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Der StoffwechselMythos und RealitätDer StoffwechselMythos und Realität
34 DIP 6/17 Gesundheit
Text und Fotos Angelika Schmelzer
Das Fell Ihres Pferdes glänzt nicht? Es hat
sicher eine Stoffwechselstörung. Seine
Hufe brechen aus, sind rissig, weich, krü-
melig? Scheint, der Stoffwechsel funktio-
niert nicht richtig. Ihr Isländer leidet unter
chronischem Husten, mangelndem Appe-
tit, Sommerekzem, Leistungsschwäche,
Durchfall? Ganz klar: Eine Stoffwechsel-
erkrankung ist die Ursache! Seine Blut-
werte sind schlecht, es sind glänzende
„Futtertaler“ oder Stichelhaare im Fell zu
sehen, sein Rücken ist verspannt? Sie ah-
nen es: Schuld ist der Stoffwechsel.
Immer wieder werden Pferdehalter mit dem „Stoffwechsel“ kon-
frontiert, häufig im Zusammenhang mit einer „Stoffwechselstö-
rung“ oder einer „Zivilisationserkrankung“. Rund um diese so ein-
gängigen Begriffe ist ein Übermaß an Information verfügbar, das je-
doch den Pferdefreund oft verwirrt und verunsichert. Das Problem:
Was so einfach klingt, so eingängig dargestellt wird, ist in Wirklich-
keit ausgesprochen komplex. Wo logische Zusammenhänge zu be-
stehen scheinen, gibt es bei näherem Hinsehen keine. Was als er-
wiesen erklärt wird, ist häufig lediglich ein Gedankenkonstrukt, ein
Deutungsversuch. Rund um das Thema „Stoffwechsel“ werden zu-
dem nicht selten Ursache und Wirkung verwechselt, Äpfel und Bir-
nen zusammengezählt. Wo einerseits fast beliebige „Symptome“
wie etwa Stichelhaare als Anzeichen einer Erkrankung fehlgedeutet
und Krankheitsbilder ohne jeden Stoffwechselbezug fälschlich als
Stoffwechselerkrankung bezeichnet werden, wird andererseits Ab-
hilfe durch therapeutische Maßnahmen versprochen, die nie irgend-
wie auf ihre Wirksamkeit – ob am Stoffwechsel oder sonst wo – un-
tersucht wurden, ja, von denen es nicht einmal belastbare Daten
über ihre Verträglichkeit oder korrekte Dosierung bei der Anwen-
dung am Pferd gibt.
Steht der Begriff einer Stoff-wechselstörung im Raum, solltesich der Pferdefreund mehrereFragen stellen:•Hat mein Pferd tatsächlich eine definierte Stoffwech-selstörung und um welche handelt es sich?
Diese Frage können diagnostische Möglichkeiten meist
schnell und eindeutig beantworten.
•Wie lässt sich diese Erkrankung URSÄCHLICH behan-deln und wie lässt sich der Behandlungserfolg über-
prüfen?
Welche Medikamente und andere Therapien greifen am
Auslöser des Krankheitsgeschehens an und woran merke
ich, dass diese Behandlung meinem Pferd wirklich hilft?
•Was kann BEGLEITEND, UNTERSTÜTZEND getanwerden, um meinem Pferd zu helfen?
Wie können etwa Haltung, Fütterung, Training, Hufbe-
schlag angepasst werden, welche Behandlungsansätze
aus dem weiten Feld der alternativen Therapien verspre-
chen Hilfe? Wie also sieht ein ganzheitlicher Ansatz aus?
• Sind die vorgeschlagenen Therapien tatsächlich ge-eignet, die beschriebene Wirkung zu entfalten und
worauf stützt sich die Behauptung?
Gibt es also Forschungen oder zumindest belastbare Er-
fahrungswerte beim Pferd? Was spricht möglicherweise
gegen eine Verwendung?
35
Und doch wissen wir schon viel über die Stoffwechselerkrankungen
unserer Pferde – aber noch nicht genug. Wichtig für den Pferde-
freund ist die Unterscheidung echter Stoffwechselkrankheiten von
anderen Störungen, bei denen der Stoffwechsel sekundär betroffen
sein kann und von Beobachtungen am Pferd ohne jeden Krankheits-
wert.
