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Der rote Kampfflieger / Manfred Freiherr von Richthofen / 1917

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Der rote Kampfflieger

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D e r r o t eK a m p f f l i e g e r

von

RittmeisterManfred Freiherr von Richthofen

251. – 300. Tausend

1 9 1 7V e r l a g U l l s t e i n C o , B e r l i n - W i e n

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Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.Amerikanisches Copyright 1917 by Ullstein Co, Berlin

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Inhalt 

Einiges von meiner Familie ...................................... 9Meine Kadettenzeit .................................................. 12Eintritt in die Armee .................................................. 14Erste Offizierszeit ..................................................... 16Kriegsausbruch ........................................................ 19Überschreiten der Grenze ........................................ 21Nach Frankreich ....................................................... 25

Wie ich auf Patrouille zum erstenmal die Kugelnpfeifen hörte ........................................................ 31

Patrouillenritt mit Loen ............................................. 37Langweile vor Verdun .............................................. 41Das erstemal in der Luft! .......................................... 45Beobachtungsflieger bei Mackensen ....................... 48

Mit Holck in Rußland ................................................ 49Rußland – Ostende .................................................. 55Ein Tropfen Blut fürs Vaterland ................................ 59Mein erster Luftkampf ............................................... 61In der Champagne-Schlacht ..................................... 63Wie ich Boelcke kennenlernte .................................. 65

Der erste Alleinflug ................................................... 67Aus meiner Döberitzer Ausbildungszeit ................... 69Erste Zeit als Pilot .................................................... 72Holck † ..................................................................... 74Ein Gewitterflug ........................................................ 76Das erstemal auf einem Fokker ................................ 79

Bombenflüge in Rußland .......................................... 81Endlich ...................................................................... 88

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Mein erster Engländer .......................................... 90Somme-Schlacht .................................................. 94Boelcke † ............................................................. 96

Der Achte ............................................................. 99Major Hawker ………………………………………. 103Pour le mérite ………………………………………... 106Le petit rouge ......................................................... 108Englische und französische Fliegerei .................. 110Selbst abgeschossen ........................................... 112

Ein Fliegerstückchen ............................................ 120Erste Dublette ...................................................... 122Mein bisher erfolgreichster Tag ........................... 127„Moritz“ ................................................................. 130Englischer Bombenangriff auf unseren Flughafen 133Schäfers Notlandung zwischen den Linien .......... 139

Das Anti-Richthofen-Geschwader ........................ 144Der „alte Herr“ kommt auf unseren Flughafen ...... 147Flug in die Heimat ................................................ 154Mein Bruder .......................................................... 163Lothar ein „Schießer“ und nicht ein Weidmann .... 174Der Auerochs ........................................................ 176Infanterie-, Artillerie- und Aufklärungsflieger ......... 180Unsere Flugzeuge ................................................. 183

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Ein ig es vo n me iner Fami l i e

Die Familie Richthofen hat sich in den bisherigenKriegen an führender Stelle eigentlich verhältnismäßigwenig betätigt, da die Richthofens immer auf ihrenSchollen gesessen haben. Einen Richthofen, der nichtangesessen war, gab es kaum. War er's nicht, so war er

meistenteils in Staatsdiensten. Mein Großvater, und vonda ab alle meine Vorväter, saßen in der Gegend vonBreslau und Striegau auf ihren Gütern. Erst in derGeneration meines Großvaters wurde ein Vetter meinesGroßvaters als erster Richthofen General.

In der Familie meiner Mutter, einer geborenen von

Schickfuß und Reudorf, ist es ähnlich wie bei denRichthofens: wenig Soldaten, nur Agrarier. Der Brudermeines Urgroßvaters Schickfuß fiel 1806. In derRevolution 1848 wurde einem Schickfuß eines seinerschönsten Schlösser abgebrannt. Im übrigen haben sie'salle bloß bis zum Rittmeister der Reserve gebracht.

Auch in der Familie Schickfuß sowohl wieFalckenhausen - meine Großmutter ist eineFalckenhausen - kann man nur zwei Hauptinteressenverfolgen. Das ist Reiten, siehe Falckenhausen, undJagen, siehe den Bruder meiner Mutter, OnkelAlexander Schickfuß, der sehr viel in Afrika, Ceylon,

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Norwegen und Ungarn gejagt hat.Mein alter Herr ist eigentlich der erste in unserem

Zweig, der auf den Gedanken kam, aktiver Offizier zu

werden. Er kam früh ins Kadettenkorps und trat spätervon dort bei den 12. Ulanen ein. Er ist der pflichttreuesteSoldat, den man sich denken kann. Er wurdeschwerhörig und mußte den Abschied nehmen. SeineSchwerhörigkeit holte er sich, wie er einen seiner Leutebei der Pferdeschwemme aus dem Wasser rettete und

nachher seinen Dienst beendete, ohne die Kälte undNässe zu berücksichtigen.

Unter der heutigen Generation sind natürlich sehr vielmehr Soldaten. Im Kriege ist jeder waffenfähigeRichthofen bei der Fahne. So verlor ich gleich zu Anfangdes Bewegungskrieges sechs Vettern verschiedenen

Grades. Alle waren Kavalleristen.Genannt bin ich nach einem großen Onkel Manfred, inFriedenszeiten Flügeladjutant Seiner Majestät undKommandeur der Gardedukorps, im Kriege Führer einesKavalleriekorps.

Nun noch von meiner Jugend. Der alte Herr stand inBreslau bei den Leibkürassieren 1, als ich am 2. Mai1892 geboren wurde. Wir wohnten in Kleinburg. Ichhatte Privatunterricht bis zu meinem neuntenLebensjahre, dann ein Jahr Schule in Schweidnitz,später wurde ich Kadett in Wahlstatt. Die Schweidnitzer

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betrachteten mich aber durchaus als ein SchweidnitzerKind. Im Kadettenkorps für meinen jetzigen Berufvorbereitet, kam ich dann zum 1. Ulanenregiment.

Was ich selbst erlebte, steht in diesem Buch.Mein Bruder Lothar ist der andere Flieger Richthofen.

Ihn schmückt der Pour le merite. Mein jüngster Bruderist noch im Kadettenkorps und wartet sehnsüchtigdarauf, sich gleichfalls zu betätigen. Meine Schwesterist, wie alle Damen unseres Familienkreises, in der

Pflege der Verwundeten tätig.

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Mein e Kadet t enzei t

(1903 - 1909 Wahlstatt, 1909 - 1911 Lichterfelde)

Als kleiner Sextaner kam ich in das Kadettenkorps. Ichwar nicht übermäßig gerne Kadett, aber es war derWunsch meines Vaters, und so wurde ich wenig gefragt.

Die strenge Zucht und Ordnung fiel einem so jungen

Dachs besonders schwer. Für den Unterricht hatte ichnicht sonderlich viel übrig. War nie ein großes Licht.Habe immer so viel geleistet, wie nötig war, um versetztzu werden. Es war meiner Auffassung nach nicht mehrzu leisten, und ich hätte es für Streberei angesehen,wenn ich eine bessere Klassenarbeit geliefert hätte als

„genügend“. Die natürliche Folge davon war, daß michmeine Pauker nicht übermäßig schätzten. Dagegengefiel mir das Sportliche: Turnen, Fußballspielen usw.,ganz ungeheuer. Es gab, glaube ich, keine Welle, die icham Turnreck nicht machen konnte. So bekam ich baldeinige Preise von meinem Kommandeur verliehen.

Alle halsbrecherischen Stücke imponierten mirmächtig. So kroch ich z. B. eines schönen Tages mitmeinem Freunde Frankenberg auf den bekanntenKirchturm von Wahlstatt am Blitzableiter heraus undband oben ein Taschentuch an.

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Genau weiß ich noch, wie schwierig es war, an denDachrinnen vorbeizukommen. Mein Taschentuch habeich, wie ich meinen kleinen Bruder einmal besuchte,

etwa zehn Jahre später, noch immer oben hängensehen.

Mein Freund Frankenberg war das erste Opfer desKrieges, das ich zu Gesicht bekam.

In Lichterfelde gefiel es mir schon bedeutend besser.Man war nicht mehr so abgeschnitten von der Welt und

fing auch schon an, etwas mehr als Mensch zu leben.Meine schönsten Erinnerungen aus Lichterfelde sind

die großen Korsowettspiele, bei denen ich sehr viel mitund gegen den Prinzen Friedrich Karl gefochten habe.Der Prinz erwarb sich damals so manchen ersten Preis.So im Wettlauf, Fußballspiel usw. gegen mich, der ich

meinen Körper doch nicht so in der Vollendung trainierthatte wie er.

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Ein t r i t t i n d i e A r mee  

(Ostern 1911)

Natürlich konnte ich es kaum erwarten, in die Armeeeingestellt zu werden. Ich ging deshalb bereits nachmeinem Fähnrichexamen an die Front und kam zumUlanenregiment Nr. 1 „Kaiser Alexander III.“. Ich hatte

mir dieses Regiment ausgesucht; es lag in meinemlieben Schlesien, auch hatte ich da einige Bekannte undVerwandte, die mir sehr dazu rieten.

Der Dienst bei meinem Regiment gefiel mir ganzkolossal. Es ist eben doch das schönste für einen jungenSoldaten, „Kavallerist“ zu sein.

Über meine Kriegsschulzeit kann ich eigentlich wenigsagen. Sie erinnerte mich zu sehr an das Kadettenkorpsund ist mir infolgedessen in nicht allzu angenehmerErinnerung.

Eine spaßige Sache erlebte ich. Einer meinerKriegsschullehrer kaufte sich eine ganz nette dicke

Stute. Der einzige Fehler war, sie war schon etwas alt.Er kaufte sie für fünfzehn Jahre. Sie hatte etwas dickeBeine. Sonst aber sprang sie ganz vortrefflich. Ich habesie oft geritten. Sie ging unter dem Namen „Biffy“.

Etwa ein Jahr später beim Regiment erzählte mir meinRittmeister v. Tr., der sehr sportliebend war, er habe sich

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ein ganz klobiges Springpferd gekauft. Wir waren allesehr gespannt auf den „klobigen Springer“ der denseltenen Namen „Biffy“ trug. Ich dachte nicht mehr an

die alte Stute meines Kriegsschullehrers. Eines schönenTages kommt das Wundertier an, und nun soll man sichdas Erstaunen vorfallen, daß die gute alte „Biffy“ alsachtjährig in dem Stall v. Tr.s sich wieder einfand. Siehatte inzwischen einige Male den Besitzer gewechseltund war im Preise sehr gestiegen. Mein

Kriegsschullehrer hatte sie für fünfzehnhundert Markgekauft, und v. Tr. hatte sie nach einem Jahre alsachtjährig für dreitausendfünfhundert Mark erworben.Gewonnen hat sie keine Springkonkurrenz mehr, abersie hat wieder einen Abnehmer gefunden - und ist gleichzu Beginn des Krieges gefallen.

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Ers te Of f i z iers arb ei t

(Herbst 1912)

Endlich bekam ich die Epanlettes. So ungefähr dasstolzeste Gefühl, was ich je gehabt habe, mit einemMale „Herr Leutnant“ angeredet zu werden.

Mein Vater kaufte mir eine sehr schöne Stute,

„Santuzza“ genannt. Sie war das reinste Wundertier undunverwüstlich. Ging vor dem Zuge wie ein Lamm.Allmählich entdeckte ich in ihr ein großesSpringvermögen. Sofort war ich dazu entschlossen, ausder guten braven Stute ein Springpferd zu machen. Siesprang ganz fabelhaft. Ein Koppelrick von einem Meter

sechzig Zentimeter habe ich mit ihr selbst gesprungen.Ich fand große Unterstützung und viel Verständnis bei

meinem Kameraden von Wedel, der mit feinemChargenpferd „Fandango“ so manschen schönen Preisdavongetragen hatte.

So trainierten wir beide für eine Springkonkurrenz und

einen Geländeritt in Breslau. „Fandango“ machte sichglänzend, „Santuzza“ gab sich große Mühe und gifteteauch Gutes. Ich hatte Aussichten, etwas mit ihr zuschaffen. Am Tage, bevor sie verladen wurde, konnteich es mir nicht verkneifen, nochmals alle Hindernisse inunserem Springgarten mit ihr zu nehmen. Dabei

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schlitterten wir hin. „Santuzza“ quetschte sich etwas ihreSchulter, und ich knackste mir mein Schlüsselbein an.

Von meiner guten dicken Stute „Santuzza“ verlangte

ich im Training auch Leistungen auf Geschwindigkeitund war sehr erstaunt, als von Wedels Vollblüter sieschlug.

Ein andermal hatte ich das Gluck, bei der Olympiadein Breslau einen sehr schönen Fuchs zu reiten. DerGeländeritt fing an, und mein Wallach war im zweiten

Drittel noch ganz und munter, so daß ich Aussichten aufErfolg hatte. Da kommt das letzte Hindernis. Ich sahschon von weitem, daß dies etwas ganz Besonderessein mußte, da sich eine Unmenge Volks dortangesammelt hatte. Ich dachte mir: „Nur Mut, die Sachewird schon schief gehen!“ und kam in windender Fahrt

den Damm heraufgesaust, auf dem ein Koppelrickstand. Das Publikum winkte mir immer zu, ich sollte nichtso schnell reiten, aber ich sah und hörte nichts mehr.Mein Fuchs nimmt das Koppelrick oben auf dem Damm,und zu meinem größten Erstaunen geht's auf deranderen Seite in die Weistritz. Ehe ich mich versah,bringt das Tier in einem Riesensatz den Abhangherunter, und Roß und Reiter verschwinden in denFluten. natürlich gingen wir „über Kopf“. „Felix“ kam aufdieser Seite raus und Manfred auf der anderen. Beimzurückliegen nach Schluß des Geländerittes stellte man

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mit großem Erstaunen fest, daß ich nicht die üblichenzwei Pfund abgenommen hatte, sondern zehn Pfundschwerer geworden war. Daß ich glitschnaß war, sah

man mir Gott sei Dank nicht an.Ich besaß auch einen sehr guten Charger, und dieses

Unglückstier mußte alles machen. Rennen laufen,Geländeritte, Springkonkurrenzen, vor dem Zuge gehen,kurz und gut, es gab keine Übung, in der das gute Tiernicht ausgebildet war. Das war meine brave „Blume“.

Auf ihr hatte ich sehr nette Erfolge. Mein letzter ist der imKaiserpreis-Ritt 1913. Ich war der einzige, der dieGeländestrecke ohne Fehler überwunden hatte. Mirpassierte dabei eine Sache, die nicht so leicht nachgemacht werden wird. Ich galoppierte über eine Heideund stand plötzlich Kopf. Das Pferd war in ein

Karnickelloch getreten, und ich hatte mir beim Sturz dasSchlüsselbein gebrochen. Damit war ich noch siebzigKilometer geritten, hatte dabei keinen Fehler gemachtund die Zeit innegehalten.

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K r iegs aus b r uc h  

In allen Zeitungen stand weiter nichts als dickeRomane über den Krieg. Aber seit einigen Monaten warman ja schon an das Kriegsgeheul gewöhnt. Wir hattenschon so oft unseren Dienstkoffer gepackt, daß man esschon langweilig fand und nicht mehr an einen Kriegglaubte. Am wenigsten aber glaubten wir an einen Krieg,

die wir die ersten an der Grenze waren, das ,,Auge derArmee“, wie seinerzeit mein Kommandierender unsKavalleriepatrouillen bezeichnet hatte.

Am Vorabend der erhöhten Kriegsbereitschaft saßenwir bei der detachierten Schwadron, zehn Kilometer vonder Grenze entfernt in unserem Kasino, aßen Austern,

tranken Sekt und spielten ein wenig. Wir waren sehrvergnügt. Wie gesagt, an einen Krieg dachte keiner.

Wedels Mutter hatte uns zwar schon einige Tagezuvor etwas stutzig gemacht; sie war nämlich ausPommern erschienen, um ihren Sohn vor dem Kriegenoch einmal zu sehen. Da sie uns in angenehmster

Stimmung fand und feststellen mußte, daß wir nicht anKrieg dachten, konnte sie nicht umhin, uns zu einemanständigen Frühstück einzuladen.

Wir waren gerade sehr ausgelassen, als sich plötzlichdie Tür öffnete und Graf Kospoth, der Landrat von Öls,

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auf der Schwelle stand. Der Graf machte einentgeistertes Gesicht.

Wir begrüßten den alten Bekannten mit einem Hallo!

Er erklärte uns den Zweck seiner Reise, nämlich, daß ersich an der Grenze persönlich überzeugen wolle, wasvon den Gerüchten von dem nahen Weltkrieg stimme. Ernahm ganz richtig an, die an der Grenze müßten eseigentlich am ehesten wissen. Nun war er ob desFriedensbildes nicht wenig erstaunt. Durch ihn erfuhren

wir, daß sämtliche Brücken Schlesiens bewacht wurdenund man bereits an die Befestigung von einzelnenPlätzen dachte.

Schnell überzeugten wir ihn, daß ein Kriegausgeschlossen sei, und feierten weiter.

Am nächsten Tage rückten wir ins Feld.

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Übersch re i ten der Grenze  

Das Wort „Krieg“ war uns Grenzkavalleristen zwargeläufig. Jeder wußte haarklein, was er zu tun und zulassen hatte. Keiner hatte aber so eine rechteVorstellung, was sich nun zunächst abspielen würde.Jeder aktive Soldat war selig, nun endlich seinePersönlichkeit und sein Können zeigen zu dürfen.

Uns jungen Kavallerieleutnants war wohl dieinteressanteste Tätigkeit zugedacht: aufklären, in denRücken des Feindes gelangen, wichtige Anlagenzerstören; alles Aufgaben, die einen ganzen Kerlverlangen.

Meinen Auftrag in der Tasche, von dessen Wichtigkeit

ich mich durch langes Studium schon seit einem Jahreüberzeugt hatte, ritt ich nachts um zwölf Uhr an derSpitze meiner Patrouille zum erstenmal gegen denFeind.

Die Grenze bildete ein Fluß, und ich konnte erwarten,daß ich dort zum erstenmal Feuer bekommen würde. Ich

war ganz erstaunt, wie ich ohne Zwischenfall die Brückepassieren konnte. Ohne weitere Ereignisse erreichtenwir den mir von Grenzritten her wohlbekanntenKirchturm des Dorfes Kielcze am nächsten Morgan.

Ohne von einem Gegner etwas gemerkt zu habenoder vielmehr besser ohne selbst bemerkt worden zu

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sein, war alles verlaufen. Wie sollte ich es anstellen, daßmich die Dorfbewohner nicht bemerkten? Mein ersterGedanke war, den Popen hinter Schloß und Riegel zu

setzen. So holten wir den vollkommen überraschten undhöchst verdutzten Mann aus seinem Hause. Ich sperrteihn zunächst mal auf dem Kirchturm ins Glockenhausein, nahm die Leiter weg und ließ ihn oben sitzen. Ichversicherte ihm, daß, wenn auch nur das geringstefeindselige Verhalten der Bevölkerung sich bemerkbar

machen sollte, er sofort ein Kind des Todes sein würde.Ein Posten hielt Ausschau vom Turm und beobachtetedie Gegend.

Ich hatte täglich durch Patrouillenreiter Meldungen zuschicken. So löste sich bald mein kleines Häuflein anMeldereitern auf, so daß ich schließlich den letzten

Melderitt als Überbringer selbst übernehmen mußte.Bis zur fünften Nacht war alles ruhig geblieben. Indieser kam plötzlich der Poften zu mir zum Kirchturmgelaufen - denn in dessen Nähe hatte ich meine Pferdehingestellt - und rief mir zu: „Kosaken sind dal“ Es warpechfinster, etwas Regen, keine Sterne. Man sah dieHand nicht vor den Augen.

Wir führten die Pferde durch eine schon vorhervorsichtshalber durch die Kirchhofsmauergeschlagene Bresche auf das freie Feld. Dort war maninfolge der Dunkelheit nach fünfzig Metern in

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vollständiger Sicherheit. Ich selbst ging mit dem Posten,den Karabiner in der Hand, nach der bezeichnetenStelle, wo die Kosaken fein sollten.

Ich schlich an der Kirchhofsmauer entlang und kam andie Straße. Da wurde mir doch etwas anders zumute,denn der ganze Dorfausgang wimmelte von Kosaken.Ich guckte über die Mauer, hinter der die Kerle ihrePferde stehen hatten. Die meinen hatten Blendlaternenund benahmen sich sehr unvorsichtig und laut. Ich

schätzte sie auf etwa zwanzig bis dreißig. Einer warabgesessen und zum Popen gegangen, den ich amTage vorher aus der Haft entlassen hatte.

Natürlich Verrat! zuckte es mir durchs Gehirn. Alsodoppelt aufpassen. Auf einen Kampf konnte ich es nichtmehr ankommen lassen, denn mehr als zwei Karabiner

hatte ich nicht zur Verfügung. Also spielte ich „Räuberund Gendarm“.Nach einigen Stunden Rast ritten die Besucher wieder

von dannen.Am nächsten Morgen zog ich es vor, jetzt aber doch

einen kleinen Quartierwechsel vorzunehmen. Amsiebenten Tage war ich wieder in meiner Garnison undwurde von jedem Menschen angestarrt, als sei ich einGespenst. Das kam nicht etwa wegen meinesunrasierten Gesichts, Sondern vielmehr weil sichGerüchte verbreitet hatten, Wedel und ich seien beiKalisch gefallen. Man wußte Ort, Zeit und nähere

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Umstände so haargenau zu erzählen, daß sich dasGerücht schon in ganz Schlesien verbreitet hatte. Selbstmeiner Mutter hatte man bereits Kondolenzbesuche

gemacht.Es fehlte nur noch, daß eine Todesanzeige in der

Zeitung stand.

*

Eine komische Geschichte ereignete sich zur selbenZeit. Ein Pferdedoktor bekam den Auftrag, mit zehnUlanen Pferde aus einem Gehöft zu requirieren. Es lagetwas abseits, etwa drei Kilometer. Ganz erregt kam ervon seinem Auftrag zurück und berichtete selberfolgendes:

„Ich reite über ein Stoppelfeld, auf dem die Puppenstehen, worauf ich plötzlich in einiger Entfernungfeindliche Infanterie erkenne. Kurz entschlossen zieheich den Säbel, rufe meinen Ulanen zu: ‚Lanze gefällt, zurAttache, marsch, marsch, hurra!’ Den beuten macht esSpaß, es beginnt ein wildes Hetzen über die Stoppeln.Die feindliche Infanterie entpuppt sich aber als ein RudelRehe, die ich in meiner Kurzsichtigkeit verkannt habe.“

Noch lange hatte der tüchtige Herr unter seinerAttacke zu leiden.

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Nach Frank r eic h  

In meinem Garnisonsort wurden wir nun verladen.Wohin? - Keine Ahnung, ob West, Ost, Süd, Nord.

Gemunkelt wurde viel, meistens aber vorbei. Aber indiesem Fall hatten wir wohl den richtigen Riecher:Westen.

Uns stand zu viert ein Abteil zweiter Klasse zur

Verfügung. Man mußte sich auf eine lange Bahnfahrtverproviantieren. Getränke fehlten natürlich nicht. Aberschon am ersten Tage merkten wir, daß so ein Abteilzweiter Klasse doch verflucht eng ist für vier kriegsstarkeJünglinge, und so zogen wir denn vor, uns etwas mehrzu verteilen. Ich richtete mir die eine Hälfte eines

Packwagens zur Wohn- und Schlafstätte ein und hattedamit ganz entschieden etwas Gutes getan. Ich hatteLuft, Licht usw. Stroh hatte ich mir in einer Stationverschafft, die Zeltbahn wurde darauf gedeckt. Ichschlief in meinem Schlafwagen so fest, als läge ich inOstrowo in meinem Familienbett. Die Fahrt ging Tag und

Nacht, erst durch ganz Schlesien, Sachsen, immer mehrgen Westen. Wir hatten scheinbar Richtung Metz selbstder Transportführer wußte nicht, wo es hinging. Auf jeder Station, auch da, wo wir nicht hielten, stand einMeer von Menschen, die uns mit Hurra und Blumen

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überschütteten. Eine wilde Kriegsbegeisterung lag imdeutschen Volk; das merkte man. Die Ulanen wurdenbesonders angestaunt. Der Zug, der vorher durch die

Station geeilt war, mochte wohl verbreitet haben, daß wirbereits am Feinde gewesen waren - und wir hatten erstacht Tage Krieg. Auch hatte im ersten Heeresberichtbereits mein Regiment Erwähnung gefunden.Ulanenregiment 1 und das Infanterieregiment 155eroberten Kalisch. Wir waren also die gefeierten Helden

und kamen uns auch ganz als solche vor. Wedel hatteein Kosakenschwert gefunden und zeigte dies denerstaunten Mädchen. Das machte großen Eindruck. Wirbehaupteten natürlich, es klebte Blut daran, unddichteten dem friedlichen Schwert einesGendarmeriehäuptlings ein ganz ungeheures Märchen

an. Man war doch schrecklich ausgelassen. Bis wirschließlich in Busendorf bei Dedenhofen ausgeladenwurden.

Kurz bevor der Zug ankam, hielten wir in einemlangen Tunnel. Ich muß sagen, es ist schonungemütlich, in einem Tunnel in Friedenszeiten plötzlichzu halten, besonders aber im Kriege.

Nun erlaubte sich ein Übermütiger einen Scherz undgab einen Schuß ab. Es dauerte nicht lange, so fing indiesem Tunnel ein wüstes Geschieße an. Daß keinerverletzt wurde, ist ein Wunder. Was die Ursache dazuwar, ist nie herausgekommen.

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In Busendorf wurde ausgeladen. Es war eine derartigeHitze, daß uns die Pferde umzufallen drohten. Dienächsten Tage marschierten wir immer nach Norden,

Richtung Luxemburg. Mittlerweile hatte ichherausgekriegt, daß mein Bruder vor etwa acht Tagendieselbe Strecke mit einer Kavalleriedivision gerittenwar. Ich konnte ihn sogar noch einmal fährten, gesehenhabe ich ihn erst ein Jahr später.

