Der Florentiner Medailleur Niccolò di Forzore Spinelli / von Wilhelm Bode

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    Abb. 1. Hans MemlingBildnis des Niccolo di Forzore SpinelliK. Gemaldegalerie, Antwerpen

    DER FLORENTINER MEDAILLEUR NICCOLO DI FORZORE SPINELLIVON WILHELM BODE

    Unterden Bildnissen des Quattrocento sind uns zwei Portrate von jungen Mannern

    erhalten, die Medaillen in der Hand halten: das eine in der Galerie der Uffizien, das andere in der Antwerpener Galerie. Da die Dargestellten einfach biirgerlich gekleidet sind, hat man neuerdings darin Medailleure zu erkennen geglaubt,und zwar ist man fiir beide auf denselben Meister, auf Niccolo Spinelli, verfallen.Der Vergleich der Bildnisse ergibt aber, daB sie nicht einen und denselben Manndarstellen konnen, da sie vollig verschiedene Physiognomien zeigen. Das AntwerpenerBildnis (Abb. 1), friiher Antonello zugeschrieben und bald als sein Selbstbildnis, baldals Bildnis Pisanellos bezeichnet, stellt einen jungen Mann von ausdrucksvollen Ziigenund siidlichem Teint dar, der eine Miinze des Kaisers Nero (mit der Umschrift NEROCLAVD CAESAR AVG GE P M TR P IMP PP) in seiner Linken halt. Die neuereKunstkritik hat in diesem Bilde langst die Hand des Hans Memling erkannt, in demDargestellten vermutet sie den Florentiner Nicolas de Spinel, der 1468 urkundlich alsStempelschneider am burgundischen Hofe beschaftigt war. In dem Uffizienbild, das

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    deutlich seine Florentiner Herkunft verrat, will Julius Friedlaender (Italienische Schaumiinzen, S. 146) gleichfalls den Medailleur Nicolaus Florentinus erkennen, freilich mitder Einschrankung, falls sich seine Bestimmung der Medaille des Cosimo, die der Dargestellte in der Hand halt, als eine Arbeit des Niccolo als richtig ergeben sollte. DaB erdie alte Benennung Pico della Mirandola ablehnte, war sehr gerechtfertigt, da der Dargestellte nicht die geringste Ahnlichkeit mit den bekannten Ziigen dieses vornehmenHumanisten hat, ganz abgesehen von seiner schlichten Tracht; ebenso iiberzeugendist seine Annahme, daB wir hier das Bildnis eines Medailleurs vor uns haben, der seinMeisterwerk in den Handen halt. Als Kiinstler des Bildes, das bis dahin namenloswar, hat man neuerdings Sandro Botticelli verantwortlkh machen wollen; als ob diesergroBe Kiinstler je Hande gezeichnet hatte wie diese KrahenfuBe, und obenein in einerZeit, wo er die ?>Tapferkeit? und die kleine Anbetung der Kdnige in den Uffizienmalte! Wir werden vielmehr ein Selbstbildnis des Medailleurs darin zu sehen haben,der ? wie viele seiner Genossen in jener Zeit ? auch Maler war und sich als solcher,wie namentlich die Landschaft im Grunde zeigt, der naturalistischen Richtung einesBaldovinetti anschloB. Seinem Mangel an Ubung und Geschick im Malen haben wires wohl zuzuschreiben, daB uns das Bild so eigentumlich anmutet und unter alienFlorentiner Gemalden bisher allein dasteht.

    Die Medaille, die der Kiinstler in seinen Handen halt, ist nicht gemalt, sonderneine in das Bild eingelassene vergoldete Stucknachbildung der bekannten Schaumunzedes alten Cosimo mit der Umschrift MAGNVS. COSMVS. MEDICES. P. P. P.l)Falls diese von der Hand des Niccolo Spinelli ware, hatten wir Niccolo in dem Dargestellten anzusprechen, und der Medailleur des Memlingschen Bildes konnte ihn nichtvorstellen, da das Bild zwar aus gleicher Zeit ist und einen Mann von gleichem Altergibt, aber bei ganz verschiedenen Ziigen. Gerade diese Medaille hat jedoch manchesAbweichende von den zahlreichen andern Florentiner Schaumunzen gleicher Zeit,insbesondere von den bezeichneten Stiicken des Niccolo. Statt der breiten, skizzierenden Behandlung in Niccolos Medaillen ist dieses Stuck mit einer Scharfe ausgefuhrt,als ob es gepragt ware; statt des kraftigen Reliefs ist der Kopf flach und verlauft in denGrund. Friedlaenders Vorschlag hat daher keinen Anklang gefunden. Zu einer anderenAnnahme, daB Michelozzo der Verfertiger sei, wiirde jenes Portrat noch wenigerpassen, da der Architekt Cosimos, als dieser 1465, bald nach seinem Tode, zum Paterpatriae erklart wurde, schon hoch bejahrt war; auch wissen wir jetzt, daB Michelozzodamals iiberhaupt nicht in Florenz war, sondern im Auslande lebte. Wir diirfen daherdas Bild in den Uffizien bei der Frage nach dem Selbstbildnis des Niccolo Spinelliausscheiden; als solches tritt dadurch das Bildnis in der Antwerpener Galerie in denVordergrund. Freilich wird von manchen Seiten daran gezweifelt, daB der Florentiner Stempelschneider am Hofe Karls von Burgund, Nicolas de Spinel, mit dem bekannten Florentiner Medailleur dieselbe Person sei; aber wenn schon die Ubereinstimmung des Namens, der gleiche Beruf und der Umstand, daB Niccolo damals inFlorenz nicht nachweisbar ist, jene Annahme von vornherein wahrscheinlich machen,so scheint mir die Medaille, welche von Karls alterem Bruder Anton von Burgund

