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224 \...-- Dominique Jakob AcP die Ausstattung zurückgreifen, wenn sie einen ihrer Abkommlinge besonders bevorzugen mochten 101 oder (im Rahmen der Angemessenheit) die gelocker- ten Bindungswirkungen des Schenkungsrechts (§§ 519, 528 BGB) - etwa mit Blick auf die Sozialhilfe - ausschalten wollen. Die Grenze, die besteht, ist diejenige der Typenehrlichkeit 102 und des Ge- staltungsmissbrauchs. Dominieren muss der genuine Existenzsicherungs- zweck - die Eltern konnen nicht etwaige Vorteile der Ausstattung nutzbar machen, oh ne die Kinder auch ernsthaft in ihrer Lebensstellung zu unterstüt- Zen. Es reicht also nicht, vorweggenommene Erbfolge in den "Mantel der Aus- stattung" 103 zu kleiden, wenn der notwendige materielle Inhalt fehlt. VII. Ergebnis und Ausblick Fasst man zusammen, handelte es si ch bisher bei dem Versuch, innerfamiliiire Vermogensübertragungen in Form der Ausstattung vorzunehmen, um eine Gratwanderung mit ungewissem, haufig aber für die personlichen Existenzen entscheidendem Ausgang. Es erschien daher der Versuch wichtig, die Kon- turen des Ausstattungsbegriffs zu scharfen, um die heterogenen Einzelfalle auch für die kautelarjuristische Praxis vorhersehbar werden zu lassen und die Ausstattung ais ehrliches Gestaltungsinstrument hoffahig zu machen. Durch die hiervorgeschlagene flexible Begriffsbildung wird der Anwendungsbereich der Ausstattung moglicherweise erweitert. Aber nur durch diese Interpreta- tion kann - so lautet das abschlieBende Resümee - die alte Vorschrift des § 1624 BGB ihrem Sinn und Zweck im systematischen Gesamtgefüge des BGB ge- recht werden und ihre familienrechtliche Wertung heute und weiterhin garan- tieren. 101 Dies jedenfalls bei herkommlicher Interpretation des § 2325 BGB; siehe oben IV.3. 102 Dazu Langenfeld, Rn. 639; Sailer, NotBZ 2002,83. ID} 50 Bohmer, MittBayNot 1996,407. Der Begriff der Rechtsfahigkeit von Dr. Matthias Lehmann, Bayreuth lnhaltsübersicht 1. Rechtsfahigkeit und Handlungsfahigkeit . 226 2. Notwendigkeit der Zuerkennung der Rechtsfahigkeit . 227 a) Bei natürlichen Personen . 227 b) Bei Personenmehrheiten . 229 c) Einführung neuer Rechtssubjekte durch Rechtsfortbildung . 231 3. Umfang der Rechtsfahigkeit . 233 a) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit natürlicher Personen . 234 b) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit von Personenmehrheiten . 236 4. Gesamtrechtsfahigkeit und Einzelrechtsfahigkeit . 239 5. Rechtsfahigkeit und Rechtspersonlichkeit . 240 a) Verbande mit und ohne Rechtspersonlichkeit . 240 b) Nahere Bestimmung des Begriffs der Rechtspersonlichkeit . 242 c) Sinn der Unterscheidung zwischen Verbanden mit und ohne Rechtspersonlichkeit . 245 6. Rechtsfahigkeit und Publizitat des Rechtssubjekts . 247 7. Rechtsfahigkeit und Vermogen . 249 8. Gespaltene Rechts- und Pflichtenfahigkeit . 251 9. Transnationale Rechtsfahigkeit . 252 10. Zusammenfassung '" . 255 Die jüngere Rechtsprechung, welche der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Wohnungseigentümergemeinschaft beschrankte Rechtsfahigkeit zu- spricht 1 , der Erbengemeinschaft jedoch nicht 2 , sorgt für Irritationen. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang eine "Begriffsverwirrung" beklagt worden. 3 Dies ist umso erstaunlicher, ais es sich bei der Rechtsfahigkeit um einen grundlegenden Terminus des Zivilrechts handelt. Ziel dieses Artikels ist, den Begriff konsistent im Hinblick sowohl auf natürliche und juristische Personen ais auch auf Personengesellschaften zu klaren. Dabei ist zu beachten, dass es sich um einen Grundbegriff nicht nur der deutschen, sondern einer je- 1 BGHZ 146,341; 163, 154. 2 BGH, ZIP 2006, 2125. } Vgl. Beuthien,JZ 2003,715. Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 207 (2007), 5.225-255 © Mohr 5iebeck - 155N 0003-8997

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Dominique Jakob AcP

die Ausstattung zurückgreifen, wenn sie einen ihrer Abkommlinge besonders bevorzugen mochten101 oder (im Rahmen der Angemessenheit) die gelocker­ten Bindungswirkungen des Schenkungsrechts (§§ 519, 528 BGB) - etwa mit Blick auf die Sozialhilfe - ausschalten wollen.

Die Grenze, die besteht, ist diejenige der Typenehrlichkeit102 und des Ge­staltungsmissbrauchs. Dominieren muss der genuine Existenzsicherungs­zweck - die Eltern konnen nicht etwaige Vorteile der Ausstattung nutzbar machen, ohne die Kinder auch ernsthaft in ihrer Lebensstellung zu unterstüt­Zen. Es reicht also nicht, vorweggenommene Erbfolge in den "Mantel der Aus­stattung" 103 zu kleiden, wenn der notwendige materielle Inhalt fehlt.

VII. Ergebnis und Ausblick

Fasst man zusammen, handelte es sich bisher bei dem Versuch, innerfamiliiire Vermogensübertragungen in Form der Ausstattung vorzunehmen, um eine Gratwanderung mit ungewissem, haufig aber für die personlichen Existenzen entscheidendem Ausgang. Es erschien daher der Versuch wichtig, die Kon­turen des Ausstattungsbegriffs zu scharfen, um die heterogenen Einzelfalle auch für die kautelarjuristische Praxis vorhersehbar werden zu lassen und die Ausstattung ais ehrliches Gestaltungsinstrument hoffahig zu machen. Durch die hiervorgeschlagene flexible Begriffsbildung wird der Anwendungsbereich der Ausstattung moglicherweise erweitert. Aber nur durch diese Interpreta­tion kann - so lautet das abschlieBende Resümee - die alte Vorschrift des § 1624 BGB ihrem Sinn und Zweck im systematischen Gesamtgefüge des BGB ge­recht werden und ihre familienrechtliche Wertung heute und weiterhin garan­tieren.

101 Dies jedenfalls bei herkommlicher Interpretation des §2325 BGB; siehe oben IV.3.

102 Dazu Langenfeld, Rn. 639; Sailer, NotBZ 2002,83. ID} 50 Bohmer, MittBayNot 1996,407.

Der Begriff der Rechtsfahigkeit

von Dr. Matthias Lehmann, Bayreuth

lnhaltsübersicht

1. Rechtsfahigkeit und Handlungsfahigkeit . 226

2. Notwendigkeit der Zuerkennung der Rechtsfahigkeit . 227 a) Bei natürlichen Personen . 227 b) Bei Personenmehrheiten . 229 c) Einführung neuer Rechtssubjekte durch Rechtsfortbildung . 231

3. Umfang der Rechtsfahigkeit . 233 a) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit natürlicher Personen . 234 b) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit von Personenmehrheiten . 236

4. Gesamtrechtsfahigkeit und Einzelrechtsfahigkeit . 239

5. Rechtsfahigkeit und Rechtspersonlichkeit . 240 a) Verbande mit und ohne Rechtspersonlichkeit . 240 b) Nahere Bestimmung des Begriffs der Rechtspersonlichkeit . 242 c) Sinn der Unterscheidung zwischen Verbanden

mit und ohne Rechtspersonlichkeit . 245

6. Rechtsfahigkeit und Publizitat des Rechtssubjekts . 247

7. Rechtsfahigkeit und Vermogen . 249

8. Gespaltene Rechts- und Pflichtenfahigkeit . 251

9. Transnationale Rechtsfahigkeit . 252

10. Zusammenfassung '" . 255

Die jüngere Rechtsprechung, welche der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Wohnungseigentümergemeinschaft beschrankte Rechtsfahigkeit zu­spricht1, der Erbengemeinschaft jedoch nicht2, sorgt für Irritationen. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang eine "Begriffsverwirrung" beklagt worden.3 Dies ist umso erstaunlicher, ais es sich bei der Rechtsfahigkeit um einen grundlegenden Terminus des Zivilrechts handelt. Ziel dieses Artikels ist, den Begriff konsistent im Hinblick sowohl auf natürliche und juristische Personen ais auch auf Personengesellschaften zu klaren. Dabei ist zu beachten, dass es sich um einen Grundbegriff nicht nur der deutschen, sondern einer je­

1 BGHZ 146,341; 163, 154. 2 BGH, ZIP 2006, 2125. } Vgl. Beuthien,JZ 2003,715.

Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 207 (2007), 5.225-255 © Mohr 5iebeck - 155N 0003-8997

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226 Matthias Lehmann AcP

den Rechtsordnung handelt. Das macht es notwendig, auch rechtstheoretische und rechtsvergleichende Aspekte einzubeziehen.

1. Rechtsfahigkeit und Handlungsfahigkeit

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat den Begriff der Rechtsfiihigkeit ursprüng­lich nicht definiert, sondern vorausgesetzt. In seiner Eingangsvorschrift be­stimmt es lapidar, dass die Rechtsfahigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt beginnt.4 Die herrschende Meinung versteht von jeher unter der Rechtsfahigkeit - in teilweiser Tautologie - die Fiihigkeit, Trager von Rechten und Pflichten zu sein5. Rechtsfiihigkeit wird auch definiert ais die Moglich­keit, "Subjekt von Rechtsverhaltnissen" zu sein6, oder ais die "Fiihigkeit, Zu­rechnungsendpunkt von Rechtsbeziehungen zu sein"7. Ein sachlicher Unter­schied zur üblichen Definition besteht insoweit nicht.

Dagegen sehen andere in der Rechtsfiihigkeit die Fahigkeit, sich rechtser­heblich zu verhalten. 8 Sie wollen den Begriff naher an tatsachliche Gegeben­heiten anbinden. Damit verwischen sie jedoch die Grenze zu einem anderen Terminus: der "Handlungsfahigkeit"9. Letztere bezeichnet die Fiihigkeit, durch eigene Handlungen Rechtswirkungen hervorzubringen. lO Obwohl das BGB den Ausdruck "Handlungsfiihigkeit" nirgends benutzt, kennt es zwei ihrer Auspragungen: die Geschafts- und die Deliktsfahigkeit. Diese sind nach deutschem Recht von der Rechtsfiihigkeit zu unterscheiden. 50 ist der Mensch vor Vollendung des siebten Lebensjahrs zwar rechtsfiihig, aber nicht geschafts­oder deliktsfiihig. ll Die Unterscheidung zwischen Rechts- und Handlungsfa­higkeit findet sich auch in anderen Rechtsordnungen. 50 trennt etwa die fran­

4 § 1 BGB. 5 Habermann/Weick, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Bearb. 1994, § 1,

Rn.l; SoergellFahse, BGB, Kommentar, 13. Aufl. 2000, § 1, Rn.l; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl. 2006, Rn.154. So schon v. Savigny, System des heutigen Romischen Rechts, Band 2,1840, S.I; Enneccerus/Nipperdey, Allgemei­ner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1, 15. Aufl. 1959, S. 477.

6 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, §5, Rn. 2. 7 Wiedemann, WM Sonderbeilage 1994/4, S. 6 f. 8 Fabricius, Relativirat der Rechtsfiihigkeit, 1963, S.44; Gitter, in: Münchener

Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1993, § 1, Rn. 5. In diese Richtung auch Husserl, AcP 127 (1927), 129, 191, der formuliert: "Rechtsfiihig ist, wer befiihigt ist, selbst oder durch ,andere' rechtswirksam zu handeln."

9 Bork, Al1gemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl. 2006, Rn.155. la Vgl. SoergellFahse, 13. Aufl. 2000, Vor § 1, Rn. 13. Il Vgl. § 104 Nr. 1 und § 828 Abs. 1 BGB.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfiihigkeit 227

zosische Lehre die "capacité de jouissance" von der "capacité d'exercice"Y Das spanische Recht differenziert zwischen der "capacidad jurfdica" und der "capacidad de obrar"Y Das schweizerische Zivilgesetzbuch kennt ebenfalls die Unterscheidung zwischen Rechts- und Handlungsfiihigkeit.14

Mittlerweile hat auch der deutsche Gesetzgeber zur Rechtsfiihigkeit Stel­lung genommen, und zwar an versteckter Stelle. Der imJahr 2000 eingefügte § 14 Abs. 2 BGB definiert im Zusammenhang mit dem Unternehmerbegriff die "rechtsfiihige Personengesellschaft" und klart in diesem Zusammenhang den Begriff der Rechtsfiihigkeit. Aus der Regelung geht hervor, dass es sich um die Fiihigkeit handelt, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Über den Umweg des Verbraucherrechts und des Rechts der Personengesell­schaften ist daher erstmals der Begriff der Rechtsfahigkeit in Deutschland le­galdefiniert worden. Die yom Gesetzgeber gewahlte Definition stimmt mit der herrschenden Meinung und mit der im Ausland vorherrschenden Begriff­lichkeit überein.

