabes die großen Geleitzugschlachten und die

enormen Erfolge der deutschen U-Boote.“Seit KrrK iegsbeginn 1939 versuchte die KrrK iegs-marine, England von seinen überlebens-wichtigen Nachschubverbindungen überden Atlantik abzuschneiden. Wie Wölfeüber eine Schafsherde fielen die U-Booteder Kriegsmarine über die Frachter her. Aufdie bewachten Geleitzüge von 20 und mehrDampfern machten deutsche U-Boote zu-nächst erfolgreich Jagd.

Eines Tages tauchte Karl Fleige in Plönauf und suchte Leute für seine neue Missi-on. Fleige war Obersteuermann bei Rein-hard Hardegen gewesen, einem der erfolg-reichsten U-Boot-Kommandanten. Arendtglaubte, endlich gehe es nun für ihn losin den Atlantik. Als er im Dezember 1942seinen Einsatzort erfuhr, war er enttäuscht.„Ich hatte zwar von einem Sonderkommandoim Schwarzen Meer gehört, aber dachte,das geht mich nichts an. Nun versuchteich mir vorzustellen, wie man mit den

uralten Schiffen, unseren ehemaligen Aus-bildungsbooten, in dem Tümpel dort her-umfährt.“

Die recht kleinen U-Boote waren fürden Einsatz im Schwarzen Meer gut geeig-net. Sie dorthin zu bekommen war aller-dings eine Herkulesaufgabe. Um sie inKanälen, auf Flüssen und Straßen trans-portieren zu können, mussten sie in Kielzunächst „geleichert“ werden: Die Diesel-maschine, sämtliche Batterien und Instru-mente und der druckfeste Turm wurdenausgebaut, danach wurden die U-Booteum 90 Grad auf die Seite gedreht und mitSchwimmträgern stabilisiert.

Nach der aufwendigen Demontagebegann eine 2500 Kilometer lange Reisequer durch Europa. Die erste Etappe führtedurch den Kaiser-Wilhelm-Kanal nachHamburg, von dort ging es elbaufwärts bisDresden-Übigau, wo auch damals schondie Autobahn die Elbe kreuzte. Mit Hilfe

40 GESCHICHTE

U-Boote zu versenken. Die Besatzungensollten versuchen, sich in kleinen Gruppenauf dem Landweg nach Griechenlanddurchzuschlagen.

Aber kaum hatten Arendt und seineKameraden in den frühen Morgenstundendes 10. September 1944 die Küste erreicht,wurden sie von türkischen Soldaten auf-gegriffen und interniert. Später kam er inamerikanische Kriegsgefangenschaft.

„Als ich 1946 entlassen wurde, erfuhrich noch rechtzeitig, dass die Russen aufdie Kommandanten der Schwarzmeer-U-Boot-Flottille ein Kopfgeld ausgesetzthatten. Deshalb ging ich nicht mehr inmeine mitteldeutsche Heimat, die ja nunsowjetisch besetzt war.“

Einige Jahre war Rudolf Arendt zu-nächst für die amerikanische Armee vonBremerhaven aus auf einem Minenräum-boot unterwegs. 1956 trat er in die neugegründete Bundesmarine ein. Bis zumKonteradmiral schaffte er es in seinerlangen soldatischen Karriere. Immer wie-der war er in Führungspositionen in derBonner Hardthöhe eingesetzt.

Seinen ehrenvollsten Einsatz hatte er1967. Als Kommandeur des 2. Schnell-bootgeschwaders fuhr er den LeichnamKonrad Adenauers vom Kölner Dom ausauf dem Rhein zu Grabe.

Die Schwarzmeer-Episode spielte seitden siebziger Jahren immer wieder eineRolle für Arendt. Seinem Freund GerdEnders gelang es, die U-18-Besatzung aus-findig zu machen. Jedes Jahr trafen sichdie Kameraden. „Nun bin ich der Letztevon der 30. U-Boot-Flottille, der nochlebt“, sagt Arendt. „Und ich durfte erleben,dass U 23 gefunden wurde. Ich kannmich nicht beklagen, ich habe immerGlück gehabt.“

In Fahrt: Das Boot U 18, auf dem Rudolf Arendt Ende Mai 1944 seine erste Kommandofahrt hatte, verlässt den Liegeplatz in der rumänischen Küstenstadt Konstanza.

in Potsdam den in großen Teilen erhalte-nen Bildbestand von der Sowjetunionzurück; 1996 machte Gerd Enders darausein akribisch recherchiertes Buch. Enders,der vor drei Jahren starb, war nicht nurbei der Verlegung von U 18 dabei gewesen,er war auch auf dem wiederaufgebautenBoot eingesetzt.

„Wir lernten uns in Galatz kennen“,erinnert sich Rudolf Arendt, der zunächstebenfalls zur Mannschaft von U 18 gehör-te, das im Mai 1943 Konstanza erreichte.Von dort brachen schon seit Ende 1942 dieersten deutschen U-Boote zu Feindfahrtenauf. Es waren schwierige Operationen.„Die Boote waren für eine Einsatzdauer vongut zwei Wochen mit maximal 15 MannBesatzung konstruiert.“ Doch im SchwarzenMeer waren die Boote im Schnitt 30 Tagemit bis zu 30 Mann unterwegs. Vor alleman langen Sommertagen war das strapa-ziös. „Da musste man spätestens morgensum halb vier tauchen, auftauchen konnteman frühestens um 22 Uhr“, erinnert sichArendt. Schon am späten Nachmittag warso viel Luft in dem kllk einen Boot verbraucht,dass die Mannschaft müde und apathischwurde.

In den gut 22 Monaten ihrer Existenzversenkte die deutsche U-Boot-Flottille nachoffiziellen Angaben zwar 26 Schiffe mitrund 45.300 Bruttoregistertonnen. Dochdas waren nicht mehr als kleine Achtungs-erfolge. „Während die Operationen 1942noch ganz im Zeichen der Offensive undder Verstärkung der Seestreitkräfte undSeetransporte standen, wurden nach derNiederlage bei Stalingrad alle Einsätze vonden rückläufigen Bewegungen der Heeres-front diktiert“, heißt es in dem vom Militär-geschichtlichen Forschungsamt heraus-gegebenen Standardwerk „Das Deutsche

Reich und der Zweite Weltkrieg“. AnfangFebruar 1943 forderte der von Hitler neuernannte Oberbefehlshaber der Kriegs-marine, Großadmiral Karl Dönitz, auchvon den Besatzungen der U-Boote „härtes-ten Einsatz, um den Kameraden an derLandfront zu helfen“.

Seine erste Kommandofahrt hatteArendt Ende Mai 1944 noch auf U 18, inVertretung von Karl Fleige. Es war dieZeit, als der Seekommandant Krim mel-dete: „Lage treibt zu Katastrophe.“ Sewas-topol und die ganze Krim waren bald vonden Russen zurückerobert. Hektisch ver-suchte die deutsche Marine, so viele Solda-ten wie irgend möglich über das SchwarzeMeer nach Rumänien zu bringen. Auf derersten Fahrt unter Arendts Kommandokam U 18 an einer Stelle vorbei, an derkurz zuvor ein Handelsschiff mit 7000 ge-retteten Soldaten von den Russen versenktworden war. „Ich schickte meine Leutezurück ins Boot, denn da schwamm einunendlich großer Leichenteppich vor uns.“Am 20. Juni bekam Arendt dauerhaft ein

Kommando. Sein Boot war nun die U 23.„Wir wussten, dass alles in Auflösung war.Und trotzdem wären wir nicht auf die Ideegekommen, dass wir mit U 23 am 16. Au-gust zur letzten Feindfahrt ausliefen.“

Doch die russische Sommeroffensivekam immer rascher voran. Bald war dieRote Armee bis zur Donau vorgedrungen.Ende August 1944 wechselte Rumänienauf die Seite der Alliierten und erklärteDeutschland den Krieg. Kurz darauf er-reichten russische Panzer Konstanza. „Damithatten wir unseren Heimathafen verloren“,sagt Arendt.

Von den sechs U-Booten der 30. Flot-tille waren beim Bombardement der Rus-sen auf Konstanza zwei Boote zerstörtworden, ein drittes wurde von der eigenenBesatzung versenkt. U 19 konnte noch am25. August auslaufen; U 20 befand sichwie U 23 in See. „Wir waren im SchwarzenMeer gefangen wie eine Katze im Sack.“

Über Funk bekam Arendt den Befehl,noch einmal bis Sewastopol zu tauchen.„Also haben wir uns rangeschlichen, aberwas wir da genau aufklären sollten, hatteman uns nicht gesagt.“ Später kam dieAnweisung, noch einmal Konstanza an-zusteuern, und die letzten Torpedos aufden Hafen abzufeuern. „Also habe ich aufdie Pier gedonnert. Es gab riesige Deto-nationen, ein Feuerschwall schoss in denHimmel.“ U 23 versenkte ein großes Han-delsschiff und beschädigte einen Zerstörer.Danach ging es zurück aufs offene Meer.

Eigentlich wollte Arendt im Tauch-gang durch den Bosporus, um über dasMarmarameer ins Mittelmeer auf einegriechische Insel zu gelangen. „Aber derTürkei war ja garantiert worden, dass ihreHoheitsgewässer nicht verletzt würden.“Also befahl Dönitz, die drei verbliebenen

41SCHÖNHEIT

ute Nachrichten auf dem Kräuterhof in Stau-fenberg: Es regnet an diesem Juli-Vormittag.Die Nässe tut den Pflanzen gut, nach der Hitzeder vergangenen Wochen, und wegen des

Regens könnte Dieter Müller heute ohnehin nicht ernten.Also hat er Zeit, seine Felder zu zeigen. Der Landwirt,60 Jahre alt, bestimmtes Auftreten, Barbour-Jacke überPoloshirt und Wollpullover, beschichtete Hose, tendiertüberhaupt zu guten Nachrichten. Zu ungewöhnlich vielen,gemessen an den Problemen, die viele seiner Kollegen soumtreiben: den zunehmend extremen Wetterbedingungen,der ungünstigen Preisentwicklung, der Konkurrenz aufdem Weltmarkt, den Finanzinvestoren, die an die Bödender Bauern wollen.