    l) Es gibt eine zweite, auf den ersten Blick fast iibereinstimmende Medaille des Cosimo mit gleicher Riickseite und von gleicher GroBe, mit der Umschrift COSMVS. MEDICES.DECRETO. PVBLICO. P. P. Sie ist wesentlich hoher im Relief und von abweichenderFormenbehandlung, so daB sie moglicherweise von anderer Hand herruhrt. Die kleine Medaille des Cosimo ist eine Verkleinerung dieser Schaumunze.

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    erhalten ist, und die dem Alter nach in den sechziger Jahren entstanden sein muB, jeneAnnahme zur GewiBheit zu erheben. Denn dieses herrliche, groBe Stuck zeigt denCharakter der bezeichneten Medaillen des Niccolo in ausgesprochener Weise (Taf. A, 1).Auch Friedlaender erklart es fur eine Florentiner Arbeit, freilich fur ein Werk desGuazzalotti, fur den er eine begreifliche Vorliebe hat (hat er doch die Personlichkeitdieses Kiinstlers erst festgestellt), und den er auch sonst mit Niccolo verwechselt. Auchgibt es unter den Florentiner Medaillen ein bisher unbeschriebenes Stuck in einemeinzigen trefflichen Exemplar des Berliner Kabinetts, welches, bei geringerem Umfang,das gleiche hohe Relief und eine ahnlich breite Behandlung wie die Medaille des?Bastards von Burgund? hat, die Medaille eines Petrus Maria mit dem Paris auf derRiickseite (Taf. A, 4). Dasselbe gilt von einem groBen trefflichen Medaillon mit demBildnis eines jiingeren Mannes mit Kappe, ohne Revers und ohne Umschrift, das imMuseo del Castello zu Mailand unter den Plaketten aufgestellt ist.

    Zugegeben also, daB Niccolo Spinelli als junger Kiinstler am burgundischenHofe tatig war, wie steht es mit seiner Beschaftigung durch Karl VIII. von Frankreich? Der verdiente Forscher iiber die Geschichte der Kunst in Lyon, Natalis Rondot,hat aus den Archiven festgestellt, daB ein Florentiner Goldschmied ?Nicolas de Florence?,den er ohne weiteren Grund mit Niccolo di Forzore Spinelli identifiziert, Ende desXV. Jahrhunderts in Lyon lebte und 1494, als Karl VIII. dort sein Hoflager aufgeschlagen hatte, um den Krieg gegen Italien vorzubereiten, fur diesen beschaftigtwar. 'Da wir nun aus dieser Zeit eine groBe Medaille des Konigs und mehrere vonseinen Granden besitzen, die ganz charakteristische Florentiner Arbeiten sind, so lages sehr nahe, sie dem Florentiner Medailleur Niccolo Spinelli zuzuschreiben. Nun hataber Rondot gefunden, daB sein Florentiner Goldschmid ?Nicolas? in Lyon zwischenden Jahren 1485 bis 1499 ansassig und dort mit einer Franzosin verheiratet war, unddaB sein Tod in Lyon im Jahre 1499 verzeichnet ist, wahrend nach Gaetano Milanesider Florentiner Medailleur eine Florentinerin zur Frau hatte und erst im Jahre 1514 inFlorenz gestorben ist. Auch ist die mit dem vollen Kiinstlernamen bezeichnete Medaille des jungen Alfonso d'Este (Taf. A, 5) von Niccolo, der damals nicht in Lyon anwesend sein konnte, aus dem Jahre 1493 datiert. Daraus hat man den SchluB gezogen, daB jene franzosischen Medaillen von einem dritten Kiinstler gleichen Namensherriihren miiBten: ein vollig irrtiimlicher SchluB, da alle diese Medaillen, wie wirsehen werden, im November 1494 in Florenz ausgefuhrt sein konnen, als Karl VIII.sich dort mit seinen Heerfuhrern und Hofleuten aufhielt. Auch ist die einzige urkundlich von jenem Nicolas de Florence gemeinsam mit seinem Schwiegervater in Lyonausgefuhrte Medaille Karls VIII. und seiner Gemahlin in ihrem flachen Relief undMiinzcharakter vollig verschieden von jenen groBen Schaumiinzen Karls und seiner

    Generale.Aus diesen verschiedenen falschen Voraussetzungen und Schliissen hat die Kritikder auBerordentlich zahlreichen Schaumiinzen von Florentiner oder Florenz nahestehen

    den Personlichkeiten, deren innere Verwandtschaft allgemein anerkannt war und nochheute anerkannt wird, sich in ein wahres Labyrinth von Bestimmungen und Vermutungenverirrt. Da diese Medaillen den erlauchtesten Kreis groBer Manner der Renaissance undihrer Umgebung in einer ganz einzigen Fiille der lebensvollsten Abbilder zur Anschauung bringen, die an kiinstlerischem Wert den Medaillonportraten eines VittorePisano ganz nahe kommen, so lohnt es wahrlich der Miihe, zunachst einmal den Kernder Frage freizulegen, um einer miihsamen und langwierigen Forschung nach dieserRichtung die Wege zu ebnen. i*

