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Plenarprotokoll 16/21 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 21. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Rentenpoli- tik der Bundesregierung Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 16/796) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbeziehung des Bundesumweltministe- riums in die Abarbeitung des im Bundes- verkehrswegeplan festgesetzten natur- schutzfachlichen Planungsauftrags Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . Zusatzfrage Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung des gesamten Baus der A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin bei der Abarbeitung des naturschutzfach- lichen Planungsauftrags Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . Zusatzfragen Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1581 A 1582 B 1582 C 1582 D 1582 D 1583 A 1583 A 1583 D 1584 A 1584 C 1584 C 1585 A 1585 B 1585 C 1585 D 1586 B 1586 B 1586 C 1586 D 1587 B 1587 B 1587 D 1588 A 1588 A 1588 C 1588 C 1588 D 1589 A 1589 A 1589 B 1589 C 1589 C

Deutscher Bundestagdipbt.bundestag.de/doc/btp/16/16021.pdf · II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 Mündliche Frage 3 Cornelia

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Plenarprotokoll 16/21

Deutscher BundestagStenografischer Bericht

21. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

I n h a l t :

Tagesordnungspunkt 1:

Befragung der Bundesregierung: Rentenpoli-tik der Bundesregierung Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .

1581 A1582 B1582 C

1582 D1582 D1583 A1583 A1583 D1584 A1584 C1584 C1585 A1585 B

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Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Franz Müntefering, Bundesminister BMAS .

Tagesordnungspunkt 2:

Fragestunde (Drucksache 16/796) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 1 Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einbeziehung des Bundesumweltministe-riums in die Abarbeitung des im Bundes-verkehrswegeplan festgesetzten natur-schutzfachlichen Planungsauftrags Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . .ZusatzfragePeter Hettlich (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 2 Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Berücksichtigung des gesamten Baus derA 14 zwischen Magdeburg und Schwerinbei der Abarbeitung des naturschutzfach-lichen Planungsauftrags

Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . .

ZusatzfragenPeter Hettlich (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Mündliche Frage 3 Cornelia Hirsch (DIE LINKE)

Planung einer Gesetzesnovelle zur Fortent-wicklung des Bundesausbildungsförde-rungsgesetzes 2006 Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . .ZusatzfragenCornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 4 Cornelia Hirsch (DIE LINKE)

Haltung der Bundesregierung zur For-derung nach Einrichtung von mindestens100 000 Ausbildungsplätzen in staatlichenBerufsbildungszentren Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . .ZusatzfragenCornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 5 Dr. Norman Paech (DIE LINKE)

Haltung der Bundesregierung zu der vonder International Crisis Group am 23. Fe-bruar 2006 vorgeschlagenen neuen Optionim Konflikt um das iranische Atompro-gramm Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 6 Dr. Norman Paech (DIE LINKE)

Einberufung einer umfassenden Friedens-konferenz für den Nahen und MittlerenOsten durch den Sicherheitsrat der Verein-ten Nationen Antwort Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 11 Lutz Heilmann (DIE LINKE)

Vereinbarungen zwischen dem Bundes-finanzminister und dem Ministerpräsiden-ten von Schleswig-Holstein bezüglich desBaues einer festen FehmarnbeltquerungAntwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . .ZusatzfragenLutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .

1590 A

1590 A

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1591 C

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1593 A

1594 A

1594 B

Mündliche Frage 12 Veronika Bellmann (CDU/CSU)

Verhandlungen zu den neuen Förderbedin-gungen für die Strukturfonds der Europäi-schen Union im Zeitraum 2007 bis 2013hinsichtlich der Vermeidung von subven-tionierten Betriebsverlagerungen inner-halb der EU Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenVeronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 18 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stärkung der Verbraucherinteressen durchdie Einführung einer Verbandsklage fürVerbraucherverbände im Energiewirt-schaftsgesetz Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenBärbel Höhn (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 19 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konsequenzen aus dem Ergebnis des Be-richts der EU-Kommission zum Stand derMarktöffnung und zum Wettbewerbsver-halten der Energieversorger Europas Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageCornelia Behm (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 31 Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kofinanzierung der festen Fehmarnbelt-querung durch die EU angesichts der Kür-zung der Mittel Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenRainder Steenblock (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1594 C

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1595 A

1595 B

1596 A

1596 A

1596 C

1596 C

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 III

Mündliche Frage 32 Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Akzeptanz einer mautpflichtigen Feh-marnbeltquerung durch die Verkehrsteil-nehmer

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenRainder Steenblock (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 33 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Staatliche Beihilfen für den Bau einer fes-ten Fehmarnbeltquerung

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 34 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stand der Beratungen über Staatsgaran-tien für den Bau einer festen Fehmarnbelt-querung

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 35 Lutz Heilmann (DIE LINKE)

Kürzung der Regionalisierungsmittel vordem Hintergrund einer möglichen Zweck-entfremdung der Mittel aus dem Regionali-sierungsgesetz durch die Bundesländer

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 27 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bearbeitungsstand des Fünfjahresplanszum Ausbau der Bundesfernstraßen undZeitpunkt seiner Verabschiedung

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1597 A

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1598 B

ZusatzfragenDr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 28 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rückforderung von Teilen des Gesell-schaftsdarlehens an den Münchener Flug-hafen

Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenDr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 36 Alexander Ulrich (DIE LINKE)

Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölke-rung in der Umgebung des FlughafensHahn wegen Nutzung durch US-amerika-nische Militärtransportflugzeuge

Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenAlexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 37 Alexander Ulrich (DIE LINKE)

Vereinbarkeit der derzeitigen Nutzung desFlughafens Hahn mit der vollzogenen Kon-version zu einem zivilen Flughafen

Antwort Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfrageAlexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 20 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Finanzmittel für den zusätzlichenBeratungsaufwand der Verbraucherzen-tralen für protestierende Gaskunden

Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär

BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenCornelia Behm (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1598 C

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1599 B

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1600 A

1600 B

1600 B

1600 C

1600 C

IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Mündliche Frage 23Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verzögerungen bei der Seuchenbekämpfung

Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär

BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenBärbel Höhn (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Fragen 38 und 39 Katja Kipping (DIE LINKE)

Zahl der in eheähnlicher Lebensgemein-schaft lebenden Arbeitslosen, die aufgrundder Anrechnung von Partnereinkommenkeine Leistungen nach dem SGB II erhal-ten, sowie Zahl derer, die nicht kranken-versichert sind

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenKatja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Markus Kurth (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Fragen 40 und 41 Dr. Heinrich L. Kolb (FDP)

Anfallende Verwaltungskosten der Kran-kenkassen für den Einzug der Sozialver-sicherungsbeiträge in den Jahren 1997 bis2006 sowie Verhältnis von Beitragseinzugs-vergütungen zum tatsächlichen Verwal-tungsaufwand beim Beitragseinzug

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenDr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 42 Heinz-Peter Haustein (FDP)

Aufdeckung von Missbrauch und Betrugdurch die telefonischen Überprüfungen be-züglich des Anspruchs auf Grundsicherungnach SGB II

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfrageHeinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . .

1601 B

1601 C

1602 D

1603 A

1604 A

1604 B

1605 A

1605 C

1605 D

Mündliche Frage 43 Heinz-Peter Haustein (FDP)

Kosten des von der Bundesagentur für Ar-beit eingerichteten Servicecenters fürALG-II-Bezieher

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenHeinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 44Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erteilung der Zuschläge für Maßnahmender Arbeitsförderung durch die Bundes-agentur für Arbeit an Bieter, deren Fach-kräfte ein Bruttogehalt unter 1 700 Euroerhalten

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenBritta Haßelmann (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Markus Kurth (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 47 Kornelia Möller (DIE LINKE)

Auswirkungen der Umsetzung der Kür-zung des ALG II für Jugendliche unter25 Jahre auf die Vermittlungs- und Einglie-derungsaufgaben der Bundesagentur fürArbeit

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfrageKornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 48Kornelia Möller (DIE LINKE)

Maßnahmen gegen das „auf Probe arbei-ten“ ohne Lohn und ohne soziale Sicherungvor dem Hintergrund der gegenwärtig ho-hen Arbeitslosigkeit

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenKornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .

1606 B

1606 B

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1607 B

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 V

Mündliche Frage 50 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kriterien der Bundesagentur für Arbeitfür die Erteilung von Zuschlägen für Qua-lifizierungs- und Trainingsmaßnahmen

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfragenMarkus Kurth (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mündliche Frage 51 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mögliche Einflussnahme der Bundesregie-rung auf die Bundesagentur für Arbeit zurSicherstellung des Aspekts der Qualität beiLeistungen der aktiven Arbeitsmarktpoli-tik

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ZusatzfrageMarkus Kurth (BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .

Anlage 2

Mündliche Fragen 7 und 8 Petra Pau (DIE LINKE)

Auswirkungen der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts vom 15. Februar2006 zum Luftsicherheitsgesetz auf die Tä-tigkeit und die rechtliche Grundlage zurEinrichtung des Nationalen Lage- undFührungszentrums für Sicherheit im Luft-raum in Kalkar

Antwort Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . .

Anlage 3

Mündliche Fragen 9 und 10 Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verhinderung einer Schlechterstellung vonProzesskostenhilfeberechtigten als Folge

1610 B

1610 C

1611 B

1611 C

1612 C

1613 A

1613 B

der geplanten Abschaffung des Anwalts-zwangs bei einverständlichen Scheidungenkinderloser Ehepaare; mögliche Schwä-chung des Schutzes des schwächeren Ehe-partners durch die Scheidung ohne Anwalt

Antwort Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär

BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 4

Mündliche Frage 13 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Haltung der Bundesregierung zu eventuellvorliegenden Voranfragen von deutschenBanken oder Unternehmen zu Hermes-bürgschaften für den Bau des geplantenbulgarischen Atomkraftwerks Belene

AntwortHartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 5

Mündliche Fragen 14 und 15 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Folgen der Marktkonzentration bei derStromproduktion bzw. bei der Gasbeschaf-fung auf den Wettbewerb sowie gesetzlicheInitiativen für mehr Transparenz bei Gas-und Strompreisen

Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 6

Mündliche Frage 16 Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Freigabe von Mitteln für vom Bundeswirt-schaftsministerium geförderte stationäreEnergieberatung

AntwortHartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 7

Mündliche Frage 17 Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

1613 D

1614 B

1614 C

1615 A

VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Auswirkungen der angekündigten Fusions-pläne europäischer Energieversorger aufVerbraucherpreise und -versorgung

Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär

BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 8

Mündliche Frage 21 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)

Wirtschaftliche und finanzielle Auswir-kungen der Maßnahmen gegen die Geflü-gelpest auf öffentliche und private Haus-halte

Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär

BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 9

Mündliche Fragen 24 und 25 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bundeseinheitliche Regelung des Heim-rechts analog zum Pflege-Versicherungsge-setz

Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär

BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 10

Mündliche Frage 26 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Risiko der Gefährdung einheitlicher undhoher Pflegestandards in Deutschland beiÜbergang des Heimrechts in die Kompe-tenz der Länder; Wahrung einer größerenTransparenz in den Bund-Länder-Bezie-hungen

Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär

BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1615 A

1615 B

1615 C

1616 A

Anlage 11

Mündliche Fragen 29 und 30 Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU)

Zustand der Kochertalbrücke im Land-kreis Schwäbisch Hall; künftige Befahr-barkeit auf sechs Fahrspuren

Antwort Achim Großmann, Parl. Staatssekretär

BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 12

Mündliche Fragen 45 und 46 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Maßnahmen zur schnelleren Arbeitsver-mittlung von unter 25-jährigen Arbeitslo-sen

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 13

Mündliche Frage 49 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)

Leistungen der aktiven Arbeitsförderunggemäß § 8 b SGB III, insbesondere für Be-ratung und Vermittlung sowie Förderungder beruflichen Weiterbildung durchÜbernahme der Weiterbildungskosten fürBerufsrückkehrer im Jahr 2005

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anlage 14

Mündliche Fragen 52 und 53 Jörg Rohde (FDP)

Zahl der Zertifizierungen für Maßnahmenund Träger nach §§ 84 bis 87 SGB III seitIn-Kraft-Treten des Gesetzes sowie Pla-nungen zum Wegfall des Zertifizierungs-zwangs

Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1616 D

1617 A

1617 C

1617 D

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1581

(A) (C)

(B) (D)

21. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

Beginn: 13.00 Uhr

Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol-

legen, ich begrüße Sie herzlich.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Rentenpolitik der Bundes-regierung.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, FranzMüntefering. Bitte schön, Herr Minister.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirhaben heute im Kabinett den Rentenversicherungs-bericht 2005, den Alterssicherungsbericht 2005 und denBericht zum Stand der Altersversorgung in der Land-wirtschaft behandelt und verabschiedet. Diese Berichtewären eigentlich zum November vergangenen Jahres fäl-lig gewesen. Wir haben damals darum gebeten, sie spä-ter abgeben zu dürfen, weil sich die Regierung im Sta-dium ihrer Bildung befand. Zudem haben wir in derZwischenzeit eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen aufdiesem Gebiet beschlossen.

Ich habe gestern das Gutachten des Sozialbeirateszum Rentenversicherungsbericht bekommen und es demKabinett heute vorgelegt. Der Sozialbeirat hat mirgestern in Person seines Vorsitzenden Professor Rürupmitgeteilt, dass er dem Rentenversicherungsbericht zu-stimmt. Natürlich werden zu einzelnen Punkten Anmer-kungen gemacht, die uns Anregungen für die Zukunftgeben, aber insgesamt gibt es Zustimmung.

Mit dem Rentenversicherungsbericht verband sichheute der Beschluss zu zwei Eckpunkten. Zum einenwerden die 1-Euro-Jobs in Zukunft nicht mehr in die Re-ferenzsumme, also in die Lohnsumme, die die Grund-lage für die Entwicklung der Renten ist, einbezogen.Zum anderen werden wir die vorgesehene Dämpfung derRenten, die wir in diesem Jahr nicht durchführen, nach-

holen, aber nicht vor 2010. Wir haben das für 2012 unddie Folgejahre in den Rentenversicherungsbericht mo-dellhaft einbezogen, da diese Rechnung im Bericht dar-gestellt werden muss.

Wir sind davon ausgegangen, dass sich – wie am1. Februar 2006 im Kabinett beschlossen – das Renten-eintrittsalter ab 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von65 auf 67 Jahre erhöht, dass aber diejenigen, die 45 Ver-sicherungsjahre vorweisen können und 65 Jahre alt sind,ihre Rente ohne jeden Abschlag erhalten. Insgesamt be-deutet dies, dass sich das faktische Renteneintrittsalter,das bisher zwischen 60 und 65 Jahren lag, bis zum Jahr2029 auf ein Alter zwischen 63 und 67 Jahren entwi-ckeln wird.

Parallel dazu wird es die Initiative „50 plus“ geben.Damit wollen wir vonseiten der Politik unterstützen,dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, undverhindern, dass sie mit zum Beispiel 55 Jahren aus demErwerbsleben ausscheiden müssen. 58 Prozent der über55-Jährigen sind nicht mehr berufstätig; das ist hochpro-blematisch. In Skandinavien und in anderen Ländern istdas ganz anders. Wir müssen an dieser Stelle besser wer-den.

Das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsaltersvon 65 auf 67 Jahre und Vorschläge zur Initiative„50 plus“ werden Mitte dieses Jahres vorliegen. Jetztgeht es nur um den Bericht, also um die Ankündigungder Maßnahmen. Die Debatte dazu hat ja bereits begon-nen.

Wir sind im Bericht davon ausgegangen, dass es indiesem Jahr keine Rentenkürzung geben wird, ganzgleich, wie die Referenzsummen der Jahre 2004 und2005 letztlich sein werden. Der entsprechende Gesetz-entwurf ist eingebracht; wir werden darüber in dennächsten Wochen zu beschließen haben.

Der Rentenversicherungsbeitrag wird zum 1. Januarnächsten Jahres von 19,5 auf 19,9 Prozent angehoben. Indieser Höhe bleibt er für den Verlauf dieser Legislatur-periode. In den Rentengesetzen steht, dass er bis zumJahr 2020 nicht über 20 Prozent hinaus wachsen soll.Wir sind sicher, dass man das erreichen kann.

Redetext

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Bundesminister Franz Müntefering

Wir haben auch vereinbart, dass die Dynamik des An-stiegs des Bundeszuschusses für die Rentenversicherunggebrochen wird. Über die letzten zehn Jahre gab es eineSteigerung von etwa 6 Prozent. Sie wird deutlich mode-rater ausfallen. Wir rechnen damit, dass der Bundeszu-schuss für die Rentenversicherung in den kommendenvier, fünf Jahren im Schnitt um 1 Prozentpunkt pro Jahrsteigen wird. Was die Entwicklung der Höhe des Bei-tragssatzes und die Sicherung des Beitragssatzniveausangeht, können wir uns also aufgrund der Aussagen desRentenversicherungsberichts für die nächsten Jahre undauch für die Zeit bis 2019 sicher fühlen.

Der Alterssicherungsbericht geht über das Thema dergesetzlichen Rentenversicherung hinaus. In ihm wird derGesamtzusammenhang dargestellt und deutlich gemacht,wie wichtig es ist, dass neben der gesetzlichen Renten-versicherung zusätzlich Altersvorsorge betrieben wird.Ich nenne als Stichworte die Riester-Rente und die be-triebliche Vorsorge. In beiden Bereichen sind wir auf ei-nem guten Weg. Wir wissen aber, dass noch Verbesse-rungen durchzuführen sind. Die Koalition hat sich zumBeispiel vorgenommen, im Jahre 2008 den Kinderzu-schlag im Rahmen der Riester-Rente zu erhöhen. Insbe-sondere bei der ergänzenden Vorsorge müssen wir nochstärker als bisher die Familien- und Kinderkomponenteberücksichtigen.

Unterm Strich kann ich Ihnen sagen: Die Struktur dergesetzlichen Rentenversicherung steht; hier muss nichtmehr viel verändert werden. Das gilt für die Wegstrecke,die wir gegenwärtig überblicken können. Wir müssenaber dafür werben, dass stärker als bisher ergänzendeVorsorge betrieben wird, dass also die Riester-Rente, diebetriebliche Vorsorge oder andere Vorsorgemöglichkei-ten in größerem Umfang genutzt werden. Wenn uns dasgelingt, wird das Rentenniveau auch in Zukunft ange-messen sein und den Lebensstandard der Rentnerinnenund Rentner langfristig sichern. Natürlich ist dies vonder Entwicklung des Wohlstands, von der Prosperitätinsgesamt abhängig. Alle Wohlstandsgewinne, die wirzu verzeichnen haben, werden sich auch positiv auf denBereich der Alterssicherung auswirken.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Minister.

Gibt es Zusatzfragen zu dem vorgetragenen Be-richt? – Zunächst der Kollege Brauksiepe, dann FrauSchewe-Gerigk.

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Minister. Der vorliegende Bericht

ist von vielen – von einigen, wie ich finde, mit künstli-cher Aufgeregtheit – lange erwartet worden. Sie habendarauf hingewiesen, dass er dieses Mal ausnahmsweisezu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wurde. KönnenSie erläutern, welche für die zu behandelnden Fragenwichtigen Daten uns verloren gegangen wären bzw. imBericht nicht hätten berücksichtigt werden können,wenn er bereits zum 30. November letzten Jahres vorge-legt worden wäre?

(Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch eine gesetz-liche Pflicht! Oder sehe ich das falsch?)

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Wir sind verpflichtet, im November eines jeden Jah-res den Rentenversicherungsbericht und einmal pro Le-gislaturperiode den Alterssicherungsbericht und den Be-richt über den Stand der Alterssicherung bei Landwirteneinzubringen. Im November vergangenen Jahres habenwir das Parlament gebeten, diese Berichte später vorle-gen zu dürfen, um die Entscheidungen der Bundesregie-rung mit einbeziehen zu können. Ansonsten hätte zumBeispiel unser Beschluss zur Anhebung des Rentenein-trittsalters von 65 auf 67 Jahre keinen Eingang in denBericht gefunden. Das gilt auch für andere Entscheidun-gen, die wir getroffen haben. Auch die Eckpunkte, die inden letzten Tagen festgelegt worden sind, hätten nichteinbezogen werden können. Es war allerdings wichtig,diese Aspekte zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss-ten wir auch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in die-sem Jahr besser einschätzen können. Jetzt haben wir si-cherlich ein höheres Maß an Realismus erreicht, als esim November letzten Jahres hätte der Fall sein können.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Maurer, die Verteilung von Blumen

während einer Plenarsitzung gehört zu den sympathi-scheren Innovationen unseres Geschäftsbetriebes. IhreAuswahl ist allerdings erklärungsbedürftig. Dass ausge-rechnet das Präsidium davon ausgeschlossen bleibt,finde ich außerordentlich bedauerlich.

(Heiterkeit)

Als Nächste hat sich die Kollegin Schewe-Gerigk zuWort gemeldet.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):

Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag. Ich habenoch eine Frage zum Nachholfaktor. Im vorliegendenBericht wird davon ausgegangen, dass bisher nicht reali-sierte Dämpfungen in Höhe von 2 Prozent in fünf Schrit-ten – fünfmal 0,4 Prozentpunkte – vorgesehen sind. Dasssind aber die 2 Prozent, die schon jetzt nicht umgesetztworden sind. Kann man denn davon ausgehen, dasskünftige Dämpfungen realisiert werden? Ich würdegerne wissen, in welchen Abständen diese Dämpfungenerfolgen sollen oder ob Sie nur diese 2 Prozent ausglei-chen wollen.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Wir haben heute in den Eckpunkten festgehalten, dassdiese Dämpfungen nachgeholt werden, allerdings nichtvor dem Jahr 2010. Da wir diesen Vorgang natürlich inden Bericht einfließen lassen mussten, haben wir dies abdem Jahr 2012 vorgesehen, und zwar innerhalb von fünfJahren. Das ist aber modellhaft. Die Dämpfungen müs-sen nicht unbedingt genau zu diesem Zeitpunkt nachge-holt werden. Das hängt von der Möglichkeit ab, wann

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Bundesminister Franz Müntefering

das zu realisieren ist, von dem Anstieg der Renten. DasJahr 2012 bietet sich an, weil dann der Riester-Faktornicht mehr wirkt. Sie wissen, dass mit dem Ansparen imRahmen der Riester-Rente bis zum Jahre 2011 automa-tisch eine Dämpfung des Rentenanstiegs um 0,5 bis0,6 Prozentpunkte unterhalb der Lohnentwicklung ver-bunden ist. Ab 2012 stellt sich die Situation wiedergünstiger dar, weil es diesen Abstrich dann nicht mehrgibt. Das sprach dafür, im Bericht das Jahr 2012 als Zeit-punkt aufzunehmen.

Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren seinwird, kann man heute nicht wissen. Die Entscheidungder Bundesregierung ist, die Dämpfung nachzuholen.Das ist auch zu verantworten, weil die nachwachsendeGeneration sonst zusätzlich zahlen müsste. Wir habenaber aufgrund der Ausgangslage die Hoffnung – und wirwaren sehr vorsichtig bei der Ansetzung von Lohnerhö-hungen und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt –, inden nächsten Jahren keine Negativentwicklung mehr zuhaben und somit ohne zusätzliche Dämpfung durch dienächsten Jahre zu kommen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Weiß.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Herr Minister Müntefering, in der öffentlichen De-

batte – „Vordebatte“ müsste man eigentlich sagen – überden Rentenversicherungsbericht ist ausschließlich diegesetzliche Rente im Blickpunkt gewesen. Zum Teil sindbösartige Bemerkungen gemacht worden wie die Aus-sage, die Rente würde zur Schrumpfrente. Nun ist esauch Aufgabe des Alterssicherungsberichts, den dasBundeskabinett heute beraten hat, darzustellen, wie dasGesamtversorgungsniveau der älteren Generation in Zu-kunft aussehen wird. Könnten Sie einmal darauf einge-hen – unter Einschluss der weiteren Elemente der Alters-versorgung, der privaten und der betrieblichen, sowieder Einkommensentwicklung insgesamt –, wie sich dasGesamtsicherungsniveau der älteren Generation in denkommenden Jahren entwickeln wird?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Ich will zunächst etwas zu dem Begriff der Schrumpf-rente sagen. Dieser Begriff ist entstanden durch denVergleich dessen, was 1995 als Rentenniveau für 2009prognostiziert worden ist, mit der heutigen Situation.Damals sind die Löhne und Gehälter für das Jahr 2009um 21 Prozent höher eingeschätzt worden, als man esjetzt tut. Entsprechend ist man auch davon ausgegangen,dass die Renten um 21 Prozent höher liegen, als diesheute für 2009 prognostiziert wird. Das zeigt nur nocheinmal die enge Verbindung zwischen der Entwicklungder Einkünfte der Aktiven und dem, was als Rente aus-gezahlt werden kann. Man kann für diese Prognose nie-mandem einen Vorwurf machen. Eine Prognose istschwierig, weil man schätzen muss, wie sich die Lohn-summe, wie sich die Zahl der Beschäftigten, insbeson-dere der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in

den nächsten Jahren entwickeln wird. Dabei muss manbedenken, dass zum Beispiel für Minijobs nur begrenztin die Sozialversicherungskassen eingezahlt wird. Über-haupt haben wir viel Arbeit, die nicht sozialversiche-rungspflichtig ist. Das reduziert natürlich die Einnahmender Sozialversicherungskassen.

Sie möchten mit Ihrer Frage einen Blick nach vornewerfen. Wenn wir uns anschauen, was die gesetzlicheRentenversicherung leisten kann, dann müssen wir fest-stellen, dass das auf lange Sicht gesehen weniger ist alsin der Vergangenheit. Aber es gibt im Alterssicherungs-bericht sehr detaillierte Rechnungen, aus denen hervor-geht, dass bei normaler Entwicklung der Dinge – selbstbei vorsichtigen Annahmen über die Entwicklung derProsperität – und unter Einbeziehung der Riester-Rentedas Sicherungsniveau der Rentnerinnen und Rentnerlangfristig dem der heutigen Rentnergeneration entspre-chen wird. Die Situation der Rentner hängt immer ent-scheidend davon ab, wie sich unser Wohlstand mehrtund wie es bei den Aktiven aussieht.