2. Notwendigkeit der Zuerkennung der Rechtsfahigkeit

a) Bei natürlichen Personen

Rechtsfahigkeit versteht sich nicht von selbst, sondern muss von der Rechts­ordnung zuerkannt werden. Das gilt entgegen anderer Meinung15 auch bezüg­lich natürlicher Personen.16 Die Notwendigkeit der Zuerkennung der Rechts­fiihigkeit an den Menschen lasst sich mittelbar aus internationalen Abkommen schlieBen. 50 bestimmt die Allgemeine Erkliirung der Menschenrechte in ih­rem Artikel6: "Jeder hat das Recht, überall ais rechtsfahig anerkannt zu wer­den."17 Eine wortgleiche Vorschrift findet sich in Artikel16 des Internationa­

12 Vgl. Goubeaux, in: Ghestin (Hrsg.), Traité de droit civil, Les personnes, 1989, S.24.

13 Siehe Diez-Picazo/Gullôn, Sistema de derecho civil, Band 1, II. Aufl. 2003, S.214.

14 Vgl. Art. 11 f., 53 f. ZGB. 15 Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, S. 89;

E. Wolf, Al1gemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 3. Aufl.1982, S. 181. 16 So auch Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 217. 17 Allgemeine Erkliirung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, abgedruckt

in: Tomuschat (Hrsg.), Volkerrecht, 2. Aufl. 2004, unter Nr. 10. Die Vorschrift enthiilt scheinbar einen Gedankenzirkel, da ein Recht zu haben bereits Rechtsfiihigkeit voraus­setzt. Der Zirkellost sich auf, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Vorschrift des Volkerrechts handelt, die auf die Anerkennung der Rechtsfiihigkeit in anderen Rechts­ordnungen, niimlich in den nationalen Rechten, gerichtet ist.

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228 Matthias Lehmann AcP 207 (2007) Der BegriH der Rechtsfahigkeit 229

len Paktes über bürgerliche und politische Rechte.18 Dieser Bestimmungen bedurfte es nicht, wenn Menschen immer und überall rechtsfahig waren. Ge­nau dies ist aber nicht der Fall. So wurden Skiaven im romischen ius civile nicht ais rechtsfahig anerkannt. 19 Spater gab es den sogenannten "Klostertod": mit der Aufnahme ais Monch oder Nonne erloschenalle bürgerlichen Rechte. 20

Bis Mitte des 19.Jahrhunderts wurden zum Tod oder zu lebenslanger Haft Verurteilte in Frankreich ais "juristisch tot" angesehen. 21 lm chilenischen Zi­vilgesetzbuch klafft noch heute eine Lücke an der Stelle, an der der "muerte civil" geregelt war.22

Der bürgerlicheTod lebender Menschen widerspricht in grobem MaBe dem Gerechtigkeitsemp6nden. Bereits Savigny auBerte, der einzelne Mensch trage seinen Anspruch auf Rechtsfahigkeit "schon in seiner leiblichen Erscheinung" mit sich23 • Jedoch war er vorsichtig genug, nur von einem "Anspruch" auf Rechtsfahigkeit zu reden, nicht von der Rechtsfahigkeit selbst. Denn diese kommt einer Person nicht schon aufgrund ihres ÂuBeren zu. Eine solche Auf­fassung würde den Unterschied zwischen dem tatsachlichen Sein und dem Recht ais einer nur gedachten Ordnung verkennen. Was Savigny meinte, war, dass das Recht jeden Menschen ais rechtsfahig anerkennen müsse. Diese Idee ist von naturrechtlichen Vorstellungen beeinflusst. Sie gehen vor allem auf Samuel Pufendorf zurück, welcher aus der Menschenwürde die naturrecht­liche Gleichheit und Freiheit aller Menschen folgerte. 24

Aus der Menschenwürde wird heute abgeleitet, dass der Einze1ne stets rechtsfahig sei. Das gelte unabhangig davon, ob es im Gesetz vorgesehen sei oder nicht. 25 Dem ist jedoch zu widersprechen. Jede Rechtsordnung legt selbst fest, welches ihre Subjekte sind. lm Volkerrecht ist beispielsweise immer noch umstritten, ob das einze1ne Individuum volkerrechtliche Rechte und pflichten

18 vom 19.12.1966, BGBI. 1973 II 1534. 19 Nass, Person, Personlichkeit und juristische Person, 1964, S.31; v. Savigny,

System des heutigen Romischen Rechts, Band 2, 1840, S. 32. Dagegen wurde ihnen un­ter dem Naturrecht sehr wohl Rechtsfahigkeit zugesprochen, vgl. Digesten I, 1,4.

20 Staudinger/Hausmann, Bearb. 2000, Art. 7 EGBGB, Rn. 28; KegellSchurig, In­ternationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, S. 478.

21 Cornu, Droit civil, Introduction - Les personnes, les biens, 11. Aufl. 2003, S.205.

22 Art. 95-97 chilenischer C6digo civil a.F. 23 v. Savigny, System des heutigen Rômischen Rechts, Band 2. 1840, S.277. Zum

Zusammenhang zwischen Rechtsfahigkeit und Publizitat des Rechtsubjekts noch un­ten, unter 6.

24 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1986, S. 47 ff. 25 v. Lübtow, in: Festschrift für Erik Wolf, 1985, S. 421, 424; Larenz/Wolf, AUge­

meiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, §5, Rn. 5.

haben kann. 26 Das hangt mit den besonderen Zwecken der internationalen Rechtsordnung zusammen. Hinsichtlich der nationalen Rechte würde es aus heutiger Sicht einen eklatanten VerstoB gegen die Menschenwürde darstellen, wenn diese einen lebenden Menschen nicht aIs Rechtssubjekt anerkennen würde. Doch kann nicht bezweifelt werden, dass sie die Macht dazu hat. 27 Die Versuche im Dritten Reich, die Rechtsfahigkeit nach § 1 BGB auf sogenannte Volksgenossen zu beschranken, sollten in dieser Hinsicht ais Mahnung die­nen. 28 Gerade weil die Rechtsordnung ihre Rechtssubjekte selbst de6niert, ist Wachsamkeit gegenüber Bestimmungen zur Rechtsfahigkeit geboten.

Einen gewissen Spielraum wird man dem Gesetzgeber auch hinsichtlich natürlicher Personen nicht absprechen konnen. So ist es der Festlegung durch das nationale Recht überlassen, ab und bis zu welchem Zeitpunkt es einer Per­son Rechtssubjektivitat zukommen lasst. 29 Es kann nicht Medizinern oder Biologen erIaubt werden, den Beginn und das Ende der Rechtsfahigkeit zu bestimmen. Andernfalls würde man in heillose Abgrenzungsschwierigkeiten geraten. Insoweit kommen genuin juristische Erwagungen wie das Bedürfnis nach Rechtssicherheit zum Tragen.30

Auch dann also, wenn man zustimmt, dass die Anerkennung aller Men­schen aIs rechtsfahig einem naturrechtlichen Prinzip entspricht, kann die Rechtsfahigkeit der Person innerhalb der positiven Rechtsordnung nur durch letztere zuerkannt werden. 31 Die Rechtsfahigkeit ist Eigenschaft unter dem Recht, nicht nach der Natur.

b) Bei Personenmehrheiten

Noch deutlicher aIs bei natürlichen Personen ist die Notwendigkeit der Zu­erkennung der Rechtsfahigkeit durch die Rechtsordnung bei juristischen Per­sonen und Gesellschaften. Keine Personenmehrheit ist ohne weiteres rechtsfa­hig. Hier fehlt es schon an einem auBerlich eindeutig bestimmbaren Subjekt.

26 Vgl. nur lpsen, Volkerrecht, 4. Aufl. 1999, S. 79 H. 27 Nach H.j. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 1,1968, S.133, folgt

aus der Positivitat der Rechtsordnung, dass mit der Moglichkeit gerechnet werden muss, die Rechtsordnung konnte dem ihr unterworfenen Menschen dessen Urrecht, namlich die Anerkennung ais Rechtssubjekt, versagen.

28 Siehe Larenz, in: Dahm u.a. (Hrsg.), Grundfragen der neuen Rechtswissen­schah, 1935, S. 225, 241.

29 Siehe dazu Wolf/Naujoks, Anfang und Ende der Rechtsfahigkeit.1955; Selb, AcP 166 (1966), 76.

30 Ein' bemerkenswertes Beispiel ist die Vorschrift des Art. 30 des spanischen C6­digo civil, welche die Rechtsfiihigkeit davon abhangig macht, dass das Kind ein mensch­liches AntIitz aufweist und nach der Geburt mindestens 24 Stunden lebt.

31 Vgl. Coing/Habermann, in: Staudinger, 12.Aufl. 1980, § 1, Rn. 17.

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230 Matthias Lehmann AcP

Sa ware es unmoglich, die oben zitierten Vorschriften der Allgemeinen Men­schenrechtserklarung und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte auch auf Gesellschaften zu beziehen. Bei ihnen fehlt die phy­sische Grundlage, an die das Recht anknüpfen konnte. Daher müsste zunachst definiert werden, was unter einer Geselischaft verstanden wird. Dazu bedarf es aber sehr eingehender Regelungen im positiven Recht. Insoweit besteht ein grundlegender Unterschied zwischen Einzelpersonen und Personenmehr­heiten, der Savigny dazu bewogen haben mag, davon zu sprechen, nur dem Individuum kame "natürliche Rechtsfahigkeit" zu.32

Sieht man in der Rechtsfahigkeit eine natürliche und keine rechtliche Ei­genschaft, so ist es in der Tat nur konsequent, ausschlieBlich Menschen für rechtsfahig zu halten. Zu dieser Schlussfolgerung waren allerdings bisher nur wenige Autoren bereit. Zu ihnen gehort zum Beispiel Ernst Wolf, der die Rechtsfahigkeit juristischer Personen sowie deren Existenz überhaupt leug­nete.33 Ulrich v. Lübtow behauptet ebenfalls, nur Menschen konnten Rechts­trager sein.34 Diese AuBerungen zeigen, zu welch absurden Folgerungen die Idee einer biologisch begründeten "natürlichen" Rechtsfahigkeit führt. Die Existenz von Rechtssubjekten, die dem Recht seit Jahrhunderten bekannt sind, müsste entgegen den Rechtstatsachen abgelehnt werden.

Aber gibt es solche "Rechtstatsachen" überhaupt? Savigny hatte dies ge­leugnet und die juristische Person zum "idealen Subjekt" degradiert.35 Dage­gen hat Otto von Gierke den Versuch unternommen, die Existenz des Ver­bandes ais realer Gesamtperson nachzuweisen.36 Obwohl die Debatte eines gewissen theoretischen Reizes nicht entbehrt, ist sie hier nicht weiterzuverfol­gen, denn sie wirkt sich auf die Rechtsfahigkeit nicht aus. Auch von Gierke war bewusst, dass dem Recht und ihm allein die Entscheidung darüber ge­bührt, "ob ein irgendwie beschaffenes Etwas die Eigenschaft eines Rechtssub­

32 Vgl. v. Savigny, System des heutigen Rômischen Rechts, Band 2,1840, S. 10, 12 und passim sowie (zu juristischen Personen) S. 278.

33 E. Wolf, AlIgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1982, S. 651. 34 v. Lübtow, in: Festschrift für Ernst Wolf, 1985,421,427. Eine feinsinnige Unter­

scheidung zwischen der Rechtsfahigkeit natürIicher und juristischer Personen trifft dagegen Wiedemann, WM Sonderbeilage 1994/4, der meint, juristischen Personen werde die Rechtsfahigkeit von der Rechtsordnung "gewahrt", bei natürIichen Personen werde sie dagegen "gewahrieistet".

35 v. Savigny, System des heutigen Rômischen Rechts, Band 2, 1840, S. 278. 36 Vgl. O. von Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtspre­

chung, 1887 (Nachdruck 1983), S. 5-8. Die Ideen der Fiktionstheorie und der Theorie der realen Existenz der juristischen Person sind nicht auf Deutschland beschrankt ge­blieben, sondern auch in anderen Landern aufgegriffen worden, vgl. für Frankreich: Goubeaux, in: Ghestin (Hrsg.), Traité de droit civil, Les personnes, 1989, Rn. 19-23; für das Vereinigte Kônigreich: Pickering, Modern Law Review 31 (1968), S.481, 508.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 231

jekts hat oder nicht"37. Weitergehend wird man sagen müssen, dass das Recht auch ein tatsachlich nicht existentes "Etwas" kreieren kann, wie das Beispie1 der Stiftung zeigt. Umgekehrt bedarf es selbst dann, wenn die Rechtsfahigkeit an eine auBerrechtliche Realitat anknüpft, zu deren Anerkennung eines be­sonderen Rechtssatzes. So werden einige Personenmehrheiten, obwohl ihre Realitat greifbar scheint, auch heute noch ais nicht rechtsfahig angesehen, zum Beispiel die Erbengemeinschaft oder die Europaische Union.