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    Suchen wir zuerst die Ansichten der verschiedenen maBgebenden Gelehrten,welche die Geschichte der italienischen Medaillenkunde auf ihren heutigen kritischenStand gebracht haben, kurz zu skizzieren. Julius Friedlaender ist iiber Niccolo di ForzoreSpinelli sehr kurz; iiber seine Biographie sagt er, entgegen seiner sonstigen Gewissenhaftigkeit, gar nichts; als sicher beglaubigte Arbeit macht er vier bezeichnete Stiickedes Kiinstlers namhaft (die fiinfte, der Bischof von Chioggia, Silvestro Duziari, vomJahre 1485, war ihm noch nicht bekannt); daran reiht er die iibrigen gleichzeitigenFlorentiner Medaillen alsWerke anonymer Kiinstler mit dem Bemerken, daB man beieinigen in erster Linie an Guazzalotti, vielleicht daneben aber auch an Niccolo denkendiirfe, da beide Kiinstler >einige Stilverwandtschaft miteinander? hatten. Alfred von Salletspricht von >Nicolaus Florentinus und den Kiinstlern seiner Schule?. Armand undnach ihm HeiB haben eine kleine Zahl unbezeichneter Medaillen als ?dem Niccolo zugeschrieben< aufgefiihrt, aber fur den ganzen Rest, wovon sie einzelne noch demGuazzalotti, Pollaiuolo, Francia u. a. zuschreiben, haben sie vollig unwissenschaftlichaus verschiedenen, haufiger wiederkehrendenund fast iibereinstimmenden Riickseiten eigeneMeister erfunden, indem sie diese Reverse ge

    wissermaBen als ihre Handzeichen ansahen:den ?Meister der Hoffnung?, den ?Meister mitdem Adler? und den ?Meister mit dem GliickMeister mit den drei Grazien?, den ?Meisterder Caritas?, den ?Meister mit dem Merkur?

    u. a. nach den iibereinstimmenden Riickseiten,die sich auf andern dieser Medaillen finden, ausdieser Gruppe von Medaillen herausschalen.Neben solchen willkiirlichen, phantastischenMeisternamen gehen einige andere her, fur dieder treffliche Gaetano Milanesi verantwortlichist, der als Archivar, bei einem auffallenden

    Mangel an kunstlerischem Blick und Kenntnisvon Kunstwerken, aus einzelnen unerklartenBuchstaben in den Umschriften oder Devisen,

    aus Beziehungen der Dargestellten zu bestimmten Kiinstlern und ahnlichen Griindendie Einfiihrung von Namen wie Delia Robbia, Dom. Cennini und Gioacchino Cigliamocchi unter die Florentiner Medailleure verschuldet hat, wie er auch sonst Dutzendevon ganz unbegriindeten Kiinstlernamen aus gleich vagen Griinden inArmands Bucheingeschmuggelt hat.Das ist, bis heute wenigstens, der >AufschluB, den uns die Florentiner Archivegeben?; und auf sie setzte J. Friedlaender alle seine Hoffnungen, wahrend er ?mitVermutungen, die sich auf den Stil allein griinden, wenig geniitzt? glaubte! Man hatdie Stilkritik in der Medaillenkunde bisher leider nur zu wenig geiibt; warum sie beiden Medaillen ausgeschlossen sein soil, ist mir nicht erfindlich. Gerade hier erscheintsie mir besonders am Platze, sie hat mindestens die gleiche Aussicht auf Erfolg wiebei alien anderen Kunstwerken. Bieten doch auBer den Portraten der Vorderseitenauch die Riickseiten ein reiches Material zur stilistischen Vergleichung; ein weiteresHilfsmittel geben die Inschriften durch die Form ihrer Buchstaben, die Impresen usf.;auBerdem lassen sich aus der Tracht, aus Lebensalter, Aufenthaltsort u. a. Beziehungen

    Abb. 2. Roberto Nasi

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    der Dargestellten weitere Anhaltspunkte zur Bestimmung der Ktinstler finden. Fiirdie Urkundenforschung bleibt aber trotzdem noch genug zu tun tibrig, namentlichfiir die Medaillen des Niccolo Spinelli, deren mir bisher rund 130 bekannt sind ?eine Zahl, die sich sicherlich mit der Zeit nicht unwesentlich noch vermehren lassenwird ?, fiir welche noch vielfach die Lebensdaten der Dargestellten, oft selbst die Feststellung der Personlichkeiten und daraus die Zeit der Entstehung der einzelnen Medaillen ausfindig zu machen sind. Auch ist uns iiber das Leben des Niccolo nochfast nichts bekannt.