Stoffwechsel ist Chemie
Im Grunde handelt es sich beim Stoffwechsel um einen dauernd
laufenden Motor, einen chemischen Antrieb für den gesamten Or-
ganismus. Die Sache mit dieser Körperchemie ist für jeden Pferde-
freund interessant und relevant – wo Leben ist, da ist nämlich auch
Chemie!
Was sollten Pferdefreunde wissen? Alle chemischen Prozesse in ei-
nem Lebewesen fallen unter den Begriff „Stoffwechsel“. Immer,
wenn in einem Organismus ein Stoff chemisch in einen anderen
umgewandelt wird, ist dies Teil des Stoffwechsels. Dabei unter-
scheidet man den Baustoffwechsel vom Energiestoffwechsel:
• Der Baustoffwechsel ist mit Aufbauprozessen von Körpersub-stanz befasst,
• der Energiestoffwechsel stellt die nötige Energie für den „Be-trieb“ des Organismus bereit.
Ferner unterscheidet man im Stoffwechsel katabole von anabolen
Reaktionen: Grob gesagt, ist
• Katabolismus der Abbau komplexer zu einfachen,• Anabolismus der Aufbau komplexer aus einfachen Stoffen. Auch kann zur Eingrenzung der Stoffwechsel eines bestimmten Or-
gans benannt werden, etwa der Leberstoffwechsel oder der Haut-
stoffwechsel – die Gesamtheit aller in der Leber oder eben der Haut
stattfindenden chemischen Prozesse. Oder man benennt die Stoff-
gruppe, um die es geht – man hat es also mit dem Fettstoffwechsel
oder dem Eiweißstoffwechsel zu tun.
Unterstützt wird der Stoffwechsel, werden diese Umwandlungspro-
zesse durch Enzyme, chemische Katalysatoren. Eine wichtige zen-
trale Rolle in der Steuerung der Stoffwechselaktivität spielen auch
Hormone und damit alle Strukturen, die Hormone produzieren, et-
wa die Schilddrüse oder die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Hor-
mone sind biochemische Botenstoffe, die zahlreiche untergeordne-
te Regelkreise des Stoffwechsels beeinflussen. Die Stoffwechselra-
te oder der Metabolismus ist eine messbare Größe, ein Maß für die
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Aktivität, die intern über Regelkreise gesteuert und über gezielt an-
greifende Wirksubstanzen wie etwa manche Medikamente beein-
flusst werden kann. Wir kennen eine solche Beeinflussung nicht nur
von der Therapie mancher Erkrankungen, sondern auch im Zusam-
menhang mit Doping: Anabolika etwa sorgen dafür, dass anabole,
also aufbauende Prozesse, angeregt werden.
Zu jeder Zeit, in jeder Zelle finden also chemische Prozesse statt,
der Stoffwechsel ist eine immerwährende Komponente im Organis-
mus, eine Art Hintergrundmusik des Lebens. Da liegt es auf der
Hand, dass bei jedem aktuellen Zustand des Pferdes – ob gesund
oder krank – der Stoffwechsel ein Teil des großen Ganzen ist, dass
Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen immer auch Auswirkun-
gen auf den Stoffwechsel haben und umgekehrt. Salopp formuliert:
Stoffwechsel ist immer und überall. Und daraus dürfen wir durch-
aus folgern: Ist das Pferd krank, ist IMMER auch sein Stoffwechsel
irgendwie involviert. Hier gilt es aber, Henne und Ei sorgfältig aus-
einander zu halten: Jede Erkrankung wirkt sich irgendwie auf den
Stoffwechsel aus, das macht aber nicht jede Krankheit zu einer
Stoffwechselstörung.
Stoffwechselstörung – was heißt das genau?
Stoffwechselstörungen gibt es tatsächlich, die Medizin definiert
diese genau und benennt ganz klar den betroffenen Regelkreis, also
etwa den Fettstoffwechsel (oder Teile davon), den Zuckerstoffwech-
sel (oder Teile davon). „Die Chemie stimmt nicht“ in einem solchen
Fall, die Umwandlungsprozesse laufen nicht so ab, wie sie sollten.
Die Veterinärmedizin kennt beim Pferd etliche Krankheitsbilder, die
als Stoffwechselerkrankung definiert sind, weiß über deren Ursa-
chen, die zugrunde liegenden Mechanismen, Behandlungsansätze,
die Wirksamkeit diverser Therapien und die Prognose gut Bescheid.