In Luxemburg wußte kein Mensch, wie sich dieses

Ländchen gegen uns verhielt. Ich weiß noch wie heute,wie ich einen Luxemburger Gendarm von weitem sah,ihn mit meiner Patrouille umzingelte undgefangennehmen wollte. Er versicherte mir, daß, wennich ihn nicht umgehend losließe, er sich beim DeutschenKaiser beschweren würde. Das sah ich denn auch ein

und ließ den Helden wieder laufen. So kamen wir durchdie Stadt Luxemburg und Esch durch, und man nähertesich jetzt bedenklich den ersten befestigten StädtenBelgiens.

Auf dem Hinmarsch machte unsere Infanterie, wieüberhaupt unsere ganze Division, die reinenFriedensmanöver. Man war schrecklich aufgeregt. Aberso ein Manöver-Vorpostenbild war einem ab und zuganz bekömmlich. Sonst hätte man ganz bestimmt überdie Stränge geschlagen. Rechts und links, auf jederStraße, vor und hinter uns marschierten Truppen vonvermiedenen Armeekorps. Man hatte das Gefühl eines

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 wüsten Durcheinanders. Plötzlich wurde aus demKuddelmuddel ein großartig funktionierender Aufmarsch.

Was unsere Flieger damals leiteten, ahnte ich nicht.

Mich versetzte jedenfalls jeder Flieger in einen ganzungeheuren Schwindel. Ob es ein deutscher war oderein feindlicher, konnte ich nicht sagen. Ich hatte ja nichteinmal eine Ahnung, daß die deutschen ApparateKreuze trugen und die feindlichen Kreise. Folglich wurde jeder Flieger unter Feuer genommen. Die alten Piloten

erzählen heute noch immer, wie peinlich es ihnengewesen sei, von Freund und Feind gleichmäßigbeschossen zu werden.

Wir marschierten und marschierten, die Patrouillenweit voraus, bis wir eines schönen Tages bei Arlonwaren. Es überlief mich ganz spaßig den Buckel 'runter,

wie ich zum zweitenmal die Grenze überschritt. DunkleGerüchte von Franktireurs und dergleichen waren mirbereits zu Ohren gekommen.

*

Ich hatte einmal den Auftrag, die Verbindung mitmeiner Kavalleriedivision aufzunehmen. Ich habe andiesem Tage nicht wenige als hundertzehn Kilometer mitmeiner gesamten Patrouille geritten. Nicht ein Pferd warkaputt, eine glänzende Leitung meiner Tiere. In Arlonbesieg ich nach den Grundsätzen der Taktik des

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Friedens den Kirchturm, sah natürlich nichts, denn derböse Feind war noch weitab.

Man war damals noch ziemlich harmlos. So hatte ich

z. B. meine Patrouille vor der Stadt stehenlassen undwar ganz allein mit einem Rad mitten durch die Stadtzum Kirchturm gefahren. Wie ich wieder 'runterkam,stand ich inmitten einer murrenden und murmelndenMenge feindselig blickender Jünglinge. Mein Rad warnatürlich geklaut, und ich konnte nun eine halbe Stunde

lang zu Fuß laufen. Aber das machte mir Spaß. Ich hätteso eine kleine Rauferei ganz gern gemocht. Ich fühltemich mit meiner Pistole in der Hand ganz kolossalsicher.

Die Einwohner hatten sich, wie ich später erfahrenhabe, sowohl einige Tage vorher gegen unsere

Kavallerie als auch später gegen unsere Lazarette sehraufrührerisch benommen, und man hatte eine ganzeMenge dieser Herren an die Wand stellen müssen.

*

Am Nachmittag erreichte ich mein Ziel und erfuhr dort,daß drei Tage vorher, ganz in der Gegend von Arlon,mein einziger Vetter Richthofen gefallen war. Ich bliebden Rest des Tages bei der Kavalleriedivision, machtedort noch einen blinden Alarm mit und kam nachts spätbei meinem Regiment an.

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Man erlebte und eben mehr als die anderen, man wareben doch schon mal am Feind gewesen, hatte mit demFeinde zu tun gehabt, hatte die Spuren des Krieges

gesehen und wurde von jedem einer anderen Waffebeneidet. Es war doch zu schön, wohl doch meineschönste Zeit im ganzen Kriege. Den Kriegsanfangmöchte ich wieder mal mitmachen.

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Wie i ch au f Pat r ou i l l e zumers t enma l d i e Kugeln p fe i fen hö r te

(21./22. August 1914)

Ich hatte den Auftrag, festzustellen, wie stark dieBesetzung eines großen Waldes bei Verton wohl seinmochte. Ich ritt mit fünfzehn Ulanen los und war mir klar:

Heute gibt es den ersten Zusammenstoß mit demFeinde. Mein Auftrag war nicht leicht, denn in so einemWalde kann furchtbar viel stecken, ohne daß man essieht.

Ich kam über eine Höhe. Wenige hundert Schritte vormir lag ein riesiger Waldkomplex von vielen tausend

Morgen. Es war ein schöner Augustmorgen. Der Waldlag so friedlich und ruhig, daß man eigentlich gar keinekriegerischen Gedanken mehr spürte.

Jetzt näherte sich die Spitze dem Eingang desWaldes. Durch das Glas konnte man nichtsVerdächtiges feststellen, man mußte also heranreiten

und abwarten, ob man Feuer bekäme. Die Spitzeverschwand im Waldweg. Ich war der nächste, nebenmir ritt einer meiner tüchtigsten Ulanen. Am Eingang desWaldes war ein einsames Waldwärterhäuschen. Wirritten daran vorbei. Mit einemmal fiel ein Schuß auseinem Fenster des Hauses. Gleich darauf noch einer.

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Am Knall erkannte ich sofort, daß es kein Büchsenschußwar, sondern daß er von einer Flinte herrührte. Zurgleichen Zeit sah ich auch Unordnung in meiner

Patrouille und vermutete gleich einen Überfall durchFranktireurs. Von den Pferden 'runter und das Hausumstellen war eins. In einem etwas dunkeln Raumerkannte ich vier bis fünf Burschen mit feindseligenAugen. Eine Flinte war natürlich nicht zu sehen. MeineWut war groß in diesem Augenblick; aber ich hatte noch

nie in meinem Leben einen Menschen getötet, und somuß ich sagen, war mir der Moment äußerstunbehaglich. Eigentlich hätte ich den Franktireur wie einStück Vieh 'runterknallen müssen. Er hatte mit demSchuß eine Ladung Schrot in den Bauch eines meinerPferde gejagt und einen meiner Ulanen an der Hand

verletzt.Mit meinem kümmerlichen Französisch schrie ich dieBande an und drohte, wenn sich der Schuldige nichtumgehend melden würde, sie allesamt über den Haufenzu schießen. Sie merkten, daß es mir Ernst war, unddaß ich nicht zaudern würde, meinen Worten die Tatfolgen zu lassen. Wie es nun eigentlich kam, weiß ichheute selbst nicht mehr. Jedenfalls waren dieFreischützen mit einemmal aus der Hintertür heraus undvom Erdboden verschwunden. Ich schoß noch hinterher,ohne zu treffen. Zum Glück hatte ich das Haus umstellt.so daß sie mir eigentlich nicht entwischen konnten.

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Sofort ließ ich das Haus nach ihnen durchstöbern, fandaber keinen mehr. Mochten nun die Poften hinter demHaus nicht ordentlich aufgepaßt haben, jedenfalls war

die ganze Bude leer. Wir fanden noch die Schrotspritzeam Fenster stehend und mußten uns auf andere Weiserächen. In fünf Minuten stand das ganze Haus inFlammen.

Nach diesem Intermezzo ging es weiter.An frischen Pferdespuren erkannte ich, daß

unmittelbar vor uns starke feindliche Kavalleriemarschiert sein mußte. Ich hielt mit meiner Patrouille,feuerte sie durch ein paar Worte an und hatte dasGefühl, daß ich mich auf jeden meiner Kerls unbedingtverlassen konnte. Jeder, so wußte ich, würde feinenMann in den nächsten Minuten stehen. Natürlich dachte

keiner an etwas anderes als an eine Attacke. Es liegtwohl im Blute eines Germanen, den Gegner, wo man ihnauch trifft, über den Haufen zu rennen, besondersnatürlich feindliche Kavallerie. Schon sah ich mich ander Spitze meines Häufleins eine feindliche Schwadronzusammenhauen und war ganz trunken vor freudigerErwartung. Meinen Ulanen blitzten die Augen. So ginges dann in flottem Trab auf der frischen Spur weiter.Nach einstündigem scharfem Ritt durch die schönsteBergschlucht wurde der Wald etwas lichter, und wirnäherten uns dem Ausgang. Daß ich damit auf denFeind stoßen würde, war mir klar. Also Vorsicht! bei

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allem Attackenmut, der mich beseelte. Rechts von demschmalen Pfad war eine viele Meter hohe, steileFelsenwand. Zu meiner Linken war ein schmaler

Gebirgsbach, dann eine Wiese von fünfzig MeternBreite, eingefaßt von Stacheldrähten. Mit einem Malehörte die Pferdespur auf und verschwand über eineBrücke in den Büschen. Meine Spitze hielt, denn vor unswar der Waldausgang durch eine Barrikade versperrt.

Sofort war es mir klar, daß ich in einen Hinterhalt

geraten war. Ich erkannte plötzlich Bewegung imBuschwerk hinter der Wiese zu meiner Linken undkonnte abgesessene feindliche Kavallerie erkennen. Ichschätzte sie auf eine Stärke von hundert Gewehren. Hierwar nichts zu wollen. geradeaus war der Weg durch dieBarrikade versperrt, rechts waren die Felswände, links

hinderte mich die mit Draht eingefaßte Wiese anmeinem Vorhaben, der Attacke. Zum Absitzen, um denGegner mit Karabinern anzugreifen, war keine Zeitmehr. Also blieb nichts anderes übrig, als zurück. Alleshätte ich meinen guten Ulanen zutrauen können, bloßkein Ausreißen vor dem Feinde. - Das sollte somanchem den Spaß verderben, denn eine Sekundespäter knallte der erste Schuß, dem ein rasendesSchnellfeuer aus dem Walde drüben folgte. DieEntfernung betrug etwa fünfzig bis hundert Meter. Die

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Leute waren instruiert, daß sie, im Falle ich die Handhob, schnell zu mir stoßen sollten. Nun wußte ich, wirmußten zurück, hob den Arm und winkte meinen Leuten

zu. Das mögen sie wohl falsch verbanden haben. MeinePatrouille, die ich zurückgelassen hatte, glaubte mich inGefahr und kam in wildem Karacho herangebraust, ummich herauszuhauen. Alles das spielte sich auf einemschmalen Waldweg ab, so daß man sich wohl dieSchweinerei vorstellen kann, die sich nun ereignete.

Meinen beiden Spitzenreitern gingen die Pferde infolgedes rasenden Feuers in der engen Schlucht, wo der Laut jedes Schusses sich verzehnfachte, durch, und ich sahsie bloß die Barrikade mit einem Sprung nehmen. Vonihnen habe ich nie wieder etwas gehört. Gewiß sind siein Gefangenschaft. Ich selbst machte kehrt und gab

meinem guten „Antithesis“, wohl zum erstenmal inseinem Leben, die Sporen. Meinen Ulanen, die mirentgegengebraust kamen, konnte ich nur mit Mühe undNot zu erkennen geben, nicht weiter vorzukommen.Kehrt und davon! Neben mir ritt mein Bursche. Plötzlichstürzte sein Pferd getroffen, ich sprang darüber hinweg,um mich herum wälzten sich andere Pferde. Kurz undgut, es war ein wüstes Durcheinander. Von meinemBurschen sah ich nur noch, wie er unter dem Pferd lag,scheinbar nicht verwundet, aber durch das auf ihmliegende Pferd gefesselt. Der Gegner hatte uns

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Pat r ou i l l en r i t t m i t Loen  

Die Schlacht von Virton war im Gange. Mein KameradLoen und ich hatten wieder einmal durch eine Patrouillefestzustellen, wo der Feind geblieben war. Den ganzenTag ritten wir hinter dem Feinde her, erreichten ihnschließlich und konnten eine ganz ordentliche Meldungverfassen. Abends war nun die große Frage. Wollen wir

die Nacht durchreiten, um zu unserer Truppezurückzukommen, oder unsere Kräfte schonen und unsfür den nächsten Tag ausruhend Das ist ja gerade dasSchöne, daß der Kavalleriepatrouille vollständig freiesHandeln überladen sein muß.

So entschlossen wir uns, die Nacht am Feinde zu

bleiben und am nächsten Morgen weiterzureiten.Unseren strategischen Blicken nach war der Gegner aufRückmarsch, und wir drängten ihm nach. Folglichkonnten wir die Nacht mit ziemlicher Ruhe verbringen.

Gar nicht weit vom Gegner lag ein wunderbaresKloster mit großen Ställen, so daß wir sowohl Loen als

auch meine Patrouille einquartieren konnten. Allerdingssaß der Gegner gegen Abend, wie wir dort unterzogen,noch so nahe dran, daß er uns mit Gewehrkugeln dieFensterscheiben hätte einschießen können.

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 Die Mönche waren überaus liebenswürdig. Sie gaben

uns zu essen und zu trinken, so viel wir haben wollten,

und wir ließen es uns gut schmecken. Die Pferdewurden abgesattelt und waren auch ganz froh, wie sienach drei Tagen und drei Nächten zum erstenmal ihreachtzig Kilo totes Gewicht von ihren Rücken loswurden.Mit anderen Worten, wir richteten uns so ein, als ob wirim Manöver bei einem lieben Gastfreund zu Abend

wären. Nebenbei bemerkt. hingen drei Tage daraufmehrere von den Gastgebern an dem Laternenpfahl, dasie es sich nicht hatten verkneifen können, sich an demKrieg zu beteiligen. Aber an dem Abend waren siewirklich überaus liebenswürdig. Wir krochen inNachthemden in unsere Betten, füllten einen Posten auf

und ließen den lieben Herrgott einen guten Mann sein.Nachts reißt plötzlich jemand die Tür auf, und dieStimme des Postens ertönt: „Herr Leutnant, dieFranzofen sind da.“ Ich war zu verschlafen, umüberhaupt Antwort geben zu können. Loen ging es soähnlich, und er stellte nur die geistreiche Frage: „Wievielsind es denn?“ Die Antwort des Postens, sehr aufgeregt:„Zwei haben wir schon totgeschossen, wieviel es sind,können wir nicht sagen, denn es ist stockfinster.“ Ichhöre Loen noch ganz verschlafen antworten: „Wenn alsomehr kommen, dann weckst du mich.“ Eine halbe Minutespäter schnarchten wir weiter.

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Am nächsten Morgen stand die Sonne schon rechthoch, als wir von unserem gesunden Schlaf erwachten.Nach einem reichlichen Frühstück ging die Reise

wieder los.Tatsächlich waren nachts an unserem Schloß die

Franzosen vorbeimarschiert, und unsere Poften hattenwährend dieser Zeit einen Feuerüberfall auf siegemacht. Da es aber stockfinster war, hatte sich keinegrößere Schlacht daraus entspinnen können.

Bald ging's in einem munteren Tal weiter. Wir rittenüber das alte Schlachtfeld unserer Division und stelltenmit Erstaunen fest, daß statt unserer Leute nurfranzösische Sanitäter zu sehen waren. FranzösischeSoldaten sah man auch noch ab und zu. Sie machtenaber ebenso dumme Gesichter wie wir. An Schießen

hatte keiner gedacht. Wir machten uns dann möglichstrasch dünne; denn wir kamen so sachte dahinter, daßwir, statt vorwärts zu gehen, uns etwas rückwärtskonzentriert hatten. Zum Glück war der Gegner nach deranderen Seite ausgerissen, sonst säße ich jetztirgendwo in Gefangenschaft.

Wir kamen durch das Dorf Robelmont, wo wir amTage zuvor unsere Infanterie zum letztenmal in Stellunggesehen hatten. Dort trafen wir einen Einwohner undfragten ihn nach dem Verbleib unserer Soldaten. Er warsehr glücklich und versicherte mir, die Deutschen wären„partis“.

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Wir kamen um eine Ecke und waren Zeugen vonfolgendem komischem Bilde. Vor uns wimmelte es vonroten Hosen - ich schätzte etwa fünfzig bis hundert -, die

eifrigst bemüht waren, an einem Eckstein ihre Gewehrezu zerschlagen. Daneben stehen sechs Grenadiere, die,wie es sich herauf stellte, die Brüdergefangengenommen hatten. Wir halfen ihnen noch, dieFranzofen abzutransportieren, und erfuhren durch diesechs Grenadiere, daß wir nachts eine rückwärtige

Bewegung angetreten hatten.Am späten Nachmittag erreichte ich mein Regiment

und war ganz zufrieden mit dem Verlauf der letztenvierundzwanzig Stunden.

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Langewei l e vo r Verd un  

Für einen so unruhigen Geist, wie ich einer bin, warmeine Tätigkeit vor Verdun durchaus mit „langweilig“ zubezeichnen. Anfangs lag ich selbst im Schützengrabenan einer Stelle, wo nichts los war. dann wurde ichOrdonnanzoffizier und glaubte, nun mehr zu erleben. Dahatte ich mich aber arg in die Finger geschnitten. Ich

wurde vom Kämpfenden zum besseren Etappenschweindegradiert. So ganz Etappe war es noch nicht, aber dasWeiteste, was ich mich vorwagen durfte, warfünfzehnhundert Meter hinter die vordere Linie. Dort saßich wochenlang unter der Erde in einembombensicheren, geheizten Unterstand. Ab und zu

wurde ich mit nach vorn genommen. Das war eine großekörperliche Anstrengung. Denn man ging bergauf,bergab, die Kreuz und die Quer', durch unendlich vieleAnnäherungsgräben und Schlammlöcher hindurch, bisman dann endlich vorn dort angekommen war, wo esknallte. Bei einem so kurzen Besuch bei den

Kämpfenden kam ich mir immer sehr dumm vor mitmeinen gesunden Knochen.Man fing damals an, unter der Erde zu arbeiten. Wir

waren uns noch gar nicht klar darüber, was es eigentlichheißt, einen Stollen bauen oder eine Sappe vorschieben.

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Man kannte die Namen zwar aus der Befestigungslehrevon der Kriegsschule her, aber das war nun malPionierarbeit, mit der sich ein anderer Sterblicher nicht

gern beschäftigt hätte. Aber dort vorn an der Combres-Höhe buddelte alles emsig. Jeder hatte ein Grabscheitund eine Hacke und gab sich unendliche Mühe,möglichst tief in die Erde hineinzukommen. Es war ganzspaßig, die Franzosen an manchen Stellen nur auf fünfSchritt vor sich zu haben. Man hörte den Kerl sprechen,

man sah ihn Zigaretten rauchen, ab und zu warf er einStück Papier herüber. Man unterhielt sich mit ihnen, undtrotzdem suchte man sich auf alle möglichen Artenanzuärgern (Handgranaten).

Fünfhundert Meter vor und fünfhundert Meter hinterden Gräben war der dichte Wald der Cote Lorraine

abgemäht durch die unendlich vielen Gewehrkugeln undGranaten, die dort ständig durch die Luft sausten. Manwürde nicht glauben, daß dort vorn überhaupt noch einMensch leben könnte. Die Truppe vorne empfand es garnicht mal so schlimm wie die Etappenleute.

Nach so einem Spaziergang, der meistenteils in denallerzeitigsten Morgenstunden stattfand, fing für michwieder der langweiligere Teil des Tages an, nämlichTelephonordonnanz zu spielen.

*

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An meinen freien Tagen beschäftigte ich mich mitmeinem Lieblingshandwerk, dem Jagen. Der Wald vonLa Chaussee bot mir dazu reichlich Gelegenheit. Ich

hatte bei meinen Spazierritten Sauen gespürt und warnun damit beschäftigt, diese ausfindig zu machen undmich nachts anzuschleichen. Schöne Vollmondnächtemit Schnee kamen mir zu Hilfe. Ich baute mir mit Hilfemeines Burschen Hochsitze an ganz bestimmtenWechseln und besieg diese nachts. Da habe ich so

manche Nacht auf Bäumen zugebracht und wurdemorgens als Eiszapfen wieder vorgefunden. Aber eshatte sich gelohnt. Besonders eine Sau war interessant,sie kam jede Nacht durch den See geschwommen,brach an einer bestimmten Stelle in einen Kartoffelackerund schwamm dann wieder zurück. Es reizte mich

natürlich besonders, dieses Tier näher kennenzulernen.So setzte ich mich denn an dem Ufer dieses Sees an.Wie verabredet, erschien die alte Tante um Mitternacht,um sich ihr Nachtmahl zu holen. Ich schoß, während sienoch im See schwamm, traf, und das Tier wäre mirbeinahe versoffen, wenn ich nicht noch im letztenMoment hätte zugreifen können, um sie an einem Lauffestzuhalten.

Ein andermal ritt ich mit meinem Burschen in einerganz schmalen Schneise, da wechseln vor mir mehrereStück Schwarzwild über sie. Ich schnell 'runter, denKarabiner meines Burschen ergriffen und einige hundert

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 Schritt vorgelaufen. Tatsächlich, da kam noch ein Kerl,und zwar ein mächtiger Keiler. Ich hatte noch nie einenKeiler gesehen und war nun sehr erstaunt, wie

riesenhaft dieser Kerl aussah. Jetzt hängt er als Trophäehier in meinem Zimmer; er ist eine schöne Erinnerung.

*

So hatte ich es schon einige Monate ausgehalten, da

kam eines schönen Tages etwas Bewegung in unserenLaden. Wir beabsichtigten eine kleine Offensive anunserer Front. Ich freute mich mächtig, denn nun mußte ja doch eigentlich der Ordonnanzoffizier zu seinemOrdonnanzieren kommen. Aber Kuchen! Es wurde miretwas ganz anderes zugedacht, und dieses schlug dem

Faß den Boden aus. Nun schrieb ich ein Gesuch anmeinen Kommandierenden General, und böse Zungenbehaupten, ich hätte gesagt: „Liebe Exzellenz, ich binnicht in den Krieg gezogen, um Käse und Eier zusammeln, sondern zu einem anderen Zweck.“ Man hatanfangs eigentlich auf mich einschnappen wollen, aberschließlich hat man mir meine Bitte gewährt, und so tratich Ende Mai 1915 zur Fliegertruppe. So war mir meingrößter Wunsch erfüllt.

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Das e rs tema l in d er L u f t  

Morgens früh um sieben Uhr sollte ich zum erstenmalmitfliegen! Ich war in einer etwas begreiflichenAufregung, konnte mir so gar nichts darunter vorstellen.Jeder, den ich fragte, schnurrte mir etwas anderes vor.Abends ging ich zeitiger schlafen als sonst, um amnächsten Morgen für den großen Moment frisch zu sein.

Wir fuhren 'rüber auf den Flugplatz, ich setzte mich zumerstenmal in ein Flugzeug. Der Propellerwind störte michganz ungeheuer. Eine Verständigung mit dem Führerwar mir nicht möglich. Alles flog mir weg. Nahm ich einStück Papier heraus, verschwand es. Mein Sturzhelmverrutschte sich, der Schal löste sich, die Jacke war

nicht fest genug zugeknöpft, kurz und gut, es warkläglich. Ich war noch gar nicht darauf gefaßt, schonloszusausen, da gab bereits der Pilot Vollgas, und dieMaschine fing an zu rollen. Immer schneller, immerschneller. Ich hielt mich krampfhaft fest. Mit einem Malehörte die Erschütterung auf, und die Maschine war in der

Luft. Der Erdboden sauste unter mir weg.Man hatte mir gesagt, wo ich hinfliegen sollte, d. h.also, wo ich meinen Führer hinzudirigieren hatte. Wirflogen erst ein Stück geradeaus, dann machte meinFührer kehrt, nochmal kehrt, rechtsum, mal linksum, und

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ich hatte über meinem eigenen Flughafen dieOrientierung verloren. Keine Ahnung mehr, wo ich michbefand! Ich fing so sachte an, mir mal die Gegend unter

mir anzusehen. Die Menschen winzig klein, die Häuserwie aus einem Kinderbaukasten, alles so niedlich undzierlich. Im Hintergrund lag Köln. Der Kölner Dom einSpielzeug. Es war doch ein erhabenes Gefühl, überallem zu schweben. Wer konnte mir jetzt was anhaben?Keiner! Daß ich nicht mehr wußte, wo ich war, war mir

ganz Wurscht, und ich war ganz traurig, als mein Pilotmeinte, jetzt müßten wir landen.

Am liebsten wäre ich gleich wieder geflogen. Daß ichirgend welche Beschwerden, wie etwa bei einerLuftschaukel, gehabt hätte, daran ist nicht zu denken.Die berühmten Amerikanischen Schaukeln sind mir,

nebenbei gesagt, widerlich. Man fühlt sich unsicherdarin, aber im Flugzeug hat man das unbedingte Gefühlder Sicherheit. Man sitzt ganz ruhig auf seinem Sessel.Daß einem schwindlig wird, ist ganz ausgeschlossen. Esgibt keinen Menschen, dem im Flugzeug je schwindliggeworden wäre. Aber es ist ein verdammterNervenkitzel, so durch die Luft zu sausen, besondersnachher, als es wieder 'runterging, das Flugzeug nachvorn kippte, der Motor aufhörte zu laufen und miteinemmal eine ungeheure Ruhe eintrat. Ich hielt michwieder krampfhaft fest und dachte natürlich: „Jetzt stürzt

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du.“ Aber es ging alles so selbstverständlich undnatürlich vor sich, auch das Landen, wie man wieder dieErde berührte, und alles war so einfach, daß einem das

Gefühl der Angst absolut fehlte. Ich war begeistert undhätte den ganzen Tag im Flugzeug sitzen können. Ichzählte die Stunden bis zum nächsten Start.