    Alle auBeren und inneren Griinde stimmen zusammen, um die hier in Betrachtkommenden Medaillen nur einem und demselben Ktinstler zuzuschreiben; daB diesernur Niccolo Spinelli sein kann, beweisen die ftinf mit seinem Namen bezeichnetenStiicke. Freilich haben jene zahlreichen Medaillen manche Verschiedenheiten unter sich,diese sind aber nicht groBer als auch bei andern Ktinstlern, zumal wenn diese, wieNiccolo, mehr als ein halbes Jahrhundert tatig waren, bald nach dem Leben, bald nurnach Abbildern arbeiteten und in ihrer Ausftihrung sehr verschiedenartig waren. Auchdiese Verschiedenheiten sind jedoch nie so groB, daB wir deshalb auf verschiedeneUrheber schlieBen miiBten. Gerade bei Medaillen ist die Eigenart der Ktinstler, beider Eigentiimlichkeit der Technik und der Mannigfaltigkeit im Ausdruck bei den Vorund Rtickseiten, besonders ausgepragt; daB mehrere Ktinstler, selbst Lehrer undSchtiler (ein Verhaltnis, das gerade in dieser Kunst ein seltenes ist), sich zum Verwechseln ahnlich waren, kommt iiberhaupt nur ganz ausnahmsweise vor, daB aberein halbes Dutzend oder gar ein Dutzend Medailleure gleichzeitig an einem Orte imgleichen Charakter gearbeitet haben sollten, ist sicher ausgeschlossen. Die Individualist verrat sich am starksten gerade in der Kunst, besonders in einer so individuellen und potenten Schule, wie es die Florentiner zur Zeit der Renaissance ist.

    Eigenttimlich ist alien diesen Medaillen die Verbindung von treuster Wiedergabeder Individualist mit groBer Breite in Auffassung und Formengebung. Es charakterisiert sie unbestechliche Wahrheitsliebe ebensosehr wie GroBe der Anschauung, dieauch die haBlichsten Ztige adelt; und neben mannlicher Kraft kommt weibliche Schonheit und Zartheit, kommt selbst der Reiz der Jugend zu vollem Ausdruck. Die Ausftihrung hat regelmaBig etwas sehr Breites, oft Skizzenhaftes; bei den Rtickseiten,die manchen anderen Medailleuren am meisten zu tun machten, hielt sich der Ktinstlernur wenig auf; sie sind fast immer fltichtig behandelt, dtirftig in der Erfindung undbeschranken sich mit wenigen Ausnahmen auf eine einzelne Figur, die sich regelmaBigmehr oder weniger oft wiederholt und nicht selten von der Antike oder von zeitgenossischen Ktinstlern entlehnt ist. Gelegentlich sind diese Rtickseiten geradezu roh,namentlich bei den restituierten Medaillen. Wo der Ktinstler fremde Vorbilder fiirseine Rtickseiten benutzt, sind sie dagegen, wenn er nicht zu fltichtig ausftihrt, meistsehr reizvoll. So sind seine Rtickseiten mit Kopien nach antiken Kameen und Statuenrecht ttichtig, namentlich nach dem Cameo mit den drei Grazien, die auf ftinf verschiedenen Medaillen vorkommen (Taf. C, 9). Ausgezeichnet ist der Herkules als Schlangentoter auf der Rtickseite der Schaumtinze des Ercole Bentivoglio; hier verrat sich deutlich

    Antonio del Pollaiuolo als Vorbild (Taf. C, 8). Die Komposition der ?Jungfraulichkeitals Ztigel der Liebe?, die er zweimal auf Medaillen von jungen Personen anbringt, (alsRtickseite der Medaille des Roberto Nasi, Abb. 2), dann die Musik auf der Rtickseite derCassandra Fedele, einem Unikum der Simonschen Sammlung (Taf. C, 5 u. Taf. A, 6), unddie Diana als Revers der Giovanna Tornabuoni-Albizzi erinnern an Gestalten von Sandround Filippino, von denen sie vielleicht frei entlehnt sind. Die Einzelfiguren, die sich

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    sonst, meist in haufiger und fast unveranderter Wiederkehr, auf den Rtickseiten seinerMedaillen finden, sind dagegen ebenso dtirftig in der Erfindung, wie fltichtig undgelegentlich selbst gering in der Zeichnung. Dies gilt fiir die Gestalten der Hoffnung,der Liebe, des Gliicks, der Nemesis, der Weisheit, der Viktoria, des Merkur ingleichem MaBe wie fiir die Herrscher zu Pferde oder zu FuB, die Wappen undEmbleme usf. Alle haben durchaus den gleichen Charakter. Es sind steife oder ungeschickt bewegte Gestalten mit groBen Extremitaten, groben Ztigen, strahnigen Haaren,langen unschonen Parallelfalten der flatternden antikisierenden Gewander. Noch oberflachlicher charakterisiert und fliichtiger ausgeftihrt sind die Tiere; Baume und Pflanzen

    Abb. 3. Giuliano dei Medici

    sind nur schematisch angedeutet. GroBeren Kompositionen geht der Ktinstler angstlich aus dem Wege, wenn er sie nicht kopiert; selbst wo er nur ein paar Figuren einfach nebeneinanderstellt, miBgltickt ihm dies regelmaBig, wie die Rtickseiten derMedaillen von Carlo Federighi und Antonio Pizzamani mit drei ntichtern nebeneinandergestellten allegorischen Frauengestalten zur Gentige beweisen (vgl. den ReversinAbb. 5, der ganz dem des Carlo Federighi entspricht; Heiss, Med. Flor., Taf. XVIII, 5).Alle seine Figuren gleichen sich bis zur eintonigen Wiederholung. Mit der Spes, dieam haufigsten wiederkehrt, obgleich sie von alien fast die schwachste ist, sind diegleichfalls haufige Caritas wie die Sapientia (auf einer trefflichen unbeschriebenenFrauenmedaille in der Sammlung Simon, auf einer der Boccacciomedaillen und auf demgroBen Uzzano) und die Fides auf der Medaille des Fra Alb. Belli fast identisch; dieNemesis auf der Rtickseite des Giuliano dei Medici (Abb. 3 und 4) und die Minerva

