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Ihre Krankheit, Verletzung : Behandlung und Rehabilitation 4. Auflage Dr. med. Ch. Thür Das Schultergelenk Das Schultergelenk

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Ihre Krankheit, Verletzung: Behandlung und Rehabilitation

4. Auflage Dr.med. Ch.Thür

Das SchultergelenkDas Schultergelenk

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Einleitung

Liebe Patientin, Lieber Patient,Lieber Besucher der Website,

Die Schulterchirurgie hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren.Viele Chirurgen und Orthopäden befassen sich in der Zwischenzeitintensiver mit diesem Gelenk. Nicht nur in Amerika sind Schulter-eingriffe alltäglich, sondern auch hier in Europa und in der Schweizwerden immer mehr Schultereingriffe mit gutem Resultat durchge-führt.Noch vor kurzer Zeit waren Schultereingriffe meist mit einemschlechten Resultat verbunden und viele Patienten hatten Angst,nach der Operation für immer einen bleibenden Nachteil zu haben.Während der behandelnde Chirurg und Orthopäde selbst wenigVertrauen in die in der Literatur angegebenen Resultate aufbringenkonnte, waren der Patient und sein Hausarzt verunsichert und er-wogen eine Schulteroperation erst als letzte aller Möglichkeiten, dasSchulterproblem zu lösen.Durch intensive Basisforschung in Anatomie, Physiologie und Patho-logie gelang es schliesslich in den letzten Jahren zunehmend, Krank-heitsbilder zu definieren, deren Entstehung und Ablauf zu analysierenund daraus auch erfolgversprechende Behandlungskonzepte abzu-leiten. So z.B. bei der Verletzung und Erkrankung der Rotatoren-manschette, bei der Instabilität der Schulter und der Arthrose. Durch neue, allerdings sehr teure, aber äusserst genaue Unter-suchungstechniken ist es zudem in den vergangenen Jahren gelun-gen, die Diagnostik dermassen zu verfeinern, dass es heute nur nochselten vorkommt, dass während der Operation grosse Über-raschungsbefunde erhoben werden müssen. Eine zentrale Stellungin der Schultergelenksdiagnostik hat das MRJ, das Magnetresonanz-Tomogramm, eingenommen. Als Screeninguntersuchung auch diediagnostische Sonographie. Nebst all diesen komplizierten und teuren Methoden haben aber dienormale ärztliche kompetente Untersuchung und die normale standar-disierte Röntgenuntersuchung ihre wichtige Stellung nicht verloren. Ein erfahrener Schulterspezialist kann bereits aus der Entstehungs-geschichte viele Hinweise entnehmen. Bereits beim Beobachten desPatienten wie er sich die Kleider aus- oder anzieht geben ihm wert-volle Hinweise über die Ursache und den Ort des Schulterproblems.Diese vierte Auflage meiner Schulterbroschüre soll Ihnen helfen, IhrSchulterleiden etwas besser zu verstehen. Zudem möchte ich durchdie Erklärung der Behandlungsmassnahmen Ihr Verständnis für diemeist lange Rehabilitation fördern. Eine optmale Kooperation zwischen Arzt, Patient und Therapeut wirdsich bei Ihnen direkt in einer besseren Rehabilitation der Schulter-funktion zeigen.

Christoph Thür

Die Erkrankung und Verletzung der Schulter

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1. Anatomie, Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9

2. Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

3. Instabilitäten des Schultergelenkes oder im Bereich des Schultergürtels . . . . . . . . . . .17

3.1. Die unfallbedingte Schulterinstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17

3.2. Die konstitutionell bedingte Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21

3.3. Die Instabilität des Schultereckgelenkes: AC-Gelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22

3.4. Die Instabilität des SC-Gelenkes,

der Verbindung zwischen Schlüsselbein und Brustbein . . . . . . . . . . . . . . . . . .25

3.5. Die apikale Instabilität mit Engpass unter dem Schulterdach (siehe 5.2.) . . . . .25

4. Erkrankungen und Verletzungen der Bicepssehne

und des Limbus (Gelenkmeniskus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26

5. Verletzungen und Erkrankungen der Rotatorenmanschette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29

5.1. Riss der Rotatorenmanschette und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29

5.2. Lockerung der Rotatorenmanschette mit Engpasssyndrom unter dem

Schulterdach (Impingement-Syndrom/Einklemmungs-Syndrom) . . . . . . . . . . . .38

5.3. Entzündliche Erkrankungen der Rotatorenmanschette,

der Gelenkkapsel und des Schleimbeutels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44

6. Brüche (Frakturen) des Schultergürtels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46

6.1. Oberarmkopfbruch (subcapitale Humeruskopffraktur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46

6.2. Bruch des Schulterblattes (Scapula-Fraktur ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49

6.3. Schlüsselbeinbruch (Clavicula-Fraktur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50

7. Arthrose im Schultergürtelbereich (Gelenksabnützung, Verschleiss) . . . . . . . . . . . . . . .51

7.1. Schultergelenksarthrose (Omarthrose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51

7.2. Schultereckgelenksarthrose (AC-Gelenksarthrose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53

7.3. SC-Gelenksarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53

8. Arthritis im Schultergürtelbereich

(Entzündung des Gelenkes, rheumatisch, infektiös, etc) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54

8.1. Arthritis des Schultergelenkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54

8.2. Arthritis des AC-Gelenkes und des SC-Gelenkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55

9. Stoffwechselerkrankungen, Gicht, Diabete mellitus (Zuckerkrankheit), etc. . . . . . . . . . .56

Inhalt

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10. Angeborene Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57

11. Tumore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57

12. Funktionelle Beschwerden, inkl. psychosomatische Störungen, Hals-, Schulter-,

Armschmerzen bei Irritationen der Wirbelsäule, der Hals-, und Armnerven . . . . . . . . . .58

13. Rehabilitation der operierten Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59

14. Komplikationen nach Schulteroperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63

15. Physiotherapeutische Rehabilitationsmassnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65

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Der Schultergürtel besitzt die grösste Beweglichkeit aller Gelenke desmenschlichen Körpers. Dafür verantwortlich sind fünf «aneinander-gekoppelte Gelenke».

1. Gelenk zwischen Oberarmkopf und

Schulterblatt-Pfanne

2. «Gelenklager»– Gleitschicht zwischen

Schulterblattdach und Oberarmkopf, bzw.

Rotatorenmanschette

3. Gelenk zwischen Schulter-blatt und Schlüsselbein

4. Gelenk zwischenSchlüsselbein und Brustbein

5. Gleitschicht zwischenSchulterblatt und

Brustkorb (Thorax)

Anatomie und Biomechanik

Anatomie und Biomechanik der Schulter

Dank dem komplizierten Zusammenwirken aller fünf Gelenke undGleitlager verfügt der Mensch über ein perfektes Gerät (Schulter),seine Hand überallhin zu bewegen und dort mit seinen Fingern alleerforderlichen Verrichtungen durchzuführen. Der ganze, auch engeRaum um den Körper herum ist mit seiner Hand erreichbar.

Nebst dem «knöchernen Stütz-Gerüst» ist allerdings der Weich-teilmantel des Schultergelenkes am wichtigsten. Eine Reihe vonMuskeln, Sehnen und Bändern geben dem Gelenk die statische unddynamische Stabilität und erlauben in den Bewegungen nicht nurKraftentfaltung, sondern auch Präzision in der Ausführung.

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Anatomie und Biomechanik10

Der Deltoideus-Muskelvon vorne

Der Deltoideus-Muskelvon hinten–seitlich

Oberflächliche Muskelschicht: «Bewegungsmanschette»

Ermöglicht vor allem die Bewegungen des Armes in allen Richtun-gen, ist sehr kräftig gebaut und umhüllt die ganze Schulter und dietiefen Muskelschichten, Bänder und Sehnen.

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Anatomie und Biomechanik

Tiefe Muskelschicht: «Die Zentriermanschette = Rotatorenmanschette»

Die unter der oberflächlichen Schicht gelegene Zentriermanschettebesteht aus den Rotatorenmanschetten-Muskeln und der Bicepssehneund umfasst mit seinen sehnigen Anteilen den Oberarmkopf und istverantwortlich, dass bei jeder Bewegung des Armes, der Schulter, derOberarmkopf sehr präzise in seinem Drehzentrum gehalten wird. Nur beistabilem Drehzentrum vermag die umgebende Schultergürtelmuskulaturproblemlos zu funktionieren und Kraft und Präzision zu entfalten.

Rotatorenmanschette= Zentriermanschette

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Anatomie und Biomechanik12

1. Supraspinatus

2. Bursa subacromialis

3. Subscapularis

Blick unter das Schulterdachmit Aufsicht auf denSchleimbeutel und die Rotatorenmanschette

18 Muskelpaare, Agonisten und Antagonisten, ermöglichen das«normale Bewegen» der Schulter. Zwischen der Rotatorenman-schette und dem Schulterdach befindet sich eine Gleitschicht, einSchleimbeutel (Bursa subacromialis). Bei Abnahme der Zentrier-kraft gerät der Schleimbeutel unter Druck und verletzt oder ent-zündet sich, gleichzeitig reibt sich die Rotatorenmanschette amSchulterdach auf.

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Anatomie und Biomechanik

Bicepsverlauf

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Die Bicepssehne

Der Biceps bedeutet «zweibauchiger Muskel».Hauptsächlich ist er für die Beugung des Armes im Ellbogengelenk verantwortlich.Seine Funktion im Schulterbereich ist beschränkt. Der Ursprungder langen Bicepssehne ist am Oberrand des Limbus (Gelenks-meniskus), verläuft geführt in einem komplexen Bandapparatüber die Oberarmkugel in den Sehnenkanal bis zum uns allenbekannten, «bodybuilder-günstigen» Muskelbauch am Oberarm.Bei vielen Schulterleiden spielt der Biceps eine grosse Rolle. Insbesonders kann er für hartnäckige unklare Schulterschmerzenverantwortlich sein.

Bänder und Gelenkkapsel

Die Bänder, als Verstärkung der Gelenkskapsel, bilden den stati-schen Halteapparat des Gelenkes. Sie halten auch bei Inaktivität der Muskeln das Gelenk zusammen und sind der innerste Füh-rungs- und Halteapparat des Gelenkes. Ergänzend zu diesem Halte-apparat besteht als Vergrösserung der Gelenkpfanne ein knorpeligerMeniskus (Limbus), der einerseits eine gewisse Elastizität besitztund trotzdem der Kugel einen genügenden Halt in der Pfanne gibt;

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Anatomie und Biomechanik14

Passiver, statischerHalteapparat:

die Bänder, der Limbus

Das AC-Gelenk in Bezug auf Schulterdach und in

Bezug auf Gelenk zwischen Kegel und Pfanne

durch Oberflächenvergrösserung der Pfanne (ca1/3) und durch einennegativen Gelenkinnendruck. Bei unfallbedingten Gelenkinstabi-litäten werden in der Regel dieser passive «Halteapparat» verletzt.

Das AC-Gelenk, SC-Gelenk und der Schulter-Aufhängeapparat

Das SC-Gelenk, die Verbindung zwischen dem Brustbein und demSchlüsselbein, und das AC-Gelenk, d.h. das Gelenk zwischen demSchlüsselbein und dem Schulterblatt (Schulterdach) bilden diestatische «Aufhängung» der Schulter und des Armes am Körper.

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Untersuchungsmethoden

Ärztliche Untersuchung des Patienten/der Patientin

Wichtigster und schnellster Weg zu einer korrekten und kostengünstigenDiagnose ist immer noch die kompetente ärztliche Untersuchung derBewegungsabläufe, der aktiven und passiven Beweglichkeit, der Kraft dereinzelnen Muskeln, die Prüfung der Gelenkstabilität, und die Prüfung dervom Patienten/in angegebenen schmerzhaften Stellen und Funktionen.Es ist immer wieder erstaunlich wie viele Krankheitsbilder und Verlet-zungen bereits aus einer korrekten Untersuchung diagnostiziert werdenkönnen und anderseits wie viele klare Pathologien (Krankheitseinheiten)nur durch unsorgfältige, fehlerhafte oder unterlassene körperliche Unter-suchungen verpasst werden. Keine noch so technisch perfekte Unter-suchungsmethode wie MRI, CT, Ultraschall oder Arthroskopie kann undwird die ärztliche Erst -und Kontroll- Untersuchung ersetzen können. Das Gespräch, das Beobachten des Patienten/in beim Ein- und Aus-ziehen der Kleider, als auch das Erfahren seiner beruflichen Tätigkeitspielen in der Erstuntersuchung eine wichtige Rolle.

Das Röntgenbild

Die radiologische Untersuchung ist heute standardisiert. Bestimmtedefinierte Einstellungen in den Röntgenuntersuchungen erlauben invielen Fällen, vor allem was die knöchernen Komponenten des Schul-tergelenkes angehen, eine gesicherte Diagnose. Moderne Technikenwie die MRI-Untersuchung des Gelenkes ersetzen zum heutigen Zeit-punkt die klassische radiologische Untersuchung noch keineswegs.Brüche, knöcherne Gelenksverletzungen und Verrenkungen können mitkeiner Methode besser diagnostiziert werden als mit dem Röntgenbild.

