Der Rebell Im Walde

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  • 7/26/2019 Der Rebell Im Walde

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    Der Rebell im Walde

    Er macht fast alles anders als andere Frster. Das ntzt derUmwelt und bringt mehr Gewinn.

    VonPierre-Christian Fink , 25. Oktober 2012

    Ein Waldweg in der Eifel, im Norden von Rheinland-Pfalz."Schlieen Sie mal die Augen", sagt Peter Wohlleben. "Wo hrenSie die Vgel singen?" Links, eindeutig. Links des Weges wachsenBuchen. Moos breitet sich ber den Boden aus. Das ist der Wald von

    Peter Wohlleben. Rechts des Weges stehen Fichten in Reihen. IhreNadeln liegen fnf Zentimeter dick auf dem Boden; sie lassen ihnversauern. Das ist der Wald des Nachbarfrsters.

    "Das Revier von Peter Wohlleben ist ein guter Wald", sagt HorstMeister vom Bund fr Umwelt und Naturschutz. Wie viele

    http://www.zeit.de/autoren/F/Pierre-Christian_Finkhttp://www.zeit.de/autoren/F/Pierre-Christian_Fink
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    Naturschtzer trumt er von einem Wald, wie er ohne menschlichenEingriff wre. Dann wrden in Deutschland berwiegendLaubbume wachsen. Stattdessen stehen berall viele Nadelbume,meist sind es Fichten. "Die kommen aus Skandinavien", sagt

    Meister. "Bei uns ist es ihnen zu warm und zu trocken." Deshalbsind sie anfllig fr Krankheiten, bei Strmen knicken sie schnellum. Und nicht alle deutschen Vgel knnen in ihnen nisten.

    Aber Fichten wachsen schneller als Buchenihr Holz lsst sichJahrzehnte frher zu Geld machen. Fichten versprechen hhereGewinne.

    Es sind die Bundeslnder, denen rund 30 Prozent des deutschen

    Waldes gehren. Auch auf die restlichen Flchen haben sie oftEinflussetwa weil kleinere Besitzer ihre Waldstcke von denLandesfrstern bewirtschaften lassen. Zwar preisen dieForstpolitiker eine naturnahe Waldwirtschaft. Doch viele Lnderhaben ihre Forstmter in Unternehmen umgewandelt. Die stehennun strker als die frheren Behrden unter Druck, Geld zuverdienen.

    Seit er kein Beamter mehr ist, nimmt er nur noch aufden Wald Rcksicht

    Aber das gelingt kaum. Die Landesforsten Rheinland-Pfalz habenzuletzt 5,5 Millionen Euro Verlust geschrieben. "Viele Frster sehennur einen Ausweg", sagt Wohlleben. "Sie pflanzen noch mehrFichten." Es sieht aus, als mssten sich die Frster zwischen derNatur und dem Geld entscheiden und als wrde am Ende das Geldsiegen.

    Peter Wohlleben pflanzt Buchen. Doch er hat im vergangenen Jahrrund 300.000 Euro Gewinn erzielt. Sein kleiner Wald stellt einegroe Frage: Kann man die Natur besser schtzen und gleichzeitigmehr Geld verdienen?

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    Wohlleben wuchs in Sinzig auf, einer Kleinstadt am Mittelrhein. ZuHause zchtet er Frsche, Schildkrten und Salamander. Auf demGymnasium liest er den Bericht des Club of Rome berDie Grenzendes Wachstums.Nach dem Abitur will er etwas fr die Natur tun. Er

    studiert Forstwissenschaft. Viele seiner Professoren in Rottenburglehren, was sie selbst als Studenten gelernt haben. "Ich bin an derHochschule stromlinienfrmig auf Plantagenwirtschaft getrimmtworden", sagt Wohlleben. "Damals dachte ich: Das muss alles sosein, das sind ja Fachleute."

    Nach dem Diplom tritt er eine Beamtenstelle im Landesforst vonRheinland-Pfalz an. Fnf Jahre Schreibtischarbeit, dann erhlt ersein erstes Revier: Hmmel in der Eifel. Die 750 Hektar Wald lsstdie Gemeinde vom Landesforst betreiben.