Einer der Gründe, weshalb Dieter Müller ganz guterDinge sein kann, wächst auf seinen Feldern in leuchten-dem Orange. Er braucht verhältnismäßig wenig Platz.175 Hektar Landwirtschaft betreibt er, 30 Hektar davonsind Kräuter – und davon ist ein Teil für die Calendulavorgesehen, besser bekannt als Ringelblume. Wenn Men-schen auf der ganzen Welt, überall dort, wo die Natur-kosmetikmarke Weleda verkauft, eine Tube, einen Tiegel,eine Flasche zur Hand nehmen, kräftig schütteln undCreme auf ihrem Körper verteilen, dann tragen sie damitvielleicht auch ein Stück von Müllers Feldern auf.

Denn in den Cremes sind Kräuter enthalten. Diewachsen auf der ganzen Welt und werden auch an zahl-reichen Standorten zu Pflegeprodukten weiterverarbeitet,in Schwäbisch-Gmünd, Arlesheim in der Schweiz undHuningue (Hüningen) im Elsass. Es gibt Fabriken inBrasilien, Großbritannien, Neuseeland. Einer der Liefe-ranten, mit denen Weleda zusammenarbeitet, ist DieterMüller, und seine Calendula wächst hier, in Staufenberg,von Frankfurt aus kommend hinter Gießen.

Also raus aufs Feld, vorbei am Thymian, daneben derSchnittlauch. Dass es zu lange zu trocken war, sagtMüller, könne man an den Graswegen sehen. „Die sindso braun wie in Italien.“ Müller streift den Roggen unddeutet zum Horizont. An guten Tagen könne man vonhier aus den Feldberg sehen, dahinter liegt Frankfurt.Heute verschwinden die Umrisse mit der grauen Suppe.Müller – auf dem Kopf einen Hut, auf den der Regenprasselt – dreht sich um und zieht weiter RichtungLichtpunkt. Denn die Calendula leuchtet wirklich, trotzoder gerade wegen des Regens. Ein Feld aus orangefarbenenRingelblumen. „Würde jetzt die Sonne scheinen, wärensie offen“, sagt Müller. So sind viele Blüten geschlossen.Im Hintergrund pfllf ücken Erntehelfer unter Kapuzen undCapes von Hand. Sie kommen aus Polen, es seienaber auch Frauen dabei, Türkinnen und Kurdinnnnen,die in der Gegend wohnen. „Sie sind oft ungernnn aufdemselben Feld, aber die Arbeit verbindet.“ Giiibt eseinen Anschlag in der Heimat, sei die Stimmmmungtrotzdem schlecht, auch auf diesem Feld.

Sechs Mal gehen die Erntehelfer in einem Som-mer über das Feld. Gut eine Woche dauert es, bis siees einmal leer gepflückt haben, dann wachsennn neueBlüten, die Müller an Weleda nach Schwäääbisch-Gmünd liefert und die dort verarbeitet werdeeen. AmEnde eines Jahres hat Müller gut zwölf TTTooonnen

Kräuter an das Naturkosmetikunternehmen geliefert. Dasbraucht diese Rohstoffe, denn der Bedarf an Bio-Beautywächst. Warum das so ist, lässt sich am Calendula-Beispielerklären, etwa am Pflegeöl. Die Liste der Inhaltsstoffe aufder Rückseite der Produkte ist gemessen daran, dass manes hier mit überall verkäuflicher Ware zu tun hat, diesomit Mindeststandards im Hinblick auf die Haltbarkeitunterliegt, legendär kurz. Darin enthalten sind: Sesamölund Calendula-Extrakt, das war’s.

Das mögen verantwortungsbewusste Verbraucher, diedarauf achten, was sie an ihren Körper lassen, und davongibt es immer mehr. Gemäß Zahlen der Gesellschaft fürKonsumforschung kamen im vergangenen Jahr mehr alseine Million neue Käufer von Naturkosmetikproduktenhinzu. Das ergab ein Umsatzwachstum von 5,9 Prozent,auf nun 1,3 Milliarden Euro, was einem Anteil von9,2 Prozent am gesamten Schönheitsmarkt entspricht.Es sind auch nicht mehr nur die Deutschen, die mit derBio-Brille einkaufen, das Bewusstsein dafür wird auchin vielen anderen Teilen der Welt stärker.

Diesen Anstieg hat auch Müller registriert. Deshalbkann er ohne zu klagen von seiner Arbeit reden. DasWetter sieht er nicht als Problem, „dann kann ich auchmal Urlaub machen“, aber doch als Herausforderung. Imvergangenen Jahr, im Sommer der extremen Hitze, hatteauch er Probleme, die vorgesehene Menge an Calendulazusammenzubekommen. „Die Blüten waren sehr klein.

Daheeer mussten wir lange ernten, um auf die Mengezu kkkommen. Bei einem anderen Abnehmer hätteich mmmir die Mühe nicht gemacht. Aber hier ist manschonnn vertragstreu.“

UUUm sieben Uhr beginnt sein Tag. „Ein Mit-arbeiteeer, der selbständig arbeitet, kümmert sich umdie nooormale Landwirtschaft, ich ernte hauptsächlichdie Krrräuter und bin bei der Trocknung dabei. Undich maaache Büroarbeit.“ Zu zwei Dritteln bestehesein Taaag heute aus Schreibkram, Rechnungen, Ernte-protokooollen. „Wie war das Wetter? Die Temperatur?Früherrr war das eine Seite, heute sind es oft drei.“

Dafür muss er keine Abnehmer mehr suchen. Für gut zehnverschiedene Partner erntet Müller. „Ich kann mir aus-suchen, für wen ich arbeite, die Nachfrage ist größer alsdie Menge, die ich bieten kann.“

Das liegt daran, dass Müller, der verheiratet ist unddrei Kinder hat, von denen sich mehr als eines für denHof interessiert, zum richtigen Zeitpunkt auf die richtigeNische gesetzt hat: Heilpflanzen. Die Familie betreibtden Hof seit Jahrhunderten, genau kann Müller das nichtdatieren, aber laut Kirchenbüchern mindestens seit derZeit des Dreißigjährigen Krieges. Dass die konventionelleLandwirtschaft mit überwiegend Getreide auf Dauer nichtzwei Familien würde ernähren können, erkannte Müller,als er den Hof von seinem Vater übernahm. Das war 1984,nach dem Landwirtschaftsstudium in Gießen. Er begann,sich auf Apotheker-Kongressen umzuschauen und Arnikaanzubauen.

Das war ungewöhnlich, die Pflanze gab es bis dahinnur in kleinen Mengen. 1985 traf er auf einem Kongressim mittelhessischen Rauischholzhausen einen Weleda-Mitarbeiter. Müller sagte, er könne Arnika vom Feld kulti-vieren. Sein Gegenüber sagte, das sei noch keinem gelun-gen, wenn er das schaffe, könne er für Weleda arbeiten.Müller lacht, als er davon erzählt. Arnika baut er nochimmer für Weleda an. Die Ernte ist aufwendig, denn siemuss am selben Tag verarbeitet werden, in Schwäbisch-Gmünd bei Weleda. „Wir ernten um fünf Uhr morgens,um zwölf ist Abfahrt mit dem Anhänger.“ 314 KilometerFahrstrecke bis Baden-Württemberg. „In der Nacht wirdes dort verarbeitet. So ist das bei allen Frischpflanzen.“

Die Calendula ist nicht so anspruchsvoll. Sie wird inStaufenberg getrocknet, bei Müller auf dem Hof. Andiesem Nachmittag kommen die Blüten frisch vom Feldan, dann geht es weiter in die Trockenanlage. Tausendeleuchtend orangefarbene Blütenköpfe, die vom Regennoch leicht feucht sind, gleiten über das Förderband. Für200 Milliliter Pflegeöl sind 15 bis 20 Gramm davon nötig.In der Anlage herrschen 60 Grad. Gegen 22 Uhr sind sietrocken. Draußen regnet es noch immer.

Ein Bio-Landwirt aus Hessen setztevor Jahrzehnten auf den Anbauvon Kräutern für Naturkosmetik.Das war damals ziemlich gewagt.Heute erntet er die Erfolge.Von Jennifer Wiebking

Wenn Ringelblumen leuchten: Die Blüten, die Dieter Müller erntet, landen später in den Produkten von Weleda.

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Mit einem Blick für die Stimmung: In der Hafenstadt vermischen sich lateinische, slawische und deutsche Kultur auf faszinierende Weise.

Willkommen in Triest! An der Piazza Unitá d’Italia öffnet sich die Stadt dem Besucher.

