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Bund Magazin Naturschutz Natur + Umwelt 83. Jahrgang · Sonderausgabe Alpen 2001 www.bund-naturschutz.de Die Bergwelt mit verbauter Zukunft Alpen Sonderheft Alpen

Die Alpen - Bergwelt mit verbauter Zukunft

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Sonderheft 2001

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Page 1: Die Alpen - Bergwelt mit verbauter Zukunft

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Über elf Millionen Menschen bewohnen den 180 000 Quadrat-kilometer großen Alpenbogen. Sieben Staaten, 83 Regionen und5 800 Gemeinden haben an ihm Anteil. Aus dem gigantischenDachgarten des europäischen Kontinents erwuchs ein Lebens-,Wirtschafts- und Erholungsraum von allerhöchster Bedeutung.Gleichzeitig wurde die sensible Natur der Bergwelt überrollt,übernutzt und – vor allem touristisch – ausgebeutet.

Und dennoch: In den Alpen stößt der Mensch auchheute noch an seine Grenzen. Mit der Klimaerwär-mung kehrt in unser Bewusstsein zurück, wie eiskalt und unbeherrschbar die Gewalt der Bergeist, wenn sie erst einmal in Bewegung geraten.Über die politischen, kulturellen und ökologischenAnstrengungen für eine neue und nachhaltige Entwicklung in den Alpen, die die natürlichenGrenzen anerkennt, schreiben unsere Autorenauf den nächsten Seiten. Erich Kästner hat dagegen schon 1930 geahnt, dass der Natur irgendwann einmal

einfach die Geduld reißen könnte:»Das Gebirge machte böse Miene.Das Gebirge wollte seine Ruh.Und mit einer mittleren Lawinedeckte es die blöde Bande zu.«(cm)

Alpenpanorama

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Neue Aussichten

einer alten Bergregion

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Schon 1991 haben die Umwelt-minister der sieben Alpenstaatenund der Umweltkommissar der Europäischen Union das»Übereinkommen zum Schutz der Alpen« unterzeichnet. Doch nochimmer handelt es sich bei der Alpenkonvention um ein unvollen-detes Werk der großen Ziele und der kleinen Schritte.

Die Alpenkonvention soll die hoheUmweltqualität dieser großen

europäischen Bergwelt sichern, füreine gleichwertige Lebensqualität al-ler Alpenbewohner sorgen und dabeidie regionale Vielfalt erhalten undverbessern. Dafür wurden zu denwichtigsten Bereichen wie Bergland-wirtschaft, Naturschutz und Land-schaftspflege, Raumplanung, Touris-mus, Verkehr, Bergwald, Bodenschutzund Energie einzelne Durch-führungsprotokolle erarbeitet. DieRahmenkonvention des völkerrecht-lich verbindlichen Vertragswerkestrat 1995 in Kraft.

Könnte den glorifizierenden Aus-drücken für die Alpenkonvention inder Frühzeit ihrer Entstehungsge-schichte Glauben geschenkt werden,dann müsste sie tatsächlich das All-heilmittel für das gefährdete Ökosy-stem und den Lebensraum Alpensein. Denn die Erwartungshaltungenwurden dermaßen hochgeschraubt,dass sie ein so breit angelegtes inter-nationales Abkommen einfach nichterfüllen kann. Sie reichten vom »eu-ropäischen Plan zur Rettung der Al-pen«, der »Überlebensstrategie«, demEckpfeiler einer »Zukunftsstrategiefür die Alpen«, dem »Signal für euro-päische Zusammenarbeit« und »Mo-dell der nachhaltigen Entwicklung«bis hin zur »Magna Charta für denDachgarten Europas«.

Erfolg nur am AnfangNach zügigem Beginn wurde schonim Jahre 1991 in Salzburg, zwei Jahrenach der ersten Alpenkonferenz inBerchtesgaden 1989, mit dem Be-

schluss der Rahmenkonvention derorganisatorische Überbau verein-bart. Allerdings ratifizierte mit Italiender letzte der neun Vertragspartnererst im Jahre 1999 die Alpenkonven-tion, obwohl diese nach der Beendi-gung der nationalen Ratifikations-prozesse in Österreich, Liechtensteinund Deutschland bereits 1995 in Kraftgetreten war. Niemand konnte aberzu Beginn der 90er erahnen, dassrund zehn Jahre nach der Unterzeich-nung der Alpenkonvention erst achtvon insgesamt zwölf vorgesehenenDurchführungsprotokollen von allenVertragsparteien angenommen undunterzeichnet sind und mit der Um-setzung – mit Ausnahme von einigenvornehmlich nichtstaatlichen Akti-vitäten – noch nicht begonnen wor-den ist.

Langer Atem für die AlpenDie Alpenkonvention hat das ambi-tiöse Ziel, international verpflichten-de Rahmenbedingungen zu erarbei-ten, damit eine umweltverträglicheNutzung des gesamten Alpenraumes– also die richtige Balance zwischenÖkonomie und Ökologie – möglichwird. Dies stellt aber in Europa Neu-land dar: Während bestehende Kon-ventionen rein sektorale Ziele verfol-gen, bezieht sich die Alpenkonventi-on auf einen von elf Millionen be-wohnten und teilweise sehr intensivgenutzten Raum, in dem sich Wirt-schafts- und Schutzinteressen klein-räumig ineinander verzahnen.

Die Durchführungsprotokolle sinddas Herzstück der Alpenkonventionund dienen zur Festlegung der kon-kreten Inhalte. Die Wege vom Auftrageiner Alpenkonferenz zur Erarbei-tung eines Protokolls bis zur Umset-zung sind allerdings viel zu lang. Zu-dem sind die einzelnen Protokollevon sehr unterschiedlicher Qualität,teilweise mit einem sehr geringenVerpflichtungsgrad ausgestattet undzum Teil inhaltlich auch schon wiederüberholt.

Gerade bei den erstunterzeichne-ten Protokollen »Naturschutz undLandschaftspflege«, »Berglandwirt-schaft« und »Raumplanung undnachhaltige Entwicklung« ist seit derVerhandlung Anfang der 90iger Jahreund seit Unterzeichnung im Jahre1994 schon wieder so viel passiert,dass bereits an eine inhaltliche Über-arbeitung gedacht werden muss.

Obschon die Bundesregierungendie Vertragsparteien der Alpenkon-vention sind, findet der Verhand-lungsprozess längst nicht mehr hinter

verschlossenen Türen statt. Die oftgeäußerte Kritik der mangelnden Ein-beziehung der betroffenen Regionenist nicht länger aufrecht zu erhalten.In Österreich gibt es sogar ein »Natio-nales Komitee für die Alpenkonven-tion«, in welchem Vertreter der tan-gierten Ministerien, der Länder, So-zialpartner und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) mitarbeitenund die Linie für internationale Ver-handlungen sowie die nationale Um-setzung abstimmen.