Rechtsfahigkeit kann einem Verband auf verschiedene Arten gewahrt werden. Sie kann durch besondere Konzession im Einzelfall (Konzessions­system), durch Erlaubnis im Falle der Einhaltung bestimmter gesetzlicher Anforderungen (System der Normativbestimmungen) oder ohne hoheitliche Kontrolle erteilt werden.38 Gleichgültig, welches System vom Gesetzgeber gewahlt wird, die Rechtsfahigkeit muss sich immer aus der Rechtsordnung selbst ergeben.

c) Einführung neuer Rechtssubjekte durch Rechtsfortbildung

Da nur die Rechtsordnung Rechtsfahigkeit verleihen kann, muss sie sich stets auf einen Rechtssatz zurückführen lassen. Man sollte diesen Punkt nicht gering schatzen. Er bedeutet, dass die Rechtsfahigkeit eines Verbandes nicht auf Gründe auBerhalb des positiven Rechts gestützt werden kann. Zwar hat die franzosische Cour de cassation in einem berühmten Urteil gemeint, die Eigenschaft ais Person des Zivilrechts sei keine Schopfung des Rechts, sondern komme grundsatzlich jeder Gemeinschaft zu, die zu kollektivem Ausdruck fahig sei und erlaubten Interessen diene.39 Jedoch hat sie sich im selben Urteil darauf berufen, dass die von ihr ais Rechtssubjekt anerkannte Einrichtung der betrieblichen Mitbestimmung durch Gesetz geschaffen sei.4Q Ohne Anhalts­punkt in der Rechtsordnung lassen sich neue Rechtssubjekte nicht einführen.

Ablehnen muss man daher den Versuch, die Anerkennung der Geselischaft bürgerlichen Rechts (GbR) ais rechtsfahiges Subjekt allein mit der "Sachge­rechtigkeit" dieser Lôsung zu begründen.41 Ebenso wenig taugt ais Argument für die Rechtsfahigkeit der unternehmenstragenden GbR der von Karsten Schmidt gepragte Satz "Jeder Unternehmenstrager ist fahig, Trager von Rech­

37 O. von Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887 (Nachdruck 1983),5.21.

38 Vgl. Mummenhoff, Gründungssysteme und Rechtsfahigkeit, 1979, S. 15; Priester, ZHR 168 (2004), 248, 255.

39 Cour de cassation, 2e sect. civ., Urteil vom 28.1.1954, Dalloz 1954, 217. 40 Ebenda. 41 Vgl. Vlmer, AcP 198 (1998), 113, 115 mit Nachweisen.

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AcP 207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 233232 Matthias Lehmann

nicht vorbei, wonach die Rechtsfahigkeit eine "rechtstechnische Kategorie ist,ten und pflichten zu sein."42 Denn entweder handelt es sich hierbei um eine

die keiner ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedarf, sondern auch inBeschreibung des positiven Rechts; dann ist der Satz an den einze1nen Vor­

schriften der Rechtsordnung nachzuweisen und damit ais eigenstandige Be­ der Form der Gesetzesauslegung ermittelt werden kann"48. Das Privileg der

gründung letztlich überflüssig. Oder der Satz ist, wie es eher den Anschein Gesetzesauslegung aber liegt bei der Rechtsprechung.

Auch eine Fortbildung des Rechts entsprechend den Bedürfnissen deshat, ais rechtspolitisches Prinzip gemeint, dann würde er besser lauten: "Jeder

Unternehmenstrager sol/te fahig sein, Trager von Rechten und pflichten zu Rechtsverkehrs wird man den Gerichten nicht verwehren konnen. Unzulassig

ware dagegen die Anerkennung neuer Rechtssubjekte contra legem. Dafür,sein." Zur Rechtsfahigkeit bedürfte es daneben aber noch der Umsetzung

dass die Rechtsprechung bei der GbR und bei der Wohungseigentümerge­dieses rechtspolitischen Prinzips durch eine Norm des positiven Rechts.

Eine solche Norm stellt jedenfalls nicht § 14 BGB oder § 1059 a Abs. 2 BGB meinschaft diese Grenze überschritten hat, gibt es deutliche Hinweise.49 Doch

bleibt der Einwand ohne Wirkung, solange nicht das Bundesverfassungsge­dar, obwohl der Gesetzgeber dort von "rechtsfahigen Personengesellschaften"

richt oder der Gesetzgeber korrigierend einschreiten. Die Rechtsprechung hatspricht. Ausweislich der Gesetzesbegründung hatte er damit nur die OHG

rein faktisch die Moglichkeit, Gebilde ais rechtsfahig anzuerkennen, se1bstund die KG im Auge.43 Die Rechtsfahigkeit der GbR folgt dagegen aus dem

wenn dafür keine oder nur geringe gesetzliche Anhaltspunkte bestehen. AI­Urteil des Bundesgerichtshofs yom 29. Januar 2001.44 Aufgrund der Entschei­

dung des BGH yom 2. Juni 2005 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft lerdings wird die Einführung neuer Rechtssubjekte ohne ausreichende Grund­

lage im Gesetz um den Preis von Friktionen innerhalb der Rechtsordnung er­ebenfalls rechtsfahig.45 Die gesetzliche Grundlage beider Urteile ist zwar aus­

kauft. 50gesprochen dünn. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik von BGB

und WEG sprechen dagegen, GbR und Wohnungseigentümergemeinschaft

zu Rechtssubjekten zu erheben. Es scheint, ais habe sich das Gericht eher von 3. Umfang der Rechtsfiihigkeit

Praktikabilitatserwagungen ais yom Gesetz leiten lassen. Daher gibt es gute

Gründe, die Rechtsprechung hart zu kritisieren.46 Doch faktisch sind die GbR

Nach der neueren Rechtsprechung zur GbR und zur Wohnungseigentü­und die Wohnungseigentümergemeinschaft seit den beiden Urteilen des BGH

rechts- und demzufolge gemaB § 50 l ZPO auch parteifahig: Sie konnen Rechte mergemeinschaft soll die Rechtsfahigkeit nicht ailen Rechtssubjekten in glei­

chem Umfang zustehen. In dem Urteil Zur GbR spricht der Bundesgerichtshofund Verbindlichkeiten haben, klagen und verklagt werden.

Den Irrungen und Wirrungen der Rechtsprechung zur Rechtsfahigkeit von einer "beschrankten Rechtssubjektivitat".51 Der Wohnungseigentümer­

gemeinschaft erkennt er lediglich eine "Teilrechtsfahigkeit" ZU.52 Er knüpftwohnt insoweit eine gewisse faktische Kraft inne. Normativ gesehen kann

man die Rechtssubjektivitiit von G bR und Wohnungseigentümergemeinschaft damit an eine Lehre an, die eine gegenstandliche Beschrankung der Rechtsfa­

higkeit für moglich hait. 53nur aus einem Rechtssatz erklaren, und zwar einem solchen des Richter­

rechts.47 Auch wer aus rechtstheoretischen Gründen Bedenken hat, Gerichts­ Herausragender Vertreter dieser Lehre ist Fabricius. Nach ihm ist die

urteile ais Rechtsquelle anzusehen, kommt am dictum des Bundesgerichtshofs Rechtsfahigkeit "relativ" in dem Sinne, dass sie einer Person nicht absolut zu­

42 K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, S. 109. 48 BGHZ 163, 154, 164.

43 BT-Drucks. 13/3604, S. 7.

44 BGHZ 146, 341. Da es sich bei der Entscheidung um ein Versaumnisurteil han­ 49 Vgl. Bork, AllgemeinerTeil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl. 2006, Rn. 195;

deite und der Rechtsstreit nachfolgend für erledigt erklart wurde, wird von manchen den., ZIP 2005,1205; Stürner, JZ2002, 1108, 1109; den., JZ 2003, 44; Prütting, in: Fest­

die Auffassung vertreten, die GbR sei weiterhin nicht rechtsfahig, vgl. Stürner,JZ 2003, schrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1177, 1193.

44; jauernig, BGB, 11. Aufl. 2004, Vor §21, Rn.!. Jedoch ist ihre Rechtssubjektivitat so Siehe dazu unten unter 5, 6 und 8.

spatestens durch die zahlreichen Entscheidungen anerkannt, die nach den Urteil Yom S! BGHZ 146,341,344. Der BGH setzt den Zusatz "nach auBen bestehend" davor.

Was damlt gemeint ist, bleibt dunkel: Eine Rechtsfahigkeit besteht immer nur nach29.Januar 2001 ergangen sind und ebenfalls Rechtsfahigkeit annehmen, vgl. nur BGHZ

augen, insofern sie die Rechtssubjektivitat in der Rechtsordnung betrifft. Kritisch auch148,201,206; 151,204,207; 154, 370, 376.

Beuthien, JZ 2003, 715,720.4S BGHZ 163, 154.

S2 BGHZ 163, 154, 158 f. 46 Besonders deutlich Bork, ZIP 2005,1205-1210.

S347 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 2, 2004, S.646, der die" Lehrsatze" Vgl. z.B. Habermann/Weick, in: Staudinger, Bearb. 1995, Vorbem. zu § 1, Rn. 3;

des Urteils zur GbR im Stil eines Gesetzes wiedergibt. LarenzlWolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 5, Rn. 9.

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234 Matthias Lehmann AcP

steht, sondern nur in bestimmten Verhaltnissen. 54 Es lohnt sich, naher auf die Pramissen Fabricius' einzugehen, die aus dem Recht der natürlichen Personen stamrnen.

a) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit natürlicher Personen

Fabricius vertritt die Auffassung, dass es eine gleiche Rechtsfiihigkeit aller Menschen nicht geben konne, auch nicht vor dem Hintergrund des verfas­sungsrechtlichen Gleichheitssatzes. Natürliche Unterschiede rechtfertigten nicht nur eine unterschiedliche Behandlung, sondern geboten diese sogar. 55

Diese Auffassung ist nur vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Ver­mischung zwischen der Fahigkeit zu rechtserheblichem Handeln und der Rechtsubjektivitit zu verstehen.56 Fabrieius knüpft an die tatsiichlich beste­henden Unterschiede zwischen Menschen an, insbesondere an ihre unter­schiedlichen Handlungsmoglichkeiten. So kann zum Beispiel ein Neugebore­nes rein tatsachlich keine Ehe eingehen und kein Erwerbsgeschaft führen. Diese Besonderheit muss Fabricius zufolge auch auf den Umfang der Rechts­fahigkeit zurückwirken.

Dienachdieser Auffassung bestehendenAbstufungen zwischen der Rechts­fahigkeit verschiedener natürlicher Personen bedeuten jedoch einen glatten Bruch mit den Errungenschaften der franzosischen Revolution. Zu ihren Grundfesten gehort die rechtliche Gleichheit aller Menschen. 57 Sie wird über die Zuerkennung der Rechtsfahigkeit an aIle Menschen, gleichgültig ihrer Ab­stammung, Herkunft oder geistigen Fahigkeiten, gewahrt. Die Anerkennung aller lebenden Menschen aIs Rechtssubjekte ist die Voraussetzung jedes "bür­gerlichen" Rechtssystems, das diesen Namen verdient. Selbstverstandlich gibt es natürliche Unterschiede zwischen den einzelnen Personen. Das Recht will sie hinsichtlich der Rechtsfahigkeit jedoch gerade nicht zur Kenntnis zu neh­men.58 Es verleiht jedem Menschen allein aufgrund seiner Geburt Rechtssub­jektivitat. Von individuellen Beschaffenheiten abstrahiert es dagegen.

54 Fabrieius, Relativitat der Rechtsfahigkeit, 1963, S. 109. 55 Fabrieius, aaO., S. 55. 56 Dazu oben unter 1. 57 Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen yom 26. August 1789, Art. 1

S.1. Zu den Auswirkungen des al1gemeinen Gleichheitssatzes auf die Rechtsfahigkeit vgl. de Boor, Bürgerliches Recht, Band 1,2. Aufl. 1954, S. 56; E. Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1982, S. 179.

58 Vgl. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl. 2006, Rn.154.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 235

Fabricius bezeichnet die Rechtsfahigkeit nicht handlungsfiihiger, unmün­diger Personen aIs "Fiktion".59 Dem ist zuzustimmen. Man muss aber die Rechtsfahigkeit allgemein ais "Fiktion" bezeichnen, weil sie nicht in der Rea­litat existiert, sondern Werk des menschlichen Geistes ist. 60 Dies ist keine Be­sonderheit, sondern eine Eigenschaft, die die Rechtsfahigkeit mit dem Recht insgesamt teilt. Recht ist keine Beschreibung der Wirklichkeit, sondern nor­mative Ordnung. Die Auffassung von der Teilrechtsfahigkeit verwischt die Grenzen zwischen Normativitat und Sein, indem sie aus gewissen tatsiich­lichen Gegebenheiten Schlüsse auf die Rechtsfahigkeit zieht. Sie versucht, auf diese Weise die klare Dichotomie zwischen Rechtsfahigkeit und Rechtsunfa­higkeit zu überwinden. Definiert man die Rechtsfahigkeit jedoch ais die Fa­higkeit, Trager von Rechten und Ptlichten zu sein, dann kann es ein "Dazwi­schen" nicht geben. Entweder man ist fahig, Rechte zu haben, oder man ist es nicht. Beide Aussagen verhalten sich zueinander wie die Aussagen "a" und .non-a": tertîum non datur.