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    auf der des Fra Benedetto Tiezzi und des Ercole d' Este (HeiB, Die Medaillen desHauses Este, Taf. VII, 3), die Viktoria auf der Riickseite der Medaillen der CatarinaRiario und Karls VIII. von Frankreich sind ganz ahnliche Gewandfiguren von gleicherBildung und Ausfiihrung. Nun haben freilich von den fiinf bezeichneten Medaillendes Niccolo Spinelli drei Reverse mit Darstellungen, die fast treu antiken Kameen nachgebildet sind, auf der vierten wird fast die ganze Riickseite von einer Inschrift bedeckt; nur die fiinfte hat einen Revers mit freier Erfindung: die Florentia unter einemLorbeerbaum sitzend und Blumen reichend, eine Fioraja von einer Diirftigkeit der Erfindung, Derbheit und Fliichtigkeit der Zeichnung und Ausfiihrung, die als Revers

    Abb. 4. Revers vom Oiuliano dei Medici

    der Medaille von Lorenzo ilMagnifico doppelt auffallig ist.1) Diese Gestalt und ihreBehandlung ist die typische auf der groBen Mehrzahl der hier in Betracht kommendenMedaillen; in den meisten verrat sich die gleiche Hand auf den ersten Blick. DaB allediese Stiicke auch in ihren Inschriften, in der Form der Buchstaben und der Art ihrer Anbringung den gleichen Charakter haben, darauf sei hier nur imVorbeigehen hingewiesen.Die Vertreter der Ansicht, daB diese Medaillen verschiedenen Kiinstlern angehoren,von denen die meisten immer die gleiche Riickseite angewandt hatten, wollen wesentliche Unterschiede zwischen denselben entdeckt haben. So auch in neuester Zeit

    l) Genau wiederholt ist diese Gestalt in der viel kleineren Medaille des Politian, dieetwa gleichzeitig entstanden ist. Hier ist der Komposition ein Genius hinzugefiigt, welcherder sitzenden Frau Lorbeeren reicht, die er vom Baum iiber ihr gepfliickt hat (Abb. 6).

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    C. von Fabriczy in seinem trefflichen Handbuch der italienischen Medaillenkunde. Der?Mattre a PEsperance? soil nach ihm dem Niccolo am nachsten stehen, die Arbeiten des?Medailleur a la Fortune? sollen ein mehr handwerkliches Konnen verraten, auch inder mangelnden Behandlung der Portrate1), wahrend die Schaumtinzen des ?Maitre aTAigle? nach seiner Ansicht eine viel bedeutendere Personlichkeit offenbaren. In bezugauf die Darstellungen der Rtickseiten habe ich meine entgegengesetzte Ansicht schondargelegt; dasselbe gilt aber auch fiir die Vorderseiten: sie zeigen alle den gleichen,sehr eigenartigen, als Portratbildner hochst bedeutenden, groBziigigen Ktinstler. Freilich, Verschiedenheiten bieten diese nahezu hundertdreiBig Bildnisse genau so wie

    Abb. 5. Revers vom Stefano Taverna

    ihre Rtickseiten, ja noch mehr und noch groBere; denn wahrend der Ktinstler inden Kompositionen der Reverse sich meist wiederholt, notdtirftig behilft und seineSchwache als Erfinder und Darsteller nur dtirftig versteckt, ist er in seinen Portratenstets neu, versteht dank seiner auBerordentlichen Treffsicherheit und der vollen Erfassungder Personlichkeit immer eigenartige Bilder vorzuftihren und weiB fiir sie den bestenplastischen Ausdruck zu finden. Andere Verschiedenheiten brachte der Umstand mitsich, daB der Ktinstler nicht immer nach der Natur, sondern gelegentlich nach alten Vor

    :) DaB C. v. Fabriczy damit keineswegs die allgemeine Ansicht ausspricht, geht daraushervor, daB Julius Friedlaender eine dieser Medaillen, die auf der Rtickseite die Fortunazeigen, die Medaille des Alessandro Vecchietti (Taf. B, 4), fiir eine der trefflichsten unter aliendiesen Florentiner Schaumtinzen erklart, eine Ansicht, der ich mich ganz anschlieBe.