Aus dem Alterssicherungsbericht, aus den 400 Seitenund den vielen Tabellen geht hervor: Es muss keinerAngst haben, was seine Perspektive angeht. Aber jedermuss wissen, dass er zusätzlich privat vorsorgen muss.Ich sehe es als eine Aufgabe der Koalition an, in dieserLegislaturperiode noch einmal ganz besonders dafür zuwerben, neben der gesetzlichen Rentenversicherung dieRiester-Rente, betriebliche Renten oder andere Formender Vorsorge verstärkt zu nutzen. Ich habe schon ange-deutet, dass wir die private Vorsorge durch die Verstär-kung von Familiengesichtspunkten, ob es nun um Kin-derzuschlag oder die Förderung von Wohneigentumgeht, vorantreiben. Die Menschen müssen also keineSorge haben, was ihre Perspektive für die nächsten Jahr-zehnte angeht.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Minister, der Rentenversicherungsbericht ist den

Kabinettskollegen mit einem Begleitschreiben zugeleitetworden. Sind Berichte zutreffend, dass Sie in diesemSchreiben angekündigt haben, dass es vor 2009 keineRentenerhöhungen mehr geben soll? Sie haben diesheute im Morgenmagazin für die Jahre 2006 und 2007bestätigt. Ist es also entsprechend diesem Schreiben zu-treffend, dass seitens der Bundesregierung auch für dasJahr 2008 keine Rentenerhöhung vorgesehen ist?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Da Sie zur Zeit der Ausstrahlung des Morgenmaga-zins schon wach gewesen sind und gearbeitet haben– das ist für die Menschen auf der Tribüne vielleichtauch einmal wichtig – –

(Zuruf von der CDU/CSU: Er war selbst drin! Sonst wäre er nicht wach gewesen!)

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Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, wenn uns die Mitglieder der Bundes-

regierung ihre Fernsehauftritte rechtzeitig mitteilten,würden die Abgeordneten den Zeitpunkt ihres Aufste-hens selbstverständlich danach ausrichten.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immer!)

Wir erhalten aber nur unzulängliche Informationen.

(Heiterkeit und Beifall)

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Herr Präsident, ich könnte Ihnen meinen Tagesplanzur Verfügung stellen. Wir könnten ja einmal schauen,was letztlich dabei herauskommt.

Heute Morgen habe ich deutlich gemacht, dass wir imAugenblick nur für das Jahr 2006 reagieren können. Fürdas Jahr 2006 beschließen wir, beschließt die Koalition,dass die Renten nicht gesenkt werden. Was in den nächs-ten Jahren sein wird, kann man heute noch nicht defini-tiv sagen, weil die Referenzzahlen immer die Lohnsum-men der beiden vorhergehenden Jahre sind. Die Zahlender Jahre 2004 und 2005 werden im Ergebnis im Junidieses Jahres vorliegen und wahrscheinlich zu der Er-kenntnis führen, dass die Renten eigentlich gesenkt wer-den müssten, und zwar über die Dämpfung des Riester-Faktors hinaus. Wenn die Einkommen aufgrund der Ent-wicklung so niedrig sind, dass die Rentenanpassung un-ter die Nulllinie gedrückt wird, müsste man die Rentensenken, es sei denn, man verhindert das per Gesetz. Ge-nau das wollen wir tun.

Wie die Entwicklung in den nächsten Jahren seinwird, kann man nicht genau sagen. Man kann vermuten,dass es im Jahre 2007 keine Erhöhung geben wird, weildas Jahr 2005, das ein schlechtes Jahr war, und dasJahr 2006, das hoffentlich besser wird, schon eine ge-wisse Perspektive erkennen lassen. Wie das in denJahren 2008 und 2009 sein wird, kann man aus heutigerSicht noch nicht sagen; ich habe dazu auch nichts ange-kündigt. All die Schlaumeier, die schon jetzt prognosti-zieren, dass sich bei den Renten bis zum Jahre 2016nichts verändern wird, bewegen sich im Nebel. Das kannman vermuten oder auch nicht. Letztlich hängt es davonab, wie sich die Löhne und Gehälter entwickeln und wieviele zusätzliche Mittel den Sozialversicherungskassenaufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt zufließen.

Wenn man sich die Rentenversicherungssystematikinsgesamt anschaut, weiß man: Das Wichtigste, das mantun kann, ist, für Bildung, Qualifizierung und Arbeit zusorgen. Dann wird die Entwicklung in den nächsten Jah-ren positiv sein. – Genauer kann man es nicht sagen. ImRentenversicherungsbericht wird ein ziemlich präzisesBild für die nächsten zwei, drei Jahre vermittelt. Die spä-tere Entwicklung hängt davon ab, wie sich die Arbeitslo-sigkeit und die Löhne entwickeln werden.

Was wir für dieses Jahr unterstellt haben, ist beschei-den. Wir haben unterstellt, dass die Zahl der sozialver-sicherungspflichtig Beschäftigten um 0,2 Prozent sinktund dass die Löhne um 0,7 Prozent steigen. Das ist deut-

lich zurückhaltender, als das in früheren Berichten derFall gewesen ist. Wenn Sie so wollen, sind wir an dieserStelle jetzt und auch für die kommenden Jahre ein wenigauf Nummer sicher gegangen. Deshalb denke ich, dasswir um die Jahrzehntwende auf jeden Fall auch im Ren-tenbereich wieder Steigerungen haben werden.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Kolb, ich nehme Ihren Namen gerne

wieder auf die Liste. Nach unseren Regeln muss ich aberin der Reihenfolge der Wortmeldungen vorgehen. –Nächster ist der Kollege Meckelburg.

Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Herr Minister, ich habe eine Frage zur so genannten

Riester-Rente. Immer wieder gibt es den Hinweis, dassdieses Instrument nur von den Besserverdienenden ge-nutzt wird. Gibt es im Rentenbericht Hinweise darauf,dass dies stimmt? Falls es stimmen sollte: Was mussman tun, damit es vor allem von denen genutzt wird, diediese Rente im Alter dringend brauchen?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Herr Kollege, es ist nicht so einseitig, wie es allge-mein vermutet wird. Ich will es einmal so sagen: DieMenschen in den unteren Einkommensgruppen, die oftgebrochene Lebensarbeitsbiografien haben, bräuchtendieses Instrument natürlich ganz besonders dringend. In-sofern müssen wir an dieser Stelle dafür werben, dassdies komplett wahrgenommen wird. Bis jetzt sparen5,6 Millionen Menschen im Rahmen der Riester-Rente.Vor einem Jahr waren es noch 1,5 Millionen. Bis zumJahre 2008 steigt die Zahl weiter an. Im Übrigen – ichsage das noch einmal – wollen wir sie durch familien-freundliche Komponenten noch attraktiver machen.

Es muss in Deutschland selbstverständlich werden,dass jemand in jungen Jahren anfängt, für seine eigeneAlterssicherung zu sparen. Das muss zu einem gewissenSystem werden. In Baden-Württemberg und im Sauer-land kennt man aus vergangenen Zeiten den Brauch,dass man zur Erstkommunion, zur Konfirmation oderspätestens zum Schulabschluss einen Bausparvertrag ge-schenkt bekam.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!)

Das war ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständ-lich sollte es heute sein, wenn man in den Beruf ein-steigt, einen Vertrag über eine zusätzliche Rente abzu-schließen; das kann eine Riester-Rente oder einebetriebliche Rente sein. Das muss zur Selbstverständ-lichkeit werden und darf keine Ausnahme bleiben.

Das ganze System wird nur tragen, wenn die gesetzli-che Rente um den Teil des persönlichen Vorsparens er-gänzt wird. Das ist auch eine Frage der Generationenge-rechtigkeit. Die jüngere Generation kann das nichtalleine tragen. Ansonsten würde sie durch ihre eigeneVorsorge und das, was sie für die aktuelle Rentnergene-ration zu zahlen hat, zu stark belastet. Unter diesem Ge-

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Bundesminister Franz Müntefering

sichtspunkt müssen wir für die zusätzliche Vorsorgewerben.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Straubinger.

Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Minister, auch ich habe Fragen zur Riester-För-

derung. Bis jetzt gibt es – Sie haben es gerade ausge-führt – 5,6 Millionen Verträge für die Riester-Rente.Diese Zahl darf uns aber nicht beruhigen, weil auf die-sem Gebiet 20 Millionen Verträge abgeschlossen werdenkönnten. Die Möglichkeit einer Zusatzrente haben dieBürgerinnen und Bürger nicht ausreichend in Anspruchgenommen. Besonders für die jüngere Generation – dastimme ich Ihnen vollkommen zu – wäre es aber wich-tig, zu Beginn des Berufslebens einen Vertrag für eineRiester-Rente abzuschließen.

Besteht aber nicht möglicherweise gerade für dieganz junge Generation ein Hemmnis, einen solchen Ver-trag abzuschließen, weil die Familien- bzw. die Lebens-planung noch nicht abgeschlossen ist? Wäre es nichtvielleicht vernünftig, die Regelungen zur Verwendungs-art der Kapitalanlagen etwas zu lockern? Zurzeit bestehtdie Vorschrift, dass das Geld nur beim Eintritt in dieRente ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden kann.Da das Wohnen in den eigenen vier Wänden ein wichti-ger Gesichtspunkt ist, um im Alter mietfrei zu wohnen,wäre es für junge oder ganz junge Familien möglicher-weise sinnvoll, wenn die Verträge dahin gehend geöffnetwürden, das angesparte Kapital bei Erwerb einer Eigen-tumswohnung oder bei Errichtung eines Einfamilienhau-ses zum Einsatz bringen zu können. Müsste man nicht,um im Alter mietfreies Wohnen zu gewährleisten, neueVertragsformen finden bzw. entsprechende Möglichkei-ten gerade bei der Riester-Ansparung eröffnen?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Der Ausgangspunkt ist klar: Man weiß nicht, wie dieLebens- und Arbeitsbiografie sein wird. Eines aber istziemlich sicher: Älter wird man. Insofern lohnt es sichfür jeden, eine zusätzliche private Versicherung abzu-schließen.

Wir in der Koalition haben uns außer dem Ansatz, dieRiester-Rente familienfreundlicher zu gestalten, vorge-nommen, auch zu prüfen, wie man sie stärker mit einerFörderung des selbst genutzten Wohneigentums bzw. desWohneigentums insgesamt verbinden kann. Das ist be-reits im Rahmen der Beratung über diese Förderung ge-prüft worden. Das Ergebnis war ein Kompromiss. Da-nach kann man sich von dem, was man angespart hat,eine gewisse Summe entleihen. Man kann einen günsti-gen Kredit aus dem Riester-Vertrag für die Schaffungvon Wohneigentum bekommen, muss das Geld aber wie-der zurückzahlen. Man kann also 10 000 oder20 000 Euro entleihen, wenn man das Geld wieder ein-zahlt. Dies ist schon heute möglich.

Über andere Möglichkeiten werden wir zu sprechenhaben. Die Bundesregierung macht sich Gedanken dazu.

Im Deutschen Bundestag werden wir im Verlauf diesesoder des nächsten Jahres darüber zu entscheiden haben,in welcher Weise wir diesem Gesichtspunkt, der Sinn-haftigkeit von selbst genutztem Wohneigentum fürs Al-ter, stärker Rechnung tragen können. Das kann eine we-sentliche Hilfe sein.

Allerdings muss die Rente in ihrer Konzeption erhal-ten bleiben. Das heißt: Was angespart wird und an Kapi-tal vorhanden ist, muss für die Rente zur Verfügung ste-hen, damit diese anschließend ausgezahlt werden kann.Im Unterschied zu einer Versicherung, bei der das Kapi-tal auf einen Schlag ausgezahlt wird, soll diese Rente un-ter dem Gesichtspunkt des Risikostrukturausgleichsdemjenigen, der sehr alt wird, genauso seine Rente si-chern wie demjenigen, der nicht so alt wird. Das ist dasTypische einer Rente. Das lässt sich nicht ohne weiteresmit dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung ver-binden. Dabei stellen sich einige Fragen: Kann man dasObjekt verkaufen? Wird es vererbt? Wem genau gehörtes? Wie kann man es für den Fortbestand der Rente si-chern? – Diese Fragen sind kompliziert. Grundsätzlichist die Frage, was man zur Förderung von selbst genutz-tem Wohneigentum als Alterssicherung tun kann, rich-tig. Damit werden wir uns in diesem und im nächstenJahr beschäftigen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):

Herr Minister, Sie haben die Rente mit 67 Jahren an-gesprochen. Diejenigen, die 45 Jahre durchgehend er-werbstätig waren, sollen ohne Abschläge schon früher inRente gehen können. Wie sieht es allerdings mit denjeni-gen aus, die in den so genannten belasteten Berufen tätigsind? Wir haben seinerzeit darüber diskutiert, ob be-stimmte Berufe ausgenommen werden sollen. Das wäremit einem Kostenaufwand verbunden. Im Rentenversi-cherungsbericht habe ich dazu nichts gefunden. Kannich daraus schließen, dass Sie die Debatte über Ausnah-meregelungen für Berufe, die mit bestimmten Belastun-gen verbunden sind, nicht weiterführen werden? WerdenSie die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder einführen?Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Ich sage es noch einmal: Hier handelt es sich um ei-nen Bericht und nicht um einen Gesetzentwurf. Ich habeaber nicht vor, die Erwerbsunfähigkeitsrente wieder zubeleben. Wir haben heute in Deutschland eine Erwerbs-minderungsrente. In der Diskussion über die Erhöhungdes Renteneintrittsalters von 65 auf 67 muss in der Tatauch über Rolle und Funktion der Erwerbsminderungs-rente gesprochen werden. Ich halte es aber für nichtmöglich, ganze Berufsgruppen oder -sparten von der Ge-samtregelung auszunehmen.

Die 45 Versicherungsjahre sind eine Konzession andie Tatsache, dass es – das gilt auch für die nächsten

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Bundesminister Franz Müntefering

20 Jahre – sehr ungleiche Lebens- und Arbeitsbiografiengibt. Manche Erwerbstätige, die sich dem Rentenalternähern, sind schon mit 14 oder 15 Jahren ins Berufsle-ben eingetreten. Heute erfolgt der Eintritt ins Berufsle-ben im Durchschnitt mit 21 Jahren. Diejenigen, die zwi-schen dem 17. und 21. Lebensjahr ins Erwerbslebeneintreten – die Ausbildungszeit zählt dabei mit –, habenmit 65 Jahren 45 Versicherungsjahre erreicht. Die Rege-lung, wonach man nach 45 Versicherungsjahren in Rentegehen kann – das gilt auch für Berufe, die mit körper-lichen Belastungen verbunden sind –, soll beibehaltenwerden. Das ist nicht unumstritten. Der Sozialbeirat hatbezweifelt, ob das sinnvoll ist. Ich glaube aber, dassdiese Begünstigung vorläufig noch notwendig ist. 65-Jäh-rige, die auf 45 Versicherungsjahre kommen, sollen eineRente ohne Abschlag bekommen.

Insgesamt verschieben wir den Korridor des Renten-eintrittsalters. In den vergangenen Jahren reichte er von60 bis 65 Jahre. In den letzten Jahren sind nur33,5 Prozent der Männer mit 65 Jahren in Rente gegan-gen; bei vielen war das schon sehr viel früher der Fall.Wir werden diesen Korridor bis zum Jahr 2029 auf63 bis 67 Jahre verschieben.

Es ist klar, dass jemand, der einer besonderen Belas-tung ausgesetzt oder behindert ist, schon vor dem gesetz-lichen Renteneintrittsalter seine Invalidität oder Teil-invalidität anerkennen lassen kann. Das ist aber bereitsmöglich. Sehr viele gehen schon früher in den Ruhe-stand; nicht wenige machen dabei Erwerbsminderunggeltend. Das bleibt auch so. Hier ist aber eine Einzelfall-prüfung notwendig. Es kann keine pauschale Regelungfür bestimmte Berufsgruppen gelten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Connemann.

Gitta Connemann (CDU/CSU): Herr Minister, Sie haben deutlich gemacht, dass eine

Altersvorsorge, die auf verschiedenen Standbeinen be-ruht, selbstverständlich werden muss. Sie haben insbe-sondere das Erfordernis der privaten Altersvorsorgeangesprochen. Dazu gehört auch die betriebliche Alters-vorsorge. Können Sie Angaben dazu machen, wie vieleArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit Anspruchauf eine betriebliche Altersvorsorge haben, wie sie sichin den letzten Jahren entwickelt hat und welche Entwick-lung die Bundesregierung für die kommenden Jahre er-wartet?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Meines Wissens haben inzwischen 15,7 MillionenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch aufeine betriebliche Altersvorsorge. Wenn man den öffentli-chen Dienst einbezieht, sind es etwa 60 Prozent aller so-zialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es hat in denletzten Jahren eine ziemlich rasante Entwicklung gege-ben, die sich auch in den Tarifverhandlungen niederge-schlagen hat. Dass wir auf diese Entwicklung bereitsjetzt – rechtzeitig vor dem Jahre 2012 – eingehen, ist

eine Einladung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, inden Tarifverträgen die Gesamtzusammenhänge zu be-rücksichtigen.

In den letzen vier bis fünf Jahren ist in der betriebli-chen Altersvorsorge ein Zuwachs in einer Größenord-nung von 4 bis 6 Prozent zu verzeichnen gewesen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Minister, Sie haben in Ihrer Antwort auf meine

erste Frage ausgeführt, dass Sie für das Jahr 2006 relativzurückhaltend in der Ansetzung der Werte waren. Wasden Prognosezeitraum anbelangt, geben Sie diese Zu-rückhaltung jetzt erstaunlicherweise auf. Sie haben bei-spielsweise die Lohnentwicklung bis 2019 mit durch-schnittlich 2,5 Prozent angesetzt. Vor dem Hintergrund,dass die Lohnentwicklung in den vergangenen zehn Jah-ren durchschnittlich 1 Prozent – in den letzten fünf Jah-ren waren es sogar nur 0,8 Prozent – betragen hat, ist dasbemerkenswert. Sie gehen von einem Beschäftigungs-wachstum von 0,6 Prozent pro Jahr bis 2019 aus. Das istinsofern interessant, als die Beschäftigung in den letztenfünf Jahren im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr zurück-gegangen ist. Sie unterstellen des Weiteren ein durch-schnittliches Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent proJahr. In den letzten vier Jahren lag es im Schnitt bei ge-rade einmal 1,25 Prozent. Was berechtigt Sie zu diesenoptimistischen Annahmen, insbesondere bei den Lohn-steigerungen? Besteht nicht die Gefahr, dass den Men-schen ein falsches Signal gesendet wird? Sie haben vor-hin die so genannte Schrumpfrente der „Bild“-Zeitungangesprochen und darauf hingewiesen, dass die Rentennicht so stark gestiegen seien, weil die Einkommen nichtso stark gestiegen seien.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Haben Sie „Schrumpfzeitung“ gesagt?

(Heiterkeit)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nein. Ich hatte die so genannte Schrumpfrente der

„Bild“-Zeitung angesprochen. Es ist aber gut, dass Siedarauf hinweisen.

Meine Frage lautet: Besteht nicht die Gefahr, dass wirerneut ein falsches Signal geben, wenn wir den Men-schen nun Rentensteigerungen voraussagen, ihre Erwar-tungen aber enttäuschen müssen, weil die Realität 15 bis20 Prozent hinter den Prognosen zurückgeblieben ist, dadie Löhne im Schnitt nicht um 2,5 Prozent gestiegensind?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Man kann, wenn man nach vorne blickt, zuversichtli-cher oder weniger zuversichtlich sein. Wir haben jeden-falls den Wert für die mittelfristige Lohnentwicklung

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Bundesminister Franz Müntefering

von 2 auf 1,5 Prozent und den Wert für die langfristigeLohnentwicklung von 3 auf 2,5 Prozent gesenkt. Der So-zialbeirat hat das nicht infrage gestellt, sondern bestätigt,dass das eine realistische Größenordnung ist.

Er hat sich allerdings skeptisch im Hinblick auf dieEntwicklung der sozialversicherungspflichtigen Be-schäftigungsverhältnisse geäußert. Er hat gefragt, ob wires schaffen, dass der Großteil der Arbeitsplätze durchdie Sozialversicherungspflicht erfasst wird, sodass in dieSozialversicherungskassen entsprechend eingezahltwird. Das führt letztlich zu der Frage, in welchem Maßedie Renten durch eingezahlte Beiträge oder durch Steu-ermittel finanziert werden müssen. Darüber müssen wirdiskutieren. Das ist sicherlich sehr kompliziert. Aberdiese Frage wird man beantworten müssen.

Im Übrigen nehme ich an, dass Sie und Ihre Fraktionvielen in diesem Land Mut machen werden, dass es an-ständige Lohnerhöhungen gibt. Dann lösen sich die Pro-bleme und Ihre Frage in Luft auf. Ich finde jedenfalls,dass die Lohnentwicklung in unserem Land eine positiveTendenz aufweisen sollte. Ich möchte mich zwar nichtkonkret einmischen. Aber letztlich wird der WohlstandDeutschlands davon abhängen, ob es ein Hochleistungs-land und ein Hochlohnland bleibt. Das Ganze machtdeutlich, dass eine Niedriglohnstrategie in die falscheRichtung läuft, auch was unsere Sozialsysteme angeht.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegen

Schaaf, Rohde und Koppelin sowie von Frau Schewe-Gerigk notiert. Ich hoffe, dass ich niemanden übersehenhabe. Damit möchte ich mit Blick auf die für die Regie-rungsbefragung vorgesehene Zeit die Rednerliste gerneschließen. – Es besteht offenbar Einvernehmen.

Herr Kollege Schaaf.

Anton Schaaf (SPD): Herr Minister, im Zusammenhang mit der Anhebung

des Renteneintrittsalters auf 67 wird oft darauf verwie-sen – das hat auch Frau Kollegin Schewe-Gerigk geradegetan –, dass nur in bestimmten Berufen die Möglichkeitbesteht, so lange zu arbeiten. Geben Sie mir Recht, dassdie Verantwortung dafür, dass ältere Arbeitnehmer einenArbeitsplatz und entsprechende Arbeitsbedingungen ha-ben, die es ihnen ermöglichen, bis ins höhere Alter zu ar-beiten, nicht ausschließlich bei der Politik, sondern auchbei den Unternehmen liegt, und zwar nicht nur im Hin-blick auf Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, sondernauch im Hinblick auf Weiterbildung und Qualifizierung?Geben Sie mir außerdem Recht, dass die Förderinstru-mente, die wir in den letzten Jahren insbesondere für äl-tere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffenhaben, von den Unternehmen nur in sehr unzureichen-dem Maße wahrgenommen werden?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Das führt zu der Frage, welches die Gründe sind, wa-rum die Menschen so früh aus dem Berufsleben aus-scheiden. Liegt das an der unzureichenden Qualifizie-rung, an gesundheitlichen Handicaps, an Vorurteilen

oder an dem Versuch der Unternehmen in den vergange-nen Jahren und Jahrzehnten, Personalpolitik auf KostenDritter, der sozialen Sicherungssysteme, zu betreiben?Das alles spielt sicherlich eine Rolle.

Ganz sicher spielen aber die Fragen nach der Qualifi-zierung und nach der Gesundheit eine große Rolle. DerArbeitsschutz, also die Frage, wie Menschen in ihremBeruf älter werden, ist natürlich ein wichtiger Punkt. DieUnternehmen sind gut beraten, die bedenken, dass sieeine vernünftige Mischung aus alten und jungen Mitar-beitern gut gebrauchen können. Das heißt, die Betriebeselber sollten ein Interesse daran haben, dass es auch al-ternsgerechte Arbeitsplätze gibt. Es muss auch eine Qua-lifizierungsmöglichkeit für die 40- bis 50-Jährigen ge-ben, damit sie erst gar nicht ihre Arbeit verlieren. All daswird dazugehören.

Ich bin mir bewusst, Herr Kollege, dass die Fragen,die wir jetzt hier behandeln, nicht mit einigen Federstri-chen beantwortet werden können. Es geht im Grunde umdie Frage, ob diese Gesellschaft es lernt, sich über dieBedingungen und die Zukunftsfähigkeit einer älter wer-denden Gesellschaft klar zu werden. Das ist unverzicht-bar.

Ich will das noch einmal anhand von zwei oder dreiZahlen skizzieren. Im Jahre 2050 werden in Deutschland18 Prozent der Menschen älter als 80 Jahre sein. Heutesind es 4 Prozent. 37 Prozent werden älter als 60 sein.16 Prozent werden jünger als 20 sein. Alle, die jetzt22 Jahre und jünger sind, werden dann noch im Berufs-leben sein. Wenn wir jetzt nicht geeignete Maßnahmenergreifen, dann wird das Rückwirkungen auf die Funk-tionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme in der Zu-kunft haben. Wir müssen Schritt für Schritt das faktischeRenteneintrittsalter anheben und erreichen, dass dieMenschen im Alter von 50 oder 55 Jahren nicht mehrdiskriminiert werden, dass sie in Arbeit bleiben könnenund dass sie qualifiziert werden, wenn es nötig ist. Dasmuss der normale Weg sein. Wenn wir diesen Weg be-schreiten, dann werden wir in den nächsten Jahren einepositive Entwicklung haben.

Die Frage aber der alternsgerechten Arbeitsplätzestellt sich ganz klar. Ich glaube, dass es eine Menge Ar-beit gibt, gerade was den Dienst des Menschen am Men-schen betrifft. Es gibt in Deutschland in diesem Bereichgenug Arbeit, die getan werden muss. Ich schließe auchÜberlegungen zur Errichtung von Beschäftigungsgesell-schaften für Ältere nicht aus.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Rohde.

Jörg Rohde (FDP): Herr Minister Müntefering, ich frage nach, weil in Ih-

rem Bericht Überschüsse angekündigt werden: für dasJahr 2010 4,4 Milliarden Euro und für die Jahre 2011und 2012 sogar 6 Milliarden Euro. Wie kommen dieseÜberschüsse zustande? Hängt das damit zusammen, dassSie ab 2011 die Beitragsbemessungsgrenze massiv erhö-hen? Warum gehen Sie davon aus, dass ab 2011 die Bei-tragsbemessungsgrenze stärker angehoben wird als inden Vorjahren?