Die Computertomographie

Die Computertomographie basiert ebenfalls auf einer Röntgen-strahltechnik, womit sich das Gelenk in Schichtschnitten darstel-len lässt. Ist vor allem in der Diagnose von knöchernen Verände-rungen des Gelenkes treffsicher. Neue Techniken erlauben aucheine 3-D-Darstellung des Knochens, einer Fraktur oder Verrenkung.

Magnetresonanztomographie (MRI)

Die modernste aller bildgebenden Techniken basiert auf der induziertenmagnetischen Ausrichtung von Wassermolekülen. Dadurch entsteht einKörperbild, das bei guter Bildqualität «anatomieatlas»-ähnliche Abbil-dungen unseres Körpers ergeben. Muskulatur, Sehnen, Bänder, Kno-chen, Knorpel, Fett u.s.w. stellen sich klar dar. Sehnenrisse und andereWeichteilverletzungen, sowie auch Veränderungen des Knochens und

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2. Untersuchungsmethoden

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Untersuchungsmethoden16

Arthro-MRIder Schulter

degenerative Veränderungen können mit dieser Methode am bestenerfasst werden. Die MRI-Untersuchung ist im Gelenkbereich der Schul-ter unter Verwendung eines ins Gelenk injizierten Kontrastmittels nochaussagekräftiger (sog. Arthro-MRI).

Ultraschalluntersuchung der Schulter

Diese Methode ist vor allem kostengünstig, schnell durchgeführt undnicht invasiv. Es entstehen bei dieser Untersuchung keine Röntgenstrah-lenbelastungen. Die Aussagekraft ist jedoch sehr untersucherabhängigund ist mit relativ grossen «Falschresultaten» belastet. Als Srceening-methode ist jedoch die Sonographie sehr zu empfehlen, insbesonderewenn sie vom behandelnden Schulterchirurgen selbst durchgeführt wer-den kann. Bis zum Erlangen einer hohen Diagnosetreffsicherheit brauchtder Untersucher jedoch Hunderte von Gelenksonographien.

Arthroskopie

Die Spiegelung des Gelenkes erlaubt einen direkten Einblick in denGelenkinnenraum und im Bereiche der Schulter auch ins subacromialeGleitlager (Schicht des Schleimbeutels unter dem Schulterdach). Vorallem aussagekräftig ist diese Untersuchung im Bereiche des Gelenk-meniskus und seinen Veränderungen und im Bereiche der Gelenksbän-der, sowohl bezüglich Verletzungen als auch bezüglich Normvarianten.Veränderungen oder Verletzungen der Bicepssehne, des Schleimbeutels,Kalkeinlagerungen in die Rotatorenmanschette u.s.w. Als weiterer Vorteildieser Technik gilt die Möglichkeit, dass etwelche Pathologien (Krank-heiten oder Verletzungen) in derselben Untersuchung gerade repariertwerden können. Um zu guten Resultaten zu kommen, braucht der Unter-sucher aber grosse Erfahrung in diesen operativen Techniken. Der Nachteil: Es handelt sich um eine invasive Untersuchungstechnikmit allen Nachteilen eines operativen Eingriffs (Narkose, andere Anäs-thesieformen, intra- und postoperative Komplikationen).Der Vorteil: Die Läsion ist in derselben Sitzung diagnostiziert und behan-delt; kleine Hautinzisionen (Schnitte). Wenig Weichteilverletzungen rundums Gelenk und demzufolge schnellere Rehabilitation.

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Instabilitäten

3.1 Die unfallbedingte Instabilität des Schultergelenkes

Die Schulterverrenkung oder im medizinischen Sprachgebrauch dieSchulterluxation ist eine häufige Verletzung. Meist durch Sturz aufdie Schulter oder den ausgestreckten Arm. Eine typische Sportver-letzung, vor allem auch des Jugendlichen. Die Reposition des Schul-terkopfes in die Pfanne ist häufig bereits auf dem Unfallplatz mög-lich und durchgeführt. Manchmal aber auch erst im Spital unterentsprechender Anästhesie des Patienten möglich. Die Schulterlu-xation kann zu bleibenden Schäden des Gelenkes führen, welche un-ter anderem bewirken, dass die Schulter instabil bleibt und der Ober-armkopf bei gewissen Bewegungen erneut aus der Pfanne springt.Knöcherne Absprengungen am Pfannenrand sowie Knochendellenam Kopf können entstehen. Abrissverletzungen des Limbus (des Ge-lenkrandmeniskus ) mit den anhängenden Bändern. Diese verletztenStrukturen können ideal mit einer Arthro-MRI-Untersuchung diagno-stiziert werden. Es gibt eine Regel, je jünger der Patient bei derErstluxation ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es beiihm zu einer chronischen Instabilität infolge erneuter Verrenkungen(Reluxationen) kommt. In diesen Fällen sprechen wir von wieder-holten posttraumatischen Schulterluxationen, einer posttraumati-schen Schulterinstabilität.

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3. Instabilitäten des Schultergelenkes oder im Bereich des Schultergürtels

Bild links:

1. Abriss des Limbus unten

2. Abriss des Limbus oben

3. Bicepssehnenanker

Bild rechts:

Querschnitt-Darstellung mitLimbus und Bandstrukturen

im Normalzustand und nach Verrenkung

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Instabilitäten18

ArthroskopischeRekonstruktion

Bild links:

1. Abriss des Limbus vom Pfannenrand

2. unteres Band3. mittleres Band4. oberes Band5. Bicepssehne

Bild rechts:

Nach arthroskopischerFixation des Meniskus am vorderen Pfannenrandmit 3 Nähten

Behandlung

Die Reposition der verrenkten Schulter sollte so schnell alsmöglich, aber ohne Gewalt durchgeführt werden. VerschiedeneMethoden wurden beschrieben und empfohlen. Am Wichtigstenist die gefühlvolle, schonende Reposition, um ja keine Struktu-ren zusätzlich durch das Repositionsmanöver zu verletzen. DieRuhigstellung des Gelenkes nach der Reposition ist nicht zwin-gend notwendig, aber bis zur Linderung der Schmerzen empfoh-len, meist während 3–7 Tagen. Die wiederholt auftretendeposttraumatische Schulterluxation sollte operativ korrigiertwerden. Mit der Möglichkeit, diese Verletzungen mit sehr gutenResultaten auch arthroskopisch zu versorgen, sind verschiedeneChirurgen und Orthopäden dazu übergegangen, auch Erst-luxationen bei jungen Patienten operativ anzugehen, um eineAusdehnung des Gelenkschadens bei erneuten Luxationen zuvermeiden. Durch die arthroskopische Operation kann der ab-gerissene Meniskus mit den gerissenen Bändern wieder am vor-deren Gelenkrand fixiert werden. Dabei können die umliegendenWeichteile geschont werden und die verletzten Strukturen kön-nen mit auflösbaren Materialien (resorbierbare Fäden) rekon-struiert werden, so dass nach Abheilung der Rekonstruktion dasGelenk wieder dem ursprünglichen Zustand zugeführt werdenkann. Aber auch offene operative Methoden sind nach wie vor in gewissen Fällen notwendig, insbesondere bei ausgedehnterenVerletzungen und bei erneuten Luxationen nach bereits durch-geführter arthroskopischer Operation.

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Instabilitäten 19

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Instabilitäten20

angenähterLimbus

mit auflösbaren Fäden

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Instabilitäten

In neuer Zeit versorge ich die «normale Schulterinstabilität» in derRegel arthroskopisch. Minimal invasiv können dabei die Strukturenim Gelenk drinnen ideal versorgt werden. Obwohl diese Methode, wiebereits erwähnt, viele Vorteile aufweist, besteht die Gefahr, dass sichder Patient wegen der geringen Schmerzbelastung nicht an dieRuhigstellungsvorschriften hält und dadurch ein minderwertigesNarbengewebe bildet.Während der ersten drei Wochen nach der Operation muss der Pa-tient ein Ortho-Gilet-Verband tragen (tagsüber und nachts), in dieserZeit darf er nur Bewegungen im Ellbogengelenk und im Vorderarmausführen. Die Aussenrotation des Armes ist strikte verboten. Nachdrei Wochen dann tagsüber nur noch Fixation mit Armtragschlinge.Nachts nach wie vor Tragen des Ortho-Gilet-Verbandes. In diesenfolgenden drei Wochen darf der Patient mit aktiven kontrolliertenBewegungen im Schultergelenk beginnen: Abduktion (Wegführen)des Armes bis max. 90 Grad. Aussenrotation des Armes bis max.90 Grad. Zudem Beginn mit den isometrischen Kraftübungen. Pen-delübungen oder Übungen mit Gewichten sind in den ersten 6 Wo-chen verboten. Erst nach 6 Wochen werden alle fixierenden Verbän-de entfernt und Beginn mit intensiver Bewegungstherapie in derPhysiotherapie aber vor allem auch selbständig zu Hause. Dabei be-tone ich immer wieder, dass in dieser Phase der Rehabilitation kei-ne passiven Dehnungsübungen, vor allem auch nicht durch Zweit-personen, vorgenommen werden dürfen. Entscheidend in dieserPhase ist die aktive Kräftigung der dynamischen Schulterstabili-satoren. Die Rehabilitation dauert in der Regel drei bis vier Monate.Eine noch längere Zeit endphasig eingeschränkte Aussenrotation istdabei nicht nur normal, sondern eher wünschenswert. Im Verlaufeder weiteren Monate wird das Narbengewebe nämlich elastischerund somit die Beweglichkeit wieder vollständig. Die langsameNormalisierung der Beweglichkeit ist bezüglich guter Langzeitresul-tate eher günstig. Das Wiedererlangen der vollen Sportfähigkeit undArbeitsfähigkeit ist die Regel.

3.2. Die konstitutionell bedingte Instabilität

Junge Menschen und vor allem Mädchen können über sehr beweglicheGelenke verfügen. Dies kann im negativen Fall durch ausgesprocheneBandlaxizität zur chronischen Schulterinstabilität führen (sog. Habi-tuelle Schulterluxationen). Diese jungen Leute zeigen auch in ande-ren Gelenken, wie in den Ellbogengelenken, Kniegelenken oder in denFinger- und Handgelenken eine «übermässige» Beweglichkeit. Eineoperative Korrektur der Instabilität sollte in diesen Fällen erst in letzterWahl durchgeführt werden. Primär müssen in intensiver Physiotherapiedie dynamischen Stabilisatoren der Gelenke auftrainiert werden. Durchdie allgemeine Kräftigung der Schultergürtelmuskulatur kann in derRegel eine genügende Gelenkstabilität widerhergestellt werden undeine Operation vermieden werden. Wird trotzdem eine operativeKorrektur notwendig, müssen in diesem Eingriff die Kapselbandstruk-turen verstärkt, gedoppelt werden. Die Langzeitresultate sind allerdingsungünstiger, als bei der Rekonstruktion der «normalen» posttraumati-schen Schulterinstabilität.

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Instabilitäten22

Die verschiedenen Stadiender AC-Luxation

3.3. Die Instabilität des Schultereckgelenkes: AC-Gelenk

Das AC-Gelenk bedeutet «Acromio-clavicular-Gelenk», das Gelenkzwischen dem Schulterdach des Schulterblattes und dem Schlüs-selbein. Dieses Gelenk ist sehr wichtig. An diesem Gelenk ist dieSchulter aufgehängt. Durch Zerreissen der stabilisierenden Bänderdieses Gelenkes kommt es zu einem Stabilitätsverlust des Schulter-gürtels, nicht aber zu einer Bewegungseinschränkung. Bei vollstän-digem Reissen der Bänder ist die korrekte Aufhängung der Schulterbeeinträchtigt. Das gesamte Schultergelenk sinkt tiefer und dasSchlüsselbein steigt entsprechend dem Muskelzug höher. Bei Bewe-gungen um und oberhalb der Horizontale bewegen sich Schulterblattund Schlüsselbein nicht mehr synchron, sondern dissoziiert. DasSchulterblatt bleibt unten, obwohl es beim Heben des Armes nachoben gekippt werden sollte, um dem Schulterkopf und der Rotato-renmanschette Platz zu öffnen. Die unten beigefügten Zeichnungen

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Instabilitäten

zeigen die verschiedenen Stufen und Schweregrade der Verletzung,«der Bänderrisse» und die operative Rekonstruktion. Diese Verletzungen können auch ohne Operation zu einer schmerz-freien Beweglichkeit im Schultergürtel führen. Die Fehlstellungbleibt jedoch bestehen und mit der Zeit kann es in der Folge durchdas entstandene Engpass-Syndrom unter dem Schulterdach zu einerAufscheuerung der Rotatorenmanschette kommen. Bei vollständiger Zerreissung der Bänder mit vollständiger Instabi-lität gilt hier die Regel, dass bei jungen Leuten, vor allem sportlichambitionierten, oder bei körperlich anstrengend arbeitenden Perso-nen die Gelenkverletzung rekonstruiert werden sollte. Die Rekonstruktion sollte jedoch immer zu einem tadellosen Ergeb-nis führen, ansonsten die nicht-operative Behandlung vorgezogenwerden müsste. Nicht nur die richtige Operationstechnik, sondernauch die Erfahrung und das Können des Operateurs und die kon-sequente postoperative Nachbehandlung sind für ein gutes Resultatentscheidend.

