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Der Ochse auf dem Dach und andere Verbote Milhaud · Smit · Toch · Schönberg · Gál · Schulhoff Klavierduo Friederike Haufe · Volker Ahmels 98892 Exil Booklet.indd 1 98892 Exil Booklet.indd 1 24.04.2012 12:14:57 24.04.2012 12:14:57

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Der Ochse auf dem Dach und andere VerboteMilhaud · Smit · Toch · Schönberg · Gál · Schulhoff

Klavierduo Friederike Haufe · Volker Ahmels

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Darius Milhaud (1892–1974)

1 Le bœuf sur le toît 19:37

Leo Smit (1900–1943)

Divertimento voor piano vierhandig

2 (I) Allegro ma non troppo 4:293 (II) Lento 4:364 (III) Allegro con fuoco 5:24

Ernst Toch (1887–1964)

Sonate op. 87 für Klavier vierhändig

5 (I) Allegretto 2:526 (II) Andante espressivo 3:007 (III) Allegretto amabile leggiero 2:05

Arnold Schönberg (1874–1951)

Sechs Stücke für Klavier zu vier Händen

8 (I) Andante grazioso 0:519 (II) Poco allegro 0:46bl (III) Rasch 0:49bm (IV) Andante 1:55bn (V) Lebhaft rasch 0:39bo (VI) Allegro molto 1:28

Hans Gál (1890–1987)

Three Marionettes

bp (I) Pantalone 3:08bq (II) Colombina 4:15br (III) Arlecchino 3:58

Erwin Schulhoff (1894–1942)

Three Marionettes

bs (I) Allegretto molto 1:39bt (II) Allegro agitato 2:01bu (III) Alla marcia militare 3:12cl (IV) Allegro ma non troppo 1:34cm (V) Allegro deciso 2:07cn (VI) Tempo di fox 2:34

Friederike Haufe und Volker Ahmels Klavier vierhändig

Der Ochse auf dem Dach und andere Verbote Eine musikalische Reise wider das Vergessen: Europäische Geschichtsschreibung zu „Vier Händen“

Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.

Jean Paul, 1793

Mit delikatem Fingerspitzengefühl für die Thematik,

aber dennoch innovativ in seiner Zusammenstellung

stellt sich das deutsche Klavierduo Friederike Haufe und Volker Ahmels mit einem außergewöhnlichen

Programm vor: der musikalischen Aufarbeitung

des Verlustes an künstlerischer Kreativität durch

die „rassische“ Vertreibung und Vernichtung weiter

Teile der jüdischen Bevölkerung während der na-

tionalsozialistischen Herrschaft in allen besetzten

Ländern im Europa des 20. Jahrhunderts. Einem

Repertoire also, das wir heute als „Verfemte Musik“

bezeichnen. Und das noch dazu in einem Genre

der Klavierliteratur, das lange Zeit sowohl von Mu-

sikern als auch Zuhörern vernachlässigt wurde:

dem vierhändigen Klavierrepertoire, das während

der Jahre zwischen dem Wiener Kongress 1815

und der Revolution von 1848, bekannt als Zeit des

Biedermeier, besonders florierte und bis zum Ende

des 19. Jahrhunderts beliebt blieb. Es handelt sich

hier nicht nur um häusliche Kammermusik, sondern

um Werke, die – wie diese eindrucksvolle Produktion

bestätigt – nicht vergessen werden dürfen.

Kennengelernt haben sich Friederike Haufe und

Volker Ahmels bereits als Jugendliche während des

Klavierunterrichts bei dem bekannten Pianisten und

Pädagogen Bernhard Wambach in Hamburg. Der

für seine Interpretationen zeitgenössischer Musik

international renommierte Musiker – er unterrichtet

auch heute noch an der Folkwang Universität der

Künste in Essen – verstand es, in den beiden jungen

Pianist/innen ein außergewöhnlich tiefgehendes und

bleibendes Interesse für die Musik des 20. Jahrhun-

derts zu wecken.

In der Folge formierten sich die beiden 1997

als Klavierduo, dessen vielbeachtetes Debüt im

selben Jahr in Israel und in den palästinensischen

Autonomiegebieten folgte. Sie spielten damals in

beiden Teilen Jerusalems, in Tel Aviv und Haifa sowie

in Betlehem und Ramallah Werke der Romantik an

einem Klavier zu vier Händen. Schwerpunkt der

künstlerischen Arbeit des Duos Friederike Haufe

& Volker Ahmels liegt in dem vierhändigen Klavier-

repertoire, wenngleich sie auch Kompositionen für

zwei Klaviere zur Aufführung brachten, darunter

Wolfgang Amadeus Mozarts gesamtes Werk für

diese Besetzung oder auch Johann Sebastian

Bachs Klavierkonzert in C-Dur (BWV 1061) mit

dem Kammerorchester der Mecklenburgischen

Staatskapelle im Schweriner Theater.

Das Duo trat bei zahlreichen Musikfestivals in

Deutschland auf, darunter dem Schleswig-Holstein

Musikfestival und dem Musiksommer Mecklenburg-

Vorpommern. Es ist auch regelmäßig beim Festival

„Verfemte Musik“ in Schwerin und wiederholt beim

Kammermusik-Festival „Tons Voisins“ im südfranzö-

sischen Albi zu hören. Internationale Konzertreisen

führte es außerdem nach Dänemark, Frankreich,

Polen, Österreich, Spanien, in die Tschechische

Republik sowie in die US-amerikanischen Städte

Cleveland, San Diego, Washington D.C. und mehrfach

nach Philadelphia und Los Angeles.

Sein breitgefächertes Repertoire zeigt sich am

eindrucksvollsten an den Konzertabenden, die

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themenbezogen gestaltet werden und einen mu-

sikalisch-dramaturgischen wie auch erzählerischen

Aufbau haben. Hier soll das Programm „So pocht

das Schicksal an die Pforte“ exemplarisch erwähnt

werden, in dem sich die Pianist/innen im Laufe des

Abends auf die Spur des wohl bekanntesten Motivs

der Musikgeschichte – des sogenannten „Schick-

salsmotivs“ am Beginn von Ludwig van Beethovens

5. Symphonie – begeben, sei es etwa in Werken

Franz Schuberts oder Franz Liszts.

Anregung für die intensive Auseinandersetzung

mit der Thematik „Verfemte Musik“ erhielt das Kla-

vierduo durch eine schicksalhafte Begegnung mit der

Pianistin Edith Kraus 1998 in Jerusalem, einer der

bedeutendsten heute noch lebenden Künstler/innen

des Konzentrationslagers Theresienstadt. Die 1913

in Wien geborene Pianistin und Tochter jüdischer

Eltern aus der Umgebung der tschechischen Stadt

Jihlava (dem damaligen Iglau) war mit 14 Jahren

die jüngste Meisterschülerin bei Artur Schnabel in

Berlin.

Die Recherche und Wiederentdeckung jener

Komponist/innen, die vom NS-Regime verfolgt,

vertrieben oder ermordet und deren Werke verfemt

wurden, ist ein wesentlicher Schwerpunkt der gegen-

wärtigen künstlerischen Arbeit von Friederike Haufe

und Volker Ahmels – und führte auch zu diesem

Programm. Das Klavierduo geleitet durch die von

Verfolgung und Vertreibung gezeichnete Geschichte

des 20. Jahrhunderts. Doch den beiden Musiker/

innen ist dies offenbar keine Bürde, sondern vielmehr

ein „Paradies der Erinnerung“ im Sinne Jean Pauls –

denn die hier eingespielten Kompositionen stellen

eine eindrucksvolle Bereicherung des traditionellen

Repertoires dar.

Aufbruch in Wien: Arnold Schönberg (1874–1951) Sechs Stücke für Klavier zu vier Händen (1896)

Arnold Schönberg, 1874 in Wien geboren, muss

kaum noch vorgestellt werden. Sein entschei-

dender Beitrag zur Überwindung der Diatonik als

vorherrschendes kompositorisches Prinzip, der ihn

im frühen 20. Jahrhundert über die Atonalität hin

zur Dodekaphonie führte, ist durch seine eigenen

Werke einerseits sowie durch seine theoretischen

Schriften und Abhandlungen andererseits heute gut

dokumentiert. Nicht weniger entscheidend ist seine

Unterrichtstätigkeit – und damit der große Kreis seiner

Schüler/innen, die er in Wien, Berlin und schließlich

auch im Exil in den USA hatte. Von nicht minderer

Bedeutung ist Schönbergs eigenes bildnerisches

Werk und seine künstlerische Auseinandersetzung

mit dem Maler Wassily Kandinsky und der Münchener

Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Kompositionen

wie „Das Buch der hängenden Gärten“ (1908/09),

„Erwartung“ (1909), „Pierrot Lunaire“ (1911), „Die

glückliche Hand“ (1910–1913) sind heute Klassiker

der Moderne und zeigen Schönbergs entscheidende

musikalische Entwicklung, hatten allerdings zur

Zeit der Uraufführung wegen der ungewohnten

musikalischen Sprache oftmals Skandale provoziert.

Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten

hat Schönberg 1933 in Berlin hautnah miterlebt,

wo er seit 1925 in Nachfolge von Ferruccio Busoni

als Leiter der Meisterklasse für Komposition an

der Berliner Akademie der Künste unterrichte-

te. Seiner Entlassung „aus rassischen Gründen“

folgte die Emigration in die USA über Paris, wo

er im Juli desselben Jahres, in Zeugenschaft von

Marc Chagall, wieder zum jüdischen Glauben

rekonvertierte – ein Bestreben, das sich bei ihm

bereits seit den frühen 1920er Jahren musikalisch

angekündigt hatte, als er mit der Komposition von

„Moses und Aaron“ (1923–1937) begann, einem

monumentalen Gesamtkunstwerk, das allerdings

in seiner Konzeption unvollendet blieb. Im Oktober

1933 erreichte Schönberg New York, übersiedelte

ein Jahr später schließlich nach Kalifornien, wo

er im Juli 1951 verstarb. Dieser Lebensabschnitt

Schönbergs war mehr denn je durch seine vielfältige

Unterrichtstätigkeit gekennzeichnet, brachte aber

auch wichtige Kompositionen hervor – wie die „Ode

to Napoleon Bonaparte“ (1942) oder „A Survivor from

Warsaw“ (1947); letztere eine unmittelbare Reaktion

auf das Grauen des Völkermordes an der jüdischen

Bevölkerung während der nationalsozialistischen

Herrschaft in Europa.

Die Sechs Stücke für Klavier zu vier Händen

ist ein sehr frühes Werk des Komponisten, das bisher

kaum Beachtung fand. Zahlreiche der frühen Kom-

positionen Schönbergs entstanden zweckgebunden

im Rahmen seiner Tätigkeit als Chordirigent oder

aus dem Bedürfnis des gemeinsamen Musizierens.

Letzteres dürfte hier der Fall gewesen sein, denn

die Widmungsträgerin Bella Cohn stammte aus

Schönbergs Bekanntenkreis. Angeregt wurden die

„Sechs Stücke“ durch den Wiener Musikkritiker und

Komponisten Richard Heuberger (1850–1914), der

Schönberg nach lobenden Worten über zwei seiner

Lieder riet, zur weiteren Übung Klavierstücke im Stile

Schuberts zu schreiben. Schönbergs Komposition

erweist sich als eine Folge von Charakterstücken

und Tanzsätzen, deren technisch einfache, dabei

musikalisch originelle und abwechslungsreiche

Machart damals einigen Anklang gefunden haben

dürfte.

Von Amsterdam ins Konzentrationslager: Leo Smit (1900–1943)Divertimento voor piano vierhandig (1940)

Wenig ist über den am 14. Mai 1900 in Amsterdam

in eine portugiesisch-jüdische Familie geborenen

niederländischen Komponisten Leo Smit bekannt.

Trotz spärlicher Quellen lässt sich eines mit Sicherheit

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sagen, wenn man sich seinen fragmentarischen

Werkskatalog ansieht, der rund zwei Dutzend

Kompositionen listet: Leo Smit dürfte zu den be-

gabtesten niederländischen Komponisten seiner

Generation gehört haben, dessen kreatives Schaffen

durch seine Ermordung in den Gaskammern des

Konzentrationslagers Sobibór ein entsetzliches

Ende fand. Smit studierte zunächst Klavier und

Komposition am Konservatorium in Amsterdam,

unter anderem bei dessen legendärem Leiter Sam

Dresden (1881–1957), einem Schüler Hans Pfitz-

ners. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss

1924 wurde Smit als Lehrer für Harmonielehre und

Analyse an dieselbe Institution berufen.

Es folgten seine ersten bedeutenden Komposi-

tionen, die dem Zeitgeist entsprechend stilistisch eine

Kombination von Jazzelementen mit klassischer Musik

suchten. Dazu zählt die Orchestersuite „Silhouetten“

für das renommierte Concertgebouw-Orchester

Amsterdam. Drei Jahre später, 1927, ging der junge

Komponist nach Paris, wo sich seine Musiksprache

grundlegend wandelte. Leo Smit war von der Musik

Maurice Ravels und Darius Milhauds fasziniert, und

er begann, sich verstärkt der Kammermusik als

Ausdrucksmittel zuzuwenden. Seine Klangfarben,

die sich vor allem in ungewöhnlichen Instrumentie-

rungen zeigen, sind stark französisch beeinflusst.

Aber auch der Neoklassizismus der 1930er Jahre

hat vor Leo Smit nicht Halt gemacht und wurde zu

einem bedeutenden Einfluss auf sein Komponieren.

Das dreisätzige Divertimento für Klavier zu vier Händen wurde 1940 komponiert und zählt zu

den vermutlich letzten Werken Leo Smits. Nichts

ist zu seiner Entstehungsgeschichte bekannt,

weder der Anlass zur Komposition noch mögliche

Aufführungen nach dessen Fertigstellung. In dieser

Komposition wendet sich Leo Smit der Gattung des

Divertimento zu, das vor allem im 18. Jahrhundert

als freie instrumentale Form weite Verbreitung fand.

Das Entstehungsjahr war jenes des Überfalls des

nationalsozialistischen Deutschland auf die Nieder-

lande am 10. Mai 1940. Bereits nach fünf Tagen

kapitulierten die niederländischen Streitkräfte, und per

29. Mai wurde der Österreicher Arthur Seyß-Inquart

zum Reichskommissar für die Niederlande ernannt.

Dieser trug damit die politische Verantwortung für

die Einführung der Rassengesetzgebung und damit

auch für die Deportation und Ermordung von rund

100.000 Juden des Landes. In der Folge wurde

auch Leo Smit verhaftet und zwischen März und

Juni 1943 in das neu errichtete Vernichtungslager

Sobibór überstellt. Ob er seinen 43. Geburtstag

noch erlebt hat, ist ungewiss. Seine letzte erhaltene

Komposition entstand Anfang des Jahres 1943,

eine Sonate für Flöte und Klavier.

Der Prager Avantgardist als kommunistischer Revolutionär: Erwin Schulhoff (1894–1942) „Ironien“ (1919)

Der Komponist und Pianist Erwin Schulhoff wurde

1894 in Prag in eine jüdische Familie geboren. Da sich

sein musikalisches Talent sehr früh zeigte, erhielt er

bereits als Siebenjähriger – auf Empfehlung Antonín

Dvořáks – Klavierunterricht. Drei Jahre später trat

Erwin Schulhoff dann ins Prager Konservatorium

ein. Neben seinen pianistischen Studien, die er auch

in Wien, Leipzig und Köln weiterführte, wurde ihm

auch schon früh Kompositionsunterricht von Max

Reger (von 1907 bis 1910) erteilt. Aufgrund seiner

exzellenten Studienleistungen erhielt Schulhoff 1913

den Wüllner-Preis. Außerdem gewann er zweimal

den Felix-Mendelssohn-Preis: als Pianist 1913 und

als Komponist 1918.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – den

er als Angehöriger des österreichischen Heeres mit

Handverletzungen und Erfrierungen überstand –

übersiedelte Erwin Schulhoff 1919 zunächst nach

Dresden zu seiner Schwester Viola. Umgeben von

einem großen Kreis von Literat/innen, Maler/innen

und Musiker/innen betätigte er sich einerseits als

Aufführender seiner eigenen Kompositionen, aber

auch als Veranstalter sogenannter „Fortschritts-

konzerte“. Es war dem Musiker ein Bedürfnis, die

zeitgenössische Avantgarde zu fördern und zu

präsentieren, und galt zudem auch als Spezialist

für Alois Hábas (1893–1973) Vierteltonmusik.

Andererseits suchte Schulhoff Kontakt zur Berliner

Dada-Szene, die großes Interesse für die vom Jazz

beeinflusste Tanzmusik hegte. Die „Ironien“ stellen

gewissermaßen eine Synthese der beiden Tendenzen

dar, und erklären auch das einleitende dadaistische

Gedicht1, welches der Komposition voransteht.

__________________________________________

Lernt Dada

Es lebe! Suff, Ekstase! –

Foxtrott, – lieblichster Prinz und Hanswurst,

wenn Du Mädchen berührst, werden sie rasend

und sind unersättlich geworden!

Strumpfbänder schwirren und kokettieren

mit abgelegten Offiziersuniformen, die nach Laster

riechen!

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Ober, eine Citronenlimonade à la naturelle!

Ich liebe den Alkohol nicht mehr, dafür aber um so

mehr schöne Beine! –

Zigarrenreklame, – Berlin, Paris, London, New York!

Weiber sind exhibitionistisch!

Foxtrottkonkurrenz! Behebung aller Arten Insuffizi-

enzen

garantiert ohne Mittelchen! Strenge Diskretion in allen

Angelegenheiten – Detektivbüro »Argus« oder was

beißt mich? –

Bade zu Hause, bediene dich selbst, koche mit Knallgas! –

Lizzi, – Du, – unvergleichlich bist Du, wenn Du Fox-

trott tanzt,

Dein Hinterteil (streng ästhetisch!!) pendelt zart und erzählt

Bände von Erlebnissen!