1588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

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Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Die Beitragsbemessungsgrenze steigt permanent– das wissen Sie – nach dem bekannten Schlüssel. Wirgehen davon aus, dass das bei der Lohnentwicklung undder Prosperität, die wir unterstellen, auch im nächstenJahrzehnt so sein wird. Wir haben keine exorbitante Er-höhung der Beitragsbemessungsgrenze vorgesehen; siewird vielmehr gemäß der üblichen Verfahrensweise an-gehoben. Das soll auch nach dem Jahr 2010 so sein.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Koppelin.

Jürgen Koppelin (FDP): Herr Minister, vor der Bundestagswahl haben sowohl

die SPD als auch Sie als Parteivorsitzender – ich finde,völlig zu Recht – auf die negativen Folgen einer Mehr-wertsteuererhöhung für die Rentner hingewiesen. Da Sienun im Amt sind und die Zahlen, die die SPD damals ge-nannt hat, nun amtlich überprüfen können, können Siemir bestätigen, dass die damaligen Zahlen der SPD unddie Schlussfolgerung, dass die Mehrwertsteuererhöhungnegative Folgen für die Rentner habe, stimmen?

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Das ist eine sehr gute, kluge Frage.

(Heiterkeit bei der FDP – Jürgen Koppelin[FDP]: Ich stelle immer kluge Fragen, wie Siewissen!)

– Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, habe esdann aber verschluckt. Sie wissen schon, was ich sagenwollte.

Zur Demokratie gehört, verehrter Herr KollegeKoppelin, dass man sich, wenn man Koalitionen eingeht,auf eine gemeinsame Politik verständigt, die man danngemeinsam trägt. Das tue auch ich. Dazu stehe ich. Wirhaben in der Koalition darüber gesprochen, in welcherWeise wir die Finanzierungsbedarfe von Bund, Ländernund Gemeinden in den nächsten Jahren erfüllen können.Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dazu gehört,einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zur Reduzierungdes Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu verwen-den, und zwar von 6,5 Prozent auf 5,5 Prozent und imWeiteren auf 4,5 Prozent. Mit einem Prozentpunkt wirdalso unmittelbar zur Entlastung der Arbeitnehmer undArbeitgeber beigetragen.

Die anderen 2 Prozentpunkte werden für die Kassendes Bundes, der Länder und der Kommunen gebraucht.Natürlich werden alle in diesem Land, auch die Rentne-rinnen und Rentner, die Ergebnisse einer solchen Verän-derung an den Preisen registrieren. Inwieweit die höhereMehrwertsteuer auf die Preise abgewälzt werden kann,wird sich erst im nächsten Jahr zeigen.

Ich weiß, die FDP ist die einzige Fraktion weit undbreit, die nach den Wahlen immer dasselbe sagt wie vorden Wahlen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Danke!)

Das hängt damit zusammen, dass Sie auf ganz lange Zeitin der Opposition sein werden. Sie können nach derWahl immer dasselbe sagen wie vorher. Machen Sie sichkeine Sorgen!

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, auch Regierungsparteien schadet es

nicht, wenn sie nach den Wahlen das Gleiche sagen wievor den Wahlen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Es wäre aber schade, wenn wir in der Opposition wä-ren. Wir wollen regieren.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Schewe-Gerigk, bitte.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):

Herr Minister, in den letzten Jahren ging die Zunahmeder Beschäftigung mit einer Abnahme der sozialver-sicherungspflichtigen Beschäftigung einher. Wie Sievorhin angesprochen haben, wird das auch im Koali-tionsvertrag als Problem dargestellt. Im Rentenversiche-rungsbericht wird daraus überhaupt keine Schlussfolge-rung gezogen. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dassdie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung imnächsten Jahr zunehmen wird. Ich möchte gerne wissen,welche Annahme dem zugrunde liegt.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:

Sie müssten einmal den Ifo-Geschäftsklimaindex, dieZEW-Konjunkturerwartungen oder den KfW-Monitor inBezug auf die Auftragseingänge beim Mittelstand in derletzten Woche lesen. Alle dort veröffentlichten Zahlenmachen deutlich, dass wir damit rechnen dürfen, dasswir, gemessen an unseren bescheidenen Prognosen fürdieses Jahr, ganz ordentlich abschneiden. Das 25-Mil-liarden-Euro-Programm, das wir angeschoben haben– ich weiß nicht, ob Sie es mit beschlossen haben –, wirddazu beitragen, einige Dinge in Bewegung zu setzen,zum Beispiel beim Handwerk oder beim Mittelstand. Esbewegt sich also etwas.

Das wird zwar nicht sensationell sein und viel verän-dern – wir sind da ganz realistisch –, aber ich bin mirsicher, dass wir alles dafür getan haben, dass sich derArbeitsmarkt sowie die Steuern und Sozialversiche-rungsbeiträge in diesem und im nächsten Jahr in gewis-sem Maße positiv entwickeln werden.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssit-

zung sind bei mir nicht angemeldet. Damit sind wir am

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1589

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Präsident Dr. Norbert Lammert

Ende der Befragung der Bundesregierung. Herr Minis-ter, ich bedanke mich.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:

Fragestunde

– Drucksache 16/796 –

Die Reihenfolge der aufzurufenden Geschäftsberei-che liegt Ihnen vor.

Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentari-sche Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Peter Hettlich auf:In welcher Weise ist das Bundesministerium für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit bis zur Entscheidung desDeutschen Bundestages über den Verbleib des im Bundesver-kehrswegeplan festgesetzten naturschutzfachlichen Planungs-auftrages in die Abarbeitung desselben eingebunden?

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit:

Lieber Kollege Hettlich, Sie haben sich in dieserFrage schon mehrfach an die Bundesregierung gewandt.Ich kann im Namen des BMU nur mitteilen, dass dasBMU in die Abarbeitung des naturschutzfachlichen Pla-nungsauftrages bis zur Entscheidung des DeutschenBundestages voll eingebunden ist. Das heißt, dass wirdie Dossiers und auch die einzelnen Unterlagen vor derWeiterleitung ans Parlament im vollen Umfang bekom-men.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage. In der

letzten Sitzung des Verkehrsausschusses haben wir dieAbarbeitung von naturschutzfachlichen Planungsaufträ-gen im Rahmen des Fernstraßenausbaugesetzes 2004 be-handelt. Seitdem haben wir keine weitere Vorlage mehrbekommen. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Anzahl anabgearbeiteten oder in Bearbeitung befindlichen Projek-ten ist? Wenn Sie es jetzt nicht ad hoc sagen können,würde es mir reichen, wenn das Ministerium mir dieAntwort schriftlich zukommen lässt.

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit:

Ich habe diese Zahl zwar im Kopf, aber ich bin nichtganz sicher, ob sie richtig ist. Ich teile Ihnen das nochmit.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Okay.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Hettlich auf:

Bezieht sich der naturschutzfachliche Planungsauftrag undseine Abarbeitung auf den gesamten Bau der BundesautobahnA 14 zwischen Magdeburg und Schwerin oder auf einzelneAbschnitte?

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit:

Ich beantworte diese Frage wie folgt: Der besonderenaturschutzfachliche Planungsauftrag wurde für den ge-samten Bau der Bundesautobahn A 14 zwischen Magde-burg und Schwerin vergeben. Bei länderübergreifendenGroßprojekten wie diesem Autobahnprojekt wird dieUmsetzung nach Bauabschnitten in eigener Verkehrs-wirksamkeit durchgeführt. Das heißt, es kann Sonder-prüfungen zu einzelnen Fällen geben. Eine ist auchschon erfolgt.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben der Presse entnommen, dass der Landes-

verkehrsminister Daehre in den nächsten Tagen oderWochen, vermutlich noch rechtzeitig vor der Landtags-wahl in Sachsen-Anhalt, den ersten Spatenstich zu ei-nem Brückenbau vornehmen will. Wissen Sie, ob die sogenannte Soda-Brücke in den Bereich der Abarbeitungdieses naturschutzfachlichen Planungsauftrags fällt?

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit:

In unserem Haus ist bezüglich dieser Brücke beiColbitz eine Prüfung vorgenommen worden. Wir sind zudem Ergebnis gekommen, dass es bei diesem Einzelab-schnitt keinen ökologischen Konflikt gibt. Daher vertre-ten wir die Auffassung, dass die Ortsumgehung soschnell wie möglich geschaffen werden sollte.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte da noch einmal nachfragen. Soweit ich

weiß, muss eine Aufhebung des naturschutzfachlichenPlanungsauftrags durch das Parlament erfolgen. Ist esnicht so, dass selbst über eine solche Sache wir entschei-den müssen?

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit:

Nach unserer Auffassung ist das nicht der Fall. Wenndiese Abwägung erfolgt ist, kann man das auch so ma-chen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich, demdes Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

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Präsident Dr. Norbert Lammert

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-sekretär Andreas Storm zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Hirsch auf: Plant die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Ge-

setzesnovelle zur Fortentwicklung des Bundesausbildungsför-derungsgesetzes, BAföG, und, wenn ja, inwieweit?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Fragewie folgt: Die Bundesregierung hält sich an die Koali-tionsvereinbarung, nach der das BAföG in seiner jetzi-gen Struktur zur Finanzierung des Lebensunterhaltserhalten bleibt. Sie hat die hierfür erforderlichen Haus-haltsmittel im Regierungsentwurf für den Bundeshaus-halt 2006 vorgesehen. Für eine eigenständige Gesetzes-novelle noch in diesem Jahr zur Fortentwicklung desBAföG wird derzeit keine Veranlassung gesehen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Hat die Bundesregierung vor diesem Hintergrund ge-

nauer betrachtet, wann die letzte Anpassung der Be-darfssätze und Freibeträge beim Elterneinkommen er-folgt ist? Nach unseren Informationen war das 2001.Wenn man das BAföG in der derzeitigen Form erhaltenwill, muss man an dieser Stelle doch eine Anpassungvornehmen, weil ansonsten weniger Studierende in denGenuss der BAföG-Leistung kommen und ohne eineAnpassung sozusagen ein Rückschritt stattfindet. Alsobesteht aus unserer Sicht auf jeden Fall die Notwendig-keit, eine Anpassung vorzunehmen, wenn denn die Bun-desregierung sich darauf verständigt hat, das BAföG inder derzeitigen Form zu erhalten. Die Frage ist nun, in-wieweit Sie diese Auffassung teilen.

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Frau Kollegin Hirsch, ich teile diese Auffassungnicht. Da zum Jahreswechsel der 17. Bericht nach § 35des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorgelegtwird, der als eine Erkenntnisgrundlage zum Anpas-sungs- und Fortentwicklungsbedarf dienen soll, wäre essicherlich leichtfertig und töricht, wenn man bereits vorder Vorlage dieses Berichts voreilig Schlussfolgerungenbezüglich eines möglichen Anpassungsbedarfs ziehenwürde. Wir werden diesen Bericht also zunächst einmalabwarten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage.

Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Sie haben den Bericht angesprochen. Die Berichte

werden im Zweijahresabstand vorgelegt. Schon im letz-ten Bericht wurde explizit gesagt, es müsse eine Anpas-sung stattfinden, und es wurde nur ergänzend hinzuge-fügt, das sei aktuell aufgrund der angespanntenHaushaltslage nicht möglich. Wenn nun aber die Bun-desregierung entschieden hat, dass das BAföG in der ak-

tuellen Form erhalten werden soll, müsste man jetzt ge-rade im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eigentlicheine Anpassung vornehmen. Inwieweit teilen Sie das?

Ich stimme Ihnen natürlich darin zu, dass man prinzi-piell abwarten kann, bis der nächste Bericht vorliegt.Aber wenn schon der letzte Bericht einen Anpassungs-bedarf deutlich gemacht hat, dann sehe ich eine weitereWartezeit nicht mehr als notwendig an.

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Frau Kollegin Hirsch, ich darf auf meine erste Ant-wort verweisen. Die Bundesregierung sieht derzeit kei-nen Handlungsbedarf. Deshalb warten wir zunächst ein-mal den 17. Bericht ab.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 4 der Kollegin Hirsch:

Inwieweit teilt die Bundesregierung die Forderung nachEinrichtung von mindestens 100 000 Ausbildungsplätzen instaatlichen Berufsausbildungszentren, die gemeinsam vonStaat und Unternehmen finanziert werden sollen (vergleiche„Berliner Zeitung“ vom 20. Februar 2006)?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Frau Abgeordnete Hirsch, ich beantworte Ihre Fragewie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Forderungnicht. Sie hat im Jahr 2004 mit den Spitzenverbändender Wirtschaft den Ausbildungspakt für die Dauer vonzunächst drei Jahren abgeschlossen. Die Wirtschaft hatdarin zugesagt, jährlich 30 000 neue Ausbildungsplätzesowie 25 000 Plätze für die so genannte Einstiegsqualifi-zierung bereitzustellen. Diese Zusagen wurden 2004 und2005 deutlich übertroffen. Gleichwohl geht weiterhinder Appell an die Betriebe und die Unternehmen, zusätz-liche Anstrengungen zur Mobilisierung von Ausbil-dungsplätzen zu unternehmen. Die Bundesregierungwird die Wirtschaft dabei durch verschiedene staatlichfinanzierte Programme, zum Beispiel das im Januar be-gonnene Strukturprogramm „Jobstarter“, flankierend un-terstützen.

Ergänzend zum Ausbildungspakt hat die Bundes-ministerin für Bildung und Forschung eine Strukturini-tiative zur beruflichen Bildung angekündigt.

Im Übrigen wird die Bundesregierung die Entwick-lung auf dem Ausbildungsstellenmarkt im Verlauf desJahres 2006 sorgfältig analysieren, um gegebenenfallsweitere Schritte mit den Partnern in der beruflichen Bil-dung absprechen zu können.

Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Hintergrund der Forderung, die ja im Übrigen von

den Jusos geäußert wurde, war die Feststellung, dasszurzeit eine immense Ausbildungsplatzlücke von min-destens 100 000 Plätzen besteht – darüber haben wir hierim Plenum ja bereits diskutiert – und es schlichtwegnicht zu schaffen sein wird, alle Jugendlichen, die aufder Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, noch indiesem Sommer in einen betrieblichen Ausbildungsplatzzu vermitteln. Da hier also ganz offensichtlich Hand-

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Cornelia Hirsch

lungsbedarf besteht, war eine Initiative angemahnt wor-den. Mit Ihren Ausführungen haben Sie mir allerdingskeine Antwort auf die von mir geäußerte Sorge gegeben,wo all diese Jugendlichen, zu denen noch die Altnach-fragerinnen und -nachfrager, die auch auf der Suchenach einem Ausbildungsplatz sind, hinzugezählt werdenmüssen, unterkommen sollen, wenn es nicht zu einerdeutlich stärkeren Erhöhung der Zahl der Ausbildungs-plätze kommt, als sie im Ausbildungspakt vereinbartwurde, da diese ja wohl angesichts einer Lücke von100 000 Plätzen nicht ausreicht. Ich bitte Sie deshalbnoch einmal um eine konkretere Antwort.

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Frau Abgeordnete, zunächst einmal ist Ihre Behaup-tung nicht zutreffend, dass es am Ende zu einer Ausbil-dungsplatzlücke in Höhe von 100 000 Plätzen kommenwird. Die tatsächliche Differenz zwischen dem Angebotund der Nachfrage an Ausbildungsplätzen betrug amEnde unter Einbeziehung von zusätzlichen Maßnahmen,wie beispielsweise der Verbesserung von Einstiegsquali-fikationen, 11 500 Plätze. Das heißt, es gab 11 500 Ju-gendliche, die nicht versorgt waren. Ich stimme IhrerBeurteilung zu, dass das 11 500 zu viel sind. Die Bun-desregierung strebt an, auch diese Lücke zu schließen.Darauf zielt beispielsweise unser Maßnahmenpaket„Jobstarter“ ab, aber auch eine Reihe von Maßnahmen,die im Rahmen der in einigen Wochen beginnendenStrukturinitiative vorgesehen sind. Dabei geht es zum ei-nen darum, in solchen Betrieben, die bei Hilfestellung inder Lage wären, auszubilden, zusätzliche Ausbildungs-reserven zu mobilisieren, und zum Zweiten darum, inden Regionen, in denen wir eine besonders hohe Ar-beitslosigkeit haben, die Ausbildungsplatzsituation zuverbessern. Zum Dritten zielen unsere Maßnahmen auchauf Jugendliche mit besonderen Problemen ab.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage?

Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Ja, ich habe noch eine Nachfrage. – Vor dem Hinter-

grund der geplanten Strukturinitiative, die Sie angespro-chen haben, würde es mich interessieren, inwieweit dieProblematik von Frauen, die von der aktuellen Ausbil-dungsmisere besonders betroffen sind, da es für sie aufjeden Fall schwieriger ist, einen betrieblichen Ausbil-dungsplatz zu finden, dabei eine Rolle spielen wird.

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung:

Auch diese Problematik wird bei der angekündigtenStrukturinitiative, die zum Ziel hat, strukturelle Defiziteauf dem Ausbildungsstellenmarkt zu lokalisieren undanschließend zu beseitigen, eine Rolle spielen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des AuswärtigenAmtes auf. Zur Beantwortung steht der StaatsministerGernot Erler zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Dr. Norman Paechauf:

Spricht aus Sicht der Bundesregierung etwas dagegen, imKonflikt um das iranische Atomprogramm die von der Inter-national Crisis Group am 23. Februar 2006 vorgeschlageneneue Option aufzugreifen, mit der die Europäische Union dasgrundsätzlich im Atomwaffensperrvertrag garantierte Rechtdes Iran auf Urananreicherung auf eigenem Territorium aner-kennen würde und der Iran im Gegenzug eine mehrjährigeAufschiebung seiner Urananreicherung, eine Begrenzung ih-res Ausmaßes und ein striktes Inspektionsregime akzeptierenwürde (vergleiche „Iran: Is there a Way out of the NuclearImpasse?“, „Middle East Report“ Nr. 51, International CrisisGroup, 23 February 2006), und, wenn ja, was?

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Dr. Paech, die Bundesregierung hat den

Vorschlag der International Crisis Group mit Interessezur Kenntnis genommen. Der Vorschlag der ICG gehtdavon aus, dass die von der internationalen Gemein-schaft in der IAEO-Resolution vom 4. Februar 2006 er-hobenen Forderungen an den Iran, die der Wiederher-stellung des Vertrauens in die friedlichen Absichten desiranischen Nuklearprogramms dienen, nicht durchsetz-bar seien. Diese nicht bewiesene Prämisse wird von derBundesregierung nicht geteilt. Die Durchsetzung dieserForderungen ist ja gerade das erklärte Ziel der laufendendiplomatischen Bemühungen. Diese Forderungen, insbe-sondere die Forderung nach Wiederherstellung der voll-ständigen Suspendierung bestimmter nuklearer Aktivitä-ten im Iran einschließlich anreicherungsbezogenerForschung und Entwicklung, gründen im mangelndenVertrauen der internationalen Gemeinschaft in Umfangund Ziele des iranischen Nuklearprogramms.

Der Bericht des IAEO-Generaldirektors vom27. Februar stellt erneut fest, dass die IAEO auch nachdrei Jahren intensiver Bemühungen nicht in der Lage ist,den ausschließlich friedlichen Charakter des iranischenNuklearprogramms abschließend zu bestätigen. MitBlick auf die Wichtigkeit einer Stärkung der IAEO – die-ses Interesse ist unabhängig vom Fall Iran – wäre es des-halb ein falsches Signal, die IAEO-Forderungen infragezu stellen, zumal die Bemühungen um eine Lösung desNuklearstreits mit dem Iran im Rahmen dieser IAEO-Forderungen weiterhin im Gange sind.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage?

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Herr Kollege Erler, da Sie so umfassend die IAEO

und ihren Chef, al-Baradei, zitieren, auch von mir ein Zi-tat von ihm, und zwar von gestern. Es wird Ihnen be-kannt sein. Da sagt er:

Jede Art von Moratorium von mehr als zwei Jahrenund die Aussetzung der nuklearen Forschung wer-den es schwierig machen, eine Einigung zu erzie-len. Die Lösung zur Gesichtswahrung besteht darin,Uran nur im begrenzten Maße anzureichern …während dieser zwei Jahre.

Das ist ziemlich deckungsgleich mit dem ICG-Vor-schlag. Sie wissen, dass in der ICG Ihre Fraktionskollegin

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Dr. Norman Paech

Uta Zapf und der Staatssekretär im Verteidigungs-ministerium Friedbert Pflüger sitzen. Vor dem Hintergrund,dass die beiden Vorschläge ähnlich sind, meine Frage:Wenn ICG und letztlich auch al-Baradei der gleichenAnsicht sind, warum kann dann die Bundesregierungsich nicht ebenfalls diesen Vorschlägen anschließen?

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Dr. Paech, ich weiß nicht, ob Sie mit

dem Vorschlag der ICG ganz vertraut sind. Wenn Siesich einmal das Phasenmodell anschauen, das die ICGvorgeschlagen hat, dann stellen Sie fest, dass der Iran inder ersten Phase verpflichtet wäre, für zwei bis dreiJahre alle Anreicherungs- und anreicherungsbezogenenAktivitäten bis zur vollständigen Klärung der Verdächte,die auf der Handlungsweise des Iran beruhen, einzustel-len. Für diese Jahre müsste das umfassende SafeguardsAgreement mit den intrusiven Beobachtungen akzeptiertwerden. Außerdem müsste der Iran so lange seineSchwerwasseraktivitäten einstellen und das Zusatzproto-koll vom Atomwaffensperrvertrag ratifizieren.

Der Ansatz für die erste Phase unterscheidet sich inder Tat nicht wesentlich von dem Ansatz der E3/EU, diegenau das Gleiche fordern, aber nicht diese zeitliche Be-grenzung vorgesehen haben. Für uns ist völlig klar, dassder Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atom-energie hat. Das wird nicht bestritten. Aber es muss Ge-legenheit gegeben werden, die Verdächte, die er selberdurch ein 18 Jahre langes Missachten der Safeguards-Vorschriften ausgelöst hat, definitiv auszuräumen. Dasheißt, es handelt sich – auch nach unserer Auffassung –um eine zeitlich begrenzte vertrauensbildende Maß-nahme. Wir sind allerdings nicht in der Lage, zu sagen,wie lange die IAEO braucht, um dieses Vertrauen wiederherzustellen; das muss die IAEO sagen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Ich hätte noch eine zweite Frage.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Das ist natürlich richtig. Aber die Lage hat sich doch

gerade in den letzten Wochen außerordentlich stark ver-ändert. Auf der einen Seite hat der Iran jetzt zugesagt,zwei Jahre auf die Urananreicherung zu verzichten. Erwill lediglich unter strengen IAEO-Kontrollen ein mini-males Forschungsprogramm durchführen. Auf der ande-ren Seite darf man nicht aus dem Auge verlieren, dassdie USA jetzt einen Atomdeal mit Indien machen und in-sofern einen Doppelstandard anwenden: Ein Land, wel-ches sich nicht im Rahmen der IAEO eine Nuklearmachtzugelegt hat, wird sozusagen hofiert und mit zivilenNuklearpotenzialen ausgerüstet. Einem Land hingegen,welches im IAEO-Rahmen arbeitet und ein Recht aufUrananreicherung hat, wird das verwehrt.

Dazu habe ich folgende Frage. Ich habe in der Zei-tung die Meldung gelesen, dass Deutschland die Unter-stützung dieses Vorschlags vorsichtig signalisiert habe.

Könnte meine Vermutung richtig sein, dass Sie ihm zwaretwas abgewinnen können und mit Blick auf die verän-derte weltpolitische Lage durchaus zustimmen können,das aber vielleicht nicht wagen angesichts der Partnerum Sie herum wie die USA, die in der Tat eine eigeneAgenda haben, und vielleicht auch Frankreich und Eng-land?

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Paech, die Bundesregierung ist fast un-

begrenzt mutig; an einem Mangel an Mut liegt es nicht.Aber die Klugheit gebietet im Augenblick etwas ande-res. Wenn wir Erfolg haben wollen, nachdem die Spannevon vier Wochen zwischen der ersten Beratung des Gou-verneursrats der IAEO am 4. Februar und der gerade lau-fenden Beratung vom Iran leider wieder nicht genutztworden ist, einen der vielfältigen Kompromissvor-schläge, die gemacht worden sind – ich habe hier vor al-len Dingen den russischen Kompromissvorschlag imAuge, der darauf hinausläuft, die Anreicherungsaktivitä-ten unter internationaler Kontrolle außerhalb in einemJoint Venture mit Russland zu machen –, anzunehmen,dann ist das Wichtigste, dass die internationale Staaten-gemeinschaft in dieser Frage zusammenbleibt. Andersist eine Wirkung offenbar nicht zu erzielen.

Es wäre also nicht ein Mangel an Mut, sondern einMangel an Klugheit, wenn Deutschland jetzt von diesergemeinsamen Haltung, die nach wie vor besteht, abrü-cken würde. Auch Russland und China haben den Iranimmer wieder darauf hingewiesen, dass er mit der IAEOzusammenarbeiten sollte. Aus dieser Front werden wirauf keinen Fall ausscheren.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Paech auf:

Spricht nach Ansicht der Bundesregierung etwas dagegen,sich bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Na-tionen dafür einzusetzen, dass der Sicherheitsrat eine umfas-sende Friedenskonferenz für den Nahen und Mittleren Ostenauf der Grundlage der vorbehaltlosen Anerkennung des Exis-tenzrechts aller Staaten der Region und des vorbehaltlosenGewaltverzichts gegenüber allen Staaten der Region so baldwie möglich einberuft, und, wenn ja, was?

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Dr. Paech, die so genannte Roadmap

des Nahostquartetts vom 20. Dezember 2002 – verein-bart zwischen den Vereinten Nationen, der EuropäischenUnion, den USA und Russland – ist der von beiden Kon-fliktparteien anerkannte Friedensplan für den Nahen Os-ten, der die Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hat. Er istvom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolu-tion 1515 vom 19. November 2003 indossiert worden.Im Rahmen dieses Fahrplans ist vorgesehen, dass dasQuartett in Beratung mit beiden Konfliktparteien eineumfassende internationale Konferenz einberufen wird.Die Voraussetzungen zur Einberufung einer solchenKonferenz sind nach Ansicht aller Beteiligten allerdingsbisher nicht erfüllt.