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Triest ist eine Mischung aus Wien und Venedig, nichtSüden, nicht Norden, nicht Ost, nicht West. AuchClaudio Magris, der berühmteste Literat der Stadt, liebtdas Gefühl, für immer im Ungefähren zu bleiben.Von Simon Strauß

riest ist keine Stadt, die unbe-dingt besucht werden will. Vomkleinen, leeren Flughafen gibt esstatt eines Shuttles nur einenRegionalbus, der erst über dieDörfer fährt, bevor er sich, dieKüste entlangkurvend, langsamder Stadt nähert. Auf den Bürger-

steigen am Meer liegen die Menschen mitihren Handtüchern auf den warmen Stei-nen in der Sonne und schließen die Augen.Ein ungewohnter Anblick: Wo normaler-weise Passanten flanieren oder Hunde aus-geführt werden, ist ein temporärer Stadt-strand. Es gibt keinen Sand in Triest, son-dern nur Felsen und steinerne Bürger-steige. Der Sprung von den Klippen in dieAdria ist zum Kennzeichen der Stadtgeworden. Immer wieder werden von denStadtoberen Bebauungspläne entworfen,wird das Errichten kostenpflichtiger Bade-anstalten angedroht, aber stets regt sichWiderstand gegen solche Eingriffe in dasempfindliche Kollektivbewusstsein derStadtbewohner. Und so müssen die Behör-den wohl oder übel dafür Verständniszeigen, dass in Triest „der freie Sprungins Wasser als öffentliches Gut“ gilt, wieder berühmteste lebende Literat der Stadt,Claudio Magris, in seinem eben in deut-scher Übersetzung erschienenen Buch„Schnappschüsse“ (Hanser) schreibt.

Die sauberen Trottoirs, auf denen dieMenschen sorglos sonnend liegen, sindnicht das einzige Anzeichen dafür, dassdiese Stadt sich in manchem grundlegendvon dem Land unterscheidet, zu dem siegehört. Italienisch ist, so kommt es einemin Triest mitunter vor, nur die Sprache.Der Straßenverkehr, die Müllentsorgung,das Gestenrepertoire sind eher wie imNorden, selbst die Busse kommen pünkt-

lich. Kein Wunder, denn die Stadt gehörtemehr als 500 Jahre lang zu Österreich undwurde erst 1919 italienisch. Während desZweiten Weltkriegs besetzten die Natio-nalsozialisten Triest, danach meldete dassozialistische Jugoslawien Besitzansprüchean. 1954 wurde Triest endgültig Italien zu-geschlagen. Durch den Beitritt Slowenienszur Europäischen Union konnte sich dieStadt zuletzt aus ihrer langjährigen Rand-lage befreien und wandelte sich zum zen-tralen mitteleuropäischen Umschlagplatz,nicht nur von Nord und Süd, sondernauch von Ost und West.

Wer heute über die Piazza dell’Unitaspaziert, Europas größten Platz am Meer,hat das Gefühl, in Venedig und Wiengleichzeitig zu sein. An drei Seiten gesäumtvon neoklassizistischen Palästen, öffnetsich eine 16.000 Quadratmeter große Frei-fläche zum Wasser – während man sich

weiter hinten, im „Caffé degli Specchi“, inder Atmosphäre eines Wiener Kaffee-hauses wiederfindet. Schräg gegenüberliegt das Hotel Vanoli, in dem der deut-sche Archäologe Johann Joachim Winckel-mann 1768 auf der Durchreise nach Romermordet wurde. Zu seinem Andenkenlegte die Stadt einen archäologischen Parkan und errichtete 1833 einen kleinenTempel mit Marmormonument. Winckel-manns Knochen, die ursprünglich in dernahegelegenen Kathedrale vergraben wur-den, waren da längst mit anderen Über-resten vermischt, sodass der Sarkophagnicht viel mehr ist als ein schwülstigerErinnerungsschrein. Und doch haben Be-wunderer des Erfinders der so berühmtenwie irreführenden Beschreibungsformelvon der „edlen Einfalt und stillen Größe“es sich nicht nehmen lassen, auf dem SimsDuftkerzen und Plastikrosen abzustellen.

Triest war immer schon eine Hafen-stadt. Von hier aus machten sich in derhabsburgischen Zeit Schiffe in alle Weltauf, hier kamen die kostbarsten Waren an.Gelagert wurden sie seit der Mitte des19. Jahrhunderts, als durch die Eröffnungdes Suez-Kanals der Handelsverkehr mitdem Mittleren und Fernen Osten zunahm,in riesigen Speichern auf einem Arealentlang der Küste. Als Italien die Stadtübernahm, wollte es den Machtwechselauch im Bau eines neuen Hafens manifes-tieren. Seit der Eröffnung des Porto Nuovoin den zwanziger Jahren steht der PortoVecchio leer – das Schmuckstück industri-eller Hafenarchitektur, gelistet als Unesco-Welterbe, verfällt gnadenlos.

Durch ein triumphbogenartiges Ein-gangstor hinter dem Hauptbahnhof kannman einen faszinierenden Rundgang durchdiese untergegangene Handels- und ArrA beiter-welt machen. Der streng abgezäunte Be-sucherpfad führt an Funktionsbauten ausStahlbeton und verrosteten Kränen, anRepräsentationsbauten und riesigen Lager-hallen entlang.

Donnernde Techno-Partys, spektaku-läre Künstler-Lofts wären hier möglich,wenn das Ensemble vor den Toren Berlinsoder Barcelonas läge – aber in Triest blei-ben die Industrieruinen unberührt undbewahren ihre romantische Ausstrahlung:verfallen, vergessen, einer anderen Zeit ver-sprochen.

Die potenten Investoren jedenfalls, vondenen der Stadtführer träumt und die dasAreal in eine moderne Hafencity verwan-deln könnten, sind bislang nicht gefunden.Besser gesagt: Sie haben den Ort nochnicht gefunden. Und so bleibt er eine derwenig beachteten Großattraktionen dieserwundersamen Stadt.Schloss Duino thront auf einem Felsen. Im Bunker hängt noch die Reichskriegsflagge.FO

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Im phantastischenNirgendwo

REISE44

Claudio Magris lebt schon immer in Triest.

Ein Schrein für Johann Joachim Winckelmann: Der Archäologe wurde 1768 in Triest ermordet. DieStadt errichtete ihm 1833 einen kleinen Tempel.

Was bei keinem Triest-Aufenthaltfehlt, ist ein Besuch des habsburgischenMärchenschlosses Miramare, in dem Kai-serin Sisi ein paar Mal übernachtete. Mitdem Boot fährt man eine halbe Stundeüber das Meer, vorbei an Fischerbootenund Luxusyachten. Fast alle Passagieresteigen in Miramare aus, aber das Bootfährt weiter, bis nach Sistiana, in einenBadeort, von dem aus ein steiniger Pfadüber die Steilküstenkante nach Duinoführt. Hier liegt das viel bedeutendere undaufregendere Schloss. Seit dem ausgehen-den 19. Jahrhundert in der Hand derFamilie von Thurn und Taxis, waren aufden Klippen über dem Meer die größtenGeister ihrer Zeit zu Gast: Johann Strauss,Mark Twain, Victor Hugo, SigmundFreud. Franz Liszt komponierte oben imSalon auf einem Hammerklavier das Lied„La Perla“, Paul Valéry spazierte singendim Garten, und Rainer Maria Rilke er-holte sich im Winter 1911 von einer Tren-nung, indem er zwei seiner berühmten„Duineser Elegien“ dichtete: „Wer wennich schriee, hörte mich denn aus der EngelOrdnungen?“ – so beginnt die erste Stro-phe dieses tiefverzweifelten Gedichts, dasGlaube, Liebe, Hoffnung hinwegfegt.Man kann es in Duino lesen, wo es ent-stand: auf der kleinen Terrasse unter demSonnensegel, die bröckelnden Mauern vonwildem Wein zusammengehalten, mit wei-tem Blick über das Meer.

Maria von Thurn und Taxis, dieSchlossherrin, war selbst eine talentierteSchriftstellerin und unterhielt 17 Jahrelang einen Briefwechsel mit Rilke. EinigeBriefe sind im Schlossinneren ausgestellt.Kein Mensch ist zu sehen, man ist ganzallein mit den kostbaren Zeugnissen dich-terischer Leidenschaft. Nicht nur Rilke,auch der italienische DichterrevolutionärGabriele D’Annunzio schrieb an Maria.Einer seiner Briefe endet auf Deutsch, eingroßer Teil ist dummerweise von einerVisitenkarte verdeckt, die jemand achtlosauf das Papier geworfen hat, aber dasmacht die Worte des Dichters am Endenur noch geheimnis- und wirkungsvoller:„…vorüber wie ein Traum und ein Traumwar mein Leben, ist es noch – nicht mehrdaran hängt meine Seele – ich will weiter,weiter…“ Wohin er will, wovon sein Traumhandelt – man kann es nur ahnen undwill seinem Ruf doch sofort und ohneUmschweife folgen. Die Fenster im Salonsind weit geöffnet, das hölzerne Fenster-brett ist von der Sonne gewärmt, und dasMeer ruft lauter als jeder Berg.

In den mächtigen Felssporn, auf demdas Schloss thront, hat die deutsche Klein-kampfmittelflottille 411, die das Anwesenvon 1943 bis 1945 besetzte, von Zwangs-arbeitern einen Bunker treiben lassen.Auch ihn kann man besuchen, seit derSchlossherr Duino 2017 schweren Herzensan eine luxemburgische Gesellschaft ver-kauft hat. Hundert Treppenstufen führenhinab in ein muffiges Gemäuer, in demzerschossene Stahlhelme, verstaubte Tank-kanister und eine Reichskriegsflagge mitHakenkreuz noch an jene ungeliebten Be-wohner erinnern, die sich am 1. Mai 1945nach kurzem Kampf den Alliierten er-gaben. Wenig später hisste ein Nachkommeder Schlossfamilie als Erster am Adria-Ufer die Fahne des vereinten Europas.