    Im Oktober 1991 zieht Wohlleben mit seiner Frau und der sechsWochen alten Tochter in das Forsthaus von Hmmel, einenzweistckigen Spitzgiebelbau aus den 1930er Jahren. Im Gartenpflanzen die Wohllebens Langhalmroggen, mit dem sie ihr Brotbacken. Sie essen die Eier ihrer eigenen Hhner und trinken dieMilch ihrer Ziegen.

    Im Wald arbeitet Wohlleben, wie er es an der Hochschule gelernthat. Er fllt alte Buchen. Aber die Bume tun ihm leid. Er spritztgegen Kfer. Aber erst, als ihn sein Vorgesetzter dazu zwingt. Ererntet mit einem Harvester. Aber er frchtet, dass die tonnenschwereMaschine den Waldboden zerstrt.

    Immer fter fragt sich Wohlleben: Schtze ich die Natur oderschade ich ihr?

    Er sucht nach einem anderen Modell, fhrt in die Schweiz, nachCouvet im Jura, wo 1890 der Frster Henri Biolley einenPlenterwald eingerichtet hat. Darin wachsen heimische Bume allenAltersmanche sind ber hundert Jahre, manche erst einige Monatealt. Nher kann ein Frster einem natrlichen Wald kaum kommen.

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    kologisch ist Wohlleben berzeugt. Aber rechnet sich derPlenterwald auch? Wohlleben lsst sich die Bilanzen erklren. DerWald von Couvet wirft mehr Geld ab als sein Forst in Hmmel.

    Wohlleben hat das Holz bislang so einschlagen lassen, wie es vieledeutsche Frster tun. Er hat die schnsten Bume verschont siesollen bis zu ihrer vollen Gre wachsen und dann einen hohenPreis erzielen. Damit jeder dieser Bume Platz bekommt, lsst derFrster die beiden Nachbarbume einschlagen. Doch damit fllt ermanchmal gerade Bume, blo weil sie etwas dnner sind dabeiknnen sie noch dicker werden und spter einen hohen Preiserzielen. Gleichzeitig bleiben schiefe Bume stehen, deren Wertkaum steigt, selbst wenn sie einmal dick werden.

    Im Plenterwald von Couvet schlagen Biolleys Nachfolger vor allemschiefe Bume ein. Damit knnen gerade Bume nachwachsen. Undder Frster verdient sofort Geld. Besonders, wenn er zuvortraditionell gewirtschaftet hat und deswegen viele schiefe, dickeBume in seinem Wald stehen.

    Wohlleben stellt den Wald von Hmmel auf Plenterwirtschaft um.

    Seine Vorgesetzten bekommen erst einmal nichts mit. "Als es danndoch irgendwann aufgefallen ist, hie es: Der Wald sieht ja gar nichtschlecht aus. Aber so geht es trotzdem nicht weiter, weil es gegendie Regeln verstt." Wohlleben macht weiter.

    Er verbietet, dass in seinem Revier Harvester ber den Waldbodenrollen. Stattdessen lsst er die Bume von Forstarbeitern fllen undvon Pferden an den Wegrand ziehen. Das ist teurer als die Ernte mitdem Harvester. Doch Wohlleben macht trotzdem Gewinn, weil die

    Plenterwirtschaft so lukrativ ist. "Meine Zahlen durfte ich aber nichtan die Presse geben das wrde die Kollegen unter Druck setzen,hie es. So ein Schwachsinn. Stndig wurden mir Steine in den Weggelegt."

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    Wohlleben will nicht mehr fr den Landesforst arbeiten. Er sprichtmit seiner Familie. Sie beschlieen auszuwandern. Doch derBrgermeister von Hmmel, Rudolf Vitten, will ihn nicht ziehenlassen. Vitten schlgt vor, dass die Gemeinde ihren Wald selbst

    bewirtschaftet

    mit Wohlleben als Frster. Der Brgermeister kannihm alle Freiheiten bieten, aber nur einen Angestelltenvertrag.Wohlleben kndigt seine Beamtenstelle beim Land.

