Die Autorin - forever.ullstein.deforever.ullstein.de/wp-content/uploads/sites/2/LP_9783958180765_V... · tisch die Lippen, weil ihm Maries Feuer sprühende Saphire vor Augen standen

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  • Die AutorinKatherine Collins, Jahrgang 1980,ist in Castrop-Rauxel geborenund teilweise dort, im Kreis Unnaund Dortmund aufgewachsen.Heute lebt sie mit ihren zwei klei-nen Tchtern in einem kleinenDrfchen in Mitten des Vest. Alspassionierte Leseratte, die sich imLaufe der Zeit durch jeden Be-reich der Belletristik fra, kam sieschon in ihrer Jugend zum Schrei-ben. Erst nach langer Testphase

    durch Leseproben auf Internetforen, stellte sie 2013 beim La-tos-Verlag ihr Erstlingswerk Verzeih mir, mein Herz! vor.Obwohl neben ihrem Laborantenjob und den Kindern wenigZeit bleibt, wchst ihr Repertoire bestndig. Derzeit befindensich diverse abgeschlossene Werke in der berarbeitung undmindestens ebenso viele warten auf ihr Ende.

    Das BuchEngland, Ende des 18. Jahrhunderts: Lady Marie Windermerefeiert ihr Debt in der Londoner Gesellschaft. Was niemandwei: Ihr Vater kann sich weder ihre Aussteuer noch die Sai-son leisten. Verzweifelt sucht die temperamentvolle Schnheitdeshalb nach einem geeigneten Gatten. Untersttzt wird siebei ihrer Suche von dem attraktiven Draufgnger Lord Argyll,einem Freund der Familie. Doch Argyll ist bekannt fr seinliederliches Verhalten und seine Affren. Und tatschlich ge-raten die beiden schon bald in eine heikle Situation. Pltzlichscheint eine Hochzeit mit Argyll der einzige Weg zu sein, umMaries Ehre zu retten. Die junge Frau ist am Boden zerstrt.Wie soll sie mit einem solchen Mann jemals glcklich werden?

  • Zu spt erkennt sie, dass Argylls Gefhle fr sie vielleicht dochaufrichtig sind

  • Katherine Collins

    Trnen des HerzensHistorischer Roman

  • Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

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    Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag

    der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMrz 2016 (1)

    Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016

    Umschlaggestaltung:ZERO Werbeagentur, Mnchen

    Titelabbildung: FinePicAutorenfoto: privat/ Sibylle Ostermann

    ISBN 978-3-95818-076-5

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  • Kapitel 1

    Ein unmglicher Gentleman

    London, Westbrook House, 1800

    Thomas Boyle, Viscount of Argyll, betrat den Salon im Hauseseines Freundes Nathan Mannings, 8. Duke of Kent, Marquessof Westbrook und Trger weiterer erlauchter Titel. Wie er-wartet, traf er dort auf die Dame des Hauses. Ah, Bell, wiegrausam mir bei jedem Besuch vor Augen gefhrt wird, wasmir verwehrt bleibt. Er seufzte theatralisch und ignorierteden sauren Blick des Dukes of Kent.

    Nicht komisch, Thomas!, grollte der und lste sich vonseiner Gattin, die Thomas mit einem Kopfschtteln rgte.

    Wie recht du hast, Nathan!, klagte er dennoch mit einemZwinkern. Und doch ist sie dein Weib, die se Bell, und ichvegetiere dahin!

    Tee, Thomas, oder mchtest du dein Ableben beschleu-nigen, indem du die Nahrungsaufnahme verweigerst?, mok-ierte sich Annabell Mannings, Duchess of Kent, und nahm dieKanne auf. Sei doch so gut und rufe, wie auch immer du dichentscheiden magst, dennoch nach dem Mdchen.

    Du solltest ihn nicht auch noch bestrken, murrte Nathanund setzte sich widerwillig etwas von seiner Gattin weg, die erzuvor umarmt hatte.

    Tee! Dir erweise ich jeden Dienst, meine Holde! Thomaszog an der Kordel, um eine Bedienstete herbeizurufen, und

  • ignorierte auch weiterhin den Hausherrn. Da der Duke nochimmer nahe bei Annabell sa und es nicht mglich war, sichdazwischenzuklemmen, setzte sich Thomas der Duchess ge-genber. Was verschafft mir das Glck deiner Anwesenheitin der Stadt, Bell?

    Die Duchess seufzte tief auf, war die Frage doch durchausberechtigt. Ihre Zeit verbrachte sie am liebsten auf ihremkleinsten Landgut Woolhead im engsten Kreise der Familie.Marie.

    Thomas stutzte. Lady Marie Windermere war ihm durch-aus ein Begriff, allerdings nicht im Zusammenhang mit Lon-don.