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Beobach t un gs f l i eger be i Mack ensen  

Am 10. Juni 1915 kam ich nach Großenhain, um vondort aus an die Front abgeschickt zu werden. Natürlichwollte ich recht schnell 'raus, denn ich hatte Angst, ichkönnte zu dem Weltkrieg zu spät kommen.Flugzeugführer-Werden hatte drei Monate in Anspruchgenommen. Bis dahin konnten wir schon längst Frieden

haben; also kam es nicht in Frage. Als Beobachtermochte ich mich vielleicht in meiner Eigenschaft alsKavallerist ganz gut eignen; denn nach vierzehn Tagenschickte man mich bereits 'raus, zu meiner größtenFreude an die einzige Stelle, wo wir nochBewegungskrieg hatten, nämlich nach Rußland.

Mackensen ging gerade seinen Siegeszug. Er war beiGorlice durchgebrochen, und ich kam dazu, wie wirRawa Ruska nahmen. Ein Tag im Armee-Flugpark, dannkam ich zu der famosen Abt. 69, wo ich mir als Anfängerkolossal dämlich vorkam. Mein Führer war eine„Kanone“ - Oberleutnant Zeumer -, jetzt auch schon

krumm und lahm. Von den übrigen bin ich heute dereinzige, der noch lebt.Jetzt kommt eigentlich meine schönste Zeit. Sie hatte

mit dem Kavalleristischen recht große Ähnlichkeit. JedenTag, vor- und nachmittags, konnte ich meine Aufklärungfliegen. Ich habe manche schöne Meldung nach Hausegebracht.

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Mi t Ho l ck i n Rußland  

(Sommer 1915)

Juni, Juli, August 1915 blieb ich blieb ich bei derFliegerabteilung; die den ganzen VormarschMackensens von Gorlice nach Brest-Litowsk mitmachte.Ich war als ganz junger Beobachter dort hingekommen

und hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung.Als Kavallerist war ja meine Beschäftigung Aufklären,

so schlug der jetzige Dienst in mein Fach, und ich hattegroßen Spaß an den riesigen Aufklärungsflügen, die wirfast täglich unternahmen.

Für den Beobachter ist es wichtig, einen

gesinnungstüchtigen Führer zu finden. Da hieß es einesschönen Tages: „Graf Holck ist auf dem Anmarsch zuuns.“ Sofort kam mir der Gedanke: „Das ist der Mann,den du brauchst.“

Holck erschien nicht, wie man wohl glauben könnte,im 60-P.S.-Mercedes oder im Schlafwagen erster

Klasse, sondern zu Fuß. Er war nach tagelangerBahnfahrt endlich in die Gegend von Jaroslaugekommen. Dort stieg er aus, denn es war wieder malein unendlicher Aufenthalt. Seinem Burschen sagte er,er möchte mit dem Gepäck nachreisen, er würdevorausgehen. Er zieht los, und nach einer Stunde

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Fußmarsch guckt er sich um, aber kein Zug folgt ihm. Solief und lief er, ohne von seinem Zuge überholt zuwerden, bis er schließlich nach fünfzig Kilometern in

Rawa Ruska, seinem Ziel, ankam und vierundzwanzigStunden später der Bursche mit dem Gepäck erschien.Das war dem Sportsmann aber weiter keine ungewohnteArbeit. Sein Körper war derart trainiert, daß ihm fünfzigKilometer Fußmarsch nichts weiter ausmachten.

Graf Holck war nicht bloß ein Sportsmann auf dem

grünen Rasen, der Flugsport machte ihm allemAnschein nach nicht weniger Vergnügen. Er war einFührer von seltener Befähigung, und besonders eben,was ja noch eine große Hauptsache ist, er war grobKlasse über den Feind.

Manch schönen Aufklärungsflug flogen wir, wer weiß

wie weit, Richtung Rußland. Nie hatte ich bei dem nochso jungen Piloten das Gefühl der Unsicherheit, vielmehrgab er mir im kritischen Moment einen Halt. Wenn ichmich umsah und in fein entschlossenes Gesicht blickte,hatte ich wieder nochmal so viel Mut wie vorher.

*

Mein letzter Flug mit ihm zusammen sollte beinaheschief gehen. Wir hatten eigentlich gar keinenbestimmten Auftrag zu fliegen. Das ist ja aber geradedas Schöne, daß man sich vollständig als freier Menschfühlt und vollkommen sein eigener Herr ist, wenn man

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mal in der Luft ist.Wir hatten einen Flughafenwechsel vorwärts und

wußten nicht genau, welche Wiese nun eigentlich die

richtige sei. Um unsere Kiste bei der Landung nichtunnötig aufs Spiel zu setzen, flogen wir Richtung Brest-Litowsk. Die Russen waren in vollem Rückmarsch, allesbrannte - - ein grausig-schönes Bild. Wir wolltenfeindliche Kolonnen feststellen und kamen dabei überdie brennende Stadt Wiczniace. Eine riesige

Rauchwolke, die vielleicht bis auf zweitaufend Meterhinaufreichte, hinderte uns am Weiterfliegen, da wirselbst, um besser zu sehen, nur in fünfzehnhundertMetern Höhe flogen. Einen Augenblick überlegte Holck.Ich fragte ihn, was er machen wollte, und riet ihm,drumherum zu fliegen, was vielleicht ein Umweg von

fünf Minuten gewesen wäre. Aber daran dachte Holckgar nicht. Im Gegenteil: je mehr sich die Gefahr erhöhte,um so reizvoller war es ihm. Also mitten durch. Mirmachte es auch Spaß, mit einem so schneidigen Kerlzusammen zu sein. Doch sollte uns unsereUnvorsichtigkeit bald teuer zu stehen kommen, dennkaum war der Schwanz des Apparates in der Wolkeverschwunden, schon merkte ich ein Schwanken imFlugzeug. Ich konnte nichts mehr sehen, der Rauch bißmir in die Augen, die Luft war bedeutend wärmer, undich sah unter mir bloß noch ein riesiges Feuermeer.Plötzlich verlor das Flugzeug das Gleichgewicht und

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stürzte, sich überschlagend, in die Tiefe. Ich konntenoch schnell eine Strebe erfassen, um michfestzuhalten, sonst wäre ich 'rausgeschleudert worden.

Das erste, was ich tat, war ein Blick in Holcks Gesicht.Schon hatte ich wieder Mut gefaßt, denn seine Mienenwaren eisern zuversichtlich. Der einzige Gedanke, denich hatte, war der. es ist doch dumm, auf so unnötigeWeise den Heldentod zu sterben.

Später fragte ich Holck, was er sich eigentlich in dem

Augenblick gedacht hätte. Da meinte er, daß ihm dochnoch nie so eklig zumute gewesen sei.

Wir stürzten herunter bis auf fünfhundert Meter überdie brennende Stadt. War es die Geschicklichkeitmeines Führers oder höhere Fügung, vielleicht auchbeides, jedenfalls waren wir plötzlich aus der

Rauchwolke herausgefallen, der gute Albatros fing sichwieder und flog erneut geradeaus, als fei nichtsvorgefallen.

Wir hatten nun doch die Nase voll von unseremFlughafenwechsel und wollten schleunigst zu unserenLinien zurückkehren. Wir waren nämlich noch immerweit drüben bei den Russen und zudem nur noch infünfhundert Metern Höhe. Nach etwa fünf Minutenertönte hinter mir die Stimme Holcks: „Der Motor läßtnach.“

Ich muß hinzufügen, daß Holck von einem Motor nichtganz dieselbe Ahnung hatte wie von einem„Hafervergaser“, und ich selbst war vollständig

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schimmerlos. Nur eines wußte ich, daß, wenn der Motornicht mehr mitmachte, wir bei den Russen landenmußten. Also kamen wir aus der einen Gefahr in die

andere.Ich überzeugte mich, daß die Russen unter uns noch

flott marschierten, was ich aus fünfhundert Metern Höhegenau sehen konnte. Im übrigen brauchte ich gar nichtszu sehen, denn der Rußki schoß mitMaschinengewehren wie verfault. Es hörte sich an, als

wenn Kastanien im Feuer liegen.Der Motor hörte bald ganz auf zu laufen, er hatte

einen Treffer. So kamen wir immer tiefer, bis wir geradenoch über einem Wald ausschwebten und schließlich ineiner verlassenen Artilleriestellung landeten, die ichnoch am Abend vorher als besetzte russische

Artilleriestellung gemeldet hatte.Ich teilte Holck meine Vermutungen mit. Wir sprangen'raus aus der Kiste und versuchten, das naheWaldstückchen zu erreichen, um uns dort zur Wehr zusetzen. Ich verfügte über eine Pistole und sechsPatronen, Holck hatte nichts.

Am Waldrande angekommen, machten wir halt, undich konnte mit meinem Glase erkennen, wie ein Soldatauf unser Flugzeug zulief. Zu meinem Schreck stellte ichfest, daß er eine Mütze trug und nicht eine Pickelhaube.Das hielt ich für ein sicheres Zeichen, daß es ein Russesei. Als der Mann näher kam, stieß Holck einen

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 Freudenschrei aus, denn es war ein preußischerGardegrenadier.

Unsere Elitetruppe hatte wieder einmal die Stellung

beim Morgengrauen gestürmt und war bis zu denfeindlichen Batteriestellungen durchgebrochen.

*

Ich erinnere mich, daß Holck bei dieser Gelegenheit

seinen kleinen Liebling, ein Hündchen, verlor. Er nahmdas Tierchen bei jedem Aufstieg mit, es lag ganz ruhig inseinem Pelz unten in der Karosserie. Im Walde hattenwir es noch mit. Kurz darauf, als wir mit demGardegrenadier gesprochen hatten, kamen Truppenvorbeigezogen. Dann kamen Stäbe von der Garde und

Prinz Eitel Friedrich mit seinen Adjutanten undOrdonnanzoffizieren. Der Prinz ließ uns Pferde geben,so daß wir beiden Kavallerieflieger mal wieder aufrichtigen „Hafermotoren“ saßen. Leider ging uns beimWeiterreiten das Hündchen verloren. Es muß wohl mitanderen Truppen mitgelaufen fein.

Spätabends kamen wir schließlich mit einemPanjewagen in unseren Flughafen zurück. Die Maschinewar futsch.

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Rußland – Ostend e  

(Vom Zweisitzer zum Großkampfflugzeug)

Nachdem in Rußland unsere Unternehmungen sosachte zum Stehen kamen, wurde ich plötzlich zu einemGroßkampfflugzeug, zur B. A. D. nach Ostende versetzt(21. August 1915). Ich traf da einen alten Bekannten,

Zeumer, und außerdem verlockte mich der Name„Großkampfflugzeug“.

August 1915 traf ich in Ostende ein. Auf dem Bahnhofin Brüssel hatte mich mein guter Freund Zeumerabgeholt. Nun verlebte ich eigentlich eine sehr netteZeit, die aber wenig Kriegerisches an sich hatte, aber sie

war als Lehrzeit zum Kampfflieger unentbehrlich. Wirflogen viel, hatten selten Luftkämpfe und nie Erfolge.Dafür aber war das sonstige Leben reizvoll. Am Strandvon Ostende hatten wir ein Hotel beschlagnahmt. JedenNachmittag badeten wir. Leider waren als Kurgäste nurSoldaten zu sehen. Auf den Terrassen von Ostende

saßen wir, in unsere bunten Bademäntel gehüllt, undtranken nachmittags unseren Kaffee.

*

Wir saßen wieder mal, wie üblich, am Strande beiunserem Kaffee. Plötzlich ein Tuten, das hieß: ein

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englisches Seegeschwader ist gemeldet. Natürlichließen wir uns durch derartige Alarmnachrichten inunserer Gemütlichkeit nicht stören und tranken weiter.

Da ruft einer: „Da sind sie!“ und tatsächlich konnten wiram Horizont, wenn auch nicht sehr deutlich, einigequalmende Schornsteine und später auch Schiffeerkennen. Schnell wurden die Ferngläser geholt undbeobachtet. Wir sahen eine ganz stattliche Zahl vonSchiffen. Was sie eigentlich machen wollten, war uns

unklar, aber bald sollten wir eines Besseren belehrtwerden. Wir stiegen auf das Dach, um von dort obenmehr zu sehen. Mit einem Male pfeift's, gleich darauf einRiesenknall, und eine Granate schlägt am Strande ein,wo wir eben noch im Wasser waren. So schnell bin ichnoch nie in den Heldenkeller gestürzt wie in diesem

Moment. Das englische Geschwader schoß nochvielleicht drei-, viermal auf uns und richtete sich dann inder Hauptsache gegen den Ostender Hafen undBahnhof. Getroffen haben sie natürlich nichts. Aber siehaben die braven Belgier in mächtige Aufregungversetzt. Eine Granate sauste mitten in das schönePalasthotel am Strande von Ostende. Dies war dereinzige Schaden. Zum Glück ist es englisches Kapital,das sie selbst vernichtet haben.

*

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Abends wurde dann wieder feste geflogen. Bei einemunserer Flüge waren wir mit unseremGroßkampfflugzeug sehr weit hinaus auf See

gekommen. Das Ding hatte zwei Motoren, und wirprobierten hauptsächlich ein neues Steuer aus, das unsermöglichen sollte, auch mit einem Motor weitergeradeaus zu fliegen. Wie wir ziemlich weit draußensind, sehe ich unter uns, nicht auf dem Wasser, sondern- wie es mir schien - unter dem Wasser, ein Schiff

schwimmen. Es ist ganz eigentümlich: Man kann vonoben aus bei etwas ruhigem Seegang bis auf denMeeresgrund hinuntersehen. Natürlich nicht vierzigKilometer tief, aber so einige hundert Meter Wasserkann man glatt durchschauen. Ich hatte mich auch nichtgetäuscht, daß das Schiff nicht über Wasser, sondern

unter Wasser schwamm, und trotzdem sah ich es so, alssei es oben. Ich machte Zeumer darauf aufmerksam,und wir gingen etwas tiefer hinunter, um Näheres zuerkennen. Ich bin zu wenig Marinemann, um gleichsagen zu können, was es gewesen ist; aber so sachtekapierte ich denn doch, daß es ein U-Boot war. Aberwelcher Nationalität? Das ist nun wieder eine zweiteschwierige Frage, die meiner Ansicht nach nur einMarinemann lösen kann - und der auch nicht immer.Farbe ist so gut wie gar nicht zu erkennen. Die Flaggeschon erst recht nicht. Außerdem hat ja wohl so ein U-Boot gar nichts dergleichen. Wir hatten zwei Bomben

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mit, und ich war mir sehr im Zweifel: sollte ich werfen,oder sollte ich nicht werfen? Das U-Boot hatte uns nichtgesehen, denn es war halb unter Wasser. Wir konnten

aber über dem Ding ganz ruhig herfliegen und hättenden Moment abpassen können, wo es auftauchte, umLuft zu schnappen, um unsere Eier zu legen. Das istganz bestimmt ein sehr kritischer Punkt für unsereSchwesterwaffe. Wie wir noch eine ganze Weile mit denKerlen da unten 'rumgekindscht hatten, merkte ich

plötzlich, wie aus dem einen unserer Kühler sich sosachte das Wasser empfahl. Dieses schien mir als„Franz“ nicht ganz geheuer, und ich machte meinen„Emil“ darauf aufmerksam. Der zog sein Gesicht in dieLänge und machte nun, daß er nach Haufe kam. Aberwir waren schätzungsweise zwanzig Kilometer von der

Küste entfernt, und die wollen erst zurückgeflogen sein.Der Motor ließ so sachte nach, und ich machte michschon im stillen auf ein kaltes und feuchtes Bad gefaßt.Aber siehe da, es ging. Der Riesenäppelkahn ließ sichmit einem Motor und dem neuen Steuer großartigdeichseln, und wir erreichten noch glatt die Küste undkonnten dort sehr schön auf unserem nahen Hafenlanden.

Glück muß der Mensch haben. Hätten wir nicht dasneue Steuer an diesem Tage ausprobiert, wir wärenrettungslos versoffen.

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Ein Trop fen B lu t f ü r s Vate r l and  

(Ostende)

Verwundet bin ich eigentlich nie worden. Ich habewohl immer im entscheidenden Moment den Kopfweggenommen und den Bauch eingezogen. Oft habeich mich gewundert, daß sie mich nicht gehascht haben.

Einmal ging mir ein Schuß durch beide Pelzstiefel durch,ein andermal durch meinen Schal, wieder einmal anmeinem Arm durch den Pelz und die Lederjacke durch,aber nie hat es mich berührt.

Da flogen wir eines schönen Tages mit unseremGroßkampfflugzeug los, um die Engländer etwas mit

Bomben zu erfreuen, erreichten das Ziel, die ersteBombe fällt. Es ist natürlich sehr interessantfestzustellen, wie der Erfolg dieser Bombe ist.Wenigstens den Einschlag möchte man immer gernesehen. Mein Großkampfflugzeug, das sich für dasBombenschleppen ganz gut eignete, hatte aber die

dumme Eigenschaft, daß man von der abgeworfenenBombe den Einschlag schlecht sehen konnte, denn dasFlugzeug schob sich nach dem Abwurf über das Zielweg und verdeckte es mit seinen Flächen vollkommen.Dieses ärgerte mich immer, denn man hatte so wenigSpaß davon. Wenn's unten knallt und man die lieblichgrauweiße Wolke der Explosion sieht und sie auch in der

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Nähe des Zieles liegt, macht einem viel Freude. Sowinkte ich meinen guten Zeumer ein und wollteeigentlich, daß er so etwas mit dem Tragdeck beiseite

ging. Dabei vergaß ich, daß das infame Ding, meinÄppelkahn, zwei Propeller hatte, die sich rechts undlinks neben meinem Beobachtersitz drehten. Ich zeigteihm ungefähr den Einschlag der Bombe - und patsch!habe ich eins auf die Finger. Etwas verdutzt anfangs,stellte ich dann fest, daß mein kleiner Finger zu Schaden

gekommen war. Zeumer hatte nichts gemerkt.Das Bombenwerfen war mir verleidet, schnell wurde

ich meine letzten Dinger los, und wir machten, daß wirnach Hause kamen.

Meine Liebe zum Großkampfflugzeug, die sowiesoetwas schwach war, hatte durch diesen Bombenwurf

schwer gelitten. Ich mußte nun acht Tage lang hockenund durfte nicht mitfliegen. Jetzt ist es nur noch einSchönheitsfehler, aber ich kann doch wenigstens mitStolz sagen: „Ich habe auch eine Kriegsverwundung.“

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Erstaunen ganz vergnügt kehrtmachte und weiterflog.Ich war stark enttäuscht, mein Führer auch.

Zu Hause angekommen, waren wir beide sehr

schlechter Laune. Er machte mir Vorwürfe, ich hätteschlecht geschossen, ich machte ihm Vorwürfe, er hättemich nicht recht zum Schuß gebracht - kurz und gut,unsere Flugzeugehe, die sonst so tadellos war, hatte miteinemmal einen Knacks.

Wir beschauten uns unsere Kiste und stellten fest,

daß wir eigentlich eine ganz anständige Zahl vonTreffern drinnen hatten.

Noch am selben Tage unternahmen wir einen zweitenJagdflug, der aber ebenso ergebnislos blieb. Ich warsehr traurig, denn ich hatte es mir bei einemKampfgeschwader ganz anders vorgestellt. Ich glaubte

immer, wenn ich mal zum Schuß käme, dann müßte derBruder auch fallen. Bald mußte ich mich aber davonüberzeugen, daß so ein Flugzeug ungeheuer vielverträgt. Schließlich gelangte ich zu der Überzeugung,ich könne noch so viel schießen und würde doch nieeinen 'runterbekommen.

An Mut hatten wir es nicht fehlen lassen. Zeumerkonnte fliegen wie selten einer, und ich war ein ganzleidlicher Kugelschütze. Wir standen also vor einemRätsel. Es ging nicht bloß mir alleine so, sondern esgeht noch heute vielen anderen ebenso. Die Geschichtewill eben wirklich verstanden sein.

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auf dem Kopf stehen, Schwanz nach oben. Auf derKarte stellte ich fest: fünf Kilometer hinter der jetzigenFront lag er. Wir hatten ihn also jenseits abgeschossen.

In damaliger Zeit wurden aber Abschüsse jenseits derFront nicht bewertet, sonst hätte ich heute einen mehrauf meiner Liste. Ich war aber sehr stolz auf meinenErfolg, und im übrigen ist es ja die Hauptsache, wennder Kerl unten liegt, also nicht, daß er einem alsAbschuß angerechnet wird.

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Wie i ch Bo elc ke kennen le rn t e  

Zeumer verpaßte sich in dieser Zeit einen Fokker-Eindecker, und ich konnte zusehen, wie er allein durchdie Welt segelte. Die Champagne-Schlacht tobte. Diefranzösischen Flieger machen sich bemerkbar. Wirsollten zu einem Kampfgeschwader zusammengestelltwerden und fuhren am 1. Oktober 1915 nach. Im

Speisewagen saß am Nebentisch ein jungerunscheinbarer Leutnant. Es lag auch kein Grund für ihnvor, besonders aufzufallen, nur eine Tatsache stand fest:er war von uns allen der einzige, der bereits mal einenfeindlichen Flieger abgeschossen hatte, und zwar nichtnur einen, sondern schon vier. Er war sogar mit Namen

im Heeresbericht genannt. Er imponierte mir auf Grundseiner Erfahrungen ganz rasend. Ich konnte mir noch sogroße Mühe geben, ich hatte bis dahin noch immerkeinen zur Strecke, jedenfalls war mir noch keineranerkannt worden. Zu gerne hätte ich erfahren, wiedieser Leutnant Boelcke das nun eigentlich machte. So

stellte ich an ihn die Frage. „Sagen Sie mal bloß, wiemachen Sie's denn eigentlich?“ Er lachte sehr belustigt,dabei hatte ich aber wirklich ernst gefragt. Dannantwortete er mir: „Ja, Herrgott, ganz einfach. Ich fliegeeben ran und ziele gut, dann fällt er halt herunter.“ Ich

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Der ers te A l le in f lu g  

(10. Oktober 1915)

Es gibt so einige Augenblicke im Leben, die deinenbesonderen Nervenkitzel verursachen, so z. B. der ersteAlleinflug.

Zeumer, mein Lehrer, erklärte mir eines Abends. „So,

nun flieg' mal alleine los.“ Ich muß sagen, daß ich ihmam liebsten geantwortet hätte: „Ich habe zu großeAngst.“ Aber dies Wort soll ja der Vaterlandsverteidigerniemals in den Mund nehmen. Also mußte ich wohl oderübel meinen Schweinehund 'runterschlucken und michin die Maschine setzen.

Er erklärte mir noch einmal jeden Griff theoretisch. ichhörte nur noch mit halbem Ohre zu, denn ich war derfesten Überzeugung. Du vergißt doch die Hälfte.

Ich rollte zum Start, gab Gas, die Maschine bekamihre bestimmte Geschwindigkeit, und mit einem Malekonnte ich nicht umhin, festzustellen, daß ich tatsächlich

flog. Es war schließlich kein ängstliches, sondern einverwegenes Gefühl. Mir war jetzt alles Wurscht. Mochtepassieren, was da wollte, ich wäre über nichts mehrerschrocken gewesen. Mit Todesverachtung machte icheine Riesenlinkskurve, stellte an dem genaubezeichneten Baum das Gas ab und wartete der Dinge,

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die sich nun ereignen würden. Nun kam dasSchwierigste, die Landung. Mir waren die notwendigenHandgriffe genau in Erinnerung. Ich machte sie

mechanisch nach, jedoch reagierte die Maschine ganzanders als sonst, wo Zeumer drin saß. Ich war aus demGleichgewicht gebracht, machte einige falscheBewegungen, stand auf dem Kopf, und schon gab eswieder mal eine „Schulmaschine“. Sehr traurig beguckteich mir den Schaden, der sich zum Glück bald beheben

ließ, und hatte im übrigen noch den Spott auf meinerSeite.

Zwei Tage später ging ich mit rasender Passionwieder an mein Flugzeug, und siehe da, es gingwunderbar.

Nach vierzehn Tagen konnte ich die erste Prüfung

machen. Ein Herr v. T. war Richter. Ich flog die mirvorgetriebenen Achten und die mir befohlenenLandungen, worauf ich sehr stolz ausstieg und nun zumeinem größten Erstaunen hörte, daß ich durchgefallensei. Mir blieb nichts anderes übrig, als später meineerste Prüfung noch einmal zu machen.

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 A u s m ei n er Dö b er i t zer A u s b i l d u n g s zei t

Um meine Examina begehen zu können, mußte ichaber nach Berlin. Ich benutzte die Gelegenheit, um alsBeobachter ein Riesenflugzeug in Berlin auf denSchwung zu bringen, und ließ mich dazu nach Döberitzkommandieren (15. November 1915). Für das

Riesenflugzeug hatte ich anfangs großes Interesse.Aber es ist komisch, gerade durch das Riesendingwurde mir klar, daß nur das kleinste Flugzeug für meineZwecke als Kampfflieger etwas taugen kann. So eingroßer Äppelkahn ist zum Kämpfen zu unbeweglich, unddas ist ja eben die Hauptsache für mein Geschäft.

Der Unterschied zwischen einem Großkampfflugzeugund einem Riesenflugzeug ist der, daß dasRiesenflugzeug noch erheblich größer ist und mehr demZwecke für Bomben dient und weniger zum Kampfe.

Meine Prüfungen machte ich nun in Döberitzzusammen mit einem lieben Menschen, Oberleutnant v.

Lyncker. Wir beide vertrugen uns gut und hattendieselben Passionen, auch dieselbe Auffassung überunsere spätere Tätigkeit. Unser Ziel war Fokkerfliegen,um zusammen zu einer Jagdstaffel nach dem Westen zukommen. Ein Jahr später haben wir es erreicht,

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zusammenwirken zu können, wenn auch nur für kurzeZeit, denn meinen guten Freund ereilte bei seinemdritten Abschuß die tödliche Kugel.

Oft haben wir in Döberitz luftige Stunden verübt. Sowar z. B. eine Bedingung: „Außenlandungen.“

Ich verband bei dieser Gelegenheit das Notwendigemit dem angenehmen. Zu meinem Außenlandeplatzsuchte ich mir ein mir bekanntes Gut Buchow aus. Dortwar ich auf Saujagd eingeladen, bloß vertrug sich die

Sache schlecht mit meinem Dienst, denn an schönenAbenden wollte ich fliegen und trotzdem meinerJagdpassion nachgehen. So legte ich mir meinenAußenlandeplatz so, daß ich von dort aus bequemmeine Jagdgründe erreichen konnte.