»Jazz« ist nächste Devise! –

Ich werde für Dich einen Tango erfinden, den ich »Tango

perversiano« nenne

und den Du – »zum Weinen schön« tanzen wirst! Mit mir! –

Lizzi, ekstatische Foxtrottprinzessin und letztes Ereignis!!!

Erwin Schulhoff

__________________________________________

Erwin Schulhoff schrieb die sechs Tanzsätze der

„Ironien“ um den Jahreswechsel 1919/20, den er

wieder in Prag bei seinen Eltern verbrachte. Aufge-

führt wurden sie erstmals in Dresden am 20. April

1920 durch den Dresdner Komponisten, Pianisten

und Konzertveranstalter Paul Aron (1886–1955).

Wie als Reminiszenz an den Zusammenbruch der

österreichisch-ungarischen Monarchie 1918 klingen

in diesem Werk die übrig gebliebenen militärischen

Versatzstücke des Krieges an, etwa ein Blechblä-

sersignal, und werden gekonnt musikalisch mittels

Polytonalität verzerrt und ins Lächerliche gezogen.

Aber auch der Wiener Walzer wird hier, vor allem im

vierten Satz, vorgeführt, ironisiert. Und am Ende – dem

sechsten Satz, Tempo di Fox – bringen moderne

Tanzströmungen einen deutlichen Kontrast, wobei

in den Klavierstimmen klar ausgearbeitete Klang-

farben verschiedener jazzbezogener Instrumente

angedeutet sind, etwa des Saxophons.

In den 1930er Jahren wandte sich Erwin Schulhoff

als Komponist – ungleich seiner avantgardistischen

Experimentierfreudigkeit des vorangegangenen

Jahrzehnts – verstärkt traditionellen Musikformen

zu, um die politischen Tendenzen des Sozialismus

musikalisch zu unterstreichen. Das wird in seinen

späten Symphonien ebenso deutlich wie in der

kompositorischen Umsetzung des „Kommunisti-

schen Manifests“ (1932). Im Kontrast dazu steht

allerdings Schulhoffs Tätigkeit als Jazzpianist für

die Abteilung des Prager Rundfunks in Ostrava. Mit

seiner kompromisslosen politischen Einstellung und

seiner jüdischen Abstammung konnte er nach der

Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933

nicht mehr in Deutschland auftreten, die Uraufführung

seiner Oper „Flammen“ (1923/29, revidiert 1932)

in Berlin wurde behördlich abgesetzt. 1941 erhielt

Schulhoff die sowjetische Staatsbürgerschaft, wurde

aber in Folge der deutschen Kriegserklärung an die

Sowjetunion zum Bürger eines Feindstaates erklärt

und am 23. Juni desselben Jahres interniert. Es folgte

schließlich die Deportation in das Konzentrationslager

Wülzburg in Bayern, wo er am 18. August 1942 an

Tuberkulose starb.

Im englischen Exil: Hans Gál (1890–1987) „Three Marionettes“ (vermutlich 1958)

Im fortgeschrittenen Alter verfasste der Komponist

und Musikwissenschaftler Hans Gál die „Three Marionettes“, in denen er auf die ihm eigene Weise

drei Figuren der Commedia dell’arte porträtierte:

„Pantalone“, den alternden, geschäftstüchtigen, aber

auch geizigen Geck, eine elegante Erscheinung in

roter Jacke und enger roter Strumpfhose (pantalone =

italienisch für Hose, daher der Name); „Columbina“,

oftmals eine Magd oder Köchin, die sich kein Blatt

vor den Mund nimmt; und schließlich ihren Geliebten

„Arlecchino“, eine komödiantische Schelmenfigur,

die nie zur Ruhe kommt und traditionell in einem mit

vielen Flicken besetzten Kostüm auftritt.

Hans Gál, 1890 in Brunn am Gebirge bei Wien in

eine ungarischstämmige jüdische Familie geboren,

fand 1938 Zuflucht in Großbritannien, nachdem er

bereits fünf Jahre zuvor von seiner Position als Direktor

des Mainzer Konservatoriums abgesetzt worden

war und sich in der Folge mit seiner Familie wieder

in seine Heimatstadt Wien zurückgezogen hatte. In

seiner Jugend hatte Gál hier auch studiert – neben

Komposition bei dem Brahms-Schüler Eusebius

Mandyczewski auch Musikwissenschaft an der

Universität Wien – und nahm nach Abschluss seiner

Studien Lehrtätigkeiten wahr. Doch der Durchbruch

als Komponist erfolgte in Deutschland, als seine Oper

„Die heilige Ente“ (op. 15) nach der erfolgreichen

Uraufführung in Düsseldorf 1923 unter der Leitung

von George Szell in praktisch sämtlichen Theatern

mit Erfolg gespielt wurde. Gáls Rückkehr nach Wien

im Jahr 1933 als Folge der Machtergreifung der

Nationalsozialisten in Deutschland bedeutete nicht

nur das Ende seiner bisherigen Karriere; er war nun

auch gezwungen, mit dem Schreiben von Aufsätzen

und Büchern, dem Dirigieren lokaler Ensembles,

Aufführungen und vor allem als Privatlehrer seinen

Unterhalt zu verdienen, bevor er fünf Jahre später

nach Großbritannien fliehen musste.

Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs

an das „Dritte Reich“ im März 1938 ließ Gál keinen

Moment ungenützt, um sich und seine Familie in

Sicherheit zu bringen. Mit dem Plan, in die USA

auszuwandern, verließen sie noch im März desselben

Jahres Wien, um zunächst nach Großbritannien

zu gelangen. Eine zufällige Begegnung mit dem

1 Gewidmet Lizzi [=Lucie (Alice) Libochowitz (Libochovičova),

1891–1939], der späteren ersten Gattin Schulhoffs

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renommierten englischen Musikwissenschaftler

Sir Donald Tovey im Sommer 1938 brachte Gál

erstmals nach Edinburgh, das in der Folge bis zu

seinem Tod im Jahr 1987 seine Heimat werden

sollte. Doch zunächst wurde Gál, wie zahlreiche

andere deutschsprachige Flüchtlinge auch, im Mai

1940 zeitgleich mit dem Fall Frankreichs als „Enemy

Alien“ in Huyton nahe Liverpool und schließlich auf

der Isle of Man für mehrere Monate interniert. Diese

traumatische Erfahrung ließ ihn eines seiner bewe-

gendsten Werke schaffen: die „Huyton Suite“ (op. 92,

1940). Die eigenwillige Besetzung dieses viersätzigen

Werkes – für eine Flöte und zwei Violinen – liegt

in der Tatsache begründet, daß dies die einzigen

Instrumente waren, die in dem Internierungslager

vorhanden waren. Neben seinem Tagebuch, das er in

dieser Zeit zum einzigen Mal in seinem Leben führte,

stellt es eines der berührendsten Musikdokumente

des Komponisten dar. [Enthalten auf der CD „Hans

Gál. The Right Tempo“, Gramola/exil.arte 98896]

Im Jahr 1945 erhielt Hans Gál eine Lehrstelle für

Musiktheorie, Kontrapunkt und Harmonielehre an

der Universität Edinburgh. Zwei Jahre später war er

an der Gründung des von Sir Rudolf Bing initiierten

Edinburgh Festivals beteiligt, dem er für viele Jahre

eng verbunden blieb. Nicht unerwähnt sollte auch

Gáls umfangreiche Forschungs- und Publikationstä-

tigkeit bleiben, die er vor allem in den 1960er Jahren

begann. Dazu zählen Monographien über Johannes

Brahms (1961) und Richard Wagner (1963) ebenso

wie Briefausgaben – etwa das Buch „Briefe großer

Komponisten“ (1965), wie auch ein Führer durch

die Orchesterwerke Robert Schumanns aus dem

Jahr 1979. Hans Gál verstarb am 3. Oktober 1987

im Alter von 97 Jahren in Edinburgh.

Als Österreicher in Amerika: Ernst Toch (1887–1964) Sonate op. 87 (1962)

Neben Arnold Schönberg und Ernst Krenek hat

kaum ein österreichischer Komponist des frühen

20. Jahrhunderts die Avantgarde so stark mitge-

prägt wie der 1887 in Wien geborene Ernst Toch.

Hervorzuheben ist vor allem eine Komposition: die

meist so genannte „Geographische Fuge“ (1930;

der genaue Titel lautete: „Fuge aus der Geographie

“ für Sprechchor), seit ihrer Uraufführung das wohl

bekannteste Werk des Komponisten und Grundstein

des Genres „Gesprochene Musik“. Zu dieser Zeit

war Toch in Deutschland einer der meistgespielten

zeitgenössischen Komponisten; er scheute keine

Experimente und provozierte damit das Publikum.