Eben jene flattert jetzt schön im Wind.Doch vor allem in Italien wächst die Skep-sis gegenüber Europa. Gleichzeitig steigtdie Beliebtheit eines Innenministers, derkeine Gelegenheit auslässt, um sich mitfremdenfeindlichen Parolen angeblich aufdie Seite des Volks und gegen die mora-lisch korrupte Machtelite zu stellen. DenEuro will er fallen sehen, die Flüchtlingenicht in seinem Land haben und Bürger-gelder ohne ökonomische Rücksicht ver-teilen. Matteo Salvini kommt aus Mai-land, nicht aus Triest, aber auch in dieserso ruhig und gelassen wirkenden Stadt ge-winnt seine Lega immer mehr Stimmen.Die Flüchtlinge kommen hier nicht übersMeer, sondern aus Slowenien, über dieBalkanroute. Vor dem Hauptbahnhof sit-zen sie auf dem Boden und warten ratlosauf jene großartigen Chancen, die manihnen zu Hause versprochen hatte.

Der Literat Claudio Magris sitzt in sei-nem Stammcafé San Marco. Dort hattensich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegsrevolutionäre Italiener zu konspirativenSitzungen getroffen. 1915 erzwang dieösterreichisch-habsburgische Polizei dieSchließung und zerstörte die Innenein-richtung. Heute ist das Jugendstil-Interi-eur wiederhergestellt, und es herrscht eineAtmosphäre wie in einem Wiener Kaffee-haus um die Jahrhundertwende. Es gibteine Buchhandlung, internationale Zei-tungen und an der Wand Porträtzeich-nungen berühmter Schriftsteller der Stadt:James Joyce, Italo Svevo und natürlichClaudio Magris.

Hinten rechts sitzt der gerade 80 Jahrealt gewordene Germanist und Romancierund trinkt einen Spremuta d’arancia. Sein

ganzes Leben lang wohnt er schon inTriest, weil sich hier lateinische, slawischeund deutsche Kultur auf so faszinierendeWeise mischten und ein einmaliges Ge-fühl von Mitteleuropa vermittelten, sagter. Allerdings hätten die Nähe zum Eiser-nen Vorhang und die grundsätzlich un-sichere Lage der einstigen Grenzstadtlange die Jugend vertrieben. Noch heuteleidet die Stadt an Überalterung undwenig Zuzug. Der fehlende Massentouris-mus – für Besucher ein Glück – bringtdie Stadt in Schwierigkeiten. Mit allenMitteln will sie sich nun als attraktivesReiseziel in Italien profilieren.

Magris, 2009 mit dem Friedenspreisdes Deutschen Buchhandels ausgezeich-net, liebt seine Heimatstadt. In seinemBuch „Schnappschüsse“ beschreibt er Sze-nen aus Triest, die im Gefängnis spielen,bei der Gemeinderatsitzung, auf den Bar-cola-Klippen oder auf dem Friedhofsamt.Er beklagt den Niedergang des Pissoirs inder Stadt genauso wie er die Freiheit be-jubelt, überall im Meer zu baden. Und ererklärt, was es mit dem „Triester Bauch-wehgesicht“ auf sich hat, einer stadttypi-schen Miene, die nicht „auf erlittenenSchmerz“ hindeutet, sondern „auf stolzenWiderwillen, sich verstanden zu fühlen“.

Magris selbst hat ein freundliches Ge-sicht und ist jederzeit zum Lachen bereit.Das Café ist ihm in letzter Zeit etwas zuschick geworden, „es stellt sich zu sehr zurSchau“, sagt er und runzelt die Stirn. Seit53 Jahren schreibt er eine Kolumne im„Corriere della Sera“, daneben Romaneund Erzählbücher, literarische Stadtführerund politische Essays. Magris ist so etwaswie das intellektuelle Gewissen Italiens,des linken, liberalen Italiens, muss manhinzufügen. Er wuchs im Umfeld desWiderstands auf. Der Vater kämpfte imUntergrund gegen die Nazi-Besetzer, undauch die Haushaltshilfe, Signora Maria,war Teil der antifaschistischen Bewegung.

Als Silvio Berlusconi in den neunzigerJahren quasi über Nacht zur stärksten poli-tischen Kraft des Landes wurde, fühltesich der poetische Gelehrte aus der Adria-stadt ebenfalls zur politischen Handlungverpflichtet. Zwei Jahre saß er als einzigerAbgeordneter der Magris-Partei im italie-nischen Parlament. Auf einer Wahlkampf-veranstaltung damals, erinnert er sich, seiihm einmal angesichts einer pöbelndenMenge der Kragen geplatzt: „Jemand wie

Sie hat genauso wenig wie mein Hund dasRecht zu wählen“, brüllte er vom Redner-pult dem erstbesten Krakeeler ins hass-erfüllte Gesicht. Ein Satz, der ihm damalsRespekt einbrachte, den er aber heute mitgemischten Gefühlen wiederholt. Denndie linksliberale Bereitschaft, ganze Volks-gruppen zu verurteilen, habe den Populis-ten das Spiel leicht gemacht. Es habeeben nicht ausgereicht, nur zu verurteilen.„Man muss auch versuchen zu verstehen.“

Das Genie Berlusconis sei es gewesen,die Wertehierarchie umzukehren. SeineBotschaft an die Italiener lautete: „Ihrmüsst nicht so werden wie ich, sondern ichwerde wie ihr“ – damit habe er eine Stim-mung des anstandslosen Anything-goes-Liberalismus provoziert. Berlusconis Popu-lismus sei trotz seiner „rückständigenPhantasien“ stets fratzenhaft lächerlichgewesen, sagt Magris. Mit dem authentisch-gewalttätigen Populismus eines MatteoSalvini habe das nichts mehr zu tun.

Als Magris den Namen des Innen-ministers ausspricht, springt am Neben-tisch plötzlich ein junger Mann auf, derbislang in ein Schachspiel vertieft war.Mit gestrecktem rechtem Arm zeigt er denfaschistischen Gruß und ruft „PresidenteSalvini“. Kurz ist Magris von der offen-sichtlichen Provokation irritiert, dann hebter langsam den angewinkelten rechtenArm und ballt die Faust zum kommunis-tischen Rotfront-Gruß.

Der Widerstand ist in Triest zu Hause.Hier, wo man sich gegen die Habsburgerdurchgesetzt und vom Faschismus befreithat, hier, wo Tito genauso wenig seinenWillen durchsetzen konnte wie die Stadt-verwaltungen ihre Schwimmverordnungen,hier lebt man im Gefühl, besonders zu

sein. Nicht Süden, nicht Norden, nicht Ost,nicht West – sondern zu Hause im „phan-tastischen Nirgendwo“, sagt Magris beimGehen lachend.

Triest ist ein Ort, an dem man sichund seine Herkunft verlieren möchte, fürimmer im Ungefähren bleiben. Der Platzder Einheit liegt in der Abendsonne, Kin-der spielen mit Tauben, und am Brunnensitzen ein paar Demonstranten und singenihre Protestlieder in den Wind. Der Windist stark in Triest, das muss man wissen.Mit bis zu 100 Kilometer pro Stunde fegtdie Bora vom karstigen Hinterland mit-unter über die Stadt. An manchen Haus-wänden sind Kordeln befestigt, an denenman sich bei starken Böen festhalten kann.

Und nur wer sich auch vom kräftigstenGegenwind nicht umblasen lässt, ist einwahrer Triester. „Das Schöne ist nichtsals des Schrecklichen Anfang“, heißt es inRilkes erster Duineser Elegie, und viel-leicht hat er aufs Ganze gesehen ja Recht.Aber zumindest in Triest will man denSatz für einen Moment wenden und sagen:Das Schreckliche ist nichts, wenn dasSchöne anfängt.

Im phantastischenNirgendwo

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mmer öfter sind Autos mit Assistenz-systemen ausgestattet, also mit Verbin-dungen aus Kameras, Sensoren, Radar

und Rechnern, die den Fahrer warnen undschützen sollen. Sie erkennen Verkehrs-zeichen, Hindernisse, Linien auf der Straße.Doch die künstliche Intelligenz ist nichtfehlerfrei. Häufig werden Verkehrszeichenfalsch erkannt, und der Spurhalteassistent,der vor dem unfreiwilligen Verlassen derFahrbahn bewahren soll, erweist sich imAlltag eher als hyperaktive Nervensäge.Warum also nicht mal versuchen, seinFahrzeug selbst besser kennen und besserbeherrschen zu lernen?

Zu diesem Zweck bieten freie Instruk-toren, der ADAC und viele AutoherstellerTrainings an. Bei Land Rover lässt sichüben, wie man eine Steilwand hinauf undwieder hinunter kommt, ohne abzustürzen.Jaguar hat eine Jugendlichenfahrschule ent-wickelt, die richtiges Bremsen und sauberesLenken noch vor dem eigenen Führer-schein vermittelt. Und bei Audi gibt eseinen Lehrgang, in dem es um die Beherr-schung des Fahrzeugs im Grenzbereichgeht, ein an Dynamik orientiertes Trai-ning für Fahrer aller Altersstufen.

„Aufbbf autraining“ nennt Audi das, wasinsofern etwas verniedlichend ist, als dieAutos ziemlich viel Leistung haben. DasModell A4 hat der Hersteller in jüngstenKursen durch den RS 5 ersetzt, mit Sechs-zylinder-Turbo und 450 PS. „Ich wusstegar nicht, dass Audi so sportliche Autosbaut“, sagt ein jüngerer Teilnehmer.„Schon wahr“, entgegnet der InstruktorStefan Eichhorner, „wir wollen eine MengeSpaß haben, aber nicht von Anfang anVollgas geben. Es geht darum, kritischeSituationen zu üben.“ Dabei wird schnellklar: Im Notfall kommt es auf jede Zehn-telsekunde an. Und die richtige Reaktion

an Lenkrad und Pedal gelingt intuitiv nur,wenn man sie geübt hat.