Der Sieg der Hamas, einer von der EU als Terrororga-nisation eingestuften Bewegung, bei den Wahlen zumpalästinensischen Legislativrat hat darüber hinaus eine

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Staatsminister Gernot Erler

neue Situation geschaffen. Das Nahostquartett sowie dieAußenminister der Europäischen Union haben bei ihrerTagung am 30./31. Januar 2006 hervorgehoben, dass Ge-walt und Terror nicht mit einem demokratischen Prozessvereinbar sind, und haben Hamas sowie alle anderenGruppierungen eindringlich dazu aufgerufen, der Gewaltabzuschwören, bestehende Verträge sowie Resolutionenund das Existenzrecht Israels anzuerkennen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Ähnliche Forderungen gelten natürlich auch für Is-

rael. Das heißt, auch Israel muss seinen völkerrechtli-chen Verpflichtungen gegenüber den Palästinensernnachkommen. Dazu gehören Einhaltung der Verträgewie der Roadmap und Rückbau der Siedlungen.

Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warumangesichts der Neuwahlen in Israel und der Wahlen inPalästina die jetzige Situation nicht geeignet sein soll, ei-nen Prozess einzuleiten, der die ganze Region umfasst.Sie wissen selber, dass Ihre Partei seinerzeit um die Ein-leitung des KSZE-Prozesses sehr gekämpft hat. DerFriedensprozess ist ein sehr umfangreicher und langfris-tiger Prozess. Ich kann mir in dieser Umbruchsituationkeinen hinsichtlich der Stabilität der Region geeignete-ren Zeitpunkt für die Einberufung dieser Konferenz vor-stellen.

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Paech, unserer Überzeugung nach ist

die Roadmap, dieser Nahostfriedensplan, der so umfas-send legitimiert ist – durch die EU, durch die VereintenNationen, durch die Vereinigten Staaten und durch Russ-land –, tatsächlich ohne Alternative. Wenn Sie sich denText der Roadmap anschauen, dann können Sie sehen,dass dort ganz bewusst ein Ablauf in Phasen vorgesehenist.

In der Phase 1 – das haben Sie völlig zu Recht ge-sagt – werden Forderungen an beide Parteien erhoben:einerseits Forderungen an die palästinensische Seite, derGewalt völlig abzuschwören, Gewalttäter, die Anschlägeauf Israelis planen, festzunehmen und die entsprechen-den Strukturen zu zerschlagen sowie das ExistenzrechtIsraels anzuerkennen, und andererseits Forderungen anIsrael, auf Siedlungstätigkeiten jeglicher Art zu verzich-ten und sich auf den Status vom 28. September 2000 zu-rückzuziehen. Das waren Forderungen der Roadmap. Eshat intensive Versuche gegeben – auch von palästinensi-scher Seite –, bei der Umsetzung dieser Forderungen derPhase 1 weiterzukommen. Aber die von Ihnen angespro-chene Konferenz sollte erst in der Phase 2 stattfinden.

Wir haben jetzt einen Rückschlag erlitten. Das Pro-blem ist, dass beide Seiten die Voraussetzungen derPhase 1 nicht erfüllt haben. Es hat zwar sehr viele Bemü-hungen auf palästinensischer Seite gegeben. Aber dieTatsache, dass die Hamas, die sich bis jetzt weigert, dasExistenzrechts Israels anzuerkennen, der Gewalt abzu-schwören und alle Milizen zu entwaffnen, an der Regie-rung ist, ist ein Rückschritt hinsichtlich der Erfüllung derForderungen der Phase 1. Leider hat sich, wie wir wis-sen, die israelische Politik bisher nicht dazu durchringen

können, die Forderung nach völliger Einstellung desSiedlungsbaus zu erfüllen.

Insofern ist es in der Logik des Nahostfriedensplans,also der Roadmap, zu sagen: Diese Voraussetzungenmüssen erst einmal gegeben sein, damit die geplante in-ternationale Konferenz, die Teil der Phase 2 ist und die– das wissen auch Sie, Herr Kollege Paech – den Sinnhat, die Staatsbildung der Palästinenser zu fördern, statt-finden kann. Sie wissen, dass die Roadmap eine zweiteinternationale Konferenz in der Phase 3 vorsieht. Wirhaben keine Veranlassung, von der Roadmap abzugehen.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Sie sehen aber, dass dieser mühsame Weg über die

Roadmap immer wieder unterbrochen wird, dass sich Is-rael durch weitere Siedlungstätigkeiten schon zum Teildavon entfernt hat und dass die Hamas diesen Weg jetztebenfalls infrage stellt. Was Sie als Rückschritt bezeich-nen, kann, dialektisch betrachtet, natürlich auch ein Fort-schritt sein. Das heißt, jetzt ist mehr Klarheit da. Jetztsind sozusagen Positionen definiert, die zu mehr Klar-heit führen.

Könnte man nicht aus diesem Grunde überlegen, denrein israelisch-palästinensischen Friedensprozess aufden der gesamten Region zu erweitern? Sie kennen unse-ren Vorschlag der Einberufung einer Sicherheits- undFriedenskonferenz des gesamten Nahen und MittlerenOstens, auf der man die Frage des Iran und natürlichauch die des Irak, also die Frage eines Abzugs der Trup-pen, zum Thema machen könnte. Das ist ein Komplex anProblemen, die offensichtlich nicht für sich lösbar sind.Wäre es, wenn Sie sich schon mit der Frage des irani-schen Atomprogrammes an den Sicherheitsrat wenden,nicht möglich, dies mit einem Antrag an den Sicherheits-rat zu verbinden, dass er eine Konferenz einberuft, diedie Friedens- und Sicherheitsproblematik derart weitge-hend umfasst? Ich bin der Überzeugung, dass sich keinStaat dem Aufruf zu einer solchen Konferenz durch denSicherheitsrat entziehen könnte. Wäre das nicht even-tuell eine Perspektive, um aus dem Dilemma des ewigenHin und Her im Rahmen der Roadmap herauszukom-men?

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Dr. Paech, ich glaube, dass sich an der

Sinnhaftigkeit der Festlegungen der Roadmap bis heutenichts geändert hat. Dazu, dass die Hamas in die Regie-rungsverantwortung der palästinensischen Autonomie-behörde gewählt worden ist, hat die israelische Seite ge-sagt: Wir werden zu dieser Organisation, die wir als eineTerrororganisation bezeichnen, keinen Kontakt herstel-len. Das ist nicht gerade ein Anlass dafür, zu sagen: Wirwerden jetzt versuchen, abseits des Fahrplans derRoadmap eine internationale Konferenz anzustreben.Wie soll das denn funktionieren, wenn im Hinblick aufdie Gesprächsfähigkeit der Beteiligten ein solcher Rück-schritt entstanden ist?

Es zeigt sich, dass das, was in der Roadmap festge-schrieben worden ist, doch eine tiefere Ratio hat: In derPhase 1 gilt es eben erst einmal bestimmte Vorausset-zungen zu erfüllen, bevor eine Konferenz, die einen

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Zusammenhang mit der Staatsbildung und der Zwei-Staaten-Strategie haben sollte, sinnvoll und vielleichtauch erfolgreich sein kann. Insofern glaube ich nicht,dass die Bundesregierung Ihrem Gedanken näher tretenwird, ausgerechnet jetzt eine solche Konferenz zu bean-tragen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums der Finanzen auf, da die Fragen 7 und 8 der Kol-legin Pau zum Geschäftsbereich des Bundesministe-riums des Innern und die Fragen 9 und 10 der KolleginSchewe-Gerigk zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums der Justiz schriftlich beantwortet werden sollen.

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Lutz Heilmannauf:

Welche Vereinbarungen finanzieller Art und bezüglich desZeitplans für eine Entscheidungsfindung hat der Bundes-minister der Finanzen, Peer Steinbrück, in seinem Gesprächam 9. Februar 2006 mit dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Peter Harry Carstensen, zum Bau einer festen Feh-marnbeltquerung getroffen?

Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staats-sekretär Karl Diller erschienen.

Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerder Finanzen:

Herr Kollege Heilmann, in dem von Ihnen angespro-chenen Gespräch hat es seitens des Ministers Steinbrückkeinerlei finanzielle Zusicherungen und Abmachungenbezüglich des Zeitplans gegeben.

Lutz Heilmann (DIE LINKE): Ich möchte noch zwei Nachfragen stellen. Meine

erste Frage: Wie ist die Haltung der Bundesregierung ge-nerell zu der von der dänischen Seite gewünschtenStaatsgarantie im Hinblick auf eine feste Fehmarnbelt-querung?

Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerder Finanzen:

Herr Kollege Heilmann, wir sind uns mit dem fach-lich zuständigen Ressort darin einig, dass wir diesenAspekt sehr sorgfältig zu prüfen haben.

Lutz Heilmann (DIE LINKE): Was verstehen Sie denn unter einer „sorgfältigen Prü-

fung“?

Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerder Finanzen:

Da wird zunächst einmal untersucht, ob es sich beidieser Staatsgarantie um einen EU-rechtlichen Beihilfe-fall handelt, ja oder nein. Gegen das, was Dänemark bis-her praktiziert hat, ist kein beihilferechtlicher Einwandder EU-Kommission geltend gemacht worden. Es wirdferner darum gehen, ob in eine Staatsgarantie über einPPP-Modell private Investoren eingebunden werdenkönnen und sollten. All dies ist noch völlig offen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Vielen Dank.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Wirtschaft und Technologie. Der KollegeParlamentarischer Staatssekretär Hartmut Schauerte stehtfür die Beantwortung derjenigen Fragen zur Verfügung,die nicht schriftlich beantwortet werden sollen.

Zunächst rufe ich Frage 12 der Kollegin VeronikaBellmann auf:

Welche Position vertritt die Bundesregierung in den der-zeit laufenden Verhandlungen zu den neuen Förderbedingun-gen für die Strukturfonds der Europäischen Union im Zeit-raum 2007 bis 2013 hinsichtlich der Vermeidung vonsubventionierten Betriebsverlagerungen innerhalb der Euro-päischen Union?

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Sehr geehrte Frau Kollegin Bellmann, die Bundes-regierung setzt sich dafür ein, die Regelungen für dieGroßprojektförderung zu verschärfen. An der Förderent-scheidung sollen betroffene Mitgliedstaaten zukünftigbeteiligt werden, wenn die Verlagerung zu einem erheb-lichen Arbeitsplatzverlust in einer anderen Region derGemeinschaft führt. Der Schwellenwert für Großpro-jekte von derzeit 50 Millionen Euro soll auf 25 Millio-nen Euro gesenkt werden.

Veronika Bellmann (CDU/CSU): Meine erste Nachfrage dazu: Haben Sie schon zeitli-

che Befristungen ins Auge gefasst? Es war ja einmaleine Frist von fünf oder sieben Jahren im Gespräch. Wiesieht das jetzt aus?

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Nein, da hat es noch keine Festlegungen gegeben. DieAbsenkung muss ja mit den Partnerländern in der EU ab-gestimmt werden; das wird nicht ganz einfach sein. Des-wegen sind Vorabfestlegungen nicht sehr hilfreich.

Veronika Bellmann (CDU/CSU): Zweite Nachfrage: Gibt es die Absicht, die Förderung

künftig an einen Mindeststeuersatz bei den Unterneh-mensteuern in den einzelnen Mitgliedstaaten zu knüp-fen?

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Sie wissen, dass wir eine Steuerdifferenzierung nachwie vor für richtig halten und der Ansicht sind, dass dieSteuerharmonisierung nicht zu weit getrieben werdendarf. Da ja in dieser Frage das Einstimmigkeitsprinzipgilt, müssen einer solchen Regelung zudem alle 25 Mit-gliedsländer zustimmen. Wir suchen nach Wegen, mitdenen es möglich ist, ein zu starkes Gefälle bei der För-derung zu vermeiden. Ob das über durchschnittlicheSteuersätze oder etwa Steuervermeidungspotenziale ge-schehen soll, das ist noch nicht spruchreif.

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Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Fragen 13 der Kollegin Koczy, 14 und 15 der

Kollegin Höfken sowie 16 und 17 des Kollegen Loskewerden schriftlich beantwortet.

Somit rufe ich jetzt die Frage 18 der Kollegin BärbelHöhn auf:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ein-führung einer Verbandsklage für Verbraucherverbände imEnergiewirtschaftsgesetz ein effektives und unbürokratischesMittel zur Stärkung der Verbraucherinteressen ist?

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Frau Kollegin Höhn, durch das am 13. Juli 2005 inKraft getretene neue Energiewirtschaftsgesetz ist eineumfassende Regulierung des Netzbetriebs durch die neuerrichteten Regulierungsbehörden des Bundes und derLänder eingeführt worden. Den Verbraucherverbändensind im Rahmen dieser Regulierung umfangreiche Be-schwerde- und Beteiligungsrechte im Zusammenhangmit dem Verfahren der Regulierungsbehörden einge-räumt. Die Verbraucherrechte werden in diesem regulie-rungsbehördlichen Verfahren gewahrt. Bevor über wei-tere Gesetzesänderungen diskutiert wird, müssen dieseMöglichkeiten, die jetzt auch für Verbraucherorganisa-tionen bestehen, die Chance erhalten, sich in der Praxiszu bewähren.

Ich weise darauf hin, dass dieses Gesetz ja auch vonIhrer Fraktion mit verabschiedet worden ist. Sie warendamals noch in Düsseldorf. Möglicherweise haben Siedeswegen nicht die gleiche Liebe zu dem, was von IhrerPartei noch vor kurzem als Regierungspartei verabschie-det worden ist.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Höhn, jetzt können Sie das mit Ihrer Liebe rich-

tig stellen.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, genau. Wie hieß das? – Ich liebe nur meinen

Mann.

Nein, Herr Schauerte, wir haben heute ja eine andereSituation. Wir wissen, dass die Strompreise extrem stei-gen; wir wissen aber auch, dass daran die Netzdurchlei-tungsgebühren einen enormen Anteil haben. Ferner wis-sen wir, dass immer mehr Verbraucherinnen undVerbraucher gegen steigende Strom-, aber auch Gas-preise protestieren, indem sie vor Gericht ziehen.500 000 Menschen in Deutschland klagen mittlerweilegegen zu hohe Strom- bzw. Gaspreise. So flexibel mussauch eine große Koalition sein, dass sie auf Veränderun-gen reagiert. Deshalb meine Frage: Teilen Sie nicht dieAuffassung, dass man in diesem Bereich mehr Verbrau-cherrechte einführen kann? Denn diese extremen Preise,die die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen müs-sen, sind unverantwortlich. Und: Wäre eine Verbands-klage nicht das angemessene Instrument? Im Moment istes ja so, dass diese 500 000 Menschen jeweils Einzelkla-gen anstrengen müssen.

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Ich habe die Meinung der Bundesregierung klar for-muliert. Was Sie jetzt ansprechen, ist keine neue Frage;vielmehr ist sie ja auch schon in Ihrer schriftlichen Fragezum Ausdruck gebracht worden. Wir bleiben dabei, dasswir die Erfahrungen, die wir mit den beschlossenen Ge-setzen machen, abwarten und evaluieren wollen, um da-nach darüber zu entscheiden, ob man weitere Maßnah-men treffen muss.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte Ihnen meine zweite Zusatzfrage stellen,

Herr Schauerte: Wie wollen Sie den 500 000 Menschenhelfen, die momentan Einzelklagen führen, weil sie da-rauf bestehen, dass die Preise, die jetzt angeblich auf-grund der steigenden Kosten, die jedoch nicht nachge-wiesen werden, gezahlt werden müssen, transparentgemacht werden müssen? Es geht immerhin um500 000 Menschen. Oder lautet Ihre Antwort einfachnur: Wir wollen abwarten?

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Nein, die Regulierungen werden jetzt verschärft. DieRegulierungsbehörde beginnt jetzt erst mit ihrer Tätig-keit. Genau diese Maßnahmen haben wir im zurücklie-genden Gesetzgebungsverfahren nicht einleiten wollen.Daher ist es völlig normal, dass man jetzt Erfahrungensammelt und Erkenntnisse gewinnt. Wenn die Bürgerin-nen und Bürger ihr Recht über die Zivilgerichtsbarkeiteinklagen, so gehört auch das zu einem Prozess der Er-kenntnisgewinnung.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also nichts tun?)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Diese Frage ist nicht mehr zulässig, Frau Höhn.

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Das war auch keine Frage, sondern wahrscheinlichnur eine Behauptung.

Wir tun viel – vor allem das, was Sie beschlossen ha-ben.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Diese Antwort ist auch nicht zulässig, Herr Kollege

Schauerte.

(Heiterkeit)

Ich rufe jetzt die Frage 19 der Kollegin CorneliaBehm auf:

Welche verbraucherpolitischen Konsequenzen zieht dieBundesregierung aus dem Fazit des Berichtes der EU-Kom-mission zum Stand der Marktöffnung und zum Wettbewerbs-verhalten der Energieversorger Europas, dass auf den Strom-und Gasmärkten noch kein ausreichend funktionierenderfreier Wettbewerb entstanden ist?

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Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Frau Kollegin Behm, der Bericht der EuropäischenKommission enthält keine abschließende Analyse undBewertung, wie Sie es in Ihrer Frage ausgeführt haben.Die Kommission führt gegenwärtig ihre Untersuchungin Form einer vertieften Länderprüfung fort und hat fürdas Jahresende 2006 einen abschließenden Bericht zuge-sagt. Wir gehen davon aus, dass wir dann wissen, waswir zu veranlassen haben.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Nachfrage. Ich habe das anders wahrge-

nommen, deshalb frage ich Sie: Wie erklärt sich dieBundesregierung, dass der Vorsitzende der Monopol-kommission, Jürgen Basedow, eine Einschränkung desWettbewerbs angesichts der angekündigten Fusionen be-fürchtet? Schon bisher gab es keinen ausreichendenWettbewerb; nunmehr werden die Möglichkeiten dereuropäischen Energiekunden, auf die Angebote andererStrom- und Gasanbieter zurückzugreifen, noch weiterverringert. Das geht aus dem Bericht deutlich hervor.Das heißt, dass die Verbraucher höhere Preise zu erwar-ten haben.

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Wirtschaft und Technologie:

Auch hier gilt, dass wir jetzt seriöse Erfahrungensammeln müssen. Permanent an den gesetzlichenGrundlagen herumzuwerkeln, führt zur absoluten Verun-sicherung und nutzt niemandem.

Die Europäische Kommission – ich habe es bereitsausgeführt – wird erst Ende des Jahres 2006 ihren aus-führlichen ländervergleichenden Erfahrungsbericht vor-legen. Daher ist es klug, zunächst abzuwarten, welcheHandlungsnotwendigkeiten aufgrund dieses Berichtsentstehen. Wenn wir vorneweg galoppieren, werden wirdas Ziel nicht erreichen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, dazu nicht.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Parlamentarische Staatssekretär Müller aus dem

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz – zu diesem Geschäftsbereich woll-ten wir jetzt eigentlich kommen – ist unterwegs, abernoch nicht eingetroffen. Ich schlage daher vor, den Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung vorzuziehen, da die an das Bun-desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend gerichteten Fragen – das sind die Fragen 24 und 25der Kollegin Scharfenberg sowie die Frage 26 der Kolle-gin Hasselmann – allesamt schriftlich beantwortet wer-den. – Ich stelle hierzu Einvernehmen fest.

Zur Beantwortung steht Herr ParlamentarischerStaatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Der Kollege Dr. Hofreiter, dessen Frage jetzt eigent-lich an der Reihe wäre, ist ebenfalls noch nicht im Saal.

Da für Abgeordnete das gleiche Recht wie für Staats-sekretäre gelten sollte, bitte ich Herrn Großmann, dieFrage 31 des Abgeordneten Rainder Steenblock vorzu-ziehen:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten für eineKofinanzierung der festen Fehmarnbeltquerung durch die EUangesichts der Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungs-chefs zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU, nach der diefür die Finanzierung der vorrangigen Projekte innerhalb dertranseuropäischen Verkehrsnetze bisher veranschlagten Mitteldrastisch gekürzt wurden?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Die Bundesregierung geht davon aus, dass für dasProjekt einer festen Fehmarnbeltquerung Kofinanzie-rungsmittel der EU bereitgestellt werden können. Diekonkrete Höhe wird sich in den anstehenden Verhand-lungen ergeben.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre Zusatzfrage, bitte.

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Überle-gung innerhalb der EU, die Prioritäten bei den TEN-Pro-jekten neu festzulegen und die Projekte gemäß den vonder EU festgestellten Prioritäten bezüglich der Ost-West-Verkehre zuzuschneiden? Damit wäre die Fehmarnbelt-querung als nicht mehr prioritär anzusehen, weil sie inden fünf von der EU vorgeschlagenen Hauptverkehrs-achsen nicht mehr vorkommt?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Steenblock, wir glauben, dass die Priorisierungnicht grundlegend anders erfolgen wird. Die Fehmarn-beltquerung steht auf der Prioritätenliste. Es kann sicher-lich nicht plötzlich von Ost nach West priorisiert wer-den; schließlich geht es nicht um Himmelsrichtungen,sondern darum, welche Strecken und welche Verbindun-gen wichtig sind. Wir haben, wenn es bei der jetzigen fi-nanziellen Vorschau bleibt, bei den TEN-Mitteln einenAufwuchs von 40 Prozent. Im Rahmen dieses Aufwuch-ses ergeben sich für Deutschland genügend Möglichkei-ten der Priorisierung.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage?

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Gerne. – Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht er-innere, war im Jahre 2004 der damalige Verkehrsminis-ter Stolpe mit seinem dänischen Amtskollegen zu derAuffassung gekommen, dass bis zum Ende des Jahres2004 endgültig entschieden werden sollte, ob das Projekt

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Rainder Steenblock

realisiert wird und wie. Es hat allerdings bis zum heuti-gen Tage nur Verschiebungen dieser Entscheidung gege-ben. Jetzt lautet die Entscheidung, bis zum Ende desJahres 2006 Klarheit über das Projekt zu bekommen.Deutet das nach Ihrer Meinung nicht darauf hin, dass dieEU tatsächlich zu Recht sagt: Dieses Projekt bewegt sichnicht und fällt aus der Prioritätenliste?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Nein, das glaube ich nicht. Sie müssen sehen, dass dasein sehr engagiertes Projekt ist und dass sehr viele Fra-gen geklärt werden müssen. Deshalb müssen wir Schrittfür Schritt vorgehen. Hier gehen Solidität und Seriositätvor Schnelligkeit. Das ändert aber aus meiner Sichtnichts an der Prioritätensetzung.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Rainder

Steenblock auf:Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine

mautpflichtige feste Fehmarnbeltquerung genauso wie dieÖresundquerung zwischen Dänemark und Schweden von denVerkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht wie erwartetangenommen werden könnte, und, wenn nein, warum nicht?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Die Bundesregierung prüft die voraussichtliche Ak-zeptanz einer festen Querung aufgrund von Prognosen.Für ein Finanzierungsmodell werden dabei verschiedeneSzenarien durchgespielt. Für eine Annahme durch dieVerkehrsteilnehmer spricht, dass die Fehmarnbeltrela-tion die kürzeste Verbindung zwischen Deutschland undSkandinavien ist. Auch die Fährüberfahrt ist heute schonkostenpflichtig.

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierungdie Kostensenkung auf der dänischen Konkurrenzstreckeüber den Großen Belt, die zu einer deutlichen Rentabili-tätsschwächung der geplanten Fehmarnbeltstrecke führtund damit zu einer geringeren Nutzung?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Wir beobachten das sehr genau. Diese Informationenfließen in die weiteren Planungen ein. Die aktuellen Ent-wicklungen zeigen, dass der Verkehr über die Ostseewieder zunimmt. Bei den finanziellen Berechnungen fürdie feste Fehmarnbeltquerung haben wir zunächst unter-stellt, dass der Verkehr in den ersten vier Betriebsjahrennach der Eröffnung unter der Prognose bleiben wird.Das heißt, wir sind bei der Neubewertung der Zahlen da-bei, die Informationen einzuarbeiten, die wir von den be-stehenden Brücken erhalten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage?

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Gerne. – Herr Staatssekretär, die Arbeitsplätze in derRegion sind nach Auskunft der dortigen Wirtschaftdurch eine Fehmarnbeltquerung bedroht. Das betrifftinsbesondere Puttgarden. Der Fremdenverkehr, aberauch die Fährschifffahrt dort sind zentrale Wirtschafts-faktoren. Können Sie mir möglichst genau sagen, in wel-cher Form der Wegfall dieser Arbeitsplätze eigentlich inIhre Prognosen über die Wirtschaftlichkeit der Fehmarn-beltquerung einbezogen wird?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Ich glaube, dass das eine Aufgabe des Landes ist. Siewissen, dass das Land Schleswig-Holstein die Realisie-rung dieser Querung nach vorne puschen will, also sehrviel Wert darauf legt, dass wir zügig weitermachen. Ichglaube, die Abschätzung dessen, was in der Region vorsich geht und unter Umständen als Ausgleich geschaffenwerden muss, ist Aufgabe der Landesregierung.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Harald

Terpe auf:Für wie wahrscheinlich beurteilt die Bundesregierung

staatliche Beihilfen für den Bau einer festen Fehmarnbeltque-rung und befürwortet die Bundesregierung solche Beihilfen?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Kollege Terpe, die Frage staatlicher Beihilfensoll in den nächsten Monaten weiter untersucht werden.Das ist das Ergebnis der Gespräche von Herrn Minister-präsident Carstensen mit den BundesministernSteinbrück und Tiefensee.

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe keine Nachfragen.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich die Frage 34 des Kollegen Dr. Terpe

auf:Welchen Stand haben Gespräche des Bundes mit dem

Land Schleswig-Holstein und Verhandlungen zwischen denzuständigen Ressorts der Bundesregierung über Staatsgaran-tien für die feste Fehmarnbeltquerung?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Es wurde vereinbart, zügig zu klären, welche Schrittenotwendig sind und welche Fragen beantwortet werdenmüssen, um entscheiden zu können, ob das Projekt„Feste Fehmarnbeltquerung“ realisiert werden kann. Aufdem Weg zur Entscheidung soll für das weitere Vorge-hen ein Zeitplan erarbeitet werden, in dem die einzelnenMeilensteine bis zur Umsetzung festgelegt sind. Die Su-che nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept, so-wohl für das Projekt selbst als auch für die erforderli-chen Hinterlandanbindungen, wird fortgesetzt.

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Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage?

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage, welchen Stand die Gespräche und Ver-

handlungen zwischen den zuständigen Ressorts haben,ist beantwortet worden.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja. Deswegen habe ich Sie gefragt, ob Sie möglicher-

weise Zusatzfragen haben.