Operative Behandlung

Es existieren verschiedenste Vorschläge zur Reparation des verletztenAC-Gelenks. Heute sind sich die meisten Schulterspezialisten einig,dass die unvollständigen Luxationen, also die Verletzungen nach Tossy I und II, nicht primär operativ versorgt werden sollten. In einemspäteren Zeitpunkt kann es dann wohl noch zu einer Operation kom-men, dann aber eher zur Behandlung der sich in Folge der Verrenkungausgebildeten AC-Arthrose, als zur Behandlung der AC-Instabilität.Die vollständigen Verrenkungen mit vollständiger Zerreissung des Auf-hängeapparates (Tossy-III-Verletzungen, d.h. Rockwood 4–6) solltenrekonstruiert werden, sofern dem Patienten eine gute Rekonstruk-tionstechnik und ein gutes Resultat offeriert werden kann. Wie Sie ausmeiner Formulierung entnehmen können, ist bei dieser Verletzungkeine einhellige Meinung der Spezialisten gegeben. Natürlich empfin-det keiner die vollständige und oft störende Fehlstellung im AC-Ge-lenk gut oder gar ideal. Es wäre auch für jeden Operateur das natürli-che Bestreben, die Integrität des Gelenkes wiederherzustellen. Aberehrlicherweise muss festgehalten werden, dass die ideale Rekonstruk-tion nur selten möglich ist.Zwischen Schlüsselbeinende und Schulterdach ist nämlich ein kräfti-ger Meniskus zwischengeschaltet und dieser wird bei den meisten AC-Luxationen verletzt, zerrissen. Eine volle Integrität des Gelenkeskann somit nur dann wiederhergestellt werden, wenn der Meniskusunverletzt bleibt. Wurde er jedoch gerissen, muss er operativ entferntwerden und bei noch so guter Wiederherstellung der Gelenkkongruenzund der Bänder entsteht im weiteren Verlauf eine AC-Gelenksarthrose.Diese Abnützung des Gelenkes durch Aufreiben der Gelenkflächenführt mit der Zeit zu einer schmerzhaften Arthrose, was wiederum dasResultat der AC-Gelenks-Rekonstruktion sehr relativiert, zumal ohneoperative Behandlung häufig eine Schmerzfreiheit erreichbar ist. Aus diesen Überlegungen hat sich bei mir folgende Vorgehensweisebewährt. Bei vollständigen AC-Luxationen ist die Rekonstruktion mitErhaltung des unverletzten Meniskus anzustreben. Ist dies wegen des

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Instabilitäten24

gerissenen Meniskus nicht möglich, rekonstruiere ich die Aufhän-gung der Schulter unter Transfer eines benachbarten, unverletztenstarken Bandes, indem ich den verletzten Meniskus entferne und dasAC-Gelenk erweitere, damit sich später die beiden Gelenkflächennicht mehr reiben können. In den unten aufgeführten Zeichnungen ist diese Methode nachWeaver-Dunn (Erstbeschreiber dieser Technik) modifiziert wiederge-geben. Die Resultate sind mit ganz wenigen Ausnahmen sehr gutund die Patienten erreichen in der Regel wieder die volle Zufrieden-heit und Sportfähigkeit.

Postoperative Nachbehandlung

Die Nachbehandlung folgt im Grossen dem Schema der Nachbe-handlung der Schulterinstabilität. Beginn der physiotherapeutischen

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Instabilitäten

Oberer Abriss des Limbusvom Pfannenrand mit

Nähertreten des Kopfes

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Behandlung ebenfalls frühestens nach 6 Wochen postoperativ. So-lange braucht das transferierte Band zur Einheilung. In den erstenzwei Monaten nach der Operation darf der Patient keine Lasten tragen. Erst nach durchgeführter radiologischer Kontrolle und gesicherterEinheilung des Bandes, d.h. des transferierten Knochenblocks, darfmit der Belastung des Armes begonnen werden.

3.4. Instabilität des SC-Gelenkes

Das SC-Gelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen Schlüsselbeineinerseits und Brustbein anderseits. Auch diesem Gelenk ist einMeniskus zwischengeschaltet. Die Verletzungen dieses Gelenkessind glücklicherweise selten. Meist handelt es sich um unfallbe-dingte Subluxationen, d.h. unvollständige Verrenkungen mit Locke-rung der Bänder. Die Abheilung dieser Verletzung ist sehr langwie-rig und zum Teil schmerzhaft über längere Zeit. Nur in seltenenFällen ist aber eine operative Rekonstruktion notwendig. Absolutwichtig ist die Operation bei nach rückwärts, also nach innen ver-renktem SC-Gelenk. Diese Verletzung kann zu ernsthaften Proble-men der Halsorgane führen. Da auch diese Verletzung in der Regelzu einer Zerstörung des Gelenkmeniskus führt, endet diese Verren-kung meistens in einer späteren SC-Arthrose mit Schwellung undVorwölbung des Gelenkes.

3.5. Die apikale Instabilität

Die apikale Instabiliät des Schultergelenkes bedeutet ein Höher-treten des Humeruskopfes gegenüber der Pfanne und in der FolgeAusbildung eines Engpass-Syndroms unter dem Schulterdach. DieseInstabilitätsform ist eng mit der Funktion und dem Zustand derRotatorenmanschette und der Bänder verbunden, so dass diese In-stabilität unter dem Kapitel 5.2. beschrieben und abgehandelt wird.

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Bicepssehne und Limbus26

Anatomie des Biceps

Bicepssehne

Die lange und kurze Bicepssehne entspringen an der Schulter,verlaufen am vorderen Anteil des Oberarmes im bekannten Muskel-bauch und inserieren gemeinsam am proximalen (näheren) Anteildes Vorderarmes, an einem knöchernen Vorsprung der Speiche. DieHauptwirkung des Biceps ist die Beugung des Ellbogens. Die Wirkungaufs Schultergelenk selbst ist nicht hauptsächlich. Für das Schulter-gelenk interessant und bedeutend ist hingegen der Ursprung derlangen Bicepssehne am oberen Glenoidalrand (oberer Pfannenrand)am oder in der Nähe des Limbus (Meniskus). Bei den Rotationsbe-wegungen des Oberarmes wird die lange Bicepssehne, durch einenkomplex verlaufenden Bandapparat geführt, über den Humeruskopfgespannt und gewinnt so vor allem in Aussenrotationsposition desOberarmes auch eine zentrierende Wirkung auf das Schultergelenkselbst. So können bei Überlastung der Beugemuskulatur des Ellbo-gens, (z.B. beim seltenen, aber doch hie und da immer wieder ein-mal notwendigen «Schneeschaufeln») eine Schädigung der langenBicepssehne entstehen. Diese Läsion kann entweder ansatznahe am

4. Erkrankungen und Verletzungen der Biceps-sehne und des Limbus (Gelenksmeniskus)

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Bicepssehne und Limbus

Limbus mit Auffaserung der Sehne oder als Ablösung des Limbus mitanhaftender Bicepssehne entstehen. Solche Schäden der Biceps-sehne führen zu einer Entzündung mit starken Schmerzen entlangdes Sehnenverlaufes mit Ausstrahlung in den Oberarm. Eine solche Überlastung der Sehne ist jedoch auch durch ein plötz-liches Zerrereignis möglich und nicht nur durch repetitive Bewegun-gen ( z.B. beim Versuch eine nach unten fallende Last aufzuhalten).Bei Ausdehnung des Sehnenschadens kann dieselbe reissen und der Sehnenstumpf nach distal (nach unten) gleiten. Dies erkennt derPatient einerseits im Nachlassen der Schmerzen und anderseits im «nach unten Rutschen» des Bicepsmuskelbauches. Die Beurteilung, ob sich ein Schaden auf einen Unfall oder auf einechronische Überlastung zurückführen lässt, ist sehr arbiträr undsollte immer sehr sorgfältig anhand der Entstehungsgeschichte unddes Befundes entschieden werden. Es wäre Pflicht eines jedenVertrauensarztes von Versicherungen und Kassen diese Aufgabesehr ernst zu nehmen und nicht nur pauschal zu beurteilen.

Limbus (Gelenkmeniskus)

Wie bereits in den anatomischen Ausführungen erwähnt, bildet derLimbus einen knorpeligen Ring um den Pfannenrand herum undbedeutet einen besseren Halt für den Humeruskopf (Oberarmkopf)als auch eine Gelenksflächenvergrösserung von ca. 1/3. Eine Ver-letzung des Limbus und vor allem eine Ablösung desselben vom

Höhertreten des Kopfes mitEinklemmen der dyna-

mischen Zentriermanschetteund des Schleimbeutels

unter dem Schulterdach:Impingement

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Bicepssehne und Limbus28

Pfannenrand bedeutet immer einen Stabilitätsverlust des Schulter-gelenkes. Ein solcher Stabilitätsverlust kann zu Sekundärschädenführen, indem z.B. der Oberarmkopf beim Heben des Armes in der Gelenkpfanne nicht mehr gut zentriert wird und nach obenausweicht. Dadurch kommt die Rotatorenmanschette unter Druck und kann sich am Schulterdach aufreiben. Es entsteht ein «Im-pingement-Syndrom», oder verständlicher, nichtmedizinisch aus-gedrückt, zu einem Engpass-Syndrom, zu einer Einklemmung. Verschiedene Schweregrade der Verletzung oder Veränderung desLimbus mit Bicepsansatz werden in der spezifischen Literaturbeschrieben: Die sogenannten SLAP-Läsionen (Superior Limbus ante-rior posterior-Läsion). Es sprengt sicher den Rahmen dieser Broschüre, näher auf die Detailsdieser Läsionen einzugehen, aber wichtig für Sie, lieber Leser, liebeLeserin, ist zu wissen, dass diese Veränderungen in der Regel zu hart-näckigen, schwer diagnostizierbaren Beschwerden führen und dieoperative Behandlung derselben ebenfalls recht anspruchsvoll sind.

Behandlung

Viele Erkrankungen oder Verletzungen des Limbus oder der Biceps-sehne können heute arthroskopisch behandelt werden. Das bedeutetwenig Integritätsbeeinträchtigung der umliegenden Weichteile. Einekranke oder verletzte Bicepssehne kann jedoch in der Regel nichtrekonstruiert werden, wird am Bicepsanker, am Übergang in denLimbus abgetrennt und im Sehnenkanal am Oberarmkopf neu fixiert.Der am Gelenkoberrand abgelöste Limbus kann hingegen arthrosko-pisch refixiert werden.Die Nachbehandlungsphase gestaltet sich nicht nach Schema, son-dern muss sich nach den individuellen Gegebenheiten richten. Mei-stens ist aber auch in diesen Fällen mit einer zwei bis drei monati-gen Rehabilitation zu rechnen und eine Wiederaufnahme des Sportsnicht vor drei Monaten nach der Operation möglich. Es bleibt nochdie Frage, ob solche Läsionen überhaupt operiert werden müssen.Nicht alles, was rekonstruiert werden kann, muss auch operiertwerden. Nach meiner Ansicht stelle ich die Indikation zur Operationerst bei erfolgloser physiotherapeutischer Behandlung und bei Persi-stenz der Beschwerden. Dabei ist der Leidensdruck des Patientenoder die Beeinträchtigung in Sport oder Arbeit massgebend. Der spontane Verlauf der Schädigung kann einerseits zu Vermehrungder Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigung mit Ausdehnungdes Gelenkschadens führen, anderseits aber auch zu einem neuenGleichgewicht mit relativ wenig Beeinträchtigung des Befindens.Bereits aus diesen Gründen empfiehlt es sich, die Indikation zurOperation nicht zu schnell zu stellen.

Link zum Impingement-Symtom: www.ch-thuer.ch

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Rotatorenmanschette

Riss der Rotatoren-manschette mit Retraktion

der Rissränder und somit Ausbildung eines

Sehnendefektes

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5. Verletzungen und Erkrankungen der Rotatorenmanschette

5.1. Riss der Rotatorenmanschette und deren Folgen

Der Name Rotatorenmanschette (abgekürzt: RM) ist etwas irre-leitend, da die Hauptaufgabe dieser kräftigen Muskulatur undSehnenplatte die aktive Zentrierung des Humeruskopfes in der Ge-lenkpfanne während den Dreh- und Hebebewegungen des Schul-tergelenkkopfes ist. Nur unter präziser Aufrechterhaltung des Dreh-zentrums, kann der Arm in allen Richtungen gedreht und gehobenwerden. Lässt die Kraft der Sehnenmanschette aus irgendwelchenGründen nach, entsteht unter dem Schulterdach ein Konflikt zwi-schen Schulterdachknochen und Sehnenmanschette (Impingement).Eine chronische Schädigung und weitere Schwächung der Rotato-renmanschette (RM) ist die Folge. Da mit zunehmendem Alter und Abnützung alle Körperstrukturen schwächer und zum Teil auch lockerer werden, bleibt auch die RM von diesen Veränderungen nichtverschont. Diese sogenannt «degenerativen Veränderungen» führendann zu einer verminderten Zentrierkraft der Manschette und dadurchzur Ermöglichung eines chronischen Impingement-Syndroms unterdem Schulterdach.