Das Programm klingt verlockend undanspruchsvoll zugleich: flott fahren, dasFahrzeug sicher beherrschen, bis in denroten Drehzahlbereich, aber nicht nurdort. „Der Sportmodus wird heute unserbevorzugter Modus sein. Wir üben Drif-ten, Über- und Untersteuern“, sagt Eich-horner. Regenschauer werden normaler-weise simuliert, was an diesem Tag un-nötig ist, es regnet tatsächlich. Auf derglatten Fahrbahn geht es darum, imGrenzbereich nicht die Kontrolle zu ver-lieren, das Rutschen zu üben, auch dasLenken mit dem Gaspedal. Ziel des Tagesist das gleiche wie in anderen Trainings:Die Instruktoren wollen Teilnehmern dasRüstzeug mitgeben, ihr Auto so zu beherr-schen, dass Insassen und Fahrzeug in allenSituationen heil bleiben, besonders auch inunvorhergesehenen.

Der theoretische Teil enthält Hinweiseauf Notbremsungen, auf Bremsen undLenken gleichzeitig. „Ein Reset wie an derPlaystation gibt es in der Realität nicht“,mahnt Eichhorner. Unter- und Übersteu-ern, also das Wegrutschen zum Kurven-außenrand der Vorder- oder der Hinter-räder, werden geprobt. „Was ist, wenn aufder Autobahn direkt vor uns einer raus-zieht?“, fragt der Trainer. „Voll bremsenund nicht zu viel lenken, sonst endet manin der Leitplanke“, lautet die Antwort. Dasklingt einfacher, als es dann getan ist.

Abgeschlossen wird der Tag mit einemHandlingslalom, der zeigt, was passiert,wenn man zu schnell in die Kurve fährt.Ein bisschen Wettbewerb muss sein, des-halb gehört auch ein Rennen durch dieHütchen dazu. Der Instruktor kennt denEhrgeiz der Teilnehmer, Letzter wird kei-ner gern. Und auf dem großen Gelände derAudi Driving Experience ist ausreichend

Assistenzsysteme hin oder her – ein Auto sicher in der Spur zu halten lerntman am besten im Fahrertraining. Von Holger Appel

SCHLEUDERGANG

Steuerexperiment:Beim Fahrertrainingüben die TeilnehmerExtremsituationenim Auto – auf dasssie im Ernstfallrichtig reagieren.

Hinweis vom Instruktor: Auch die richtige Vollbremsung ist nicht so einfach, wie sie klingt.

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Platz, falls sich doch mal einer rausdreht.Was, wie sich im praktischen Teil heraus-stellen wird, einigen passiert.

Die Driving Experience gibt es so langewie das hauseigene Markenzeichen Quattro– seit 1981. Anfangs war sie nur alsDemonstration für Händler gedacht, heutenehmen jährlich 14.000 Gäste in aller Weltdas Angebot wahr. Vom Kurs für Anfängerbis zum Rennstreckentraining ist alles mög-lich. Nur einen Formel-1-Rennwagen, denhaben sie nicht.

Der Kurs ist zu 90 Prozent von Män-nern belegt – schade, denn es geht hiernicht darum, sich Halbstarkenwissen an-zueignen. Der praktische Teil beginnt mitder richtigen Sitzposition, der Instruktorstellt Lenkrad und Sitz ein. Nur so bestehtdie Chance auf den kürzestmöglichenBremsweg. Im Ernstfall muss man dieBremse voll durchtreten, was keinem derTeilnehmer auf den ersten Tritt gelingt.Alle sind zu zaghaft. „Zack!“, fordert derInstruktor. Erst als der Proband den Ein-druck hat, das Pedal werde durchbrechen,ist der Trainer zufrieden. Die Hälfte derAuffahrunfälle geschehe, weil nicht ener-gisch genug gebremst werde, sagt er – undnicht, weil die Gefahr zu spät erkanntwurde. Die Reaktionszeit mit Vorberei-tung betrage 0,5 Sekunden, normalerweisesei man freilich unvorbereitet, dann seienes 1,5 Sekunden. Und wer durch dasHandy abgelenkt ist, braucht mehr alszwei Sekunden. Das kann fatal sein.

Auch richtig zu lenken muss manlernen. Die Hände gehören in der Stellung9 und 3 Uhr ans Steuer. Merke: Die Armelenken immer dorthin, wo man hinschaut.Deshalb ist es wichtig, während einer Not-bremsung den Blick vom Hindernis zulösen und dorthin zu schauen, wo sich derNotausgang auftut. In engen Kurven sollteman sich am Kurveninnenrand orientie-ren. Und so weiter. Es gibt Tipps in Hülleund Fülle, während die Autos auf der nas-sen Fahrbahn voll bremsen oder mit Vervedurch die Kurve rauschen. Obgleich dieFahrzeuge Allradantrieb haben, lassen sichmit entschlossenen Gasstößen Pirouettenprovozieren. Übersteuert der Wagen, drehter sich also ein, muss man gegenlenken.Automatisch geht der Blick dann mitdem eindrehenden Auto mit – man musstrainieren, dorthin zu blicken, wo manursprünglich hin wollte.

Ein Klassiker unter den Fehlern amSteuer ist zu hohes Tempo in der Auto-bahnausfahrt, erst recht bei Nässe. DasAuto rutscht über die Vorderachse nachaußen. Und was macht nun jeder? Richtig,noch stärker einlenken. Falsch! Die Len-kung kurz etwas öffnen, so finden dieReifen wieder Halt, und vom Gas gehen,so kommt Last auf die Vorderachse. Dochgegen den natürlichen Impuls zu reagieren– das erfordert Übung.

Nach einem Tag im Grenzbereich istsich die Gruppe einig: Es hat sich gelohnt.Alle fühlen sich sicherer am Lenkrad undglauben, in einer Notsituation nun besserreagieren zu können. Die Probe aufs Ex-empel zu machen, darauf ist trotzdem kei-ner scharf.FO

TOSPRIVAT

GOLF46

iner nach dem anderen, in theatra-lisch weiten Sätzen, springen siehinein in die dunkle Tunke. Wieeine La-Ola-Welle der Frösche. Wasstreunt auch dieser Mann mit kurzerHose im Morgengrauen dort amUfer umher? Ist in diesem Teichjemals vor sechs Uhr in der Früh

ein Golfbbf all versenkt worden?Dreizehneinhalb Stunden später. Der-

selbe Teich, in warmes Abendlicht ge-taucht, die Frösche singen ihr Abendlied.Derselbe Mann mit kurzer Hose suchtseinen Ball am Ufer. Findet ihn nicht. Esmacht ihm längst nichts mehr aus. Nimmter halt einen neuen. Hinstellen, gucken,ausholen, schlagen – so selbstverständlichgeworden wie atmen und schlucken. Derneue Ball fliegt und fliegt und landet dort,wo Brennnesseln bauchnabelhoch stehen.Er sucht ihn gar nicht erst. Macht nichts,neuer Ball. Sein Spiel ist verkümmert, zer-bröselt, von der Sonne verdorrt, in Einzel-teile zerlegt. An den Unterschenkeln klebtein Mus aus Gras, Insektenkadavern undkrümelig gewordener Sonnencreme. Es sindnoch immer über 30 Grad. Und nochimmer liegen zig Spielbahnen vor mir. Istdas noch Golf oder schon Ironman?

Ein zackiger Schmerz durchzuckt dieWade. Tatsächlich, der Vorbote einesKrampfs! Beim Golfspielen! Ein Waden-krampf beim Golf ist in etwa so lächerlichwie Muskelkater vom Schachspielen oderDehydrierung beim Kegeln. Schließlich istGolf ein Auto oder eine Meerenge, abergewiss kein Sport. Golf ist ein spielerischerSpaziergang älterer, superreicher Herr-schaften, die karierte Hosen tragen. Einelitärer Freizeitvernichter für diejenigen,die nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit und

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ihrem Geld. Oder? So, dann hätten wir dieKlischees mit unendlichem Haltbarkeits-datum und unzureichendem Wahrheits-gehalt schon mal abgehandelt.

Nur: Das hier hat mit Golf, wie manes kennt oder zu kennen glaubt, nichtszu tun. Das hier ist Hulopo! Hulopo istNeuland, mental; Hulopo ist eine Grenz-erfahrung, körperlich. Der erste Hulopoist wie der erste Autokauf, Kuss, Job oderMarathon – den vergisst man nicht.

Hulopo steht für Hundert-Loch-Pokal.100 Spielbahnen an einem Tag. Eine sehrrare und sehr spezielle Golfturnierform,aber eine mit Tradition. Die Idee hatten1966 fünf Männer an der Theke. Wiekann es anders sein: eine Schnapsidee.

Man sollte früh anfangen. Otto-Nor-mal-Golfer planen für eine 18-Loch-Runde dreieinhalb bis viereinhalb Stundenein. Für einen Hulopo sind fünfeinhalbRunden zu absolvieren. Man sollte alsoauch flott unterwegs sein. Hulopos findensinnvollerweise immer Ende Juni statt,wenn die Tage am längsten sind. JährlicheAusgaben gibt es nur im HamburgerGolfclub Falkenstein und im StuttgarterGolfclub Solitude.

Ich stehe also an einem Dienstag-morgen um kurz vor fünf am Morgen aufdem Parkplatz der Anlage in Mönsheim,25 Kilometer nordwestlich von Stuttgartgelegen. Den Kofferraum baue ich um zueinem Versorgungszentrum. Ich drapiereall die Wasserflaschen mit dem isotoni-schen Pulver, die Müsliriegel, das Trocken-obst, die Reservebälle, die Wechselschuheund -socken. Es wirkt wie die Vorberei-tung eines Ultramarathons oder einerExpedition in unbekanntes Terrain. Ist esja auch. 100 Löcher an einem Tag sind

mehr als ich Gelegenheitsgolfer bisher indiesem Jahr gespielt habe. Es ist ein Ge-fühl von: „Keine Ahnung, was mich daerwartet, aber Bock drauf.“

Christoph und ich bilden eines derZweiergespanne für den längsten Tag.5.15 Uhr, Abschlag 1. Ein knackiger Grußaus der Küche: Wer 100 Loch zu gehenhat, den ängstigt ein stramm bergauf füh-rendes 371 Meter langes Par 4 zum Start.Wo soll das alles hinführen?