Dennoch wird die breite Öffent-lichkeit noch sehr wenig informiert.Ausnahmen sind in Österreich dievom Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft, Umwelt undWasserwirtschaft finanziell getrageneÖffentlichkeitsarbeit im Alpenkon-ventionsbüro der Alpenschutzkom-mission CIPRA und die laufende Info-arbeit der nichtstaatlichen Organisa-tionen auf internationaler und na-tionaler Ebene. Dies mag neben demFehlen eines ständigen Sekretariatsder Alpenkonvention auch daran lie-gen, dass abzuwarten war, ob es zueinem Abschluss des Verkehrspro-tokolls und damit überhaupt zurUmsetzung der Alpenkonventionkommen wird.

Jetzt aber sind alle Vertragspartei-en aufgerufen, möglichst rasch al-penweit geltende Prioritäten für diekonkrete Umsetzung auf den Tisch zulegen. Dabei kann es nicht darum gehen, dass sich die verschiedenenLänder nur die Rosinen heraus-picken, also solche Bereiche wählen,bei denen sie ohnehin schon Stärken

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Große Ziele, kleine SchritteDie Alpenkonvention: Ende eines ökologischen Alptraums? Von Peter Haßlacher

Mehr zur Alpenkonvention� Internet: www.alpenverein.at/alpenkonvention.htm oder www.cipra.org� Die Alpenkonvention. Eine Do-kumentation (Vertragstexte, Stand,Veröffentlichungen, Karten). Fach-beiträge des Österreichischen Al-penvereins – Serie: Alpine Raumord-nung, Nr. 17, 2000. Schutzgebühr öS100,– + Versand� Bibliographie zur Alpenkonven-tion 1989–2000. Mit Hinweisen zumStand der Alpenkonvention, der Pro-tokolle und der Umsetzung.Zu beziehen beim ÖsterreichischenAlpenverein, Postfach 318,6010 Innsbruck, Tel. 0043-512-5 95 47 27, Fax 0043-512-59 54740,E-Mail peter.hasslacher@ alpenverein.at,Internet www.alpenverein.at

Der FotografJürgen Winkler, geb. 1940, gilt alseiner der großenAlpinfotografen.Doch mit den aufdem Titel und aufS. 2 und 3 gezeig-ten Bildern verlässter den gewohntenBlickwinkel. »Das andere Bildder Berge« heißt der Titel seines aktuellenBuchs (BergverlagRother, München).

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aufweisen. Die richtige Balance zwi-schen Schützen und Nützen muss ge-funden werden, und auch die heißenEisen sind anzupacken.

Die zentralen Themen der Alpen-konvention sind mit Sicherheit dasVerkehrs- und das Tourismusproto-koll. Bei ihnen handelt es sich um so-genannte Leitprotokolle, die Sekto-ralbereiche regeln sollen, von deneneine gewaltige gestalterische Kraft aufden Alpenraum ausgeht.

Protokolle auf dem PrüfstandGerade deshalb hat auch die Ver-handlung des Verkehrsprotokolls ins-gesamt zehn Jahre gedauert. Sie hatim Herbst 1990 unter Schweizer Vor-sitz begonnen. Doch schon bald ent-wickelte sich die österreichische For-derung nach einem Verbot neuerhochrangiger Straßen für den alpen-querenden Verkehr zur schier un-überwindbaren Hürde für die Ver-handlungsführer. Erst der unermüd-liche Einsatz österreichischer NGOs(Alpenverein, Transitforum) und dieUnterstützung aus Deutschland undLiechtenstein ermöglichten im Jahre1998 die Neuverhandlung des Ver-kehrsprotokolls unter liechtensteini-schem Vorsitz. Im März 2000 wurde es endlich einstimmig angenommenund ein halbes Jahr später bei der6. Alpenkonferenz ohne Vorbehalteunterzeichnet.

Mit dem Verkehrsprotokoll liegterstmals ein alpenweit abgestimmterund von den acht Alpenstaaten unter-zeichneter verkehrspolitischer Rah-men vor. Da die Europäische UnionVertragspartner ist, hat sie sich wiejeder andere Staat zur Durchführungder Inhalte verpflichtet. Der Grund-satz der verstärkten Kooperation aufinternationaler Ebene ist ein wesent-liches Element des Verkehrsprotokol-ls. So sind bei projektierten neuenInfrastrukturen oder erheblicher Ver-größerung bestehender Verkehrsnet-ze Koordinationsmechanismen zwi-schen den betroffenen Vertragspar-teien vorgesehen.

Im Bewusstsein, dass ohne geeig-nete Gegenmaßnahmen der Verkehrund die damit verbundenen Umwelt-belastungen weiterhin zunehmenwerden, verpflichten sich die Ver-tragsparteien im Verkehrsprotokollzur nachhaltigen Entwicklung beizu-tragen. Erreicht werden soll diesesHauptziel durch die Begrenzung desVerkehrsvolumens, eine umweltver-träglichere Lenkung des Verkehrs unddie Steigerung der Leistungsfähigkeitder bestehenden Verkehrssysteme

Forderungen des BundesNaturschutz zur Siche-rung des alpinen Natur-und Kulturerbes

Trotz einer steigenden Zahl annationalen und internationalenGesetzen, Verordnungen und Deklarationen zum Schutz der Alpen haben sich die Belas-tungen der Alpen in den letztenJahren nicht verringert, sondernsie nehmen weiterhin zu.

Die Sicherung des alpinen Natur-und Kulturerbes ist nicht nur

ein Interesse der Alpenregion selbst,sondern muss wegen der weitrei-chenden und schwerwiegendenSchäden einer Zerstörung diesesÖkosystems ein wichtiges Ziel desgesamten bayerischen und deut-schen Umweltschutzes sein. DieBundesregierung muss endlichdurch Ratifizierung der bisherigenProtokolle und Verbesserung desVerkehrsprotokolls einen konse-quenten Alpenschutz vollziehen.Daher richtet der Bund Naturschutzfolgende Forderungen an die fürden Alpenraum Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Wissenschaftund Verbände:� Umsetzung des neuen Grund-satzes in Artikel 1 (Satz 7) des Bayeri-schen Naturschutzgesetzes in diePraxis: »Die bayerischen Alpen mitihrer natürlichen Vielfalt an wildle-benden Pflanzen und wildlebendenTierarten einschließlich ihren Le-bensräumen sind als Landschaftvon einzigartiger Schönheit zu er-halten.«� Konsequente und sofortige Um-setzung aller Verpflichtungen ausder Alpenkonvention (Rahmenkon-vention und Protokolle).

