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Neuropsychologische Demenztests in der Praxis-
Wann? Welche? Wie?
Andreas JohnenLtd. Psychologe
Abteilung für Klinische NeuropsychologieKlinik für Allgemeine Neurologie
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Was kann neuropsychologische Diagnostik im Idealfall leisten?
1. Objektivierung kognitiver Defizite und Schweregradeinschätzung / Alltagskompetenz
2. Hinweise auf die Lokalisation vonHirnschädigungen
3. Bewertung verschiedener Differential-diagnosen (kognitives Profil typisch?)
4. Abgrenzung zu kognitiven Störungenim Rahmen psychischer Erkrankungenund nicht-authentischen Störungender Hirnleistung
Was empfiehlt die S3-Leitline „Demenzen“?
1. Basisdiagnostik- Verwendung von ökonomischen Kurztests für die
Bestimmung von Demenzsyndromen und deren Schweregrad
- Kurztests haben eine eingeschränkte Sensitivität und eignen sich nicht für die Differenzialdiagnostik
2. Vertiefte neuropsychologische Früh- u. Differenzialdiagnostik- Einsatz bei fraglicher und beginnender Demenz und
komplexen Komorbiditäten- Zu berücksichtigende Bereiche: Lernen und Gedac̈htnis,
Orientierung, Raumkognition, Aufmerksamkeit, Praxie, Sprache und Handlungsplanung
Herausgeber: DGPPN u. DGN (2009)
Idealer Ablauf neuropsychologische Diagnostik
HirnfunktionTestergebnis
Einwirkung von ...LeistungsbereitschaftPsychische VerfassungMotorische und perzeptuelle FähigkeitenMedikation und Tagesverfassung
Integration und Befundmit Bezug auf Hypothese
Anamnese und klinische Beobachtung
Testauswahl & Testdurchführung
Hypothesen-bildung
AD?MCI?
Woran erkenne ich gute Tests?
• Validität à Test misst das was er messen sollen
• Reliabilität à Test misst verlässlich und ohne Messfehler
• Standardisierung à Test wird immer gleich durchgeführt
• Praktikabilität à Test bietet Interpretationshilfe und Cut-Off Scores für die jeweilige Fragestellung
• Auslesefähigkeit à Sensitivität, Spezifität für bestimmte Erkrankung in einer bestimmten Population
• Normierung à Unter Berücksichtigung von Geschlechts-Alters- u. Bildungseffekten sowie Kultur
• Orientiert an aktuellen klinischen Leitlinien und Definitionen
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%Welche Tests werden bereits verwendet?
Aus: Kulessa F (2014): Leidlinie oder Leitline: Umsetzung der S3-Leitlinie „Demenz“ in der ambulanten medizinischen Versorgung
Mini Mental Status Examination (MMSE)
Gedächtnis +Sprache +Visuokonstruktion +Aufmerksamkeit +Exekutivfunktionen –Praxie -
Auslesefähigkeit: Gut für DAT, niedrige Sensitivität für MCI (68-80%)
Anwendung: Schweregradeinteilung bei bestehender Demenz
Folstein et al. (1975) J Psychiat Res. 12: 189-98
Uhrentest
Gedächtnis (+)Sprache (+)Visuokonstruktion +Aufmerksamkeit -Exekutivfunktionen +Praxie -
Auslesefähigkeit: Höhere Sensitivität für MCI ggü. MMSE (82 %), Sensitivität MMSE + UT höher als MMSE alleine bei MCI (86%)
Anwendung: Verbesserung der Auslese in Kombination mit dem MMSE
Shulman (2000) Int J Geriatr Psychiatry. 2000 Jun;15(6):548-61
DemTect
Kalbe et al. (2004) Int J Geriatr Psychiat 19, 136–9
Gedächtnis +Sprache +Visuokonstruktion -Aufmerksamkeit +Exekutivfunktionen +Praxie -
Auslesefähigkeit:Höhere Sensitivität für MCI ggü. MMSE (85 – 90%)Höhere Sensitivität ggü. MMSE bei beginnenden Demenzen
Anwendung:Basisdiagnostik Früherkennung MCI u. Demenz
Montreal Cognitive Assessment (MoCA)
Gedächtnis +Sprache +Visuokonstruktion +Aufmerksamkeit +Exekutivfunktionen +Praxie -
Auslesefähigkeit:Vergleichbare Sensitivität für MCI ggü. DemTect ( 85 – 90%)Höhere Sensitivität ggü. MMSE bei beginnenden Demenzen