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Rotatorenmanschette30

Ein Riss der Rotatorenmanschette entsteht aber auch durch eindirektes oder indirektes Trauma, wie Sturz auf den Arm oder plötz-liche, ruckartige Bewegung des Armes unter starker Kraftan-wendung. Meist reissen anfänglich nur verschiedene Fasern einesSehnenanteils.Durch den ständig anhaltenden Zug vergrössert sich die Rissläsionallmählich und kann schlussendlich nach unterschiedlich langerZeit zu einem grossen Sehnendefekt anwachsen. Durch ein mas-sives Trauma kann aber auch ein Grossteil der sehr starken RM aufeinmal einreissen. Dies ist durchaus verständlich, wenn man be-denkt wie ungünstig die Hebelarmverhältnisse für die RM sind.

Nach neueren Untersuchungen mit dem MRI wissen wir, dass eine Rotatorenmanschettenverletzung spontan oder mit konser-vativer Therapie nicht abheilen kann, da die Schwerkraft, welcheden Arm nach unten zieht und die Zugrichtung der RM entge-gengesetzt sind. Es kommt demzufolge zu einem langsamen Auseinanderziehen der Rissränder und zur Bildung eines sichvergrössernden Loches in der Sehnenhaube.Viele Leute mit Schulterbeschwerden geben an, früher ein Traumader Schulter erlebt zu haben, die Schulter sei jedoch danach wie-der beschwerdefrei geworden. Sie hätten wieder Sport und alle Ar-beiten schmerzfrei ausüben können. Ein neues und zum Teilunbedeutendes Bagatelltrauma führt dann zur Dekompensationund die klinischen und apparativen Untersuchungen ergebennicht selten eine erhebliche Schädigung der RM. Dies führt denVersicherer zum Schluss, es handle sich bei der Läsion um einedegenerative Veränderung und lehnt die Übernahme der Behand-lungskosten ab. Wahrscheinlicher ist es aber beim Erstunfall zueiner Teilruptur der RM gekommen, welche durch die natürlicheKompensationsfähigkeit des Körpers beschwerdefrei gewordenist. Die dadurch geschwächte RM vermochte allerdings in derFolge die Zentrierungsaufgabe zunehmend nicht mehr optimalauszuführen. Es kommt zu einem chronischen Einklemmungssyn-drom mit weiterer Schädigung der Sehnenmanschette, welchedann bei einem neuen und zum Teil harmlosen Trauma weitereinreissen kann. Nach Darstellung des Versicherers ist diesesneue Trauma «nicht adäquat», was ebenfalls nicht von der Handzu weisen ist. Das Ganze aber mit dem Alter des Patienten odermit sog. üblichen, altersentsprechenden degenerativen Verän-derungen zu begründen, kommt dem wirklichen Sachverhaltebenfalls nicht näher. Wie Sie sehen, führen all diese Überlegun-gen und Erkenntnisse zu den bekannten Streitigkeiten zwischenUnfall-Versicherer, Krankenkassen und Patienten. Ganze Scharenvon Juristen leben gut davon.

Der plötzliche Riss der RM geht meistens mit einem erheblichenFunktionsverlust des Armes einher. Obwohl sich die Beweglichkeitwegen der ausserordentlichen Kompensationsfähigkeit der übri-gen Schultergürtelmuskulatur wieder normalisieren kann, führenmeist hartnäckige Schmerzen oder Kraftlosigkeit den Patien-ten zum Arzt und Schulterspezialisten. Die Lebensqualität starkeinschränkend sind vor allem die Nachtschmerzen. Diese sind

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Rotatorenmanschette

einfach erklärbar. Tagsüber wird der Arm durch die Schwerkraftetwas nach unten gezogen, was für die verletzte RM zu einerentlastenden Erweiterung des Platzes unter dem Schulterdachführt. Nachts, beim Liegen ist diese ziehende Schwerkraft nichtwirksam, weswegen durch den Muskeltonus der übrigen Schulter-gürtelmuskulatur der Oberarmkopf nach oben gezogen wird unddadurch die verletzte Manschette unter dem Schulterdach ein-geklemmt wird.

Die Abklärung der RM- Ruptur ist klinisch, mit der Sonographie undam zuverlässigsten mit der Arthro-MRI-Untersuchung möglich. Während früher solche Verletzungen kaum operiert wurden, daauch die Resultate nach der Operation ungenügend waren, hatsich heute die Einstellung der Schulterspezialisten der Behand-lung dieser Verletzungen gegenüber gewandelt. Gerade weil wirwissen, dass ein Riss spontan nicht abheilen kann, durch zulanges Warten die Läsion sich ausdehnt und sich später beinaheimmer zu einem schwierigen bis unlösbaren Problem entwickelt,ist es heute empfohlen, den Riss früh operativ zu versorgen, wenndie Gewebekonditionen noch gut sind und die Rekonstruktionnoch ein gutes Resultat verspricht. Je grösser der zu versorgendeDefekt ist, umso schwieriger der Eingriff und das Resultat schwie-riger abschätzbar. Für die Rekonstruktion einer RM-Verletzungbraucht es jedoch einen versierten und in der Schulterchirurgieabsolut bewanderten Spezialisten, um mit zuverlässiger Sicher-heit dem Patienten auch ein gutes Resultat in Aussicht zu stellen.Für die Versorgung grosser RM-Defekte ist sogar Virtuosität ge-fordert. Die offene Rekonstruktion mit gleichzeitiger Dacherwei-terung und anderen «Umgebungsarbeiten» ergibt in der Regelsehr gute Resultate. Die «arthroskopische Rekonstruktion» derRM garantiert heute noch nicht dieselben Resultate und ist deroffenen Operation nicht ebenbürtig. Auf den folgenden Zeichnungen möchte ich Ihnen möglicheVarianten der RM-Rekonstruktion aufzeigen. Keine Ruptur siehtgleich aus. Jede muss individuell optimal versorgt werden undverlangt deswegen vom Operateur grosse Anpassungsfähigkeitenan die lokalen Gegebenheiten, an die Grösse und Form der Läsion,an den Zustand des gerissenen Gewebes u.s.w.

Die «einfache Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion»

Die Rotatorensehnenkappe wird bei dieser Rekonstruktion mobili-siert und im Knochen neu reinseriert. Dies bedeutet immer mehrSpannung im frisch operierten Gewebe, weswegen auch unmittelbarnach der Operation für kurze Zeit mehr Schmerzen auftreten. Zur Entlastung muss die Abduktionskissenschiene getragen werden.Bei den meisten Eingriffen an der RM führe ich auch eine «Dach-erweiterung» durch, indem ich den Winkel des Schulterdachesvergrössere (Siehe Kapitel über Acromionaufrichteosteotomie).Ebenfalls wird das AC-Gelenk zurückgeschliffen, um Schmerzennach der Operation von Seiten dieses kleinen Schultereckgelenkeszu vermeiden. Diese Erweiterung des «Subacromialraumes» ist

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Rotatorenmanschette32

Einfache, direkte Reinsertionder gerissenen Rotatoren-manschette am Ort desehemaligen Ansatzes desSehnenmantels

notwendig, um der neu rekonstruierten RM genügend Platz zu gebenund ein erneutes Aufscheuern der Manschette zu verhindern. Dabei wird auch meistens der Rest des Schleimbeutels zwischenSchulterdach und RM mitentfernt. Erstens ist der Schleimbeu-tel (Bursa) meistens durch die RM-Rissläsion mitverletzt undzweitens bildet er sich mit der intensiven Bewegungstherapie nach der Operation spontan innerhalb eines halben Jahres selberwieder.

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Rotatorenmanschette

Wiederherstellungder zentrierenden Kraft

durch Doppelung und Reinsertion der

verletzten RM

direkte, einfache Reinsertion

Doppelungder beiden mobilisiertenSehnenflügel

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Rotatorenmanschette34

Der grosse RM-Defekt und seine Behandlung

Zur Charakterisierung des grossen RM-Defektes gehört es, dass einGrossteil des Gelenkkopfes nicht mehr mit der Sehnenmanschettegedeckt ist und die Gelenkkugel in der Pfanne nicht mehr zentriert ist.Meistens ist vorne und hinten noch ein unterschiedlich grosser Anteilder Manschette vorhanden. In der Regel ist der obere Anteil der Man-schette, die Supraspinatussehne fehlend oder weit retrahiert, so dassdiese Sehne für die Rekonstruktion nicht mehr genügend mobilisiertwerden kann. Durch das grosse RM-loch ist das Gelenk für die ernäh-rende Gelenkflüssigkeit nicht mehr dicht, das Gelenk verliert seineErnährung. Zwischen Oberarmkopf und Schulterdachknochen reibtsich zudem der Gelenkknorpel langsam auf und es entsteht mit derZeit eine Defekt-Arthrose des Schultergelenkes.

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Rotatorenmanschette 35

Grosser RM-Defekt mit Hochsteigen des Kopfes unter das Schulterdach

Grosser Defekt mit noch sichtbaren Sehnenteilen

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Rotatorenmanschette36

Die Deckung des riesigen Defektes und die Wiederherstellung der Zen-trierung mit einem umgeleiteten Muskellappen ermöglichen es auch inso schwierigen, fortgeschrittenen Fällen, gute Resultate zu erreichen.Die Erfolgsquote ist aber nicht mehr so gross wie bei der «normalen»RM-Versorgung. Der Erfolg der Operation hängt von vielen kleinen De-tails während des Eingriffes selbst, von einer optimalen Einstellung desPatienten und von einer optimalen Physiotherapie ab. Welche Opera-tionstechnik in diesen Fällen auch immer verwendet wird, sie ist immersehr schwierig und verlangt viel Erfahrung vom Operateur. Während an-dere Kollegen den musculus latissimus dorsi-Transfer, d.h. die Umlei-tung eines Rückenmuskels zur Defektdeckung, bevorzugen, ziehe ichdie Deltoideuslappenplastik vor.

Deltoideuslappenplastik

Bei der Deltoideuslappenplastik wird ein Teil des oberflächlichen star-ken Schulter-Bewegungsmuskels, des Deltoideus, als gestielter Muskel-

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Rotatorenmanschette

lappen in die Tiefe umgeleitet und zur Deckung des RM-Defektesverwendet. Nach Abheilung der Lappenplastik, nach 6 Wochen, vermagder neu eingewachsene Muskellappen einen Teil der ausgefallenen RM-Funktion zu übernehmen und zumindest die Zentrierung des Ge-lenkkopfes in der Pfanne soweit wiederherzustellen, dass meist wiedereine gute schmerzfreie Beweglichkeit im Schultergelenk entsteht. Aller-dings ist auch meistens die rohe und konditionelle Kraft der rekonstru-ierten Schulter gegenüber dem Normalzustand vermindert. Die untenangeführten Bilder zeigen die Deltoideuslappenplastik in Zeichnung undPhoto. Wenn Sie interessiert sind, kann ich Ihnen auch ein entspre-chendes Video dieser komplizierten Operation zur Ansicht ausleihen.

Postoperative Nachbehandlung der RM-Rekonstruktionen

Phase 1Sobald die RM genäht oder neu reinseriert werden muss, ist die erstePhase der Rehabilitation, die Heilphase, streng nach Vorschrift ein-zuhalten. Dies gilt natürlich auch für die schwierigeren Rekonstruk-tionen der RM, wie z.B. die Deltoideuslappenplastik. Das rekonstru-ierte Gewebe muss zunächst belastungsstabil verheilen und dazubraucht es mindestens 6 Wochen. Nur eine solide Narbe ist späterauch belastbar. In dieser ersten Phase dürfen nur passive Bewegun-gen durchgeführt werden, einerseits durch Pendeln des Armes invorgebeugter Stellung des Oberkörpers und anderseits durch häufi-ges passives Bewegen des Armes auf der Arthromot-Schiene. Diesemotorisierte Schiene wird in der Regel bereits während der Hospita-lisation zu Ihnen ins Zimmer gebracht und Sie dürfen am ersten Tagnach der Operation mit dieser passiven Bewegungstherapie begin-nen. Mit dieser Schiene wird der operierte Arm in allen vorbestimm-ten Richtungen bewegt, die Muskulatur kann sich durch diese mono-tonen Bewegungen entspannen und der Patient empfindet dies alssehr wohltuend. Diese Übungen müssen sorgfältig und gewissenhaft6–10x/Tag während 6 Wochen (je 20–30 min/Sitzung) durchge-führt werden. Das Nichtbeachten der Vorsichtsmassnahmen, wiez.B. unerlaubtes oder vorzeitiges Entfernen der Abduktionskissen-schiene, aktives Heben des Armes oder Heranführen des Armes anden Körper kann die rekonstruierte Sehnen-Manschette gefährdenund ein gutes Resultat nach der Operation in Frage stellen. Zwischenden passiven Bewegungsübungen muss die Schulter konsequent aufder Abduktionskissenschiene ruhiggestellt bleiben. Daneben darfaber mit dem Ellbogengelenk, dem Handgelenk und den Fingern so-viel wie möglich geübt werden.