� Konkrete Schritte zur Vermin-derung der Verkehrsbelastung desAlpenraumes.� In den Schutzgebieten der bayeri-schen Alpen ist den Belangen des Ar-ten- und Biotopschutzes stärkererVorrang einzuräumen. Wo es möglichund fachlich sinnvoll ist, sollte dieNutzung eingeschränkt werden, dagerade der Alpenraum ein großesPotential für Wildnis-Gebiete bietet.Wieder nach Bayern zurückkehrendegroße Säugetiere, z. B. Luchs, Bär,Wolf, oder Greifvögel, sollten ein dau-erhaftes Heimatrecht haben.� Die Nutzung des Alpenraumesdurch Bergland- und Forstwirtschaftmuss nachhaltig und naturnah erfol-gen.� Der zunehmende Flächenver-brauch muss gestoppt werden.� Die touristische Nutzung musssich an der Natur orientieren undGrenzen akzeptieren muss.� Die Nutzung regenerativer Ener-gien ist gerade im Alpenraum einegroße Chance. Dies darf aber nichtdazu führen, dass unter dem Argu-ment der CO2-Einsparung die letz-ten freifließenden Fließgewässer zurWasserkraftnutzung verbaut werden.

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AlpenwildnisNaturlandschaftim NationalparkBerchtesgaden.

Arbeitskreis Alpendes BNDie Alpen-Experten des Bundes Na-turschutz treffen sich regelmäßig allezwei Monate im Arbeitskreis Alpen. Erarbeitet dem BN-Landesvorstand zu

und beschäftigt sich mit allen Fach-themen wie etwa Tourismus, Almwirt-schaft, Bergwald oder Naturschutz. Er dient auch dem gegenseitigen Er-fahrungsaustausch. Sprecher ist Dr.Georg Meister, sein Stellvertreter Wer-ner Fees.Koordination: Christine Margraf,Fachabteilung München, Pettenkofer-str. 10a/I, 80336 München,Tel. 0 89-54 82 98 89, Fax 54 82 98 18,E-Mail [email protected]

Berge in Not

Auszug aus der »Resolution zumSchutz der Alpen«der BN-Delegier-tenversammlungvom 13. Mai 2000in Bad Aibling.

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insbesondere mit Hilfe marktkon-former Anreizmaßnahmen. So ver-pflichten sich die Vertragsparteien� zur Förderung leistungsfähigerund attraktiver öffentlicher Trans-portsysteme im Alpenraum;� zur besseren Auslastung der be-stehenden Eisenbahnnetze, Schiff-fahrtswege und intermodalen Trans-portsysteme sowie zum Ausbau derKapazität der alpenquerenden Eisen-bahnachsen, um die Verlagerung desGüterverkehrs auf umweltverträgli-chere Transportarten zu begünstigen;� zum Verzicht auf den Bau neuerhochrangiger Straßen für den alpen-querenden Verkehr (»Alemagna«!);� zur Senkung der durch den Flug-verkehr verursachten Umweltbelas-tungen, insbesondere durch Begren-zung des Baus von Flughäfen im Al-penraum und des Absetzens aus Luft-fahrzeugen außerhalb von Flughäfen;� zur schrittweisen Einführung ver-kehrsspezifischer Abgabensysteme,welche die Deckung der wahren Kos-ten ermöglichen.

Die Laster-Lawine rolltInzwischen überrollen Lastwagen dieAlpen, und der Freizeitverkehr wächstweiter. Die Zahl der Lastwagen, diezwischen Wien und Nizza die Alpenqueren, wuchs 1999 wiederum umneun Prozent. Innerhalb von zehnJahren (1989 –1999) steigerte sich derLastwagenverkehr um 60 Prozent, dasdarin transportierte Frachtgewichtum 56 Prozent. Die Bahnfracht stiegim selben Zeitraum um weniger als 20Prozent und im Vergleich zu 1998 hatsie 1999 sogar alpenweit um 3,5 Pro-zent abgenommen. Sowohl in derRangliste der am meisten frequen-tierten alpenquerenden Straßen alsauch beim Frachtgewicht liegt derBrenner vor dem Frejus-Straßentun-nel. Die Schadstoffbilanz hat in Tirolim Zeitraum 1993 bis 2000 im Transit-verkehr um 18 Prozent zugenommen.

Viele Hoffnungen werden deshalbjetzt in das unterzeichnete Verkehrs-protokoll gesetzt. Dessen konkreteUmsetzung und damit Hilfestellungfür die betroffenen Regionen in ab-sehbarer Zeit wird die Nagelprobe für die Alpenkonvention. Bedauer-lich, dass die EU, die immer auf dieAushandlung des Verkehrsprotokollspochte, bei den letzten vier Sitzungendes Ständigen Ausschusses und der6. Alpenkonferenz gar nicht präsentwar. Einmal mehr werden also dieNGOs gefordert sein, um die konkreteUmsetzung des Verkehrsprotokollsanzumahnen.

Nicht anders läuft es beim Touris-musprotokoll, das unter französi-schem Arbeitsgruppenvorsitz ausge-handelt worden ist. Erschwerendkommt hinzu, dass gerade dieses Pro-tokoll als nicht besonders weitrei-chend einzustufen ist. Schade, dennder touristische Wachstumskreiseldreht sich gerade in den Alpen – ange-trieben durch das gegenseitige Auf-schaukeln von Staaten, Regionen, Ge-meinden und Seilbahnunternehmen– unentwegt weiter.

Sie alle stehen bei neuen mecha-nischen Aufstiegshilfen, Gebietszu-sammenschlüssen, Beschneiungsan-lagen und sogar schon bei der Ver-wendung von biologischen undchemischen Zusatzstoffen für diekünstliche Beschneiung unter einemungeheuren Wettbewerbsdruck. Dochein neuer dynamischer Kreisel hatden bekannten »Betten-Pisten-Krei-sel« bereits abgelöst. Immer deutli-cher sind die Konturen eines »Kapital-Event-Kreisels« zu erkennen. Ständigmehr alpine Tourismusorte preisensich mit spektakulären Großereignis-sen wie Gletscherkonzerten, Wettbe-werben und Riesenpartys in hoch-alpinen Lagen an, was immer mehrLärm und Verkehr mit sich bringt.Diese potenten Wintersportmetropo-len und Seilbahnkaiser wehren sichgleichzeitig gegen jedwede restriktiveMaßnahme von Raumordnung undNaturschutz.

Viele Alpentäler befinden sich in-zwischen in großer Abhängigkeit, jaoft in Geiselhaft von ganze Regionenbeherrschenden Seilbahnunterneh-men. Die Regionalpolitik mancherLänder hat sich von ihrem Anspruchauf lokale Steuerung nach überörtli-chen Gesichtspunkten verabschie-det. Immer häufiger schlägt dasBemühen um Deregulierung in einewider besseren Wissens vollzogeneKapitulation vor einflussreichen In-teressengruppen um.