Das Wesen einer Stoffwechselstörung ist recht einfach zu erklären,
wenn man sich das grundlegende Prinzip der Chemie verdeutlicht –
aus A mach’ B – und vor Augen hält, dass Stoffwechsel Körperche-
mie ist und Stoffwechselstörungen Fehler in diesem System zu-
grunde liegen.
Wenn normalerweise, angeregt durch ein Hormon und unterstützt
durch ein Enzym, Stoff A zu Stoff B wird, kommt es bei einem Man-
gel oder Ausfall dieses Enzyms (oder einem Mangel an dem ent-
sprechenden Hormon) zu einer Anhäufung von Stoff A und einem
Mangel an Stoff B, bei einer übermäßigen Aktivität des Enzyms (di-
to: Hormon) hingegen zu einem Mangel an Stoff A und einer An-
häufung von Stoff B (siehe Grafik oben). Bedenkt man, dass die
Umwandlung von A zu B immer auch ein winziges Glied einer end-
los langen und noch dazu mehrfach verzweigten Kette von Vorgän-
gen ist, sind die Folgen jeder Stoffwechselstörung leicht auszuma-
len: Sie sind häufig dramatisch und gefährden den Organismus als
Ganzes.
Wichtig: Bei der Diagnose von echten Stoffwechselstörungen
stützt man sich nicht alleine auf die Symptome, denn die sind oft
relativ unspektakulär und/oder wenig typisch. Man sucht gezielt
nach Hinweisen darauf, ob und wo genau einer der vielen in Frage
kommenden Regelkreise gestört ist. So können beispielsweise die
Blutwerte entsprechender Enzyme oder Hormone, die Ausgangs-,
End- oder Nebenprodukte chemischer Reaktionen wichtige Hinwei-
se liefern und sehr häufig das Problem recht schnell eingrenzen und
eine exakte Diagnose ermöglichen. Und damit eine Therapie, die
das Übel möglichst an der Wurzel packt.
Auswirkung von StoffwechselstörungenRegelgerechter Ablauf
Mangel
Überaktivität
Einwirkung von Hormonen und Enzymen
Mangel oder Ausfall von Enzymen/Hormonen
Übermäßige Aktivität von Enzymen/Horm0nen
Stoff A Stoff B
Stoff B
Stoff A Stoff B
Stoff A
Stoffwechsel – Mythos und WahrheitOft wird aber der Begriff der „Stoffwechselstörung“ inflatio-
när dann bemüht, wenn es um völlig andere Krankheitsbil-
der, um unklare Befindlichkeitsstörungen oder die unver-
meidlichen Begleiterscheinungen einer jeden Erkrankung
geht. Ganz klar: Selbst bei einer Platzwunde ist natürlich
der Stoffwechsel im Bereich der verletzten Haut gestört,
was aber eine Platzwunde nicht zu einer Stoffwechselstö-
rung macht. Auch wird gerne eine Vielzahl an Wahrneh-
mungen am Pferd – dessen Erscheinungsbild oder Verhal-
ten – als klares Anzeichen einer Stoffwechselstörung
fehlgedeutet: die bereits erwähnten Stichelhaare oder Ha-
fertaler (Futterflecken) etwa. Damit nicht genug: Häufig
werden Stoffwechselstörungen mit sogenannten „Zivilisa-
tionserkrankungen“ beim Pferd gleichgesetzt und gleichzei-
tig Erkrankungen als Zivilisationserkrankung bezeichnet,
die nachweislich nicht wohlstandsbedingt sind. Die sachlich
fehlerhafte Verwendung und Vermischung dieser und an-
derer Begriffe ist aber aus mehreren Gründen nicht unpro-
blematisch für Pferd und Pferdehalter.
Es ist unbestritten, dass unsere Pferde häufig falsch und zu
reichlich gefüttert, zu wenig und falsch trainiert werden und
sicherlich – wie wir - auch dem schädigenden Einfluss man-
cher Umweltgifte unterliegen. Insofern steht außer Frage,
dass auch unsere Pferde an wohlstandsbedingten gesund-
heitlichen Störungen – an Zivilisationskrankheiten - leiden
können. Auch liegt es auf der Hand, dass Gesundheitspro-
bleme immer den Körper und damit auch den Stoffwechsel
als Ganzes betreffen, selbst wenn sie lokal begrenzt auftre-
ten, denn der Organismus ist ein lebendes, dynamisches
System, in dem alle Untereinheiten in ständigem Dialog
miteinander stehen. Dass bei jeder Erkrankung das Lebe-
wesen als Ganzes betrachtet werden sollte, dass es gilt,
den Organismus zu stützen, seine Selbstheilungskräfte zu
aktivieren, etwaige Entgiftungsfunktionen zu entlasten,
sind Binsenweisheiten.