Phase 2Erst nach sechs Wochen ändert dann das Programm. Die Arthromot-schiene darf retourniert werden und die Kissenschiene schrittweiseentfernt werden. In dieser Zeit auch Beginn mit der aktiven intensi-ven Physiotherapie selbständig zu Hause als auch in einer «Schulter-versierten» Physiotherapie (3x/Woche). In diesem Aufbauprogrammder Beweglichkeit und der Kraft brauchen Sie viel Disziplin, Energieund Motivation, wieder eine gute Schulterfunktion zu erhalten. In der Physiotherapie können Sie nicht nur alle Bewegungen wieder

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Rotatorenmanschette38

erlernen und üben, sondern werden auch vom Therapeuten oder derTherapeutin regelmässig kontrolliert. Zudem müssen Sie in regel-mässigen Abständen zu mir in die Kontrolle kommen. In der erstenZeit versuchen Sie den Arm in verschiedenen Richtungen kontrolliertzu halten (isometrische Übungen), anfänglich mit verkürztem He-belarm, d.h. mit gebeugtem Ellbogengelenk. Dann zunehmend auchaktives Heben und Senken des Armes, sowie Rotationsübungen imSchultergelenk. Ein Teil dieser Übungen ist im physiotherapeuti-schen Anhang der Broschüre abgebildet. Der Aufbau der Beweglich-keit und der Kraft soll Ihnen Freude bereiten und nicht Schmerzen.Eine Physiotherapie der rekonstruierten RM soll nur bis an dieSchmerzgrenzen gehen und ja nicht in die Schmerzen hinein. Mitder Zeit kommen auch Übungen an Geräten zu Hause dazu. Da wä-re das Poulimed, ein Seilzuggerät, das an jeder Türe aufgehängt wer-den kann und Ihnen erlaubt, alle RM-Muskeln schrittweise mit stei-gender Gewichtsbelastung aufzutrainieren. Ebenso ist das bekannteThera-Band in einem späteren Zeitpunkt einzusetzen. Passive Deh-nungsübungen nach einer rekonstruierten RM sollten nur sehr vor-sichtig und von absolut kompetenter Seite vorgenommen werden. Diese Phase zwei dauert bis zur vollen Rehabilitation ca. 2–4 Mo-nate, je nach Art und Schwierigkeit der Rekonstruktion.

5.2. Lockerung der Rotatorenmanschette, Ausdünnung und Bildungeines Engpasses unter dem Schulterdach (Impingement-Syndrom)

Durch Belastung, harte Arbeit, viel sportliche Betätigung oder ganzeinfach durch fortschreitendes Alter kann es zu einer Auslockerungder Bänder und der Rotatorenmanschette kommen. Die RM-Muskelnkönnen die Zentrierung während der Bewegungen nicht mehr opti-mal halten und der Gelenkkopf steigt zu Beginn der Armhebung nachoben unter das Schulterdach und führt dort zu einem Engpass-Syn-drom. Dies führt in der Folge wiederum zu einer weiteren Abnützungder RM – ein Teufelskreis. Auch selbständige Krankheitsbilder oderVerletzungen können den Raum unterhalb des Schulterdaches ein-engen und zur selben Einklemmungsproblematik führen. So z.B.:

Verschobene Knochenbrüche des Oberarmkopfes

Anlagebedingte Veränderungen des Schulterdaches

Erworbene Veränderungen des Schulterdaches und des AC-Gelenkes: z.B. Arthrosezacken.

Risse der Rotatorenmanschette

Einlagerung von Verkalkungen in die Rotatorenmanschette

Schleimbeutelentzündungen

1. Wie im Kapitel über Oberarmkopfbrüche beschrieben, können sol-

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Rotatorenmanschette

che «knöcherne» RM-Ausriss-Verletzungen zu einem Einklemmungs-syndrom unterhalb dem Schulterdach führen. Nur ganz minimaleVerschiebungen der Fragmente sind dabei tolerierbar, ohne dass eineBeeinträchtigung der freien Beweglichkeit und des freien Gleitensder Manschette unterhalb dem Schulterdach entsteht.2. Veränderungen, Verknöcherungen des Schulterdaches und des

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Schultereckgelenkes (AC-Gelenk). Dabei handelt es sich meistensum Arthrosezacken des AC-Gelenkes, die nach unten stossen unddas Gleiten der darunter liegenden RM behindern. Auch derSchleimbeutel, die Bursa, ist dabei betroffen.

3. Knorpeliges, nicht stabiles Schulterdach. Es handelt sich dabei

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Rotatorenmanschette40

Typ I: flach

Typ II: gekrümmt

Typ III: hakenförmig

um eine Veranlagung, bei der die Wachstumsfuge des Schulter-daches im Jugendalter nicht verknöchert, sondern knorpelig bleibt.Durch einen Unfall (Sturz) oder durch Ueberlastung kann es dannspäter zur «falschen Beweglichkeit» in dieser Knorpelfuge kommen,was sekundär zu Einklemmungserscheinungen unterhalb des Schul-terdaches führen kann. Wenn der Arm gehoben wird, zieht der star-ke Zug des Muskulus deltoideus das Schulerdach nach unten. Weildie Knorpelfuge nicht stabil verknöchert ist, sondern Bewegungenzulässt, wird das vordere bewegliche Schulterdachstück durch denMuskelzug nach unten gezogen und drückt direkt auf Schleimbeutelund RM.

4. Das Schulterdach kann verschiedene Neigewinkel haben. Einstark nach unten gebogenes Dach begünstigt eher Engpass-erscheinungen unter dem Dach, als ein steiles, nach vorne offenesSchulterdach.

5. Entzündungen oder Verletzungen des Schleimbeutels, der Bursa,

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Rotatorenmanschette 41

selbst können zur Verdickung der Schleimbeutelwand und somit zumPlatzmangel unterhalb des Schulterdaches führen. Ursache einerSchleimbeutelentzündung sind am häufigsten durch eine Sehnen-verkalkung und ihre Folgen oder durch eine Quetschverletzung derBursa, also z.B. durch Sturz auf den Arm, verursacht.Das Einklemmungssyndrom der Rotatorenmanschette läuft in drei

Stadien ab. Im Stadium I besteht durch die Einengung des Gewebesnoch kein definitiver Schaden, sondern nur eine Schwellung mitWassereinlagerung ins Gewebe. Die Therapie in diesem Stadium:Schonung, entzündungshemmende Medikamente und Therapien,Kühlapplikation, Physiotherapie zur Kräftigung der zentrierendenMuskulatur, u.a.m. Das Stadium II ist charakterisiert durch andau-ernde Einengung und Einklemmung des Gewebes mit beginnenderAufscheuerung der Rotatorenmanschette, Teilläsionen, Verhärtungdes Gewebes. Im Stadium III sehen wir dann die etablierten Schäden, eine Zer-

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störung des Schleimbeutels und Rissläsionen der RM. Die Behand-lung der Stadien zwei und drei sind operativ. Das unter dem Schul-terdach gelegene Gewebe muss entlastet werden, das Dach erweitert,keilförmig oder in Form von Aufrichteosteotomie des Schulterdaches.Entfernung des Schleimbeutels. Nebst diesen dacherweiternden,platzschaffenden Massnahmen müssen aber vor allem die Ursachendes Platzmangels behoben werden, wie z.B. die RM-Rekonstruktionbei Rissen der RM, Korrektur von einengenden Bruchfragmenten beiOberarmkopfbruchverletzungen, Wiederherstellung der Zentrierungim Schultergelenk.

Link zum Artikel über Impingement-SyndromLink zum Artikel biologisches, weichteilorientierte Behandlung derFour Part Fracture mit frühsekundärer Osteosynthese.

Operative Behandlung

Der erste Schritt der Behandlung ist sicher die Platzerweiterung unterdem Schulterdach. Dies kann offen aber auch arthroskopisch erfolgen.Wenn sich aber die Behandlung nur auf die sogenannte Defileer-weiterung und Acromioplastik (Schulterdacherweiterung) beschränkt,besteht die Gefahr, dass die Probleme nur temporär gelöst sind. Auchdie Ursachen des Engpasses, wie z.B. eine ausgelockerte RM oderhochgestiegene Knochenfragmente oder Sehnenverkalkungen müssenmitbehandelt werden, um eine dauernde Besserung zu bewirken.Die arthroskopische Raumerweiterung beinhaltet leider meistens nurdie Dacherweiterung, selten können mit dieser Methode auch eineverbesserte Zentrierung erreicht werden.Die Impingement-Operation, d.h. das «Platzschaffen», ist also mei-stens nur sinnvoll als Teil der Rekonstruktion, die dazu dienen soll,das problemlose Gleiten der Rotatorenmanschette unter dem Schul-terdach wiederherzustellen. Deswegen richtet sich die Nachbehand-lung nach den durchgeführten Rekonstruktionen, z.B. der Naht derRM oder der Wiederherstellung (Osteosynthese) des Knochens. Dasin den letzten Jahren zu häufig verwendete «Impingement-Syndrom»als Diagnose wird deswegen heute anders beurteilt und wir sehen esheute nur mehr als Komplex von Symptomen (Zeichen von Krank-heiten, Verletzungen).

Rotatorenmanschette42

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Rotatorenmanschette 43

Acromioplastik nach Neer.Entfernung eines vorderenKnochenkeils vom Schulterdachknochen

Schulterdach-Neigewinkel-Veränderung

= (Acromion-Aufrichte-Osteotomie)

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Rotatorenmanschette44

5.3. Entzündliche Erkrankungen der Rotatorenmanschette, der Gelenkkapsel und des Schleimbeutels

PHS: Die Periarthritis humero-scapularis oder zu deutsch: Die Weichteilentzündung rund ums SchultergelenkIn diesem Sammeltopf von Diagnosen verbergen sich eigentlich allerheumatischen Entzündungen der Schulter und alle nicht näher fass-baren Weichteilerkrankungen der Schulter. Die moderne Medizin hatviele einzelne Krankheitskomplexe aus diesem Topf heraussortiertund als sebständiges Krankheitsbild definieren können. Trotzdemverbleiben noch einige Schmerzsymptomkomplexe in diesem Topf.Weitere Forschung und Entwicklung werden noch mehrere solcheKrankheiten als Einheit identifizieren können und so schlussendlichder richtigen, spezifischen Therapie zuführen können. Eine solcheentzündliche Erkrankung ist z.B.:

Die Frozen Shoulder: Eine entzündliche Schwellung und Schrump-fung der Gelenkkapsel, nach Unfall oder spontan auftretend, endet ineiner hochgradigen, schmerzhaften Einsteifung des Schultergelenkes.