Keine Region wird also mit denProblemen alleine fertig. Deshalbsind alpenweit gleich lautende Be-stimmungen, Genehmigungsprakti-ka und Erschließungskonzepte not-wendig. Hierfür wäre die Alpenkon-vention mit dem Tourismusprotokolleine ausgezeichnete Plattform. Fürdie Umsetzung gelten jedoch diesel-ben Spielregeln und Bedenken wiebeim Verkehr.

Auch das Tourismusprotokoll ent-hält als wesentliche Forderung dieZurückführung der touristischenAktivitäten im Alpenraum auf dessenökologische Tragfähigkeit und die Be-

wusstseinsbildung bei der ansässigenwie bei der urlaubenden Bevölke-rung. Wichtige Handlungserforder-nisse dazu sind� ein qualitativer Umbau der touris-tischen Zentren in Sachen Verkehr,Energie, Ver- und Entsorgung,� die Förderung umweltverträgli-cher Tourismusangebote in ländli-chen Gebieten, � verbesserte Information und Ange-bote für umweltbewusstes Anreisen,� das Ausweisen von Zonen ohnetechnische Erschließung, z.B. in Formvon Ruhezonen,� die Förderung des Dauertouris-mus vor dem Tagestourismus,� Mindeststandards für den Einsatzvon Schneekanonen, � die Förderung der Maßnahmenzur Besucherlenkung, insbesonderein Schutzgebieten, um den Fortbe-stand dieser Gebiete zu sichern.

Alpen unter DruckDas Protokoll »Tourismus« will Frem-denverkehrs- und Erholungsaktivitä-ten in Einklang mit ökologischen undsozialen Anforderungen bringen. Tre-ten nämlich die Klimaveränderungenin der derzeit vielfach beschriebenenArt und Weise auf Grund des Treib-hauseffekts tatsächlich ein, wird imTourismussektor kein Stein auf demanderen bleiben. Abgesehen vomUmstand, dass die Wintersportorte inniederen Lagen dann in die Bedeu-tungslosigkeit schlittern, wird einganz massiver Sturm der Seilbahn-und Tourismusunternehmen auf bis-her unberührte Bastionen wie Glet-scher, unberührte Hochgebirgsregio-nen sowie Schutzgebiete einsetzen.

Die Alpenkonvention konnte sichtrotz der Mühen in den Niederungender Politik mittlerweile auch im inter-nationalen Rechtsrahmen etablieren.Acht Alpenstaaten und 43 Regioneninklusive der EU befassen sich mitAlpenthemen und müssen nach Lö-sungen suchen. Es liegt jetzt an denAkteuren selbst, die Konvention alsInstrument der transnationalen Zu-sammenarbeit einzusetzen, etwawenn es um die Ausgestaltung des eu-ropäischen Raumentwicklungskon-zeptes mit Alpeninhalten geht.

Die Alpenkonvention ist im der-zeitigen Prozessstadium noch keinGarant für ein Ende des »ökologi-schen Alptraums«. Sie gibt uns abereinen Schlüssel in die Hand, der Torezu mehr Alpenbewusstsein, zu Belas-tungsreduktion und zu einem Mehr-wert für die in den Alpen lebendenMenschen öffnen kann.

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Der AutorPeter Haßlacher,geb. 1949, ist Leiterder FachabteilungRaumplanung/Naturschutz desÖsterreichischenAlpenvereins undVizepräsident vonCIPRA Interna-tional. Für »beson-dere Leistungenzum Schutz der Alpen« erhielt erden Konrad-Lorenz-Staatspreis.Kontakt: E-Mail [email protected]

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Alpenpanorama 2Gute Aussichteneiner alten Bergregion

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Im Rückgewinnen lokaler Ressour-cen von Kultur, Identität und Über-

leben kann die Kuh entscheidendsein. Oder das Schaf. Mitunter der(zahlende) Gast. Es kann auch dieFERBA sein. Die FERBA ist die »Eu-ropäische Föderation der Rinderras-sen des alpinen Systems – Federazio-ne Europea delle Razze Bovine del Sis-tema Alpino«. Deren Präsident lebt indem kleinen Bergdorf Favret (Gres-san/Aosta), ihr Vizepräsident, derprominente Hotelier Erich Scheiber,im Tiroler MassentourismuszentrumObergurgl, das etwa 400 Einwohner,4000 Betten und 18 Vier-Sterne-Hotels hat.

FERBA will über alte, zumeist ge-fährdete Rinderrassen intakte Um-welt erhalten und so einen Beitrag zuralpinen Kultur und zur Erzeugung ty-pischer Produkte leisten. Den unver-wechselbaren Abondance-Käse zumBeispiel kann und darf es nur von derAbondance-Kuh geben. Die berühm-ten Kuhkämpfe in Aosta, im Wallisund in Hochsavoyen sind nur mit denHerens-Kühen, den »Eringern« mög-

lich. Und die kleinen »Grauen« in Ti-rol, im Trentino und in Graubündendürfen als alpine »Ur-Rasse« auchnicht verloren gehen.

Bergkultur ist AgrikulturBergkultur ist ohne Agrikultur nichtdenkbar. Also kann es eine wirklicheKultur der Alpen nur geben, wenn dieKühe und die Schafe dabei sind. Mitder noch immer lebendigen Transhu-manz beispielsweise, den seit 6000Jahren nachweisbaren Schafwande-rungen, die über die Gletscher derÖtztaler Alpen führen. Oder mit denVolksfesten beim Kuhkampf, mit dem

Schaf-Fest in Vernagt –mitten im Tourismusund dennoch nicht ver-einnahmt, immer nocheigenständig als unver-wechselbares Elementlokaler Kultur.

Älpler, vor allemaber engagierte Bäue-rinnen sind die Prota-gonisten des Wider-standes gegen Ausver-kauf und Zerstörung, soim Osttiroler Dorfertal,im Fall Greina, auf derAlpe Madris, am Gott-hardpass oder neuer-dings in Chamonix, woman sich gegen die In-betriebnahme des Ka-tastrophentunnels auf-lehnt. Ganz maßgeb-lich sind Bäuerinnenbeim Aufbau der neuenalpinen Agrikultur be-

teiligt, also in der Reaktivierung öko-logischen Denkens und Handelns,und konkret beim Aufbau der Bio-Landwirtschaft und neuer Formender Direktvermarktung.