Dabei war er als angehender Musikschaffender rund

zwei Jahrzehnte zuvor selbst im Zweifel gewesen,

ob er trotz erster Erfolge – das Rosé-Quartett gab

1905 bekannt, Tochs Streichquartett Nr. 6 in a-Moll

(op. 12) aufführen zu wollen – diese Berufslaufbahn

wählen sollte.

„Ich hatte keinerlei Unterricht“, hält er in seinen

eigenen Lebensaufzeichnungen knapp vor seinem

Tod fest. „Ich war ganz mir selbst überlassen und

eignete mir das, was ich lernte, rein autodidaktisch

an …“, vor allem durch Studium der Streichquartette

Wolfgang Amadeus Mozarts. 1909 wurde Toch der

Mozart-Preis zuerkannt, der ein vierjähriges Stipen-

dium für weiterführende Studien am Konservatorium

in Frankfurt/Main beinhaltete. Iwan Knorr, damaliger

Leiter der Abteilung Komposition, empfing Toch mit

den Worten: „Sie wollen bei mir studieren? Ich wollte

gerade fragen, ob Sie mir vielleicht ein paar Lektio-

nen geben würden.“ Seine Zeit in Deutschland, die

bedingt durch den Ersten Weltkrieg und den damit

verbundenen Kriegsdienst unterbrochen wurde,

verhalf dem jungen Komponisten zum Durchbruch.

Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs wandelte

den Stil Tochs grundlegend. Von den Kriegsgräueln

gezeichnet, gab er seinen Werken experimentellen

Charakter; darum auch die oft kontroversielle Re-

zeption. Waren bisher Genres der Kammermusik

im Vordergrund seines Schaffens gestanden, so

wandte er sich nun großen symphonischen Formen

zu. Der Mainzer Musikverlag Schott bot ihm 1923

einen Zehn-Jahres-Vertrag für die Herausgabe sei-

ner Werke an. Doch der wachsende Zulauf zu den

Nationalsozialisten bereitete auch Toch Unbehagen

und blieb für ihn nicht ohne Konsequenzen. Die

geplante Uraufführung seines 2. Klavierkonzertes

(op. 61, 1933) in Berlin wurde abgesagt, woraufhin

Schott dessen Veröffentlichung verweigerte und

den Vertrag nicht verlängerte. Anfang 1933, nach

der Machtergreifung Hitlers, beschloss Toch, das

Land zu verlassen. Nach der Teilnahme an einem

musikwissenschaftlichen Kongress in Florenz kehrte

er nicht mehr nach Berlin zurück, sondern flüchtete

nach Paris. Von dort aus telegraphierte er seiner

Frau: „Ich habe meinen Bleistift“ – das Codewort

dafür, dass sie ihm folgen solle. Von Paris ging es

über London schließlich nach New York.

1936 wurde Toch, vor allem durch die Vermittlung

George Gershwins, von Warner Brothers als Kom-

ponist von Filmmusik beschäftigt, was ihm auch die

Möglichkeit gab, aus New York wegzuziehen – wo

er zunächst, nämlich die ersten zwei Jahre, an der

New School of Social Research unterrichtet hatte.

Aber er fühlte sich in der Stadt nicht wohl. In den

folgenden Jahren komponierte Toch eine Reihe

von Filmmusiken und baute so seine Existenz

schrittweise wieder auf. Doch die Herrschaft der

Nationalsozialisten bedeutete auch für ihn, nicht

zuletzt seines eigenen Schicksals wegen, einen tiefen

Einschnitt in seinem Leben; auch seine Kreativität

wurde durch die bedrückenden Nachrichten vom

Krieg empfindlich gestört. Folglich komponierte Toch

in den Kriegsjahren wenig und arbeitete stattdes-

sen an dem Buch „The Shaping Forces in Music“

(1946). Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs und

nach einer fast tödlichen Herzattacke beendete

Toch sowohl seine Lehrtätigkeit an der University

of Southern California als auch die Filmarbeit, um

seine ausschließlich dem Komponieren gewidmete

frühere Laufbahn wieder aufzunehmen.

Gegen Ende seines Lebens fiel ihm offenbar

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das Komponieren leichter, denn in seinem letzten

Lebensjahrzehnt entstanden unter anderem sieben

Symphonien, wodurch die großorchestrale Form in

seinem kompositorischen Schaffen endgültig in den

Vordergrund trat. Dennoch sollte in dieser Zeit auch

die dreisätzige Sonate op. 87 für Klavier vierhändig

entstehen, die in der scheinbaren Leichtigkeit des

Charakters der Sätze 1 und 3 stilistisch an Mozart

angelehnt ist, dafür aber im langsamen und kon-

templativen zweiten Satz die Sehnsucht nach seinen

eigenen musikalischen Wurzeln andeutet. Allerdings

blieb das Genre des Streichquartetts wohl jenes, mit

dem Ernst Toch sich zeit seines Lebens am meisten

verbunden fühlte. Als er am 1. Oktober 1964 starb,

fand man Skizzen für ein neues Streichquartett auf

seinem Nachtkästchen liegen.

Zwischen den Welten: Darius Milhaud (1892–1974)»Le bœuf sur le toît« (1919)

Als Darius Milhaud Ende 1918 nach einem knapp

zweijährigen Aufenthalt in Brasilien wieder nach

Frankreich zurückkehrte, hatte der damals knapp

27-jährige Komponist eine Reihe Noten im Gepäck:

von Ausgaben folkloristischer Arrangements populärer

brasilianischer Melodien bis hin zu ausgefeilten

Kompositionen. Diese wollte Milhaud – wie er selbst

in seiner Autobiographie „Noten ohne Musik“ (1962)

schrieb – als ein „unprätentiöse[s] divertissement als

Andenken an brasilianische Rhythmen kreieren, die

meine Imagination eingefangen, aber mich keinesfalls

zum Lachen gereizt haben …!“ Es entstand die Idee

für „Le bœuf sur le toît“ (Der Ochse auf dem Dach),

welches Werk sich auch – so der Komponist – als

„Cinéma-Symphonie“, also etwa zur musikalischen

Untermalung eines Stummfilms von Charlie Cha-

plin, eignen würde. Der Titel ist übrigens einem

der populären Volkslieder Brasiliens entnommen.

Der französische Autor, Filmregisseur und Maler

Jean Cocteau aber, mit dem Milhaud befreundet

war, hatte eine andere Idee: Er schlug stattdessen

vor, dass er selbst ein Konzept für ein Ballett zu

Milhauds Komposition entwerfen werde. Die von

Cocteau dafür vorgeschlagene Handlung war die

logische Fortsetzung von dessen Arbeit mit Sergej

Diaghilews „Ballets Russes“, die er mit Erik Saties

„Parade“ bereits zuvor begonnen hatte. Damit

erfolgte der Einzug der Theater-Avantgarde, des

„Unterhaltungsdadaismus“, in den Wirkungsbe-

reich des Balletts. Die Handlung von Cocteaus

Entwurf – eine Parodie auf die Prohibition in den

USA – ist rasch erzählt: In einer Bar treffen die

unterschiedlichsten Charaktere aufeinander, und es

ereignen sich ungewöhnliche Dinge. Dann betritt ein

Polizist das Etablissement, um das Alkoholverbot

zu überprüfen. Augenblicklich verwandelt sich die

Bar in eine Milchbar. Der Polizist jedoch wird durch

die Rotorblätter eines großen Ventilators geköpft.

Schließlich findet der Barkeeper den toten Polizisten,

setzt ihm den abgeschlagenen Kopf wieder auf und

präsentiert dem so Reanimierten die drei Meter

lange Rechnung des Abends.

Die Uraufführung von „Le bœuf sur le toît“ fand am

21. Februar 1920 im Théâtre des Champs-Élysées

mit großer Orchesterbesetzung statt. Es ist seither

eines der beliebtesten Werke von Darius Milhaud.

Die Version für Klavier zu vier Händen dürfte primär

die Funktion eines Klavierauszugs für Studienzwecke

gehabt haben, dennoch wurde diese Version, den

Angaben von Darius Milhauds Frau zufolge, im Kreis

der „Groupe des Six“ gespielt – mit Milhaud selbst

und dem befreundeten Komponisten Georges Auric

am Klavier.

Darius Milhaud wurde 1892 in Marseille in

eine jüdisch-provenzalische Familie geboren. Im

Alter von sieben Jahren erhielt er seinen ersten

Violinunterricht, die ersten Kompositionen stammen

aus dem Jahr 1905. Milhaud setzte schließlich am

Pariser Konservatorium seine Violinstudien fort,

wechselte aber nach drei Jahren zur Komposition.

1912 wurde er mit dem Dichter Paul Claudel

bekannt. Beide verband eine intensive künstlerische

Zusammenarbeit und lebenslange Freundschaft. Als

Claudel 1916 als Botschafter nach Rio de Janeiro

geschickt wurde, erwirkte dieser, dass Milhaud als

sein Sekretär nachkommen solle. Claudel wiederum

fungierte als Milhauds Librettist, etwa für dessen

Oper „Christophe Colomb“ (1928).