Tendinitis calcarea der Rotatorenmanschette:(Sehnenentzündung mit Kalkeinlagerung)In der Folge einer meist rheumatischen Entzündung oder einesTraumas kommt es zu einer Kalkeinlagerung in die Sehnenplatteder Rotatorenmanschette. Wir kennen dieses Phänomen auch imBereiche anderer Sehnen. Bei einigen Patienten kann diese Kalk-ablagerung zu schweren Entzündungsschüben führen. Nicht seltensind deswegen notfallmässige Konsultationen beim Arzt notwendigund eine sofortige Therapie muss eingeleitet werden. Manchmal istauch frühzeitig eine Operation notwendig. Bei anderen Patientenverläuft diese Erkrankung eher chronisch, mit uncharakteristischenSchulterschmerzen oder beeinträchtigt den Patienten nur phasen-weise, mit jeweils recht langen beschwerdefreien Phasen zwischenden Schmerzschüben. Nicht selten werden diese Verkalkungenauch als Zufallsbefund bei Röntgenuntersuchungen festgestellt.In der Folge einer solchen Sehnenverkalkung kann es zu einem Eng-pass-Syndrom unter dem Schulterdach kommen, oder der über derSehne liegende Schleimbeutel kann dermassen anschwellen, dass un-ter dem Schulterdach zu wenig Platz für ein normales Gleiten des Ge-webes besteht und es dadurch zu einem schweren Schmerzsyndromim Schultergelenk kommt. Die initiale Therapie besteht in abschwel-lenden Massnahmen wie Kühlapplikation, entzündungshemmendeMedikamente und schonende physikalisch-therapeutische Massnah-men. Im späteren Stadium ist das Needling des Kalkherdes erfolg-reich, vorausgesetzt der Herd ist nicht zu gross. In der folgendenZeichnung ersehen Sie die Idee und Ausführung dieser Behandlung,welche zu deutsch «Nadelung» heisst.Vorgehen: Unter Röntgen-Bildverstärkerkontrolle sucht man das Kalk-depot auf und setzt die Lokalanästhesie. Das Kalkdepot wird nun durchden Schleimbeutel hindurch mit einer dicken Nadel mehrfach perfo-riert und so mehrere Verbindungen zwischen dem Kalk in der Sehneund dem Schleimbeutel hergestellt. Häufig kann beim Punktieren auchKalk mit der Spritze aspiriert werden und so Zylinder aus dem Kalk aus-

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Rotatorenmanschette

gestanzt werden. Zum Schluss wird der Schleimbeutel mit viel Flüs-sigkeit und etwas Kortison gefüllt. In den folgenden Tagen und Wochenwird nun der Kalk verflüssigt und läuft in den Schleimbeutel aus. Da-mit es zu keiner massiven Schleimbeutelentzündung kommt, wurde

der Flüssigkeit etwas Kortison beigemischt. Ein Grossteil der Verkal-kungen kommen so zur Abheilung, was jedoch nicht bedeutet, dass es nicht später zu erneuten Verkalkungen kommen kann. Bei grossenKalkdepots von mehr als 1–2 cm Durchmesser ist die operativeEntfernung zu empfehlen. Bei diesem Eingriff kann gleichzeitig mit der Kalkentfernung die Erweiterung des Schulterdaches durchge-führt werden, was meistens zu dauernder Beschwerdefreiheit führt.

Die Entzündung des Schleimbeutels

Aus irgendwelchen Ursachen, aber auch nicht selten nach Unfall odernach Überforderung, kann es zu einer Entzündung des Schleimbeu-tels zwischen Schulterdach und Rotatorenmanschettenmuskulaturkommen. Therapie sind die üblichen entzündungshemmenden Medi-kamente, Salben, kühlende Umschläge und milde Bewegungsthera-pie. Auch eine Injektion von Kortison in den Schleimbeutel direkt istsehr wirksam. Dabei möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass dasKortison an sich nicht etwas Schädliches ist, sondern selbst einStresshormon unseres Körpers ist. Der Körper selbst behandelt ohneärztliches Zutun eine Entzündung ebenfalls mit vermehrter Kortison-Ausschüttung aus der Nebennierenrinde. Die lokale Anwendung die-ses Medikamentes bei einer Entzündung ist deswegen vielfach sehrerfolgreich und nicht schädlich, da ja der Körper selbst mit demselbenHormon reagiert. Alles ist meines Erachtens eine Frage des Masses:Wie sooft im Leben ist auch hier zutreffend «Zuviel ist ungesund».Eine lokale Kortison-Applikation in den Schleimbeutel vermag eineEntzündung in einem geschlossenen Raum sehr effizient, ohne gros-se Wirkung auf den Gesamtorganismus, zu behandeln.

Vor der Therapie sollte jedoch immer die genaue Diagnose stehen,damit wir wissen, was und wo wir behandeln können und müssen.

Bild links:

1. Schleimbeutel wird mitLokalanästesie aufgefüllt.

2. Sehne mit innliegender Verkalkung

Bild rechts:

1. Schleimbeutel ist mitLokalanästesie gefüllt.

2. Sehnenkalk ist mit Stanz-zylindern angebohrt

– so dass der Sehnenkalkaufgelöst und in denSchleimbeutel aus-

geschwemmt werden kann.

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Brüche46

6.1. Oberarmkopfbruch (subcapitale Humeruskopffraktur)

Tuberkulum majus – Abrissfraktur

6. Brüche (Frakturen) des Schultergürtels

Bild rechts:

Minimale Dislokation

Bilder unten:

Schwere Dislokation der Bruchfragmente

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Brüche

Briefkasten-Osteosynthese

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Link zu www.ch-thuer.ch: Operationen – Oberarmkopfbrüche

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Brüche48

Four Part Fracture: Vier-Fragment-Trümmerbruch

Link zu ch-thuer.ch: Operationen – Oberarmkopfbruch – Biologische weichteilorientierte Behandlung

6. Trümmerfrakur

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Brüche

6.2 Brüche des Schulterblattes

Schulterblattbrüche sind selten. Ein kräftiger Weichteilmantel undeine gute Verschieblichkeit auf dem Brustkasten ergeben einen rela-tiv guten Schutz. Daher entstehen Schulterblattbrüche nur durchbeträchtliche Gewalteinwirkung. Häufig finden sich deshalb nebenden Schulterblattbrüchen noch andere Verletzungen.

Die Schulterblattbrüche müssen nur dann operativ versorgt werden,wenn sie ins Schultergelenk hineingehen und so zu Inkonguenz imGelenk führen.

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Brüche50

1. Beinahe immer Abheilung mit Ruhigstellung

2. Häufig operativ, da Bänder mitverletzt

3. Abheilhung mit Ruhigstellung

6.3 Brüche des Schlüsselbeines

Ein sehr häufiger Bruch in jedem Alter. Entsteht ebenfalls durchSturz mit direkter Gewalteinwirkung gegen die Schulter oderdurch Sturz auf den gestreckten Arm. Dieser Bruch heilt prak-tisch immer ohne Operation mit einem speziellen «Rucksackver-band» ab. Eine Operation ist nur notwendig, wenn durch dieBruchfragmente entweder die Haut verletzt oder bedroht ist, oderdie Blutgefässe oder Nerven durch den Bruch mitverletzt sind.Selten kommt es auch vor, dass ein Bruch nicht abheilt. Diesermuss dann ebenfalls nach ein paar Monaten sekundär operiertwerden. Die durchschnittliche Abheilungszeit im Rucksackver-band beträgt 4–8 Wochen.

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Arthrose

7.1. Schultergelenksarthrose (Omarthrose)

Heisst Verbrauch des Gelenkknorpels zwischen Oberarmkopf undGelenkspfanne. Dies ist häufig kein Überlastungsschaden, wie z.B.beim Hüftgelenk oder Kniegelenk bekannt, sondern kommt durcheine Störung der Ernährung des Gelenkknorpels zustande. Infolgegrosser Rotatorenmanschettenläsionen kommt es zur Beeinträchti-gung der Ernährung des gesamten Gelenkknorpels und so schluss-endlich zur sogenannten «Defektarthropathie». Dies bedeutet ineinfachen Worten ausgedrückt: Gelenks-Verschleiss (Arthrose) in-folge eines grossen Defektes der Rotatorenmanschette (Sehnen-manschette rund um den Gelenkskopf). Der Knorpel wird aufge-braucht, die Kopf- und Pfannenknochen reiben aneinander ohneden schützenden und stossdämpfenden Gelenkknorpel. Dies führtzu Schmerzen und Bewegungseinschränkung. Da seit dem letztenJahrhundert die Menschen in unserer Kultur dank Medizin undguter Ernährung immer älter werden, müssen wir uns auch immermehr mit den Folgen des Altwerdens auseinandersetzen. So werdendie Arthrosen der Gelenke und deren Behandlungsmöglichkeitenimmer mehr Bedeutung erhalten. Der prothetische Gelenksersatzzur Routine und zur Selbstverständlichkeit im Rahmen der Lebens-qualitätserhaltung. Es sei denn, dass in Zukunft gentechnologischmöglich wird, Gelenkknorpel in grossen Mengen zu transplantierenund zu regenerieren, um so das eigene Gelenk erhalten zu können.Dies ist keine utopische Zukunftsmusik, sondern in der Praxis imkleinen Rahmen möglich.Während die Hüft- und Kniegelenksprothetik bereits sehr fortge-schritten sind und eigentlich standartisiert, trifft dies noch nichtganz auf den Schultergelenksersatz zu. Da das Wichtigste an derSchulter nicht das Gelenk selbst ist, sondern der bewegende Weich-teilmantel (Rotatorenmanschette), ist auch der alleinige Ersatz derGelenkflächen häufig nicht befriedigend. Das Hauptziel ist sicherdie Schmerzbefreiung, aber die meisten Patienten möchten auchdie Beweglichkeit und Kraft wiederhergestellt haben. Bei fortge-schrittenen Arthrosen sind aber nicht selten die RM-Anteile soschlecht oder sogar vollständig fehlend, so dass die volle Beweg-lichkeit und Kraft eine Glückssache wird. Trotz intensivem Aufbau-training nach der Operation sind diese Wünsche und Ziele nicht im-mer erreichbar. Dies spricht dafür, dass mit einerGelenksersatzoperation nicht abgewartet werden sollte, bis alleStrukturen zerstört sind, sondern dann durchgeführt werden soll,wenn der Leidensdruck gross ist und Veränderungen noch nicht zufortgeschritten sind. Eine Schultergelenksprothese in diesem Sta-dium geben nämlich in guter Hand gute Resultate.Die Nachbehandlung richtet sich deswegen immer nach den um-gebenden Strukturen (Rotatorenmanschette), welche mitbehandeltwerden müssen. Die Prothese selbst wäre schon primär belastbar.Ein Prothesenwechel wegen Lockerung ist heute sehr selten und

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7. Arthrose im Schultergürtelbereich

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Arthrose52

betrifft meistens nur die Pfannenkomponente, weswegen viele Schul-terchirurgen die Pfanne nicht immer schon von anfang an ersetzen.Vor allem bei gleichzeitig grossen RM-Defekten wird heute der allei-nige Gelenkkopfersatz vorgezogen.

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Arthrose 53

7.2. Schultereckgelenksarthrose (AC-Gelenksarthrose)

Dieses Schultereckgelenk ist bei allen Bewegungen sehr belastet,zudem ist es Schlüsselpunkt in der «Aufhängung» der Schulter amKörper. Das Gelenk ist sehr klein, von kräftigen Bandstrukturenumgeben und hat im Innern als Stossdämpfer eine meniskusartigeScheibe. Durch ein Unfallereigniss kann es zur Schädigung undvorzeitigen Abnützung dieses Meniskus kommen. Die Behandlungder schmerzhaften Arthrose dieses Gelenkes ist die sparsame Ent-fernung der Gelenkflächen und des Meniskus unter Erhaltung desKapselbandapparates, um die Stabilität nicht zu gefährden.

7.3. SC-Gelenksarthrose (zw. Schlüsselbein und Brustbein)

Dieses Gelenk, nahe am Hals zwischen dem Schlüsselbein und dem Brustbein, ist selten im Rahmen von rheumatischen Erkrankungenoder bei Verletzungen des Schultergürtels mitbetroffen. Schwellungund Schmerzen sind die Leitsymptome. Eine unfallbedingte Instabi-lität in diesem Gelenk kann im Alltag oder bei sportlicher Betätigungsehr störend sein. Meistens führt die konservative Behandlung, d.h.die anfängliche Ruhigstellung gefolgt von Bewegungstherapie undlokal abschwellenden Massnahmen zu weniger Beschwerden. Seltenist aber die operative Behandlung notwendig. Eine Rekonstruktiondieses sehr belasteten Gelenkes bedeutet höchste Anforderungen an Operateur und Geduld und Willen für den Patienten, den meistlangen Verlauf nach der Operation zu akkzeptieren. Eine Rehabili-tationszeit von einem halben bis zu einem ganzen Jahr nach derOperation ist die Regel.

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Arthritis54

8.1. Arthritis des Schultergelenkes.

Was heisst Arthritis?Damit meinen wir irgendeine Entzündung des Gelenkes selbst. Es isteine Entzündung der Gelenkschleimhaut, mit zunehmender Zerstö-rung des Gelenkknorpels und der Gelenkfläche. Die PCP, die chro-nische rheumatische Arthritis in mehreren Gelenken, wie Hand-, Fin-ger-, Hüft-, Knie-, und Schulter- oder Ellbogengelenk ist uns allenbekannt. Viele von uns kennen Leute, die über Jahre an dieser Krank-heit leiden und einer dauernden ärztlichen Behandlung bedürfen.Nach Ausschöpfung aller möglichen konservativen Therapien bleibtam Schluss meistens noch die Gelenksersatzoperation. Die Schulter-gelenksprothese ist übrigens keine Verzweiflungstat des orthopädi-schen Chirurgen, sondern bietet dem Patienten meistens Beschwer-defreiheit und eine deutlich verbesserte Lebensqualität. Die Resultatedieser Operation sind in geübten Händen sehr gut. Während bei einer Schulterkopftrümmerfraktur manchmal nur eineSchulterkopfprothese eingebaut werden muss, ist bei der rheumati-schen Arthritis der Ersatz von Kopf und Pfanne notwendig. Da bei derArthritis der Schulter einerseits starke Schmerzen typisch sind, derLeidensdruck des Patienten erheblich, und anderseits die Bewegungs-manschette (RM) meist noch gut erhalten ist und nur die Gelenk-innenseite entzündlich zerstört ist, sind dies eigentlich die bestenVoraussetzungen für das Gelingen einer Schultergelenksprothesen-Operation. Diese Patienten sind für die erheblich verbesserte Lebens-qualität sehr dankbar.