Aber es hilft nichts. Christoph als Ein-heimischer dirigiert mich über den Parcours.Wir spielen solides Golf in taufrischer Luftauf noch nassen Wiesen. Überraschendgutes Golf sogar.

Nach Bahn 3 wartet im Golfclub Soli-tude die Via Mala, der Schmerzensweg.Das ist ein kernig steiler Hügel, auf demjedermann mit Golfausrüstung im Schlepp-tau kurzatmig wird, will er zum nächstenLoch gelangen. Der prächtige Platz hateinige spektakuläre Abschläge zu bieten,erhöht liegende Kanzeln im Gelände, vondenen sich beschwingt ein Schuss mit demDriver abfeuern lässt. Haudraufs wie ichlieben so was.

Tatsächlich sind nach zweieinhalbStunden die ersten 18 Löcher, das Horsd’Oeuvre, bewältigt. Uhrenvergleich. Undweiter, immer weiter – das machte ja schonTorwartlegende Oliver Kahn zum Leit-motiv, der nicht nur Bälle fangen kann,sondern auch ein exzellenter Golfer ist.

Wir treffen auf die ersten anderenSpieler auf dem Platz, die noch locker alsEarly Birds durchgehen. Im Lauf des Vor-mittags erleben wir manches Spalier vonhochgereckten Daumen. Ihr seid die, dieden Hulopo spielen, oder? „Respekt!“ –„Beeindruckend!“ – „Toll!“ Gedankenleser

SCHLAGAUFSCHLAGGolf ist kein Sport?Der Hundert-Loch-Pokalbeweist, dass es dochso ist. Ein Tag jenseitsdes grünen Bereichs.Von Alex Westhoff

Ewürden wahrscheinlich eher „Spinner“,„Geht’s noch“ oder „Verrückte Golf-Extre-misten“ herausfiltern.

Hulopo ist Speedgolf, ja Blitzgolf,Schlag auf Schlag auf Schlag. Bälle, diein die Walachei gejagt werden, das ist eineHulopo-Spezialregel, sucht man nichtlange. Ein Strafpunkt, neuen Ball ins Spielbringen, weiter geht’s. Mein Spiel bleibtden ganzen Tag nah am Wasser(hindernis)gebaut. Christophs Spiel zeichnet die Ab-wesenheit von rabiat verzogenen Schlägenaus. Er scheint die gesamten 100 Löchermit einem einzigen Ball auszukommen.Sogar beim dritten Mal auf Bahn 6, dieSommersonne brennt schon beträchtlich,finden wir ihn wieder. Christoph hat denBall nicht aufs Fairway geschlagen wie üb-lich, sondern ihn kerzengerade den parallelverlaufenen Waldweg entlanggejagt. Nurdass ihn dort ein plötzlich den Hang hin-untersausender Mountainbiker in Renn-montur beinahe überfahren hätte. Hulopointerruptus – das war knapp.

„18 Golflöcher werden Ihnen über denMitspieler mehr sagen als 19 gemeinsameJahre am Schreibtisch“, schrieb einst deramerikanische Autor Grantland Rice.Christoph und ich sind aber nicht zumQuatschen zusammengekommen, sondernals golfende Kampfgenossen gegen dieschiere Laufdistanz, gegen den Verschleiß,gegen die 100.

Zehn Golfverrückte waren angemel-det, sechs sind erschienen. Neben uns bei-den zwei semiprofessionelle Damen ausdem Bundesligakader des Klubs sowie Jörgund Frank. Der aus Sachsen angereisteJörg ist ein regelrechter Hulopo-Tourist,ein Mann, der schon zig Marathons gelau-fen ist, aber mehr und mehr auf Hulopo

umsattelt. Frank ist die Hulopo-LegendeDeutschlands, der Rekordteilnehmer. Erist nun bei der 35. von 39 Stuttgarter Aus-gaben dabei. So sicher, wie andere EndeDezember Silvester feiern, spielt FrankEnde Juni Hulopo. Seine Premiere müssekurz vor seiner Bundeswehrzeit gewesensein, sagt er im Clubhaus während desnach 46 Löchern angesetzten späten Früh-stücks für uns Frühaufsteher. Der Legendenach hat ein armer Teufel mal nach84 Bahnen wegen Blasen an den Füßenaufgeben müssen. Und ein anderer hates nur im Scheinwerferlicht eines Green-keeper-Fahrzeugs ins Ziel geschafft.

Also wieder los, weiter, immer weiter.Doch aller Neuanfang ist schwer. Es däm-mert mir, was es bei der Hitze bedeutet,noch nicht mal die Hälfte geschafft zuhaben. Ich liebe Bahn 18 – als kraftvollesZeichen für die Endlichkeit des Hulopo.Ich beginne Loch 1 zu verabscheuen – weilmich angesichts des immer noch irrwitzi-gen Restprogramms jedes Mal ein Gefühlder Vergeblichkeit überkommt. Golf istein Psychospiel. Wie sonst ist es zu erklä-ren, dass manche Bahnen konstant gutlaufen – sechs Mal Bogey an Loch 2 bei-spielsweise – und es auf anderen gelingt,immer neue Wege des Scheiterns zuerleben? Niemand beherrscht dieses Spiel,es beherrscht dich.

Die Gesichter sind gerötet, die Armeglänzen schweißnass. Kein Windhauchin der bleiernen Nachmittagshitze. Nach65 Bahnen sind sie da, zwei Brennpunktean den Fersen. Bei nächster Gelegenheit,vor den finalen 27 Bahnen, Boxenstoppam Versorgungszentrum Kofferraum. Aufdem Parkplatz steht mittlerweile das Whois Who der schwäbischen Automobil-

baukunst. Schuhe und Socken wechseln,einen Trolley besorgen, damit ich dieGolftasche nicht mehr schultern muss,sondern hinter mir herziehen kann. DieGetränke aus dem Auto sind ungefährso heiß, als hätte man Wasser aufgekochtund es dann eine Minute abkühlen lassen.

Die Adduktoren verhärten zusehends,die Füße brennen, die Gedanken gehenGassi. Ist das noch Tunnel oder schonTrance? Es ist die Zeit, in der tüchtigeHelfer mit einem Golf-Cart – ohne rotesKreuz am Chassis, dafür samt Kühlbox –regelmäßig vorbeikommen. Kalte Getränke,gekühlte Handtücher, Pflaster. Das Wich-tigste ist die Bestellung für das 100. Grün:Weißbier!

Die Via Mala zwischen Bahn 3 und 4muss weniger ein Ausläufer als vielmehrein Irrläufer des Nordschwarzwalds sein:War sie bei der Erstbesteigung im Morgen-grauen noch eine Geländekante, beimzweiten Mal schon ein ordentlicher Hügelund danach ein zehrender Anstieg, der zueiner schwäbischen Mauer und schließlichzu einer brutalen Steilwand transformiertist – so ist sie beim sechsten Angriff eineschier unbezwingbare Himmelsleiter. Anderen Ende leider noch nicht das Weißbierwartet. Die Aussicht aber beflügelt.

Nach rund 55 Kilometern Laufstrecke,521 Schlägen, 521 Probeschwüngen, zweiBirdies, 21 Pars, 39 Bogeys, 28 Double-bogeys und zehn Bahnen, über derenSpielergebnis ich schweigen möchte, ist esvollbracht. Die versemmelten Putts aufdem 100. Grün dringen erst gar nichtmehr in mein Großhirn vor. Alles ist aufdas Weißbier ausgerichtet.

Mönsheim, 21.35 Uhr: Es schmecktso, so gut.

Der längste Tag:Mag der Start nochso schwungvollausfallen – nach100 Grüns sindGeist und Körperdes Hulopo-Heldenschwer aus derBahn geraten.

30.8.–19.9.2019

IInn Zusammen-arbbbeiitt mmitddder StiftttunnggBBBerlinerrrPPPhilhaaarmooonikk

GGeefföördeert durchhh

Berlineeer PhilhhharmonnniiiikkkerPeter EEEötvööösss /// DDDaniel Hardinggg

Royaaalll ConcertgebbbouuuwwwOrchestraaa AAAmmmsteeerdamTTugan Soookkkhiev

London SSyymmpphonyOrchestraSir Simon Rattle

OrchestreRévolutiioonnaire etRomantiique&Monteveerdiii CCChhhoooiiirSir John Eliiot Gardiner

BBC SymppphhhooonyOrchestraSakari Oramoo

Orchestre Lees SièclesFrançois-Xavierr RRRooottthhh

Israel PhilharmmonicOrchestraZubinMehta

MünchnerPhilharmonikerValery Gergiev

und viele weitere GGaaassstttooorrrchhhester,Ensembles und Sollist*innen

Philharmoniker

48 REISE

Grüßßü eaussu

Der höchste Berg aufspanischem Staatsgebietliegt auf Teneriffa: DerPico del Teide ist 3718Meter hoch, vom Meeresboden aus gemessensogar mehr als 7000. EinSeilbahn trägt Besucherbis 150 Meter unterhalbdes Gipfels. Ganz hinaudarf nur, wer im Vorauseine Genehmigungbeantragt hat.

Der Loro Parque ist lautripadvisor der besteoo der Welt. Hin undieder sieht man Ge-chter, die einem aus derernseh-Dokumentationber den Zoo bekanntorkommen. Die Tier-immen zu identifizierenlappt trotzdem nicht:

Der kreischende Vogelntpuppt sich als Kind,as Kind als quietschen-er Orca.