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, habe ich nicht. Danke.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich die Frage 35 des Kollegen Heilmann

auf:Trifft es zu, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und

Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Zuge der öffentli-chen Diskussion um die geplante Kürzung der Regionalisie-rungsmittel, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 23. Februar2006 zitiert, die Zweckentfremdung der Mittel aus dem Re-gionalisierungsgesetz, RegG, durch die Bundesländer kriti-siert, da diese die Mittel unter anderem für den Ausbau regio-naler Schienenstrecken verwenden, und da bislang die Mittelnach § 8 Abs. 1 RegG für die Bestellung von Verkehrsleistun-gen und die Mittel nach § 8 Abs. 2 RegG für die Verbesserungdes öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden soll-ten, wofür hätten nach Auffassung der Bundesregierung dieMittel nach § 8 Abs. 2 RegG verwendet werden sollen, wennnicht für Investitionen in regionale Schienenstrecken?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Kollege Heilmann, in Ihrer Frage gehen Sie vonfalschen Voraussetzungen aus. Den Ländern steht gemäßArt. 106 a des Grundgesetzes ein Betrag aus dem Steuer-aufkommen des Bundes für den öffentlichen Personen-nahverkehr, den ÖPNV, zur Verfügung. Laut Regionali-sierungsgesetz sind diese Mittel insbesondere für denSchienenpersonennahverkehr einzusetzen. Dies schließtjedoch nicht aus, dass sie bestimmungsgemäß auch fürandere Verwendungen im ÖPNV, zum Beispiel für denAusbau der Infrastruktur, eingesetzt werden können.Dieser Sachverhalt wurde von Herrn BundesministerWolfgang Tiefensee nie infrage gestellt.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen? – Nein.

Dann rufe ich jetzt die Frage 27 des KollegenHofreiter auf:

Wie ist der Bearbeitungsstand beim Fünfjahresplan zumAusbau der Bundesfernstraßen und wann wird dieser verab-schiedet?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Kollege Dr. Hofreiter, mit dem Entwurf eines In-vestitionsrahmenplans für die Verkehrsinfrastruktur wirdfür den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-

wicklung die Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahrenzur Erstellung der Mittelfristplanung bis 2010 erarbeitet.Auf dieser Grundlage wird auch der im Fernstraßenaus-baugesetz geforderte Fünfjahresplan für die Bundesfern-straßen erstellt. Es ist vorgesehen, nach Abstimmung desEntwurfes des Investitionsrahmenplans mit den betroffe-nen Bundesressorts sowie mit den Ländern und derDB AG den Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßenim Sommer 2006 zu verabschieden.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage?

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Das ist eigentlich keine Zusatzfrage: Es ist interes-sant, wie lange das geschoben worden ist. Das war näm-lich schon im letzten Jahr überfällig.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Gut.

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Ich kann auch diesen Kommentar „beantworten“.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Wenn Sie das tun möchten, fassen wir das, was gerade

gesagt wurde, als Frage im Sinne unserer Geschäftsord-nung auf.

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Da der Kollege Hofreiter die Diskussionen der letztenLegislaturperiode nicht vollständig mitbekommen hat– er ist ja ein neuer Abgeordnetenkollege –, sage ich Ih-nen: Wir haben im letzten Jahr ein 2-Milliarden-Pro-gramm aufgelegt und unsere Verkehrsinfrastrukturinves-titionen somit deutlich erhöht. Diese 2 Milliarden Eurohaben wir für Verkehrsprojekte im Bereich von Straße,Schiene und Wasserstraße zur Verfügung gestellt. Dashatte für uns Priorität. Da das dringender war und eilte,haben wir die Arbeit am Fünfjahresplan etwas zurückge-stellt. Das haben wir den Kolleginnen und Kollegen im-mer wieder in Briefen mitgeteilt.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank.

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Ich hätte noch eine zweite Zusatzfrage.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Da Sie eben erklärt haben, dass Sie keine Zusatzfrage

stellen möchten, konnte ich das nicht ahnen. – Bitteschön.

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Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Entschuldigung; ich mache das zum ersten Mal. – Ichhabe eine spezifische Zusatzfrage: „Sommer 2006“ istein dehnbarer Begriff. Heißt das: vor der Sommerpauseoder nach der Sommerpause?

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Mitten inder Sommerpause! – Weiterer Zuruf von derCDU/CSU: Wir machen keine Sommerpause!)

Oder ist das überhaupt nicht abzusehen?

Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Kollege, diese Form dehnbarer Begriffe verwen-den wir immer dann, wenn wir mit anderen reden müs-sen. Wenn wir den Fünfjahresplan für die Bundesfern-straßen selbstständig erstellen könnten, könnte ich Ihnenrelativ präzise sagen, wann wir damit fertig sind. Aberwir müssen darüber mit 16 Bundesländern und derDB AG sprechen. Natürlich haben wir auch verspro-chen, den Verkehrsausschuss informell zu beteiligen.Deshalb bitte ich Sie, mir nachzusehen, dass ich bei demBegriff „Sommer 2006“ bleibe.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Selbst wenn nicht, könnte dies nicht durch eine wei-

tere Zusatzfrage zurückgewiesen werden.

(Heiterkeit)

Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich wer-den vom Kollegen Kasparick beantwortet, sodass Sie,Herr Kollege Großmann, mit Dank entlassen sind.

Ich rufe die Frage 28, ebenfalls des KollegenDr. Hofreiter, auf:

Wird die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafterinder Flughafen München GmbH, FMG, dem Beispiel des Mit-gesellschafters Freistaat Bayern folgen, Teile des Gesellschaf-terdarlehens an den Münchener Flughafen zurückzufordern,und, wenn nein, warum nicht?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Herr Dr. Hofreiter, der erste Teil Ihrer Frage, ob dieBundesrepublik Deutschland als Gesellschafterin derFlughafen München GmbH dem Beispiel des Mitgesell-schafters Freistaat Bayern folgen wird, beantworte ichmit Ja. In der Gesellschafterversammlung vom 8. De-zember 2005 haben die an der FMG beteiligten Gesell-schafter, zu denen neben der Bundesrepublik Deutsch-land auch der Freistaat Bayern und die LandeshauptstadtMünchen zählen, die Rückforderung eines Teilbetragsdes an die FMG ausgereichten Darlehens beschlossen.Der zweite Teil Ihrer Frage hat sich damit erübrigt.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage.

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Wann und in welchem Umfang rechnen Sie mit demEingang der ersten Zahlungen?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Die Rückzahlung der Teilbeträge soll im Dezemberdieses Jahres erfolgen.

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Die komplette Rückzahlung des Anteils der Bundes-republik?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Es geht um Teilbeträge. Um es genau zu sagen: Esgeht um 61,5 Prozent der ausgereichten Bundesdarlehenin Höhe von 331,6 Millionen Euro.

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Und auf die Zinsen verzichten Sie komplett?

Präsident Dr. Norbert Lammert: Das war jetzt schon die dritte Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Entschuldigung.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Alexander Ulrichauf:

Welche Genehmigungen und Rechtsgrundlagen durchdeutsche Flugsicherungsbehörden sowie Meldepflichten von-seiten der USA sind nach Auffassung der Bundesregierungfür die Military-Airlift-Command-Flüge von US-amerikani-schen Fluggesellschaften erforderlich, die den zivilen Flugha-fen Hahn routinemäßig als Zwischenstopp für den Transportvon Soldaten und militärischen Gütern unter anderem nachAfghanistan und Kuwait nutzen, und welche Maßnahmenzum Schutz der Zivilbevölkerung in der Umgebung des Flug-hafens Hahn müssen wegen dieser Nutzung des Flughafensfür militärische Zwecke unternommen werden?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Kollege Ulrich, nach den Feststellungen der Bundes-regierung handelt es sich bei den von Ihnen zitiertenFlügen um zivile Charterflüge eines amerikanischenLuftfahrtunternehmens, die nach den Regeln für den ge-werblichen Luftfahrtverkehr durchgeführt werden. Sol-che Transitflüge bedürfen grundsätzlich einer Erlaubnisdurch das Luftfahrtbundesamt. Für Überflüge und Flügemit technischer Zwischenlandung, zum Beispiel zumAuftanken, ist eine solche Erlaubnis nicht erforderlich.Ob – und gegebenenfalls welche – Maßnahmen zumSchutz der Bevölkerung zu treffen sind, liegt in der Ver-antwortung des für die Betriebsgenehmigung des Flug-hafens zuständigen Landes Rheinland-Pfalz.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage.

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Alexander Ulrich (DIE LINKE): Wenn es sich um Zivilflüge handelt, auf welcher

Rechtsgrundlage ist es den US-amerikanischen Soldatendann erlaubt, diese Flüge mit Waffen zu bestücken?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Die amerikanischen Fluggesellschaften haben für sol-che Flüge in Deutschland eine prinzipielle Erlaubnis,schon seit mehreren Jahrzehnten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfragen?

Alexander Ulrich (DIE LINKE): Habe ich das richtig verstanden: Auf diesen Zivilflü-

gen darf jeder Soldat so viele Waffen mit sich führen,wie er gerade schleppen kann, und dies ist seit Jahrzehn-ten so erlaubt?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Nein. Es geht im konkreten Fall nicht um einen Waf-fentransport, sondern es geht um zivile Charterflüge ei-nes amerikanischen Luftfahrtunternehmens, die nachden Regeln für den gewerblichen Luftfahrtverkehrdurchgeführt worden sind.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe Frage 37 des Kollegen Ulrich auf:

Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass derehemalige US-Militärflughafen Hahn mit öffentlichen Gel-dern im Rahmen eines Konversionsprojekts zu einem zivilenFlughafen umstrukturiert wurde, der Auffassung, dass die ge-genwärtige Nutzung des Flughafens Hahn für US-amerikani-sche Militärtransportflüge nach Afghanistan und Kuwait mitdem Sinn und Zweck des Konversionsvorhabens vereinbarist, und, wenn ja, mit welcher Begründung?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

In den Ausbau des Flughafens Hahn sind Landesmit-tel und Mittel des Flughafens Frankfurt, aber keine Bun-desmittel geflossen. Das Konversionsprojekt FlughafenHahn ist als Verkehrsflughafen dem allgemeinen Ver-kehr, mit der üblichen Betriebspflicht, gewidmet. Ersteht grundsätzlich zivilen und militärischen Nutzern of-fen. Bei den Flügen nach Kuwait und Afghanistan han-delt es sich um Flugbewegungen, die im Rahmen der all-gemeinen Betriebsgenehmigung zulässig sind.

Alexander Ulrich (DIE LINKE): Sind die Starts und Landungen mit dem Grundgesetz

und dem Völkerrecht vereinbar?

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Ja.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? – Nein.

Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz auf; wir hatten ihn zurückgestellt. Zur Beantwor-tung ist der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müllerinzwischen eingetroffen.

Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Cornelia Behmauf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, den Verbraucherzentra-len zusätzliche Finanzmittel für den zusätzlichen Beratungs-aufwand im Zusammenhang mit mittlerweile 500 000 ge-schätzten protestierenden Gaskunden zu gewähren?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Herr Präsident! Verehrte Kollegin! Zunächst Ent-schuldigung, dass ich mich eine Minute verspätet habe.

Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage mit Nein.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich finde, das, was die Regierung da plant bzw. nicht

plant, ist angesichts des wirklich gravierend zunehmen-den Beratungsbedarfs der Verbraucherinnen und Ver-braucher schon ein bisschen unambitioniert. Am Bei-spiel Mecklenburg-Vorpommern sieht man ganzdeutlich, dass die Länder den immens gewachsenen Be-ratungsbedarf nicht alleine stemmen können. DiesesLand hat seine Verbraucherzentrale nämlich dichtma-chen müssen, weil es sie nicht finanzieren kann.

Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Finan-zierung der Verbraucherzentralen eine Stiftungslösungzu schaffen. Ich frage deswegen: Wie weit ist es mit die-ser Lösung?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Frau Kollegin, zunächst zu Ihrer Eingangsbemer-kung: Die Verbraucherzentralen erhalten auch im laufen-den Haushaltsjahr Projektfördermittel in Höhe von2,5 Millionen Euro für die Themenbereiche unlautererWettbewerb, Internet- bzw. Onlinehandel, Internettelefo-nie usw. Darüber hinaus wird ganz konkret ein Projektzum Thema Energieverbraucher, Verbraucherinforma-tion, Gas- und Strompreiserhöhung gefördert. Es wurdenalso ganz konkrete Projektmittel für diesen Bereich zurVerfügung gestellt.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen und da-bei auch auf Ihre Frage eingehen, dass wir, weil wir umdie Bedeutung dieses Bereiches wissen, bei den laufen-den Haushaltsverhandlungen sehr streng darauf geachtethaben, gerade den Bereich des Verbraucherschutzes wei-testgehend von Sparmaßnahmen auszunehmen, obwohldurch den Finanzminister erhebliche Einsparnotwendig-keiten vorgegeben waren.

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Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller

Das Thema Stiftung ist uns bekannt. Wir führen Ge-spräche mit den Verbraucherzentralen dazu.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig

ist, die Verbraucherzentralen sozusagen institutionellauch von Bundesseite aus zu finanzieren, also zum Bei-spiel durch eine solche Stiftungslösung? Ich habe denEindruck, dass sich der Bund bisher immer mit dem Hin-weis darauf, dass er Projektförderungen betreibt – dassetzt aber voraus, dass die Länder etwas tun –, zurückge-lehnt und gesagt hat: Wir haben den mündigen Verbrau-cher, so viel Beratungsbedarf hat er nicht.

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Ich betone: Der Verbraucherschutz hat nach wie voreinen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich an den Haus-haltsberatungen. Der Bund bringt seinen Anteil ein. Na-türlich müssen auch die Länder ihre Anteile zur Finan-zierung in der Breite beisteuern.

Darüber hinaus stehen wir der Verwirklichung diesesStiftungsmodells aufgeschlossen gegenüber. Es laufenGespräche. Auch die Wirtschaft sollte ihren Beitrag ein-bringen. Offenheit bzw. Transparenz im Verbraucher-schutz ist ein Thema, das auch die Wirtschaft interessiertund angeht. Deshalb gehen wir in den nächsten Monatenin diese Gespräche zur möglichen Realisierung einessolchen Stiftungsmodells.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 21 der Kollegin Lötzsch wird schriftlich

beantwortet.

Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Dr. KirstenTackmann auf.

(Zuruf von der LINKEN: Sie ist leider nicht mehr da, weil die Frage verschoben wurde!)

– Da sie nicht mehr anwesend ist, wird die Frage 22hier auch nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie inder Geschäftsordnung vorgesehen.

Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf:Wie bewertet die Bundesregierung, dass es bei den Vogel-

grippefunden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holsteinwieder sieben bzw. neun Tage gedauert hat, bis die Ergebnisseder H5N1-Tests vorlagen, und was unternimmt die Bundesre-gierung, um solche Verzögerungen bei der Seuchenbekämp-fung endlich abzustellen?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Ich antworte auf die Frage wie folgt: Die Annahmeeiner Zeitdauer von sieben bzw. neun Tagen bis zumVorliegen von H5N1-Befunden, wie von Ihnen darge-stellt, trifft weder für die Proben aus Baden-Württem-berg noch für die Proben aus Schleswig-Holstein zu. DerBefund H5N1 für Proben, die dem Nationalen Referenz-labor für Aviäre Influenza des Friedrich-Loeffler-Insti-

tuts aus den beiden Ländern zugeleitet worden sind, istteilweise bereits am Tag des Eingangs, meist am darauffolgenden Tag und spätestens zwei Tage nach Eingangmitgeteilt worden. In diesen Zeiträumen sind zudem alleWiederholungs- und Abklärungsuntersuchungen zur Si-cherstellung der Diagnose durchgeführt worden.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Befund HPAIin Abhängigkeit von den in den Proben vorhandenenMengen an Virus nach ein bis fünf Tagen kommuniziertwird. Dies muss natürlich unterschieden werden.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Frau Höhn.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach einer dpa-Meldung ist es so gewesen, dass ein

toter Vogel in Schleswig-Holstein am 17. Februar gefun-den worden ist und das Ergebnis des Tests am24. Februar vorlag. Bei Funden in Baden-Württemberglag das Ergebnis nach neun Tagen vor. Es geht also nichtdarum, wie lange das Friedrich-Loeffler-Institut aufRiems für die Untersuchung braucht, sondern es geht umdie Zeitdauer zwischen dem Auffinden des toten Vogelsund dem Vorliegen des Testergebnisses, ob das Tier mitdem H5N1-Virus infiziert war. Es geht also nicht um dasFriedrich-Loeffler-Institut auf Riems.

Ich frage Sie: Können Sie bestätigen, dass zwischendem Auffinden des toten Vogels und dem Vorliegen derErgebnisse zu den Funden in Schleswig-Holstein undBaden-Württemberg, die das Institut auf Riems gelieferthat, sieben bis neun Tage liegen und daher die Daten, dieich einer dpa-Meldung entnehme, richtig sind?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Frau Kollegin, im Augenblick gibt es landesweit– das muss man nachvollziehen – Tausende von totenVögeln, die aufgefunden werden. Die Behörden vor Orthaben dafür die Verantwortung. Diese Funde toter Vögelwerden dann in die Landesuntersuchungseinrichtungeneingeschickt. Dort wird der erste Test zum Nachweis desVirus vorgenommen. Bei einem positiven Befund wirddieser Fund an das FLI, das Friedrich-Loeffler-Institut,weitergeleitet. Dort wird in einem weiteren Schritt, umendgültig Klarheit zu haben, der Nachweis oder Aus-schluss von H5- und N7-Subtypen vorgenommen. Wennauch hier wiederum der Test positiv ist, erfolgt in einerzweiten Runde die weitere Differenzierung oder Patho-typisierung, wie man das Ganze nennt, und im An-schluss daran die Befundmitteilung an die zuständigeBehörde.

Weil ich Ihre Frage sehr ernst nehme, habe ich heutefrüh noch einmal mit Professor Mettenleiter darüber dis-kutiert, ob hier die Zeiträume verkürzt werden könnten.Für das Friedrich-Loeffler-Institut, für das wir als Bunddie Verantwortung tragen, wurde mir noch einmal erläu-tert: Für die H5N1-Untersuchung kann ProfessorMettenleiter zusagen, dass nach ein oder zwei Tagennach Vorliegen des Materials beim Friedrich-Loeffler-

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Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller

Institut das Ergebnis feststeht. Für die darauf folgendeSpezifizierung auf HPAI, also die hochpathogene Va-riante, werden weitere zwei bis fünf Tage benötigt.

Ich gestehe Ihnen zu, dass in dem einen oder anderenFall nach dem Auffinden des Vogels über die Einbrin-gung in die Landesuntersuchungsanstalt bis zur Weiter-leitung zum Friedrich-Loeffler-Institut vielleicht ein,zwei oder drei Tage eingespart werden könnten. Ich er-kläre aber den Kolleginnen und Kollegen und damitauch Ihnen, dass wir im Vergleich zum europäischenAusland auf diesem Sektor vorbildlich arbeiten und ver-gleichbare Länder beispielsweise über die Kapazität, wiewir sie auf Riems haben, gar nicht verfügen, sondernihre Funde nach Großbritannien schicken müssen.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Müller, Sie wissen, dass es bei

einem solchen Geschehen ganz entscheidend ist, am An-fang schnell zu handeln. Wir haben auf Rügen festge-stellt, dass sich dann, wenn man ein paar Tage ungesche-hen verstreichen lässt, immer mehr Vögel infizieren. Dasführt dazu, dass man die Seuche immer weniger in denGriff bekommt und sich das Ganze zu einem größerenProblem auswächst. Von daher finde ich es nicht akzep-tabel, dass Länder, die darauf vorbereitet sein mussten,mit H5N1 infizierte Vögel zu finden, sieben bis neunTage bis zum Vorliegen des Testergebnisses brauchen. Indiesem Zeitraum können sich extrem viele Vögel ange-steckt haben und das Seuchengeschehen wird damitpotenziert.

Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dieselangen Zeiträume zu verkürzen? Ich will jetzt nicht nurwissen, was in dem Institut auf Riems passiert. Mir gehtes darum, den gesamten Zeitraum zu verkürzen und soletzten Endes die Ausbreitung der Seuche und damitauch die Gefahr für die Bevölkerung zu vermindern.

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz:

Am besten wäre es – um Ihnen entgegenzukommen –,wenn das H5N1 vor Ort diagnostiziert werden könnte.Das ist aber nicht möglich. Im europäischen Vergleichsind wir in Deutschland vorbildlich aufgestellt.

Für den Zuständigkeitsbereich des Bundes erkläre ichnoch einmal: Was die Dauer von ein bis zwei Tagen an-geht, gibt es keinen Anlass zur Kritik an dem Bundesins-titut. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsereWissenschaftler zurzeit unter Hochdruck Tausende vonEinsendungen untersuchen.

Die von Ihnen genannte Zeitspanne von sieben bisneun Tagen bei vereinzelten Funden muss im Einzelfallüberprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung, dass wirgegenüber den Bundesländern noch einmal mit Nach-druck erklären sollten, dass dieser Zeitraum nach Mög-lichkeit zu minimieren ist. Vielleicht kann die Zeit-spanne durch direkte Überbringung per Boten um einenoder zwei Tage minimiert werden. Mehr wird sicherlichnicht möglich sein. Aber das ist derzeit nicht das Kern-

problem bei der Bekämpfung der Vogelgrippe. Wir ver-fügen über die notwendigen Analysekapazitäten. Im All-gemeinen liegen die Befunde innerhalb von drei bis vierTagen vor. In Einzelfällen hat es – darauf haben Sie hin-gewiesen – sieben Tage gedauert.

Wir haben die Bundesländer bei der Verbraucher-schutzkonferenz am vergangenen Montag auf dasThema aufmerksam gemacht und mit ihnen darüber dis-kutiert. Die Bundesländer sind aufgefordert, mit ihrenKapazitäten schnellstmöglich – innerhalb von zwei bisvier Tagen – dazu beizutragen, dass bei einem positivenBefund durch die Landeseinrichtungen das Friedrich-Loeffler-Institut die Enddiagnose stellen kann.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich darf ja keine weiteren Fragen stellen!)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Das ist leider richtig. Damit sind wir am Ende der

Fragen zu diesem Geschäftsbereich.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Arbeit und Soziales auf. Zur Beantwortungder Fragen steht der Parlamentarische StaatssekretärFranz Thönnes zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Katja Kipping auf:Wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende ar-

beitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Frauen und Männer– bitte getrennt aufführen – bekommen aufgrund der Anrech-nung von Partnereinkommen keine Leistungen nach demZweiten Buch Sozialgesetzbuch und wie viele dieser Frauenund Männer sind nicht krankenversichert?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Kipping, im Januar 2006 wurden von den Ar-beitsgemeinschaften und Agenturen für Arbeit, die ingetrennter Trägerschaft arbeiten, 49 000 Anträge aufLeistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab-gelehnt, davon 41 000 wegen der Anrechnung von Ein-kommen und Vermögen. Diese Angaben bilden nicht dasgesamte Volumen der abgelehnten Anträge ab. Per Handgefertigte Bescheide sind darin nicht erfasst und es lie-gen keine entsprechenden Angaben für die zugelassenenkommunalen Träger vor.

Da bei den abgelehnten Anträgen die Haushaltsformdes Antrag stellenden Haushalts nicht erfasst wird, lie-gen der Bundesregierung keine Angaben dazu vor, wieviele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebendeFrauen und Männer aufgrund der Anrechnung von Part-nereinkommen keine Leistungen nach dem Zweiten So-zialgesetzbuch bekommen.

Darf ich die Frage 39 gleich mitbeantworten?

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja. Ich rufe die Frage 39 auf:

Wie viele der oben genannten Frauen und Männer – bittegetrennt aufführen – erhielten bisher Angebote der Arbeitsför-derung und welche Arbeitsförderungsangebote – bitte nachAngebotsarten und Geschlecht getrennt aufführen – erhieltendiese Frauen und Männer?

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Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich kann Ihnen auf Ihre Frage Folgendes antworten:Der Bundesregierung liegen keine Angaben dazu vor,wie viele in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebendearbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldete Personen, dieaufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen keineLeistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbucherhalten, bisher Angebote der Arbeitsförderung erhiel-ten.

Bei den arbeitslos bzw. Arbeit suchend gemeldetenPersonen wird von der Bundesagentur für Arbeit nichterfasst, ob vorab ein Antrag auf Leistungen der Grund-sicherung für Arbeitsuchende abgelehnt wurde. Es ent-behrt auch eines gewissen Sinnes, diese Merkmale zu er-heben, da sich die wesentlichen Merkmale der Person,die sich arbeitslos oder Arbeit suchend meldet, im Laufeder Zeit verändern können bzw. längere Zeit aufbewahrtwerden müssten, wodurch ein zusätzlicher Verwaltungs-aufwand erforderlich wäre, der nicht im Sinne der ei-gentlichen Aufgabe der Erfüllung des Gesetzes, nämlichder Beratung und zügigen Vermittlung in Arbeit, in Ein-klang stehen würde.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kipping, Sie können bis zu vier Zusatzfragen

stellen.

Katja Kipping (DIE LINKE): Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage,

auch wenn ein statistischer Mangel deutlich gewordenist.