Ich nahm mir einen zweiten Piloten als Beobachter mit

und schickte diesen abends zurück. Nachts setzte ichmich auf Sauen an und wurde am nächsten Morgen vondiesem Piloten wieder abgeholt.

Wenn ich nicht hätte abgeholt werden können, sowäre ich ziemlich auf dem Trockenen gewesen, da mirein Fußmarsch von etwa zehn Kilometern geblüht hätte.So brauchte ich einen Mann, der mich bei jedem Wettervon meinem Hochsitz abholte. Es ist aber nicht jedermanns Sache, auf Wetter gar keine Rücksicht zunehmen, doch es gelang mir, einenGesinnungstüchtigen zu finden.

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 Eines Morgens, nachdem ich die Nacht wieder

draußen zugebracht hatte, begann ein ungeheures

Schneegestöber. Man konnte nicht fünfzig Meter weitsehen. Acht Uhr war es gerade, die angegebene Zeit, zuder mich der Pilot abholen sollte. Im stillen hoffte ich, erwürde es diesmal sein lassen. Aber mit einem Malehörte ich ein Summen - sehen konnte ich nichts - fünfMinuten später lag mein schöner Vogel etwas verbogen

vor mir.

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Ers te Zei t al s Pi l o t  

Am Weihnachtstage 1915 machte ich mein drittesExamen. Ich verband damit einen Flug nach Schwerinund sah mir dort die Fokkerwerke an. Als Beobachternahm ich mir meinen Monteur mit und flog dann spätermit ihm von Berlin nach Breslau, von Breslau nachSchweidnitz, von Schweidnitz nach Lüben, von Lüben

nach Berlin, überall zwischenlandend, Bekannte undVerwandte aufsuchend. Das Orientieren im Flugzeug fielmir als altem Beobachter nicht schwer.

März war ich beim Kampfgeschwader 2 vor Verdunund lernte nun den Luftkampf als Flugzeugführer, d. h.ich lernte, das Flugzeug im Kampfe zu beherrschen. Ich

flog dazu einen Zweisitzer.

*

Im Heeresbericht vom 26. April 1916 bin ich zumersten Male, wenn auch nicht persönlich genannt, so

doch durch eine meiner Taten erwähnt. Ich hatte mir aufmeine Maschine ein Gewehr oben zwischen dieTragdecks im Geschmack wie es der Nieuport hat,aufgebaut und war auf diese Konstruktion allein schonsehr stolz. Man lachte wohl etwas darüber, denn sie sahsehr primitiv aus. Ich schwor natürlich darauf und hattebald Gelegenheit, sie praktisch zu verwerten.

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Ich begegnete einem Nieuport, der scheinbar auchAnfänger war, denn er benahm sich furchtbar töricht. Ichflog auf ihn zu, worauf er ausriß. Offenbar hatte er eine

Ladehemmung. Ich hatte nicht das Gefühl, als ob ichkämpfen würde, vielmehr: „Was wird jetzt erfolgen, wenndu auf ihn schießt?“ Ich fliege 'ran, zum erstenmal aufeine ganz, ganz nahe Entfernung, drücke auf den Knopfdes Maschinengewehrs, eine kurze Serie wohlgezielterSchüsse, mein Nieuport bäumt sich auf und überschlägt

sich. Anfangs glaubten wir, mein Beobachter und ich, essei eins der vielen Kunststücke, die einem dieFranzosen vorzumachen pflegen. Dieses Kunststückwollte aber nicht aufhören, es ging immer tiefer, immertiefer; da klopft mir mein „Franz“ auf den Kopf und ruftmir zu: „Ich gratuliere, der fällt!“ Tatsächlich fiel er in

einen Wald hinter dem Fort Douaumont und verschwandzwischen den Bäumen. „Den hast du abgeschossen,“das war mir klar. Aber – jenseits! Ich flog nach Hause,meldete weiter nichts als: „Ein Luftkamps, ein Nieuportabgeschossen.“ Einen Tag darauf las ich diese meineHeldentat im Heeresbericht. Ich war nicht schlecht stolzdarauf, aber zu meinen zweiundfünfzig zählt dieserNieuport nicht.

*

Heeresbericht von 26. April 1916Zwei feindliche Flugzeuge find über Fleury, südlich

von Douaumont und westlich davon, im Luftkampfabgeschossen.

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Hol ck †

(30. April 1916)

As junger Flugzeugführer flog ich mal bei einemJagdfluge über das Fort Douaumont hinweg, auf demgerade heftiges Trommelfeuer lag. Da sah ich, wie eindeutscher Fokker drei Caudrons angriff. Zu seinem Pech

war aber sehr starker Westwind. Also ungünstiger Wind.Er wurde im Laufe des Kampfes über die Stadt Verdunhinausgetrieben. Ich machte meinen Beobachter daraufaufmerksam, der auch meinte, das muß ein ganzschneidiger Kerl sein. Wir überlegten, ob es Boelckesein könnte, und wollten uns nachher danach

erkundigen. Da sah ich aber zu meinem Schrecken, wieaus dem Angreifer ein Verteidiger wurde. Der Deutschewurde von den Franzosen, die sich mittlerweile aufmindestens zehn Flugzeuge verstärkt hatten, immermehr heruntergedrückt. Ihm zu Hilfe kommen, konnte ichnicht. Ich war zu weit ab von den Kämpfenden und kam

zudem in meiner schweren Maschine nicht gegen denWind an. Der Fokker wehrte sich verzweifelt. Jetzthatten ihn die Feinde schon mindestens aufsechshundert Meter heruntergedrückt. Da wurde erplötzlich von einem seiner Verfolger erneut angegriffen.Er verschwand in einem Sturzflug in einer

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Kumuluswolke. Ich atmete auf, denn das war meinerAnsicht nach seine Rettung.

Zu Hause angekommen, erzählte ich, was ich

gesehen hatte, und erfuhr, daß es Holck, mein alterKampfgenosse aus dem Osten, war, der vor kurzem vorVerdun Jagdflieger geworden war.

Mit Kopfschuß war Graf Holck senkrecht abgestürzt.Es ging mir sehr nahe, denn er war nicht bloß ein Vorbildan Schneid, er war eben auch als Mensch eine

Persönlichkeit, wie es nur wenige gibt.

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Ein Gew i t te r f l ug  

Unsere Tätigkeit vor Verdun im Sommer 1916 wurdedurch häufige Gewitterstürme gestört. NichtsUnangenehmeres gibt es für einen Flieger, als durch einGewitter hindurch zu müssen. während der Somme-Schlacht zum Beispiel landete ein ganzes englischesGeschwader hinter unseren Linien, weil es durch ein

Gewitter überrascht wurde. Es geriet so inGefangenschaft.

Ich hatte noch nie den Versuch gemacht, durch einGewitter hindurchzufliegen, und konnte es mir nichtverkneifen, das doch mal auszuprobieren. In der Luftwar den ganzen Tag eine richtige Gewitterstimmung.

Von meinem Flughafen Mont war ich nach dem nahenMetz hinübergeflogen, um dort einiges zu erledigen. Daereignete sich bei meinem Nachhauseflug folgendes:

Ich war auf dem Flugplatz in Metz und wollte nachmeinem Flughafen zurück. Wie ich meine Maschine ausder Halle zog, machten sich die ersten Anzeichen eines

nahen Gewittersturmes bemerkbar. Der Wind kräuselteden Sand, und eine pechschwarze Wand zog vonNorden her heran. Alte, erfahrene Piloten rieten mirdringend ab, zu fliegen. Ich hatte aber fest versprochenzu kommen, und es wäre mir furchtsam erschienen,wenn ich wegen eines dummen Gewitters ausgeblieben

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 Ich glaubte den sicheren Tod vor Augen zu haben, dennder Sturm mußte mich bei der nächsten Gelegenheit inein Dorf oder in einen Wald werfen. Hätte der Motor

ausgesetzt, so wäre ich erledigt gewesen.Da sah ich mit einem Male vor mir eine helle Stelle am

Horizont. Dort hörte das Gewitter auf; erreichte ichdiesen Punkt, so war ich gerettet. Die ganze Energiezusammennehmend, die ein junger, leichtsinnigerMensch haben kann, steuerte ich darauf zu.

Plötzlich, wie abgerissen, war ich aus derGewitterwolke heraus, flog zwar noch im strömendenRegen, aber fühlte mich im übrigen geborgen.

Noch immer bei strömendem Regen landete ich inmeinem Heimathafen, wo schon alles auf mich wartete,da von Metz bereits die Nachricht eingetroffen war, ich

sei in einer Gewitterwolke, Richtung dorthin,verschwunden.Nie wieder werde ich, wenn es nicht mein Vaterland

von mir fordert, durch einen Gewittersturmhindurchfliegen.

In der Erinnerung ist alles schön, so gab es auchdabei schöne Momente, die ich nicht in meinemFliegerdasein missen möchte.

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Das ers temal au f e in em Fok ker   

Von Anfang meiner Pilotenlaufbahn an hatte ich nurein Streben, und das war, in einem einzigenKampfflugzeug fliegen zu dürfen. Nach langem Quälenbei meinem Kommandeur hatte ich die Erlaubnis'rausgeschunden, einen Fokker zu schaukeln. DerMotor, der sich um sich selbst drehte, war mir etwas

ganz Neues. Auch so allein in einem kleinen Flugzeugzu schaukeln, war mir fremd.

Ich besaß mit einem Freund, der jetzt schon lange totist, zusammen diesen einen Fokker. Vormittags flog ichihn, nachmittags er. Jeder hatte Angst, der anderekönne die Kiste eher zerschmeißen. Am zweiten Tage

flogen wir gegen den Feinde Mir war vormittags keinFranzose begegnet, nachmittags kam der andere an dieReihe. Er kam nicht wieder, keine Nachricht, nichts.Spätabends meldete die Infanterie einen Luftkampfzwischen einem Nieuport und einem deutschen Fokker,nach dessen Verlauf der Deutsche scheinbar jenseits

auf dem Toten Mann gelandet wäre. Es konnte nurReimann sein, denn alle anderen warenzurückgekommen. Wir bedauerten unseren kühnenKameraden, da plötzlich kam nachts die telephonischeNachricht, ein deutscher Fliegeroffizier sei mit einemMale im vorderen Sappenkopf der Infanteriestellung auf

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dem Toten Mann erschienen. Er entpuppte ich alsReimann. Ihm war der Motor zerschossen worden, sodaß er zur Notlandung gezwungen war. Er hatte dabei

unsere Linien nicht mehr erreichen können und warzwischen dem Feind und uns gelandet. Schnell hatte ernoch seine Maschine in Brand gedeckt und sich danneinige hundert Meter davon in einem Sprengtrichterverborgen gehalten. In der Nacht war er dann alsSchleichpatrouille in unseren Gräben erschienen. So

endete zum ersten Male unser Aktienunternehmen: „DerFokker“.

*

Nach einigen Wochen bekamen wir einen zweiten.

Diesmal fühlte ich mich verpflichtet, das gute Ding insJenseits zu befördern. Es war vielleicht mein dritter Flugauf der kleinen, schnellen Maschine. Beim Start setzteder Motor aus. Ich mußte hinunter, gerade in einHaferfeld hinein, und im Umsehen war aus dem stolzen,schönen Apparat bloß noch eine unkenntliche Massegeworden. Wie durch ein Wunder war mir nichtspassiert.

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Bom ben f lüg e i n Rußland  

Juni hieß es plötzlich verladen. Wir wußten nicht, woes hinging, aber den richtigen Tip hatten wir und warendeshalb nicht übermäßig erstaunt, wie uns unserKommandeur mit der Neuigkeit überraschte, daß wirnach Rußland gingen. Wir fuhren durch ganzDeutschland mit unserem Wohnzug, aus Speise- und

Schlafwagen bestehend, und kamen schließlich nachKowel. Dort blieben wir in unseren Eisenbahnwagenwohnen. Dieses Wohnen in Zügen hat ja nun natürlichsehr viel Vorteile. Man ist stets fertig, um weiterzureisen,und man hat immer dasselbe Quartier.

Aber in der russischen Sommerhitze ist so ein

Schlafwagen das Fürchterlichste, was es geben kann.Deshalb zog ich es vor, mit zwei guten Freunden,Gerstenberg und Scheele, in den nahen Wald zu ziehen,wo wir uns ein Zelt aufbauten und wie Zigeuner lebten.Das waren schöne Zeiten.

*

In Rußland warf unser Kampfgeschwader vielBomben. Wir beschäftigten uns damit, die Russen zuärgern, und legten auf ihre schönsten Bahnanlagenunsere Eier. An einem dieser Tage zog unser ganzesGeschwader los, um eine sehr wichtige Bahnhofsanlage

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 zu bewerfen. Das Nest hieß Manjewicze und lag etwadreißig Kilometer hinter der Front, also nicht soübertrieben weit. Die Russen hatten einen Angriff

geplant, und zu diesem Zweck war der Bahnhof ganzungeheuerlich mit Zügen angefüllt. Ein Zug stand nebendem anderen, eine ganze Strecke war mit fahrendenZügen belegt. Man konnte das von oben sehr schönsehen; an jeder Ausweichstelle stand ein Transportzug.Also ein wirklich lohnendes Ziel für einen Bombenflug.

Man kann sich für alles begeistern. So hatte ich michmal für eine Weile für dieses Bombenfliegen begeistert.Es machte mir einen unheimlichen Spaß, die Brüder daunten zu bepflastern. Oft zog ich an einem Tagezweimal los. An diesem Tage hatten wir uns alsoManjewicze zum Ziele gesteckt. Jede Staffel für sich zog

geschlossen gen Rußland. Die Maschinen standen amStart, jeder Flugzeugführer versuchte noch einmalseinen Motor, denn es ist eine peinliche Sache, auf derfalschen Partei notzulanden und besonders in Rußland.Der Russe ist auf Flieger wie wild. Kriegt er einen zufassen, schlägt er ihn ganz bestimmt tot. Das ist auchdie einzige Gefahr in Rußland, denn feindliche Fliegergibt es da nicht, oder so gut wie gar nicht. Kommt maleiner vor, so hat er sicherlich Pech und wirdabgeschossen. Die Ballonabwehrgeschütze in Rußlandsind manchmal ganz gut, aber ihre Zahl nicht

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ausreichend. Gegen den Westen jedenfalls ist dasFliegen im Osten eine Erholung.

*

Die Maschinen rollen schwer bis an den Startplatz. Siesind bis auf ihr letztes Ladegewicht mit Bombenangefüllt. Ich schleppte manchmal ein^ hundertfünfzigKilogramm Bomben mit einem ganz normalen C-

Flugzeug. Außerdem hatte ich noch einen schwerenBeobachter mit, dem man die Fleischnot gar nichtansah, ferner „für den Fall, daß“ noch zweiMaschinengewehre. Ich habe sie nie in Rußlandausprobieren können. Es ist sehr schade, daß in meinerSammlung kein Russe vorhanden ist. An der Wand

würde sich seine Kokarde gewiß ganz malerischmachen. So ein Flug mit einer dicken, schwerbeladenenMaschine, besonders in der russischen Mittagsglut, istnicht von Pappe. Die Kähne schaukeln sehrunangenehm. Runterfallen tun sie natürlich nicht, dafürsorgen die einhundertfünfzig „Pferde“, aber es ist dochkein angenehmes Gefühl, so viel Sprengladung undBenzin bei sich zu haben. Endlich ist man in einerruhigeren Luftschicht und kommt allmählich zu demGenuß des Bombenfluges. Es ist schön, geradeaus zufliegen, ein bestimmtes Ziel zu haben und einen festenAuftrag. Man hat nach einem Bombenwurf das Gefühl:Du hast etwas geleistet, während man manchmal bei

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 einem Jagdflug, wo man keinen abgeschossen hat, sichsagen muß. Du hätten es besser machen können. Ichhabe sehr gern Bomben geworfen. Mein Beobachter

hatte es sachte sehr ordentlich wegbekommen, das Zielgenau senkrecht zu überfliegen und mit Hilfe einesZielfernrohres den guten Augenblick abzupassen, umsein Ei zu legen. Es ist ein schöner Flug nachManjewicze. Ich habe ihn öfters hinter mir.

Wir kamen über riesige Waldkomplexe, in denen

gewiß die Elche und Luchse herumturnen. Die Dörfersahen allerdings auch so aus, als ob sich die Füchsedarin gute Nacht sagen könnten. Das einzige größereDorf in der ganzen Gegend war Manjewicze. Um dasDorf herum waren zahllose Zelte aufschlagen und amBahnhof selbst unzählige Baracken. Rote Kreuze

konnten wir nicht erkennen. Vor uns war eine Staffeldagewesen. Dieses konnte man an einzelnenrauchenden Häusern und Baracken noch feststellen. Siehatte nicht schlecht geworfen. Der eine Ausgang desBahnhofs war durch einen Treffer offenbar versperrt. DieLokomotive dampfte noch. Gewiß waren die HerrenZugführer irgendwo in einem Unterstand oder so wasÄhnlichem. Auf der anderen Seite fuhr gerade eineLokomotive mit großer Fahrt heraus. Natürlich reizteeinen das, das Ding zu treffen. Wir fliegen das Ding anund setzten einige hundert Meter davor eine Bombe. Dergewünschte Erfolg war da, die Lokomotive blieb stehen.

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Nun wurde es Zeit, daß wir unsere letzte Bombeloswurden. Wir beschlossen, einen Fesselballon, „den“Fesselballon der Russen, mir einer Bombe zu bedenken.Wir konnten ganz gemütlich auf wenige hundert Meterheruntergehen und den Fesselballon bewerfen. Anfangswurde er mit großer Hast eingezogen, wie aber die

Bombe gefallen war, hörte das Einziehen auf. Icherklärte es mir dadurch, nicht etwa, daß ich getroffenhatte, sondern eher, daß die Russen ihren Hetman daoben in dem Korb im Stich ließen und weggelaufenwaren. Wir erreichten schließlich unsere Front, unsereGräben und waren, als wir zu Hause ankamen, doch

etwas erstaunt, wie wir feststellten, daß man uns vonunten doch beschossen hatte, wenigstens zeigte diesein Treffer in der Tragfläche.

*

Ein andermal waren wir gleichfalls etwa in derselbenGegend auf einen Angriff der Russen angesetzt, die denStochod zu überschreiten beabsichtigten. Wir kamen andie gefährdete Stelle, mit Bomben beladen und sehr vielPatronen für Maschinengewehr, und da sahen wir zuunserer großen Überraschung, wie bereits der Stochodvon feindlicher Kavallerie überschritten wird. Eine

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einzige Brücke diente zum Nachschub. Also war es klar:Trifft man diese, so kann man dem Feind ungeheuerschaden. Außerdem wälzten sich über den schmalen

Steg dicke Truppenmassen. Wir gingen auf möglichstniedrige Höhe hinunter und konnten nun genauerkennen, daß die feindliche Kavallerie in großerGeschwindigkeit über den Übergang marschierte. Dieerste Bombe krachte nicht weit von ihr, die zweite, drittefolgte unmittelbar darauf. Unten entsteht eine wüste

Unordnung. Die Brücke ist zwar nicht getroffen abernichtsdestotrotz hat der Verkehr vollständig aufgehört,und alles, was Beine hat, is6t nah allenHimmelsrichtungen davon. Der Erfolg war gut, denn daswaren nur drei Bomben; es kam ja noch das ganzeGeschwader hinterher. Und so konnten wir noch

manches erreichen. Mein Beobachter schoß feste mitdem Maschinengewehr unter die Brüder, und wir hatteneinen wilden Spaß daran. Was unser positiver Erfolgwar, kann ich natürlich nicht sagen. Die Russen habenes mir auch nicht erzählt. Aber eingebildet habe ich mir,daß ich den russischen Angriff allein abgeschlagenhabe. Ob Es stimmt, wird die Kriegschronik der Russennach dem Kriege mir wohl mitteilen.

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E nd l i c h !  

Die Augustsonne war fast unerträglich auf demsandigen Flugplatz in Kowel. Wir unterhielten uns mitden Kameraden, da erzählte einer: „Heute kommt dergroße Boelcke und will uns, oder vielmehr seinenBruder, in Kowel besuchen.“ Abends erschien derberühmte Mann, von uns sehr angestaunt, und erzählte

vieles Interessante von seiner Reise nach der Türkei,von der er gerade auf dem Rückwege war, um sich imgroßen Hauptquartier zu melden. Er sprach davon, daßer an die Somme ginge, um dort seine Arbeitfortzusetzen, auch sollte er eine ganze Jagdstaffelaufstellen. Zu diesem Zwecke konnte er sich aus der

Fliegertruppe ihm geeignet erscheinende Leuteaussuchen. Ich wagte nicht, ihn zu bitten, daß er michmitnähme. Nicht aus dem Grunde heraus, daß es mir beiunserem Geschwader zu langweilig gewesen wäre - imGegenteil, wir machten große und interessante Flüge,haben den Rußkis mit unseren Bomben so manchen

Bahnhof eingetöppert - aber der Gedanke, wieder an derWestfront zu kämpfen, reizte mich. Es gibt eben nichtsSchöneres für einen jungen Kavallerieoffizier, als aufJagd zu fliegen.

Am nächsten Morgen sollte Boelcke wiederwegfahren. Frühmorgens klopfte es plötzlich an meiner

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Mein ers t er Eng länder   

(17. September 1916)

Wir standen alle auf dem Schießplatz, und einer nachdem anderen schoß sein Maschinengewehr ein, so, wiees ihm am günstigsten erschien. Am Tage vorher hattenwir unsere neuen Apparate bekommen, und am

nächsten Morgen wollte Boelcke mit uns fliegen. Wirwaren alle Anfänger, keiner von uns hatte bisher einenErfolg zu verzeichnen. Was Boelcke uns sagte, war unsdaher ein Evangelium. In den legten Tagen hatte er, wieer sich ausdrückte, zum Frühstück schon mindestenseinen, manchmal auch zwei Engländer abgeschossen.

Der nächste Morgen, der 17. September, war einwunderbarer Tag. Man konnte mit regem Flugbetrieb derEngländer rechnen. Bevor wir aufstiegen, erteilteBoelcke uns noch einige genaue Instruktionen, und zumersten Male flogen wir im Geschwader unter Führungdes berühmten Mannes, dem wir uns blindlings

anvertrauten.Wir waren gerade an die Front gekommen, als wirbereits über unseren Linien an den Sprengpunktenunserer Ballon-Abwehrkanonen ein feindlichesGeschwader erkannten, das in Richtung Cambrai flog.Boelcke war natürlich der erste, der es sah, denn er saheben mehr als andere Menschen. Bald hatten wir auch

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die Lage erfaßt, und jeder strebte, dicht hinter Boelckezu bleiben. Wir waren uns alle klar, daß wir unsere erstePrüfung unter den Augen unseres verehrten Führers zu

begehen hatten. Wir näherten uns dem Geschwaderlangsam, aber es konnte uns nicht mehr entgehen. Wirwaren zwischen der Front und dem Gegner. Wollte erzurück, so mußte er an uns vorbei. Wir zählten schondie feindlichen Flugzeuge und stellten fest, daß essieben waren. Wir dagegen nur fünf. Alle Engländer

flogen große, zweisitzige Bomben-Flugzeuge. Nur nochSekunden, dann mußte es losgehen. Boelcke war demersten schon verflucht nahe auf die Pelle gerückt, abernoch schoß er nicht. Ich war der zweite, dicht neben mirmeine Kameraden. Der mir am nächsten fliegendeEngländer war ein großer, dunkel angestrichener Kahn.

Ich überlegte nicht lange und nahm ihn mir aufs Korn. Erschoß, ich schoß, und ich schoß vorbei, er auch. Esbegann ein Kampf, in dem es für mich jedenfalls daraufankam, hinter den Burschen zu kommen, da ich ja nur inmeiner Flugrichtung schießen konnte. Er hatte es nichtnötig, denn sein bewegliches Maschinengewehr reichtenach allen Seiten. Er schien aber kein Anfänger zu sein,denn er wußte genau, daß in dem Moment sein letztesStündlein geschlagen hatte, wo ich es erreichte, hinterihn zu gelangen. Ich hatte damals noch nicht dieÜberzeugung, „der muß fallen“, wie ich sie jetzt voll

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 Der Engländer landete irgendwo unmittelbar neben

dem Flughafen eines mir bekannten Geschwaders. Ich

war so aufgeregt, daß ich mir das Landen nichtverkneifen konnte, und landete in dem mir fremdenFlughafen, wo ich fast im Eifer meine Maschine noch aufden Kopf stellte. Die beiden Flugzeuge, der Engländerund meines, waren nicht sehr weit voneinander entfernt.Ich lief gleich hin und sah bereits eine Menge Soldaten

nach dem Gegner hinströmen. Dort angekommen, fandich, daß meine Annahme stimmte. Der Motor warzerschossen und beide Insassen schwer verletzt. DerBeobachter starb gleich, der Führer auf dem Transportzum nahen Lazarett. Meinem in Ehren gefallenenGegner setzte ich zum Andenken einen Stein auf sein

schönes Grab.Als ich nach Haufe kam, saß Boelcke mit den anderenKameraden bereits beim Frühstück und wunderte sichsehr, wo ich so lange geblieben war. Stolz meldete ichzum ersten Male: „Einen Engländer abgeschossen.“Sofort jubelte alles, denn ich war nicht der einzige; außerBoelcke, der, wie üblich, seinen Frühstückssieg hatte,war jeder von uns Anfängern zum ersten Male Sieger imLuftkampf geblieben.

Ich möchte bemerken, daß seitdem kein englischesGeschwader sich mehr bis Cambrai getraute, solange esdort eine Jagdstaffel Boelcke gab.