Straußenwirtschaftenheißen auf TeneriffaGuachinche. Der Weindort kommt von deneigenen Rebstöcken,die Karte ist übersicht-lich, geöffnet ist nur anwenigen Tagen. Dafürkann man sicher sein,dass das, was auf denTisch kommt, richtigut schmeckt.

Für den Barraquito,das NationalgetränkTeneriffas, werdenKondensmilch, Vanille-ikör, Espresso undMilchschaum kunstvollübereinandergeschichtetund mit Zimt undZitronenzeste garniert.Alles gut umrühren –und fertig. Schmecktwie eine flüssige Praline.

„Stolz von Teneriffa“ nennenEinheimische die Pflanze, dieoffiziell Wildprets Natternkopfheißt – eine Reminiszenz anden schweizerischen BotanikerHermann Wildpret. Sie wächstin der Wüste der Teide-Kalderaauf mehr als 2000 Meter Höhe.

uf Teneriffa geht es entweder den Berg raufoder runter – und das meist sehr steil. EinGefälle von 15 Prozent ist ganz normal.Alles, was rollen kann, muss deshalb gesichertwerden, zum Beispiel die Müllcontainer.

Der Nordostpassatbringt viel Feuchtig-keit, die sich in Formvon Wolkenbänkenan den steilen Berg-flanken staut. Daraukämmen die Kieferndes Nebelwalds mitihren langen Nadelndas Wasser, das dannin dicken Tropfen zuBoden fällt.

Unter den Höhepunkten derKanareninsel ragt einer weit hervor.

Von Stephanie Geigerund Karl Gabl

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49RELIGION

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MICHAELSACHS

Im Oktober 2018, einen Tag nach Voll-mond, fand in einem Dorf am Fuß des„Großen Bergs“ die Priesterweihe einesälteren Ehepaars statt. Nach dem Mond-kalender richten sich in Bali viele religiöseZeremonien. Vorausgegangen war für diePriesterkandidaten ein mehrjähriges Studi-um der heiligen Sanskrit-Mantras, die nurvon vorher geweihten Tempelpriestern ge-lesen werden dürfen. Die Buddha-Priesterstudieren die Mantras bei einem speziellausgebildeten Lehrer. Nach einer Über-prüfung des Wissens durch einen anderenPriester-Lehrer folgt die Priesterweihe durcheinen dritten Priester, in diesem Fall durchden angesehensten Buddha-Priester Balis,Ida Pedanda Gede Nyoman Jelantik Duaja.Die Weihe fand im Familientempel desHofs der Neupriester statt.

Im Mittelpunkt der etwa achtstündi-gen Zeremonie steht die mehrfache spiri-tuelle Reinigung des zu weihenden Pries-ter-Ehepaars von allen Unreinheiten bezie-hungsweise Sünden und schlechten äuße-ren Einflüssen. Das heilige Wasser dafürstellt der spirituelle Lehrer in komplexenRitualen her. Gereinigt wird der Körpermit den Grundelementen der Materie nachder balinesischen Philosophie, also mitWasser, Rauch und Klang; genauer mitheiligem Wasser, dem Rauch von Räucher-kerzen und dem Klang der Priesterhand-glocke. Auch eine weiße Ente wird zur

Das „Tor Shivas“: Beim spirituellen Höhepunkt der Zeremonie berührt der Lehrer den Kopf der Priesterkandidaten mit dem großen Zeh.

spirituellen Reinigung des Paars eingesetzt:Sie wird über die Köpfe der Eheleutegehalten und pickt dort aufgelegte Blüten-blätter und Reiskörner.

Sind die ersten Reinigungen abge-schlossen, verlässt das Ehepaar vorüber-gehend den Familientempel. Es wird vorseinem Wohnhaus in zwei Duschkabinengewaschen, die für diesen Zweck aufgebautwurden, und neu in Weiß eingekleidet.Beide gehen dann auf einem langen weißenTuch zum Familientempel, damit sie sichauf dem Weg nicht wieder verunreinigen.Jetzt findet die eigentliche Weihe statt.Wieder werden die Kandidaten mit heiligenWassern, Rauch und Glockenklang gerei-nigt. Heilige Silben werden in balinesischenBuchstaben mit Sandelholzpaste auf Stirn,Zunge, Schultern, Brust und Nacken desPaars geschrieben.

Beim spirituellen Höhepunkt der Zere-monie berührt der Lehrer mit dem rechtenFuß die Schädeldecke im Bereich der Fon-tanelle der zu Weihenden, wo sich nachbalinesischem Glauben das „Tor Shivas“befindet. Hier kann Shiva während derZeremonien in den Priester eintreten.Anschließend berühren beide Kandidatenmit der Zunge den rechten großen Zehihres Lehrers. Dadurch geht nach balinesi-scher Vorstellung die Energie Shivas überden Kopf des Lehrers und seinen großenZeh in die Körper des Ehepaars über. Die

beiden erhalten einen neuen Namen, dessenerste Bestandteile und Anrede Ida Pedanda(ehrwwr ürdiger Hohepriester) und Ida PedandaIstri (ehrwürdige Frau Hohepriesterin)lauten.

Von jetzt an dürfen der geweihte Bud-dha-Priester und seine Ehefrau nur nochfür religiöse Handlungen tätig sein. Siedürfen nicht mehr mit Freunden Essengehen, keinen Urlaub machen, nicht mehrins Kino gehen. Shiva-Hohepriester dür-fen kein Schweinefleisch und kein Rind-fleisch essen und müssen die Mahlzeitenimmer alleine zu sich nehmen. Nach derWeihe hat der Priester 42 Tage Zeit, diegeheimen Erläuterungen der Mantras zulernen, die nur von Hohepriestern gelesenwerden dürfen. Danach muss der Priesterjeden Morgen eine einstündige Zeremoniein seinem Familientempel ausführen, umheiliges Wasser herzustellen, das etwa fürTaufen, Eheschließungen, Totenverbren-nungen oder Tempelgeburtstage verwen-det werden kann. Für diese Zeremonienmuss er zudem Hunderte Gebete und ritu-elle Fingerbewegungen lernen.

Der Autor ist Chirurg und Medizinhistoriker in Frankfurt.Er ist seit mehr als zwei Jahrzehnten mit mehrerenbalinesischen Priesterfamilien befreundet; inzwischenhat er drei Generationen dieser Familien begleitet.Deshalb wurde er zu einer der seltenen Priesterweihender Buddha-Priester eingeladen, von denen etwa25 in Bali tätig sind.

Auf Bali werden in einer eindrucksvollen Zeremonie ältere Ehepaarezu Hohepriestern geweiht. Von Michael Sachs

HEILIGEHANDLUNG

Auf der Insel Bali herrscht seitJahrhunderten ein besondereshinduistisches Ritual: Aus-gewählte ältere Männer

werden gemeinsam mit ihren Frauen zuHohepriestern geweiht. Sterben sie, über-nimmt die Witwe das Priesteramt.

Diese besondere Ehre wird nur Män-nern aus der Brahmanenkaste zuteil, dieälter als 50 Jahre sind. Ledige Männer wer-den in der Regel nicht zu Hohepriestern(Pedanda) geweiht, ledige Frauen auch erstim fortgeschrittenen Alter.

Die Priesterweihe ist eine eindrucks-volle Zeremonie, die mehrere Stunden langdauert. Der Höhepunkt: Der Lehrer legtseinen Fuß auf die Schädeldecke des zuweihenden Schülers, und der Schüler be-rührt den großen Zeh des Lehrers mit derZunge. Danach dürfen sich Lehrer undSchüler zeitlebens nicht mehr in die Augensehen. Die ehemaligen Schüler müssen beispäteren Begegnungen mit ihrem spirituel-len Lehrer demutsvoll den Kopf senken.

Der Hinduismus auf Bali ist alt, under hat noch ältere animistische Wurzeln.Als die Hindus aus dem benachbarten Javaim 16. Jahrhundert auf der Flucht vorden vordringenden Muslimen nach Balikamen, trafen sie auf eine weitgehend ani-mistische Urbevölkerung, die Dämonen,Bäume und Berge verehrte.

Der „Große Berg“ (Gunung Agung) istder spirituelle Mittelpunkt Balis, der Inselder Götter und Dämonen. Seit knapp zweiJahren ist der 3142 Meter hohe Vulkannach einem halben Jahrhundert wiederaktiv. Ohne Vorgebirge steht er wie einriesiger Kegel in den Reisfeldern Nordost-Balis. Der Berg ist Sitz der Götter undGöttinnen und der vergöttlichten Ahnen.Am Fuß des Bergs befindet sich der Haupt-tempel der Insel (Pura Besakih), der schonim zehnten Jahrhundert gegründet wurde.

Die meisten Balinesen hängen demShivaismus an, einer der großen spirituel-len Strömungen im Hinduismus. Viele derbalinesischen Mantras sind auch in Indiennachweisbar, und auch in Bali hat die Göt-tin des heiligen Flusses Ganges eine großeBedeutung. Die Balinesen selbst nanntenihre Religion früher „Agama Tirtha“,Glaube des heiligen Wassers. Herstellungund Verbreitung des heiligen Wassers sinddie wichtigsten Aufgaben der Brahmanen-priester, die ihre Vorfahren über 13 Gene-rationen bis in die Javanische Zeit zurück-verfolgen können. Mit nach Bali brachtendie Brahmanen die auf Palmblätter geritz-ten heiligen Schriften, die in der altenSanskritsprache abgefasst wurden, der bes-seren Lesbarkeit wegen aber in balinesischeSchriftzeichen transkribiert wurden. Aufdiese Weise ist die hinduistische Überliefe-rung Javas in Bali erhalten geblieben.