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38 DIP 6/17 Gesundheit
Gefährlich wird es, wenn dem Pferdehalter suggeriert wird, be-
stimmte Symptome seien Anzeichen einer Stoffwechselstörung
oder einer existierende Erkrankung läge eine Störung des Stoff-
wechsels zugrunde und damit gäbe es Anlass zur Therapie mit nicht
erprobten Mitteln. Es klingt so einfach, „den Stoffwechsel anregen“
oder ihn „ausgleichen“, das Pferd parallel dazu „entgiften“ – dies ist
in der Praxis nicht so einfach möglich und wäre oft nicht einmal
sinnvoll. Häufig werden im Zusammenhang mit echten oder ver-
meintlichen Stoffwechselerkrankungen gänzlich unerprobte thera-
peutische Maßnahmen empfohlen. Beim Pferd fehlen aber wissen-
schaftliche Überprüfungen der Wirkweise etwa von Heilpflanzen
oft. So gibt es häufig keinen Nachweis, dass ein zur Regulierung
oder Aktivierung des Stoffwechsels empfohlenes Mittel überhaupt
eine Wirkung am Stoffwechsel entfaltet, es ist nichts bekannt über
etwaige Neben- oder Wechselwirkungen und auch hinsichtlich der
korrekten Dosierung tappt der Pferdehalter im Dunkel – alleine wis-
Krankheit
Eine Störung der normalen Funktion des Organismus, deren
Auswirkungen vom Patienten als Beschwerde empfunden
und von außen als Symptome erkennbar werden, ausgelöst
beispielsweise durch
• Unfälle und Verletzungen,• Stoffwechselstörungen,• physikalische oder chemische Einwirkungen,• Degeneration,• Tumore oder eine• Infektion.
Stoffwechselstörung
Eine krankhafte, ererbte oder erworbene Veränderung der
Stoffwechselvorgänge, betreffend den Stoffwechsel der
• Fette,
• Eiweiße,
• Kohlenhydrate oder•Mineralien.
Zivilisationskrankheit (Mensch)
Eine Erkrankung, die (mutmaßlich) auch oder überwiegend
durch die besonderen Lebensumstände in der modernen
Gesellschaft ausgelöst oder begünstigt wird, etwa durch
• Tabakkonsum,
• Alkoholkonsum,
• Zuckerkonsum,
• Bewegungsmangel oder Stress.
Übertragen auf das Pferd, gilt das Equine Metabolische
Syndrom als typische Zivilisationskrankheit und insbeson-
dere Überfütterung und Bewegungsmangel als Auslöser.
Die Verhältnisse beim Menschen sind NICHT eins zu eins
auf das Pferd übertragbar, so sind etwa Karies und Diabetes
beim Mensch häufige und typische Zivilisationserkrankun-
gen, beim Pferd allerdings nicht.
Definitionen
senschaftliche Forschungen können hier Abhilfe schaffen. Die oft so
oder so ähnlich zu lesende Formulierung „wird gerne zur Regulie-
rung des Stoffwechsels eingesetzt“ heißt schlicht, dass auch andere
dieses Produkt schon gekauft haben…
Der Unterschied zwischen einer echten Stoffwechselstörung und
Erkrankungen, die fälschlich als Stoffwechselproblem oder Zivilisa-
tionserkrankung gedeutet werden, kann an zwei Beispielen ver-
deutlicht werden.
Beispiel: Das Equine Cushing Syndrom
Beim Equinen Cushing Syndrom (ECS) handelt es sich um eine ty-
pische Stoffwechselerkrankung, über die schon relativ viel bekannt,
einiges aber unklar ist. Lange ging man davon aus, dass ein Tumor
(Adenom) in der Hypophyse (der Hirnanhangsdrüse, ein kleiner,
Hormone produzierender Teil des Gehirns) diese Erkrankung auslöst
– heute scheint es zumindest möglich, dass bei einem kleinen Teil
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der Pferde auch andere Ursachen in Frage kommen. Sicher aber ist:
Fast immer ist dieser Tumor der Hypophyse die Wurzel des Übels.