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Somme-Sch lacht  

Ich habe in meinem ganzen Leben kein schöneresJagdgefilde kennengelernt als in den Tagen der Somme-Schlacht. Morgens, wenn man aufgestanden, kamenschon die ersten Engländer, und die letztenverschwanden, nachdem schon lange die Sonneuntergegangen war. „Ein Dorado für die Jagdflieger“, hat

Boelcke einmal gesagt. Es ist damals die Zeit gewesen,wo Boelcke in zwei Monaten mit seinen Abschüssen vonzwanzig aus vierzig gestiegen war. Wir Anfänger hattendamals noch nicht die Erfahrung wie unser Meister undwaren ganz zufrieden, wenn wir nicht selbst Sengebezogen. Aber schön war es! Kein Start ohne Luftkampf.

Oft große Luftschlachten von vierzig bis sechzigEngländern gegen leider nicht immer so viele Deutsche.Bei ihnen macht es die Quantität und bei uns dieQualität.

Aber der Engländer ist ein schneidiger Bursche, dasmuß man ihm lassen. Er kam ab und zu in ganz

niedriger Höhe und besuchte Boelcke auf seinem Platzmit Bomben. Er forderte zum Kampf förmlich heraus undnahm ihn auch stets an. Ich habe kaum einen Engländergetroffen der den Kampf verweigert hätte, während derFranzose es vorzieht, jede Berührung mit dem Gegner inder Luft peinlichst zu vermeiden.

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Es waren schöne Zeiten bei unserer Jagdstaffel. DerGeist des Führers übertrug sich auf seine Schüler. Wirkonnten uns blindlings seiner Führung anvertrauen. Die

Möglichkeit, daß einer im Stich gelassen wurde, gab esnicht. Der Gedanke kam einem überhaupt nicht. Und soräumten wir flott und munter unter unseren Feinden auf.

An dem Tage, an dem Boelcke fiel, hatte die Staffelschon vierzig. Jetzt hat sie weit über hundert. Der GeistBoelckes lebt fort unter seinen tüchtigen Nachfolgern.

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Bo elc ke †  

(28. Oktober 1916)

Eines Tages flogen wir wieder einmal unter derFührung des großen Mannes gegen den Feind. Manhatte stets ein so sicheres Gefühl, wenn er dabei war.Es gab eben nur einen Boelcke. Ein sehr stürmisches

Wetter. Viel Wolken. Andere Flieger flogen an dem Tageüberhaupt nicht, nur der Jagdflieger.

Schon von weitem sahen wir an der Front zwei frecheEngländer, denen scheinbar das schlechte Wetter auchmal Spaß machte. Wir waren sechs, drüben waren zwei.Wären es zwanzig gewesen, uns hätte das Zeichen von

Boelcke zum Angriff auch nicht weiter in Erstaunengesetzt.

Es beginnt der übliche Kampf. Boelcke hatte deneinen vor und ich den anderen. Ich muß ablassen, weilich von einem eigenen gestört werde. Ich sehe mich umund beobachte, wie etwa zweihundert Meter neben mir

Boelcke sein Opfer gerade verarbeitet.Es war wieder das übliche Bild. Boelcke schießt einenab, und ich kann zusehen. Dicht neben Boelcke fliegt einguter Freund von ihm. Es war ein interessanter Kampf.Beide schossen, jeden Augenblick mußte der Engländerstürzen. Plötzlich ist eine unnatürliche Bewegung in den

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beiden deutschen Flugzeugen zu beobachten. Es zucktmir durchs Hirn: Zusammenstoß. Ich habe sonst nieeinen Zusammenstoß in der Luft gesehen und hatte mir

so etwas viel anders vorgestellt. Es war auch keinZusammenstoß, sondern mehr ein Berühren. Aber in dergroßen Geschwindigkeit, die so ein Flugzeug hat, ist jede leise Berührung ein heftiger Aufprall.

Boelcke läßt sofort von seinem Opfer ab und geht ingroßem Kurvengleitflug zur Erde hinunter. Noch immer

hatte ich nicht das Gefühl eines Absturzes, aber wie erunter mir durchgleitet, erkenne ich, daß ein Teil seinerTragflächen abgebrochen ist. Was nun folgte, konnte ichnicht beobachten, aber in den Wolken verlor er eineTragfläche ganz. Da war das Flugzeug steuerlos, und erstürzte ab, immer begleitet von seinem treuen Freund.

Als wir zu Haus ankamen, war bereits die Meldung da:„Unser Boelcke tot!“ Man konnte es nicht fassen.Am schmerzlichsten empfand es natürlich derjenige,

dem das Unglück zustoßen mußte.Es ist eigentümlich, daß jeder Mensch, der Boelcke

kennenlernte, sich einbildete, er sei der einzig wahreFreund von ihm. Ich habe vor diesen einzig wahrenFreunden Boelckes etwa vierzig kennen gelernt, und jeder bildete sich ein, er sei der einzige. Menschen,deren Name Boelcke nie gewußt hat, glaubten, siestünden ihm besonders nahe. Es ist eine eigentümliche

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Erscheinung, die ich nur bei ihm beobachtet habe. Einenpersönlichen Feind hat er nie gehabt. Er war gegen jedermann gleichmäßig liebenswürdig, zu keinem mehr,

zu keinem weniger.Der einzige, der ihm vielleicht etwas näher stand,

hatte das eben beschriebene Unglück mit ihm.Nichts geschieht ohne Gottes Fügung. Das ist ein

Trost, den man sich in diesem Kriege so oft sagen muß.

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Der Ac h t e  

Acht war zu Boelckes Zeiten eine ganz anständigeZahl. Jeder, der heutzutage von den kolossalen Zahlender Abschüsse hört, muß zu der Überzeugung kommen,daß das Abließen leichter geworden ist. Ich kann ihmnur eins versichern, daß dieses von Monat zu Monat, ja,von Woche zu Woche schwieriger wird. Natürlich bietet

sich die Gelegenheit jetzt öfters abzuschießen; aberleider wird die Möglichkeit, selbst abgeschossen zuwerden, ebenfalls größer. Die Bewaffnung des Gegnerswird immer besser, seine Zahl immer größer. AlsImelmann seinen ersten abschoß, hatte er sogar dasGlück, einen Gegner zu finden, der gar kein

Maschinengewehr bei sich hatte. Solche Häschen findetman jetzt höchstens noch über Johannisthal. Am 9.November 1916 flog ich mit meinem kleinenKampfgenossen, dem achtzehnjährigen Imelmann,gegen den Feind. Wir waren zusammen bei derJagdstaffel Boelcke, kannten uns schon vorher und

hatten uns immer sehr gut vertragen. Kameradschaft istdie Hauptsache. Wir zogen los. Ich hatte schon sieben,Imelmann fünf. Für damalige Zeiten eine ganze Menge.

Wir sind ganz kurze Zeit an der Front, da sehen wirein Bombengeschwader. Es kommt sehr frech geflogen.

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In ungeheurer Zahl kommen sie natürlich wieder an, wieüberhaupt immer während der Somme-Schlacht. Ichglaube, in dem Geschwader waren etwa vierzig bis

fünfzig, genau kann ich die Zahl nicht angeben. Siehatten sich gar nicht weit weg von unserem Flughafenein Ziel für ihre Bomben ausgesucht. Kurz vor dem Zielerreichte ich den legten der Gegner. Wohl gleich meineersten Schüsse machten den Maschinengewehr-Schützen im feindlichen Flugzeug kampfunfähig,

mochten wohl auch den Piloten etwas gekitzelt haben, jedenfalls entschloß er sich zur Landung mitsamt seinenBomben. Ich brannte ihm noch einige auf den Bast,dadurch wurde das Tempo, in dem er die Erde zuerreichen suchte, etwas größer, er stürzte nämlich abund fiel ganz in die Nähe unseres Flughafens

Lagnicourt.Imelmann war zur selben Zeit gleichfalls in einenKampf mit einem Engländer verwickelt und hatte aucheinen Gegner zur Strecke gebracht, gleichfalls inderselben Gegend. Schnell flogen wir nach Hause, umuns unsere abgeschossenen Maschinen ansehen zukönnen. Wir fahren im Auto bis in die Nähe meinesGegners und müssen dann sehr lange durch tiefenAcker laufen. Es war sehr heiß, deshalb knöpfte ich miralles auf, sogar das Hemd und den Kragen. Die Jackezog ich aus, die Mütze ließ ich im Auto, dafür nahm icheinen großen Knotenstock mit, die Stiefel waren bis an

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die Knie voll Schmutz. Ich sah also wüst aus. So kommeich in die Nähe meines Opfers. Natürlich hat sich schoneine Unmenge Menschen drumrum angesammelt.

Eine Gruppe von Offizieren steht etwas abseits. Ichgehe auf sie zu, begrüße sie und frage den erstenbesten, ob er mir nicht erzählen könnte, wie derLuftkampf ausgesehen habe, denn es interessierthinterher immer sehr, von den anderen, die von untenzugesehen haben, zu erfahren, wie der Luftkampf

ausgesehen hat. Da erfahre ich, daß die EngländerBomben geworfen haben und dieses Flugzeug nochseine Bomben bei sich hatte. Der betreffende Herrnimmt mich am Arm, geht auf die Gruppe der anderenOffiziere zu, fragt noch schnell nach meinem Namen undstellt mich den Herren vor. Es war mir nicht angenehm,

denn ich hatte, wie gesagt, meine Toilette etwasderangiert. Und die Herren mit denen ich jetzt zu tunhatte, sahen alle todschick angezogen aus. Ich wurdeeiner Persönlichkeit vorgestellt, die mir nicht so ganzgeheuer erschien. Generalshosen, einen Orden zumHals heraus, dafür aber ein verhältnismäßig jugendliches Gesicht, undefinierbare Achselstücke - kurzund gut, ich wittere etwas Außerordentliches, knöpfe mirim Laufe der Unterhaltung Hofe und Kragen zu undnehme eine etwas militärischere Form an. Wer es war,wußte ich nicht. Ich verabschiede mich wieder, fahre

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nach Haufe. Abends klingelt das Telephon, und icherfahre nun, daß dies Seine Königliche Hoheit derGroßherzog von Sachsen-Coburg-Gotha war. Ich werde

zu ihm befohlen. Es war bekannt, daß die Engländer dieAbsicht hatten, auf seinen Stab Bomben zu werfen. Sohätte ich dazu beigetragen, ihm die Attentäter vom Leibezu halten. Dafür bekam ich die Sachsen-Coburg-Gothaische Tapferkeitsmedaille. Sie macht mir jedesmalSpaß, wenn ich sie sehe.

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Majo r Hawk er   

Am stolzesten war ich, als ich eines schönen Tageshörte, daß der von mir am 23. November 1916abgeschossene Engländer der englische Immelmannwar.

Dem Luftkampf nach hätte ich mir's schon denkenkönnen, daß es ein Mordskerl war, mit dem ich es zu tun

hatte.Ich flog quietschvergnügt eines schönen Tages wieder

mal auf Jagd und beobachtete drei Engländer, diescheinbar auch nichts anderes vorhatten als zu jagen.Ich merkte, wie sie mit mir liebäugelten, und da ichgerade viel Lust zum Kampfe hatte, ließ ich mich darauf

ein. Ich war tiefer als der Engländer, folglich mußte ichwarten, bis der Bruder auf mich 'runterstieß. Es dauerteauch nicht lange, schon kam er angesegelt und wolltemich von hinten fassen. Nach den ersten fünf Schüssenmußte der Kunde schon wieder aufhören, denn ich lagbereits in einer scharfen Linkskurve. Der Engländer

versuchte, sich hinter mich zu setzen, während ichversuchte, hinter den Engländer zu kommen. So drehtenwir uns beide wie die Wahnsinnigen im Kreise mitvollaufendem Motor in dreitausendfünfhundert MeternHöhe. Erst zwanzigmal linksrum, dann dreißigmalrechtsrum, jeder darauf bedacht, über und hinter den

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anderen zu kommen. Ich hatte bald spitz, daß ich es mitkeinem Anfänger zu tun hatte, denn es fiel ihm nicht imTraum ein, den Kampf abzubrechen. Er hatte zwar eine

sehr wendige Kiste, aber meine stieg dafür besser, undso gelang es mir, über und hinter den Engländer zukommen.

Nachdem wir so zweitaufend Meter tiefer gekommenwaren, ohne ein Resultat erreicht zu haben, mußte meinGegner eigentlich merken, daß nun die höchste Zeit für

ihn war, sich zu drücken, denn der für mich günstigeWind trieb uns immer mehr auf unsere Stellen zu, bis ichschließlich beinahe über Bapaume, etwa einenKilometer hinter unserer Front, angekommen war. Derfreche Kerl besaß nun noch die Unverschämtheit undwinkte mir, als wir bereits in tausend Meter Höhe waren,

ganz vergnügt zu, als wollte er sagen: „Well, well, how doyou do?“ 

Die Kreise, die wir umeinander machten, waren soeng, daß ich sie nicht weiter als achtzig bis hundertMeter schätzte. Ich hatte Zeit, mir meinen Gegneranzusehen. Ich guckte ihm senkrecht in die Karosserieund konnte jede Kopfbewegung beobachten. Hätte ernicht seine Kappe aufgehabt, so hätte ich sagen können,was für ein Gesicht er schnitt.

Allmählich wurde selbst dem braven Sportsmann diesdoch etwas zu bunt, und er mußte sich schließlichentscheiden, ob er bei uns landen wollte oder zu seinen

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 Linien zurückfliegen. natürlich versuchte er letzteres,nachdem er durch einige Loopings und solch Witzevergeblich probiert hatte, sich mir zu entziehen. Dabei

flogen meine ersten blauen Bohnen ihm um die Ohren,denn bis jetzt war keiner zu Schuß gekommen. Inhundert Metern Höhe versuchte er, durch Zickzackflüge,während deren sich von dem Beobachter bekanntlichschlecht schießen läßt, nach der Front zu entkommen.Jetzt war der gegebene Moment für mich. Ich folgte ihm

in fünfzig bis dreißig Metern Höhe, unentwegt feuernd.So mußte der Engländer fallen. Beinahe hätte mich eineLadehemmung noch um meinen Erfolg gebracht.

Mit Kopfschuß kürzte der Gegner ab, etwa fünfzigMeter hinter unserer Linie. Sein Maschinengewehrrannte in die Erde und ziert jetzt den Eingang über

meiner Haustür.

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Pour le merite  

Der Sechzehnte ist gefallen. Ich stand somit an derSpitze amtlicher Jagdflieger. Dieses war das Ziel, dasich erreichen wollte. Das hatte ich scherzeshalber malvor einem Jahr zu meinem Freund Linker gesagt, als wirzusammen schulten und er mich fragten „Was ist dennIhr Ziel - was wollen Sie erreichen als Flieger?“ Da

meinte ich so scherzhaft: „Nun, so an der Spitze derJagdflieger zu fliegen, muß doch ganz schön sein!“ Daßdies mal Tatsache würde, habe weder ich mir zugetrautnoch andere Menschen mir. Bloß Boelcke soll einmalgesagt haben - natürlich nicht mir direkt persönlich, aberman hat es mir nachher erzählt - wie er gefragt wurde:

„Wer hat denn Aussicht, mal ein guter Jagdflieger zuwerden?“ da soll er mit dem Finger auf mich gezeigt undgesagt haben. „Das ist der Mann!“

Boelcke und Immelmann hatten mit dem Achten denPour le merite  bekommen. Ich hatte das Doppelte. Waswird sich nun ereignen? Ich war sehr gespannt. Man

munkelte, ich würde eine Jagdstaffel bekommen. Dakommt eines Tages das Telegramm: „Leutnant v. R.zum Führer der Jagdstaffel II ernannt.“ Ich muß sagen,ich habe mich geärgert. Man hatte sich so schön mit denKameraden der Jagdstaffel Boelcke eingearbeitet. Nun

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wieder ganz von neuem anzufangen, das Einleben usw.war langweilig. Außerdem wäre mir der Pour le merite lieber gewesen.

Nach zwei Tagen - wir sitzen gemütlich bei derJagdstaffel Boelcke und feiern meinen Abschied -, dakommt das Telegramm aus dem Hauptquartier, daßMajestät die Gnade hatte, mir den Pour le merite  zuverleihen. Da war die Freude natürlich groß. Es war einPflaster auf das Vorangegangene.

*

Ich hatte es mir nicht so nett vorgestellt, selbst eineJagdstaffel zu führen, wie es nachher in Wirklichkeitgeworden ist. Ich habe mir nie träumen lassen, daß es

mal eine Jagdstaffel Richthofen geben würden.

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„Le petit rouge“  

Aus irgend welchen Gründen kam ich eines schönenTages auf den Gedanken, mir meine Kiste knallrotanzupinseln. Der Erfolg war der, daß sich mein roterVogel jedem Menschen unbedingt aufdrängte. Auchmeinen Gegnern schien dies tatsächlich nicht ganzunbekannt geblieben zu sein.

Gelegentlich eines Kampfes, der sich sogar an eineranderen Frontstelle abspielte wie die übrigen, glückte esmir, einen zweisitzigen Vickers, der ganz friedlich unsereArtilleriestellung photographierte, anzuschießen. DerGegner kam gar nicht dazu, sich zu wehren, und mußtesich beeilen, auf die Erde zu kommen, denn er fing

schon an, verdächtige Zeichen des Brennens von sichzu geben. Wir nennen das: „er stinkt.“ Wie sichherausstellte, war es auch tatsächlich Zeit, denn derApparat fing kurz über der Erde an, in hellen Flammenzu brennen.

Ich fühlte ein menschliches Mitleid mit meinem

Gegner und hatte mich entschlossen, ihn nicht zumAbsturz zu bringen, sondern ihn nur zur Landung zuzwingen, zumal ich das Gefühl hatte, daß der Gegnerschon verwundet war, denn er brachte keinen Schuß'raus.

In etwa fünfhundert Metern Höhe zwang mich einDefekt an meiner Maschine, im normalen Gleitflug, ohne

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eine Kurve machen zu können, gleichfalls zu landen.Nun ereignete sich etwas ganz Komisches. Mein Feindlandete mit seiner brennenden Maschine glatt, während

ich als Sieger unmittelbar daneben in denDrahthindernissen der Schützengräben einer unsererReservestellungen mich überschlug.

Es folgte eine sportliche Begrünung der beidenEnglishmen  mit mir, die wegen meines Bruches nichtwenig erstaunt waren, da sie, wie bereits erwähnt,

keinen Schuß auf mich abgegeben hatten und sich denGrund meiner Notlandung gar nicht vorstellen konnten.Es waren dies die ersten Engländer, die ich lebendigheruntergebracht habe. Deshalb machte es mirbesonders Spaß, mich mit ihnen zu unterhalten. Ichfragte sie unter anderem, ob sie meine Maschine schon

einmal in der Luft gesehen hätten. „Oh yes,“ sagte dereine, „die kenne ich ganz genau. Wir nennen sie ‚le petit

rouge’.“Nun kommt eine echt englische - in meinen klugen

Augen - Gemeinheit. Er fragte mich, weshalb ich michvor der Landung so unvorsichtig benommen hätte. DerGrund lag darin, daß ich nicht anders konnte. Da sagteder Schurke, er hätte versucht, in den letztendreihundert Metern auf mich zu schießen, habe aberLadehemmung gehabt. Ich gebe ihm Pardon - er nimmtes an und vergilt es mir nachher mit einem hinterlistigenÜberfall.

Seitdem habe ich noch keinen meiner Gegner wieder

sprechen können, aus einem naheliegenden Grunde.

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Eng l is che und f ranzös i sch e Fl i egerei  

(Februar 1917)

Zurzeit bin ich bemüht, der Jagdstaffel BoelckeKonkurrenz zu machen. Abends legen wir unsgegenseitig die Strecke vor. Wer es sind verteufelteKerls da drüben. Zu schlagen sind sie nie. Höchstens,

daß man der Staffel gleichkommt. Hundert haben sie jaschon Vorsprung. Diesen Vorsprung muß ich ihnenlassen. Es hängt ja viel davon ab, welchem Gegner mangegenüber liegt, ob man die laurigen Franzofen oder dieschneidigen Kerls, die Engländer, gegenüber hat.

Mir ist der Engländer lieber. Der Franzose kneift, der

Engländer selten. Oft kann man sogar hier vonDummheit sprechen; sie bezeichnen dies dann wohl alsDraufgängertum.

Es ist das Schöne beim Jagdflieger, daß es aufkeinerlei Kunststücke bei ihm ankommt, sondernlediglich persönlicher Schneid das Ausschlaggebende

bleibt. Es kann einer ein ganz herrlicher Sturz- undLoopingflieger sein. Er braucht deshalb noch langekeinen abzuschießen. Meiner Ansicht nach macht dasDraufgehen alles, und das liegt uns Deutschen ja.Deshalb werden wir stets die Oberherrschaft in der Luftbehalten.

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Dem Franzofen liegt es, aus dem Hinterhalt zuüberfallen und einem anderen aufzulauern.

Das läßt sich in der Luft schlecht machen.

Überrumpeln läßt sich nur ein Anfänger. Auflauern gehtnicht, da man sich ja nicht verstecken kann, auch ist dasunsichtbare Flugzeug noch nicht erfunden. Ab und zubraust wohl mal das gallische Blut in ihm auf. Dann setzter zum Angriff an; aber es ist wohl mit einerBrauselimonade zu vergleichen. Für einen Augenblick

furchtbar viel Mut, der ebenso schnell vollständigschwindet. Das zähe Durchhalten fehlt ihm.

Dem Engländer dagegen merkt man eben doch abund zu noch etwas von seinem Germanenblut an. Auchliegt dem Sportsmann das Fliegen sehr, aber sieverlieren sich zu sehr in dem Sportlichen. Sie haben

genug Vergnügen daran, Loopings, Sturzflüge, Anf-dem-Rücken-fliegen und ähnliche Scherze unseren Leuten imSchützengraben vorzumachen. Dies macht wohl bei derJohannisthaler Sportswoche Eindruck, aber derSchützengraben ist nicht so dankbar wie diesesPublikum.

Er verlangt mehr. Es soll immer englisches Pilotenblutregnen.

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Selb s t abgescho ssen  

(Mitte März 1917)

Abgeschossen ist eigentlich ein falscher Ausdruck fürdas, was mir heute passiert ist. Ich nenne abgeschossenim allgemeinen nur den, der 'runterplumpst, aber heutehabe ich mich wieder gefangen und kam noch ganz heil

'runter.Ich bin im Geschwader und sehe einen Gegner, der

gleichfalls im Geschwader fliegt. Etwa über unsererArtilleriestellung in der Gegend von Lens. Ich habe nochein ganzes Stückchen zu fliegen, bis ich die Gegenderreiche. Es ist das der nervenkitzelndste Augenblick,

das Anfliegen an den Gegner, wenn man den Feindschon sieht und noch einige Minuten Zeit hat, bis manzum Kampf kommt. Ich glaube, ich werde dann immeretwas bleich im Gesicht, aber ich habe leider noch nieeinen Spiegel mitgehabt. Ich finde diesen Augenblickschön, denn er ist überaus nervenkitzelnd, und all so

etwas liebe ich. Man beobachtet den Gegner schon vonweitem, hat das Geschwader als feindlich erkannt, zähltdie feindlichen Apparate, wägt die ungünstigen undgünstigen Momente ab. So zum Beispiel spielt es eineungeheure Atolle, ob der Wind mich im Kampfe vonmeiner Front abdrängt oder auf meine Front zudrückt.So habe ich mal einen Engländer abgeschossen, dem

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nicht.“ Er schoß mit einer Leuchtspurmunition, die an mirsichtbar vorbeiflog. Ich kam mir vor wie in demSpritzenkegel einer Gießkanne. Nicht angenehm, aber

die Engländer schießen fast durchweg mit diesemgemeinen Zeug, also muß man sich daran gewöhnen.Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, denn in diesemAugenblick, glaube ich, habe ich gelacht. Bald sollte ichaber eines Besseren belehrt werden.

Jetzt bin ich beinahe ganz heran, etwa hundert Meter,

das Gewehr ist entsichert, ich ziele noch einmal Probe,gebe einige Probeschüsse, die Gewehre sind inOrdnung. Nicht mehr lange kann es dauern. Im Geistesah ich den Gegner schon plumpsen. Die Aufregung vonvorhin ist vorüber. Man denkt ganz ruhig und sachlich,wägt die Treffwahrscheinlichkeiten von ihm und von mir

ab. Überhaupt ist der Kampf selbst am wenigstenaufregend in den meinen Fällen, und wer sich dabeiaufregt, macht einen Fehler. Er wird nie einenabschießen. Auch ist es wohl Gewohnheitssache.Jedenfalls habe ich in diesem Falle keinen Fehlergemacht. Nun bin ich auf fünfzig Meter 'ran, jetzt einigegute Schüsse, dann kann der Erfolg nicht ausbleiben. Sodachte ich mir. Aber mit einem Male gibt es einengroßen Knall, ich habe kaum zehn Schuß heraus, gleichdarauf klatscht es wieder in meiner Maschine. Es ist mirklar, ich bin getroffen. Wenigstens meine Maschine, ich

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für meine Person nicht. Im selben Augenblick stinkt esganz ungeheuerlich nach Benzin, auch läßt der Motornach. Der Engländer merkt es, denn er schießt nun um

so mehr. Ich muß sofort ablassen.Senkrecht geht es 'runter. Unwillkürlich habe ich den

Motor abgestellt. Es war auch höchste Zeit. Wenn derBenzintank durchlöchert ist und das Zeug einem so umdie Beine spritzt, ist die Gefahr des Brennens doch groß.Vor sich hat man einen über einhundertundfünfzig

„Pferde“ starken Explosionsmotor, also glühend heiß.Ein Tropfen Benzin, und die ganze Maschine brennt. Ichhinterlasse in der Luft einen weißen Streifen. Ich kenneihn beim Gegner genau. Es sind dies die Vorzeichen derExplosion. Noch bin ich dreitaufend Meter hoch, habealso noch ein ganzes Ende bis auf die Erde. Gott sei

Dank hört der Motor auf zu laufen. Die Geschwindigkeit,die das Flugzeug erreicht, kann ich nicht berechnen. Sieist jedenfalls so groß, daß ich nicht den Kopfherausstecken kann, ohne durch den Windzughintenüber gedrückt zu werden.