Anwendung:Basisdiagnostik Früherkennung MCI u. Demenz, Parkinson-Erkrankung
Nasreddine et al. (2005) J Am Geriatr Soc. 53(4): 695-9
FAB-D (Frontal Assessment Battery)
Gedächtnis -Sprache +Visuokonstruktion -Aufmerksamkeit +Exekutivfunktionen +Praxie -
Auslesefähigkeit: Gute Diskriminanzvalidität (89%) für Frontalhirnsyndrome (u.a. bvFTD) ggb. DAT
Anwendung: Basisdiagnostik Ergänzung zum MMSE u. bei V.a. frontale oder subkortikale Störung
Benke et al., (2013) Journal of Neurology
Ergänzende standardisierte Screening Verfahren (I)
Apraxiescreening: DATE (Dementia Apraxia Test)
„Cookie theft picture“– Aphasie und Sprechmotorik – Simultanagnosie
Regensburger Wortflüssigkeitstest (RWT)
– semantische und phonematische Wortflüssigkeit
Ergänzende standardisierte Screening Verfahren (II)
Bayer- Activities of Daily Living Scale (B-ADL)
– Skala zur Einschätzung der Alltagskompetenz
– erfasst speziell Frühsymptome (I-ADL)
– Fremd- und Selbstbeurteilung
Anwendung:Einschätzung und Verlaufsbeurteilung der Alltagskompetenz ab Stadium MCI
Ergänzung zu Screening Verfahren (III)
Erfassung „nicht-kognitiver“ Einflussfaktoren
Beck Depressions Inventar (BDI) Geriatric Depression Scale (GDS)
– Erfassen aktuelle depressive SymptomatikAnwendung: Basisdiagnostik und Verlauf depressiver Symptome
Frontal Behavioral Inventory (FBI)– Erfasst typische Verhaltensänderungen bei FrontalhirnsyndromenAnwendung: Basisdiagnostik Vehaltensvariante der frontotemporalenDemenz (bvFTD) (Sensitivität 93 %)
Wie testen?
Externale Störvariablen• Unruhige, laute oder zu dunkle Testumgebung• Fehlerhafte Administration der Tests• Sedierende Medikation
Internale Störvariablen• Depressivität oder andere psychiatrische
Erkrankungen• Intelligenzminderung oder Entwicklungsstörung• Visuelle-, auditive-, sprachliche- oder
motorische Einschränkungen• Suboptimales Leistungsverhalten / Aggravation
oder sonstige motivationale Faktoren
Störvariablen in der neuropsychologischen Diagnostik
Externale Störvariablen
àSind i.d.R. gut kontrollierbar!– Transparenz und Ankündigung der Untersuchung und
ihres Zweckes– Reduktion äußerer Störfaktoren (Lärm, Licht etc.)– Keine Angehörigen während der Testung– Ausreichende Expertise und Erfahrung mit den
einzusetzenden Verfahren– Testleistungen nicht kommentieren oder
bagatellisieren– Sedierende Medikation absetzen, invasive
Untersuchungen im Vorfeld vermeiden
Störvariablen in der neuropsychologischen Diagnostik
Internale Störvariablen
àSind kaum kontrollierbar aber teilweise messbar und teilweise schätzbar!• Perzeptuelle, sprachliche und motorische
Einschränkungen erfragen!• Bildung und Hinweise auf Entwicklungsstörungen
erfragen!• Psychiatrische Vorgeschichte erheben!• Neurologische Vorgeschichte erheben!• Verhaltensbeobachtung in Bezug auf
Leistungsbereitschaft, Depressivität, sonstige psychiatrische Erkrankung, Umgang mit Defiziten während der Testung!
Fazit und Empfehlungen: Basisdiagnostik
MoCA• umfassendes Screening-Verfahren mit Parallelformen• sehr zu empfehlen für Basisdiagnostik von Demenz und MCI sowie zur
Verlaufsdiagnostik
MMSE & Uhrentest• Ausreichende Screening-Verfahren bei bekannter Demenz• In Kombination auch zu empfehlen für die Verlaufsbeurteilung sowie
Frühdiagnostik
Empfehlenswerte spezifischere Screenings
Frontalhirnfunktion: FAB-D, FBI, DATEAlltagskompetenz: B-ADL
Äußere und innere Störfaktoren minimieren• Keine Angehörigen, korrekte Testanwendung und -auswertung• Einfluss innerer Störfaktoren klinisch abschätzen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!