Das scheint auch einigen Vertretern der Teilrechtsfahigkeit bewusst zu sein. Nur so ist zu erklaren, dass sie den Zusatz "Teil-" in Klammern vor den Begriff der Rechtsfahigkeit setzen61 • In Wahrheit ist die ,,(Teil-)Rechtsfahig­keit" jedoch bereits voile Rechtsfahigkeit, denn besteht die Rechtsfiihigkeit auch nur in einem Teil des Rechts, dann ist damit zugleich gesagt, dass die Person aIs taugliches Subjekt der Zuordnung von Rechten und Ptlichten ange­sehen wird.

Den Kritikern ist zuzugeben, dass der so verstandene Begriff der Rechtsfa­higkeit in gewisser Weise abstrakt und inhaltsleer ist.62 Aus der Existenz eines einzigen Rechtssatzes, der einern Subjekt Rechte oder Ptlichten verleiht, kann bereits auf dessen Rechtsfahigkeit geschlossen werden. Dennoch ist die Rechtsfahigkeit ais Kategorie bei diesem Verstandnis nicht übertlüssig. Es bleibt namlich aus dogmatischer Sicht irnrner noch eine Grundentscheidung des Rechts, ob es ein Gebilde ais geeignetes Subjekt für die Zuordnung von Rechten und Ptlichten ansieht. Das zeigt sich insbesondere im Hinblick auf Personenmehrheiten.

59 Fabricius, RelatÏvitat der Rechtsfahigkeit, 1963, S. 80. 60 Vgl. Gény, Science et technique en droit privé positif, Band 3, S. 221; zitiert nach

Goubeaux, in: Ghestin (Hrsg.), Traité de droit civil, Les personnes, 1989, S. 28. 61 Vgl. Vlmer, AcP 198 (1998), 113, 121 und passim. 62 AIs "farblos-abstrakte Eigenschaft" bezeichnet sie Schlink, in: Schlegelberger

(Hrsg.), Rechtsvergleichendes Handwôrterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, 5. Band, 1935, Stichwort "Rechtsfahigkeit".

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236 Matthias Lehmann AcP 207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 237

b) Beschrankungen der Rechtsfahigkeit von Personenmehrheiten

Nur durch den abstrakten Begriff der Rechtsfahigkeit ist es moglich, so verschiedene Subjekte wie natürliche und juristische Personen unter einer ein­heitlichen dogmatischen Kategorie zu vereinigen. Eine der wichtigsten Funk­tionen der Rechtsfahigkeit liegt gerade in der Gleichstellung von Personen und Personenverbindungen. 63 Die Rechtsfahigkeit ist der Kulminationspunkt, in dem die faktisch bestehenden Unterschiede zwischen Mensch und Verband rechtlich aufgehoben sind. Deshalb müssen auch juristische Personen ohne Einschrankung ais rechtsfahig bezeichnet werden.

Der Gleichstellung zwischen natürlichen Personen und Personenmehr­heiten scheint auf den ersten Blick die ultra-vires-Lehre des anglo-amerika­nischen Rechts zu widersprechen.64 In ihrer ursprünglichen Form drückte sie einen grundlegenden Unterschied zwischen der Rechtsfahigkeit beider aus. Juristische Personen hatten, da von Menschen künstlich kreiert, nur die Fahig­keit zu denjenigen Akten, zu denen sie geschaffen wurden. Die Wurzeln dieser Vorstellung liegen im alten englischen Konzessionssystems, nach dem die Gründung einer Gesellschaft der Genehmigung durch die Krone bedurfte, die sie nur für ganz bestimmte Geschaftszwecke erteilte. Sobald das Konzes­sionssystem weggefallen war, anderte sich die Funktion der ultra-vires-Lehre: Sie wurde nunmehr dazu verwendet, die Mitglieder vor der Überschreitung des Verbandszwecks durch die Organe zu schützen. Ihrem Kern nach betrifft sie damit das Verhaltnis zwischen Mitgliedern und Organen des Verbands. Die deutsche Rechtsprechung hat dieses Verhaltnis über die Figur der Vertre­tungsmacht geregelt.65 Dagegen sind die englische und die US-amerikanische Rechtsprechung den Weg über die Einschrankung der "Iegal capacity" der Ge­sellschaft gegangen. Rechtsgeschafte, die den Wirkungskreis der Gesellschaft überschreiten, sind unwirksam.

Die Geltung der ultra-vires-Lehre wird für das deutsche Zivilrecht allge­mein abgelehnt.66 Heute wird sie selbst im anglo-amerikanischen Rechtskreis ais überholt angesehen.67 Allerdings soli sie nach in Deutschland verbreiteter Ansicht für die juristischen Personen des deutschen offentlichen Rechts fort­

63 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S.219.� 64 Dazu Gower, Governing Principles of Modern Company Law, 5. Aufl. 1992,�

S. 166 ff.; Schlink, Die Ultra-Vires-Lehre im englischen Privatrecht, 1935. 65 RG, Seuffert's Archiv 40, 389, 392;JW 1937, 3114, 3115. 66 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 214; Wiedemann, Gesellschafts­

recht, Band 1,1980, S. 209; Fiume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1/2 - Die juristische Person, 1983, S. 370.

67 Vgl. Greenfield, Virginia Law Review 87 (2001), 1279, 1280; Hovenkamp, Geor­getown Law Journal 76 (1988),1593,1664. Siehe auch sec. 35 (1) englischer Companies Act 1985.

gelten.68 Dem ist jedoch zu widersprechen. In der Entscheidung des Bundes­gerichtshofs, die zum Beleg angeführt wird, führt dieser aus, dass juristische Personen des offentlichen Rechts "nur innerhalb des durch ihre Zwecke und Aufgaben bestimmten, sachlich und raumlich beschrankten Lebenskreises handeln" konnten.69 Die Frage, ob sie auch in ihrer Rechtsfahigkeit beschrankt sind, hat er dagegen ausdrücklich dahingestellt sein lassen. 70 Inhaltlich geht es hier nicht um eine Beschrankung der Rechts-, sondern der Handlungsfahig­keit. Diese Einordnung entspricht der ultra-vires-Lehre aus deutscher Sicht ohnehin am besten. 71

Aus theoretischer Sicht ist daher eine Differenzierung hinsichtlich der Rechtsfahigkeit natürlicher und juristischer Personen nicht gerechtfertigt. Allerdings bestehen zwischen diesen praktisch so viele Abweichungen, dass es ratsam erscheinen konnte, hinsichtlich der Rechtsfahigkeit beider zu un­terscheiden. So kann eine juristische Person weder Ehegatte noch Erblasser sein. Das beeintrachtigt jedoch richtig gesehen ihre Rechtsfahigkeit nicht. Denn sie ist trotzdem taugliches Rechtssubjekt. Dass sie bestimmte Rechte nicht haben kann, liegt an den besonderen Merkmalen, die diese Rechtssatze voraussetzen und die der Verband nicht erfüllt. 72 Deshalb zu sagen, die juris­tische Person sei im Gegensatz zu natürlichen Personen nur "beschrankt" rechtsfahig, ist schon sprachlich falsch. Denn die Rechtsfahigkeit bezeichnet ein Potential, eine abstrakt-individuelle Moglichkeit einer Person oder eines Verbandes. Wenn jemand überhaupt Rechte haben kann, dann folgt daraus, dass er rechtsfahig ist, ohne dass es auf spezifische Rechte ankommt. So würde niemand von einer eingeschrankten Rechtsfahigkeit natürlicher Per­sonen reden, nur weildiese gemag § 7 Abs. 1 VAG kein Versicherungsunter­nehmen73 oder gemag § 2 a Abs. 1 KWG keine Bank betreiben dürfen.

Es verbleibt, dass die juristische Person für einen nicht unbetrachtlichen Teil der Rechtsverhaltnisse, an denen natürliche Personen beteiligt sein kon­nen, nicht in Frage kommt. 74 Auch das rechtfertigt jedoch nicht die Rede von

68 Vgl. Ehlers, Die Lehre von der Teilrechtsfahigkeit juristischer Personen des Of­fentlichen Rechts und die Ultra-Vires-Doktrin des offentlichen Rechts, 2000, S. 15 f.; Fiume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1/2 - Die juristische Person, 1983, S. 370; Wiedemann, GeselIschaftsrecht, Band 1,1980, S. 209.

69 BGHZ 20,119,124. 70 BGH aaO., S. 126. 7I Vgl. Eggert, Die deutsche ultra-vires-Lehre, 1977, S. 5; Schlink, Die Ultra-Vires­

Lehre im englischen Privatrecht, 1935, S. 14. 72 Ebenso K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfahigkeit im Vereinsrecht, 1984,

S. 40; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl. 2006, Rn. 191. 73 Beispie1 nach Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl. 2002, Rn. 1099; Timm,

NJW 1995, 3209, 3211. 74 Die Unterscheidung zwischen dem vorangegangenen sprachlichen Argument

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238 Matthias Lehmann AcP

der "heschrankten" oder der "Teil-"Rechtsfahigkeit. Denn einerseits ist der Zusatz von geringem Erkenntniswert. Die Bereiche, in denen die juristische Person keine Rechte hahen kann, werden gerade nicht benannt. Andererseits ist die Idee, dass juristische Personen etwa im Familien- und Erhrecht ais Rechtssuhjekte ausscheiden, in dieser AlIgemeinheit falsch. So wurde bei­spie1sweise entschieden, dass eine Stiftung eine "nahestehende Person" im Sinne des §2270 Ahs. 2 BGB sein kannJ5 Es ist ehen doch der einzelne Rechts­satz auszulegen, um zu ermitte1n, oh nicht auch eine juristische Person herech­tigt oder verpflichtet wird. Jegliche Pauschalierungen hinsichtlich ganzer Rechtsgehiete verhieten sich.

Es hilft schlieGlich auch wenig, bestimmte Merkmale juristischer Personen hervorzuhehen, die von denen natürlicher Personen ahweichen. Ein Beispie1 dafür ist Artikel53 des Schweizer Zivilgesetzbuchs, der vorschreibt: "Die ju­ristischen Personen sind aller Rechte und Pflichten fahig, die nicht die natür­lichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft zur notwendigen Voraussetzung hahen."76 Damit wird letzt­lich nur Selbstversùndliches gesagt. Es wird ehen gerade keine Besonderheit der Rechtsfahigkeit juristischer Personen ausgedrückt, sondern nur gewisser Rechtssatze, die an die natürlichen Eigenschaften des Menschen anknüpfen.

Am meisten wurden die Begriffe "Teilrechtsfahigkeit" oder "heschrankte Rechtsfahigkeit" hisher im Zusammenhang mit den Personengesellschaften gehraucht.77 Nunmehr hat sich jedoch auch derdeutsche Gesetzgeher der Auf­fassung angeschlossen, dass diese uneingeschrankt rechtsfahig sind. Denn an­ders ist nicht zu erklaren, dass er in §§ 14, 1059 a Ahs.2 BGB von "rechtsfa­higen" Personengesellschaften und nicht von "beschrankt rechtsfahigen" oder "teilrechtsfahigen" Personengesellschaften spricht. Jeder Auffassung von ei­ner nur relativen Rechtsfahigkeit ist damit eine Absage erteilt. Auf Begriffe wie Teilrechtsfahigkeit sollte daher künftig verzichtet werdenJ8 Sie führen in die Irre. Wer ais "teil"rechtsfahig oder ais "heschrankt" rechtsfahig hezeichnet wird, ist in Wahrheit rechtsfahig.

und dem nun folgenden lasst sich nur eingeschrankt mit der Einteilung Mülberts in quantitativ und qualitativ bedingte Rechtsfahigkeit vergleichen, vgl. Mülbert, AcP 199 (1999),38,44-47.

75 OLG München, N]W-RR 2000,526. 76 Vgl. auch § 18 osterr. ABGB: .]edermann ist unter den von den Gesetzen vorge­

schriebenen Bedingungen fahig, Rechte zu erwerben." (Hervorhebung yom Verfasser). 77 Vgl. Fiume, AlIgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1/1 - Die Personen­

gesellschaft, 1977, S. 90; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 213; Vlmer, AcP 198 (1998), 113, 115.

78 Vgl. jetzt auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 213; Vlmer, ZIP 2001, 585,588; Hadding, ZGR 2001,71 2,718.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 239

4. Gesamtrechtsfahigkeit und Einzelrechtsfahigkeit

Von Volker Beuthien stammt der Vorschlag, hezüglich der Gesellschaft hürgerlichen Rechts von einer .Gesamtrechtsfahigkeit" zu sprechen79. Diese soli sich aus den gesellschaftsrechtlich gebündelten Rechtsfahigkeiten der Per­sonengesellschafter ergehen.80 Den Gegensatz zur juristischen Person sieht Beuthien darin, dass die GhR nicht wie diese einzelrechtsfahig sei, sondern nur "aus den in ihr gesamthanderisch verknüpften Rechtsfahigkeiten ihrer Gesellschafter heraus gesamtrechtsfahig".81

Der Vorschlag hat zum Ziel, das Gesamthandskonzept des BGB zu hewah­ren, gleichzeitig aher dem offenbar ais dringend empfundenen Bedürfnis nach der Rechtsfahigkeit der GhR zu entsprechen. Ist die Rechtsfahigkeit jedoch, wie ohen beschrieben, die Fahigkeit, Trager von Rechten und Pflichten zu sein, so stellt sich die Frage in ganz einfacher Form: Ist die GhR das Zuord­nungssuhjekt der Rechte und Pflichten, oder sind es ihre Gesellschafter? Da­hei hilft es nicht weiter, davon zu sprechen, die GhR sei aus den gehündelten Rechtsfahigkeiten der Gesellschafter heraus "gesamtrechtsfahig". Dies tragt ehenso zur Begriffsverwirrung hei wie der Ausdruck "Teilrechtsfahigkeit". Es handelt sich bei der "Gesamtrechtsfahigkeit" nicht etwa um eine hesondere Form der Rechtsfahigkeit. Vielmehr soli ausgedrückt werden, dass die GhR nicht selbst das Zuordnungssubjekt der Rechte und Pflichten ist, sondern die in ihr verhundenen Gesellschafter.