Nach seiner Rückkehr aus Brasilien nach Ende

des Ersten Weltkriegs schloss sich Milhaud dem

Kreis um Jean Cocteau und Erik Satie an und wurde

schließlich auch einer der führenden Vertreter der

„Groupe des Six“ (der außer Milhaud und Auric

Louis Durey, Arthur Honegger, Francis Poulenc und

Germaine Tailleferre angehörten). Der Angriff des

nationalsozialistischen Deutschland auf Frankreich

1940 und dessen Kapitulation im Mai desselben

Jahres beendete auch für den aufstrebenden

französischen Komponisten mit einem Mal seine

Karriere. Milhaud musste flüchten und ging in die

USA, wo er in der Folge am Mills College in Oakland

unterrichtete. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs

leitete er zusätzlich eine Kompositionsklasse am

Pariser Konservatorium. Zu seinen Schülern zählten

so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Jazz-

musiker Dave Brubeck oder die Komponisten Steve

Reich und Karlheinz Stockhausen. Als Komponist

war Milhaud mit einem Werkkatalog von über 400

Kompositionen, darunter zahlreiche Opern und

Bühnenarbeiten, überaus produktiv. Er starb am

22. Juni 1974 in Genf.

Matthias Wurz

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A Musical Journey against Amnesia:

European History for ‘Four Hands’

Memory is the only paradisefrom which we cannot be expelled.

Jean Paul, 1793

The German Piano Duo Friederike Haufe and

Volker Ahmels have recently presented their audi-

ences with a truly remarkable programme that is both

innovative and inspiring: a musical coming-to-terms

with the loss of creativity caused by the ‘racial’

expulsion and extermination of large sections of the

Jewish population during Nazi rule in all occupied

European countries during the 20th century. This

is a repertoire today termed ‘outlawed music’. At

the same time, their programme highlights a genre

of the piano repertoire which has for some time

been neglected both by performers and audiences:

four-hand piano literature, which flourished notably

during the period between the Congress of Vienna

in 1815 and the Revolution of 1848 (known as the

Biedermeier years) and remained popular right up

to the end of the 19th century. This is not just a

question of chamber music performed primarily at

home; these are works that should not be forgotten,

as this impressive recording demonstrates.

Friederike Haufe and Volker Ahmels met at

piano lessons with the renowned musician and

teacher Bernhard Wambach while still at school in

Hamburg. Bernhard Wambach, a well-known per-

former of contemporary music, who still teaches at

the Folkwang University of the Arts in Essen today,

aroused in the two aspiring pianists a profound and

long-lasting interest in the music of the 20th century.

Subsequently, the two musicians formed a piano

duo in 1997 with a highly acclaimed debut in Israel

and the Palestinian autonomous territories the same

year. They performed works of the Romantic period

on one piano four-hands in both parts of Jerusalem,

Haifa and Tel Aviv as well as Bethlehem and Ramal-

lah. The artistic focus of the Piano Duo Friederike

Haufe and Volker Ahmels has always been on the

four-hand piano repertoire, although they have also

performed compositions for two pianos, such as

Wolfgang Amadeus Mozart’s entire oeuvre for this

genre, or Johann Sebastian Bach’s Piano Concerto

in C major (BWV 1061) with the chamber orchestra

of the Mecklenburgische Staatskapelle at the theatre

in Schwerin.

The duo has appeared at numerous music fes-

tivals in Germany, including the Schleswig-Holstein

Music Festival and the Summer Music Festival in

Mecklenburg-Vorpommern. The musicians are

regular guests at the festival ‘Verfemte Musik’ in

Schwerin, as well as at the chamber music festival

‘Tons Voisins’ in the town of Albi in the south

of France. International concert tours have also

taken them to Denmark, France, Poland, Austria,

Spain, the Czech Republic, and to the US cities

of Cleveland, San Diego, Washington D.C., with

frequent visits to Philadelphia and Los Angeles.

In concert, the duo have particularly impressed

their audiences with a wide-ranging repertoire

and sensitive interpretations highlighting the style

and period of each work performed. Most of their

programmes, like ‘So pocht das Schicksal an die Pforte’, (Fate hammers on the gate) follow a narrative

structure on a specific musical theme. In this case,

the programme traces probably the best-known

motif in musical history, the so-called ‘fate motif’

at the beginning of Beethoven’s Symphony No. 5,

in works by other composers, e.g. Franz Liszt or

Franz Schubert.

The piano duo received inspiration for their inten-

sive interest in ‘outlawed music’ from a memorable

meeting in Jerusalem in 1998 with the pianist Edith

Kraus, one of the foremost still surviving musicians

from Theresienstadt concentration camp. Born in

Vienna in 1913, Edith Kraus’ Jewish family hailed

from the Czech town of Jihlava (formerly Iglau), and

at the age of 14, she was Artur Schnabel’s youngest

master pupil in Berlin.

The research and rediscovery of composers

persecuted, expelled or murdered by the Third

Reich and the performance of their works form a

salient focus in the ongoing artistic work of Friederike

Haufe and Volker Ahmels, and it has also led to this

programme. The two pianists guide the listener

through the dramatic history of the 20th century,

marked by persecution and exile. But for them,

however, this task does not represent a histori-

cal burden, but rather a ‘paradise of memory’, to

reiterate Jean Paul’s words, because the composi-

tions performed here enrich the traditional piano

repertoire, as this recording clearly demonstrates.

A New Musical Dawn in Vienna: Arnold Schoenberg (1874 - 1951)Six pieces for Piano Four-Hands (1896)

Arnold Schoenberg, born in Vienna in 1874, needs

no further introduction. His significant contribution

to overcoming the diatonic scale as the prevailing

principle of composition and to developing new

compositional methods in the early 20th century took

him through atonality to the twelve-tone technique

and is best documented in his own compositions

and theoretical writings. Equally important was his

teaching career, and the large number of students

his classes produced in Vienna, Berlin as well as

during his exile in the United States. His own work

as a painter, his friendship with Wassily Kandinsky

and the enriching debate on art and music with

Kandinsky’s Munich-based group of artists Der Blaue Reiter add another fascinating aspect to the

composer. Works, such as Das Buch der hängenden Gärten (1908/09), Erwartung (1909), Pierrot Lunaire

(1911), and Die glückliche Hand (1910 - 1913),

milestones in his compositional development, are

classics of 20th-century music. But, at the same

time, they are works that provoked scandals when

first premiered one century ago due to their unac-

customed musical diction.

Schoenberg was an eyewitness to the Nazi

seizure of power in Berlin in 1933. In 1925, he had

succeeded Ferruccio Busoni as head of the com-

position master class at the Berlin Academy of Arts.

Following his dismissal from the academy on ‘racial

grounds’ in 1933, Schoenberg emigrated to the U.S.

via Paris, where he re-converted to the Jewish faith

in July of that year, witnessed by the painter Marc

Chagall, a step that the composer had musically

anticipated with his monumental, yet unfinished

total work of art Moses and Aaron (1923 - 1937).

In October 1933, Schoenberg arrived in New York

and a year later finally moved to California, where

he lived until his death in July 1951. His later life

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was characterized primarily by teaching, but also

produced major compositions such as the Ode to Napoleon Bonaparte (1942) and A Survivor from Warsaw (1947), the latter being a direct response

to the Holocaust during Nazi rule in Europe.

The Six Pieces for Piano Four-Hands are,

however, an early set of works by the composer

that have received little attention. Many of Schoen-

berg’s early works were purpose-oriented, as a

consequence of his work as choir conductor or his

interest in domestic music-making. The latter was

probably the case here, as the dedicatee of this

composition, Bella Cohn, a friend of Schoenberg,

would imply. The pieces were inspired by the Vien-

nese composer and music critic Richard Heuberger

(1850 - 1914), who, after complementing the young

composer on two of his songs, advised him to write

piano pieces in the manner of Schubert for further

practice. Schoenberg’s composition consists of a

sequence of character pieces and dance pieces,

whose technically simple, yet original and varied

structure must have had some resonance at the time.

From Amsterdam to the Concentration Camp: Leo Smit (1900 - 1943)Divertimento voor piano vierhandig (1940)

Little is known about the Dutch composer Leo Smit,

born into a Portuguese-Jewish family in Amsterdam

on 14 May 1900. Despite scarce sources, his frag-

mentary work catalogue, listing about two dozen

compositions, suggests that he was one of the most

talented Dutch composers of his generation. How-

ever, his creative life was tragically cut short by his

death in the gas chambers of Sobibor extermination

camp. Smit initially studied piano and composition

at Amsterdam Conservatoire, among others, with

its legendary director and student of Hans Pfitzner,

the composer Sam Dresden (1881 - 1957). After

his graduation in 1924, Smit taught harmony and

musical analysis at the same institution.