Bald bin ich den Gegner los und habe nun noch Zeit,bis ich auf die Erde komme, zu sehen, was denn meinevier anderen Herren machen. Sie find noch im Kampf.Man hört das Maschinengewehrfeuer des Gegners unddas der eignen. Plötzlich eine Rakete. Ist es dasLeuchtsignal eines Gegners? Aber nein. Dafür ist es zu

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groß. Es wird immer größer. Es brennt einer. Aber wasfür einer? Die Maschine sieht genau so aus wie unsere.Gott fei Dank, es ist ein Gegner. Wer mag ihn

abgeschossen habend? Gleich darauf fällt aus demGeschwader ein zweites Flugzeug heraus, ähnlich wieich, senkrecht nach unten, überschlägt sich sogar,überschlägt sich immer noch - da - jetzt hat es sichgefangen. Fliegt geradeaus genau auf mich zu. Auch einAlbatros. Gewiß ist es ihm so gegangen wie mir.

Ich bin wohl noch einige hundert Meter hoch und mußmich so sachte umgucken, wo ich denn landen will.Denn so eine Landung ist meistenteils mit Bruchverbunden. Und so ein Bruch läuft nicht immer günstigab, also - aufpassen. Ich finde eine Wiese, nicht sehrgroß, aber sie genügt gerade, wenn man etwas

vorsichtig zu Werke geht. Außerdem liegt sie mirgünstig, direkt an der Chaussee bei Henin-Lietard. Dortwill ich auch landen. Es geht alles glatt. Mein ersterGedanke ist: Wo bleibt der andere? Er landet einigeKilometer von mir entfernt.

Ich habe nun Zeit, mir den Schaden zu beschauen.Einige Treffer find darin, aber der Treffer, der michveranlaßt hat, den Kampf abzubrechen, ist einer durchbeide Benzintanks. Ich habe keinen Tropfen Benzinmehr drin, der Motor ist gleichfalls angeschossen.Schade um ihn, er lief noch so gut. Die Beine lasse ichherausbaumeln aus der Maschine und mag wohl ein

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ziemlich törichtes Gesicht gemacht haben. Sofort hatsich eine große Menge Soldaten um mich versammelt.Da kommt ein Offizier. Er ist ganz außer Atem. Sehr

aufgeregt. Gewiß ist ihm was Schreckliches passiert. Erstürzt auf mich zu, schnappt nach Luft und fragt.„Hoffentlich ist Ihnen nichts passiert? Ich habe die ganzeSache beobachtet und bin ja so ausgeregt! Herrgott, dassah schrecklich aus!“ Ich versicherte ihm, daß mir garnichts fehlte, sprang herunter, stellte mich vor.

Selbstverständlich verstand er keinen Ton von meinemNamen. Aber er forderte mich auf, mit seinem Automobilin das nahe Henin-Lietard hineinzufahren, wo seinQuartier war. Es war ein Pionieroffizier.

Wir sitzen bereits in dem Wagen und fahren geradean. Mein Gastgeber hat sich noch immer nicht beruhigt.

Plötzlich erschrickt er und fragt: „Herrgott, wo ist dennIhr Kraftfahrer?“ Zuerst wußte ich nicht recht, was ermeinte, guckte ihn wohl etwas verwirrt an. Dann wurdemir klar, daß er mich für den Beobachter eineszweisitzigen Flugzeuges hielt und nach meinemFlugzugführer fragte. Schnell faßte ich mich und sagteganz trocken. „Ich fahre allein.“ Das Wort „fahren“ ist inder Fliegertruppe verpönt. Man fährt nicht, man „fliegt“.In den Augen des braven Herrn war ich ganzentschieden durch die Tatfache, daß ich allein „fahre“,sichtbar gesunken. Die Unterhaltung wurde etwas

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spröder. Da kommen wir in seinem Quartier an. Ich habenoch immer meine schmutzige Öllederjacke an, einendicken Schal um. Unterwegs hat er mich natürlich mit

unendlich vielen Fragen bestürmt. überhaupt war derganze Herr bedeutend mehr aufgeregt als ich. Da zwanger mich, auf einem Sofa mich hinzulegen, oder wolltedies tun mit der Begründung, daß ich doch von meinemKampf noch ganz echauffiert sein müßte. Ich versicherteihm, daß ich schon manchmal luftgekämpft hätte, was

ihm aber gar nicht in den Kopf kommen wollte. Ich sahgewiß nicht sehr kriegerisch aus.

Nach einiger Unterhaltung kommt er natürlich mit derberühmten Frage. „Haben Sie schon einmal einenabgeschossen?“ Meinen Namen hatte er, wie gesagt,nicht gehört. „Ach ja,“ sagte ich, „ab und zu.“ „So-so

haben Sie etwa schon zwei abgeschossen?“ „Nein, abervierundzwanzig.“ Er lächelt, wiederholt seine Frage undmeint, unter „abgeschossen“ verstehe er einen, der'runtergefallen sei und unten liegenbliebe. Ichversicherte ihm, das wäre auch meine Auffassungdavon. Jetzt war ich ganz unten durch, denn jetzt hielt ermich für einen mächtigen Aufschneider. Er ließ michsitzen und sagte mir, daß in einer Stunde gegessenwürde, und wenn es mir recht sei, könne ich ja mitessen.Nun machte ich doch von feinem Anerbieten Gebrauchund schlief eine Stunde fest. Dann gingen wir 'rüber ins

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Ein Fl i egers t ückc hen  

(Ende März 1917)

Der Name Siegfried-Stellung ist wohl jedem Jünglingim Deutschen Reiche bekannt. In den Tagen, in denenwir uns gegen diese Stellungen zurückzogen, gab esnatürlich in der Luft auch eine rege Tätigkeit. Der

Gegner hatte zwar unser verlassenes Gebiet auf derErde bereits besetzt, die Luft dagegen überließen wirden Engländern nicht so bald, dafür sorgte JagdstaffelBoelcke. Nur ganz vorsichtig wagten sich die Engländeraus ihrem bisherigen Stellungskrieg in der Luft hervor.

Es ist das die Zeit, wo unser lieber Prinz Friedrich Karl

sein Leben dem Vaterland opferte.Bei einem Jagdflug der Jagdstaffel Boelcke hatte

Leutnant Voß einen Engländer im Luftkampf besiegt. Erwurde von seinem Bezwinger auf die Erde gedrückt undlandete in dem Gebiet, das man wohl als neutralesGebiet bezeichnen kann. Wir hatten es zwar schon

verlassen, der Gegner aber noch nicht besetzt. NurPatrouillen, sowohl englische wie deutsche, hielten sichin dieser unbesetzten Zone auf. Das englische Flugzeugstand zwischen den Linien. Der brave Englishman  hattewohl geglaubt, daß dieses Gebiet bereits von denSeinen besetzt wäre, zu welcher Annahme er auch

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berechtigt war. Voß war aber anderer Meinung. Kurzentschlossen landete er neben seinem Opfer. Mit großerGeschwindigkeit montierte er die feindlichen

Maschinengewehre und sonst noch brauchbare Teileaus der Maschine ab und verfrachtete sie in der seinen,griff zum Streichholz, und in wenigen Augenblickenstand die Maschine in hellen Flammen. Eine Minutespäter winkte er den von allen Seiten herbeiströmendenEngländern aus seinem sieggewohnten Luftroß

freundlich zu.

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Ers te Dub le t te  

Der 2. April 1917 war wieder einmal ein heißer Tag fürmeine Staffel. Von meinem Platze aus konnten wirdeutlich das Trommelfeuer hören, und gerade heute wares mal wieder sehr heftig.

Ich lag noch im Bett, da kommt mein Bursche zu mirhereingestürzt mit dem Ausruf: „Herr Leutnant, die

Engländer sind schon da!“ Noch etwas verschlafengucke ich zum Fenster 'raus, und tatsächlich, da kreisenüber den Platz meine lieben Freunde. Ich 'raus ausmeinem Bett, die Sachen angezogen war eins. Meinroter Vogel stand zur Morgenarbeit am Start. MeineMonteure wußten, daß ich diesen günstigen Augenblick

wohl nicht ungenützt vorübergehen lassen würde. Alleswar fertig. Schnell noch die Warmpelze, dann geht's.

Ich war als letzter gestartet. Meine anderenKameraden waren dem Feind viel näher. Ich fürchteteschon, daß mir mein Brauen entgehen würde, so daß ichvon weitem zusehen müßte, wie vor meinen Augen sich

einige Luftkämpfe abspielen. Da plötzlich fällt einem derfrechen Kunden ein, auf mich herunterzustoßen. Ichlasse ihn ruhig herankommen, und nun beginnt einlustiger Tanz. Bald fliegt mein Gegner auf dem Rücken

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der Punkt, wo ich eine Grenze zwischen Schneid undDummheit ziehe. runter mußte er doch. So hatte erseine Dummheit mit dem Leben bezahlen müssen.

*

Sehr vergnügt über die Lüftungen meines rotenStahlrosses bei der Morgenarbeit kehrte ich zurück.Meine Kameraden waren noch in der Luft und waren

sehr erstaunt, als wir uns beim Frühstück trafen und ichihnen von meiner Nummer Zweiunddreißig erzählenkonnte.

Ein ganz junger Leutnant hatte seinen Erstenabgeschossen, wir waren sehr vergnügt und bereitetenuns für neue Kämpfe vor.

Ich hole meine versäumte Morgentoilette nach. Dakommt ein guter Freund - Leutnant Voß von derJagdstaffel Boelcke - zu mir, um mich zu besuchen. Wirunterhalten uns. Voß hatte am Tage vorher seinenDreiundzwanzigsten erledigt. Er stand also mir amnächsten und ist wohl zurzeit mein heftigster Konkurrent.

Wie er nach Haufe fliegt, wollte ich ihn noch einStückchen begleiten. Wir machen einen Umweg über dieFront. Das Wetter ist eigentlich sehr schlecht geworden,so daß wir nicht annehmen konnten, nochWeidmannsheil zu haben.

Unter uns geschlossene Wolken. Voß, dem dieGegend unbekannt war, fing es schon an, ungemütlich

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 zu werden. Über Arras traf ich meinen Bruder, dergleichfalls bei meiner Staffel ist und sein Geschwaderverloren hatte. Er schließt sich uns auch an. Er wußte ja,

daß ich es bin (roter Vogel).Da sehen wir von drüben ein Geschwader ankommen.

Sofort zuckt es mir durch den Kopf: „NummerDreiunddreißig!“ Trotzdem es neun Engländer warenund auf ihrem Gebiet, zogen sie es doch vor, den Kampfzu meiden. (Ich werde nächstens doch mal die Farbe

wechseln müssen.) Aber wir holten sie doch ein.Schnelle Maschine ist eben die Hauptsache.

Ich bin dem Feind am nächsten und greife denhintersten an. Zu meinem größten Entzücken merke ich,daß er sich gleich in den Kampf mit mir einläßt, und mitnoch viel größerem Vergnügen, daß ihn seine

Kameraden im Stich lassen. Ich habe ihn also bald alleinvor. Es ist wiederum derselbe Typ, mit dem ich esvormittags zu tun hatte. Er machte es mir nicht leicht. Erweiß, worauf es ankommt, und besonders aber: der Kerlschoß gut. Das konnte ich zu meinem Leidwesennachher noch ziemlich genau feststellen. Der günstigeWind kommt mir zu Hilfe und treibt uns beideKämpfenden über unsere Linien. Der Gegner merkt, daßdie Sache doch nicht so einfach ist, wie er sich wohlgedacht hat, und verschwindet in einem Sturzflug ineiner Wolke. Beinahe war es seine Rettung. Ich stoßehinter ihm her, komme unten heraus und - Anlauf muß

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 eben der Mensch haben - ich sitze wie durch einWunder genau hinter ihm. Ich schieße, er schießt, aberkein greifbares Resultat. Da - endlich habe ich ihn

getroffen. Ich merke es an dem weißen Benzindunst, derhinter seinem Apparat zurückbleibt. Er muß also landen,denn sein Motor bleibt stehen.

Er war aber doch ein hartnäckiger Bursche. Er mußteerkennen, daß er ausgespielt hatte. Schoß er nun nochweiter, so konnte ich ihn sofort totschießen, denn wir

waren mittlerweile nur noch dreihundert Meter hoch.Aber der Kerl verteidigte sich genau wie der von heutemorgen, bis er unten gelandet war. Nach seinerLandung flog ich nochmals über ihn hinweg in zehnMetern Höhe, um festzustellen, ob ich ihn totgeschossenhatte oder nicht. Was macht der Kerl? Er nimmt sein

Maschinengewehr und zerschießt mir die ganzeMaschine.Voß sagte nachher zu mir, wenn ihm das passiert

wäre, hätte er ihn nachträglich noch auf dem Bodentotgeschossen. Eigentlich hätte ich es auch machenmüssen, denn er hatte sich eben noch nicht ergeben. Erwar übrigens einer von den wenigen Glücklichen, die amLeben geblieben sind.

Sehr vergnügt flog ich nach Haufe und konnte meinenDreiunddreißigsten feiern.

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Mein b is her er f o l g r eic hs te r Tag  

Wunderbares Wetter. Wir stehen auf dem Platz. Ichhabe Besuch von einem Herrn, der noch nie einenLuftkampf oder so etwas Ähnliches gesehen hat und mirgerade versichert, daß es ihn ungeheuer interessierenwürde, einen solchen Luftkampf zu sehen.

Wir steigen in unsere Kisten und lachen sehr über ihn,

und Schäfer meint: „Den Spaß können wir ihm machen!“Wir stellen ihn an ein Scherenfernrohr und fliegen los.

Der Tag fing gut an. Wir waren kaum zweitaufendMeter hoch, da kamen uns schon die ersten Engländerin einem Geschwader von fünf entgegen. Ein Angriff, dermit einer Attacke zu vergleichen war - und das feindliche

Geschwader lag vernichtet am Boden. Von uns war nichtein einziger auch nur verwundet. Die Gegner waren -zwei brennend und drei so - auf unserer Seiteabgestürzt.

Der gute Freund unten auf der Erde hatte nicht weniggestaunt. Er hatte sich die Sache ganz anders

vorgestellt; viel dramatischer. Er meinte, die Sache hätteso harmlos ausgesehen, bis plötzlich einige Flugzeuge,einer Rakete gleich, brennend abkürzten. Ich habe michan den Anblick so allmählich gewöhnt, aber ich muß

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sagen, mir hat es auch einen Mordseindruck gemacht,und ich habe noch lange davon geträumt, wie ich denersten Engländer habe in die Tiefe saufen sehen.

Ich glaube, wenn es mir noch einmal passieren würde,es wäre mir nicht mehr so schrecklich wie damals.

Nachdem dieser Tag so gut angefangen hatte, setztenwir uns erst mal zu einem ordentlichen Frühstück hin, dawir alle einen Mordshunger hatten. In der Zwischenzeitwurden unsere Maschinen wieder in Schuß gebracht,

neue Patronen geladen, und dann ging's weiter.Am Abend konnten wir die stolze Meldung machen.

Dreizehn feindliche Flugzeuge durch sechs deutscheApparate vernichtet.

Eine ähnliche Meldung hatte nur einmal dieJagdstaffel Boelcke machen können. Acht Flugzeuge

waren es, die wir damals abschossen, heute hatte einersogar vier Gegner zum Absturz gebracht. Es ist einLeutnant Wolff, ein zartes, schlankes Kerlchen, in demniemals einer einen solchen Massenflieger erblickenwürde. Mein Bruder hatte zwei, Schäfer zwei, Festnerzwei, ich drei.

Abends legten wir uns kolossal stolz, andererseitsaber auch recht müde in unsere Klappen.

Am Tage darauf lasen wir unter großem Hallo imHeeresbericht von den Taten des Tages vorher. Imübrigen schossen wir am Tage darauf acht ab.

*

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 Eine sehr niedliche Geschichte ereignete sich noch.Einer von unseren abgeschossenen Engländern war

gefangen und kommt ins Gespräch mit uns. Natürlicherkundigte er sich auch nach der roten Maschine. Selbstbei der Truppe unten im Schützengraben ist sie nichtunbekannt und geht unter dem Namen „le diable rouge“.Bei seiner Squadron hat sich das Gerücht verbreitet,daß in der roten Maschine ein Mädchen säße, so etwas

Ähnliches wie Jeanne d'Arc. Er war sehr erstaunt, wieich ihm versicherte, daß das vermutete Mädchen zurzeitvor ihm stünde. Er hatte damit keinen Witz machenwollen, sondern war selbst überzeugt, daß tatsächlich inder pervers angestrichenen Kiste nur eine Jungfrausitzen konnte.

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„ M o r i t z “  

Das schönste Wesen, das je die Welt geschaffen hat,ist die echte Ulmer Dogge, mein „kleinesSchoßhündchen“, der „Moritz“. Ich habe ihn in Ostendevon einem braven Belgier für fünf Mark gekauft. DieMutter war ein schönes Tier, einer seiner Väter auch,also ganz „rasserein“. Davon bin ich überzeugt. Ich hatte

die Auswahl und suchte mir den niedlichsten heraus.Zeumer nahm sich einen zweiten und nannte ihn „Max“.Max fand ein jähes Ende unter einem Auto, Moritz abergedieh vortrefflich. Er schlief mit mir im Bett und wurdevorzüglich erzogen. Er hat mich von Ostende ab aufSchritt und Tritt begleitet und ist mir sehr ans Herz

gewachsen. Von Monat zu Monat wurde Moritz groß undgrößer, und es entwickelte sich so allmählich aus demzarten Schoßhündchen ein ganz ungeheuer großes Tier.

Ich habe ihn sogar einmal mitgenommen. Er ist meinerster „Franz“ gewesen. Er benahm sich dabei sehrvernünftig, und sehr interessiert beäugte er sich die Welt

von oben. Nur meine Monteure schimpften nachher, daßsie das Flugzeug von einigen unangenehmen Dingenreinigen mußten. Moritz war aber nachher wieder sehrvergnügt.

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Er ist nun schon über ein Jahr alt und immer noch daskindische Tier von einigen Monaten. Er spielt sehr gutBillard. Leider geht dabei so manche Kugel, besonders

aber so manches Billardtuch flöten. Er hat auch eineRiesen-Jagdpassion. Meine Monteure sind darüber sehrglücklich, denn er fängt ihnen so manchen schönenHasenbraten. Von mir kriegt er immer dafür etwasSenge, denn ich bin weniger erbaut von dieser Passion.

Er hatte eine dumme Eigenschaft. Er liebte es, die

Flugzeuge bei jedem Start zu begleiten. Der normaleTod eines Fliegerhundes ist bei dieser Gelegenheit derTod durch den Propeller. Wieder einmal jagte er voreinem startenden Flugzeug einher, wird natürlicheingeholt und - ein sehr schöner Propeller war hin.Moritz heulte schrecklich, und eine von mir versäumte

Maßnahme wurde auf diese Weise nachgeholt. Ich habemich immer gesträubt, ihn kupieren zu lassen, d. h. imbesonderen ihm die Ohren beschneiden zu lassen. Aufder einen Seite hat es nun der Propeller nachgeholt. DieSchönheit hat ihn nie gedrückt, aber das eine Klappohrund das andere halbkupierte stehen ihm recht gut.Überhaupt, wenn der Ringelschwanz nicht wäre, wärees eine richtige, echte Ulmer Dogge.

Moritz hat den Weltkrieg und unsere Feinde richtigerfaßt. Wie er zum erstenmal im Sommer 1916russische Eingeborene sah - der Zug hielt, und Moritz

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wurde etwas spazieren geführt -, verjagte er diehinzugelaufene russische Jugend mit ungeheuremGekläff. Auch Franzofen schätzt er nicht, trotzdem er ja

eigentlich selbst ein Belgier ist. Ich gab mal in einemneuen Quartier Einwohnern den Auftrag, das Haus zusäubern. Wie ich abends wiederkam, war nichtsgemacht. Verärgert lasse ich mir einen Franzosenkommen. Kaum macht er die Tür auf, begrüßt ihn Moritzetwas unliebenswürdig. Nun konnte ich mir erklären,

weshalb die Herren mein Chateau gemieden hatten.

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Eng l i sc he Bom benangr i f f au fun seren F lugh afen  

Die Vollmondnächte sind für den Jachtflieger amgeeignetsten.

In den Vollmondnächten des Monats April betätigtensich unsere lieben Engländer besonders emsig.Natürlich war es mit der Arras-Schlacht in Verbindung zu

bringen. Sie mochten wohl herausbekommen haben,daß wir in Douai auf einem sehr, sehr schönen, großenFlugplatz uns häuslich eingerichtet hatten. Eines Nachts,wir sitzen im Kasino, klingelt das Telephon, und es wirdmitgeteilt: „Die Engländer kommen.“ Natürlich großesHallo. Unterstände hatten wir ja; dafür hatte der tüchtige

Simon gesorgt. Simon ist unser Bausachverwalter. Alsoalles stürzt in die Unterbände, und man hört tatsächlich -zuerst noch ganz leise, aber ganz sicher das Geräuscheines Flugmotors. Die Flaks und Scheinwerfer scheinenauch eben die Mitteilung bekommen zu haben, dennman merkt, wie sie sachte lebendig werden. Der erste

Feind war aber noch viel zu weit, um angegriffen zuwerden. Uns machte es einen Heidenspaß. Wirbefürchteten nur immer, die Engländer würden unserenPlatz nicht finden, denn das ist nachts gar nicht soeinfach, besonders, da wir nicht an einer großen

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 Chaussee lagen oder an einem Wasser oder an einerEisenbahn, die des Nachts die besten Anhaltspunktebilden.

Der Engländer flog scheinbar sehr hoch. Erst einmalum den ganzen Platz herum. Wir glaubten schon, erhätte sich ein anderes Ziel gesucht. Mit einem Male aberstellt er den Motor ab und kommt herunter. „Nun wird'sErnst,“ meinte Wolff. Wir hatten uns zwei Karabinergeholt und fingen an, auf den Engländer zu schießen.

Sehen konnten wir ihn ja noch nicht. Aber allein derKnall beruhigte schon unsere Nerven. Jetzt kommt er inden Scheinwerfer herein. Auf dem ganzen Flugplatzüberall ein großes Hallo. Es ist eine ganz alte Kiste. Wirkönnen den Typ genau erkennen. Er ist höchstens nocheinen Kilometer von uns entfernt. Er fliegt genau auf

unseren Platz zu. Er kommt immer niedriger. Jetzt kanner höchstens noch hundert Meter hoch sein. Da stellt erwieder den Motor an und kommt genau auf unszugeflogen. Wolff meint noch. „Gott sei Dank, er hat sichdie andere Seite des Flugplatzes ausgesucht.“ Ader esdauerte nicht lange, da kommt die erste, und dannregnet es einige Bömbchen. Es war ein wunderbaresFeuerwerk, das uns der Bruder vormachte. EinemAngsthasen konnte er auch Eindruck machen. Ich findeüberhaupt, Bombenwerfen in der Nacht ist nur moralischvon Bedeutung. Hat einer die Hosen voll, so ist es für ihnsehr peinlich, für die anderen aber nicht.

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Wir empfanden einen großen Spaß und meinten, dieEngländer könnten doch recht oft kommen. Also, meinguter Zitterschwanz warf seine Bomben ab, und zwar

aus fünfzig Metern Höhe. Das ist eine ziemlicheFrechheit, denn auf fünfzig Meter mute ich mir zu, auchdes Nachts bei Vollmond einem Keiler einen ganzanständigen Blattschuß zu verpassen. Warum sollte ichnicht auch einen Engländer treffen? Es wäre doch maletwas anderes gewesen, so einen Bruder von unten

abzuschießen.Von oben hatten wir schon mehreren die Ehre

gegeben, aber von unten hatte ich es nicht probiert. Wieder Engländer weg war, gingen wir wieder ins Kasinound besprachen uns, wie wir den Brüdern in dernächsten Nacht einen Empfang bereiten wollten. Tags

darauf sah man die Burschen usw. sehr emsig arbeiten.Sie beschäftigten sich damit, Pfähle in der Nähe desKasinos und der Offizier-Wohnbaracken einzurammen,die in der kommenden Nacht alsMaschinengewehrstände benutzt werden sollten. Wirschossen uns mit erbeuteten englischen Flugzeug-Maschinengewehren ein, machten uns ein Nachtkorndrauf und waren sehr gespannt, was nun werden würde.Die Zahl der Maschinengewehre will ich nicht verraten,aber es sollte genügen. Jeder von meinen Herren warmit so einem Ding bewaffnet.

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Wir sitzen wieder im Kasino. Gesprächstoff sindnatürlich die Nachtflieger. Da kommt ein Burschehereingestürmt und schreit nur: „Sie kommen, sie

kommen!“ und verschwindet, etwas spärlich bekleidet,im nächsten Unterstand. Jeder von uns stürzt an dieMaschinengewehre. Einige tüchtige Mannschaften, diegute Schützen sind, sind auch damit bewaffnet. Alleübrigen haben Karabiner. Die Jagdstaffel ist jedenfallsbis an die Zähne bewaffnet und bereit, die Herren zu

empfangen.Der erste kam, genau wie am Abend vorher, in

größerer Höhe, geht dann auf fünfzig Meter herunter,und zu unserer größten Freude hat er es diesmal gleichauf unsere Barackenseite abgesehen. Er ist imScheinwerfer. Jetzt ist er höchstens noch dreihundert

Meter von uns entfernt. Der erste fängt an zu schießen,und zur selben Zeit setzen alle übrigen ein. EinSturmangriff könnte nicht besser abgewehrt werden alsdieser Angriff des einzelnen frechen Kunden in fünfzigMetern Höhe. Ein rasendes Feuer empfängt ihn. Hörenkonnte er das Maschinengewehrfeuer ja nicht, daranverhinderte ihn sein Motor, aber das Mündungsfeuereines jeden sah er, und deshalb finde ich es auchdiesmal sehr schneidig von dem Bruder, daß er nichtabbog, sondern starr seinen Auftrag durchführte. Er floggenau über uns weg. In dem Augenblick, wie er überuns weg war, springen wir natürlich schnell in den

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Unterstand, denn durch so 'ne dämliche Bombeerschlagen zu werden, wäre für einen Jagdflieger einselten dämlicher Heldentod. Kaum ist er über uns weg,

wieder 'ran an die Gewehre und feste hinter ihmhergefeuert. Schäfer behauptete natürlich: „Ich habe ihngetroffen.“ Der Kerl schießt ganz gut. Aber in diesemFall glaubte ich ihm denn doch nicht, und außerdemhatte jeder andere ebenso gute Chancen.