Diese Agrikultur ist fundamentalwirkliche Kultur, unterscheidbar, un-verwechselbar, lokal geprägt, vollerWärme (mit und ohne Schaf), soli-darisch, mutig, engagiert, neu. Fastüberall in den Alpen und anderswosind diese neuen Agrikultur-Aktivis-ten auch in der lokalen Kultur und impolitischen Bereich engagiert. Rund-um sind es höchst erfreuliche Anzei-chen einer emanzipierten Berg- undAlpenkultur, abseits von dümmlicherFolklore, von touristischer Vereinnah-mung, von billig-biederem Kitsch undKlischee.

Umso mehr vereinnahmt, massa-kriert und vergewaltigt der alpine Ab-schreckungs- und Horror-Tourismusweite Teile der lokalen wie regionalenKultur rund um die Almhütten:Wagenräder, jodelnde Trachtler, de-formierte Schuhplattler, pervertier-te Heimatabend-»Romantik«. Nochschlimmer und deprimierender imTourismus, inklusive dem »gehobe-nen Qualitätstourismus«, ist aber die(beinahe) totale Ablehnung von Um-weltschutz und Bioprodukten. War-um findet in der schrecklichen Hordekulturloser Gästemelker nicht end-lich die neue ökologische AgrikulturEingang? Oder müssen erst supertou-ristische BSE-Skandale die wackeli-gen Kartenhäuser zum Einsturz brin-gen? Wehe denen in den kitschigenHochburgen der alpinen Zuhälterei!

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Erst geht die Kuh,dann die KulturÜber die Rückgewinnung regionaler Identitäten in denAlpen. Von Hans Haid

InternationalesJahr der Berge 2002

Die UNO hat das Jahr 2002 zum »Internationalen Jahr der Berge« erklärt.Ziel ist es, den Schutz und die nachhaltige Entwicklung in den Berg-

regionen der Welt langfristig zu fördern. Berggebiete sind empfindliche Öko-systeme, die neben dem globalen Wasserreservoir einen Raum großer Biodi-versität und genetischer Ressourcen bieten. Als attraktives Ziel für Tourismusund Erholung sind sie außerdem wchtig für das menschliche Kulturerbe.

Das »Internationale Jahr der Berge 2002« soll Anlass für Initiativen, aberauch Katalysator für langfristige Aktionen sein. Deshalb finden auf inter-nationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene Aktivitäten statt, umsensible Gebirgsökosysteme zu schützen, die nachhaltige Entwicklung derBerggebiete zu fördern und die Lebensqualität für die Bewohner zu sichern.

Der Bund Naturschutz (BN) wird sich aktiv und kritisch am »Jahr der Ber-ge« beteiligen. Der Verband hat eine Projektstelle geschaffen, um gezielt aufFehlentwicklungen hinzuweisen, nachhaltige Alternativen aufzuzeigen undunabhängig zu informieren.Ansprechpartnerin ist Helga Wessely, BN-Fachabteilung München, Pettenko-ferstr. 10a, 80336 München, Tel. 089-54829863, Fax 089-54829818, [email protected]. Weitere Informationen auf der von der FAO (Foodand Agriculture Organization of the United Nations) eingerichteten Home-page www.mountains2002.org

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Doch auch hier ist einwenig Hoffnung ange-bracht: Wenn Hotelierswie der erwähnte ErichScheiber sich zugleich alsBauern und Kämpfer fürdie Erhaltung gefährdeterTierrassen engagieren.Wenn Hoteliers wie dieFamilie Schweitzer im ti-rolischen Barwies auf einkonsequentes Bio-Hotel-Konzept setzen. Wenn imwunderschönen Logar-Tal in den slowenischenBergen die Hotel-Besitzerein mustergültiges Natur-schutz-, Tourismus- undKulturgebiet entwickeln.Und nicht zu vergessenwegen der Öko-Hotels wieHitsch-Huus in Fanasoder Uclica in Waltens-burg/Vuorz.

Ansonsten aber gilt:Erst geht die Kuh, dann der Gast. Erstwird EU-konform der alpine Klein-bauer mit unter zwei Hektar Landausgerottet, indem ihm wichtigeFörderungen entzogen werden, danndarf er im Alpenpark folkloristisch, jodelnd und melkend im Tourismusdienen, bis der Gast verschwindet.Mangels Wärme? Oder vergiftet?Einschlägige EU-Förderprogrammeüber »Interreg« oder »Leader+« grei-fen jedenfalls nicht oder kaum, weilsie lediglich musealisierend undkonservierend wirken und um GottesWillen ja keine progressive, radikaleWeiterentwicklung des historisch-kulturellen Erbes bewirken sollen.

Folklore aus dem AlpenparkWas dagegensetzen? Jämmerlicheshaben sich seit mehr als zehn Jahrendie hohen Beamten und maßgebli-chen Politiker in der Alpenkonven-tion geleistet. Seit 1989 sollte es alserstes und fundamentales Protokolldas zur Kultur geben. Nichts ist ge-schehen. Erst im Jahr 2000 tauchtedas Thema wieder auf, als in Bene-diktbeuern dazu ein von österreichi-schen Kulturwissenschaftlern erar-beiteter Entwurf vorgestellt wurde.Im Juni 2000 veröffentlichte dann dieCIPRA ihre »Forderung nach einemProtokoll Bevölkerung und Kultur«der Alpenkonvention. Und schließ-lich trug die slowenische Stadt Mari-bor als »Alpenstadt des Jahres 2000«im November mit einem »Dokumentvon Maribor« zum Diskurs bei, dendie »Alpenstadt 2001« Bad Reichen-hall heuer im Mai fortsetzen will.

Schier unglaublich dagegen dieVerzögerungstaktik der zuständigenUmweltminister und der Herren des»Ständigen Ausschusses«: Jüngst erst,bei der 6. Alpenkonferenz in Luzern,soll vereinbart worden sein, eine Ar-beitsgruppe einsetzen zu wollen, diedann bei der nächsten Konferenz,voraussichtlich also im Jahre 2002, ei-nen Zwischenbericht vorlegen solle,vielleicht mit den Namen der zustän-digen Beamten und Ministerialräten,die mit der Nominierung einer Ar-beitsgruppe zur Gründung einer Ar-beitsgruppe zum Verfassen von Richtlinien für eine weitere Arbeits-gruppe betraut werden könnten. Nurja nicht unter Einbeziehung von Kultur-Aktivisten und Kultur-Prakti-kern?! Die kulturelle Düsternis wirdfortdauern, so ist zu befürchten.

Pro vita alpinaAber anderswo lebt und blüht ein rei-ches, ein sehr vielfältiges kulturellesLeben:� Die CD-Reihe »Musica alpina« be-weist, wie vielfältig, wie differenziertund wie lebendig Volksmusik imAlpenraum sein kann.� Nirgendwo sonst in Europa entste-hen und wachsen so viele Gruppenund Ideen, um regionale Dialekte undvor allem Minderheitensprachen zubeleben.� Weite Teile des Alpenraumes ver-fügen über die größte Dichte und In-tensität an Bio-Landwirtschaft inner-halb ganz Europas.� Nur in den Alpentälern finden sichsolche Schätze des Mythos, der »reli-gio«, der Sagen, Rituale und Bräuche.