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    lagen oder vielleicht gar aus der Phantasie arbeitete; in letzterem Falle ist er, wie die meistenseiner restituierten Medaillen zeigen, fast ebenso fluchtig und oberflachlich, wie in seinenRiickseiten. Nicht unwesentliche Unterschiede ergaben sich namentlich aus der Zeit derEntstehung; verteilen sich doch die hierher gehorigen Medaillen iiber eine Zeit vonwenig unter einem halben Jahrhundert. Die friiheste ist die groBe Schaumunze aufAnton von Burgund (Taf. A, 1), die wir, auch nach dem Alter des Dargestellten um 1468setzen miissen, als Niccolo am Hofe Karls des Kiihnen als Stempelschneider lebte; diespatesten, wie Papst Leo X. (als Kardinal) (Abb. 9), Francesco Lancillotto und anderesind in den letzten Jahren vor seinem Tode (1514) entstanden. Jenes friiheste Portrat,dem sich das des Giovanni Gaddi wahrscheinlich als die erste in Florenz nachweisbare Medaille seiner Hand (nach dem Alter des Dargestellten um 1470 bis 1475) anschlieBt, ist in starkem Relief gearbeitet, auBerordentlich breit, aber von schlichterGroBe und wahrhaft meisterhaft. *) In den achtziger Jahren, in denen namentlichjene Fiille

    von Portraten aus der Umgebungdes Lorenzo Magnifico entstand, erscheint ergleichmaBiger in der Ausfiihrung, zuweilenbeinahe sorgfaltig, stets von feinster Individualitat. Im Laufe der neunziger Jahre wirdder Kiinstler fliichtiger, derber, das lange Haarwird auffallend strahnig, die Haltung gelegentlich steifer, die Schrift sorgloser, Eigentiimlichkeiten, die mit dem hohen Alter noch zunehmen. Immerhin sind diese Verschiedenheiten, trotz der groBen Zahl der Werke unddem langen Zeitraum, iiber den sie sich erstrecken, keineswegs besonders starke, wennman damit die Verschiedenheit innerhalb der

    Werke anderer Portratkiinstler, eines Rembrandt,A. van Dyck oder Frans Hals, vergleicht. Auchzeigen sich diese kleinen Abweichungen gleichfalls innerhalb der verschiedenen Gruppen dieserFlorentiner Medaillen, die man nach ihren iibereinstimmenden Rtickseiten aufgestellt hat ? ein weiterer Beweis fiir die vollige Grundlosigkeit dieser Aufstellung!Die Nationality mancher Dargestellten, wie Ort und Zeit, wo und wann dieseMedaillen entstanden, sprechen keineswegs gegen Niccolo Spinelli als Urheber derselben, wie man behauptet hat. Dies gilt auch in bezug auf die Schaumtinzen vonfranzosischen Personlichkeiten, selbst nachdem nachgewiesen worden ist, daB der inLyon beschaftigte Goldschmied namens Niccolo, der dort 1499 starb, nicht mitunserem Meister eine Person gewesen sein kann. Denn die Medaillen Karls VIII. von

    x) Wenn J. Friedlaender die Arbeit als ?derb, fast roh, aber doch geistreich? bezeichnet hat, so war sein Urteil wohl von der Gewohnung an sauber ziselierte Medaillengetriibt, wodurch sich auch seine Vorliebe fiir Niccolos Landsmann Guazzalotti erklart. Ichkenne wenige Medaillen von der Kraft und Lebensfiille, von der sicheren Meisterschaft inder Wiedergabe der Personlichkeit, wie gerade dieses Unikum des Berliner Miinzkabinetts,das viel mehr von der Art eines monumentalen Bildhauers als von der eines Medailleurs undStempelschneiders an sich hat ? ein Kennzeichen fiir fast alle Arbeiten des Niccolo.

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    Abb. 6. Revers vom Lorenzo Magnifico

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    Sforza (Abb. 8)x) und ihren Sohn Ottaviano Riario u. a. m. wird der Ktinstler bei gelegentlichem Aufenthalt dieser Personen in Florenz modelliert haben.Ein eigenttimliches Resultat ergibt sich, wenn wir die Menge der von Niccolo

    verewigten Bildnisse auf die politische und soziale Stellung der Dargestellten ansehen.Eine groBe Zahl gehort zunachst den Mediceern2) und ihrem Kreise: von Lorenzo undGiuliano bis zum Kardinal Giovanni (Abb. 9) und anderen jtingeren Gliedern der Familie;darunter verschiedene bisher nicht naher festgestellte Mitglieder der Mediceer wie Diamante de' Medici und eine nur durch die Impresen (SEMPER und GLOVIS) als solchegesicherte junge Frau.3) Daneben finden wir, meist aus den achtziger Jahren, Mitgliederder groBen Familien, welche den Mediceern nahe standen: der Tornabuoni, Strozzi,Gaddi, Guidi, Salviati, Altoviti, Morelli, Sassetta, Federighi, Nasi usf. Auch der Kreisder Gelehrten und Kiinstler umLorenzo Magnifico fehlt nicht:lebensvolle Bildnisse von MarsilioFicino und Politian, von dem Architekten Francesco Filarete, dem

    x) Die Entstehung dieser Medaille wird nach dem Jahre 1488angesetzt, weil in diesem Jahre Catarina ihren ersten Gatten Girolamo