Wir hatten wenigstens das erreicht, daß der Gegner

seine Bomben ziemlich planlos in die Gegend warf. Eineallerdings platzte ein paar Meter neben dem „petit

rouge“, tat ihm aber nicht weh. Dieser Spaß wiederholtesich in der Nacht noch mehrere Male. Ich lag bereits imBett und schlief fest, da hörte ich im TraumBallonabwehrfeuer, wachte davon auf und konnte nur

feststellen, daß der Traum Wahrheit war. Ein Kunde flogso niedrig über meine Bude weg, daß ich mir vor lauterAngst die Bettdecke über den Kopf zog. Im nächstenAugenblick ein wahnsinniger Knall, ganz in der Nähemeines Fensters, und meine Scheiben waren ein Opferder Bombe. Schnell im Hemd 'rausgestürzt und nocheinige Schuß hinter ihm her. Draußen wurde er schonkräftig beschossen. Ich hatte aber diesen Herrn leiderverschlafen.

Am nächsten Morgen waren wir sehr erstaunt undhocherfreut, als wir feststellten, daß wir nicht wenigerwie drei Engländer von der Erde aus abgeschossen

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hatten. Sie waren nicht weit von unserem Flughafengelandet und gefangengenommen worden. Wir hattenmeist die Motoren getroffen und sie dadurch

gezwungen, auf unserer Seite 'runterzugehen. Alsohatte sich vielleicht Schäfer doch nicht geirrt. Wir waren jedenfalls sehr zufrieden mit unserem Erfolg. DieEngländer dafür etwas weniger, denn sie zogen es vor,nicht mehr unseren Platz zu attackieren. Eigentlichschade, denn sie haben uns viel Spaß damit gemacht.

Vielleicht kommen sie nächsten Monat wieder.

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Schä fers No t l andu ng zw is chenden L in i en

Am Abend des 20. April machen wir einen Jagdflug,kommen sehr spät nach Hause und haben Schäferunterwegs verloren. Natürlich hofft jeder, daß er vorDunkelheit noch den Platz erreicht. Es wird Neun, eswird zehn, Schäfer kommt nicht. Benzin kann er nichtmehr haben, folglich ist er irgendwo notgelandet. Daßeiner abgeschossen ist, will man sich nie zugeben.Keiner wagt es in den Mund zu nehmen, aber jederfürchtet es im stillen. Das Telephonnetz wird inBewegung gesetzt, um zu ermitteln, wo ein Fliegergelandet ist. Kein Mensch kann uns Auskunft geben.

Keine Division, keine Brigade will ihn gesehen haben.Ein ungemütlicher Zustand. Schließlich gehen wirschlafen. Wir waren alle fest überzeugt, er würde sichnoch einfinden. Nachts um zwei werde ich plötzlichgeweckt. Die Telephonordonnanz teilt mir strahlend mit:„Schäfer befindet sich im Dorf Y und bittet um

Abholung.“Am nächsten Morgen zum Frühstück öffnet sich die

Tür, und mein braver Pilot steht in so verdrecktemAnzug vor mir, wie ihn der Infanterie nach vierzehnTagen Arras-Schlacht am Leibe hat. großes Hallo!Schäfer ist quietschvergnügt und muß seine Erlebnisse

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 der Kiste und in das nächste Granatloch 'rein, war eins.Dort besann ich mich mal erst, wo ich mich befinde. Soallmählich wird mir klar, daß ich über die Linien 'rüber

bin, aber noch verdammt nahe bei ihnen. Gott sei Dankist es etwas spät abends. Das ist meine Rettung.

Es dauert nicht lange, da kommen die erstenGranaten an. Natürlich sind es Gasgranaten, und eineMaske hatte ich selbstverständlich nicht mit. Also mirfingen die Augen ganz erbärmlich an zu tränen. Die

Engländer schossen sich vor Dunkelheit auch noch mitMaschinengewehren auf meine Landungsstelle ein, einMaschinengewehr offenbar auf mein Flugzeug, dasandere auf meinen Granattrichter. Die Kugeln klatschtenoben immer dagegen. Ich streckte mir daraufhin, ummeine Nerven zu beruhigen, erst mal eine Zigarette an,

ziehe mir meinen dicken Pelz aus und mache mich zumSprung auf! Marsch, marsch! bereit. Jede Minuteerscheint wie eine Stunde.

Allmählich wurde es dunkel, aber nur ganz allmählich.Um mich herum locken die Rebhühner. Als Jägererkannte ich, daß die Hühner ganz friedlich und vertrautwaren, also war keine Gefahr, daß ich in meinemVerdeck überrascht wurden Schließlich wurde es immerfinsterer. Auf einmal geht ganz in meiner Nähe einPärchen Rebhühner hoch, gleich darauf ein zweites, und

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 ich erkannte daraus, daß Gefahr im Anzuge war.Offenbar war es eine Patrouille, die mir Guten Abendsagen wollte. Nun wird's die höchste Zeit, daß ich mich

aus dem Staube mache. Erst ganz vorsichtig auf demBauche kriechend, von Granatloch zu Granatloch. Ichkomme nach etwa anderthalb Stunden eifrigenKriechens an die ersten Menschen. Sind es Engländer,oder find es Deutsche? Sie kommen heran, und beinahewäre ich den Musketieren um den Hals gesprungen, als

ich sie erkannte. Es war eine Schleichpatrouille, die sichim neutralen Zwischengelände herumtreibt. Einer derLeute führte mich zu seinem Kompanieführer, und hiererfuhr ich denn, daß ich am Abend zuvor etwa fünfzigSchritte vor der feindlichen Linie gelandet sei und unsereInfanterie mich bereits aufgegeben hatte. Ich nahm mal

erst ein ordentliches Abendbrot zu mir und trete dannden Rückmarsch an.Hinten wurde viel mehr geschossen als vorn. Jeder

Weg, jeder Annäherungsgraben, jedes Gebüsch, jederHohlweg, alles lag unter feindlichem Feuer. Amnächsten Morgen griffen die Engländer an, sie mußtenalso heute abend ihre Artillerievorbereitung beginnen.Ich hatte mir also einen ungünstigen Tag für meinUnternehmen ausgesucht. Erst gegen zwei Uhr morgenserreichte ich das erste Telephon und konnte mich mitmeiner Staffel in Verbindung setzen.“

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Wir waren alle glücklich, unseren Schäfer wieder zuhaben. Er legte sich ins Bett. Jeder andere hätte mal fürdie nächsten vierundzwanzig Stunden auf den Genuß

des Jagdfliegens verzichtet. Mein Schäfer attackierteaber bereits am Nachmittag desselben Tages wiederumüber Monchy einen ganz tieffliegenden B. E.

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Das An i t -Ric h t ho fen-Gesch wader   

(25.April 1917)

Die Engländer hatten sich einen famosen Witzausgedacht, nämlich mich zu fangen oderabzuschießen. Zu diesem Zwecke hatten sie tatsächlichEin besonderes Geschwader aufgestellt, das in dem

Raum flog, in dem wir uns meistens 'rumtrieben. Wirerkannten es daran, daß es hauptsächlich gegen unsereroten Flugzeuge offensiv wurde.

Ich muß bemerken, daß wir unsere ganze Jagdstaffelrot angemalt hatten, da den Brüdern doch allmählich klargeworden war, daß ich in dieser knallroten Kiste säße.

So waren wir jetzt alle rot, und die Engländer machtenrecht große Augen, wie sie statt der einen ein ganzesDutzend solcher Kisten sahen. Das hielt sie aber nichtab, den Versuch zu machen, uns zu attackieren. Es istmir ja viel lieber, die Kundschaft kommt zu mir, als daßich zu ihr hingehen muß.

Wir flogen an die Front, in der Hoffnung, unsereGegner zu finden. Nach etwa zwanzig Minuten kamendie ersten an und attackierten uns tatsachlich. Das waruns schon seit langer Zeit nicht mehr passiert. DieEngländer hatten ihren berühmten Offensivgeist doch

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etwas eingeschränkt, da er ihnen wohl etwas zu teuer zusehen gekommen war. Es waren drei Spad-Einsitzer, diesich infolge ihrer guten Maschinen uns sehr überlegen

glaubten. Es flogen zusammen: Wolff, mein Bruder undich. Drei gegen drei, das paßte also ganz genau. Gleichzu Anfang wurde aus dem Angriff eine Verteidigung.Schon hatten wir überhand. Ich kriegte meinen Gegnervor und konnte noch schnell sehen, wie mein Bruder undWolff sich jeder einen dieser Burschen vorbanden. Es

begann der übliche Tanz, man kreist umeinander. Dergute Wind kam uns zu Hilfe. Er trieb uns Kämpfende vonder Front weg, Richtung Deutschland.

Meiner war der erste, der stürzte. Ich hatte ihm wohlden Motor zerschossen. Jedenfalls entschloß er sich, beiuns zu landen. Pardon kenne ich nicht mehr, deshalb

attackierte ich ihn noch ein zweites Mal, worauf dasFlugzeug in meiner Geschoßgarbe auseinanderklappte.Die Flächen fielen wie ein Blatt Papier, jede einzeln, undder Rumpf sauste wie ein Stein brennend in die Tiefe. Erfiel in einen Sumpf. Man konnte ihn nicht mehrausgraben. Ich habe nie erfahren, wer es war, mit demich gekämpft habe. Er war verschwunden. Bloß noch dieletzten Reste des Schwanzes verbrannten und zeigtendie Stätte, wo er sich selbst sein Grab gegraben hatte.

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Gleichzeitig mit mir hatten Wolff und mein Bruder ihreGegner angegriffen und nicht weit von dem meinigen zurLandung gezwungen.

Wir flogen sehr vergnügt nach Haufe und meinten:„Hoffentlich kommt recht oft das Anti-Richthofen-Geschwader.“

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Der „ al te Her r “ kommt uns b esuchen  

Für den 29. April hatte sich der „alte Herr“ angesagt,der seine beiden Söhne besuchen wollte. Mein Vater istOrtskommandant eines Städtchens in der Nähe vonLille, also nicht sehr weit weg von uns. Von oben kannich ihn öfters sehen. Er wollte mit dem Zuge um neunUhr kommen. Um halb Zehn ist er auf unserem Platz.

Wir kommen gerade von einem Jagdflug nach Hause,und mein Bruder steigt zuerst aus seiner Kiste, begrüßtden alten Herrn: „Guten Tag, Papa, ich habe eben einenEngländer abgeschossen.“ Darauf steige ich aus meinerMaschine. „Guten Tag, Papa, ich habe eben einenEngländer abgeschossen.“ Der alte Herr war glücklich,

es machte ihm viel Spaß, das sah man ihm an. Er istnicht einer von den Vätern, die sich um ihre Söhnebangen, sondern am liebsten möchte er selbst sich ineine Maschine setzen und auch abschießen - glaube ichwenigstens. Wir frühstückten erst mit ihm, dann flogenwir wieder.

In der Zwischenzeit spielte sich ein Luftkampf überunserem eigenen Flughafen ab, den mein Vater sehrinteressiert beobachtete. Wir waren aber nicht beteiligt,denn wir standen unten und sahen selbst zu. Es war einenglisches Geschwader, das durchgebrochen war undüber unserem Flughafen von einigen unserer

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 Aufklärungsflieger angegriffen wurde. Plötzlichüberschlägt sich das eine Flugzeug, fängt sich wiederund kommt herunter im normalen Gleitflug, und wir

erkennen mit Bedauern, daß es diesmal ein Deutscherist. Die Engländer fliegen weiter. Das deutsche Flugzeugist scheinbar angeschossen, kommt aber ganz richtiggesteuert herunter und versucht, auf unserem Flugplatzzu landen. Der Platz ist etwas klein für das große Ding.Auch war es dem Piloten unbekanntes Gelände. So war

die Landung nicht ganz glatt. Wir stürzen hin undmüssen mit Bedauern feststellen, daß der eine derInsassen, der Maschinengewehrschütze, gefallen ist.Dieser Anblick war meinem Vater etwas Neues undstimmte ihn offenbar sehr ernst.

Der Tag versprach noch gut zu werden für uns.

Wunderbar klares Wetter. Dauernd hörte man dieAbwehrgeschütze; also unentwegter Flugbetrieb. GegenMittag flogen wir wieder. Diesmal hatte ich wieder Glückund hatte meinen zweiten Engländer an dem Tageabgeschossen. Die Stimmung des alten Herrn warwieder da. Nach Tisch ein kurzes Schläfchen und manwar wieder ganz auf der Höhe. Wolff war mit seinerGruppe während der Zeit am Feinde gewesen und hatteselbst einen erledigt. Auch Schäfer hatte sich einen zuGemüte geführt. Nachmittags karteten mein Bruder undich mit Schäfer, Festner und Allmenröder noch zweimal.

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Der erste Flug war verunglückt, der zweite Flug um sobesser. Wir waren nicht lange an der Front, da kam unsein feindliches Geschwader entgegen. Leider sind sie

höher als wir. Also können wir nichts machen. Wirversuchen, ihre Höhe zu erreichen: es glückt uns nicht.Wir müssen sie auslassen, fliegen an der Front entlang,mein Bruder dicht neben mir, den anderen voraus. Dasehe ich zwei feindliche Artillerieflieger in ganzunverschämt frecher Weise nahe an unsere Front

herankommen. Ein kurzer Wink meines Bruders, und wirhatten uns verständigt. Wir fliegen nebeneinander her,unsere Geschwindigkeit vergrößernd. Jeder fühlt sich sosicher, einmal sich selbst dem Feinde überlegen.Besonders aber konnte man sich aufeinander verlassen.Denn das ist eben die Hauptsache. Man muß wissen,

mit wem man fliegt. Also mein Bruder war zuerst an dieGegner heran, greift sich den ersten, der ihm amnächsten fliegt, heraus, ich mir den zweiten.

Nun gucke ich mich noch schnell um, daß nicht nochein dritter in der Nähe ist; aber wir sind allein. Aug' inAuge. Ich habe meinem Gegner bald die günstigsteSeite abgerungen, ein kurzes Reihenfeuer, und dasfeindliche Flugzeug platzt auseinander. So schnell warmir ein Kampf noch nie vorgekommen.

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Während ich noch beobachte, wo die Trümmermeines Gegners herunterstürzen, gucke ich mich nachmeinem Bruder um. Er war kaum fünfhundert Meter von

mir entfernt, noch im Kampf mit seinem Gegner.Ich hatte Zeit, mir dieses Bild genau anzusehen, und

muß sagen, daß ich selbst es nicht hätte besser machenkönnen. Auch er hatte bereits den Gegner überrumpelt,und beide drehten sich umeinander. Da plötzlich bäumtsich das feindliche Flugzeug auf - ein sicheres Zeichen

des Getroffenseins, gewiß hatte der Führer Kopfschußoder so etwas - das Flugzeug stürzt, und die Flächendes feindlichen Apparates klappen auseinander. DieTrümmer fallen ganz in die Nähe meines Opfers. Ichfliege an meinen Bruder heran und gratuliere ihm, d. h.wir winkten uns gegenseitig zu. Wir waren befriedigt und

flogen weiter. Es ist schön, wenn man mit seinem Bruderso zusammen fliegen kann.Die anderen waren in der Zwischenzeit auch

herangekommen und hatten sich das Schauspiel, dasihnen die beiden Brüder boten, angeguckt, denn helfenkann man ja nicht, einer kann nur abschießen, und isteiner mit dem Gegner beschäftigt, so können dieanderen nur zusehen, ihm den Rücken decken, damit ernicht von hinten von einem Dritten belapst wird.

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Wir fliegen weiter, gehen auf größere Höhe, dennoben haben sich einige aus dem Klub der Anti-Richthofen zusammengefunden. Wir waren mal wieder

gut zu erkennen, die Sonne vom Westen herbeleuchtete die Apparate und ließ sie in ihrer schönenroten Farbe weithin schillern. Wir schlossen uns engzusammen, denn jeder wußte, daß man es mit Brüdernzu tun hat, die dasselbe Metier verfolgen wie wir selbst.Leider sind sie wieder höher, so daß wir auf ihren Angriff

warten müssen. Die berühmten Dreidecker und Spads,ganz neue Maschinen, aber es kommt eben nicht auf dieKiste an, sondern auf den, der drinnen sitzt; die Brüderwaren laurig und hatten keinen Mumm. Wir boten ihnenden Kampf an, sowohl bei uns wie auch drüben. Abersie wollten ihn nicht annehmen. Wozu prahlen sie erst

mit ihrem Geschwader, das angesetzt ist, um michabzuschießen, wenn ihnen nachher doch das Herz in dieHosen fällt?

Endlich hat einer Mut gefaßt und stößt auf unserenletzten herunter. Natürlich wird der Kampf angenommen,obwohl es ja für uns ungünstig ist, denn der, der drüberist, ist im Vorteil. Aber wenn einem die Kundschaft nichtmehr gibt, muß man sie halt nehmen, wie sie kommt.Also macht alles kehrt. Der Engländer merkt es und läßtsofort ab. Nun ist aber der Anfang gemacht. Einanderer Engländer versucht das gleiche. Er hat sich

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mich als Gegner ausgesucht, und ich begrüße ihn gleichmit einer Salve aus beiden Maschinengewehren. Diesschien er nicht zu schätzen. Er versuchte, sich durch

einen Sturzflug mir zu entziehen. Das war seinverderben. Denn dadurch kam er unter mich. Nun bliebich über ihm. Was unter mir ist, womöglich noch alleinund auf unserem Gebiet, kann wohl als verloren gelten,besonders, wenn es ein Einsitzer ist, also einJagdflieger, der nicht nach hinten 'rausschießen kann.

Der Gegner hatte eine sehr gute Maschine und war sehrschnell. Aber es sollte ihm nicht glücken, seine Linien zuerreichen. Über Lens fing ich an, auf ihn zu schießen.Ich war noch viel zu weit. Es war aber ein Trick von mir,ich beunruhigte ihn dadurch. Er kroch auf den Leim undmachte Kurven. Dies nützte ich aus und kam etwas

näher heran. Schnell versuchte ich dasselbe Manövernochmals und zum drittenmal. Jedesmal fiel meinFreund darauf 'rein. So hatte ich mich sachte an ihnherangeschossen. Nun bin ich ganz nahebei. Jetzt wirdsauber gezielt, noch einen Augenblick gewartet,höchstens noch fünfzig Meter von ihm entfernt, drückeich auf beide Maschinengewehrknöpfe. Erst ein leisesRauschen, das sichere Zeichen des getroffenenBenzintanks, dann eine helle Flamme, und mein Lordverschwindet in der Tiefe.

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Dieser war der Vierte an diesem Tage. Mein Bruderhatte zwei. Dazu hatten wir den alten Herrn scheinbareingeladen. Die Freude war ganz ungeheuer.

Abends hatte ich mir noch einige Herren eingeladen,unter anderen meinen guten Wedel, der zufällig auch inder Gegend war. Das Ganze war eine geglückte,verabredete Sache. Sechs Engländer hatten die beidenBrüder also an einem Tage abgeschossen. Das istzusammen eine ganze Fliegerabteilung. Ich glaube, wir

waren den Engländern unsympathisch.

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Flu g i n d ie Heim at  

Fünfzig sind abgeschossen. Zweiundfünfzig fandich besser. Deshalb schoß ich gleich am selben Tagezwei mehr ab. Es ging eigentlich gegen dieVerabredung.

Eigentlich hatte man mir bloß einundvierzig zugebilligt;weshalb die Zahl einundvierzig herauskam, kann sich

wohl jeder denken, aber gerade deshalb wollte ich esdurchaus vermeiden. Ich bin kein Rekordarbeiter,überhaupt liegen uns in der Fliegertruppe alle Rekordefern. Man erfüllt nur seine Pflicht. Boelcke hätte hundertabgeschossen, wäre ihm nicht das Unglück passiert.Und manch anderer der guten gefallenen Kameraden

hätte eine ganz andere Zahl erreichen können, wenn ihnnicht sein plötzlicher Tod daran verhindert hätte. Aber soein halbes Hundert macht einem eben doch auch Spaß.Nun hatte ich es schließlich auch erreicht, daß man mirfünfzig zubilligte, bevor ich meinen Urlaub antrat.

Hoffentlich kann ich noch das zweite Fünfzig feiern.

Am Abend desselben Tages klingelte es, und nichtsgeringeres als das „Große Hauptquartier“ wünschte michzu sprechen. Ich kam mir ganz spaßig vor, so mit der„großen Bude“ verbunden zu sein. Ich erhielt unter

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Kreise dieser lieben Menschen meine Tätigkeit wiederaufnehmen zu können.

Der Flug ging nun über Lüttich, Namur auf Aachen

und Köln. Es war doch schön, so mal ohne kriegerischeGedanken durch das Luftmeer zu segeln. HerrlichesWetter, wie wir es schon seit langem nicht gehabthatten. Gewiß gab es am heutigen Tage mächtig viel zutun an der Front. Bald sind die eigenen Fesselballonsnicht mehr zu sehen. Immer weiter weg von dem Donner

der Schlachten von Arras. Unter uns Bilder desFriedens. Fahrende Dampfer. Dort saust ein D-Zugdurchs Gelände, wir überholen ihn spielend. Der Windist uns günstig. Die Erde scheint uns wie eine Tenne soplatt. Die schönen Maasberge sind nicht zu erkennen alsBerge. Man erkennt sie nicht einmal am Schatten, denn

die Sonne steht fast senkrecht. Man weiß nur, daß sievorhanden sind, und mit etwas Phantasie kann man sichsogar in ihre kühlen Schluchten verkriechen.

Es war doch etwas spät geworden, und so kamen wirin die Mittagsstunde. Eine Wolkenschicht zieht sich unteruns zusammen und verdeckt die Erde völlig. NachSonne und Kompaß orientierend fliegen wir weiter. DieNähe von Holland ist uns allmählich aber dochunsympathisch, und so ziehen wir es vor, wieder mitdem Erdboden Fühlung zu nehmen. Wir gehen unter die

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Wolke und befinden uns gerade über Namur. Nun gehtes weiter nach Aachen. Aachen lassen wir links liegenund erreichen zur Mittagszeit Köln. Die Stimmung in

unserem Flugzeug war gehoben. Vor uns ein längererUrlaub, außerdem das schöne Wetter, die gelungeneSache, wenigstens Köln erreicht zu haben, und dieGewißheit, daß, wenn einem auch jetzt etwas passiert,man doch noch das Große Hauptquartier erreichenkonnte.

Man hatte uns in Köln telegraphisch angesagt, sowurden wir dort erwartet. Am Tage vorher hatte meinzweiundfünfzigster Luftsieg in der Zeitung gestanden. Sowar der Empfang auch danach.

Durch den dreistündigen Flug hatte ich doch etwasSchädelbrummen, und so zog ich es vor, erst einen

kleinen Mittagsschlummer einzulegen, bevor ich imgroßen Hauptquartier eintraf. Wir flogen nun von Kölnein ganzes Stückchen den Rhein entlang. Ich kannte dieStrecke. Ich bin sie oft gefahren, auf dem Dampfer, mitdem Auto und der Eisenbahn, und nun im Flugzeug.Was war das Schönste? Es ist schwer zu sagen.Gewisse Einzelheiten sieht man ja natürlich vomDampfer aus besser. Aber der Gesamtblick aus demFlugzeug ist auch nicht zu verachten. Der Rhein hateben einen besonderen Reiz, so auch von oben. Wirflogen nicht zu hoch, um nicht das Gefühl der Berge

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völlig zu verlieren, denn das ist doch wohl das Schönsteam Rhein, die riesigen, bewaldeten Höhen, die Burgenusw. Die einzelnen Häuser konnten wir natürlich nicht

sehen. Schade, daß man nicht langsam und schnellfliegen kann. Ich hätte gewiß den langsamsten Gangeingestellt.

Nur zu schnell verschwand ein schönes Bild nach demanderen. Man hat, wenn man höher fliegt, ja nicht dasGefühl, daß es sehr schnell vorwärts geht. In einem Auto

oder einem D-Zug zum Beispiel kommt einem dieGeschwindigkeit ganz ungeheuer vor, dagegen imFlugzeug eigentlich immer langsam, wenn man einegewisse Höhe erreicht hat. Man merkt es eigentlich erstdaran, wenn man mal fünf Minuten nicht 'rausgeguckthat und dann mit einem Male wieder die Orientierung

aufnimmt. Da ist das Bild, das man noch kurz vorher imKopfe hatte, mit einem Male völlig verändert. Was manunter sich sah, sieht man auf einmal in einem Winkel,gar nicht zum wiedererkennen. Deshalb kann man sichso schnell verorientieren, wenn man mal für einenAugenblick nicht aufpaßt. So kamen wir am Nachmittagim großen Hauptquartier an, herzlich empfangen voneinigen mir bekannten Kameraden, die dort in der„Großen Bude“ zu arbeiten haben. Sie tun mir ordentlichleid, die Tintenspione. Sie haben ja nur den halben Spaßvom Kriege. Zunächst meldete ich mich bei dem

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Kommandierenden General der Luftstreitkräfte. Amnächsten Vormittag ereignete sich nun der großeMoment, wo ich Hindenburg und Ludendorff vorgestellt

werden sollte. Ich mußte eine ganze Weile warten. Wiedie Begrüßung im einzelnen war, kann ich eigentlichschlecht schreiben. Erst meldete ich mich beiHindenburg, dann bei Ludendorff.