Im Zusammenhang mit der Grün-dung des Netzwerks Alpine Kulturen –über die alpenweite Vereinigung Provita alpina aufgebaut – wurde allenBeteiligten die überaus reiche und vor allem starke, autochthone undauthentische Vielfalt der Alpen be-wusst – auch als Gegentrend zur soge-nannten Globalisierung und zu denälplerisch-touristischen Wahnsinnig-keiten und Brutalitäten.

Deshalb muss alpine Kultur selbst-verständlich auch Volkskultur, All-tagskultur, Massenkultur, Baukultur,Agrikultur (Bio & Öko), Umweltkultur,Tourismuskultur und Friedenskultursein. Und es geht darum, dass eine soverstandene Kultur als gesellschaftli-che Triebkraft, als Faktor von Schöp-fertum, Vitalität und Dialog auch indie einschlägigen EU-Entwicklungs-programme einfließt.

Es ist nicht zu bestreiten, dass derUmgang mit »Heimat« und »Volkskul-

tur« gefährlich, sehr schlüpfrig, sehrreaktionär und revanchistisch seinkann. Dem soll aber bewusst gegen-gesteuert werden. Volkskultur in die-sem Sinn ist »Material für Unter-scheidbarkeit und damit für Identitä-ten«, wie es der Wiener VolkskundlerKonrad Köstlin formuliert. Sie wirdzum schier unerschöpflichen Reser-voire, um daraus Kraft zu tanken. Siestellt sich als sehr moderne, als aktu-elle Kultur dar, weil sie fundamentalund »radikal« (von den Wurzeln her)ist. Erst auf diese Weise wird sie zu ei-nem Instrument gegen Rassismus,Nationalismus, Ausgrenzung undFremdenfeindlichkeit.

Kontakt:� Dr. Hans Haid, Roale im Ventertal, 6450 Sölden, Österreich,Tel. 00 43-52 54-27 33,Fax 00 43-52 54-27 33-4,E-Mail: [email protected],Internet www.cultura.at/haid� Pro vita alpina, Klostergasse 6,6020 Innsbruck,Tel. 00 43-5 12-58 67 80, Fax 00 43-5 12-58 67 82oder Pro vita alpina/Alpenakademie, E-Mail [email protected], Internetwww.cultura.at/alpenakademie� Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung: Entwürfe für ein Kulturprotokoll zurAlpenkonvention,Tel. und Fax00 43-5 12-58 67 82,E-Mail [email protected],Internet www.cultura.at

9Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Alpen 2001«

Der AutorDr. Hans Haid, geb.1938, Heimatdich-ter, Volkskundler,Bergbauer am HofRoale im Ötztal.Gründer der alpen-weiten VereinigungPro vita alpina.

koa paamenkoa blüemakoa paurekoa sunnakoa moonekoa kirchakoa darflekoa fearnarkoa freedeolles völl galtund mittlatdr töetdr wompatetöetwompat & töetolles völlnöetsoogetvrgaltsgöttund geat

kein baumkeine blumekein bauerkeine sonnekein mondkeine kirchekein dorfkein gletscherkeine freudealles voller geldund mittendrinder todder vollgefressene todvollgefressen und totalles vollernotsagtvergeltsgottund geht

Dorfbild 2009 (Hans Haid)

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Alpenpanorama

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Schöne Aussichten

einer alten Bergregion

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Page 11: Die Alpen - Bergwelt mit verbauter Zukunft

Für die einen sind die Alpen dieGegenwelt zum Alltäglichen. Hiersuchen sie Abgeschiedenheit,Natur oder Wildnis. Viele anderesehen darin eine fantastischeFreizeitkulisse, die Fun undEvents bieten soll, aber auch denletzten Kick: das Erlebnis dereigenen Grenzen – und der Gren-zen der Natur.

Die Alpen haben an Anziehungs-kraft nichts verloren und schei-

nen noch immer der Inbegriff von in-takter Landschaft, echter Wildnis undungebändigten Naturgewalten zusein. Doch die Realität sieht andersaus: Durch die zahlreichen Eingriffeund Störungen nimmt auch und ge-rade im Alpenraum die Gefährdungvon Arten und Lebensräumen zu. EinBeispiel: Nur noch etwa zehn Prozentder Alpenflüsse sind in ihrem natür-lichen Zustand erhalten.

Bewegte GeschichteDas Verschwinden von Lebensräu-men und Arten erfolgt schleichendund wird kaum wahrgenommen, daes sich um eine weniger spektakuläreFolge menschlichen Tuns handelt, als es Lawinen, Überflutungen oderBergrutsche sind. Nur dem aufmerk-samen Naturbeobachter fällt ebenauf, dass wieder weniger Enzianeblühen oder der Steinadler nichtmehr so oft seine Runden dreht unddie Birkhühner seltener bei der Balzzu sehen sind. Die Ursachen dafürsind vielfältig und komplex und lie-gen z.B. genauso in der Intensivie-rung der Freizeit-Nutzung wie inVeränderungen der landwirtschaftli-chen Nutzung. Andere alpentypischeTierarten sind schon längere Zeit ver-schwunden, da sie – wie etwa Bär,Wolf und Luchs – vom Menschen ge-zielt verfolgt und ausgerottet wurden.

Die Faszination der Alpen liegt inihrer wechselhaften Geschichte be-gründet. Durch immense Bewegun-gen im Laufe der Erdgeschichte wei-sen sie eine extrem komplexe Geolo-gie und Tektonik auf. Das Matterhornzum Beispiel ist sozusagen ein StückAfrika. Dann haben die Eiszeiten denGebirgsbogen sehr stark geprägt –

und das bis heute. Erdgeschichtlichgesehen sind die Alpen eher ein jun-ges Gebirge. Sie »bewegen« sich im-mer noch, deshalb gehören Muren,Felsstürze, Erdrutsche oder Lawinenzur natürlichen Dynamik des Gebir-ges. So bleibt es »gefährlich«, weil derMensch diese Vorgänge nie völlig be-herrschen kann. Im Gegenteil, siesetzen unseren Aktivitäten natürlicheGrenzen, die es zu beachten gilt.

Das Geflecht von Gebirgsstöckenund Talräumen hat eine abwechs-lungsreiche, aber auch dynamischeund wilde Landschaft entstehenlassen. Angesichts dieser Vielfalt anStandorten und komplexen geomor-phologischen und klimatischen Ge-gebenheiten verwundert es nicht,dass die Alpen eine außergewöhnli-che biologische Vielfalt aufweisen –vor allem von Lebensräumen und Ar-ten mit besonderen Anpassungen andie zum Teil extremen Verhältnisse.