Rein auBerlich ahnelt die Auffassung Beuthiens dem Bild von der Gesamt­hand ais "Gruppe", das Werner Fiume gepragt hat.82 Doch ware es ein grund­satzlicher Irrtum, heide miteinander zu vermengen. Fiume ging es darum, die Rechtsfahigkeit der Gesellschaft hürgerlichen Rechts selhst zu hehaupten, die er zu diesem Zweck mit den Gesellschaftern in ihrer gesamthanderischen Ver­hundenheit, ehen ais "Gruppe", identifizierte. Beuthiens "Gesamtrechtsfahig­keit" ist hingegen keine Rechtsfahigkeit der GhR, sondern das Ergehnis der Summierung der Rechte und Pflichten der rechtsfahigen Personengesellschaf­ter. Mit anderen Worten: Bei Fiume steht der Gedanke der Gruppe ais Einheit im Vordergrund, hei Beuthien dagegen liegt die Betonung auf der Vielheit der Gesellschafter. Mit heiden Begriffen, der Gesamthand ais Gruppe und der Ge­samtrechtsfahigkeit, wird versucht, die theoretisch scharf gezogene Grenze zwischen Rechts- und Nichtrechtsfahigkeit zu üherwinden. Dm die Verwir­rung nicht noch groBer werden zu lassen, sollte man aufhoren, neue Begriffe

79 Beuthien,]Z 2003, 715, 721. 80 Ebenda. 81 Ebenda. 82 Fiume, ZHR 136 (1972),177,181 und passim; deTS., AllgemeinerTeil des Bürger­

lichen Rechts, Band 1/1- Die Personengesellschaft, 1977, S. 50 H.

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240 Matthias Lehmann AcP 207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 241

in die Debatte zu werfen. Es gibt nur eine Rechtsfahigkeit, und diese ist weder teilbar noch summierbar.

5. Rechtsfiihigkeit und Rechtspersonlichkeit

a) Verbiinde mit und ohne Rechtspersonlichkeit

Durch die Rechtsprechung ist geklart, dass Personengesellschaften nun­mehr rechtsfahig sind. Das lasst jedoch ihre Abgrenzung zu den juristischen Personen fraglich werden. Denn herausragendes Kennzeichen einer juristi­schen Person ist es, ais Subjekt gegenüber ihren Mitgliedern so weit verselb­srandigt zu sein, dass sie selbst Rechte und pflichten haben kann. 83 Wenn dies nach neuer Rechtslage auch bei den Personengesellschaften der Fall ist, was unterscheidet dann die GbR, die oHG und die KG von der juristischen Per­son?

Diese Frage ist in § 11 Abs. 1, 2 Nr.1 der lnsolvenzordnung in spezieller Weise beantwortet. Danach ist zwischen juristischen Personen einerseits und Gesellschaften "ohne Rechtspersonlichkeit" andererseits zu trennen. Zu letz­teren zahlen nach der Klammerdefinition insbesondere Personengesell­schaften. lm Umkehrschluss folgt daraus, dass juristische Personen ais Gesell­schaften mit eigener Rechtspersonlichkeit anzusehen sind.

Allerdings sind nicht aile juristischen Personen zugleich GeseIIschaften, etwa nicht die rechtsfahige Stiftung. Umgekehrt gibt es nach neuer Rechtspre­chung auch Rechtssubjekte ohne eigene Rechtspersonlichkeit, die keine Ge­seIIschaften sind, etwa die Wohnungseigentümergemeinschaft. Stan von "Ge­sellschaften" soIIte man daher besser von "Verbanden" mit oder ohne eigener Rechtspersonlichkeit sprechen.

Die Unterscheidung von Verbanden nach der Rechtspersonlichkeit wird in Deutschland bereits seit langem getroffen. § 1 Abs. 1 S. 1 AktG nennt die Ak­tiengesellschaft eine "Gesellschaft mit eigener Rechtspersonlichkeit". lm Ge­gensatz dazu wurde die Gesamthand schon imJahre 1918 ais "Personenverei­nigung ohne Rechtspersonlichkeit" bezeichnet.84 Der Unterschied wurde damit gerechtfertigt, dass bei der Gesamthand der Bezugspunkt von Rechten und pflichten nicht die Gemeinschaft ais selbstandige, von den Mitgliedern abgeloste Rechtsperson ist, sondern dass vielmehr die Mitglieder selbst in ih­rer gesamthanderischen Verbundenheit berechtigt und verpflichtet werden. Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 HGB konnte man ais indirekte Bestatigung

83 So Raiser, AcP 194 (1994), 495, 504, 510; ders., AcP 199 (1999),104,137.� 84 Haff, Institutionen der Persônlichkeitslehre und des Kôrperschaftsrechts, 1918,�

S.61.

dieser Auffassung ansehen, weil sie die Rechtsfahigkeit von oHG und KG be­sonders anordnet und damit deren Ausnahmecharakter hervorhebt. 85 In der alteren Literatur wurde daher von der nur "formellen" Rechtsfahigkeit der Gesamthand gesprochen.86 N achdem nunmehr auch die GbR ohne besondere gesetzliche Anordnung ais rechtsfahig angesehen wird, lasst sich die Differen­zierung zwischen PersonengeseIIschaft und juristischer Person hinsichtlich der Rechtsfahigkeit allerdings nicht mehr halten. An der voIIen Rechtsfahig­keit der GesamthandsgeseIIschaften kann heute kein Zweifel mehr bestehen kann. Dennoch fehlt ihnen nach Ansicht des Gesetzgebers weiterhin die Rechtspersonlichkeit.

Rechtspersonlichkeit und Rechtsfahigkeit sind daher nach dem Sprachge­brauch des Gesetzes nicht mehr identisch. Das ist aus mehreren Gründen zu bedauern. Zum einen entsprach die ldentifikation des Begriffs der "Rechts­person" mit dem der Rechtsfahigkeit einer langen Tradition. So hat Puchta den Begriff der Personlichkeit ais "die subjective Moglichkeit eines rechtlichen Willens, einer rechtlichen Macht, die Fiihigkeit zu Rechten, die Eigenschaft, wodurch der Mensch Subject rechtlicher Beziehungen ist", beschriebenY Knapper formulierte Otto von Gierke: "Die Fahigkeit, Rechtssubjekt zu sein, heiBt Personlichkeit".88 Lehre und Rechtsprechung haben diese Begriffsbe­stimmungen aufgenommen und Rechtsfahigkeit mit Rechtspersonlichkeit identifiziert.89 Selbst wenn ein Sprachgebrauch nicht für immer unwandelbar ist, soIIte man zumindest die geistesgeschichtlichen Wurzeln der Traditionen berücksichtigen, mit denen man bricht.

Zum anderen steht die Unterscheidung werden Rechtspersonlichkeit und Rechtsfahigkeit im Widerspruch zur Terminologie im Ausland. In anderen Staaten werden beide schlicht gleichgesetzt. So wird der deutsche Begriff "Rechtspersonlichkeit" von unseren Schweizer Nachbarn weiterhin im Sinne von Rechtsfahigkeit gebraucht.90 lm Englischen und Franzosischen bezeich­net man mit den Begriffen "Iegal personàlity" oder "personnalité juridique" die Eigenschaft, Rechte und pflichten haben zu konnen, also die Rechtsfahig­

85 Vgl. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. AulI. 2006, Rn. 195.

86 Haff, Institutionen der Persônlichkeitslehre und des Kôrperschaftsrechts, 1918, S.66-68.

87 Puchta, Pandekten, 3. Aufl. 1845, S. 33 (Hervorhebung yom Verfasser). 88 O. von Gierke, Das deutsche Privatrecht, Band 1, 1895, S. 265. 89 Stellvertretend für vide: Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 251;

K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfahigkeit im Vereinsrecht, 1984, S.10; Timm, NJW 1995,3209; H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 1, 1968, S.128. Aus der Rechtsprechung siehe z.B. RGZ 165, 193,203.

90 Siehe Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl. 1995, S.69.

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242 Matthias Lehmann AcP 207 (2007) Der BegriH der Rechtsfahigkeit 243

keit im deutschen Sinne.91 Dieser internationale Sprachgebrauch hat durchaus Konsequenzen für unsere Rechtssprache. Man schreibt beispielsweise auch in der deutschen Literatur über die "Rechtspersonlichkeit" der Europiiischen Union, wenn man deren Rechtsfiihigkeit meint.92 Die neue, im Gesellschafts­recht eingeführte Unterscheidung zwischen Rechtspersonlichkeit und Rechts­fiihigkeit wird es schwer haben, sich gegenüber der internationalen Termino­logie durchzusetzen. Tatsiichlich entsteht hier eine neue "Begriffsverwir­rung"93. Das ist gerade vor dem Hintergrund des Zusammenwachens der europiiischen Rechtsordnungen zu bedauern.

b) Ndhere Bestimmung des Begriffs der Rechtspersonlichkeit

Weil die Unterscheidung aber nun einmal Gesetz geworden ist, muss man sich die Frage stellen, welchen Inhalt sie hat. Da der Gesetzgeber die Begriffe "Rechtsfiihigkeit" und "Rechtspersonlichkeit" einander gegenüberstellt, müssen sie unterschiedliche Bedeutung haben. Keine Losung besteht darin, den Gebrauch des Ausdrucks "Gesellschaften ohne Rechtspersonlichkeit" in § 11 Abs.2 Nr. 1 InsO damit zu erkliiren, dass die Insolvenzordung im Jahre 1994 verabschiedet wurde, zu einer Zeit also, ais die Rechtsfiihigkeit der Personengesellschaften noch nicht allgemein anerkannt war. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte schon damais, die Personengesellschaften den ju­ristischen PersOnen hinsichtlich der Rechtsfiihigkeit anzuniihern; nicht zu­letzt deshalb hat er beide ais insolvenzfiihig angesehen. Das im gleichenJahr verabschiedete Umwandlungsgesetz bezeichnet Personenhandelsgesell­schaften ais verschmelzungsfiihige "Rechtstriiger".94 An dem Willen des Ge­setzgebers, Personengesellschaften ais selbstiindige Rechtssubjekte anZuer­kennen, kann daher kein Zweifel bestehen. Allerdings hat man, um die his­torisch gewachsene Unterscheidung zwischen Gesamthandsgesellschaft und juristischer Person aufrechtzuerhalten, die Einschriinkung hinzugefügt, die Personengesellschaften hiitten keine eigene Rechtspersonlichkeit. Auch der BGH betont in seiner Entscheidungvom 29. Januar 2001, die Gesamthands­gesellschaften hiitten trotz ihrer Rechtsfiihigkeit nicht den Status einer juris­tischen Person.95 Was damit gemeint ist, liisst er aUerdings offen.

91 Vgl. nur Furmstone Cheshire, Fifoot and Furmston's Law of Contract, 12. Aufl. 1991,5.444; Cornu, Droit civil, Introduction - Les personnes, les biens, 11. Aufl. 2003, 5.209.

92 Vgl. Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, Rn. 69. 93 Beuthien,JZ 2003,715,718. 94 § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Dazu Timm, NJW 1995, 3209; Mülbert, AcP 199 (1999),

38,50 f. 95 BGHZ 146, 341, 347.

Naheliegend ist die Idee, dass Rechtspersonlichkeit nur Personen zukom­men kann, gleich ob natürlichen oder juristischen, aber nicht den Gesamt­handsgesellschaften. Es wiire daher nach Eigenschaften zu suchen, die juristi­sche Personen mit den natürlichen teilen, welche aber den Personengesell­schaften fehlen. Zum Beispiel konnte man sagen, die juristische Person habe iihnlich wie eine natürliche Person "Organe", durch die sie im Rechtsverkehr handele und welche sie im Gegensatz zu den Geschiiftsführern einer Perso­nengesellschaft nicht vertreten, sondern deren Handeln das Handeln der ju­ristischen Person ist.96 Die sogenannten Verbands"organe" sind jedoch VOn denen natürlicher Personen rein tatsiichlich verschieden. Ihre Gleichstellung ist eine Foige des nach Otto von Gierke in Deutschland üblich gewordenen "Verbandsmystizismus".97 Juristische und natürliche PersOnen teilen Organe nur in begrifflicher Hinsicht. Sachlich bestehen wesentliche Unterschiede, die eher eine Anniiherung der juristischen Person an die Gesamthandsgesellschaft ais an den Menschen rechtfertigen.98 Ebensowenig kann eine Übereinstim­mung der juristischen Person mit der natürlichen darin gefunden werden, dass diese wie jene einen einheitlichen Willen bilden konnten99. Auch das wiire eine unzuliissige anthromorphe Betrachtungsweise der juristischen Person. Sie ist eben keine natürliche Person, sondern dieser nur in rechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Es gibt keine naturgegebenen Eigenschaften, die juristische und natürliche Personen miteinander teilen.