Das Soll dieses Teils der Hirnanhangsdrüse wird übererfüllt – mehr
Zellen bedeutet auch mehr Hormone. Nachweisbar ist dies über ei-
nen Bluttest, der das wichtige Hormon ACTH (Adrenocorticotropes
Hormon) misst: Liegt dessen Spiegel über der Norm, ist dies ein
Hinweis auf das Equine Cushing Syndrom.
Kleine Ursache, große Wirkung: Wäre das Leid der betroffenen Pfer-
de und ihrer Besitzer nicht so groß, könnte man bewundernd auf-
zählen, wieviel Unheil die so unbedeutend erscheinende Verände-
rung eines einzigen Rädchens im großen Uhrwerk der Körperchemie
ausrichtet. Die Konzentration von ACTH im Blut wird in pg/ml ge-
messen, also in Pikogramm pro Milliliter – ein Pikogramm ist ein
Billionstel Gramm. Kaum vorstellbar, dass eine Veränderung dieser
„Größen“ordnung eine lebensbedrohliche Erkrankung auslösen
kann, und doch ist es so. Hier zeigt sich deutlich das Grundprinzip
des Stoffwechsels, nämlich, „immer und überall“ zu sein.
Das betroffene Pferd kann eine Vielzahl von Symptomen entwi-
ckeln, einzeln oder in fast beliebiger Kombination:
• Vermehrter Durst,• vermehrtes Wasserlassen,• Probleme mit dem Fellwechsel,• dichtes, lockiges Fell,• Hufrehe,• Appetitmangel, Gewichtsverlust,• nachlassende Leistungsfähigkeit,• reduzierter Leistungswille, Apathie,• Kreislaufprobleme,• Muskelatrophie (oft zunehmender Senkrücken),• Fettpolster am Hals oder im Bereich der Augen• Sehstörungen,• Schwitzen,• Infektanfälligkeit.Es finden sich also Symptome im Bereich des Wasserhaushalts
(vermehrter Durst, vermehrtes Wasserlassen), der Haut und ihrer
Anhangsorgane (Probleme mit dem Fellwechsel, dichtes, lockiges
Fell, Hufrehe), Symptome betreffend des Allgemeinbefindens (Ap-
petitmangel, Gewichtsverlust, nachlassende Leistungsfähigkeit,
reduzierter Leistungswille, Apathie, Kreislaufprobleme), Verände-
rungen im Exterieur (Muskelatrophie, Fettpolster am Hals oder im
Bereich der Augen) und weitere Anzeichen (Sehstörungen, Schwit-
zen, Infektanfälligkeit).
Es bedarf einer genauen Diagnostik, um hier und in anderen Fällen
erkennen zu können, woran das Pferd erkrankt ist – so muss etwa
das Equine Cushing Syndrom unbedingt gegen das Equine Metabo-
lische Syndrom abgegrenzt werden, das oft ähnliche Symptome
hervorruft. Vorschnelle Rückschlüsse verbieten sich, insbesondere
da sie die Therapie in die falsche Richtung lenken können – ECS ist
keine Zivilisationserkrankung dicker, unterforderter Ponys und mit-
hin nicht durch Abnehmen und Training heilbar. Trotzdem macht ein
Blick auf die lange Liste möglicher Symptome deutlich, dass der
Besitzer betroffener Pferde an vielen Stellen ergänzend zur grund-
legenden medikamentösen Therapie eingreifen kann und muss:
Scheren, orthopädische Beschläge, angepasste Fütterung, sorgfäl-
tiges, behutsames Training auch vom Boden, diese und andere
StoffwechselkrankheitenBekannte Stoffwechselerkrankungen des Menschen
sind beispielsweise
• Diabetes mellitus (= „Zuckerkrankheit“),• Gicht,•Mukoviszidose oder • Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse).
Beim Pferd fallen unter diesen Begriff
• das Equine Cushing Syndrom,• die Hyperlipämie oder• das Equine Metabolische Syndrom.
Maßnahmen sind hilfreich und notwendig. Sie unterstützen den
Heilungsprozess und verbessern die Lebensqualität erkrankter Pfer-
de.