Smit’s first serious compositions followed, which

were in keeping with the spirit of the age in the

1920s by combining jazz elements with classical

music. They include the orchestral suite Silhouettes,

written for the renowned Concertgebouw Orchestra

Amsterdam. Three years later, in 1927, the young

composer went to Paris, where his musical language

changed dramatically. Fascinated by French compos-

ers such as Maurice Ravel or Darius Milhaud, Leo

Smit began to turn increasingly to chamber music

as a means of expression. His timbres, which are

particularly seen in unusual instrumentation, show

strong French influence. But the Neoclassicism of

the 1930s also did not bypass Leo Smit and became

an important influence on his composition.

The three movements of the Divertimento for Piano Four-Hands were written in 1940 and are

probably one of his last works. Nothing is known

about its genesis, neither the occasion for the com-

position nor possible performances. In this piece, the

composer turned to the genre of the Divertimento,

which was especially popular in the 18th century as

a free instrumental form. The year of composition

also coincided with the invasion of the Netherlands

by Nazi Germany on 10 May 1940. Within five days,

the Dutch Army was forced to surrender, and on

29 May, the Austrian Arthur Seyss-Inquart was

appointed Reich-Commissioner for the occupied

country. In this capacity, he bore political responsibility

for the implementation of racial legislation, thus also

for the deportation and murder of about 100,000

Dutch Jews. Among them was Leo Smit, who was

arrested and eventually deported to the newly built

extermination camp Sobibor between March and

June 1943. Whether Smit was still alive on his 43rd

birthday is unclear. His last known composition was

written in early 1943, a sonata for flute and piano.

The Prague Avant-Gardist and Communist Revolutionary: Erwin Schulhoff (1894 - 1942)Ironies (1919)

The composer and pianist Erwin Schulhoff was born

into a Jewish family in Prague in 1894. As his talents

became evident at an early age, Antonín Dvořák

recommended Schulhoff for piano lessons at the

age of seven. Three years later, he was admitted

to Prague Conservatoire, and besides his piano

studies, which he also pursued in Vienna, Leipzig

and Cologne, he also became a composition

pupil of Max Reger (from 1907 to 1910). Due to

his outstanding academic achievements, he was

awarded the Wüllner Prize in 1913. He also won

the Felix Mendelssohn Prize twice: as a pianist in

1913, and as a composer five years later.

Following the First World War, which he survived

with hand injuries and frostbite as a soldier in the

Austro-Hungarian Army, Erwin Schulhoff initially

moved to live with his sister Viola in Dresden in

1919. Their circle of friends included not only musi-

cians, but also writers and painters. In this creative

environment, Erwin Schulhoff mainly worked as a

performer of his own compositions, but also as

the organizer of so-called ‘Fortschrittskonzerte’ (progressive concerts). It was a particular concern

of Schulhoff to promote and present the contem-

porary avant-garde, and he was also considered a

specialist in Alois Hába’s (1893 - 1973) quarter-tone

music. On the other hand, Schulhoff sought contact

to the Dadaist scene in Berlin, which was highly

interested in dance music influenced by jazz. In a

certain sense, the Ironies represent a synthesis of

both trends and explain the introductory Dadaist

poem1 preceding the composition.

___________________________________________

Learn Dada

Long live booze, ecstasy! –

Foxtrot, – loveliest prince and tomfool,

when you touch girls, they get furious

and have become insatiable!

Garters buzz and coquet

with discarded officers’ uniforms, smelling of vice!

Waiter, a glass of lemonade à la naturelle!

I don’t like alcohol any more, but nice legs all the more so! –

Cigar advertisement, – Berlin, Paris, London, New York!

Women are exhibitionists!

Foxtrot competition! Remedy of all kinds of insufficiencies

guaranteed without pills! Strict discretion in all matters –

‘Argus’ detective agency or what is biting me? –

Bathe at home, help yourself, cook with explosive gas! –

Lizzi, – you, – you are incomparable, when you dance

the foxtrot,

your backside (strictly aesthetic!!) oscillates tenderly

and tells

volumes of experiences!

1 Dedicated to Lizzi [=Lucie (Alice) Libochowitz

(Libochovičova), 1891–1939], Schulhoff’s later first wife

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‘Jazz’ is the next slogan! –

I will devise a tango for you called ‘Tango perversiano’

and you will dance it – ‘tearfully well’! with me! –

Lizzi, ecstatic foxtrot princess and ultimate event!!!

Erwin Schulhoff

___________________________________________

Erwin Schulhoff wrote the six dance movements

of the Ironies around New Year 1920, which he

spent at his parents’ home in Prague. The first

performance was held in Dresden on 20 April

1920 by the composer himself together with the

Dresden composer, pianist and concert organizer

Paul Aron (1886 - 1955). The work is resonant with

musical echoes of the war and the collapse of the

Austro-Hungarian Empire in 1918, such as the

bugle call, which is skilfully distorted and ridiculed

with polyphony. Even a Viennese waltz is performed

ironically, as in the fourth movement. And the end,

the sixth movement, Tempo di Fox, offers a striking

contrast with modern dance music, where the piano

evidently imitates jazz-related sounds or instruments,

such as the saxophone.

In the 1930s, unlike his experimental avant-

garde compositions of the previous decade, Erwin

Schulhoff turned to more conventional musical

forms, so as to communicate the political message

of Socialism via musical means. This becomes

clearly evident both in his late symphonies and his

musical setting of the Communist Manifesto (1932).

However, this stands in contrast to Schulhoff’s work

as a jazz pianist for Radio Prague in Ostrava. Due

to his uncompromising political conviction and his

Jewish origins, he could not continue performing

in Germany after the Nazis seized power in 1933.

The world premiere of his opera Flammen (1923 -

1929, revised in 1932) in Berlin was cancelled by

the authorities. In 1941, Schulhoff received Soviet

citizenship, but was subsequently declared an

enemy of the state by the German authorities fol-

lowing the Third Reich’s declaration of war against

the Soviet Union. On 23 June of the same year,

the composer was interned and subsequently de-

ported to Wülzburg concentration camp in Bavaria,

where he died of tuberculosis on 18 August 1942.

Exile in Great Britain: Hans Gál (1890 - 1987)Three Marionettes (probably 1958)

The composer and musicologist Hans Gál wrote

his Three Marionettes only in later life. They are

characteristically skilful and charming portraits

of three Commedia dell’arte characters: the first

is Pantalone, the ageing, business-minded, but

greedy dandy, who is always elegantly dressed in a

red jacket and tight red tights (pantaloons in Italian,

hence the name). The others are Columbina, who

often plays the role of a maid or cook freely speak-

ing her mind, and her lover Arlecchino, a restless,

comical rogue-figure, whose characteristic costume

is covered with colourful patches.

Hans Gál, born into a Jewish family of Hungarian

origin in Brunn am Gebirge near Vienna in 1890,

found refuge in Great Britain in 1938, after having

been forced to resign from his position as direc-

tor of Mainz Conservatoire five years earlier and

subsequently returning to his home city Vienna

with his family. In his youth, Gál had studied com-

position in Vienna with Brahms’ student Eusebius

Mandyczewski and musicology at the University of

Vienna; after graduation he worked as a lecturer.

His breakthrough as a composer, however, came

in Germany with the successful premiere of his

opera Die Heilige Ente (op. 15) by George Szell in

Düsseldorf in 1923. Successful performances fol-

lowed throughout Germany. Gál’s return to Vienna

in 1933 as a consequence of the seizure of power

in Germany by the Nazis not only put an effective

end to his previous career, he was also forced to

earn his livelihood by writing essays and books,

conducting local ensembles and performances and,

above all, by offering private tuition before having

to escape to Great Britain following the Anschluss

of Austria in 1938.

Although Gál’s initial intention had been to emigrate

to the USA, while in London, he happened to meet

the renowned English musicologist Sir Donald Tovey

in the summer of 1938, who invited Gál to Edinburgh.

The Scottish city was to become Gál’s home until

his death in 1987. However, with the outbreak of

war and the fall of France in May 1940, the émigré

composer was detained by British authorities for

several months as a so-called ‘enemy alien’, first

in a camp in Huyton near Liverpool, and later on

the Isle of Man, along with many other German-

speaking refugees. The traumatic experience of

internment inspired one of the most moving works

by the composer, the Huyton Suite (op. 92, 1940).

The unusual instrumentation of this four-movement

piece, one flute and two violins, lies in the fact that

these were the only instruments available in the

internment camp. Next to his ‘internment diary’,

which he kept throughout his imprisonment and was

in fact the only diary he ever wrote, this composition

can be seen as Gál’s musical testimony.