Ein anderer Weg zur Erkliirung des Begriffs der "Rechtspersonlichkeit" besteht darin, nicht nach Parallelen zwischen juristischen und natürlichen Personen zu suchen, sondern nach Unterschieden zwischen juristischen Per­sonen und Personengesellschaften. Tatsiichlich gibt es eine Reihe solcher Un­terschiede. Diese bestehen zum einen hinsichtlich der GrÜndung. Juristische Personen bedürfen in der Regel eines aufwendigen Gründungsverfahrens vor staatlichen Stellen, an dessen Ende die Eintragung im Handelsregister steht.100 Dagegen entstehen Personengesellschaften ohne Einhaltung beson­derer Formen durch schlichten Gesellschaftsvertrag oder durch Geschiifts­

96 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973. 5.255. 97 Treffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002,5.408. 98 Vollig zu Recht wendet die Rechtsprechung daher beispie1sweise die Bestim­

mung des § 31 BGB auf Personengesellschaften analog an, vgl. BGH NJW 1952, 538 (für die oHG und die KG); BGHZ 154,88 (für die GbR).

99 50 aber Lampe,Juristische 5emantik, 1970,5.27, unter Hinweis auf Puchta, Art. "Corporationen", in: Weiske's Rechtslexikon für Juristen aller teutschen 5taaten, Band 3, 1841,5. 65 H.; siehe auch Haff, Institutionen der Personlichkeitslehre und des Korperschaftsrechts, 1918,5.37. Zur Kritik dieser AuHassung vgl. bereits Buchda, Ge­schichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, 1936,5.231 f.

100 Vgl. z.B. §§23-41 AktG, §§ 7-11 GmbHG.

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AcP 207 (2007) Der BegriH der Rechtsfahigkeit 245Matthias Lehmann244

beginn.101 Hier wird an tatsachliches Geschehen angeknüpft mit der Folge, dass sich die Beteiligten oft nicht einmal bewusst sind, eine Gesellschaft ge­

gründet zu haben. Auch die Haftung ist unterschiedlich geregelt. Wahrend sie sich bei juristi­

102schen Personen meist auf das Gesellschaftsvermogen beschrankt , ist bei Personengesellschaften die personliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft die RegepOJ. Auch wenn diese Regel nicht immer durchgehalten wird, ist die Haftungsbefreiung der Mitglieder ein ty­

pisches Kennzeichen der juristischen Person. Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur. Ju­

ristische Personen sind in der Weise organisiert, dass Kompetenzen auf meh­rere "Organe" verteilt werden.104 Diese müssen nicht unbedingt Mitglieder

105des Verbandes sein, sondern konnen auch von auBerhalb kommen. lnner­halb von Personengesellschaften werden Geschaftsführungsaufgaben dagegen durch die Gesellschafter selbst wahrgenommen, die dabei grundsatzlich

gleichberechtigt sind.! 06 AuBerdem sind Anteile an juristischen Personen im Prinzip frei übertrag­

bar.107 Bei den Personengesellschaften bedarf der Eintritt neuer Gesellschafter hingegen der Zustimmung aller anderen Gesellschafter.108 Allgemein sind ju­ristische Personen yom Bestand der Mitglieder unabhangiger ais Personenge­sellschaften. Wenn auch die oHG mit dem Tod eines Gesellschafters nicht mehr aufgelost wird, so sieht das Handelsgesetzbuch doch immer noch die

109Moglichkeit abweichender vertraglicher Bestimmungen vor. Bei der AG würde niemand auf den Gedanken kommen, dass sie mit dem Tod eines Ak­

tionars aufgelost sein konnte. Alle diese Eigenschaften sind nicht ein für aile mal feststehend. Wie Tho­

mas Raiser zu Recht ausführt, haben sich juristische Person und Personenge­sellschaft hinsichtlich der meisten von ihnen stetig angenahert.ll° Daraus wie

101 Siehe z.B. § 705 BGB, § 123 Abs. 2 HGB. 102 Vgl. z.B. § 1 Abs.1 Satz2 AktG, § 13 Abs.2 GmbHG. 103 Siehe § 128 HGB, der yom BGH analog auch auf die GbR angewandt wird, vgl.

BGHZ 146, 341, 358; 148, 201, 206. Zur Anwendung auf die KG siehe § 161 Abs.3

HGB. 104 Siehe z.B. §§ 76,111,119 AktG, §§35, 46 GmbHG. 105 Statt aller K. Schmidt, 4. Aufl. 2002, S. 409. Allerdings ist die Fremdorganschaft

nicht bei allen juristischen Personen zul1issig, z.B. nicht bei der eingetragenen Genos­

senschaft siehe § 24 Abs. 2 S.l GenG. 106 Siehe z.B. § 709 Abs. 1 BGB. 107 Siehe z.B. § 15 Abs.1 GmbHG. 108 Statt aller Grunewald, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 64. 109 Siehe § 131 Abs.3 S. 1 HGB. 110 Raiser, AcP 194 (1994),495, 506 H.

Raiser zu folgern, dass die Personengesellschaften ebenfalls ais juristische Per­sonen zu bezeichnen sind, geht jedoch zu weit. Die genannten Merkmale die­nen der Beschreibung zweier rechtlicher Grundtypen.1l1 Sie müssen nicht bei allen Exemplaren gleich ausgepragt sein. Dass die beiden Typen dem geltenden Recht ais Ausgangspunkt zugrunde liegen, lasst sich kaum bestreiten. Allge­mein kann man sagen, dass bei der juristischen Person die Gesellschafter ge­genüber der Gesellschaft in den Hintergrund treten. Die Gesellschaft schiebt sich wie eine "Maske" - darin liegt der Ursprung des Begriffs persona - zwi­schen die Gesellschafter, und zwar sowohl im AuBen- wie auch im lnnenver­haltnis. Dagegen tritt die Gesellschaft ohne Rechtspersonlichkeit nur im AuBenverhaltnis ais Einheit auf; im lnnenverhaltnis Wlt dagegen die Maske und es bestehen nur Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander. Aus diesem Grund ist zum Beispiel eine actio pro socio gegen die anderen Mitglieder des Verbandes und nicht gegen diesen selbst zu richten. ll2 AuBer­dem ist eine Gesellschaft ohne Rechtspersonlichkeit mit nur einem einzigen Mitglied undenkbar. llJ

c) Sinn der Unterscheidung zwischen Verbanden mit und ohne Rechtspersonlichkeit

Die Konsequenzen der Unterscheidung nach der Rechtspersonlichkeit sind vor allem rechtstheoretischer Natur. Sie hat didaktischen Wert, indem sie be­wusst macht, dass es zwei Arten rechtsfahiger Verbande gibt. Allerdings geht sie über die schon bisher bekannte Einteilung in Personen- und Kapitalgesell­schaften kaum hinaus.t 14 Diese verbessert sie allenfalls an Randstellen, zum Beispiel hinsichtlich der eingetragenen Genossenschaft, welche juristische Person, aber keine Kapitalgesellschaft iSt.115

Rechtspraktisch gesehen ist die Unterscheidung von geringem Wert. Sie hat nur für die actio pro socio und die Unzulassigkeit der Ein-Mann-Gesellschaft Bedeutung. Hinsichtlich aller übrigen Regelungen konnen die Typen durch privatautonome Gestaltung so weit angenahert werden, dass die Unterschiede verschwimmen.

Wegen der vorrangig rechtstheoretischen Bedeutung der Unterscheidung kann man bemangeln, dass der Gesetzgeber sie in § Il InsO aufgenommen hat. lm Bereich des lnsolvenzrechts ist es gerade nicht bedeutsam, zwischen

111 Zur Typenlehre vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S.290-302; Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971.

112 Vgl. BGHZ 163,154,178 für die Wohnungseigentümergemeinschaft. 113 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 209. 114 Siehe z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 UmwG. 115 Darauf weist Hadding, ZGR 2001, 712, 719, hin.

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247 246 Matthias Lehmann AcP

Verbanden mit und ohne Rechtspersëmlichkeit zu unterscheiden, sondern di­ese sollen gleichgestellt werden. Der Hinweis, es handele sich bei den Perso­nengesellschaften nicht um juristische Personen, hat für die Insolvenzord­nung, die sich gar nicht zentral mit Fragen der Struktur der Gesellschaft be­fasst, keine Bedeutung. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die fehlende Rechtspersonlichkeit nur ais Feigenblatt benutzt wurde, um zu ver­decken, dass auch der Gesetzgeber die Personengesellschaften nunmehr ais neue Rechtssubjekte ansehen wollte. Dogmatische Belehrungen durch den Gesetzgeber sind jedenfalls überfiüssig.

Nicht nur überfiüssig, sondern sogar falsch ist es, die Unterscheidung zwi­schen Gesellschaften mit und ohne Rechtspersonlichkeit zur Auslegung su­pranationaler Gesetzgebung anzuwenden. Zu kritisieren ist daher eine Ent­scheidung des Bundesgerichtshofs, in der die GbR ais Verbraucher im Sinne der Verbraucherkreditrichtlinie1l6 mit dem Argument angesehen wird, die Richtlinie verwendete den Begriff des Verbrauchers ais "natürliche Person" nur in Abgrenzung zur juristischen Person und schlieBe daher Personenge­sellschaften nicht aus.117 Dagegen spricht schon, dass Artikell Abs.2 der Richtlinie bei der Definition des Kreditgebers in lit. b neben den natürlichen und juristischen Personen aucheine "Gruppe solcher Personen" nennt, bei der Definition des Verbrauchers in lit. a jedoch niche Daher muss davon ausge­gangen werden, dass Verbraucher im Sinne der Richtlinie nur natürliche Per­sonen sein konnen. In diesem Sinne hat auch der Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaften entschieden.1l8

Darüber hinaus ist es ein methodischer Fehler des BGH, die GbR einmal ais gegenüber den Gesellschaftern selbstandiges Rechtssubjekt zu bezeichnen, bei vermeintlichem Bedarf aber wieder hervorzuheben, dass die Gesellschaft letztlich aus natürlichen Personen besteht. Eine Rechtsfahigkeit der GbR mit Rückfallklausel gibt es niche Es sollte vielmehr davon ausgegangen werden, dass durch die Anerkennung der Personengesellschaften ais "rechtsfahig" di­ese im AuBenverhaltnis grundsatzlich dieselben Rechte und Pfiichten wie ju­ristische Personen haben. Das giit erst recht hinsichtlich der Auslegung von Vorschriften des Volkerrechts und des supranationalen Rechts, die eine Diffe­renzierung zwischen rechtsfahigen Verbanden mit und ohne Rechtsperson­lichkeit nicht kennen.

116 Richtlinie 87/102/EWG des Rates yom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts­und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABI. Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48.

117 BGHZ 149, 80, 83. liB EuGH v. 22.11.2001 - C-541/99 u. 452199, Cape Snc gegen Idealservice Sri u.a.,

Sig. 1-9049, Rn. 16.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit

6. Rechtsfahigkeit und Publizitat des Rechtssubjekts

Unsicherheiten bereitet immer wieder die Frage, ob Verbande nur dann rechtsfahig sein konnen, wenn sie in ein Register eingetragen sind. Die Re­gistereintragung entspricht dem rechtspolitischen Gebot der Publizitat des Rechtstragers.119 Trager von Rechten und pfiichten müssen nach auBen sichtbar oder zumindest erkennbar sein. Dieses Gebot ist bei natürlichen Personen kraft ihrer Existenz erfüllt; die Publizitat der natürlichen Person resultiert aus ihrer Korperlichkeit und wesensmaBigen Einmaligkeit.120 Die Frage, wie die natürliche Person handelt, stellt sich nicht: sie handeit selbst. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften müssen dagegen zu­mindest die Organisations- und Vertretungsverhaitnisse durch einen beson­deren Akt publik gemacht werden. 121 Die Registereintragung liefert die Of­fenkundigkeit der Verhaitnisse des Verbandes, die notwendig ist, um mit diesem ais selbstandigem Trager von Rechten und Pfiichten zum Beispiel Vertrage schlieBen zu konnen.

Dennoch setzt Rechtsfahigkeit eine Eintragung des Rechtssubjekts in einem staatlichen Register nicht unbedingt voraus. Vielmehr bedarf es zur Rechtssubjektivitat lediglich der Anerkennung durch die Gesetzgebung oder Rechtsprechung. Auch nichteingetragene Gesellschaften kônnen daher Rechtstrager sein, wie das Beispiel der offenen Handelsgesellschaft zeigt.122

Dass heiBt nicht, dass eine Bindung der Rechtsfahigkeit an die Eintragung nicht zweckmaBig ware. Wegen der Nützlichkeit der Publizitat für den Rechts­verkehr verwundert es kaum, dass das Handelsgesetzbuch die Registereintra­gung an die erste Stelle der Entstehungsgründe der oHG setzt.123 Auch das franzôsische Recht macht die Rechtsfahigkeit der société civile von der Eintra­gung der Gesellschaft abhangig.124 Vor der Eintragung ist die Gesellschaft zwar nicht inexistent, aber eben kein selbstandiger Rechtstriiger. Sie ist "so­ciété de fait", also nur faktisch vorhanden; die Verhaitnisse der Gesellschafter untereinander werden von den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags und den allgemeinen Rechtsprinzipien des Schuldrechts beherrscht.12S

119 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S.194. 120 K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfahigkeit im Vereinsrecht, 1984, S.62;

dm., ZIP 1998, 2, 7. 121 K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfahigkeit im Vereinsrecht, 1984, S.63;

zweifelnd vor dem Himergrund der neueren Emwicklungen im Personengesellschafts­recht dagegen ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 105.