Gegenbeispiel: Sommerekzem
Das Sommerekzem wird gerne als Stoffwechselstörung und/oder
Zivilisationskrankheit bezeichnet, ausgelöst vor allem durch zu
reichhaltiges (Weide-)Futter, aber auch durch unbestimmte, schäd-
liche Umwelteinflüsse. Diese Einschätzung hat wohl ihren Ur-
sprung auch in den Anfangszeiten des Islandpferdereitsports, als
mit den ersten größeren Importen aus Island eine bis dahin weitge-
hend unbekannte Erkrankung auf den Kontinent kam. Damals
schien der Zusammenhang klar: Die Krankheit trat während der
Weidesaison auf und der Aufwuchs der Weiden hierzulande ist
deutlich gehaltvoller als im Ursprungsland – man zählte eins und
eins zusammen, kam aber leider auf drei.
Heute sind wir, auch dank einiger Forschungsarbeit auf dem Gebiet,
einen guten Schritt weiter. Das Sommerekzem wurde eindeutig als
Allergie (Hypersensitivität Typ I) auf den Stich bestimmter Insekten
(Gnitzen, Kriebelmücken, Culicoides) erkannt und es wurde zudem
festgestellt, dass die Veranlagung dazu genetisch bedingt ist. Da es
sich um eine multifaktorielle Vererbung handelt, ist der Erbgang al-
lerdings etwas kompliziert. Das Sommerekzem ist weltweit und
seit langem bekannt und tritt bei ganz verschiedenen Pferderassen
auf, übrigens auch in Gegenden mit wenig gehaltvoller Futtergrund-
lage.
Der direkte Zusammenhang zwischen Insektenstichen und Krank-
heitsgeschehen ist leicht zu beweisen, während Hypothesen, die
das Sommerekzem mit einer durch zu gehaltvolles Weidegras oder
einer unbestimmten „Ausleitungsschwäche“ verursachten Stoff-
wechselstörung in Verbindung bringen wollen, ebenso leicht zu ent-
kräften sind: Wer seinen Ekzemer in eine Ekzemdecke packt, aber
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sonst nichts an Haltung, Fütterung oder Training ändert, wird inner-
halb kürzester Zeit ein symptomfreies (nicht aber geheiltes!) Pferd
haben. Alleine der Schutz vor dem Insektenstich hat diese Verände-
rung ausgelöst. Ein Verbringen auf eine Weide mit schlechter Fut-
tergrundlage bei Verzicht auf einen Schutz vor Insektenstichen wür-
de dagegen nicht zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes füh-
ren – reichhaltiges Weidegras also kann nicht der Auslöser sein.
Selbstverständlich gilt für das Sommerekzem wie für alle anderen
Gesundheitsprobleme auch: Flankierende Therapiemaßnahmen
stützen das Pferd, negative Einflüsse dagegen verschlimmern das
Bild.
Stoffwechselstörungen: Fazit
Es kann festgestellt werden, dass rund um den Themenkomplex
„Stoffwechsel“ wenig trennscharf mit an sich gut definierten Begrif-
fen umgegangen wird, oft zum Nachteil erkrankter Pferde und ihrer
Besitzer. Die Umdeutung harmloser Anzeichen zu Symptomen ei-
ner Stoffwechselstörung, die falsche Zuordnung bestimmter Er-
krankungen in den Bereich der Stoffwechselstörung und/oder der
Zivilisationserkrankung kann dazu führen, dass betroffene Pferde
nicht die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Allerdings schadet es
auch nicht, jede Erkrankung ganzheitlich zu betrachten und sich im-
mer zu fragen, was denn über die ursächliche Behandlung hinaus
dem Pferd an begleitenden Maßnahmen noch zu helfen vermag.
Stoffwechselstörungen sind oft schwere, definierte Krankheitsbil-
der, bei denen bestimmte Ab- oder Umbauprozesse im Organismus
Sachgerechte Fütterung
nachhaltig beeinträchtigt sind, oft sind es lebensbedrohliche Zu-
stände mit Auswirkungen im ganzen Körper. Zur Behandlung ste-
hen oft erprobte Medikamente und Therapieansätze zur Verfügung.
Befindlichkeitsstörungen, Belastung des Organismus durch Um-
weltgifte und Begleiterscheinungen von anderen Grunderkrankun-
gen sind keine Stoffwechselstörungen im eigentlichen Wortsinne.
Beim Einsatz von stützenden Heilmitteln und entsprechenden Zu-
satzfuttermitteln sollte der Pferdehalter sich nicht scheuen, kritisch
nach erwiesener Ungefährlichkeit und einem Wirkungnachweis zu
fragen.
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