    Riario verlor. Doch gibt es zweiRedaktionen der Medaille; nur aufder zweiten tragt sie den Witwenschleier, wahrend die sehr seltenefruhere, etwas groBere sie im vollenreichen Haarschmuck zeigt (Abb. 8),also noch bei Lebzeiten Girolamosentstanden sein muB. Spater, alsihr Sohn Ottaviano, fur den sie inheroinenhafter Weise das Regimentfuhrte, heranwuchs, lieB sie dessenMedaille (mit dem Knaben zu Pferdeauf der Riickseite) von Niccolo an

    fertigen und gleichzeitig durch ihndie neue Redaktion ihrer eigenenMedaille ausfiihren. Die beiden Rtickseiten finden wir fast unverandert auf den 1495 ent

    standenen Medaillen Karls VIII. und von Jean du Mas und Antoine de Gimel wiederholt.2) DaB die beiden bekannten groBen Medaillen auf Piero di Cosimo de' Medici und

    dessen Bruder Giovanni gleichfalls von Niccolo herriihren, scheint mir nicht wahrscheinlich.In ihrer GroBe, in der Art, wie sie im Raum angeordnet sind, in ihrer skizzenhaften Behandlung wie im Reliefstil haben sie mehr den Charakter eigentlicher Reliefs als den von Me

    daillen, sind also wohl von der Hand eines Bildhauers.3) Auch die irrtiimlich als N. Acciajuolo bezeichnete Medaille scheint mir einen Me

    diceer darzustellen, vielleicht den etwas idealisierten Giuliano, Bruder Lorenzos. Die Buchstaben N A zu beiden Seiten des Kopfes geben wohl nicht die Anfangsbuchstaben des

    Namens, sondern von einem Wahlspruch oder dgl. Es gibt eine zweite kleinere Schaumtinze ohne Rtickseite und Umschrift, welche in gleicher Weise zu jeder Seite im Feldeeinen Anfangsbuchstaben zeigt: die anziehende Medaille einer jungen Frau in der Sammlungdes Kastells zu Mailand mit der Beischrift I.A. Sie ist augenscheinlich gleichfalls von derHand des Niccolo.

    2*

    Abb. 8. Catarina Riario-Sforza

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    Goldschmied Lorenzo Ciliamocchi, dem Maler Francesco Lancillotto sind uns in diesenMedaillen erhalten. Die Anregung zu den Schaumtinzen langst verstorbener groBerBtirger von Florenz haben wir wohl gleichfalls auf Lorenzo zurtickzuftihren. Nebenden groBen Dichtern Dante, Boccaccio und Petrarca finden wir den bertihmten Latinisten Coluccio Salutati, die Kriegshelden der Florentiner: Neri Capponi und NiccoloUzzano, den Staatssekretar Marsuppini und ihre als Heilige verehrten Geistlichen, Gualberto und den Erzbischof B. Antonino. Mitglieder einzelner fremder Geschlechter, vondenen uns Bildnisse in diesen Schaumtinzen begegnen, waren damals in hohen Stel

    lungen oder als Freunde um die Mediceer versammelt; so die Orsini durch LorenzosGattin, die Bentivoglio durch Ercole Bentivoglio, der seit 1486 Kommandeur der

    Abb. 9. Kardinal Giovanni dei Medici (Leo X.)

    Florentiner Truppen war, die Mirandola durch den gelehrten Freund Lorenzos, Pico,u. a. m. An Papst Innozenz VIII. gelangte Niccolo wohl auch durch die freundschaftlichen Beziehungen Lorenzos zu diesem Papst, die schlieBlich zu der Vermahlung einesSohnes von Innozenz mit einer Tochter Lorenzos ftihrten; wir stellten fest, daB NiccoloInnozenz selbst, seine Tochter und Enkelin sowie eine Reihe hochgestellter Geistlicherund Beamten in der Mitte der achtziger Jahre in Medaillen portratierte, also wahrscheinlich damals am papstlichen Hofe sich langere Zeit aufhielt.Diese ausgiebige Beschaftigung des Ktinstlers fiir Lorenzo Magnifico und seine

    Umgebung machte ihn keineswegs zu einem Parteiganger desselben; wir sehen vielmehr, daB er nach echter Art der damaligen italienischen Ktinstler und Gelehrtenselbst den erbittertsten Feinden der Mediceer in gleicher Weise diente. Als die Franzosen in Florenz einzogen, modellierte er Karl VIII. und verschiedene seiner vor

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    nehmsten Begleiter sowie gleichzeitig den von Lorenzo verbannten und mit dem franzosischen Heere zurtickkehrenden Lorenzino de' Medici. Als dann Savonarola seingeistliches Regiment in Florenz aufrichtete, fertigte Niccolo eine Medaille nach deranderen von dem beliebten Volkshelden, der unter den Ktinstlern seine begeistertsten Parteiganger hatte1); und die meisten in den Jahren 1496 bis 1498 entstandenenMedaillen zeigen Anhanger des Frate. Aber nachdem das papstliche Strafgerichtuber ihn verhangt war und die Volksgunst sich von ihm abwandte, nahm Niccolo nichtden geringsten Anstand daran, einen seiner Richter, den alten Dominikanergeneral

    Gioacchino della Torre, durch eine vom Jahre 1498 datierte Medaille zu verewigen,deren eine Rtickseite den Merkur, die andere sogar Dolch und Kappe, also die Insignien seines Henkeramtes, tragen! Wie wenig man ihm dieses Arbeiten fiir denjedesmaligen Machthaber verdachte, zeigen die Medaillen, die der Ktinstler, damalsschon ein Greis tiber achtzig Jahre, nach der Restauration der Mediceer vom Kardinal

    Giuliano und vom jtingeren Pier Francesco de' Medici anfertigte. Der Umstand, daBdie meisten dieser Medaillen die hervorragendsten Personlichkeiten und Mitglieder derersten Familien von Florenz oder damit in naher Beziehung stehende Manner, gleichviel welcher Partei sie angehorten, durch fast vier Jahrzehnte darstellen, ist ein Beweismehr, daB sie nur von einem Ktinstler, also von Niccolo Fiorentino, herrtihren. Denn,gerade wie heute, so wendete man sich gewiB auch damals in solchen ktinstlerischenBedtirfnissen an den Ktinstler, der gerade Mode war. DaB aber solcher bertihmter

    Medailleure in Florenz gleichzeitig mehrere oder gar ein halbes Dutzend nebeneinander tatig gewesen sein sollten, ist ebenso unwahrscheinlich wie daB sie alle in dergleichen Art gearbeitet, oder daB sich von alien, bis auf den einen Niccolo, keineUberlieferung erhalten haben sollte.