Hintergrund meiner Frage ist, dass Personen, die ar-beitslos sind, laut Gesetz auch dann Anspruch auf Ar-beitsförderung haben, wenn sie keine Grundsicherungfür Arbeitslose erhalten, weil beispielsweise das Ein-kommen der Bedarfsgemeinschaft aufgrund des hohenVerdienstes des Partners über der Bemessungsgrenzeliegt. Gestatten Sie mir deswegen und auch angesichtsdes Internationalen Frauentages, nachzufragen, inwie-weit sich die Regierung gegenüber der Bundesagenturfür Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften dafür einsetzt,dass Frauen – sie sind überproportional stark betroffen,weil Männer in dieser Gesellschaft in der Regel noch im-mer ein höheres Einkommen haben –, die im Sinne derGrundsicherung nicht leistungsberechtigt sind, Arbeits-fördermaßnahmen erhalten, auf die sie laut Gesetz einenAnspruch haben.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Kipping, das ist eine berechtigte Frage. Viel-leicht kann meine Antwort Sie ein Stück weit zufriedenstellen. Die nicht hilfsbedürftigen Personen haben die-selben Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurAuswahl, die im Rahmen des Dritten Buches Sozialge-setzbuch zur Verfügung stehen. Sie werden durch dieBundesagentur für Arbeit in jedem Fall, auch währendeiner Beschäftigung, durch Beratung und Vermittlungunterstützt. Sie können zudem bei Vorliegen der sonsti-

gen Voraussetzungen durch Maßnahmen der aktiven Ar-beitsmarktpolitik nach dem SGB III gefördert werden,sofern das zu ihrer beruflichen Eingliederung beiträgtund erforderlich ist. Hier geht es um berufliche Weiter-bildung sowie die Übernahme von Lehrgangsgebührenund von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten. WeitereUnterstützungsleistungen, von der Übernahme von Be-werbungskosten und von Reisekosten im Zusammen-hang mit Vorstellungsgesprächen bis hin zu Mobilitäts-hilfen, können in der Regel unabhängig vom Anspruchauf Entgeltersatzleistung erbracht werden. Die Angebotedes virtuellen Arbeitsmarktes stehen ebenfalls zur Verfü-gung. Damit will ich sagen: Der Zugang ist gegeben. DieAngebote können auch in Anspruch genommen werden.

Katja Kipping (DIE LINKE): Sie haben dankenswerterweise die Rechtslage darge-

legt. Das Problem ist aber, dass es eine große Diskrepanzzwischen der Rechtslage und der Praxis der Arbeits-gemeinschaften bzw. der Bundesagentur für Arbeit gibt.Das wurde uns von verschiedenen Seiten bestätigt. Vordiesem Hintergrund habe ich zwei Zusatzfragen: Ers-tens. Können Sie sich vorstellen, dass man die angespro-chene statistische Lücke behebt und für eine bessere Er-fassung sorgt? Zweitens. Können Sie als Auftraggeberdie BA noch einmal auf den bestehenden Anspruch sodeutlich hinweisen, wie Sie es hier getan haben?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich gehe davon aus, dass sowohl die Arbeitsagenturenals auch die Arbeitsgemeinschaften, als auch die Leis-tungszentren ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen und dieMenschen über ihre Ansprüche auf Arbeitsförderung in-formieren. Insbesondere ist im Zweiten Buch Sozialge-setzbuch der Auftrag verankert, zu fördern und zu for-dern. Im Übrigen gibt es eine Berichterstattung über dieIntegrationsmaßnahmen, sodass ich Ihre kritische Ein-schätzung nicht nachvollziehen kann. Im Bereich der all-gemeinen Arbeitsmarktpolitik ist sogar festgelegt, dasssich die Aufwendungen für die Integration nach derHöhe des Anteils der arbeitslosen Frauen bemessen sol-len.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Zusatzfrage, Frau Kipping.

Katja Kipping (DIE LINKE): Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie erklären

Sie dann den Widerspruch, dass die Betroffenen zwarein Anrecht haben, dass sie aber nicht erfasst werden?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich habe vorhin erklärt, dass dann, wenn alles detail-liert erfasst würde, der Arbeitsaufwand in keinem Ver-hältnis zu dem eigentlichen Auftrag stünde; denn dies istnicht relevant, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.Schließlich können sich die Daten derjenigen, die Sie er-fasst sehen wollen, sukzessive ändern. Dann müsstenDaten aufbewahrt werden, die möglicherweise nicht

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

mehr auf einem aktuellen Stand sind. Eine solche Daten-sammlung stünde zudem ein Stück weit in Widerspruchzu der sehr kritischen Frage, welche Daten wann, wieund wo erfasst und wie lange aufbewahrt werden sollten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kurth.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Thönnes, teilen Sie die Einschät-

zung, dass die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer akti-ven Arbeitsmarktpolitik in vielen Fällen eine Strategieverfolgt, nach der die Integrationskosten, also die Kostenpro Fall, die größte Rolle spielen und nicht der rechtlicheSpielraum bei Ermessensleistungen, etwa der Eingliede-rung von nicht Leistungsbeziehenden, und dass vor ge-nau diesem Hintergrund der rechtliche Spielraum nichtausgeschöpft wird, weil die Bundesagentur für Arbeitkeine passive Leistung an nicht Leistungsbeziehende er-bringen muss und sie infolgedessen auch kein Interessedaran hat, aktive Arbeitsmarktpolitik mit den entspre-chenden Ausgaben zu betreiben?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Auch bei solch einer Bedarfsgemeinschaft gibt esschlichtweg das Interesse, die Menschen in Arbeit zuvermitteln. Deswegen teile ich Ihre Einschätzung nicht.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Kolb auf:

Wie hoch waren bzw. sind in den Jahren 1997 bis 2006 diebei den Krankenkassen angefallenen bzw. anfallenden Ver-waltungskosten – für 2006 unter Einbezug der Kosten, die denKrankenkassen durch die Vorbereitungen bzw. die Durchfüh-rung der Vorverlegung des Fälligkeitstermins für Sozialabga-ben entstanden sind – für den Einzug der Sozialversicherungs-beiträge und welche Beitragseinzugsvergütungen wurden vonder Rentenversicherung und den Arbeitgebern dafür jeweilsan die Krankenkassen entrichtet?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich möchte die Fragen 40 und 41, da sie in einem sehrengen inhaltlichen Zusammenhang stehen, gemeinsambeantworten.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Kolb auf:

Entsprachen bzw. entsprechen nach Auffassung der Bun-desregierung die den verschiedenen Krankenkassen zuflie-ßenden Beitragseinzugsvergütungen im Zeitraum 1997 bis2006 dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand beim Beitrags-einzug und, wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundes-regierung ergriffen, um zu gewährleisten, dass die Beitrags-einzugsvergütungen im Sinne einer bedarfsgerechtenKostenverteilung berechnet werden?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Herr Kollege Kolb, das Verfahren der Vergütung vonSozialversicherungsträgern für den Aufwand, der ihnenim Zusammenhang mit der Durchführung des gesamten

Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens sowie der Prü-fung bei den Arbeitgebern entsteht, ist in § 28 e desVierten Buches Sozialgesetzbuch geregelt. Das Gesetzsieht eine pauschale Vergütung für die beteiligten Sozial-versicherungsträger vor, mit der alle dadurch entstehen-den Kosten abgegolten sind. Da die Einzugsstellen imBereich des Beitragseinzugs- und Meldeverfahrens um-fangreiche Leistungen auch für die anderen Sozialver-sicherungsträger übernehmen, erhalten sie im Rahmender Vergütung eine Erstattung durch die Rentenversiche-rungsträger und die Bundesagentur für Arbeit.

Die Aufteilung dieser Vergütung regelte bis zumJahre 2005 die Beitragseinzugsvergütungsverordnung.Seit dem Januar 2005 sind für die Verteilung der Vergü-tung Vereinbarungen zwischen den beteiligten Sozial-versicherungsträgern zu treffen. In den Jahren von 1997bis 2001 ist die Gesamtvergütung, die an die Kranken-kasse gezahlt wurde, von rund 1,1 Milliarden DM, also562 Millionen Euro, auf rund 1,8 Milliarden DM, circa920 Millionen Euro, angestiegen. Dieser Betrag teiltesich auf die Bundesanstalt für Arbeit mit rund60 Prozent und die Rentenversicherungsträger mit rund40 Prozent auf. Die genauen Zahlen können auch inForm einer Tabelle zur Verfügung gestellt werden. Fürden Folgezeitraum liegen bedingt durch die Neuordnungdes Beitrags- und Meldeverfahrens für die geringfügigBeschäftigten und die Ausgliederung in die Minijobzen-trale keine vergleichbaren Zahlen vor. Eine Übersichtüber alle internen Erstattungen der Sozialversicherungs-träger an die Krankenkassen kann ebenfalls zur Verfü-gung gestellt werden.

In einem Prüfbericht vom August 2003 hat der Bun-desrechnungshof festgestellt, dass durch die zu diesemZeitpunkt gültige Beitragseinzugsvergütungsverordnung,die eine Vergütung nach Größenklassen der Krankenkas-sen vorsah, die Krankenkassen insgesamt eine zu hoheVergütungserstattung erhielten und insbesondere diekleineren Krankenkassen überproportional bevorzugtwurden. Hierauf hat die Bundesregierung durch eineNeuregelung des Ausgleichsverfahrens mit der Übertra-gung auf die beteiligten Sozialversicherungsträger rea-giert.

Der für 2005 und die Folgejahre festgeschriebene Ge-samtbetrag der Erstattungsleistung von 950 Millio-nen Euro wurde von den am Ausgleichsverfahren Betei-ligten insgesamt als ausreichend angesehen, um die an-stehenden Aufwendungen zu decken. Diese Summewird nach folgendem Schlüssel auf die beteiligten So-zialversicherungsträger so lange aufgeteilt, bis eine Ver-einbarung zwischen den Trägern abgeschlossen wordenist: Die Träger der Rentenversicherung zahlen an dieKrankenkassen 412,3 Millionen Euro, an die Minijob-zentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künstlersozial-kasse 1,4 Millionen Euro. Die Bundesagentur für Arbeitzahlt an die Krankenkassen 500 Millionen Euro, an dieMinijobzentrale 36,6 Millionen Euro und an die Künst-lersozialkasse 1,4 Millionen Euro. Zur Berechnung desGesamtaufwands für die genannten Verfahren sind die-ser Erstattungssumme noch die Eigenanteile der Sozial-versicherungsträger in ungefähr gleicher Höhe hinzuzu-rechnen, die auf die Nutzung des Verfahrens für eigene

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

Zwecke entfallen. Die Verwaltungskosten, die den Kran-kenkassen in den Jahren 1997 bis 2005 insgesamt ent-standen sind, sind von rund 6,5 Milliarden Euro auf rund8,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 angestiegen. DieseZahl umfasst alle Personal- und Verwaltungskosten, diebei den Krankenkassen anfallen. Eine differenzierteAusweisung der Kosten, die durch das Beitragseinzugs-und Beitragsmeldeverfahren entstehen, besteht nicht. In-teressant an der Entwicklung der Gesamtkosten ist, dasssie seit 2003 nur unwesentlich abweichen, sogar leichtvon 8,2 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro gesun-ken sind. Gerne stelle ich Ihnen auch dazu eine Tabellezur Verfügung.

Die Verwaltungskosten für das Jahr 2005 enthaltenauch die notwendigen Umstellungskosten für den Jah-reswechsel 2005/2006. Eine Übersicht über die Verwal-tungskosten 2006 kann hier natürlich ebenfalls vorgelegtwerden, aber erst nach Abschluss der Rechnungslegungim Jahre 2007.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen?

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Gerne, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, natürlich

nehme ich Ihr Angebot, mir Tabellen zu überlassen, dan-kend an.

Ich möchte nach der Bewertung der Bundesregierungfragen. Das war ja schon Gegenstand der Ausgangsfra-gen. Glaubt die Bundesregierung also, dass die Beitrags-einzugsvergütungen dem Aufwand angemessen sind?Oder besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich glaube, dass es dem Aufwand angemessen ist, zu-mal ich auch jetzt davon ausgehe, dass – wenn die Ver-einbarungen getroffen werden – am Ende auch der Bun-desrechnungshof dies als vernünftig ansehen wird.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Zusatzfrage.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ist durch dieses neue Verfahren des Beitragseinzugs

– Stichwort „Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbei-träge“ – von den Krankenkassen ein gestiegener Verwal-tungsaufwand gemeldet worden? Wenn ja, in welcherGrößenordnung?

(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Das ist mir jetzt nicht bekannt, Herr Kollege. Ich gehedem gerne nach und beantworte Ihre Frage dann schrift-lich.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Okay. Weitere Fragen habe ich dazu nicht. Danke.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.

Ich rufe Frage 42 des Abgeordneten Heinz-PeterHaustein auf:

Wie viele Personen und Bedarfsgemeinschaften unter denBezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung für Arbeit-suchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sindbisher im Rahmen der im Report des Bundesministeriums fürWirtschaft und Arbeit „Vorrang für die Anständigen – GegenMissbrauch, ,Abzocke‘ und Selbstbedienung“ vom August2005 erwähnten telefonischen Überprüfungen durch die Bun-desagentur für Arbeit, BA, befragt worden und wie viele Fällevon Missbrauch und Betrug sind bei diesen freiwilligen tele-fonischen Befragungen aufgedeckt worden?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Herr Kollege Haustein, an der telefonischen Befra-gung, die von der Bundesagentur für Arbeit von Juli bisSeptember 2005 durchgeführt wurde, nahmen 197 Ar-beitsgemeinschaften teil. Diese übermittelten der Bun-desagentur für Arbeit etwa 408 000 Datensätze von ar-beitslos gemeldeten Arbeitslosengeld-II-Beziehern zurÜberprüfung. Davon konnten rund 221 000 Personen er-folgreich kontaktiert werden. Etwa 180 000 Personenwaren bereit, telefonisch Auskunft über ihren aktuellenArbeitslosenstatus zu geben. Die Daten der restlichen41 000 Personen, die nicht bereit waren, telefonischAuskunft zu geben, wurden den örtlich zuständigen Ar-beitsgemeinschaften übermittelt. In der Regel habendiese Arbeitsgemeinschaften die betreffenden Personendaraufhin zu einem persönlichen Gespräch eingeladenund in diesem Rahmen die Befragung durchgeführt. ImRahmen dieser Prüfung kam es zu einer Korrektur desStatus „Arbeitslosigkeit“ in etwa 12 000 Fällen. Das ent-spricht einem Prozentsatz von knapp 7 Prozent.

Aus dieser Anzahl notwendiger Statusänderungenkann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass Fällevon Leistungsmissbrauch vorgelegen haben. So ergebensich zum Beispiel in Fällen der Teilnahme an Maßnah-men der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder in Fällen vonArbeitslosigkeit zwar Änderungen im Status von Ar-beitslosen, aber dies hat keine Auswirkung auf den Um-fang der Hilfsbedürftigkeit.

Angaben darüber, wie viele Fälle von Missbrauch undBetrug aufgedeckt worden sind, liegen der Bundesregie-rung nicht vor, weil an dieser Stelle auch keine dement-sprechende Statistik geführt wurde. Ich will darauf hin-weisen, dass der Kollege Kolb – er hat den Saal geradeverlassen – bereits am 6. März dazu einen Bericht ange-fordert hat und ihn auch erhalten hat. In diesem Berichtsind weitere Ergebnisse der ersten Telefonbefragung ent-halten.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Heinz-Peter Haustein (FDP): Herr Staatssekretär, können Sie also nicht genau sa-

gen, wie viele Fälle von Missbrauch und Betrug aufge-treten sind, und auch nicht, wie hoch die Summe der

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Heinz-Peter Haustein

Mittel ist, die zu Unrecht ausgezahlt wurden, weil dieBA sich verrechnet hat?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Das lässt sich im Einzelfall nicht sagen. Sie unterstel-len hier auch den Fall, dass man sich verrechnet hat. Daskann im Einzelfall passiert sein. Es gibt einige detail-lierte Arbeiten, die anhand der Daten gemacht werdenmüssen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnissevor, die uns jetzt sozusagen die Möglichkeit geben, aufdie Frage zu antworten, wo sich an den tatsächlichenVerhältnissen etwas verändert hat. Individuelle Berech-nungsfehler der Arbeitsgemeinschaften sind wahrschein-lich ausgeschlossen. Es können Fehler bei der Datenein-gabe erfolgt sein. Die können bei der telefonischenBefragung aber allenfalls zufällig bekannt werden undwerden statistisch nicht erfasst.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre zweite Zusatzfrage.

Heinz-Peter Haustein (FDP): Danke, keine weitere Zusatzfrage.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Keine weiteren Zusatzfragen.

Dann rufe ich die Frage 43 des Kollegen Hausteinauf:

Welche Kosten verursacht das extra für die telefonischenBefragungen der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Be-zieher von der BA eingerichtete Servicecenter und wie vieleexterne Mitarbeiter und BA-Mitarbeiter sind dort beschäftigt?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Für die im Januar 2006 für die Dauer eines Jahres ein-gerichteten Servicecenter für die Kundenbetreuung nachdem Sozialgesetzbuch II, die ausschließlich die Telefon-aktion durchführen, sind im Haushaltsjahr 2006 Kostenin Höhe von 9,3 Millionen Euro veranschlagt. ZurDurchführung der telefonischen Befragungen sind225 Vollzeitkräfte im Wege der Amtshilfe – abgeordnetvon der Personalauffanggesellschaft der Post und der Te-lekom – tätig. Vonseiten der Bundesagentur für Arbeitsind für das Projekt elf Mitarbeiter im Einsatz. Die Kos-ten für die 225 genannten Mitarbeiter belaufen sich aufrund 7,7 Millionen Euro und die für die elf Mitarbeiterder BA auf rund 800 000 Euro.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie Zusatzfragen, Herr Kollege?

Heinz-Peter Haustein (FDP): Ja. – Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu,

dass es besser wäre, das Geld dafür einzusetzen, Leute inArbeit zu bringen, als dafür, Leute über ihre Arbeitslo-sigkeit zu befragen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Genau das passiert ja mit dieser Aktion. Ich erinnerezum Beispiel an die Befragung, die im Sommer durchge-führt worden ist. Da haben wir im Nachhinein festge-stellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ar-beitsagentur es als sehr starke Erleichterung für ihreArbeit betracht haben, dass sie mit den Arbeitsuchendenund mit den Transferhilfeempfängern darüber sprechenkonnten, weil ihnen neue Daten und neue Informationenzur Verfügung gestellt worden sind, weil über diesenWeg auch die Betreuungs- und Beratungstiefe erhöhtwerden kann.

An der Stelle will ich auch darauf hinweisen, dass wirjetzt bei der zweiten Aktion alle die, die angerufen wer-den, vorher angeschrieben haben; sie wurden von derBundesagentur benachrichtigt, dass sie angerufen wer-den. Daraufhin haben allein 30 Prozent derjenigen schonvon sich aus Kontakt mit der Arbeitsagentur aufgenom-men. Dies alles führt dazu, dass unnötiges Hin- und Her-fahren und Vorladen oder Einladen zu Gesprächen darü-ber, welche Angebote da sind, ein Stück weit reduziert,die technischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wirtagtäglich in unserer Arbeit nutzen, auch für die Integra-tion und die Vermittlung nutzbar gemacht und somit För-dern und Fordern auch auf diesem Weg zusammenge-bracht werden.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine weitere Zusatzfrage?

Heinz-Peter Haustein (FDP): Danke schön, keine weitere Frage.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dann rufe ich die Frage 44 der Kollegin Britta

Haßelmann auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die

Bundesagentur für Arbeit die Zuschläge für Maßnahmen derArbeitsförderung nach Angaben der Bundesarbeitsgemein-schaft Arbeit e. V. zunehmend an Bieter erteilt, deren sozial-pädagogische Fachkräfte aufgrund knapper Preiskalkulationein Bruttomonatsgehalt unterhalb von 1 700 Euro erhalten,und hält die Bundesregierung eine qualitätsvolle aktive Ar-beitsmarktpolitik unter diesen Bedingungen für möglich?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Haßelhoff, die Bundesagentur für Arbeit ist alsKörperschaft des öffentlichen Rechts öffentlicher Auf-traggeber im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbs-beschränkungen und somit an nationale und auch andie EU-rechtlichen Bestimmungen des Vergaberechtsgebunden. Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienst-leistungen sind daher die Vergabeverordnung und diehierauf basierende Verdingungsordnung für Leistun-gen, Teil A, anzuwenden. Die öffentliche Ausschrei-bung dient dem Zweck, im Wege des Wettbewerbs daswirtschaftlich günstigste Angebot – ich sage ausdrück-lich: nicht das preisgünstigste, sondern das wirtschaft-lich günstigste – zu ermitteln. Hierfür werden ver-schiedene Kriterien zur Wertung herangezogen, die

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

insbesondere eine hohe Qualität der Maßnahmen ge-währleisten sollen, wobei der Preis, der sich natürlichauch aus den gezahlten Gehältern ergibt, keine unterge-ordnete Rolle spielen darf.

Eine Festlegung der Mitarbeitergehälter bei Aus-schreibungen würde eine stark wettbewerbsverzerrendeund damit unzulässige Wirkung haben. Das Arbeitsför-derungsrecht im SGB III normiert die qualitativenAnforderungen an Träger und Maßnahmen, ohne dasBinnenverhältnis zwischen den Bildungsträgern als Ar-beitgebern und ihren Beschäftigten in Einzelheiten re-geln zu können. Arbeitsbedingungen sind durch die Ta-rifvertragsparteien und auch durch die Vertragsparteienvor Ort zu vereinbaren. Ganz klar ist: Sobald da eine Ta-rifbindung entsteht, ist sie auch einzuhalten.

Bei der Vergabe der berufsvorbereitenden Bildungs-maßnahmen wurde besonders auf Qualitätskriterien ge-achtet. Die Träger mussten entsprechende Nachweiseund Referenzen vorlegen, aus denen ersichtlich war, obsie für den Auftrag die nötige Fachkunde, Leistungsfä-higkeit und auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Prüfungund Wertung der Angebote erfolgte entsprechend denVerdingungsunterlagen für alle Angebote gleichermaßennach dem Leistungsangebot und dem Preis. Die fachli-che Prüfung und Wertung der Angebote haben fachkun-dige Mitarbeiter der örtlichen Agenturen jeweils für ih-ren Arbeitsamtsbezirk durchgeführt.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mein Name ist we-

der Hasselfeldt noch Hasselhoff, sondern Haßelmannaus Nordrhein-Westfalen.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Ich bitte um Nachsicht! Entschuldigen Sie!

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Nur für die Zukunft. Wir haben ja noch lange mit-

einander zu tun. Mich würde interessieren, wie Ihr Ministerium die

Tatsache bewertet, dass es zu der genannten Praxiskommt. Mir ist durchaus klar, dass die Körperschaftendes öffentlichen Rechts und auch die BA an die gesetz-lich festgelegten Vergabekriterien und -verfahren ge-bunden sind. Dennoch gehe ich davon aus, dass IhrMinisterium, das die Federführung im Bereich Arbeits-marktpolitik hat, eine Meinung dazu hat und diese Auf-fassung auch offensiv gegenüber den Parlamentarierin-nen und Parlamentariern vertritt. Wie bewerten Sie esalso, dass bei der Umsetzung des Gesetzes in der Pra-xis sehr oft das Kriterium Preis im Vordergrund steht,was dazu führt, dass in den anbietenden Institutionenunglaublich niedrige Gehälter gezahlt werden?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Dieser Bereich wird statistisch nicht erfasst, sodasseine fundierte Aussage nicht möglich ist. Sie führen einEinzelbeispiel an. Dieses Einzelbeispiel geht von einemBruttomonatsgehalt in einer bestimmten Größenordnungaus. Es ist aus der Fragestellung nicht nachvollziehbar,welche Arbeitszeit und welche weiteren Bedingungendem zugrunde liegen. Es greifen hier unterschiedlichsteRegelungen; zum Beispiel ist auch die Eingliederungvon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor demHintergrund ihrer persönlichen Qualifikation in Betrachtzu ziehen, weiterhin, ob das Gehalt in dieser Höhe lang-fristig festgeschrieben ist oder ob es sich um ein Ein-stiegsgehalt handelt.

Ich will damit sagen, dass hier viele Facetten zu be-rücksichtigen sind, über die keine Statistiken geführtwerden. Schließlich müsste auch den Verantwortlichenvor Ort – hier hat ja die Selbstverwaltung durchaus Ein-fluss, da von anonymen Verhältnissen bei den Arbeits-agenturen keine Rede sein kann – Gelegenheit gegebenwerden, darzustellen, auf welcher Basis sie zu der Ent-scheidung gekommen sind, dass es sich bei einem be-stimmten Angebot um das – ich wiederhole es – wirt-schaftlich günstigste handelt, also nicht der Preis alleinüber die Annahme entschieden hat.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine zweite Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gerne, Frau Präsidentin. – Ich gehe davon aus,

dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einenEinzelfall handelt, da Quelle für meine Frage ein Berichtder Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit war. Können Siesich vorstellen, dass Ihr Ministerium auf die Bundesar-beitsgemeinschaft Arbeit zugeht, diesen Sachverhalteruiert und dort, ohne die BA mit einer großen Analysezu beauftragen, klärt, ob es zu solchen Fällen kommtund, wenn ja, in welcher Häufigkeit?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Es stellt kein Problem dar, auf die BAG zuzugehenund mit ihr dieses Thema zu bereden. Ich sage ja nichtsNeues – das ist ja auch aus Debatten bekannt, die wir indiesem Hause und an anderen Stellen geführt haben –,wenn ich meine, dass das Einkommen, das man erhält,wenn man arbeitet, zum Leben reichen muss. Angesichtsder Debatten, die wir darüber derzeit führen, ist IhreFrage verständlich. Man muss dem also im Einzelfallnachgehen.

Aber ich will auch deutlich sagen: Wir haben an derStelle die Tarifvertragsfreiheit, die die Bedingungen re-gelt, und wir haben Vertragsfreiheit. In diesem Hause hates eine Debatte über ein Tariftreuegesetz gegeben; daswill ich gar nicht verhehlen. Wir haben darüber gespro-chen, wie das für den Auftraggeber im öffentlichenDienst und im öffentlichen Personennahverkehr ist. DieInitiativen, die damals gestartet worden sind, sind leider

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

im Bundesrat gescheitert. Da merken Sie ein Stück weitdas Interesse an vernünftigen Bedingungen. Deswegenschauen wir uns das an. Ich denke, wir bleiben da im Di-alog.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Vielen Dank!)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Eine Zusatzfrage des Kollegen Kurth.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Thönnes, Sie haben richtigerweise

zwischen dem wirtschaftlich günstigsten und dem preis-günstigsten bzw. billigsten Gebot unterschieden und be-tont, es gehe um das wirtschaftlich günstigste Angebot.Aber stimmen Sie mit mir überein, dass das, was im Mo-ment als wirtschaftlich günstigstes Angebot gemachtwird, in der Mehrzahl der Fälle auch das billigste Ange-bot ist und dass damit in der Tat nicht nur im Einzelfall,sondern auch in der Fläche Vollzeitlohnzahlungen ver-bunden sind, die zu einer so hohen Fluktuation der Mit-arbeiter führen, dass eine kontinuierliche qualitätsvolleLeistungserbringung, etwa in Berufsbildungswerken beiberuflichen Trainingsmaßnahmen, nicht mehr gesichertwerden kann und deswegen auch die Wirtschaftlichkeiteinfach nicht mehr gesichert ist?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Das waren jetzt mehrere einzelne Faktoren, die Sie inIhre Frage gekleidet haben und die alle, wollte ich IhreFrage, ob ich Ihre Einschätzung teile, zufriedenstellendbeantworten, statistische Erhebungen erforderlichen ma-chen würden. Diese liegen an der Stelle nicht vor. Sie ha-ben eine Einschätzung zu diesen Punkten geäußert. DaSie mich gefragt haben, muss ich Ihnen sagen: Ich kannIhre Einschätzung nicht teilen, weil dafür schon die Da-tengrundlage fehlt.