Die Alpen sind Rückzugsraum undQuelle der Biodiversität für den ge-samten europäischen Kontinent. Siesind die floristisch reichhaltigste Re-gion Europas und beherbergen mitihren etwa 5 000 Gefäßpflanzen dreiSiebtel der europäischen Flora. DieHälfte davon sind Alpenpflanzen imengeren Sinn (an und über der Wald-grenze), von denen wiederum 15 Pro-zent nur in den Alpen vorkommen.Eine Schätzung, wie viele Arten insge-samt in den Alpen leben, ist schwie-rig: vielleicht 30 000, vielleicht mehr.Auch hat sich in den Alpen eine Reihevon neuen Arten entwickelt. Etwa 350 solcher pflanzlicher »Endemiten«gibt es hier, die Alpenakelei ist einerdavon. Sie machen sieben bis achtProzent der gesamten alpinen Floraaus.

Welt der Extreme Viele der alpinen Ökosysteme sindsowohl selten als auch äußerst sensi-bel. Weil oft extreme Lebensbedin-gungen herrschen, haben Störungenviel größere Auswirkungen als an-derswo und können rasch zu irrever-siblen Schäden führen. Die Zeiträu-me, in denen sich alpine Vegetationnach Zerstörung oder Beeinträchti-gung natürlich regeneriert, nehmenmit steigender Höhe von 15 auf über50 Jahre zu – in Extremfällen sogar auf

bis zu 500 Jahre! Vegetationsschädenoberhalb der Baumgrenze sind be-sonders gravierend, oberhalb 1400 maber praktisch nicht mehr reparabel.

Zu der Vielfalt der Lebensräume,insbesondere der Rasengesellschaf-ten, tragen zwar auch traditionellemenschliche Nutzungen bei, abermehr als zwei Drittel der Pflanzenge-sellschaften sind weitgehend natür-lichen Ursprungs. »Die Alpen sindheute die in Mitteleuropa praktischeinzige geographische Region, in derdie ursprünglichen Biotope erhaltengeblieben sind, und in einem vonMenschenhand stark überprägtenKontinent verkörpern sie das wert-vollste Naturerbe, über das Europanoch verfügt«, schreibt BernardFischesser im CIPRA-Alpenreport.

Nötig sind daher ein großflächigerSchutz aller noch vorhandenen intak-ten Lebensräume und Populationenvon Arten sowie geeignete Maßnah-men, um langfristig die biologischeund gerade die alpine Vielfalt mit denbesonderen Anpassungen zu erhal-ten. Dringend nötig ist zudem eineDiskussion über das »Tun und Unter-lassen«, das heißt über die Notwen-digkeit, Flächen der freien Dynamikund natürlichen Eigenentwicklung,der Wildnis also, zu überlassen.

Der Berg ruft, der Bär kommtGerade die Alpen mit ihren weitenWaldflächen bieten eine einzigartigeChance für die Realisierung vongroßen, vollkommen ungenutztenSchutzgebieten. Hier könnten auchWolf, Luchs, Bär oder andere Arten,die große Raumansprüche haben,wieder eine Heimat finden. Der offi-zielle Anteil an derartigen »Wildnis-gebieten« mit freier Naturentfaltungist mit einem Prozent der Alpenflächeviel zu gering. In Bayern hat dergroßflächige Schutz der Natur undihrer Prozesse lediglich im National-park Berchtesgaden Vorrang. In den19 Naturschutzgebieten im bayeri-schen Alpenraum unterliegt der Na-turschutz meist dem zunehmendenNutzungsdruck.

Zwar ist die Bewahrung der AlpenZielsetzung zahlreicher Übereinkom-men und Gesetze: Schon im baye-rischen Alpenplan von 1972 sindknapp 42 Prozent als Ruhezone aus-gewiesen. Und im bayerischen Natur-schutzgesetz wurde mit der Novellie-rung 1998 der Schutz der Alpen gar alsein neuer Grundsatz eingeführt.Doch in der bayerischen Genehmi-gungspraxis gibt es weder eine echteRuhezone noch findet der neue

11Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Alpen 2001«

Die AutorinDie Diplom-Bio-login ChristineMargraf, geb. 1968,leitet die Fachab-teilung des BundesNaturschutz inMünchen und koordiniert die Alpenaktivitätendes Verbandes.Kontakt: Tel. 0 89-54 82 98 89,E-Mail [email protected]

Natur in HöchstformChristine Margraf über die Alpen alsQuelle der europäischen Biodiversität

Die Fotos»Die Alpen: ImReich des Stein-adlers« heißt einspektakuläresösterreichischesFilm- und Foto-projekt (Verlag Styria, Graz). Da-raus entnommensind die Fotos auf S. 7 und 10.Kontakt: Science Vison, Tel. 00 43-31 24-543 66, E-Mail [email protected]

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Grundsatz eine konsequente Beach-tung. Ein ganz zentrales neues Instru-ment das alpine Naturerbe großflä-chig zu schützen ist daher das euro-päische Biotopverbundsystem Natu-ra 2000. Die Vorgaben für den Aufbaudieses Netzes lieferte die EuropäischeUnion mit der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie von 1992 und der Vo-gelschutz-Richtlinie von 1979. Vieleder alpinen Lebensräume (und Ar-ten) sind gemäß dieser Richtlinie eu-ropaweit zu schützen. Die Mitglied-staaten sind verpflichtet, geeigneteGebiete nach rein fachlichen Krite-rien auszuwählen und nach Brüsselzu melden.

Doch die Meldung Bayerns erfolg-te zu spät, und anstelle der rein fach-lichen Kriterien wurden wirtschaftli-che und politische berücksichtigt. Dieim Juli 2000 von der Staatsregierung

beschlossene Meldung liegtderzeit zur Überprüfung inden Fachgremien des Bun-des und der EU. Sie weist

erhebliche Mängel auf und ist nachAnsicht des Bundes Naturschutz (BN)fachlich nicht ausreichend und damitauch nicht rechtskonform.

Bayern in der PflichtDer Auswahlprozess der Natura 2000-Gebiete erfolgt nach sogenannten»biogeographischen Regionen«. Bay-ern ist zweien zugehörig: der konti-nentalen und der alpinen Region. In-nerhalb Deutschlands hat nur BayernAnteil an der alpinen Region und des-halb die zentrale Verantwortung fürderen Unterschutzstellung.