After the war ended in 1945, Hans Gál became a

lecturer for music theory, harmony and counterpoint

at the University of Edinburgh. Two years later, he

was among the founders of Sir Rudolf Bing’s ‘Ed-

inburgh Festival’, with which he remained closely

associated for many years. Equally important were

Gál’s extensive research and publications, which he

mainly did in the 1960s. They include monographs

on Johannes Brahms (1961) and Richard Wagner

(1963), and his critical editions of letters, The Mu-sician’s World: Great Composers in their Letters

(1965) or the guide to the orchestral works of Robert

Schumann in 1979. Hans Gál died in Edinburgh on

3 October 1987 at the age of 97.

Another Austrian in America: Ernst Toch (1887 - 1964)Sonata op. 87 (1962)

Apart from Arnold Schoenberg and Ernst Krenek,

hardly any other Austrian composer of the early 20th

century influenced the avant-garde as much as Ernst

Toch, who was born in Vienna in 1887. He became

noted for one particular work, the Geographical Fugue (1930), which has probably been the best-

known work by the composer since its premiere

and forms the foundations for the genre of ‘spoken

music’. In the 1920s and 1930s, Toch was one of

the most-performed contemporary composers in

Germany, unafraid of experimentation and thus

the cause of many a scandal. However, in Vienna

about two decades earlier, his path to becoming

a composer was not at all clear-cut despite initial

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successes. In 1905, the Rosé Quartet announced

that they wanted to perform Toch’s String Quartet

No. 6 in A minor (op. 12).

‘I did not study with anybody,’ he noted in his

memoirs shortly before his death, ‘I was left to myself and acquired what I learnt in a completely autodidactic way …,’ especially in studies of the

string quartets by Wolfgang Amadeus Mozart. In

1909, Toch was awarded the Mozart Prize, which

involved a four-year scholarship for further studies

at the Conservatoire in Frankfurt am Main. Iwan

Knorr, then head of the department of composition,

welcomed Toch with the words: ‘You want to study with me? I was just going to ask if you might give me a few lessons.’ His years in Germany, which were

interrupted by mandatory military service in the First

World War, brought about the young composer’s

breakthrough.

Due to his experiences in the First World War,

Toch’s compositional style underwent dramatic

changes and became more experimental, and for

this reason his works received mixed responses from

audiences. Whereas genres of chamber music had

hitherto been the focus of his output, he now turned

to large symphonic forms. In 1923, the Mainz-based

publisher Schott offered the composer a 10-year

exclusive contract to publish his works. However,

growing support for the Nazis made Toch uneasy

and was not without personal consequences for

him. The projected premiere of his Piano Concerto

No. 2 (op. 61, 1933) in Berlin was cancelled and

consequently Schott refused to publish the work

and did not renew his contract. At the beginning

of 1933, after Hitler had seized power in Germany,

Toch decided to leave the country. After attending

a musicological conference in Florence, he did not

return to Germany, but sought refuge in France

instead. From Paris, he telegraphed his wife the

coded message ‘I have my pencil’, meaning that

he was safe and she was to follow him. From Paris,

the Tochs emigrated to the USA via London.

In 1936, with great help from George Gershwin,

Toch was hired by Warner Brothers as a film music

composer. The contract enabled him to move away

from New York, a city he had not felt comfortable

in, although Toch had initially taught at the New

School for Social Research for two years after ar-

riving in the USA. In the following years, Toch was

to compose a series of film scores, thus gradually

building up a livelihood. Nevertheless, the atrocities

committed by the Nazis in Europe, and not least his

own experience of escape, made a deep impact

on his creativity. Toch composed little during the

war years, but completed the book The Shaping Forces in Music (1946). It was only after the end of

the Second World War and following a near-fatal

heart attack that Toch ended both his teaching work

at the University of Southern California and his film

activity to resume his previous career dedicated

solely to composition.

Towards the end of his life, composing, it seems,

became much easier for Ernst Toch. During the last

decade, he wrote seven symphonies, the large

orchestral form finally taking precedence in his

compositional output. However, it was during this

time that Toch also composed his Sonata op. 87

for piano four-hands. Here, the playful Mozartian

lightness of the first and third movements are

contrasted with the work’s slow and contemplative

second movement, suggesting his yearning for

his musical roots. Nevertheless, throughout his life

the string quartet remained the musical genre that

most appealed to Toch. On the morning of Toch’s

death on 1 October 1964, a sketch of a new one

was found on his bedside table.

Caught Between Two Worlds: Darius Milhaud (1892 - 1974)Le bœuf sur le toît (1919)

When Darius Milhaud returned to France in late

1918 from a two-year stay in Brazil, the 27-year-old

composer took with him a series of scores: editions

of arrangements of popular Brazilian folk melodies

and sophisticated compositions. As he himself wrote

in his autobiography Notes Without Music (1962),

Milhaud intended to incorporate them into a new

work, ‘to create an unpretentious divertissement reminiscent of Brazilian rhythms that captured my imagination, but by no means caused me to laugh …!’ Thus, the idea for Le bœuf sur le toît, in English ‘The Ox on the Roof’, was born. It would

also be suitable, to use the composer’s own words,

as a ‘Cinéma-Symphonie’, music to accompany a

silent Charlie Chaplin movie. The title of the work

derives from one of the popular Brazilian folk songs.

Jean Cocteau, the French author, filmmaker,

painter and close friend of Milhaud’s, advised

him against this particular idea and instead sug-

gested that he would create a script for a ballet

to Milhaud’s composition. The plot that Cocteau

envisaged was the logical continuation of his work

with Sergei Diaghilev’s Ballets Russes, which he had

already begun with Erik Satie’s Parade. Thus, the

theatre of the avant-garde, ‘entertainment Dada-

ism’, finally entered the sphere of ballet. The plot

of Cocteau’s concept, a parody on Prohibition in

the United States, is quickly told. Various unlikely

characters meet by chance in a bar and unusual

things happen, culminating in a policeman entering

the establishment to enforce the ban on alcohol.

Instantly, the bar is transformed into a milk bar. The

policeman, however, is beheaded by the blades of

a huge fan. Eventually, the bartender reanimates

the dead policeman by reattaching his head and

presents him with the three-metre long bill for the

evening.

The premiere of Le bœuf sur le toît took place

at the Théâtre des Champs-Élysées in the version

for full orchestra on 21 February 1920. Since then,

it has become one of Darius Milhaud’s most popular

works. The version for piano four-hands was prob-

ably primarily intended as a piano excerpt for study

purposes. However, as Milhaud’s wife indicated, this

version was actually performed privately by Milhaud

and his colleague, the pianist Georges Auric, for the

Groupe des Six.

Darius Milhaud was born into a Jewish-Provençal

family in Marseille in 1892. At the age of seven, he

received his first violin lessons, and his first composi-

tions date from 1905. Milhaud studied violin at the

Paris Conservatoire, but switched to composition

after three years. In 1912, he became acquainted

with the poet Paul Claudel and formed a life-long

friendship, resulting in several collaborative projects.

When Claudel was posted as ambassador to Rio

de Janeiro in 1916, he arranged for Darius Milhaud

to come along as his secretary. In turn, Claudel was

Milhaud’s librettist, e.g. for the opera Christophe Colomb (1928).

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After Milhaud’s return from Brazil at the end

of the First World War, he joined the circle of Jean

Cocteau and Erik Satie, and eventually became one

of the leading proponents of the Groupe des Six

(consisting of Milhaud, Auric, Louis Durey, Arthur

Honegger, Francis Poulenc and Germaine Tailleferre).

When France was attacked by Nazi Germany in

1940 and capitulated in May of the same year, these

dramatic political events also ended the career of

one of the aspiring French composers at that time.

Milhaud fled to the USA, where he taught at Mills

College in Oakland. After the end of the Second

World War, he also had his own composition class

at the Paris Conservatoire. His students included

such different characters as the jazz musician

Dave Brubeck or the composers Steve Reich and

Karlheinz Stockhausen. As a composer, Milhaud

was highly productive with a catalogue of more

than 400 compositions, including many operas

and stage works. Darius Milhaud died in Geneva

on 22 June 1974.

Matthias Wurz

Das Klavierduo Friederike Haufe und Volker Ahmels

Die deutsche Pianistin Friederike Haufe begann

schon während ihrer Schulzeit ein Klavierstudium

an der Musikhochschule Bremen bei Bernhard

Wambach. Es folgten weiterführende Studien an

den Musikhochschulen Köln und Lübeck, wo sie

sich ein umfangreiches Repertoire von Bach bis

Stockhausen erarbeitete. Zu ihren Lehrern zählte

etwa Aloys Kontarsky, einer der vormaligen Dozenten

der Darmstädter Ferienkurse.

Friederike Haufe gilt als Spezialistin der Werke

Clara und Robert Schumanns; ihr Auslandsdebüt

am Théâtre du Châtelet in Paris hatte sie mit

Robert Schumanns „Kreisleriana“. Heute setzt

sie in ihrem Repertoire zusätzliche Schwerpunkte

im Bereich der „Verfemten Musik“, künstlerisch

angeregt von der Pianistin Edith Kraus. Mit Werken

der im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten

Komponisten Pavel Haas (1899–1944) und Viktor

Ullmann (1898–1944) war sie bereits in der heutigen

Gedenkstätte des ehemaligen KZs Theresienstadt

und in der Spanischen Synagoge in Prag zu hören.