Die balinesischen Hohepriester glie-dern sich in zwei Gruppen: die größereGruppe der Pedanda-Shiva mit mehr als400 Priestern und die kllk einere der Pedanda-Buddha. Für beide ist Shiva in seinenunterschiedlichen Manifestationen diehöchste Gottheit. Bei den Buddha-Hohe-priestern ist Buddha als „Quasi-Gottheit“noch mit aufgenommen. Ein zentralesMantra der Buddha-Priester lautet: „OmShiva-Buddhaya Namah“ (Ehre sei Shivaund Buddha), wobei Shiva das zerstörendePrinzip und Buddha das die Asche weg-spülende, reinigende, erleuchtende Prinzipdarstellt. Beide Priestergruppen arbeitenbei großenTempelfesten zusammen, es gibtkeine Konkurrenz. Alle Pedanda-PriesterBalis stammen von einem gemeinsamenVorfahren ab, der Anfang des 16. Jahrhun-derts lebte.

50 FRAGEBOGEN

Was essen Sie zum Frühstück?Manchmal nur Toast mit dick Butter und Marmelade.Wenn ich gefeiert habe, mache ich mir Salat mit Avocado,Erdbeeren, Weintrauben, Äpfeln und Leinöl. Ich liebeÖle. Ansonsten esse ich Flocken mit Kokosmilch undFrüchten. Auf jeden Fall muss ich frühstücken.

Wo kaufen Sie Ihre Kleidung ein?Vom Flohmarkt über Secondhandläden bis zu Designer-läden, in seltenen Fällen. Ich nutze auch große Laden-ketten. Manchmal kaufe ich Stücke beim Drehen ab.

Was ist das älteste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?Wahrscheinlich ein geliebtes altes Nachthemd von meinerMutter. Bis vor kurzem hatte ich tatsächlich Sachen, dieich mit 18 oder 20 getragen habe. Das ist jetzt alles weg.Ich habe aussortiert und zwei Drittel meines Hausstandsentsorgt. Ich habe immer viel in mir und brauche außenherum Ruhe und Klarheit. Also habe ich in mehrerenEtappen vorgeräumt, Familie und Freunde eingeladenund in einer Woche Tabula rasa gemacht. Das ist wie einekleine Lawine, die ins Rollen kommt und immer weiterrollt. Und es ist extrem erleichternd.

Wann haben Sie zuletzt handschriftlich einen Brief verfasst?Vor zwei Tagen. Ich bin leidenschaftliche Briefschreibe-rin, mit Füller und schönem Papier. Meine Eltern habenimmer geschrieben, meine Tante, die über 90 ist, schreibtmir bis heute Postkarten, meine Großeltern habensich massenhaft Briefe geschrieben. Das ist in unsererFamilienkultur fest verankert.

Welches Buch hat Sie im Leben am meisten beeindruckt?„Momo“. Wir brauchen Momos, die grauen Herren habensich erschreckend schnell vermehrt. Und die gesamteLiteratur von Astrid Lindgren.

Wie informieren Sie sich über das Weltgeschehen?Immer als Letzte. Im Zweifelsfall über die Bewohner inmeinem Dorf in der Nähe von Avignon.

Was ist Ihr bestes Smalltalk-Thema?Ich kann Smalltalk irgendwie nicht, ich habe es niegekonnt und leide immer etwas darunter. In Frankreichredet man am besten über das Essen. Das geht immer.

Bei welchem Film haben Sie zuletzt geweint?Als ich in New York war, weil dort „3 Tage in Quiberon“gezeigt wurde, habe ich „Limestone Cowboy“ gesehen,einen maltesischen Film. Da war ein sehr berührenderMoment mit einem Jungen und seinem Vater. Der Jungemusste auf seinen Vater warten, der in einem Hausverschwand und ihm noch lustig zuwinkte, die beidenhatten ein ganz enges Verhältnis. Und während der Jungemit einer imaginären Waffe spielt und auf das Haus zielt,geht das Haus in die Luft. Irgendwie hat der Vater wohldunkle Geschäfte gemacht. Das war eine starke Szene.

Sind Sie abergläubisch?Nein, nicht wirklich. Aber ich habe ein wunderbaresBuch, „Tierisch gut“. Da schreibt eine Frau darüber, wases für eine Bedeutung haben kann, wenn man Tierenbegegnet. Einmal saß eine junge Eule ein paar Tage beiuns im Garten, was sehr, sehr ungewöhnlich ist, weildie so scheu sind. Die Natur des Tiers wird dann zumZeichen, die Tiere weisen uns auf etwas in uns hin. Dasfinde ich sehr spannend.

Worüber können Sie lachen?Situationskomik. Wenn in einem ernsthaften Momentetwas Unerwartetes passiert, wenn zum Beispiel jemandengagiert erzählt und sich dann furchtbar verhaspeltoder mit dem Stuhl umfällt. Das finde ich sehr lustig.

Ihre Lieblingsvornamen?Für Mädchen mag ich Juna oder das englische Rose. FürJungen Antoine. Oder Shawn, so wie mein Sohn heißt.

Machen Sie eine Mittagspause?Ja. Leidenschaftlich. Ich liege auf dem Sofa und schlafeeine Stunde. Ruck, zuck.

In welchem Land würden Sie gerne leben?In Frankreich. Glücklicherweise.

Was fehlt nie in Ihrem Kühlschrank?Salzige Butter, Senf, Zitronen und Leinöl.

Fühlen Sie sich mit oder ohne Auto freier?Mit.

Was ist Ihr größtes Talent?Oje! (Denkt lange nach.) Ich glaube, ich könnte heutesagen, meiner eigenen Wesensnatur auf den Grund zukommen, um dann anderen dabei zu helfen, sie beisich zu entdecken.

Was tun Sie, obwohl es unvernünftig ist?Rauchen! (Zündet sich eine Zigarette an.) Geschwindig-keitsüberschreitungen. Und Respektlosigkeit gegenübervorgeschriebenen Grenzen.

Welcher historischen Person würden Sie gerne begegnen?Nelson Mandela. Er war so lange eingeschlossen, allessprach dagegen, dass er der Welt je wieder zur Verfügungstehen würde. Ich finde es unfassbar faszinierend, dass ersich trotzdem die Kernenergie seines Wesens bewahrt hat.

Tragen Sie Schmuck? Und eine Uhr?Beides. Schmuck trage ich immer, außer wenn ich beimeinen Tieren bin, meinem Pferd und meinem Hund.Uhren nur ab und zu, manchmal auch nicht gestellt,worauf mich dann Freunde netterweise hinweisen.

Haben Sie einen Lieblingsduft?Frederic Malle, „Portrait of a Lady“.

Was war Ihr schönstes Ferienerlebnis?Tansania und Kenia, drei Wochen Safari in einemLandrover, Baujahr 1972, mit einem befreundeten Foto-grafen und meinem damals 15 Jahre alten Sohn – eineunbeschreiblich schöne Eskapade.

Auf welchem Konzert waren Sie zuletzt?Ein musikalisches Theater in New York, „Antigone“,von einer Gruppe afroamerikanischer Laiendarsteller ineiner Kirche in Brooklyn aufgeführt. Phantastisch.

Was fehlt Ihnen zum Glück?Nichts.

Was trinken Sie zum Abendessen?Wasser mit Zitrone.

Aufgezeichnet von Julia Schaaf.

Gerade erst hat sie die Rolle ihresLebens gespielt: Für ihre RomySchneider in „3 Tage in Quiberon“wurde Marie Bäumer mit demDeutschen Filmpreis ausgezeichnet.Geboren wurde die Theater- undFilmschauspielerin im Rheinland,der Durchbruch gelang ihr 1995 mitder Kömödie „Männerpension“. Am2. September erscheint „Escapade“(Gräfe & Unzer), ein Buch überihre Methode, Schauspielkunst,Körperarbeit und ihre Erfahrungmit Pferden zur Persönlichkeits-entwicklung und Selbstfindung zunutzen. Scheint etwas dran zusein an dem Konzept: Im Gesprächjedenfalls wirkt die Fünfzigjährigeaufgeräumt und sehr bei sich.

HABE ICHNOCH NIE GEKONNT“

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ACTIONPRESS

Edition zu

n wir 2019 nicht nur das 70

A L E P H

Mit Aleph feiern wir 2019 nicht nur das 70ste Jubiläum der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.Wir dürfen auch stolz darauf sein, mit diesem Multiple den Gedanken einer Weltpremiere verbinden zukönnen. Denn wir haben Grund zur Annahme, dasskönnen. Denn wir haben Grund zur Annahme, dasseines 3D CAD Programms entworfen und vor ca. 25 Jahren additiv, im 3D-Druck gefertigt wurde.nicht das Produkt einmaliger Eingebung, sondern Ergebnis einer 12 Jahre währenden Zusammenarbeitzwischen Eberhard Fiebig, Paul Bliese, Herrn Dr. Meyer und den Entwicklern von Sigraph 3D bei Siemens.

Aleph lässt uns die schöpferische Vielfalt und die präzisen Vergnügen ahnen, die zu stiften diealgorithmische Revolution, in der Einheit von Mathematik, Technik und Kunst in der Lage ist.

Prof. em. Eberhard Fiebig, 1930 geboren, wurde 2018 für sein bisheriges Lebenswerk der Kunstpreis derheijo + gisela hangen Stiftung verliehen. Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg pflegt seitJahrzehnten den schriftlichen Vorlass von Eberhard Fiebig.

ALEPH, Format 25 x 30 x 30 cm, auf 70 Exemplare5.950 Euro. Zusätzlich wird das abgebildete, von Fiebig entworfene, Postament aus Eiche angeboten.