122 Vg1. §§ 123 Abs. 2,124 HGB. 123 § 123 Abs.l HGB. 124 Siehe Art. 1842 Abs. 1 Code civil. 125 Art. 1842 Abs. 2 Code civil.

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248 Matthias Lehmann AcP 207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 249

Demgegenüber ist die deutsche GbR seit dem Urteil des Bundesgerichts­hofs yom 29. Januar 2001 126 rechtsfahiges, aber nicht registerpflichtiges Sub­jekt. Die mit dieser Entscheidung beabsichtigte Vereinfachung des Rechts­verkehrs wurde zu einem graBen Teil verfehit, weil die Verhaitnisse der GbR nicht publik sind. So wird die GbR in der Rechtsprechung weiterhin nicht ais grundbuchfahig angesehen.127 Würde sich dies andern und sie allein unter ihrem Namen eingetragen, müsste das Grundbuch zum Gesellschaftsregis­ter umfunktioniert werden, in dem der Gesellschafterbestand und die Ver­tretungsverhaitnisse dokumentiert sind.12S Sieht man dagegen von einer Do­kumentation der Gesellschaftsverhaitnisse ab, dann waren die Moglichkeiten des gutglaubigen Grundstückserwerbs von einer GbR weitgehend einge­schrankt.129 Der Erwerber konnte die Gesellschafter und die Vertretungs­verhaitnisse weder aus dem Grundbuch noch aus einer anderen Quelle zu­verlassig ersehen. Er kann zwar auf das Eigentum der GbR vertrauen, weiB aber nicht, wie sie sich zusammensetzt und wer sie vertritt, in einem Wort: wer die GbR überhaupt ist. Foiglich konnte sich der im Grundbuch ais Rechtsnachfolger einer solchen Gesellschaft Eingetragene nie sicher sein, ob er tatsachlich Eigentümer geworden ist. Die GbR ware eine Art schwarzes Loch im Grundstücksverkehr.

Weniger gravierend wirkt sich dagegen die fehlende Publizitat bei der Eintragung der Gesellschaft in das Markenregister aus, die das Bundespa­tentgericht zulasst. 130 Hier ist die Situation insofern anders, ais das Marken­register ohnehin keinen gutglaubigen Erwerb erlaubt, sich hier also die er­wahnten Rechtsprobleme nicht stellen. I3l

Wegen der fehlenden Publizitat der Gesellschaftsverhaltnisse hat die pas­sive Parteifahigkeit der GbR im Zivilprazess auch nur geminderte Vorteile für die Glaubiger. Denn diese müssen bei einer Klage immer den oder die vertre­tungsberechtigten Gesellschafter nennen. Bei Gesellschaften ohne besondere

126 BGHZ 146,341. 127 BayObLG, NJW 2003,70; NJW-RR 2005, 43. 128 Dasselbe gilt nach dem Vorschlag von Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330, 336, für

die Grundbuchakten. Vgl. dazu Wagner, ZZP 177 (2004) 305, 351. 129 Dies ausdrücklich hinnehmend Wagner, ZIP 2005, 637, 644. 130 BPatG, GRUR 2004,1030; dazu Hildebrandt, DStR 2004,1924. Gegen die Mar­

kenrechtsfahigkeit der GbR noch BGH, NJW-RR 2001,114. 131 Dagegen will Knofel, AcP 205 (2005), 645, 685, die Rechtsprechung zur Marken­

rechtsfahigkeit auch auf die Grundbuchfahigkeit ausdehnen. Sein Argument, auch bei einer Eintragung der GbR in das Grundbuch werde der gute Glauben an einen be­stimmten Gesellschafterbestand nicht geschützt, ist zwar richtig. Doch würde, wie im Text gezeigt, der Grundsatz des Schutzes des gutglaubigen Erwerbers im Grundstücks­recht eingeschrankt, wenn auch nicht registriene Gesellschaften ais Eigentümer in das Grundbuch eingetragen würden.

Vertretungsregelung lauft dies auf die Nennung aller Gesellschafter hinaus. Bei allen anderen ist die Kenntnis der besonderen Vereinbarungen über die Vertretung erforderlich. Dies bereitet in der Praxis mangels Offentlichkeit der Gesellschaftsverhaltnisse Schwierigkeiten.

Wie man es auch dreht und wendet, die Rechtsfahigkeit der auBerlich nicht publiken Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt zu Einschrankungen ihrer Teilnahme am Rechtsverkehr. Vor diesem Hintergrund ist verstandlich, dass in der Literatur teilweise die Eintragungspflicht der GbR gefordert wird132• Das hatte jedoch den Nachteil, dass diese Verbandsform ihre Flexibilitat verlieren würde. Die GbR ist, wie Karsten Schmidt noch 1998 formulierte, ein "viel zu flüchtiges Rechtssubjekt", ais dass es der Registrierung fahig ware. 133 Sie konnte nicht mehr allein durch mündliche Vereinbarung, erst recht nicht durch konklu­dente Willenserklarungen begründet werden. Damit ginge sie ihrer Rolle ais Grund-Gesellschaftsform, die jede tatsachliche Zweckgemeinschaft erfasst, verlustig. Man müsste eine neue Rechtsform erfinden, die die Funktion der alten GbR erfüllte.

Insgesamt ist das Auseinanderfallen von Rechtsfahigkeit und Eintragung daher unbefriedigend. Auch wenn kein zwingenderZusammenhang zwischen Rechtssubjektivitat und Publizitat besteht, sollten beide aus rechtspolitischer Sicht miteinander einhergehen. Das Problem der deutschen Entwicklung des GbR-Rechts besteht darin, dass die Rechtsfiihigkeit durch die Judikative aner­kannt wurde, sich ein Register jedoch nur mit den Mitteln der Legislative ein­richten Hisst. Die Rechtsprechung kann den Gesetzgeber nicht zwingen, eine Registerpflicht für die GbR einzuführen, auch wenn es in der Konsequenz ihrer Entscheidungen zweckmaBig ware. Es zeigt sich, dass die richterrecht­liche Anerkennung neuer Rechtssubjekte zwar moglich ist, aber zu Brüchen und Verwerfungen innerhalb der Rechtsordnung führen kann.

7. Rechtsfahigkeit und Vermogen

Verwirrungen bestehen auch hinsichtlich des Verhaltnisses der Begriffe Rechtsfahigkeit und Vermogen. Kann ein Vermogen rechtsfiihig sein, wie ins­besondere die Lehre von der juristischen Person ais einem "Zweckvermogen" behauptete134?

132 Siehe Münch, DNotZ 2001, 535, 549; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1002; Werten­bruch, NJW 2002, 324, 329.

1J3 K. Schmidt, ZIP 1998, 2, 7. 134 Klassischer Vertreter dieser Lehre ist Brinz, Lehrbuch der Pandekten, Band 3,

2. Au fi. 1888, S. 453-586; zu entsprechenden Theorien im franzosischen Recht vgl. die Nachweise bei MalaurielAynès, Droit civil, Band 3, Les personnes, les incapacités,

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250 Matthias Lehmann AcP

Zur Beantwortung dieser Frage muss man zuniichst die Bedeutung des Ausdrucks "Vermogen" kliiren. Seinem ursprünglichen Wortsinn nach be­zeichnet er ein rechtliches Konnen der Person, etwas, das sie "vermag".135 Husserl hat das Vermogen ais die "Zusammenfassung aller sozialwertigen Be­ziehungen des Einzelnen" definiert.136 Das Vermogen ist also ein Attribut des Rechtssubjekts. Daher muss letzteres existieren, bevor es ein Vermogen haben kann, und nicht umgekehrt. Ein Vermogen muss irgendeiner Person zugeho­ren; es kann nicht frei in der Luft schweben. Die Fiihigkeit, eigenes Vermogen zu haben, ist daher Foige und nicht Voraussetzung der Rechtsfiihigkeit.

Die Verwirrung um das Verhiiltnis von Rechtsfiihigkeit und Vermogen ist dadurch entstanden, dass zuweilen juristische Personen ohne personales Subs­trat anerkannt werden. Paradebeispiel ist die Stiftung. Sie erhiilt die Rechtsfii­higkeit durch besondere behordliche Anerkennung.137 Die Stiftung hat keine Mitglieder; sie ist reines juristisches Kunstprodukt. Hieran wird deutlich, dass der Gesetzgeber frei ist, Rechtssubjekte zu konstruieren, die keinerlei auBer­rechtliche Realitiit haben.l38 Dennoch ist die Stiftung kein bloBes Sonderver­mogen, das ais rechtsfiihig anerkannt wird. Vielmehr hat sie eigenes Vermo­gen, weil sie selbstiindiger Rechtstriiger ist. Konsequenterweise ordnet die überwiegende Meinung bei der unselbstiindigen Stiftung, die nicht rechtsfiihig ist, das Stiftungsvermogen dem Treuhiinder ais Triiger zu. 139 Die rechtsfiihige Stiftungist deshalb kein für rechtsfiihig erkliirtes Vermogen, sondern Rechts­triiger mit Vermogen.

Kein rechtsfiihiges Vermogen ist auch der Fiskus. Diese Figur ist geschaffen worden, um den Staat privatrechtlich verklagen zu konnen. Die Staatsgewalt wurde juristisch in den Herrscher ais Landesherrn und den Fiskus gespal­ten. 140 Auch beim Fiskus handelt es sich jedoch nicht um ein frei schwebendes Sondervermogen; vielmehr ist er eine ais eigenstiindig gedachte Person.

Jedes Vermogen setzt also einen rechtsfiihigen Triiger voraus. Daher ist es methodisch ein Zirkelschluss, die Rechtsfiihigkeit nur derjenigen GbR zuzu­erkennen, die AuBengesellschaft ist, ais AuBengesellschaft aber nur solche Ge­

3. Aufl. 1994, S. 196. Kritisch zu dieser Lehre EnnecceruslNipperdey, Al1gemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1, 15. Aufl. 1959, S. 610, Fn. 2; Larenz/Wolf, Al1gemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 9, Rn.8; Fiume, ZHR 136 (1972), 177, 184 f.; Wieacker, in: Feschrift für Ernst RudolfHuber, 1973, S. 339,354.

135 Vgl. Holder, Natürliche und juristische Personen, 1905, S. 127.� B6 Husserl, AcP 127 (1927),129,183.� 137 § 80 Abs. 1 BGB.� 138 Dazu schon oben unter 2 b).� 139 Vgl. PalandtlHeinrichs, 66. Aufl. 2007, Vorb. v. §80, Rn.10; SoergellNeuhoff,�

13. Aufl. 2000, § 80, Rn. 24. 140 Siehe Thieme, Das Deutsche Personenrecht, 2003, S. 67.

207 (2007) Der Begriff der Rechtsfahigkeit 251

sellschaften anzusehen, die über eigenes Vermogen verfügen.14l Die Rechts­subjektivitiit von der Existenz eines eigenen Vermogens abhiingig zu machen heiBt, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Aus der Existenz eines Vermogens - das sich, weil Rechtsbegriff, empirisch überhaupt nicht feststellen liisst ­kann nicht auf dessen rechtliche Vorbedingung, das Rechtssubjekt, geschlos­sen werden. Damit soli nicht gesagt sein, dass bei nicht rechtsfiihigen Perso­nenmehrheiten etwa kein Vermogen vorhanden sein konnte. Nur ist dieses Vermogen dann den Gesellschaftern, zum Beispiel zur "gesamten Hand", und nicht der Gesellschaft zugeordnet.

Es ist damit festzustellen, dass das Vermogen Foige der Rechtsfiihigkeit ist, und nicht umgekehrt. Das Primat der rechtlichen Zuordnung liegt beim Sub­jekt, nicht beim Vermogen. Dieser Zusammenhang gilt auch für die Schulden: Sie konnen nur Rechtssubjekte, nicht Vermogensmassen treffen.142 Gabe es Vermogen ohne zugehorigen Triiger, dann würden Schulden und Vermogen

auseinanderlaufen.