Aber ich füge hinzu, dass vor dem Hintergrund derVeränderung der Ausschreibungspraxis, der Festlegungvon Qualitätskriterien und der Notwendigkeit, qualifi-ziertes Personal zu beschäftigen, eine Vielzahl von Punk-ten in den Ausschreibungsbedingungen enthalten sind,die bezüglich der Qualitätsanforderungen, der Verläss-lichkeit und der Kompetenz auch für die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in entsprechenden Strukturen – und wahr-scheinlich nicht Niedrigentlohnungsstrukturen – geltendürften, die andere Menschen unterrichten und Bildungs-maßnahmen durchführen. Da aber für den Fall keine Da-ten vorliegen, muss ich sagen: Ich kann Ihre Einschät-zung nicht teilen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragen 45 und 46 werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zur Frage 47 der AbgeordnetenKornelia Möller:

Welche Konsequenzen für die Bundesagentur für Arbeit,insbesondere welche personellen Folgen sowie damit zusam-menhängenden Auswirkungen für die Realisierung der Ver-mittlungs- und Eingliederungsaufgaben der BA, hat die

Entscheidung der Bundesregierung, unmittelbar mit der Um-setzung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II für jungeMenschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu beginnen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Möller, ich will zunächst voranstellen, dass essich bei der Erweiterung der Bedarfsgemeinschaften umPersonen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendethaben, um eine Anpassungsmaßnahme handelt, die dieRegelleistung der Jugendlichen von derzeit 100 auf80 Prozent setzt und damit dem Umstand Rechnungträgt, dass zwei volljährige Partner einer Bedarfsgemein-schaft jeweils nur 90 Prozent der Regelleistung erhalten.Die noch geltende Rechtslage führt beispielsweise dazu,dass Eltern, die mit ihren beiden volljährigen Kindern ineiner Haushaltsgemeinschaft leben, weniger erhalten alsihre Kinder. Diesen wird jeweils 100 Prozent der Regel-leistung gewährt, obwohl sie die Fixkosten eines Haus-haltes gar nicht zu tragen haben. Wir reden hier über dieüber 18-jährigen Kinder.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass Integrationsbemühun-gen auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft auszurichtensind. Der Betreuungsaufwand ändert sich somit nichtdurch die Umsetzung der Reduzierung des Arbeitslosen-geldes II im Bereich der unter 25-Jährigen. Vielmehrbleibt das Ziel, in Bezug auf einen persönlichen An-sprechpartner für unter 25-Jährige einen Betreuungs-schlüssel von 1 : 75 zu gewährleisten. Das bleibt auf-rechterhalten, um gerade diesen Personenkreis bei derEingliederung in den Arbeitsmarkt besonders zu unter-stützen. Aus diesem Grund ergeben sich auch keine per-sonellen Konsequenzen im Vermittlungs- und Eingliede-rungsbereich bei den Trägern der Grundsicherung.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Zusatzfragen.

Kornelia Möller (DIE LINKE): Wir haben heute von Ihnen gehört, dass es tatsächlich

zu Veränderungen kommt, da die Sachbearbeiterinnenund Sachbearbeiter von ihrer eigentlichen Aufgabe ab-gezogen werden und jetzt für diese Anpassungsmaß-nahme zuständig sind. Könnten Sie das bitte einmal ge-nauer erklären?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Möller, darüber haben wir vorhin im Ausschussgesprochen. Die Vertreter unseres Hauses, auch ich, ha-ben sehr ausführlich dargestellt, dass durch den Aufbauder eingesetzten Software die Umsetzung nicht so zügigmöglich ist, wie wir das gerne hätten. Um es deutlich zusagen: Die Bearbeitung muss in Handarbeit erfolgen. Ichhabe Ihnen heute Morgen auch gesagt, dass dafür circa550 Jahreskräfte benötigt werden.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Keine weitere

Zusatzfrage.

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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt

Ich rufe die Frage 48 der Kollegin Möller auf:Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsicht-

lich des Sachverhaltes vor, dass Arbeitsuchende für Tage undsogar Wochen in bestimmten Unternehmen verschiedenerBranchen „auf Probe arbeiten“, ohne in irgendeiner Form ent-lohnt und sozial abgesichert zu sein, und wie will die Bundes-regierung einen derartigen Umgang mit der gegenwärtig herr-schenden hohen Arbeitslosigkeit bekämpfen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Möller, im Rahmen betrieblicher Trainingsmaß-nahmen gemäß § 16 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches II inVerbindung mit den §§ 48 bis 50 des Sozialgesetz-buches III besteht für die Kunden der Arbeitsagentur dieMöglichkeit, ein Praktikum auch betrieblich zu absolvie-ren. Ziel ist es, dadurch eine Verbesserung der berufli-chen Eingliederungsaussichten zu erreichen. Anlässlichder Tätigkeit bei einem Arbeitgeber kann dieser häufigüberzeugt werden, die Trainingsteilnehmer dauerhafteinzustellen. Es geht also sozusagen darum, den zu inte-grierenden arbeitsuchenden Menschen die Erfahrung mitdem Unternehmen und den dort tätigen Personalverant-wortlichen zu ermöglichen.

Die Förderungsdauer entspricht grundsätzlich ihremvorgesehenen Zweck und den vermittelten Inhalten. Da-durch können die einzelnen Teile einer Trainingsmaß-nahme zwischen zwei und längstens acht Wochen dau-ern. Um zu vermeiden, dass Trainingsmaßnahmenreguläre Beschäftigung verdrängen, darf die Förderunginsgesamt zwölf Wochen nicht übersteigen. Die Trai-ningsmaßnahme ist mit der zuständigen Integrations-fachkraft abzusprechen. Die Förderung besteht aus derÜbernahme der anfallenden Lehrgangskosten, der Prü-fungsgebühren, der Kosten für die notwendige Kinder-betreuung und der Kosten für die tägliche Fahrt zwi-schen Wohnung und Maßnahmeort sowie aus derWeiterzahlung des Arbeitslosengeldes nach dem Sozial-gesetzbuch III oder des Arbeitslosengeldes II, sodass derBedarf des Teilnehmers während der Trainingsmaß-nahme gedeckt wird und der Teilnehmer weiterhin sozialabgesichert ist.

Arbeitslose, die kein Arbeitslosengeld oder keinArbeitslosengeld II beziehen, können durch die Über-nahme von Maßnahmekosten an dieser Stelle gefördertwerden.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Zusatzfrage?

Kornelia Möller (DIE LINKE): Ja. – Ich möchte folgenden Punkt richtig stellen: Ich

sprach nicht von betrieblichen Trainingsmaßnahmen,sondern von Arbeit auf Probe. Entschuldigung, aber dasist für mich schon etwas anderes. Ich kann Ihnen dazukonkrete Fälle schildern. Darauf bezieht sich auch meineFrage: Glauben Sie, dass Personen, die zwei oder dreifundierte Ausbildungen haben, etwas dazulernen, wennsie beispielsweise in Hotels auf Probe putzen? Sind Sieder Meinung, dass diese Fördermaßnahme Sinn machtund diese Personen weiterbringt?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Möller, Sie schildern einen Fall,

(Kornelia Möller [DIE LINKE]: Nicht nur ei-nen!)

der uns nicht bekannt ist. Sie stellen ab auf Fälle, die Siezu kennen glauben, die uns aber nicht bekannt sind. Ichweise noch einmal darauf hin: Die Integrationsfachkraftin der Arbeitsagentur oder im Leistungszentrum ist dafürverantwortlich, sich nach sinnvollen Integrationsmög-lichkeiten für die Arbeitssuchenden umzusehen und dieBedingungen mit den jeweiligen Arbeitgebern abzuklä-ren. Ich habe beschrieben, dass es begrenzte Trainings-zeiten gibt. Dieser Aspekt bewirkt, dass die Bundesagen-tur im Rahmen des Sozialgesetzbuchs III oder dieLeistungszentren und die Arbeitsgemeinschaften überdas Arbeitslosengeld II für den Unterhalt aufkommen.

Für den Fall, dass es da etwas geben sollte, was – ichsage es jetzt einmal konkret; das resultiert aus Ihrer Fra-gestellung – nach Missbrauch aussieht, oder dass be-kannt werden würde, dass sich Arbeitgeber mehrfachhintereinander – denn der Zeitraum ist ja begrenzt – vonder Arbeitsagentur, salopp formuliert, Arbeitsuchendezuweisen lassen oder holen und es am Ende zu keinemBeschäftigungsverhältnis kommt, ist es Praxis der Bun-desagentur, die entsprechenden Zuweisungen einzustel-len. Denn dieser Vorgang wäre nicht im Sinne der ei-gentlichen Absicht der gesetzlichen Regelungen, die wirgetroffen haben.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Kornelia Möller (DIE LINKE): Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. – Sie sind bis-

lang gar nicht auf die Rolle der Unternehmen eingegan-gen. Wie ist Ihre Einstellung zu der Position der Unter-nehmen?

Noch einmal eine Richtstellung: Es ist nicht richtig,zu sagen, dass ich diese Fälle zu kennen glaube. Ichkenne sie. Ich komme aus der Beratung. Das heißt, ichhabe konkret mit diesen Menschen gearbeitet. Mich er-reichen sehr viele Anfragen und Bitten von Hilfesuchen-den, die in ähnlichen Situationen sind.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Frau Möller, dann gilt das, was ich gesagt habe. DieArbeitsagenturen und die Arbeitsgemeinschaften befin-den sich schrittweise in einem Benchmarkingverfahren,wie man das nennt. Das heißt, dass der Eingliederungs-erfolg und die Aufwendungen überprüft werden und diesim Vergleich mit anderen bewertet wird.

Wenn Ihnen derartige Fälle bekannt sind, dann blei-ben diese ja nicht verborgen. Wenn es so ist, wie Sie essagen, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir konkretdarüber sprechen würden. Dann könnte man mit den Be-troffenen und den Beteiligten vor Ort konkret darübersprechen und möglicherweise in dem Sinne, wie ich es

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

gerade dargestellt habe, nämlich was die weiteren Zu-weisungen angeht, Abhilfe schaffen.

Denn wir müssen deutlich sehen: Wir wollen den Men-schen einen bedarfsdeckenden Betrag für ihren Unterhaltgeben. Wir übernehmen die Kosten für Unterkunft undHeizung. Wir geben sehr viele finanzielle Mittel für dieIntegration aus. Wir wollen keine Wettbewerbsverzer-rung dadurch, dass in den Betrieben Mitarbeiter über eineöffentliche Finanzierung sozusagen im Rotationsverfah-ren dazu beitragen, dass es zu ungleichen Wettbewerbs-bedingungen kommt. Das kann nicht sein; das sage ichIhnen ganz deutlich zu.

Deswegen sollte man sich konkret über diese Fälleunterhalten und dem im Einzelfall auch wirklich nachge-hen. Es darf aber nicht der Eindruck vermittelt werden,als wäre das in Nord und Süd bzw. Ost und West tagtäg-lich der Fall. Wir leben in einem großen Land. Miss-brauch wird es auf der einen oder anderen Seite immergeben. Dieses Problem können wir nur angehen, wennwir konkret darüber sprechen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Frage 49 wird schriftlich beantwortet.

Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen MarkusKurth:

Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass dieBundesagentur für Arbeit nach eigenem Bekunden die Ertei-lung von Zuschlägen für Qualifizierungs- und Trainingsmaß-nahmen nicht davon abhängig machen will, ob die Bieter ih-ren Angestellten am Tarif des öffentlichen Dienstes orientierteGehälter zahlen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Die Bundesagentur für Arbeit ist als Körperschaft desöffentlichen Rechts öffentlicher Auftraggeber im Sinnedes Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ähn-lich wie bei der Fragestellung eben kann ich feststellen,dass sie damit an die nationalen und EU-rechtlichen Be-stimmungen gebunden ist. Das Gleiche gilt für die Ver-gabeverordnung und die darauf beruhende Verdingungs-verordnung.

Die öffentliche Ausschreibung dient dem Zweck, imSinne des Wettbewerbs das wirtschaftlich günstigste An-gebot zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund gibt es ver-schiedene Kriterien, die zur Wertung herangezogen wer-den, wobei der Preis sich natürlich auch aus dengezahlten Gehältern ergibt. Eine starre Festlegung derGehälter auf das Niveau des öffentlichen Dienstes alsAusschlusskriterium würde bei einer Ausschreibungeine stark wettbewerbsverzerrende und damit unzuläs-sige Wirkung haben.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Trainingsmaß-nahmen zwar zu den Arbeitsmarktdienstleistungen gehö-ren, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen verge-ben werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für dieFörderung der beruflichen Weiterbildung nach SGB IIIwird dem Arbeitnehmer jedoch durch einen Bildungs-gutschein bescheinigt. Der Arbeitnehmer wählt dann den

Träger der Bildungsmaßnahme eigenverantwortlich aus.Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbil-dung werden deshalb nicht durch öffentliche Ausschrei-bungen vergeben.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zusatzfrage, bitte.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beabsichtigt die Bundesregierung, Änderungen am

Vergaberecht vorzunehmen? Denn das gegenwärtigeVergaberecht, das Grundlage für das ist, was Sie geradegeschildert haben, ist nicht auf die Ausschreibung vonDienstleistungen, die am Menschen erbracht werden,ausgerichtet. Nach dem vorliegenden Vergaberecht undder Vergabeformel, nach der die Preise ermittelt werden,werden vielmehr Bleistifte oder Papierstapel beschafft.

Die neue EU-Vergaberechtsrichtlinie, die ja von derBundesregierung noch nicht umgesetzt worden ist, eröff-net in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe vonMöglichkeiten, unter anderem auch die Berücksichti-gung von sozialen Kriterien. Gibt es in Ihrem HausÜberlegungen dahin gehend, im Rahmen der anstehen-den Reform das Vergaberecht so zu ändern, dass dieserspezielle Bereich von Dienstleistungen adäquat derartabgebildet werden kann, dass auch die Lohnhöhe als Zu-schlagskriterium mit einfließt?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Von der Praxis und der Erfahrung her, Herr KollegeKurth, glaube ich, dass die Beschreibung der Lohnhöhein einem Ausschreibungsverfahren juristisch wahr-scheinlich sehr kritisch einzuschätzen sein würde. Wirhaben uns – das ist für unser Haus der zentrale Aspekt –sehr stark darauf konzentriert, bei den Ausschreibungs-bedingungen auf die Qualitätssicherung zu achten. Wirwollen also ein relativ hohes Qualitätsniveau abfordernund gleichzeitig die Einbindung der regionalen Entschei-dungsträger, sprich: der örtlichen Arbeitsagenturen oderder Leistungszentren der Arbeitsgemeinschaften, an die-ser Stelle stärken, weil ich glaube, dass es sehr daraufankommt, dass diejenigen, die in den Bildungseinrich-tungen arbeiten, mit dem örtlichen Wirtschaftsbereichverzahnt sind. Denn am Ende geht es darum, über Maß-nahmen, von denen wir gerade gesprochen haben, Men-schen zu vermitteln, persönliche Kontakte wahrzuneh-men, sie bei diesem Prozess auch zu begleiten. Vordiesem Hintergrund glaube ich, dass wir mit den Erfah-rungen der Vergangenheit in diesem Jahr an dieser Stelleeinen Schritt nach vorn machen werden.

Was die Überarbeitung des Vergaberechts angeht, sowissen Sie, wie die Zuständigkeiten zwischen den ein-zelnen Ministerien der Bundesregierung geregelt sind.Diese Frage berührt im Wesentlichen das Bundesminis-terium für Wirtschaft und Technologie.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

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Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotzdem könnten Sie sich natürlich gegenüber dem

Wirtschaftsministerium entsprechend einbringen.

Ich habe noch eine Zusatzfrage zur Datengrundlageinsgesamt. Sie haben sich ja vorhin bei der Antwort aufdie Frage von Frau Haßelmann so eingelassen, dass Siesagten, es fehlen die entsprechenden Grundlagen. HabenSie vonseiten der Bundesregierung denn vor, sich dieEntlohnungsstruktur insbesondere im Bereich von Qua-lifizierungsmaßnahmen, die durch die BA in Auftrag ge-geben werden, anzusehen und sich einen Überblick da-rüber zu verschaffen, welche Gehälter gezahlt werden,um auf der Basis einer solchen Datengrundlage abzu-schätzen, ob eventuell nicht doch Änderungen im Verga-berecht oder in der Vergabepraxis notwendig sind?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Sie weisen zu Recht darauf hin, dass es hier um Men-schen und nicht darum geht, irgendwelche Bürogegen-stände oder technischen Anlagen einzukaufen. Von da-her müssen wir uns mit dieser Thematik sehr ernsthaftbefassen. Aber das, was Sie ansprechen, würde einen er-heblichen Verwaltungsaufwand erfordern; es würde eineOffenlegung der privatrechtlich zwischen dem einzelnenArbeitnehmer und dem jeweiligen Arbeitgeber verein-barten Entlohnungsbedingungen erforderlich machen.Solange das nicht von den Betroffenen an uns herange-tragen wird, würden wir sehr schnell erhebliche daten-schutzrechtliche Probleme bekommen. Man wird sichpolitisch nur mit dem jeweiligen Einzelfall auseinandersetzen können. Es bleibt das Recht der Tarifvertragspar-teien genauso wie der Betriebspartner, entsprechendeVereinbarungen zu treffen. Ich glaube nicht, dass an die-ser Stelle die Bundesagentur für Arbeit oder andere, dieAufträge vergeben, Lohnhöhen werden vorschreibenkönnen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Kurth auf:

In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung ihrenEinfluss auf die BA geltend zu machen, um im laufendenAusschreibungsverfahren sicherzustellen, dass nicht längernur der Preis, sondern auch die Qualität der Erbringung vonLeistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik bestimmend fürdie Vergabe ist?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Die Bundesagentur für Arbeit führt ihre Aufgaben alsKörperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwal-tung eigenverantwortlich durch. Dazu gehört, dass sieArbeitsmarktdienstleistungen als öffentlicher Auftragge-ber unter Beachtung des Vergaberechts eigenverantwort-lich ausschreibt und einkauft. Unser Ministerium für Ar-beit und Soziales führt lediglich die Rechtsaufsicht, diesich darauf erstreckt, dass Gesetze und sonstiges Rechtbeachtet werden. Die Bundesregierung kann keinen Ein-fluss auf laufende Vergabeverfahren seitens der Bun-desagentur für Arbeit nehmen.

Im Übrigen – auch das muss ich sagen – sind Ver-stöße der Bundesagentur für Arbeit gegen das Vergabe-recht nicht bekannt.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Haben Sie eine Zusatzfrage?

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Es geht nicht nur um Verstöße gegen das Verga-

berecht; vielmehr geht es um die Ermittlung des wirt-schaftlichsten Angebots und die Frage, wie dabei Quali-tät und Preis gewichtet werden. Ich frage: Beabsichtigtdie Bundesregierung, über den Verwaltungsrat Einflussdahin gehend zu nehmen, dass die Qualitätskriterien ge-nügend berücksichtigt werden? Im Moment schaffen fast90 Prozent der Gebote – so sind meine Informationen –die maximale Punktzahl bei den Qualitätskriterien. Daskann also kein Selektionskriterium sein; also landet manwieder beim Preis. Hat die Bundesregierung vor, sichüber den Verwaltungsrat vorab über das System infor-mieren zu lassen und Einfluss zu nehmen?

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-minister für Arbeit und Soziales:

Herr Kollege Kurth, bereits im Jahr 2005 hat der Vor-stand der Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Kriti-ken die Vergabepraxis den Einkaufzielen angepasst. Esgibt jetzt eine viel stärkere Berücksichtigung der Quali-tät bei der Bewertung von Angeboten. Zielsetzung ist es,die Arbeitsmarktdienstleistung nach einheitlichen Stan-dards qualitativ hochwertig und wirtschaftlich einzukau-fen und nicht lediglich die Kosten für die Dienstleistungzu senken.

Ich erläutere Ihnen gern die Konzeption der Qualitäts-sicherung, die drei Phasen vorsieht. Der erste Komplexbeinhaltet eine Leistungsbeschreibung. Zunächst wirdeine Losbildung, in der Regel innerhalb eines Agentur-bezirkes, vorgenommen. Die Leistungsbeschreibungenwerden in so genannten Expertenzirkeln unter Beteili-gung von Mitarbeitern der Agentur für Arbeit, der Regi-onaldirektionen, der Arbeitsgemeinschaften und desZentralbereichs „Produkte und Programme“ erstellt. Be-reits in die Leistungsbeschreibungen fließen verstärktQualitätsaspekte wie Personalschlüssel der Träger, Er-folgsbeobachtung von Maßnahmen, Vernetzung undKenntnisse der Träger im örtlichen Arbeitsmarkt ein.Zur Qualitätssicherung trägt ebenso eine Verkleinerungder Lose bei.

Der zweite Komplex ist die Angebotsbewertung. Ver-treter der betroffenen Agenturen für Arbeit führen diefachliche Bewertung der Angebote durch. Soweit dieAngebote die in der Leistungsbeschreibung genanntenQualitätskriterien erfüllen, verbleiben sie in der weiterenWertung, wenn bei den fachlichen Einzelkriterien Min-destpunkte bzw. insgesamt eine Mindestpunktzahl er-reicht wurden. Erhebliche Mängel in einzelnen Wer-tungsbereichen eines Konzeptes können zum Ausschlusseines Angebotes führen. Auch Konzepte, die nicht mehrals 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte

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Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

erzielen, werden von der weiteren Bewertung ausge-schlossen.

Daraus folgt, dass in der abschließenden Prüfung derWirtschaftlichkeit nur noch solche Anbieter verbleiben,die qualitativ gute Angebote abgegeben haben. Der Zu-schlag wird nach einer bestimmten Formel erteilt. Imersten Schritt wird die Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis ermittelt. Die erzielten Punkte und der Preisdes Angebotes werden in ein bestimmtes Verhältnis zu-einander gesetzt und auf diese Weise wird ein Rankingermittelt.

Im zweiten Schritt wird ein Kennzahlkorridor gebil-det, der sich aus der Kennzahl des führenden Angebotesminus zehn ergibt.

Im dritten Schritt werden alle Angebote ermittelt, dieinnerhalb dieses Korridors liegen. Diese Angebote wer-den zunächst als gleichberechtigt betrachtet. Entschei-dungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchsteLeistungspunktzahl, die in einzelnen besonders wichti-gen Wertungsbereichen erzielt worden ist, und nicht derPreis.

Der nach dieser Vorgehensweise ermittelte wirtschaft-lichste Anbieter erhält den Zuschlag. Der finanzielle Ge-sichtspunkt ist folglich ein wichtiges, aber keinesfallsdas vorrangige Vergabekriterium.

Hinzu kommt, dass für den dritten Komplex der Ver-tragsdurchführung, für die Qualitätssicherung der Ar-beitsmarktdienstleistungen, in erster Linie die Agenturfür Arbeit als Abnehmer der Leistung zuständig ist. Sieist Ansprechpartner für Beschwerden von Bietern undTeilnehmern. Kann die Agentur für Arbeit eine Vertrags-

störung nicht beseitigen, wird das Vertragsmanagementdes regionalen Einkaufszentrums eingeschaltet. Von dortkönnen vertragliche Konsequenzen wie Vertragsstrafenund Kündigungen eingeleitet werden.

Ich schildere das so ausführlich, weil ein Verände-rungsprozess – auf einen solchen zielte auch Ihre kriti-sche Frage – auf der Grundlage der gesammelten Erfah-rungen stattgefunden hat. Wir sind auf dem richtigenWeg. Das Qualitätskriterium hat einen sehr hohen Anteilbei der Ermittlung der Angebotsstrukturen und der Preisist nicht das allein Entscheidende. Ganz im Gegenteil:Die regionale Arbeitsagentur vor Ort wird sogar nochviel stärker in den Prozess eingebunden, als das vorherder Fall war. Damit besteht viel eher die Möglichkeit,auftretende kritische Fragen vor Ort differenziert zu be-antworten.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir sind zeitlich am Ende der Fragestunde. Herr

Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung derFragen.

Die Fragen 52 und 53 des Kollegen Rohde werdenschriftlich beantwortet.

Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesord-nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Donnerstag, den 9. März 2006,9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 15.41 Uhr)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1613

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Anlagen zum Stenografischen Bericht

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

(D)

Abgeordnete(r)entschuldigt biseinschließlich

Albach, Peter CDU/CSU 08.03.2006

von Bismarck, Carl Eduard

CDU/CSU 08.03.2006

Dr. Botz, Gerhard SPD 08.03.2006

Fograscher, Gabriele SPD 08.03.2006

Gabriel, Sigmar SPD 08.03.2006

Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 08.03.2006

Dr. Geisen, Edmund FDP 08.03.2006

Gleicke, Iris SPD 08.03.2006

Granold, Ute CDU/CSU 08.03.2006

Groneberg, Gabriele SPD 08.03.2006

Heil, Hubertus SPD 08.03.2006

Heinen, Ursula CDU/CSU 08.03.2006

Herrmann, Jürgen CDU/CSU 08.03.2006

Heß, Petra SPD 08.03.2006

Hilsberg, Stephan SPD 08.03.2006

Homburger, Birgit FDP 08.03.2006

Kramer, Rolf SPD 08.03.2006

Krichbaum, Gunther CDU/CSU 08.03.2006

Kunert, Katrin DIE LINKE 08.03.2006

Link (Heilbronn), Michael

FDP 08.03.2006

Lintner, Eduard CDU/CSU 08.03.2006*

Lips, Patricia CDU/CSU 08.03.2006

Mogg, Ursula SPD 08.03.2006

Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

08.03.2006

Pflug, Johannes SPD 08.03.2006

Schily, Otto SPD 08.03.2006

* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-sammlung des Europarates

Anlage 2

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Fragender Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Druck-sache 16/796, Fragen 7 und 8):

Welche Auswirkungen hat – nach Ansicht der Bundesre-gierung – die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtsvom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz auf die Tä-tigkeit und die rechtliche Grundlage zur Einrichtung des Na-tionalen Lage- und Führungszentrums für Sicherheit im Luft-raum in Kalkar?