Die offiziellen Meldungen dafürumfassen alle großen Alpen-Natur-schutzgebiete und auch einige bis-lang noch nicht geschützte Flächenwie das Mangfallgebirge oder die Mit-tenwalder Buckelwiesen. Jedoch sinddie Abgrenzungen der Gebiete nichtimmer fachlich ausreichend und esfehlen noch zentrale Gebiete mitwichtigen Vorkommen alpiner Le-bensräume und Arten, wie das Ester-

gebirge oder die Rotwand, um derenUnterschutzstellung bereits seit Jahr-zehnten gekämpft wird, oder die Wäl-der am Kochelsee.

Weil die offiziellen Meldungenaber nicht nur in Bayern, sondern inallen Alpen-Ländern defizitär sind,haben die Naturschutzverbände nacheiner wissenschaftlichen Analyse dienotwendigen Ergänzungen zusam-mengestellt: Insgesamt müssen 134zusätzliche Gebiete als Natura 2000-Gebiete in den Alpen nachgemeldetwerden. Darauf wird der Bund Natur-schutz in Bayern auch weiterhin mitNachdruck drängen, damit die EU-Vorgaben für Schutz, Zustandserfas-sungen und Managementpläne indiesen Alpengebieten eingehaltenwerden und hier tatsächlich die Na-tur Vorrang hat.

Das »Jahr der Berge 2002« bieteteine große Chance, den besonderenWert, aber auch die besondere Ge-fährdung der Natur in den Alpen her-auszustellen.

12 Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Alpen 2001«

BN-STUDIENREISEN� Die BN Service GmbHbietet regelmäßig Reisenin die Alpen an. Gut vor-bereitete Bergwanderun-gen ermöglichen intensi-ve Naturbeobachtungen.

Kontakt: BN Service GmbH, Tel. 0 91 23-9 99 57 10, Fax 9 99 57 99, E-Mail [email protected]

BN-SEMINARE� Auch im BN-Bildungswerk sind die Alpenein wichtiges Thema. Zuletzt waren der Verkehr in den Alpen und der nachhaltige Ressourcengebrauch Schwerpunkte der Bildungswerk-Seminare.Kontakt: BN-Bildungswerk, Tel. 0 99 66-12 70,Fax 490, E-Mail [email protected]

JBN-AKTIONEN� Auf die Zerstörung der Alpen macht die Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN)mit spektakulären Aktionen aufmerksam.Kontakt: JBN, Trivastraße 13, 80637 München,Tel. 0 89-15 96 96-30, Fax 15 98 96-33,www.jbn.de

AUSSTELLUNG� Schöne neue Alpen. Eine fotografische Bestands-aufnahme.Verleih und Termine:Gesellschaft für ökologische

Forschung, Tel. 0 89-359 85 86, Fax 3 59 66 22,E-Mail [email protected],Internet www.oekologische-forschung.de

ADRESSEN� BN-Arbeitskreis Alpen, Fachabteilung München, Pettenkoferstr. 10a/I, 80336 Mün-chen, Tel. 0 89-54 82 98 89, Fax 54 82 98 18, E-Mail [email protected]� CIPRA-Deutschland,Waltherstraße 29, 80337 München, Tel. 0 89-54 42 78 50, Fax 54 42 78 99, E-Mail: [email protected], Internet www.cipra.de� Deutscher Alpenverein (DAV), Von-Kahr-Str. 2-4, 80997 München, Tel. 0 89-14 00 30, Fax 1 40 03 11, E-Mail [email protected], Internet www.alpenverein.de� Nationalparkverwaltung Berchtesgaden,Doktorberg 6, 83471 Berchtesgaden, Tel. 0 86 52-9 68 60, Fax 96 86 40, E-Mail: [email protected], Internet www.nationalpark-berchtesgaden.de� Österreichischer Alpenverein, FachabteilungRaumplanung/Naturschutz, Postfach 318,6010 Innsbruck, Tel. 00 43-512-5 95 47 27, Fax 5 95 47 40, E-Mail [email protected], Internet www.alpenverein.at� Pro vita alpina, Klostergasse 6, 6020 Inns-bruck, Tel. 00 43-512-5 86 78, Fax 58 67 82 oder Pro vita alpina/Alpenakademie, E-Mail [email protected], Internet www.cultura.at/alpenakademie

LITERATUR� Alpen-Initiative (Hrsg.): Appetit statt Transit.70 Rezepte aus den Alpen. Limmat Verlag,Zürich 1997, 144 S., 34,– DM� W. Bätzing: Kleines Alpen-Lexikon. Umwelt,Wirtschft, Kultur. Verlag C. H. Beck, München1997, 320 S., 22,– DM� CIPRA (Hrsg.): Alpenreport. Daten, Fakten,Probleme, Lösungsansätze. Verlag P. Haupt,Bern 1998, 380 S., 43,– DM

� B. und H. Haid: Bio-Gourmet in den Alpen.Ein kulinarisch-kultureller Wegweiser, EditionTau, Bad Sauerbrunn 1998, 368 S. Einzel-exemplare bei H. Haid, Tel. 00 43-52 54-27 33,E-Mail [email protected]

� H. Haid, J. Huber: Poesie desLandlebens. Bilder und Texteaus einer geliebten Heimat.Edition Löwenzahn, Innsbruck1992, 96 S. Einzelexemplare bei H. Haid, s. o.

� H. Haid: Vom alten Leben.Vergehende Existenz und Arbeitsformen im Alpenbereich. Herold Verlag, Wien 1991, 344 S., 126,– DM� Naturfreunde Schweiz (Hrsg.): Kulturweg Alpen. Zu Fuß vom Lac Léman ins Val Müstair.Limmat Verlag, Zürich 1999, 382 S.,38,– DM� S. Hamberger u. a. (Hrsg.): Schöne neue Alpen. Eine Ortsbesichtigung. Raben Verlag,München 1998, 244 S. 44,– DM� Politische Ökologie Nr. 55: Gratwanderung.Die Alpen als Vorreiter für ein regionales Wirt-schaften. Verlag Ökom, München Juli/August1998, 104 S. 19,80 DM� N. Winging u. a.: Die Alpen. Im Reich desSteinadlers. Styria Verlag, Graz 2000, 240 S.,68,– DM

� J. Winkler: Das andere Bild der Berge. BergverlagRother, München 2000, 144 S., 68,– DM

MUSIK� Musica alpina I & II, Musica alpina III & IV«.Erhältlich bei Pro vita alpina, Tel. 00 43-512-5 86 78, E-Mail [email protected]

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ImpressumHerausgeber: Bund Naturschutz in Bayerne.V., vertreten durch Helmut Steininger,Dr.-Johann-Maier-Str. 4,93049 RegensburgRedaktion: ChristophMarkl (verantw.),Manfred GößwaldGestaltung und Herstel-lung: Gorbach GmbH,Gauting-Buchendorf(Layout Waltraud Hofbauer)Druck: aprinta Druck,WemdingISSN 0721-6807

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