8. Gespaltene Rechts- und Pflichtenfahigkeit

Der Trennung zwischen Schulden und Vermogen iihnelt die gespaltene Rechts- und Pflichtenfahigkeit. Nach der oben erorterten Lehre von der Teil­rechtsfiihigkeit soli es eine Rechtsfahigkeit im engeren Sinne ohne Pflichtfii­higkeit und umgekehrt eine Pflichtfiihigkeit ohne Rechtsfiihigkeit geben kon­nen. 143 Wiihrend das erste ais zu schon erscheint, um wahr zu sein, bedeutet das zweite für die Betroffenen nichts weniger ais eine juristische Holle. Auch der Generalanwalt beim Europaischen Gerichtshof hat gegen sie Bedenken. In den Schlussantriigen zum Überseering-Urteil bezeichnet er die Auffassung des Bundesgerichtshofs, eine nach niederlandischem Recht gegründete Ge­sellschaft konne in Deutschland Eigentûmerin eines Grundstücks sein und verklagt werden, sei aber nicht aktiv klagefiihig, ais "merkwürdige begriffliche Aufspaltung der herkommlichen Vorstellung von Rechtsfiihigkeit", bei der es sich um eine "Abschreckung" oder "Sanktion" handeln müsse. l44

Tatsachlich existiert eine solche "merkwürdige" Aufspaltung nach deut­schem Recht: beim nicht rechtsfiihigen Verein. Denn dieser kann nach der Konzeption des Gesetzes, wie schon sein Name besagt, keine eigenen Rechte

141 Siehe Grunewald, Gesel1schaftsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 53; K. Schmidt, Gesel1­schaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1697.

142 So zu Recht BGHZ 146, 341, 345; 163, 154, 164. 143 Fabricius, Relativitat der Rechtsfahigkeit, 1963, S. 65. 144 Siehe Schlussantrage des Generalanwalts Ruiz-jarabo Colomer, Rs. C-208/00,

SIg. 2002, 1-9919, Rn. 46 - Überseering.

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252 Matthias Lehmann AcP

haben. Dennoch kann er nach § 50 Abs. 2 ZPO verklagt werden. Der Strafcha­rakter der Regelung ist eindeutig. Diese ist nicht nur, wie Wieacker formu­lierte, das "Zeugnis einer e1ementaren Ungerechtigkeit".145 Es handelt sich zugleich um eine elementare lnkonsequenz. Denn womit soli der Verein aus dem Urteil haften, wenn er nicht rechtsfahig ist, also kein Vermôgen bilden kann? Ausdrücklich spricht § 735 ZPO von der Vollstreckung in das "Vermô­gen" des nicht rechtsfahigen Vereins, setzt also die Môglichkeit der Zuord­nung von Rechten zum Verein voraus. Dann ist es aber nur folgerichtig, den "nicht rechtsfahigen" Verein ais rechtsfahig anzusehen. Dies hat die Recht­sprechung, beginnend mit der Gewahrung der aktiven Parteifahigkeit für die Gewerkschaften, auch getan.146 Seit der Anerkennung der Rechtsfahigkeit der GbR durch das Urteil des Bundesgerichtshofs yom 29. Januar 2001 147 ist über den Verweis in § 54 S.l BGB auch der "nicht rechtsfahige" Verein endgültig ais rechtsfahig anzusehen.

Es kann nicht geleugnet werden, dass damit ein offener Widerspruch inner­halb der deutschen Rechtsordnung entstanden ist. Die Rechtsfahigkeit des nicht rechtsfahigen Vereins ist ein Paradoxon ersten Rangesl48 . Doch ist dies nur ein weiterer Beweis für die Schwierigkeiten, die durch die richterliche An­erkennung neuer Rechtssubjekte ohne Abstimmung mit dem Gesetzgeber hervorgerufen werden.

9. Transnationale Rechtsfahigkeit

Jede Rechtsordnung entscheidet selbst, welche Subjekte sie ais rechtsfahig ansieht. Die Rechtsfahigkeit ist daher immer auf ein bestimmtes Rechtssystem beschrankt. Andere Staaten kônnen die unter einem Recht bestehende Rechts­subjektivitat jedoch anerkennen.

Bei natürlichen Personen stelien sich insoweit kaum Probleme. Das deut­sche Kollisionsrecht unterstellt ihre Rechtsfahigkeit dem Recht des Staates, welchem sie angehôren.149 Bestimmungen in anderen Rechtsordnungen, die

145 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, 1953, S. 11.

146 BGHZ 42, 210. \47 BGZ 146, 341. 148 Vgl. Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 317. Dagegen sieht Hadding, ZGR 2001,712,

728, im rechtsfahigen nicht rechtsfahigen Verein keinen Widerspruch, weil § 54 S.l BGB nur den nach den Vorschriften der §§21-23 BGB nicht rechtsfahigen Verein meine, eine Rechtsfahigkeit nach anderen Vorschriften aber nicht ausschlieBe. Ein sol­cher gespaltener Begriff der Rechtsfahigkeit ist aus den oben unter 3 b genannten Grün­den abzulehnen.

149 Art. 7 11 EGBGB.

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die Rechtsfahigkeit natürlicher Personen einschranken, sind heute weitgehend unbekannt. 150 Sahe eine auslandische Rechtsordnung solche Einschrankungen vor, dann würden sie im lnland wegen VerstoBes gegen den ordre public nicht angewandt.15I Damit werden Menschen ungeachtet ihrer Herkunft aus einem bestimmten Staat ais rechtsfahig angesehen. Sie verlieren diese Eigenschaft auch nicht, soweit sie sich über die Grenze bewegen. Es gibt also eine echte "transnationale Rechtsfahigkeit" des lndividuums.

Anders verhalt es hinsichtlich auslandischer Gesellschaften und juristi­scher Personen. Die Bereitschaft zu ihrer Anerkennung ist wesentlich geringer ais bei natürlichen Personen. Hier wirkt sich besonders nachteilig aus, dass der Verband die Geburt einer bestimmten Rechtsordnung ist, nach der er entsteht und lebt. Besonders verheerende Wirkungen hat insoweit die Sitztheorie, wel­che die Rechtsfahigkeit an den art des Verwaltungssitzes der Gesellschaft oder der juristischen Person anknüpft.152 In ihrer extremen Variante führt sie dazu, dass ein Verband, der nach dem Recht eines bestimmten Staates gegrün­det wurde, bei Verlegung seiner Geschaftstatigkeit in ein anderes Land ais nicht existent gilt.153

Der Europaische Gerichtshof hat die Foigen dieser Theorie in seiner Ent­scheidung im Fall Überseering für unvereinbar mit der in Art. 43, 48 des EG­Vertrags verbürgten Niederlassungsfreiheit erklart. 154 Nach diesem Urteil muss eine Gesellschaft ihren tatsachlichen Verwaltungssitz ohne Verlust ihrer Rechtsfahigkeit in einen anderen Mitgliedstaat verlegen kônnen. lm Grunde lieBe sich dieser Anforderung auch dadurch genügen, dass man auf Ebene des materiellen Rechts die Anerkennung in einer Gesellschaftsform des Sitzrechts vorsieht. Doch hat sich der EuGH nicht damit begnügt, die Mitgliedstaaten dazu zu verpflichten, nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten gegründete Ge­sellschaften ais rechtsfahig anzusehen. Weitergehend verlangt er, die Gesell­schaft müsse "ais Gesellschaft auslandischen Rechts" von ihrer Niederlas­sungsfreiheit Gebrauch machen kônnen. l55 Dadurch werden Konstruktionen des Sachrechts abgeschnitten, die die Rechtsfahigkeit nach dem Statut des

150 Vgl. dazu oben unter 2 a). Zu Ausnahmen siehe KegellSchurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, S. 478f.

151 Art. 6 EGBGB. Zu seiner Bedeutung für die Rechtsfahigkeit siehe Staudinger! Hausmann, Bearb. 2000, Art. 7 EGBGB, Rn. 28 f.; Kegel/Schurig, Internationales Pri­vatrecht, 8. Aufl. 2000, S. 479.

152 Vgl. zu ihr Kindler, in: MünchKommBGB, 4. Aufl. 2006, IntGesR, Rn. 400­405; Leible, in: Michalski, GmbHG, 2002, Syst. Darst. 2, Rn. 4-6.

153 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2005, S. 290. 154 EuGH, Urt. v. 5.11.2002 - Rs. C-208/00, Sig. 1-9919 - Überseering. m EuGH aaO., Rn. 80 f.

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Sitzes herbeigeführt hatten. 156 In diesem Punkt ist die Entscheidung sehr zweifelhaft, da das Gemeinschaftsrecht es grundsatzlich den Mitgliedstaaten überlasst, ob sie kollisionsrechtliche oder materiellrechtliche Mittel zur Wah­rung der Grundfreiheiten wahlen. Der EuGH ist über die ihm vorgelegte Frage weit hinausgegangen. Doch wirkt sich dies nicht im Bereich der Rechts­fahigkeit, sondern bei anderen Fragen des Gesellschaftsrechts aus, wie zum Beispiel bei der Haftung der Mitglieder oder beim Mindestkapital.

Nach dem Überseering-Urteil steht fest, dass die Sitztheorie im Verhaltnis zu anderen Mitgliedstaaten der europaischen Gemeinschaft nicht mehr auf die Rechtsfahigkeit angewandt werden kann. Aufgrund eines bilateralen Ver­trags15l gilt dasselbe auch im Verhaltnis zu den USA.1S8 SchlieBlich darf sie auch gegenüber in Staaten des Europaischen Wirtschaftsraums (EWR) ge­gründeten Gesellschaften nicht mehr praktiziert werden.159

Fraglich bleibt, ob der Sitztheorie jedenfalls im Verhaitnis zu anderen Staa­ten weiterhin zu folgen ist. Dafür spricht, dass ihre grundsatzlichen Anliegen, wie zum Beispiel der Schutz inlandischer Glaubiger, hinsichtlich von Gesell­schaften aus Drittstaaten weiterhin berechtigt erscheinen. Insbesondere un­terliegen diese nicht der gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung, und es bestehen auch keine vôlkerrechtlichen Abkommen, die zu einer Anerkennung verpflichten. Doch hat auf der anderen Seite die Versagung ihrer Rechtsfahig­keit dramatische Konsequenzen für den grenzüberschreitenden Rechtsver­kehr. Ein Rechtstrager, der nach einer Rechtsordnung existiert, in einer ande­ren jedoch nicht anerkannt wird, führt zu unlôsbaren Verwicklungen: Aus von ihm abgeschlossenen Vertragen entstehen keine Rechte, die ihm zustehen­den Vermôgensgegenstande sind herrenlos. Daher sollte die Sitztheorie auch im Verhaltnis zu Drittstaaten fallengelassen werden. Berechtigten Schutzbe­dürfnissen kann in anderer Weise ais durch Negierung der Rechtsfahigkeit Rechnung getragen werden, zum Beispiel durch die Anwendung inlandischer Deliktsvorschriften. Probleme der grenzüberschreitenden Publizitat werden in Zeiten elektronischer Handelsregister immer geringer.

156 Der BGH hatte einen entsprechenden Versuch in BGHZ 151,204 unternom­men. Nach dem Urteil des EuGH hat ein anderer Senat diese Losung verworfen, vgl. BGHZ 154,185.

157 Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954, BGBl.1956 II 488, Art. XXV Abs. 5S. 2.

158 BGH NZG 2004,1001. 159 BGH NJW 2005, 3351.

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la. Zusammenfassung

Rechtsfahigkeit bedarf der Zuerkennung durch die Rechtsordnung. Ver­steht man unter ihr die Eignung, Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflich­ten zu sein, so ist die Rechtsfahigkeit unteilbar. Ob bestimmte Rechte und pflichten ailen oder nur gewissen Rechtssubjekten zukommen, ist aus den je­weiligen Rechtssatzen heraus zu ermitteln, die sie begründen. Eine "be­schrankte" oder "relative" Rechtsfahigkeit oder eine "Teilrechtsfahigkeit" gibt es nicht.

Die Verwendung des Begriffs "Rechtspersônlichkeit" zur Kennzeichnung der Unterschiede zwischen juristischen Personen und Personengesellschaften ist sprachlich missglückt. Sowohl aus historischer wie aus internationaler Sicht bezeichnen Rechtspersônlichkeit und Rechtsfahigkeit dasselbe. Dennoch be­stehen in Deutschland Unterschiede zwischen rechtsfahigen Verbanden mit und ohne Rechtspersônlichkeit. Sie sind in erster Linie rechtstheoretischer Natur und haben Bedeutung ais Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelungen. Durch privataùtonome Gestaitung lassen sie sich weitgehend einebnen.

Die Rechtsfahigkeit kann auBer durch die Legislative auch durch die Judi­kative zuerkannt werden. Jedoch sollte die Rechtsprechung mit der Anerken­nung neuer Rechtssubjekte vorsichtig sein. Ein in sich geschlossenes, konsis­tentes System der Rechtsfahigkeit anderer ais natürlicher Personen kann nur der Gesetzgeber schaffen. Das gilt vor allem wegen des Gebots der Publizitat des Rechtstragers. Rechtssubjekte müssen erkennbar sein, entweder aufgrund ihrer natürlichen Erscheinung, oder durch rechtliche Hilfsmittel, wie zum Beispiel ein Register. Ein nicht eingetragener Verband, der unter seinem eige­nen Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, ist zwar rechtstechnisch môglich, aber rechtspolitisch bedenklich.

In kollisionsrechtlicher Hinsicht sollte die Rechtsfahigkeit auslandischer Rechtssubjekte môglichst weitgehend ane'rkannt werden, gleichgültig, ob es sich um natürliche oder juristische Personen oder um Gesellschaften handeit. Berechtigten Schutzbedürfnissen ist in anderer Weise ais durch das scharfe Schwert der Versagung der Rechtsfahigkeit zu entsprechen.