Eitrige Entzündungen des Schultergelenkes

Infektionen des Gelenkes sind ernsthafte Erkrankungen und häufig miteinem bleibenden Nachteil für das Gelenk und den Patienten verbun-den. Ein optimales Resultat kann nur erreicht werden, wenn die Infek-tion früh erkannt wird und auch sofort mit Antibiotikum und ev. mitOperation behandelt wird. Am Schultergelenk sind aber Infektionenglücklicherweise sehr selten. Wegen der guten lokalen Durchblutung istdie Gefahr der Infektion auch nach einer Operation sehr gering.

Entzündungen anderen Ursprungs sind wohl selten, aber äusserstvielfältig und Domäne des Rheumatologen. Es würde den Rahmendieser Broschüre sprengen, wenn ich näher auf all diese seltenenKrankheitsbilder eingehen würde.

8. Arthritis im Schultergürtelbereich

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Arthritis

8.2. Arthritis des AC-Gelenkes und des SC-Gelenkes.

Die Entzündungen dieser beiden kleinen aber sehr wichtigen Ge-lenke sind sehr schmerzhaft. Die ganze Schulterbeweglichkeit istdadurch beeinträchtigt. Eine AC-Gelenksarthritis zeigt im Röntgen-bild einen typischen Befund. Die Behandlung ist einfach. Das Gelenkkann zurückreseziert, d.h. zurückgeschliffen, werden. Die Gelenk-schleimhaut und der Meniskus werden dabei entfernt und die Bänderwiederum verschlossen. Die Resultate dieser Operation sind sehrgut und die Patienten sehr zufrieden.Dem gegenüber ist die operative Behandlung der SC-Gelenksarth-ritis schwierig und nicht immer befriedigend. Deswegen wird vor-gängig einer solchen Operation jede Möglichkeit wahrgenommen,die Beschwerden mit Medikamenten, Physiotherapie oder alterna-tiver Medizin in den Griff zu bekommen. Zuletzt bleibt ebenfalls die operative Korrektur des Gelenkes. Die Operation ist jedochschwierig und die Rehabilitation lang.

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Stoffwechselerkrankungen56

Gicht

Diese Stoffwechselerkrankung ist charakterisiert durch eine Störungim Eiweissmetabolismus mit Anreicherung eines Abbauprodukts(Harnsäure) im Weichteilgewebe rund um die Gelenke. Gichtschübekönnen sich ausnahmsweise auch am Schultergelenk oder am AC-Gelenk manifestieren. Wie an den übrigen Gelenken, z.B. Daumen-und Zehengrundgelenk, ist auch hier primär die medikamentöse Be-handlung vorrangig.

Diabetes mellitus

Die «Zuckerkrankheit» treibt ihr «Unwesen» im ganzen Körper. Sowird v.a. die Blutzirkulation im Kleinen und Grossen beeinträchtigt,die Nervenleitung kann gestört werden, es können aber auch Weich-teile reaktiv befallen werden, wie z.B. das narbige Schrumpfen vonBänder der Schultergelenkskapsel. Die Frozen- Shoulder, also dieeingsteifte Schulter, tritt bei den Diabetikern häufiger auf. Die fein-geweblichen Veränderungen entsprechen den narbigen Kontrakturenbei der Dupuytren’schen Kontraktur in der Handinnenfläche. Obwohldie Veränderungen der Bandstrukturen dieselben sind, bestehenzwischen diesen Erkrankungen wahrscheinlich keine Beziehungen.

Sudeck’sche Dystrophie

Diese komplexe Erkrankung, vor allem nach Unfall oder Operationauftretend, beeinflusst alle Gewebe des Gelenkes. Bekannt ist dieSudeck’sche Dystrophie vor allem nach Hand- oder Fussverletzungenmit anhaltend starken Schmerzen nach Unfall oder Operation. Stö-rungen des Stoffwechsels mit Demineralisation des Knochens undBeeinträchtigung der Blutzirkulation kombiniert mit Störungen desvegetativen Nervensystems führen zu einer sehr komplexen undschwersten Beeinträchtigung der befallenen Extremität. Selten istauch das Schultergelenk davon betroffen. Wie bei allen Sudeck’schenDystrophie-Behandlungen muss der Arzt die gesamte Palette derTherapien kennen und stufengerecht anwenden. Die medikamentöseund die hormonelle Behandlung sowie die aufbauende und stadien-gerechte Physiotherapie sind dabei sehr wichtig.

9. Stoffwechselerkrankungen: Gicht, Diabetes mellitus, etc.

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Fehlbildungen/Tumore

Glücklicherweise kommen sie sehr selten vor. In der Literatur sindsehr viele Fehlbildungsmöglichkeiten beschrieben. Einerseits wer-den sie häufig vom Patienten gar nicht bemerkt, anderseits kann dieBeweglichkeit, die Kraft und die Funktion des Schultergelenkes sostark dadurch behindert werden, dass eine Invalidität besteht. An-geborene Fehlbildungen können das knöcherne Skelett betreffen,aber auch die Sehnen, den Muskelmantel, die Bänder, die Nervenoder die Blutversorgung. Die Korrekturmöglichkeiten solcher Fehl-bildungen sind sehr unterschiedlich. Sie sollten denjenigen Ope-rateuren vorbehalten bleiben, welche sich sehr häufig mit diesemProblemkreis befassen.

Wie an jedem anderen Körperabschnitt können auch am Schulter-gelenk Primärtumore entstehen, bösartige und gutartige. Ebenfallskönnen sich von fernen Tumoren Ableger (Metastasen) in der Schul-ter bilden. Die häufigsten bösartigen Primärtumore gehen vomKnochen selbst aus. Die häufigsten Ableger haben ihren Primärherdin der Prostata, der Brust und der Schilddrüse. Die Behandlung der bösartigen Tumore ist immer eine interdisziplinäre Angelegen-heit. Die alleinige chirurgische Behandlung ist selten erfolgreich,wenn überhaupt. Die chirurgische Behandlung muss mit dem On-kologen (Krebsspezialisten) und dem Strahlentherapiearzt abge-sprochen werden. Die Chirurgie ist dabei nur ein Teil des gesamtenBehandlungskonzepts.

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10. Angeborene Fehlbildungen

11. Tumore

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Funktionelle Beschwerden58

Allein über dieses Kapitel lassen sich Bücher schreiben. Wie wir allewissen, können funktionelle Beschwerden irgendwo am Körper zuVerspannungen der Muskulatur führen und somit fortgeleitet auch zu Schultergürtelschmerzen. Unter anderem seien der häufige Stressin unserem Alltagsleben, die mangelnde gesunde Bewegung unseresKörpers, die häufigen Fehlhaltungen infolge ungünstiger Arbeits-plätze oder schlechter Haltung bei der Arbeit erwähnt. Vor allem dieArbeit am Computer sei hier betont. Viele Strukturen unserer moder-nen Gesellschaft nehmen sehr wenig Rücksicht auf unseren Be-wegungsapparat. Dafür ist immer mehr der Kopf, die Hände, dasGesäss und die «Pedalfüsse» gefragt. Um unser zentrales Stamm-skelett, die Wirbelsäule und die übrigen Extremitätengelenke müs-sen wir uns selber sorgen. Der moderne Mensch macht dies mitSport; aber leider allzu oft in zu einseitigen oder übertrieben aus-geführten Sportarten. Fehlhaltungen der Wirbelsäule sind in unsererZeit nicht nur häufig, sondern geradezu «normal». Daraus resultierenu.a. Halswirbelsäulenprobleme mit Schäden der Bandscheiben sowieder Halsnerven, welche die Schulter, Arme und Hände versorgen.Jeder Schulterchirurg begegnet deswegen in der täglichen Praxisnicht selten Schulterprobleme, die an Halswirbelsäulenproblemegekoppelt sind: Ausstrahlungsschmerzen bis in die Finger, Verspan-nungen der gesamten Nacken-, Schulter- und Armmuskulatur.Der therapeutische Zugang zu diesem Symptomenkomplex istschwierig, muss vorsichtig erfolgen und verlangt meistens eine guteund lange Kooperation zwischen Arzt, Patient und Therapeut. DieChirurgie bildet dabei nur ein Teil des therapeutischen Sprektrumsund sollte erst bei ausbleibendem Erfolg der übrigen Massnahmenangewendet werden.

12. Funktionelle Beschwerden, inkl. psychsomatische Störungen, Hals-, Schulter-, Armschmerzen bei Irritation der Wirbelsäule und der Hals- und Armnerven

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Rehabilitation

Die physiotherapeutische Weiterbehandlung der operierten Schulterist von ausschlaggebender Bedeutung. Eine Operation alleine, ohneentsprechende Nachbehandlung Führt nicht zum erhofften Resultat.Als Arzt kann ich lediglich die Voraussetzungen zum guten Gelingenbeitragen. Als Patient müssen Sie motiviert und bereit sein, die The-rapie konsequent durchzuführen. Seit der Einführung der frühpost-operativen Bewegungstherapie sind in der Schulterchirurgie enormeFortschritte zu verzeichnen. Unmittelbar nach der Operation, meist am 1. oder 2. Tag, beginnenwir mit der passiven Bewegungstherapie auf der motorisierten Bewe-gungsschiene. Dies bedeutet anfänglich etwas mehr Schmerzen,aber nur 1–2 Tage. Danach empfinden Sie und Ihr Gelenk dieseregelmässigen passiven Übungen als angenehm und entspannend.Sie verhindern zudem Verwachsungen zwischen Gewebeschichten,welche später zu Bewegungsbehinderungen führen könnten. Wenn Sie in der Physiotherapie Patienten antreffen, die ebenfalls ander Schulter operiert wurden, seien Sie sich immer bewusst, dass Sie die Nachbehandlung dieser Patienten nicht unbedingt auf IhreRehabilitation übertragen können. Erstens gibt es ganz verschiedeneSchultererkrankungen, die operativ behandelt werden und zweitenszeigt jeder Patient individuelle Unterschiede, sowohl bezüglichVerletzung oder Erkrankung des Gewebes, als auch bezüglich ope-rativer Rekonstruktion.

Ich möchte Ihnen ein paar allgemeine Ratschläge mit in die Rehabi-litation geben:

1. Die Physiotherapie in den ersten 6 Wochen dient nicht der Wieder-gewinnung Ihrer Kraft und Beweglichkeit, sondern der Heilung desGewebes. Die Therapie während dieser Anfangsphase soll mit Hilfeder motorisierten Bewegungsschiene eine gewisse Beweglichkeit er-halten. In dieser ersten Phase ist die Schmerzbehandlung und derUmgang mit den Schmerzen sehr wichtig. Die Schulter darf in die-ser Zeit nicht aktiv bewegt werden, nur der Ellbogen und die Hand-und Fingergelenke. In dieser Phase machen Sie die passive Thera-pie selbständig zu Hause und gehen noch nicht in diePhysiotherapie.

2. Alle Übungen, die Sie später in der Physiotherapie machen, dür-fen Sie auch zu Hause so oft als möglich durchführen. Diesesollten häufig, immer wieder in allen Variationen geübt werden, je-doch immer nur bis zur Schmerzgrenze und nicht in die Schmer-zen hinein. Die Übungen sollten Ihnen wohl tun und nicht einenstundenlangen Schmerz hinterlassen.

3. Alle Übungen, und kleinen Verrichtungen, die Ihnen keineSchmerzen bereiten und gut ertragen werden, sind auch erlaubt.Achten Sie aber auf die Intensität. Zuviel ist auch hier ungesund.

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13. Rehabilitation der operierten Schulter

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Rehabilitation60

4. Wenn Sie zu Hause oder in der Therapie zuviel geübt haben undSchmerzen auftreten, entspricht dies meist einem Anschwellendes operierten Gewebes und einer leichten überlastungsbedingtenEntzündung. Nehmen Sie die vom Operateur verordneten Medika-mente und legen Sie etwas Eis, eingepackt und geschützt durchein Tuch, auf die schmerzhafte Schulter.

5. Ein vernünftiges Mittelmass zwischen dauernder Bewegung undRuhe bringt Ihnen die beste Rehabilitation der Schulter.

6. Jede Rehabilitation beginnt zuerst mit einfachen Übungen. SteigernSie diese in der Frequenz, bevor Sie zu schwierigeren übergehen.Eine einfache Übung mit wenig Belastung häufig ausgeführt, ist bes-ser, als eine schwierige Uebung wenige Male erzwungen ausgeführt.

7. Beachten Sie die Anweisungen des Therapeuten und besprechenSie die Übungen in der Therapie.

8. Die regelmässigen Kontrollen beim Operateur sind notwendig, umden Stand der Rehabilitation zu erkennen und vor allem auch, um etwelche sich eingeschlichene Fehler zu besprechen und zubeheben. Dies gibt mir auch die Möglichkeit, Rücksprachen mitden Therapeuten zu nehmen.