Friederike Haufe ist regelmäßig auf deutschen

wie auch auf internationalen Konzertbühnen zu

erleben, sowohl als Solistin als auch als Partnerin

von Volker Ahmels im gemeinsamen Klavierduo,

aber auch als gefragte Liedbegleiterin, u. a. des

deutschen Baritons Christfried Biebrach. Sie arbeitete

als Pianistin für den Rundfunk und als musikalische

Beraterin beim ZDF. Sie ist häufiges Mitglied der

bundesdeutschen Jury des Musikwettbewerbs

„Jugend musiziert“. Vor kurzem hat Friederike Haufe

in Hamburg „Artist-Coaching“ gegründet, in dem sie

ein Programm auf Basis des Neurolinguistischem

Programmierens (NLP) speziell für kreative Berufe

anbietet.

Volker Ahmels absolvierte sein Klavierstudium an der

Musikhochschule Lübeck bei Hartmut Leistritz. Nach

Abschluss der Studien nahm er an internationalen

Interpretationskursen teil, wobei sein besonderes

Interesse der zeitgenössischen Musik galt. Durch

die Begegnung mit dem Komponisten Luigi Nono

in Avignon im Jahr 1990 inspiriert, entstand das

musikalisch-literarische Konzertprojekt „Fluchtpunkt

Venedig“ in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler

Christoph Bantzer. Die beiden Künstler wurden in

der Folge zu zahlreichen Konzerten und Festivals

eingeladen, so auch mehrfach zum Schleswig-

Holstein Musikfestival.

Wie auch seine Partnerin im gemeinsamen

Klavierduo gab Volker Ahmels sein internationales

Debüt am Théâtre du Châtelet in Paris, und zwar mit

Luigi Nonos „… sofferte onde serene …“. Als Solist,

Kammermusiker und im Klavierduo konzertiert er

regelmäßig in Deutschland, Europa und in den USA.

Die Erinnerung an das Konzentrationslager

Theresienstadt und an seine Künstler bildet einen

besonderen Schwerpunkt in der pianistischen und

pädagogischen Arbeit von Volker Ahmels: Gemeinsam

mit israelischen und tschechischen Partnern entwi-

ckelte er die internationalen Meisterkurse „History,

Music & Remembrance“, die in Israel, Schwerin

(Mecklenburg-Vorpommern) und Prag stattfanden.

Außerdem führt er den internationalen Wettbewerb

„Verfemte Musik“ regelmäßig am Schweriner Kon-

servatorium durch – eine Musikinstitution, die er

auch seit 1991 leitet. Im Jahr 2008 übernahm Volker

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Ahmels außerdem die Projektleitung des Zentrums

Verfemte Musik an der Hochschule für Musik und

Theater Rostock.

Matthias Wurz ist Dirigent und Musikwissen-schaftler. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von exil.arte sowie Autor des Buches „Orchesterspielen“ (2010). Als Dirigent ist er außerdem musikalischer Leiter des von ihm kürzlich gegründeten „Ensemble Szene XX“ in Wien.

The Piano Duo Friederike Haufe and Volker Ahmels

German pianist Friederike Haufe received her first

piano lessons from Bernhard Wambach at Bremen

Music Academy while still at school, followed by

graduate studies at the Music Academies in Cologne

and Lübeck, where she built up an extensive repertoire

ranging from Bach to Karlheinz Stockhausen. Aloys

Kontarsky was among her teachers, a former as-

sociate professor at the Darmstadt Holiday Courses.

Friederike Haufe specializes in works by Clara

and Robert Schumann, and she held her interna-

tional debut at the Théâtre du Châtelet in Paris with

Robert Schumann’s Kreisleriana. Inspired by Edith

Kraus, the legendary pianist and Theresienstadt

musician, today she has expanded her repertoire

to include works by composers suppressed by

the Nazi regime. She has performed works by the

composers Pavel Haas (1899 - 1944) and Viktor

Ullmann (1898 - 1944), who were murdered in

Auschwitz, at the memorial site of Theresienstadt

concentration camp and the Spanish Synagogue

in Prague.

She performs regularly on German and inter-

national concert stages, both as a soloist and as a

partner in the piano duo with Volker Ahmels. She

is also in demand as an accompanist, among oth-

ers working with the German baritone Christfried

Biebrach. She has worked as a pianist for radio as

well as a music consultant to the German television

channel ZDF. She is a regular jury member of the

music competition ‘Jugend musiziert’. She has

recently founded ‘Artist-Coaching’ in Hamburg,

offering coaching based on Neuro-linguistic Pro-

gramming (NLP) to creative professionals.

Volker Ahmels studied piano with Hartmut Leistritz

at the Lübeck Music Academy. On completion of

his studies, he took part in international interpreta-

tion courses, specializing in contemporary music.

Following an inspiring meeting with Luigi Nono

in Avignon in 1990, Volker Ahmels initiated the

musical and literary concert project ‘Fluchtpunkt Venedig’ in conjunction with the actor Christoph

Bantzer. The two performers have subsequently

been invited to numerous concerts and festivals,

including the prestigious Schleswig-Holstein Music

Festival several times.

Like his piano duo partner, Volker Ahmels held

his international debut at the Théâtre du Châtelet in

Paris with Luigi Nono’s …serene onde sofferte…. He performs regularly in Germany, Europe and the

USA as a soloist, chamber musician as well as

Friederike Haufe’s partner in their piano duo.

The commemoration of Theresienstadt concen-

tration camp and its artists is a major focus of Volker

Ahmel’s artistic and teaching work. He elaborated

the international master classes ‘History, Music &

Remembrance’ with Czech and Israeli partners,

which took place in Israel, Schwerin (Mecklenburg-

Vorpommern) and Prague. He organizes the interna-

tional chamber music competition ‘Verfemte Musik’

at Schwerin Conservatoire, a musical institution of

which he has been director since 1991. In 2008,

Volker Ahmels also took charge of the Zentrum Verfemte Musik at the Academy of Music and

Theatre in Rostock.

Matthias Wurz is a conductor and musicologist. He is a researcher of exil.arte as well as the author of the book Orchesterspielen (2010). As a conductor, he is the founder and music director of ‘Ensemble Szene XX’ in Vienna.

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Weitere CDs mit ExilArte Further CDs with ExilArte

Hans Gál

„The Right Tempo”

Chamber Music/Kammermusik

Ulrike Anton, Russell Ryan, Cornelia Löscher, Wolfhart Schuster

Gramola 98896

Walter Arlen

„Es geht wohl anders“Lieder

Rebecca Nelsen, Christian Immler, Danny Driver

Gramola 98946/47

Weitere CDs in dieser Serie folgen in Kürze

Further CDs in this series are due to be published shortly

www.gramola.at

Concert at The Embassy of Austria (Washington, D.C.) 28 April 2011Piano Duo: Friederike Haufe and Volker AhmelsEntartete Musik: “Lifting The Nazi Ban”

Review by Cecelia H. Porter, contributing classical

music critic of The Washington Post

Two German pianists performed on 28 April at the

Austrian Embassy in a challenging concert for four

hands at a single keyboard. The duo fully deserved

the ovation given them at the conclusion of the event.

The program centered on music that the Nazi regime

banned as entartete Musik (“degenerate music”).

This label applied chiefly to the works of composers

who were Jewish or of any other non-Aryan origin-

-but also music by composers considered “too

modern” or simply displeasing according to these

official ill-defined “aesthetic” standards. In bringing

this music to life through their concerts, Haufe and

Ahmels are making an important contribution to a

better understanding of music in the first half of

the 20th century. Perhaps most surprising to audi-

ences is the early (1896) “Six Pieces for Piano” by

the pivotal Viennese composer Arnold Schönberg

(1874-1951). He won a permanent place in world

music history, credited with introducing the tech-

niques of serialism and atonality. His “method” drew

a number of talented young followers to explore

his new approach to composition. Compared with

Schönberg’s later revolutionary approach, however,

the “Six Pieces” are startlingly tonal and accessible to

the general public. Haufe and Ahmels underscored

the music’s gently lyrical outlines through their im-

maculate phrasing, unfaltering sense of direction

and smooth-as-silk legato. The pianists also offered

two works by Schönberg’s younger contemporaries

Erwin Schulhoff (1894-1942) who died in a Nazi

concentration camp; and Hans Gál (1890-1987),

who survived him by over four decades. Schulhoff’s

“Ironies,” Op. 34, was delivered with conviction

and attention to details, clearly distinguishing the

individual and somewhat wry mood of each sec-

tion of the work. And the duo clearly defined Gal’s

amusing references to movements, presented as

characters drawn from the Italian commedia dell’ arte

tradition. Wolfgang Rihm’s (1952-) “Short Waltzes”

was nicely performed, although it proved to be the

least interesting work of the evening. Ernst Toch’s

(1887-1964) Sonata for Piano, Four Hands, Op. 87,

and Franz Schubert’s Fantasy in F Minor for Piano,

Four Hands, Op. 103, D. 940 concluded the evening.

The Toch Sonata draws much of its interest from

the use of contrasting tone colors and dynamic

shadings. The Schubert Fantasy was sensitively

executed in both touch and pacing.

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Gramola 98892

Volker Ahmels, Friederike Haufe (Photo Mirjam Voigt)

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