Es ist ein unheimliches Gefühl in dem Raum, wo dasGeschick der Erde entschieden wird. So war ich ganz

froh, wie ich die „Große Bude“ wieder hinter mir hatteund mittags bei Seiner Majestät zum Frühstück befohlenwar. Es war ja heute mein Geburtstag, und irgendeinerhatte es wohl Seiner Majestät verraten, und sogratulierte er mir. Einmal zu meinem Erfolg, dann zumfünfundzwanzigsten Lebensjahr. Auch ein kleines

Geburtstagsgeschenk überraschte mich.Früher hätte ich es mir wohl nie träumen lassen, daßich am fünfundzwanzigsten Geburtstag rechts vonHindenburg sitzen und in einer Rede vomGeneralfeldmarschall erwähnt werden würden

*

Tags darauf war ich zu Mittag bei Ihrer Majestäteingeladen und fuhr zu diesem Zweck nach Homburg.Dort war ich zum Frühstück bei Ihrer Majestät, wurdegleichfalls mit einem Geburtstagsgeschenk bedacht,und ich hatte noch die große Freude, Ihrer Majestät

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 einen Start vorzuführen. Abends war ich nochmals beidem Generalfeldmarschall v. Hindenburg eingeladen.Den Tag darauf flog ich nach Freiburg, um dort einen

Auerhahn zu schießen. Von Freiburg aus benutzte ichein Flugzeug, das nach Berlin flog. In Nürnberg wurdeBenzin aufgefüllt. Da zog ein Gewitter auf. Ich hatte esaber dringend eilig, in Berlin anzukommen. Allerhandmehr oder weniger interessante Dinge warteten dortmeiner. So flog ich trotz des Gewitters weiter. Mir

machten die Wolken und das Schweinewetter Spaß.Es goß mit Kannen. Ab und zu etwas Hagel. DerPropeller sah nachher ganz toll aus, durch dieHagelkörner zerschlagen, wie eine Säge. Leider machtemir das Wetter so viel Spaß, daß ich darüber gänzlichvergaß aufzupassen, wo ich mich befand. Wie ich

wieder die Orientierung aufnehmen will, habe ich keinenDunst mehr, wo ich bin. Eine schöne Bescherung! In derHeimat „verfranzt“! Das mußte natürlich gerade mirpassieren. Wie würden die zu Hause sich amüsieren,wenn sie das wüßten! Aber es war an der Tatsachenichts zu ändern. Ich wußte nicht mehr, wo ich war. Ichwar durch den starken Wind und das niedrige Fliegensehr abgetrieben worden und von meiner Karteheruntergekommen und mußte nun nach Sonne undKompaß notdürftig die Richtung nach Berlin einhalten.Städte, Dörfer, Flüsse, Wälder jagen unter mir dahin. Ich

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erreichten wir Berlin. Wir waren in der Nähe von Leipzignotgelandet. Hätten wir nicht die Dummheit gemacht, sowären wir gewiß noch nach Berlin gekommen, aber wie

man's macht, macht man's falsch.Einige Tage später traf ich in meiner Heimatstadt

Schweidnitz ein. Obwohl es sieben Uhr morgens war,hatte sich doch eine ganze Menge Menschen auf demBahnhof angefunden. Die Begrüßung war herzlich. AmNachmittag wurden mir verschiedene Ehrungen zuteil,

darunter auch durch Jugendwehr.Im großen und ganzen wurde mir klar, daß die Heimat

sich für ihre Kämpfer im Felde doch lebhaft interessiert.

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Mein Bru der   

Ich war noch nicht acht Tage auf Urlaub, da kriegte ichdie telegraphische Nachricht: „Lothar verwundet, nichtlebensgefährlich.“ Mehr nicht. Nähere Erkundigungenergaben, daß er wieder mal recht leichtsinnig gewesenwar. Er flog mit Allmenröder zusammen gegen denFeind. Da sah er tief unten, ziemlich weit drüben, einen

allein herumkrebsenden Englishman. Das sind so diefeindlichen Infanterieflieger, die unseren Truppenbesonders lästig fallen. Jedenfalls beunruhigen sie sehr.Ob sie wirklich etwas erreichen mit ihrem tiefenRumkrebsen, ist sehr die Frage. Mein Bruder war etwazweitaufend Meter hoch, der Engländer taufend Meter

pirscht sich 'ran, setzt zum Sturzflug an und ist inwenigen Sekunden bei ihm. Der Engländer zog es vor,den Kampf zu vermeiden, und verschwand gleichfalls imSturzflug in der Tiefe. Mein Bruder, nicht faul, hinterher.Ganz schnuppe, ob es drüben oder bei uns ist. Nur einGedanke: er muß 'runter. Das ist ja auch natürlich das

richtige. Ab und zu mache ich's auch. Aber wenn esmein Bruder bei jedem Fluge nicht mindestens einmalgemacht hat, macht ihm das ganze Unternehmen keinenSpaß. Erst ganz kurz über dem Boden kriegt en ihnwirklich gut vor und kann ihm den Laden vollschießen.

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Der Engländer stürzt senkrecht in die Erde. Viel bleibtnicht mehr übrig.

Nach so einem Kampfe, besonders in geringer Höhe,

in dem man sich so oft gedreht und gewendet hat, malrechtsrum und mal linksrum geflogen ist, hat dernormale Sterbliche keine Ahnung mehr, wo er sichbefindet. Nun war es an diesem Tage noch etwasdunstig, also ein besonders ungünstiges Wetter. Schnellhatte er sich orientiert und merkt erst jetzt, daß er doch

wohl ein ganzes Ende hinter der Front ist. Er war hinterder Vimy-Höhe. Die Vimy-Höhen sind etwa hundertMeter hoher als die andere Gegend. Mein Bruder warhinter diesen Vimy-Höhen verschwunden - behaupten jedenfalls die Beobachter von der Erde aus.

Dieses Nachhausefliegen, bis man seine eigene

Stellung erreicht hat, gehört nicht zu den angenehmenGefühlen, die man sich denken kann. Man kann nichtsdagegen tun, daß einen der Gegner beschießt. Nurselten treffen sie. Mein Bruder näherte sich der Linie. Inso geringer Höhe kann man jeden Schuß hören, es hörtsich an, wie wenn Kastanien im Feuer platzen, wenn dereinzelne Infanterist schießt. Da - mit einem Male fühlteer einen Schlag, getroffen. Das war ihm klar. Er zählt zuden Menschen, die nicht ihr eignes Blut sehen können.Bei einem anderen macht es ihm keinen Eindruck;

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wenigstens weniger. Aber sein eigenes Blut stört ihn. Erfühlt, wie es ihm warm am rechten Bein herunterläuft,zur gleichen Zeit auch einen Schmerz in der Hüfte.

Unten wird noch immer geknallt. Also ist er noch drüben.Da endlich hört es so sachte auf, und er ist über unsereFront hinüber. Nun muß er sich aber beeilen, denn seineKräfte lassen zusehends nach. Da sieht er einen Wald,daneben eine Wiese. Also auf die Wiese zu. DieMündung schnell herausgenommen, der Motor bleibt

stehen, und in demselben Augenblick ist es alle mitseinen Kräften, die Besinnung hat ihn verlassen. Er sitzt ja nun ganz allein in seinem Flugzeug, also ein zweiterkonnte ihm nicht helfen. Wie er auf die Erdehinuntergekommen ist, ist eigentlich ein Wunder. Dennvon allein startet und landet kein Flugzeug. Man

behauptet dies nur von einer alten Taube in Köln, dievon einem Monteur zum Start zurechtgemacht ist undgerade in dem Augenblick, wie der Pilot sichhineinsetzen will, von allein losfliegt, von allein eineKurve macht und nach fünf Minuten wieder landet. Daswollen viele Männer gesehen haben. Ich habe es nichtgesehen - aber ich bin doch fest davon überzeugt, daßes wahr ist. Mein Bruder jedenfalls hatte nicht so eineTaube, die von allein landet, aber trotzdem hatte er sichbei dem Berühren mit dem Erdboden nichts getan. Erst

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im Lazarett fand er die Besinnung wieder. Er wurde nachDouai transportiert.

Es ist für einen Bruder ein ganz eigenartiges Gefühl,

wenn man den anderen in einen Kampf mit einemEngländer verwickelt sieht. So sah ich zum Beispieleinmal, wie Lothar hinter dem Geschwader etwasherhängt und von einem Engländer attackiert wird. Eswäre für ihn ein leichtes gewesen, den Kampf zuverweigern. Er braucht bloß in der Tiefe zu

verschwinden. Aber nein, das tut er nicht! Der Gedankekommt ihm scheinbar gar nicht. Ausreißen kennt ernicht. Zum Glück hatte ich dies beobachtet und paßteauf. Da sah ich, wie der Engländer, der über ihm war,immer auf ihn 'runterstößt und schießt. Mein Bruderversucht, seine Höhe zu erreichen, unbekümmert, ob er

beschossen wird oder nicht. Da - mit einem Maleüberschlägt sich das Flugzeug, und die rotangestrichene Maschine stürzt senkrecht, sich um sichselbst drehend, herunter. Keine gewollte Bewegung,sondern ein regelrechter Absturz. Dieses ist für denzuwenden Bruder nicht das schönste aller Gefühle. Aberich habe mich so sachte daran gewöhnen müssen, dennmein Bruder benutzte es als Trick. Wie er erkannt hatte,daß der Engländer ihm über war, markierte er einAngeschossensein. Der Engländer hinterher, meinBruder fängt sich und hat ihn im Umsehen überstiegen.Das feindliche Flugzeug konnte sich nicht so schnell

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wieder aufrichten und zur Besinnung kommen, da saßihm mein Bruder im Nacken, und einige Augenblickespäter schlugen die Flammen heraus. Dann ist nichts

mehr zu retten, dann stürzt das Flugzeug brennend ab.Ich habe mal auf der Erde neben einem Benzintank

gestanden, wo hundert Liter auf einmal explodierten undverbrannten. Ich konnte nicht zehn Schritt danebenstehen, so heiß wurde mir. Und nun muß man sichvorstellen, daß auf wenige Zentimeter vor einem so ein

Tank von vielen fünfzig Litern explodiert und derPropellerwind die ganze Glut einem ins Gesicht treibt.Ich glaube, man ist im ersten Moment schonbesinnungslos, und es geht jedenfalls am schnellsten.

Aber es passieren doch ab und zu Zeichen undWunder. So sah ich z. B. einmal ein englisches

Flugzeug brennend abkürzen. Die Flammen schlugenerst in fünfhundert Metern Höhe heraus. Die Maschinestand in hellen Flammen. Wie wir nach Hause fliegen,erfahren wir, daß der eine der Insassen aus fünfzigMetern Höhe herausgesprungen ist. Es war derBeobachter. Fünfzig Meter Höhe! Man muß sich mal dieHöhe überlegen. Der höchste Kirchturm, der in Berlin ist,reicht gerade heran. Man springe mal von der Spitzedieses Turmes herunter! Wie man wohl untenankommen mag! Die meisten brächen sich's Genick,wenn sie aus dem Hochparterre herausbringen würden.

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Jedenfalls, dieser brave „Franz“ sprang aus seinembrennenden Flugzeug aus fünfzig Meter Höhe heraus,das bereits mindestens eine Minute gebrannt hatte, und

machte sich weiter nichts als einen glattenUnterschenkelbruch. Er hat sogar, gleich nachdem ihmall dies passiert ist, noch Aussagen gemacht, also seinseelischer Zustand hatte nicht einmal gelitten.

Ein andermal schoß ich einen Engländer ab. DerFlugzeugführer hatte einen tödlichen Kopfschuß, das

Flugzeug stürzte steuerlos, senkrecht, ohne sich zufangen, aus dreitausend Metern Höhe in die Erde. Eineganze Weile später erst kam ich im Gleitflug hinterherund sah unten weiter nichts als einen wüsten Haufen. Zumeinem Erstaunen erfuhr ich, der Beobachter habe nureinen Schädelbruch, und sein Zustand sei nicht

lebensgefährlich. Glück muß eben der Mensch haben.Wieder einmal schoß Boelcke einen Nieuport ab. Ichsah es selbst. Das Flugzeug stürzte wie ein Stein. Wirfuhren hin und fanden das Flugzeug bis zur Hälfte imLehm vergraben. Der Insasse, ein Jagdflieger, war durcheinen Bauchschuß besinnungslos und hatte sich beimAufschlagen nur einen Arm ausgekugelt. Er ist nichtgestorben.

Andererseits habe ich es wieder erlebt, daß ein guterFreund von mir bei einer Landung mit einem Rade in ein

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 Karnickelloch kam. Die Maschine hatte überhaupt keineGeschwindigkeit mehr und stellte sich ganz langsam aufden Kopf, überlegte sich, nach welcher Seite sie

umkippen sollte, fiel auf den Rücken - und der arme Kerlhatte das Genick gebrochen.

*

Mein Bruder Lothar ist Leutnant bei den Vierten

Dragonern, war vor dem Kriege auf Kriegsschule, wurdegleich zu Anfang Offizier und hat, gleich wie ich, denKrieg als Kavallerist begonnen. Was er da alles anHeldentaten begangen hat, ist mir unbekannt, da er nievon sich selbst spricht. Man hat mir nur folgendeGeschichte erzählt. Es war im Winter 1914, sein

Regiment lag an der Warthe, die Russen auf deranderen Seite. Kein Mensch wußte, rücken sie oderbleiben sie. Die Ufer waren zum Teil gefroren, so daßman schlecht durchreiten konnte. Brücken gab'snatürlich nicht, die hatten die Russen abgerissen. Daschwamm mein Bruder durch, stellte fest, wo die Russenwaren, und kam zurückgeschwommen. Dieses alles imstrengen russischen Winter bei soundso viel Gradminus. Seine Kleider waren nach wenigen Minutenfestgefroren, und darunter, behauptete er, sei es ganzwarm gewesen. So ritt er den ganzen Tag, bis er abendsin sein Quartier kam. Dabei hat er sich nicht erkältet.

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Examen den ersten und vier Wochen nach dem erstenzwanzig Gegner abgeschossen hat.

Sein zweiundzwanzigster Gegner war der berühmte

Captain Ball, weitaus der beste englische Flieger. Denseinerzeit ebenso bekannten Major Hawker hatte ich mirvor einigen Monaten bereits zur Brust genommen. Esmachte mir besonders Freude, daß es nun mein Bruderwar, der den zweiten Champion Englands erledigte.Captain Ball flog einen Dreidecker und begegnete

meinem Bruder einzeln an der Front. Jeder versuchteden anderen zu fassen. Keiner gab sich eine Blöße. Esblieb bei einem kurzen Begegnen. Immer nur auf sichzufliegend. Nie glückte es dem einen, sich hinter denanderen zu setzen. Da entschlossen sich plötzlich beidein dem kurzen Augenblick des Aufeinanderzufliegens,

einige wohlgezielte Schüsse abzugeben. Beide fliegenaufeinander zu. Beide schießen. Jeder hat vor sicheinen Motor. Die Treffwahrscheinlichkeiten sind sehrgering, die Geschwindigkeit doppelt so groß wie normal.Eigentlich unwahrscheinlich, daß einer von beiden trifft.Mein Bruder, der etwas tiefer war, hatte dabei seineMaschine stark überzogen und überschlug sich, verlordas Gleichgewicht, und seine Maschine wurde für einigeMomente steuerlos. Bald hatte er sie wieder gefangen,mußte aber feststellen, daß ihm der Gegner beideBenzintanks zerschossen hatte. Also landen! Schnell die

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Zündung 'raus, sonst brennt die Kiste. Der nächsteGedanke aber war: Wo bleibt mein Gegner? ImAugenblick des Überschlagens hatte er gesehen, wie

sich der Gegner gleichfalls aufbäumte und überschlagenhatte. Er konnte also nicht allzu weit von ihm entferntsein. Der Gedanke herrscht: Ist er über mir oder untermir? Drüber war er nicht mehr, dafür aber sah er untersich den Dreidecker sich dauernd überschlagen undnoch immer tiefer stürzen. Er stürzte und stürzte, ohne

sich zu fangen, bis auf den Boden. Dort zerschellte er.Es war auf unserem Gebiet. Beide Gegner hatten sich indem kurzen Augenblick des Begegnens mit ihren starrenMaschinengewehren getroffen. Meinem Bruder warendie beiden Benzintanks zerschossen, und im selbenAugenblick hatte der Captain Ball einen Kopfschuß

bekommen. Er trug bei sich einige Photographien undZeitungsausschnitte seiner Heimatprovinzen, in denener sehr angefeiert wurde. Er schien kurze Zeit zuvornoch auf Urlaub gewesen zu sein. Zu Boelckes Zeitenhatte Captain Ball sechsunddreißig deutsche Apparatevernichtet. Auch er hat einen Meister gefunden. Oderwar es Zufall, daß eine Größe wie er gleichfalls dennormalen Heldentod sterben mußte?

Captain Ball war ganz gewiß der Führer des Anti-Richthofen-Geschwaders, und ich glaube, derEnglishman  wird es nun lieber aufstecken, mich zufangen. Das täte uns leid, denn dadurch würde uns

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manche schöne Gelegenheit genommen, bei der wir dieEngländer gut belapsen könnten.

Wäre mein Bruder nicht am 5. Mai verwundet worden,

ich glaube, er wäre nach meiner Rückkehr vom Urlaubgleichfalls mit Zweiundfünfzig auf Urlaub geschicktworden.

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Lo thar ein „ Sch ießer “ und n ich tein Weid mann

Mein Vater macht einen Unterschied zwischen einemJäger (Weidmann) und einem Schießer, dem es nurSpaß macht, zu schießen. Wenn ich einen Engländerabgeschossen habe, so ist meine Jagdpassion für dienächste Viertelstunde beruhigt. Ich bringe es also nicht

fertig, zwei Engländer unmittelbar hintereinanderabzuschießen. Fällt der eine herunter, so habe ich dasunbedingte Gefühl der Befriedigung. Erst sehr, sehr vielspäter habe ich mich dazu überwunden und mich zumSchießer ausgebildet.

Bei meinem Bruder war es anders. Wie er seinen

vierten und fünften Gegner abschoß, hatte ichGelegenheit, ihn zu beobachten. Wir griffen einGeschwader an. Ich war der erste. Mein Gegner warbald erledigt. Ich gucke mich um und sehe, wie meinBruder hinter einem Engländer sitzt, aus dem gerade dieFlamme herausschlägt und dessen Maschine explodiert.

Neben diesem Engländer fliegt ein zweiter. Er machteweiter nichts, als daß er von dem ersten, der noch garnicht mal 'runtergefallen war und sich noch in der Luftbefand, sein Maschinengewehr auf den nächsten richtetund sofort weiterschoß, kaum daß er absetzte. Auchdieser fiel nach kürzerem Kampf.

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Zn Haufe fragte er mich stolz: „Wieviel hast duabgeschossen?“ Ich sagte ganz bescheiden. „Einen.“ Erdreht mir den rücken und sagt: „Ich habe zwei,“ worauf

ich ihn zur Nachsuche nach vorn schickte. Er mußtefeststellen, wie seine Kerle hießen usw. Am spätenNachmittag kommt er zurück und hat nur einengefunden.

Die Nachsuche war also schlecht, wie überhaupt beisolchen Schießern. Erst am Tage darauf meldete die

Truppe, wo der andere lag. Daß er 'runtergefallen war,hatten wir ja alle gesehen.

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Der A ueroch s  

Der Fürst Pleß hatte mir gelegentlich eines Besuchesim Hauptquartier erlaubt, bei ihm auf seiner Jagd einWisent abzuschießen. Der Wisent ist das, was imVolksmund mit Auerochse bezeichnet wird. Auerochsensind ausgestorben. Der Wisent ist auf dem bestenWege, das gleiche zu tun. Auf der ganzen Erde gibt es

nur noch zwei Stellen, und das ist in Pleß und beimRevier des ehemaligen Zaren im Bialowiczer Forst. DerBialowiczer Forst hat natürlich durch den Krieg kolossalgelitten. So manchen braven Wisent, den sonst nur hoheFürstlichkeiten und der Zar abgeschossen hätten, hatsich ein Musketier zu Gemüte geführt.

Mir war also durch die Güte Seiner Durchlaucht derAbschuß eines so seltenen Tieres erlaubt worden. Inetwa einem Menschenalter gibt es diese Tiere nichtmehr, da find sie ausgerottet.

Ich kam am Nachmittag des 26. Mai in Pleß an undmußte gleich vom Bahnhof losfahren, um den Stier noch

am selben Abend zu erlegen. Wir fuhren die berühmteStraße durch den Riesenwildpark des Fürsten entlang,auf der wohl manche gekrönte Häupter vor mir entlanggefahren sind. Nach etwa einer Stunde stiegen wir ausund hatten nun noch eine halbe Stunde zu laufen, um

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auf meinen Stand zu kommen, während die Treiberbereits aufgefüllt waren, um auf das gegebene Zeichenmit dem Drücken zu beginnen. Ich stand auf der Kanzel,

auf der, wie mir der Oberwildmeister berichtete, bereitsmehrmals Majestät gestanden hat, um so manchenWisent von da aus zur Strecke zu bringen. Wir warteneine ganze Zeit. Da plötzlich sah ich im hohenStangenholz ein riesiges schwarzes Ungetüm sichheranwälzen, genau auf mich zu. Ich sah es noch eher

als der Förster, machte mich schußfertig und mußsagen, daß ich doch etwas Jagdfieber kriegte. Es warein mächtiger Stier. Auf zweihundertfünfzig Schrittverhoffte er noch einen Augenblick. Es war mir zu weit,um zu schießen. Getroffen hätte man ja vielleicht dasUngetüm, weil man eben an so einem Riesending

überhaupt nicht vorbeischießen kann. Aber dieNachsuche wäre doch eine unangenehme Sachegewesen. Außerdem die Blamage, vorbeizuschießen.Also warte ich lieber, daß er mir näher kommt. Ermochte wohl wieder die Treiber gespürt haben, denn miteinem Male machte er eine ganz kurze Wendung undkam in windender Fahrt, die man so einem Tiere niezugetraut hätte, heran, genau spitz auf mich zu.Schlecht zum Schießen. Da verschwand er hinter einerGruppe von dichten Fichten. Ich hörte ihn nochschnaufen und dampfen. Sehen konnte ich ihn nichtmehr. Ob er Wind von mir bekommen hatte oder nicht,

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Fünf Minuten später war das Ungetüm verendet. DieJagd wurde abgebrochen und „Hirsch tot“ geblasen. Alledrei Kugeln saßen ihm dicht überm Herzen, sehr gut

Blatt.Wir fuhren nun an dem schönen Jagdhaus des

Fürsten vorbei und noch eine Weile durch den Wildpark,in dem alljährlich zu der Brunstzeit die Gäste desFürsten ihren Rothirsch usw. erlegen. Wir hielten nochund sahen uns das Innere des Hauses im Promnitz an.

Auf einer Halbinsel gelegen, mit wunderschönem Blick,auf fünf Kilometer Entfernung kein menschliches Wesen.Man hat nicht mehr das Gefühl, in einem Wildpark zusein, wie man sich wohl im allgemeinen vorstellt, wennman von der Fürstlich Pleßschen Jagd spricht.Vierhunderttausend Morgen Gatter sind eben kein

Wildpark mehr. Da gibt es kapitale Hirsche, die nie einMensch gesehen hat, die kein Förster kennt, und diegelegentlich in der Brunstzeit erlegt werden. Man kannwochenlang laufen, um ein Wisenttier zu Gesicht zubekommen. In manchen Jahreszeiten ist esausgeschlossen, sie überhaupt zu sehen. Dann sind sieso heimlich, daß sie sich in den Riesenwäldern undunendlichen Dickichten vollständig verkriechen. Wirsahen noch manchen Hirsch im Bast und manchenguten Bock.

Nach etwa zwei Stunden kamen wir kurz vorDunkelheit wieder in Pleß an.

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gehört eine ganz besondere Begabung. Ich konnte michauf die Dauer nicht dazu eignen. Der Kampf ist mirlieber. Zum Artilleriefliegen muß mau wohl selbst zur

Waffe gehören, um das nötige Verständnismitzubringen.

Aufklärungsfliegen habe ich auch getrieben, und zwarin Rußland im Bewegungskriege. Da war ich nocheinmal Kavallerie d. h. ich kam mir so vor, wenn ich mitmeinem stählernen Pegasus loszog. Jene Tage mit

Holck über den Russen sind mit meine schönsteErinnerung. Aber das Bild der Bewegung kommtscheinbar nicht wieder.

Im Westen sieht der Aufklärungsflieger ganz etwasanderes, als das Auge des Kavalleristen gewohnt ist.Die Dörfer und Städte, die Eisenbahnen und Straßen

sehen so tot und still aus, und trotzdem ist auf ihnen einungeheurer Verkehr, der aber dem Flieger mit großerGeschicklichkeit verborgen wird. Nur ein ganz, ganzgeübtes Auge vermag aus den rasenden Höhen etwasBestimmtes zu beobachten. Ich habe gute Augen, aberes erscheint mir zweifelhaft, ob es überhaupt einen gibt,der etwas Genaues aus fünftausend Metern Höhe aufeiner Chaussee erkennen kann. Man ist also auf etwasanderes angewiesen, was das Auge Ersetzt das ist derphotographische Apparat. Man photographiert also alldas, was man für wichtig hält, und was man

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photographieren soll. Kommt man nach Hause und diePlatten sind verunglückt, so ist der ganze Flug umsonstgewesen.

Dem Aufklärungsflieger begegnet es oft, daß er ineinen Kampf verwickelt wird, aber er hat nichtigeres zutun, als sich mit dem Kampf zu beschäftigen. Oft ist einePlatte wichtiger als das Abschießen eines ganzenApparates, deshalb ist er in den meinen Fällen gar nichtdazu berufen, luftzukämpfen.

Es ist eine schwere Aufgabe heutzutage, im Westeneine gute Aufklärung durchzuführen.

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 Man hätte auch gelacht, wenn einer vor fünfzig Jahrenerzählt hätte, er würde über Berlin hinwegfliegen. Ichsehe noch Zeppelin, wie er im Jahre 1910 zum ersten

Male nach Berlin kam, und jetzt guckt die Berliner Rangekaum noch nach oben, wenn so ein Ding durch die Luftbraust.

Außer diesen Riefenflugzeugen und dem Ding fürJagdflieger gibt es nun noch eine unzählige Menge vonanderen in jeder Größe. Man ist noch lange nicht am

Ende der Erfindungen. Wer weiß, was wir in einem Jahrverwenden werden, um uns in den blauen Äther zubohren!

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