    "Dieser Schritt war befreiend", sagt Wohlleben. "Seitdem muss ichnur noch auf den Wald Rcksicht nehmen." Vitten und seinNachfolger Franz-Peter Schmitz sind mit Wohllebens Arbeitzufrieden. Von den Gewinnen aus dem Forst wurden schon zweiGemeindehuser gebaut, Straenlampen ausgetauscht und Wege neugeteert.

    Inzwischen verdient Wohlleben einen Teil seines Gewinns, ganzohne Holz einschlagen zu mssen. Manager bezahlen dafr, inseinem Wald eine Blockhtte bauen zu knnen. Auerdem habensich schon rund 2500 Menschen einen Grabplatz im HmmelerRuheforst gekauft. Seit einigen Monaten verdient er sogar Gelddamit, dass er berhaupt nicht mehr in den Wald eingreift.

    Unternehmen, die sich kologisch engagieren wollen, bezahlendafr, dass er ein Buchenstck in der Breitzter Heide unter Schutzstellt. 50 Jahre lang darf hier kein Holz mehr geschlagen werden.

    "So muss ein deutscher Wald aussehen", sagt Wohlleben. Seineschwarzen Stiefel setzt er vorsichtig zwischen dieBuchenschsslinge, die in der Breitzter Heide im Schattenzweihundert Jahre alter Mutterbume wachsen. Er kniet sich nebeneinen jungen Baum und fhlt die Knoten, die sich jedes Jahr am Astbilden. "18 Jahre alt, 40 Zentimeter gro. Aber in 150 Jahren wirddiese Buche in den Himmel streben wie der Pfeiler einer gotischenKathedrale."

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    Die Hirsche mssen weichen, wenn die Buchen

    zurckkommen

    Einen Kilometer nrdlich, am Rmerweg, will Wohlleben eine

    Fichtenplantage in einen Buchenwald umwandeln. Vor rund zehnJahren hat er hier die ersten Buchen gesetzt. Eine Pflanze nach deranderen nimmt er in die Hand. "Bei dieser ist der Haupttriebabgebissen, hier schon wieder, da auch. Aus diesen Pflanzen werdennur noch verkrppelte Bume." Schuld sind die Hirsche. ImFrhjahr fressen sie nichts lieber als Buchentriebe. Die wenigernahrhaften Fichten rhren sie kaum an. Wenn Wohlleben denBuchenwald zurckbringen will, mssen die Hirsche weichen.

    Zu Zeiten der Germanen hielten Wlfe und Luchse die Wildzahlenniedrig. Heute sollen es Jger tun. "Aber die interessieren sichweniger fr den Wald als fr ihre Trophen", sagt Wohlleben."Damit sie genug Tiere mit groen Geweihen vor die Bchsebekommen, halten sie die Tierzahl knstlich hoch."

    Die Jagd in Wohllebens Revier haben drei Unternehmer gepachtet,Auswrtige. Wohlleben wrde die Pacht am liebsten abschaffen. In

    einem Teil seines Waldes ist ihm das vor zehn Jahren gelungen.Dort darf jeder Brger von Hmmel, der einen Jagdschein besitzt,kostenlos schieen. Wo die Brger jagen, sind die Wildbestndeniedriger, wachsen die Buchen besser. Im nchsten Mrz wird einerder drei Pachtvertrge nicht verlngert.

    Wohlleben hat gegen den Landesforst gekmpft und gewonnen. Erkmpft gegen die Jger und wird wohl gewinnen. Aber die Kmpfehaben ihn geschwcht. Er hat jetzt einen neuen Gegner: seineneigenen Krper. Vor drei Jahren bekam er Herzrhythmusstrungen,Panikattacken, Burn-out. Frher hat er 60 Stunden in der Wochegearbeitet und Urlaub verfallen lassen. Jetzt arbeitet er 40 Stundenund nimmt seinen Urlaub. Dann fhrt er nach Lappland, in denNorden Schwedens, wo es kalt und nass ist, wo die Nadelbume zuHause sind, und wandert durch den Fichtenurwald.

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