    Wie bei den Medaillen tiberhaupt, so verdienen ganz besonders bei diesen Florentiner Medaillen die Rtickseiten unsere Beachtung; freilich in der Regel keineswegswegen ihres ktinstlerischen Wertes, wohl aber in bezug auf ihren Inhalt (vgl. Taf. C).Soweit sie tiberhaupt figtirliche Darstellungen und nicht einfache Inschriften, Wappenoder dergleichen enthalten, zeigen diese Reverse, wie wir sahen, eine oder wenigeallegorische Figuren oder mythologische und dann der Antike entlehnte Gestalten, meistgleichfalls mit allegorischer Beziehung, nicht selten in Verbindung mit Impresen und

    Wahlsprtichen. Wie die Inschriften wurden diese Darstellungen auf den Rtickseitenvielfach, wenn nicht in der Regel, von den Bestellern der Medaillen oder von derengelehrten Ratgebern ausgewahlt und festgestellt. Die Annahme jener ?Meister mitdem Adler?, ?Meister mit der Hoffnung? usf., die auf der Voraussetzung beruht, dieKtinstler hatten solche Darstellungen fiir die Rtickseiten ihrer Medaillen gewissermaBen als ihr Monogramm sich ausgedacht, widerspricht allem, was viele hundertMedaillen jener Zeit uns lehren, und steht inWiderspruch mit der ganzen humanistischen Anschauung in Italien. Diese Rtickseiten sind meist auch heute noch in ihrer

    l) In der Sammlung J. Simon befindet sich eine fast treueWiederholung des Savonarola mit dem Kruzifix in der Hand, aber mit einem bartigen Profil, das nach der Inschriftden B. Bonagiunto Manetti darstellt und wohl bald nach jener gleichen Savonarolamedailleentstand. Dies mochte ich auch fiir eine zweite Monchsmedaille annehmen, die in Anordnungder Kutte und im Stil ganz mit den kleineren Savonarolamedaillen ubereinstimmt. Man bezeichnet sie, wohl irrtumlich, als das Portrat des gelehrten Frate Alberto Belli aus Perugia, derschon 1482 starb (Taf. B, 3). Die Medaille zeigt auf der Rtickseite die Gestalt der Fides ganztibereinstimmend mit der bei Niccolo so oft vorkommenden Spes, wodurch auch die tibereinstimmenden Savonarolamedaillen als Werke Niccolos gesichert werden.

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    14 DER FLORENTINERMEDAILLEURNICCOLODI FORZORESPINELLIVON WILHELM BODE

    Beziehung zu den Portraten der Vorderseiten unschwer verstandlich; so bei den MedaillenNiccolos z. B. die Nemesis als Revers des Giuliano de' Medici, die Florentia bei Lorenzo, die Herkulesarbeit auf der Rtickseite des Heerftihrers Ercole Bentivoglio, die

    Viktoria bei Karl VIII. und Catarina Riario, Keuschheit und Liebe bei der jungenRucellai usf. Schwerer ist zu erklaren, weshalb einzelne Reversdarstellungen so oftvorkommen, und zwar bei Personen verschiedenenGeschlechts und Alters und ganzverschiedener Stellung. Nur die Fortuna kommt als Revers (mit verschiedenen Wahlsprtichen) fast ausschlieBlich zur Zeit der Herrschaft des Savonarola vor; auch hateiner der Dargestellten, Daniele Nicolai, durch die Beischrift IH S seiner Begeisterung fiir den Frate und seine Lehre noch besonderen Ausdruck gegeben. Aber wieist gerade die Fortuna mit Savonarola in Verbindung zu bringen? Auch haben wirnoch eine Medaille mit dieser Rtickseite vom Jahre 1503 (Niccolo Tranqueri in derSammlung Simon Taf. B, 1) und eine zweite mit einem vollbartigen Manne ohne Namensumschrift (HeiB, Taf.XIV, l),die nach der Tracht noch mehrere Jahre spater entstandensein wird. Die Spes kommt fast unverandert auf neunzehn Medaillen vor, wie Armandangibt, und laBt sich durch etwa dreiBig Jahre bei den verschiedenartigsten Personlichkeiten verfolgen. Sie ist ja als Rtickseite von Portratmedaillen, zumal am Endedes Quattrocento in Italien, leicht verstandlich; ob aber die Wahl derselben in Florenznoch eine besondere Bedeutung hat, dartiber werden die intimen Kenner der FlorentinerGeschichte dieser Zeit hoffentlich Auskunft bringen. Ihnen erwachst auch in derDeutung der zahlreichen Impresen und Wahlsprtiche und deren Beziehung zu denDargestellten noch eine schwierige, aber dankbare Aufgabe.