9. Zuletzt möchte ich Sie daran erinnern, dass die «Physiotherapie»kein «Schwatzsalon» ist. Jeder einzelne möchte dort seine Reha-bilitation unter kompetenter Leitung durchführen und schnell wie-der gesund werden. Es ist wichtig, dass dort eine gute Atmosphä-re herrscht und die Patienten auch miteinander sprechen undeinander motivieren. Es ist aber der falsche Ort, über anderePatienten zu sprechen oder anderen Patienten durch medizini-sche Schauergeschichten zu imponieren.

3 Phasen der Schulterrehabilitation

Phase 1Diese ist gekennzeichnet durch die unmittelbar vorangegangeneOperation. Bereits vor der Operation haben Sie mit dem Anästhesi-sten gesprochen und er hat Ihnen erklärt, dass er, sofern dies beiIhnen zutrifft, vor der Operation einen Nervenblock zur Schmerzbe-handlung durchführen wird. Dabei bringt er mit einer PunktionLokalanästhesiemittel in die Nähe des den Arm und die Schulterversorgenden Nervenbündels, so dass der Arm noch über die Opera-tion hinaus schmerzfrei ist. Diese Schmerzbehandlung unmittelbarnach der Operation ist sehr wichtig. Dabei spielt auch die Ent-spannung der Muskulatur und die richtig Lagerung des Armes einezentrale Rolle. Wenn Sie aus der Narkose erwachen, ist Ihr Arm in gewissen Fällenauf einer Kissen-Abduktionsschiene gelagert. Dieser Keil hält denArm etwas vom Körper ab und verhindert somit eine zu grosseSpannung des operierten Gewebes Sie verhindert auch gewisseunerlaubten Bewegungen während der ersten postoperativen Zeit.

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Rehabilitation

Bei anderen Schulteroperationen ist der Arm in einem «Orthogilet-Verband» am Körper fixiert. Das heisst der Arm wird mit einem spe-ziellen Klettverschlussverband am Körper fixiert. Je nach durchgeführter Operation ist auch die postoperative Thera-pie verschieden. Was der einen Schulter nützlich ist, kann der an-dern schaden. Deswegen ist es sehr wichtig, dass Sie die physiothe-rapeutische Weiterbehandlung mit dem Operateur besprechen undnicht mit «Irgendjemandem». Für die meisten Schulteroperationen dauert der Spitalaufenthalteine Woche. In dieser Zeit ist die Wundheilung wichtig, der Beginnder passiven Bewegungstherapie und die Einführung und Instruktionüber den selbständigen Umgang mit der motorisierten Arthromot-schiene. In dieser Zeit sollten Sie auch die weiteren Fragen mit demOperateur besprechen. Auch das Pflegepersonal kann Ihnen in die-ser Zeit wertvolle Tipps für zu Hause geben. Bei Austritt sollte Ihnendas weitere Procedere und auch der Kontrolltermin beim Operateurbekannt sein.

Die operative Therapie der Schulter ist aufwendig, angefangen beider Operation bis zur Physiotherapie. Deshalb müssen darüber klareVorstellungen bestehen und der Patient muss wissen, wohin er sichbei etwelchen Problemen wenden kann. Die erste Anlaufstelle istimmer der Operateur, der Therapeut und der Hausarzt. Wenn Sie zuHause sind, werden Sie die passiven Übungen in der ersten Phase6–10x/Tag während 1¼4 bis 1¼2 Stunde durchführen. Patienten,die eine Kissenabduktionsschiene benötigen, erhalten zum Duscheneinen plastifizierten Keil mit nach Hause.

Phase 2Die begonnene Physiotherapie dient der Wiedererlangung der vollenBeweglichkeit, auch oberhalb der Horizontale. Intensive Therapie zuHause als auch in der Physiotherapie sind die Merkmale dieser Pha-se. Je nach behandelter Krankheit oder Verletzung unterscheidensich die Verläufe in dieser Zeit entscheidend. Die Zeit der Abheilungist nun vorbei. Das Gewebe muss nun in viel Therapie wiederelastisch und belastbar gemacht werden. Die Übungen können auchim Bad und mit Geräten durchgeführt werden. In neuer Zeit hat sich das Aquafit sehr bewährt. Meistens sind Sie in dieser Zeit nocharbeitsunfähig. Insbesondere wenn Sie einen handwerklichen Berufausüben oder im Haushalt tätig sind. Sicher können Sie viele Tätig-keiten schrittweise wieder aufnehmen. Die Schulter ist aber in die-ser Phase noch keineswegs belastbar, noch hat sie genügend roheund konditionelle Kraft, um eine Arbeitsfähigkeit zu beginnen. AlleTätigkeiten in dieser Phase sollten als Therapie durchgeführt werdenund sich nach der zu rehabilitierenden Schulter richten.

Phase 3Ist die Zeit des Wiederaufbaus der Kraft und Kondition. Zudem dieZeit der Reintegration der Schulterfunktion in die alltäglichen An-forderungen. Je nach körperlicher oder sportlicher Tätigkeit ist diesePhase unterschiedlich. Es ist ein grosser Unterschied, ob Sie spä-ter wieder als Handwerker, z.B. im Baugewebe, oder im Büro tätig sind. Die Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit bleibt das Ziel.

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Rehabilitation62

Die Übungen werden immer mehr selbständig zu Hause oder im Fit-ness durchgeführt. Dem Therapeuten kommt nunmehr die Funktionder Therapiekontrolle zu. Die Verläufe sind in dieser Phase auch jenach durchgeführter Operation oder Dauer des vorgängigen Krank-heitsverlaufes unterschiedlich. Je schwerer und länger die Schädi-gung vor der Operation bestanden hat und je mehr sich vor der Ope-ration das Gelenk auf diese schlechte Funktion eingestellt hat, destoschwieriger und länger wird diese Phase der Rehabilitation und Rein-tegration. Da es ein halbes Jahr dauert, bis der Schleimbeutel unterdem Schulterdach wieder neu gebildet ist, kann der Patient erstnach dieser Zeit mit einer ganz schmerzfreien Schulterbeweglichkeitrechnen. Der Beginn der vollen Arbeitsfähigkeit dauert je nachdurchgeführter Operation zwischen 3–6 Monaten. Da sich eine operierte Schulter noch bis ein Jahr nach der Operationnoch dauernd in kleinen Schritten verbessern kann, ist die Schluss-beurteilung auch erst nach dieser Zeit sinnvoll. Diese letzten Fei-neinstellungen und Verbesserungen geschehen jedoch meist unmerk-lich. Auch später nach Abschluss der Behandlung und Rehabilitationsollten Sie nie vergessen, dass Sie eine rekonstruierte Schulter habenund Sie auf diese Extremität etwas mehr Rücksicht nehmen müssen;denn Zweit- oder Mehrfacheingriffe an einem Gelenk sind immerschwieriger als Erstoperationen und häufig nicht mehr mit demselbenSchlussresultat abschliessbar.

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Komplikationen

Wie nach jeder Operation überhaupt können sich auch nach Schul-teroperationen, wenn auch sehr selten, Komplikationen ereignen.Dabei sind allgemeine Komplikationen (Reaktion des gesamtenOrganismus oder eines Organs auf eine Operation, Anästhesie oderMedikamente gemeint) von lokalen Komplikationen (z.B. Infektion,Bluterguss, Nervenirritation u.a.) zu unterscheiden:

Die allgemeinen Reaktionen des Gesamtorganismus sind nach einer Schulteroperation eher selten im Vergleich zu anderen Interventio-nen, z.B. Bauchoperationen, Beinoperationen etc. Dies hat verschie-dene Gründe: Kein Fremdblutbedarf, kürzere Operationszeiten alsbei grossen Eingriffen (z.B in der Bauchhöhle oder Brusthöhle),schonende Lagerung während der Operation, Kombination der All-gemeinanästhesie mit einem langdauernden Nervenblock, u.a.m.Auch die sonst gefürchteten Thrombosen und Lungenembolien sindnach Schulteroperationen äusserst selten und unter der meist durch-geführten Prophylaxe praktisch nicht mehr gesehen. Dazu kommtder Vorteil, dass der Patient nach der Operation nicht immobilisiertist und alle Glieder wieder bewegen darf, so auch den operierten Armauf der Arthromotschiene und mit Pendelübungen. Die lokalen Komplikationen wie Bluterguss oder Infektion sind eben-falls nicht häufiger als bei anderen Gelenkoperationen und können,wenn gut erkannt und schnell, kompetent behandelt, immer ohnegrössere Folgen für den Patienten und das betroffene Gelenk saniertwerden. Dabei hilft uns die ausserordentlich gute Durchblutung dergesamten Schulter und der gute muskuläre Weichteilmantel desSchultergelenkes. Die Nervenirritationen, wie Lähmungserscheinun-gen oder Nervenreizung sind selten, aber ernsthaft. Eine Nerven-verletzung anlässlich der Operation sollte es nicht geben, es sei dennder Nerv war schon durch den Unfall, z.B. bei Luxationen oder Frak-turen, vorgeschädigt. Eine passagere Lähmung des Nerven kann esdurch vermehrten Zug am Arm geben. Diese Schädigungen bildensich in der Regel immer zurück.Die gute kompetente Ausführung einer Operation, auch in anato-misch schwieriger Region, gehört zur Pflicht des Operateurs. Je besserund routinierter er sich in dieser Region auskennt, umso wenigerunangenehme Überraschungen entstehen. Je schneller, schonenderund feiner der Operateur mit dem Gewebe umgeht, desto wenigerKomplikationen. Eine gute, ehrliche Arzt-Patienten-Beziehung hilftnebst der guten Operation enorm für einen guten postoperativenVerlauf, für ein gutes Endresultat und hilft nicht zuletzt auch, Kom-plikationen zu vermeiden.

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14. Komplikationen, die nach einerSchulteroperation auftreten können

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Komplikationen64

Geld

Ist eine Schulteroperation teuer? – Soll sie billig sein? In der Zeit des «Sparens um jeden Preis» müssen wir uns trotzdemimmer dieselbe Frage erneut stellen, was ist mir die Gesundheit wertund welche Kompromisse will ich noch eingehen. Was ist mir z.B. im Spitalaufenthalt die Hotellerie, was die ärztliche Leistung, was diefreie Arzt- und Spitalwahl u.s.w. wert. Möchte ich vom Arzt meinesVertrauens oder von irgendeinem Operateur behandelt werden?In unserer «kostenbewussten Zeit» ist es sicher richtig, wenn Sieauch den «Geld-Aspekt» mit dem Operateur besprechen. Es gibtaber sehr verschiedene Schulteroperationen und entsprechend sinddie Operationshonorare verschieden. Bedenken Sie immer, wievielAufwand (Information, Vorbereitung, technologischer Aufwand undKompliziertheit der Operation u.a.) hinter einem Honorar stehen,welche grosse Verantwortung ein Operateur auf sich nehmen muss,da eine «schlechte Schulter» praktisch immer eine teilweise Invali-dität zur Folge hat.Stimmen unsere Relationen überhaupt noch? – Für einen normalenService an unserem Mittelklasswagen zahlen wir locker 600.– bis1000.– Fr., für unsere notwendigen Ferien geben wir ebenfalls leichtpaar tausend Franken pro Jahr aus, erwähnt seien hier nur die Ski-ferien mit Ausrüstung u.s.w.Ein gut und lange funktionierendes, schmerzfreies Gelenk, womit wir täglich all unseren Bewegungsbedürfnissen nachkommen können,hat das nicht auch seinen Wert?

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Physiotherapeutische Behandlung

Phase 1: Wundheilung/Ruhephase auf der Kissenschiene(Wochen 1–6)

– Instruktion des Patienten Gebrauch des KissensGebrauch des DuschkeilsEntspannung, Haltung

– Installation und Instruktion bezüglich Arthromotschiene

– Schmerzlindernde Massnahmen EisMedikamenteLagerung im Liegen und SitzenPendeln in Vorbeugestellung

– Isometrische Übungen auf dem Kissen

– Übungen im Ellbogengelenk und Vorderarm

Phase 2: Beweglichkeit, Bewegungsgefühl, Beginn mit Kraftaufbau(Woche 6–12)

– Beweglichkeit erhalten, aktive Aufbautherapie der Beweglichkeit.

– Aktiv assistierte Übungen, mit dem Gegenarm, mit dem Physio-therapeuten

– Mobilisierende Techniken durch den Physiotherapeuten

– Übungen mit Geräten: Überkopfpendelzug, Poulimed, Ball, Stab,etc.

– Koordination: Isometrische Übungen, Zentrieren des Oberarm-kopfes im Schultergelenk

– Beginn mit Kraftaufbau

Phase 3: Kraftaufbau, Ausdauer, Verbesserung der konditionellen Kraft, Sport

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15. Physiotherapeutische Behandlung nach chirurgischen Eingriffen am Schultergelenk

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