Welche Aufgaben kann – nach Ansicht der Bundesregie-rung – das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicher-heit im Luftraum in Kalkar nach dem Urteil noch ausführen?

Auswirkungen dieses Urteils auf das NLFZ bestehennicht. Die Aufgaben des Nationalen Lage- und Füh-rungszentrums „Sicherheit im Luftraum“ (NLFZ) blei-ben auch weiterhin grundsätzlich unverändert bestehen.Dem NLFZ als zentrale ressortübergreifende Einrich-tung des Bundes zur Koordinierung der Maßnahmen imHinblick auf die Abwehr von Gefahren aus dem Luft-raum obliegt die Bündelung, Bewertung und Steuerungaller vorhandenen Informationen (Luftlage), die für dieSicherheit im Luftraum wichtig sein können; Beratungin Bezug auf die Luftsicherheitslage und die möglichenoperativen Handlungsoptionen und Einleitung bzw.Koordination von Maßnahmen (zum Beispiel Überprü-fen, Umleiten, Warnen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Luft-SiG).

Anlage 3

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Fra-gen der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796,Fragen 9 und 10):

Wie will die Bundesregierung verhindern, dass als Folgeder Pläne der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries,zur Abschaffung des Anwaltszwangs bei einverständlichenScheidungen kinderloser Ehepaare, die sich über Unterhalt,

Stünker, Joachim SPD 08.03.2006

Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

08.03.2006

Abgeordnete(r)entschuldigt biseinschließlich

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Hausrat und Wohnung geeinigt haben („Scheidung light“)Prozesskostenhilfeberechtigte im Ergebnis schlechter gestelltwerden?

Wie wird der Kritik unter anderem von Fachverbänden(Deutscher Anwaltsverein, Bundesrechtsanwaltskammer)Rechnung getragen, dass durch die Scheidung ohne Anwaltder Schutz des schwächeren Ehepartners ausgehöhlt wird?

Zu Frage 9:

Scheidungswillige, kinderlose Paare können das ver-einfachte Scheidungsverfahren wählen, sofern sie sichüber die Scheidungsfolgen einig sind. Wenn sich bedürf-tige Ehegatten für das vereinfachte Scheidungsverfahrenentscheiden, gewähren die Notare für die Beratung undfür die Beurkundung des Scheidungsantrags und derScheidungsfolgen Notarkostenhilfe. Für das anschlie-ßende gerichtliche Verfahren kann auf Antrag Prozess-kostenhilfe bewilligt werden. Eine Schlechterstellungvon Prozesskostenhilfeberechtigten ist somit nicht er-sichtlich.

Zu Frage 10:

Die Kritik der Fachverbände nehme ich ernst. Schondas geltende Recht sieht zum Schutz ungewandter Par-teien vor, dass der Notar bei der Beurkundung darauf zuachten hat, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowieunerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benach-teiligt werden. Dieser Amtspflicht kommt im verein-fachten Scheidungsverfahren eine besondere Bedeutungzu. Zum Schutz des schwächeren Ehepartners soll zu-dem das Beurkundungsgesetz um eine spezielle Beleh-rungspflicht für den Notar ergänzt worden. Er soll in derBeratung über den Scheidungsantrag und die Schei-dungsfolgen darauf hinweisen, dass eine parteiische In-teressenvertretung nur durch einen Rechtsanwalt erfolgt.Damit wird die Erwartung verknüpft, dass sich der Ehe-gatte, der trotz eines besonderen Schutzbedürfnisses bis-her keine anwaltliche Beratung in Anspruch genommenhat, dies nachholt. Schließlich muss der Richter im ver-einfachten Scheidungsverfahren die vorgelegte Verein-barung über die Scheidungsfolgen auf deren Wirksam-keit prüfen. Eine Vereinbarung, die einen Ehegattenunangemessen benachteiligt, kann sittenwidrig und da-her nichtig sein.

Anlage 4

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf dieFrage der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 13):

Trifft es zu, dass der Bundesregierung Voranfragen vondeutschen Banken oder Unternehmen zu Hermesbürgschaftenfür den Bau des geplanten bulgarischen AtomkraftwerkesBelene vorliegen, und wenn ja, wie wird die Bundesregierungsich dazu verhalten?

Nein, der Bundesregierung liegt bisher im Zusam-menhang mit dem Bau des geplanten bulgarischenAtomkraftwerkes Belene keine Voranfrage vor.

Anlage 5

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra-gen der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 14 und 15):

Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der enormenMarktkonzentration bei der Stromproduktion bzw. bei derGasbeschaffung auf den Wettbewerb?

Plant die Bundesregierung gesetzliche Initiativen für mehrTransparenz bei Gas- und Strompreisen zum Beispiel über Of-fenlegungspflichten zur Preiskalkulation, und wenn nein, wa-rum nicht?

Zu Frage 14:

Die wettbewerblichen Folgen einer hohen Marktkon-zentration im Bereich der leitungsgebundenen Energie-versorgung sind nicht im Einzelnen absehbar. Einerseitswird allgemein davon ausgegangen, dass die Wettbe-werbsintensität mit steigender Zahl der Marktteilnehmerzunimmt. Andererseits sind erhebliche Ressourcen not-wendig, um insbesondere auf Auslandsmärkten wettbe-werblich Bestand haben zu können. Angesichts derhohen Kapitalintensität und der zunehmenden internatio-nalen Ausrichtung im Energiebereich können zudemstarke nationale Versorgungsunternehmen einen Beitragzur Versorgungssicherheit leisten. Wegen der hohen Im-portabhängigkeit gilt dieses insbesondere auf dem Gas-beschaffungsmarkt, auf dem privatwirtschaftlich tätige,nationale Unternehmen nur wenigen in der Regel staat-lich gelenkten Produzenten/Lieferanten gegenüberstehen.

Zu Frage 15:

Die Bundesregierung hat mit dem am 13. Juli 2005 inKraft getretenen Energiewirtschaftsgesetz und den in die-sem Zusammenhang erlassenen Verordnungen bereitseine Reihe von neuen Offenlegungsverpflichtungen, wiezum Beispiel die getrennte Ausweisung der Netznut-zungsentgelte und die Darlegung der unternehmensspezi-fischen Kosten, vorgesehen. Die Regulierungsbehördenhaben zur Erfüllung ihrer Aufgaben umfassende Aus-kunftsrechte. Zudem greifen bei missbräuchlicher Gestal-tung der Gas- und Strompreise die Vorgaben des Gesetzesgegen Wettbewerbsbeschränkungen, die ebenfalls detail-lierte Informationsrechte beinhalten. Weitere Offenle-gungsverpflichtungen können sich im Rahmen zivilrecht-licher Verfahren ergeben und zwar bei fehlendenBezugsalternativen der Kunden aus § 315 des Bürgerli-chen Gesetzbuches. In verschiedenen zurzeit anhängigenVerfahren haben sich Kunden auf diese Regelung beru-fen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,dass die Offenlegung von Preiskalkulationen konkurrie-render Unternehmen nicht nur sensible Geschäftsgeheim-nisse betreffen, sondern auch den Preiswettbewerb zwi-schen diesen Unternehmen beeinträchtigen kann. DieWirkungen des neuen energiewirtschaftlichen Ordnungs-rahmens sind zunächst abzuwarten. Die Bundesregierungplant daher derzeit keine weiteren gesetzlichen Vorgabenzur Transparenz im Energiebereich.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006 1615

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Anlage 6

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf dieFrage des Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 16):

Wann beabsichtigt die Bundesregierung Haushaltsmittelfür vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologieseit 25 Jahren geförderte stationäre Energieberatung freizuge-ben?

Die Bundesregierung prüft intensiv, inwieweit dieMöglichkeit besteht, dieses Förderprogramm im Rah-men der vorläufigen Haushaltsführung fortzuführen.Eine Entscheidung hierüber wird so schnell wie möglicherfolgen.

Anlage 7

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf dieFrage des Abgeordneten Dr. Reinhard Loske (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 17):

Welche Folgen können die angekündigten Fusionspläneeuropäischer Energieversorger auf die Verbraucherpreise und-versorgung haben (vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom28. Februar 2006)?

Die Folgen sind für die Verbraucherpreise im Einzel-nen nicht abzusehen. Werden dominante Energieversor-ger in anderen Ländern übernommen, so geht damit einpotenzieller Wettbewerber für den europäischen Ener-giebinnenmarkt verloren. Der Wettbewerb kann durcheuropäische Fusionen aber auch gestärkt werden, wennder Erwerber die gemeinsamen Ressourcen und Syner-gien aus der Fusion als neuer Wettbewerber auf den aus-ländischen Märkten nutzt. Für die Versorgungssicherheitund damit mittelbar auch für den Verbraucher könnensolche Zusammenschlüsse Vorteile bringen, da sie dieWettbewerbsfähigkeit der europäischen Energieversor-ger stärken und damit auch langfristig zur Sicherung derEnergieversorgung in Europa beitragen.

Anlage 8

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frageder Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/796, Frage 21):

Welche wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungenerwartet die Bundesregierung hinsichtlich der Bekämpfungs-maßnahmen gegen die Geflügelpest sowohl für die privatenals auch für die öffentlichen Haushalte?

Nach Ausbruch der Vogelgrippe in Deutschland istnach Angaben der ZMP ein Verbrauchsrückgang vonGeflügelfleisch von circa 20 Prozent zu verzeichnen.Dies führt zur Preissenkung und Erlöseinbußen für diebetroffenen Wirtschaftsbeteiligten. Der Zentralverbandder Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) beziffert denwirtschaftlichen Schaden auf circa 140 Millionen Euro.Das unternehmerische Risiko muss jeder Unternehmer

zunächst selber tragen. Private Versicherungen sind einInstrument, diese Risiken zu minimieren.

Inwieweit darüber hinaus staatliche Maßnahmen aufnationaler oder auf EU-Ebene erforderlich sind, kannzum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beant-wortet werden. Dies hängt in nicht unerheblichem Maßevon der weiteren Ausbreitung der Vogelgrippe, insbe-sondere im Hinblick auf einen etwaigen Ausbruch inNutztierbeständen, ab.

Anlage 9

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf dieFragen der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796,Fragen 24 und 25):

Wie schätzt die Bundesregierung die Forderung des Ver-bandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK) unddes AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e. V. ein, dass dasHeimrecht in Analogie zum Pflege-Versicherungsgesetz (Elf-tes Buch Sozialgesetzbuch) auch weiterhin bundeseinheitlichgeregelt sein müsse und daher nicht im Zuge der Föderalis-musreform in Länderkompetenz übertragen werden solle, undwie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?

Wie schätzt die Bundesregierung die Kritik des Bundes-verbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) und desVdAK/AEV ein, dass mit einer Zersplitterung des Heimrech-tes in 16 verschiedene Länderregelungen kein Beitrag zumBürokratieabbau geleistet werde, und wie begründet die Bun-desregierung ihre Einschätzung?

Im Koalitionsvertrag ist zwischen CDU, CSU undSPD vereinbart, dass die Gesetzgebungskompetenz fürdas Heimrecht im Rahmen der Föderalismusreform andie Länder übergehen soll. Eine Bund-Länder-Arbeits-gruppe hat zur Umsetzung dieser Vereinbarung Textent-würfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzesund ein Föderalismusbegleitgesetz erarbeitet. Darin istunter anderem vorgesehen, dass die konkurrierende Ge-setzgebung des Bundes sich künftig auf „die öffentlicheFürsorge (ohne das Heimrecht)“ erstrecken soll. DasBundeskabinett hat diesem Gesetzespaket am 6. März2006 zugestimmt. Am 10. März 2006 wird eine erste Be-ratung gleich lautender Gesetzentwürfe der Koalitions-fraktionen im Deutschen Bundestag stattfinden. Eben-falls an diesem Tage wird ein gleich lautenderGesetzesantrag der Länder in den Bundesrat einge-bracht.

Nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenzfür das Heimgesetz wird nach Art. 125 a Abs. 1 Grund-gesetz das Bundesrecht solange in Kraft bleiben, bis esdie Länder durch Landesrecht ersetzt haben. Mittelfristigwird es damit zu 16 Heimgesetzen der Länder kommenkönnen. Die Anwendung dieser – eventuell unterschied-lichen – Heimgesetze erfordert einen gewissen Mehrauf-wand für die überregional tätigen Heimträger. Bereitsnach geltendem Recht ist die Durchführung des Heimge-setzes – und damit auch die Auslegung der im Heimrechtverankerten Standards – eigenverantwortliche Angele-genheit der Länder. Regelmäßige Besprechungen der fürdas Heimrecht Verantwortlichen in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe führten dazu, dass die Auslegung des

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Heimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. DieEntwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und derdarin festgelegten Standards im Besonderen, lässt sichfür die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah-rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich,dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechtsin großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer-den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starkeZersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebensowie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standardsnicht zu befürchten sein wird.

Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung derbundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter einesKompromisses zwischen unterschiedlichen Positionenträgt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli-cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück-sichtigt.

Anlage 10

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf dieFrage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Frage 26):

Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko der Gefähr-dung einheitlicher und hoher Pflegestandards in Deutschland,wenn das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform in dieKompetenz der Länder übergeht, und sieht die Bundesregie-rung bei diesem Vorgehen das Reformziel von mehr Transpa-renz in den Bund-Länder-Beziehungen gewahrt, wenn theore-tisch 16 verschiedene Heimgesetzgebungen möglich sind?

Im Koalitionsvertrag ist zwischen CDU, CSU undSPD vereinbart, dass die Gesetzgebungskompetenz fürdas Heimrecht im Rahmen der Föderalismusreform andie Länder übergehen soll. Eine Bund-Länder-Arbeits-gruppe hat zur Umsetzung dieser Vereinbarung Textent-würfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzesund ein Föderalismusbegleitgesetz erarbeitet. Darin istunter anderem vorgesehen, dass die konkurrierende Ge-setzgebung des Bundes sich künftig auf „die öffentlicheFürsorge (ohne das Heimrecht)“ erstrecken soll. DasBundeskabinett hat diesem Gesetzespaket am 6. März2006 zugestimmt. Am 10. März 2006 wird eine erste Be-ratung gleich lautender Gesetzentwürfe der Koalitions-fraktionen im Deutschen Bundestag stattfinden. Eben-falls an diesem Tage wird ein gleich lautenderGesetzesantrag der Länder in den Bundesrat einge-bracht.

Nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenzfür das Heimgesetz wird nach Art. 125 a Abs. 1 Grund-gesetz das Bundesrecht so lange in Kraft bleiben, bis esdie Länder durch Landesrecht ersetzt haben. Mittelfristigwird es damit zu 16 Heimgesetzen der Länder kommenkönnen. Die Anwendung dieser – eventuell unterschied-lichen – Heimgesetze erfordert einen gewissen Mehrauf-wand für die überregional tätigen Heimträger. Bereits

nach geltendem Recht ist die Durchführung des Heimge-setzes – und damit auch die Auslegung der im Heimrechtverankerten Standards – eigenverantwortliche Angele-genheit der Länder. Regelmäßige Besprechungen der fürdas Heimrecht Verantwortlichen in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe führten dazu, dass die Auslegung desHeimrechts in den Ländern nicht zu weit divergierte. DieEntwicklung des Heimrechts im Allgemeinen und derdarin festgelegten Standards im Besonderen lässt sichfür die Zukunft schwer prognostizieren. Nach den Erfah-rungen der Vergangenheit ist es sehr wahrscheinlich,dass künftig erforderliche Änderungen des Heimrechtsin großem Umfange einvernehmlich vorgenommen wer-den, sodass – entgegen ihrer Auffassung – eine zu starkeZersplitterung des Heimrechts in den Ländern ebensowie eine zu unterschiedliche Festlegung der Standardsnicht zu befürchten sein wird.

Im Übrigen ist zu der vorgetragenen Kritik an der Zu-ständigkeitsverlagerung des Heimrechts darauf hinzu-weisen, dass es sich bei den im Koalitionsvertrag enthal-tenen Regelungsvorschlägen zur Modernisierung derbundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-land insgesamt um das Ergebnis einer politischen Ver-ständigung handelt, das naturgemäß den Charakter einesKompromisses zwischen unterschiedlichen Positionenträgt. Ziel ist eine Lösung, die die Belange beider staatli-cher Ebenen (Bund und Länder) angemessen berück-sichtigt.

Anlage 11

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fra-gen des Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten(CDU/CSU) (Drucksache 16/796, Fragen 29 und 30):

Wie ist im Hinblick auf den vom Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung im Ausschuss für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestagesvorgelegten Bericht über die Qualität, Dauerhaftigkeit und Si-cherheit von Spannbetonbrücken der Zustand der Kochertal-brücke im Landkreis Schwäbisch Hall zu bewerten, die alsTeil der Bundesautobahn A 6 in Baden-Württemberg bedeut-same Verkehrsströme zu bewältigen hat?

Lässt es der Zustand der Brücke zu, dass die Brücke, wievon der Straßenbauverwaltung geplant, zukünftig statt aufvier auf sechs Fahrspuren befahren werden kann?

Zu Frage 29:

Die im Jahr 1979 fertig gestellte Kochertalbrücke beiGeislingen im Zuge der Bundesautobahn A 6, Heil-bronn–Nürnberg, im Landkreis Schwäbisch Hall ist miteiner maximalen Höhe von 185 m über Grund diehöchste Talbrücke in Deutschland. Die Spannbeton-Hohlkastenbrücke hat eine Länge von 1128 m bei einergrößten Stützweite von 138 m. Der Zustand der Kocher-talbrücke entspricht insgesamt einem dem Alter desBauwerkes entsprechend guten Zustand. Nur durch einebereichsweise schadhafte Abdichtung mit durchfeuchte-ter Fahrbahnplatte und Schäden an den Fahrbahnüber-gängen als Folgeschaden wurde das Bauwerk relativschlecht bewertet. Die Schäden an den Fahrbahnüber-gängen wurden bis zu deren Austausch als Sofortmaß-

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(B) (D)

nahme provisorisch beseitigt, sodass sich bei einer Neu-bewertung eine bessere Zustandsnote ergeben würde.Am Überbau sind keine weiteren Schäden festgestelltworden, sodass die Standsicherheit und Verkehrssicher-heit des Bauwerkes weiterhin gewährleistet ist. Zur wei-teren dauerhaften und wirtschaftlichen Nutzung desBauwerkes ist jedoch noch eine umfassende Instandset-zungsmaßnahme geplant.

Zu Frage 30:

Die Kochertalbrücke liegt im Abschnitt Kupfer-zeit–Crailsheim. Der sechsstreifige Ausbau dieser Stre-cke ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in dieKategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ (WB*)eingestuft. Daher ist eine mittelfristige Realisierung desAusbaus nicht absehbar. Um die Verkehrsverhältnissezwischenzeitlich zu verbessern, will das Land Baden-Württemberg prüfen, ob eine provisorische dreistreifigeVerkehrsführung unter Nutzung des Standstreifens mög-lich ist, wie dies in dem Abschnitt Weinsberg–Kupfer-zell vorgesehen und zum großen Teil auch schon umge-setzt ist. Für die Kochertalbrücke wird eine Prüfungerforderlich, ob die Voraussetzungen hinsichtlich derTragfähigkeit und der erforderlichen Breite für dreiFahrstreifen pro Richtung vorliegen. Diese Prüfungwurde bisher noch nicht durchgeführt.

Anlage 12

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragender Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/796, Fragen 45 und 46):

Ist es zutreffend, dass die Verweildauer von unter 25-Jäh-rigen in Arbeitslosigkeit im Jahr 2005 von 4,1 Monaten auf4,4 Monate angestiegen ist, und wie stellt die Bundesregie-rung sicher, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers, dass unter25-Jährige innerhalb von drei Monaten in Ausbildung bzw.Arbeit vermittelt werden sollen, im Jahr 2006 erreicht wird?

Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für eine un-verzügliche und dauerhafte Eingliederung von unter 25-Jähri-gen eine gute Betreuung unabdingbar ist, die sich durch einenhohen Betreuungsschlüssel sowie durch qualifiziertes Fallma-nagement und hohe Kontaktdichte auszeichnet, und welcheAuswirkungen haben nach Ansicht der Bundesregierung diedurch die Absenkung der Regelleistung für unter 25-Jährigenotwendig werdende zusätzliche Personalbindung in der Leis-tungsverwaltung auf Betreuungsschlüssel, Kontaktdichte undQualifizierung der Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften?

Zu Frage 45:

Die durchschnittliche Dauer der Jugendarbeitslosig-keit ist von 4,1 Monaten im Jahr 2004 auf 4,4 Monate imJahr 2005 gestiegen. Die Bundesregierung setzt alle An-strengungen daran, dass kein Jugendlicher länger als dreiMonate arbeitslos bleibt. Dieses politische Ziel ist imKoalitionsvertrag vereinbart. Es ist nicht, wie in derFrage unterstellt, gesetzlich verankert. Die Bundesregie-rung erwartet, dass die flächendeckende Optimierungder Beratung und Vermittlung in den Agenturen für Ar-beit und der konsequente Einsatz der umfassenden Hil-fen der Grundsicherung für Arbeitsuchende diesen Pro-zess forcieren werden.

Zu Frage 46:

Ja. Deshalb hat die vorige Bundesregierung die unterdem Namen Hartz IV bekannt gewordene große Arbeits-marktreform initiiert. Durch intensive persönliche Be-treuung und umfassende Hilfen sollen hilfebedürftigejunge Menschen unter 25 Jahren in Ausbildung oder Ar-beit integriert worden. Dort, wo dies nicht sofort gelingt,sollen sie in Arbeitsgelegenheiten an Ausbildung undArbeit herangeführt werden. Durch die Optimierung derBeratung und Vermittlung in den Agenturen für Arbeitwird auch für die dort betreuten arbeitslosen jungenMenschen angestrebt, sie schnellstmöglich vermitteln zukönnen. Die voraussichtlich zum 1. Juli in Kraft tretendeRegelung, nach der auch volljährige Kinder unter25 Jahren in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbe-zogen werden, hat keine Auswirkungen auf die Betreu-ungsschlüssel, Kontaktdichte und Qualifizierung derMitarbeiter bei den Trägern der Grundsicherung, weilsich der Status Arbeitslosigkeit durch die Rechtsände-rung nicht ändert.

Anlage 13

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frageder Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/796, Frage 49):

Wie viele Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrerhaben im Jahr 2005 nach § 8 b des Dritten Buches Sozialge-setzbuch (SGB III) Leistungen der aktiven Arbeitsförderungbekommen, insbesondere für Beratung und Vermittlung sowieFörderung der beruflichen Weiterbildung durch Übernahmeder Weiterbildungskosten?

Die Daten der Bundesagentur für Arbeit über dieLeistungen der aktiven Arbeitsförderung für das Jahr2005 liegen noch nicht vor.

Anlage 14

Antwort

des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen desAbgeordneten Jörg Rohde (FDP) (Drucksache 16/796,Fragen 52 und 53):

Wie viele Zertifizierungen für Maßnahmen und Trägernach den §§ 84 bis 87 SGB III sind seit In-Kraft-Treten desGesetzes erfolgt, und wie bewertet die Bundesregierung diebislang gemachten Erfahrungen mit dem Zertifizierungs-zwang?

Bestehen zum heutigen Zeitpunkt bei der Bundesregie-rung Überlegungen oder Planungen für Korrekturen, Ände-rungen oder den Wegfall des Zertifizierungszwangs nach den§§ 84 bis 87 SGB III?

Zu Frage 52:

Eine berufliche Weiterbildung kann nur gefördertwerden, wenn eine fachkundige Stelle festgestellt hat,dass der Weiterbildungsträger und sein Bildungsangebotdie gesetzlichen Mindeststandards des SGB III und derzum 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Anerkennungs- undZulassungsverordnung Weiterbildung erfüllt. Sie siehtvor, dass dies grundsätzlich nicht mehr von Arbeitsagen-

1618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. März 2006

(A) (C)

(B)

turen, sondern von unabhängigen, privaten Zertifizie-rungsagenturen geprüft wird. Um allen Beteiligten in an-gemessener Zeit eine Umstellung auf das neue Verfahrenzu ermöglichen, enthielt die Verordnung eine Über-gangsregelung für bis Ende 2005 beginnende Maßnah-men. Seit Ende November 2005 steht ein bundesweit flä-chendeckendes Netz von Zertifizierungsagenturen fürdie Qualitätsprüfung von Bildungsträgern und Weiterbil-dungslehrgängen zur Verfügung. Die Bundesregierunggeht davon aus, dass die Zertifizierungsagenturen ihrerVerantwortung für eine nachhaltige Qualitätsverbesse-rung im Bereich der beruflichen Weiterbildung gerechtwerden. Das neue Zertifizierungsverfahren ist auchGegenstand der Evaluierung der Reformgesetze am Ar-beitsmarkt, über die die Bundesregierung Ende 2006dem Bundestag berichten wird. Über die Zahl der Zerti-

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- uVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19

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fizierungen nach dieser Verordnung wird bei der Bun-desagentur für Arbeit keine Statistik geführt.

Zu Frage 53:

Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dassbereits in der Vergangenheit nur Teilnehmer an geprüftenund zugelassenen Weiterbildungslehrgängen gefördertwerden konnten. Mit der Verordnung wurden nachhal-tige Qualitätsverbesserungen im Bereich der beruflichenWeiterbildung eingeleitet. Zurzeit gibt es keine Überle-gungen, die Verordnung zu ändern. Fachliche Fragen imZusammenhang mit dem neuen Verfahren werden regel-mäßig im Anerkennungsbeirat, einem eigens dafür ein-gerichteten Sachverständigengremium, und im konstruk-tiven Dialog mit den Zertifizierungsagenturen behandelt.

(D)

nd Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin2, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 4422-7980