    Sie debtierte in dieser Saison, erklrte Nathan grum-melnd, Windermere kann sich aber weder Aussteuer nochbesagte Saison leisten.

    Nathan! Annabell funkelte ihren Gatten an, der entschul-digend die Schultern zuckte.

    Wie indiskret, Nathan, tadelte Thomas grinsend. Wenndas an die falschen Ohren gert! Was durchaus ein Desasterfr die junge Dame bedeuten konnte. Nmlich dann, wennLady Marie die feine Gesellschaft nicht im Sturm eroberte.Allerdings stand dies fr Thomas auer Frage. Die Dame wareine Schnheit, wie jedes weibliche Mitglied ihrer Familie.

    Nathan rusperte sich unangenehm berhrt. Es ist ja nichtso, dass dir die Fakten unbekannt wren.

    Wer hat das Vergngen, Lady Marie ... Er verzog spt-tisch die Lippen, weil ihm Maries Feuer sprhende Saphirevor Augen standen. ... auf ihrem Debt beizustehen? Deinereizende Schwgerin, Ihre Gnaden, Madeleine of Kent? Siekann die bung sicherlich brauchen, schlielich kommen ih-re Tchter ja auch bald in die Zwangslage.

  • Annabell zog die Brauen zusammen. Zwangslage? SowohlVictoria wie auch Elizabeth sind finanziell abgesichert. Na-than kmmert sich ...

    Thomas hob die Hnde: Gnade, Bell. Die Zwangslage istjene, einen geeigneten Gatten zu finden. Wenn man sich un-beteiligt umschaut ... Ich werde meine kleine Amelie wohleigenstndig beschtzen mssen, oder wird sie von Suffolk inder Selbstverteidigung geschult wie du seinerzeit? Es war alsScherz gemeint. Ausgesprochen klangen seine Worte jedochernsthaft beunruhigend. Amelie war die ltere Tochter desDukes und seiner Duchess, und Thomas Patentochter. Ermsste sich tatschlich whrend ihrer Saison aufmerksamumschauen, nicht, dass seine kleine Amelie an einen Mannwie ihn geriet. Oder gar wie den Duke. Ein ruchloser Verfh-rer, Frauenheld ohne Drang zur Eheschlieung. Es schauderteihn bei der Aussicht.

    Ich werde meine Tchter schon im Auge behalten!,echauffierte sich der Duke, wobei er die Stirn runzelte. Wo-mglich die Erkenntnis, die auch ihm gewahr werden lie,welch Ungemach auf ihn wartete?

    Hm, murmelte Annabell, im Gedanken bei ihrem Halb-bruder, dem Viscount of Suffolk. Vielleicht kein schlechterHinweis. Marcus Tricks waren recht zweckdienlich.

    Der Duke grunzte. Schmerzlich wrde ich sie bezeich-nen.

    Nun, das sollen sie auch sein, schlielich sind sie dafrgedacht, die Tugend zu bewahren!, murrte Annabell und saherleichtert auf, als an der Tr geklopft wurde. Das Dienst-mdchen erschien und trug eine Kanne und mehrere Tassenbei sich. Ah, Libby, wie schn, dass du den Tee gleich mit-bringst. Sag, hat Mrs Dean noch ein paar Maronen da? DieDuchess nahm die Kanne entgegen und goss das Getrnk ein.

  • Ja, Euer Gnaden. Ich bringe Ihnen sogleich eine AuswahlKekse. Das Mdchen knickste und wartete auf die Entlas-sung, die Annabell mit einem freundlichen Lcheln und ei-nem Nicken gab.

    Meine Maronen, Annabell?, murrte Nathan und ernteteeinen verrgerten Blick der Lady und einen Heiterkeitsaus-bruch von Thomas.

    Ich liebe Maronen, bemerkte er lachend. Nathan presstedie Lippen aufeinander, aber er brauchte auch nichts sagen.Der Duke hatte dieselbe Vorliebe. Aber ich wrde durchaustauschen.

    Sie ist mein Weib, gewhne dich daran, es wird sich nichtwieder ndern! Nathan rckte wieder nher an besagte Ladyheran und griff nach ihrer Hand. Wir haben drei Kinder, undein viertes lsst sicherlich nicht mehr lange auf sich warten.

    Nathan!, tadelte Annabell errtend und entzog ihm dieFinger wieder. Herrje, das ist nun wirklich nichts ... Siereichte Thomas eine Tasse, ohne ihn anzusehen, weil sie nochimmer dabei war, stumm mit ihrem Gatten zu kommunizie-ren.

    Verzeih, Liebling, natrlich sollte ich nicht davon spre-chen.

    Thomas nahm den Tee an. Noch ein Kind?, seufzte er undschttelte den Kopf. Bell, tu mir das nicht an!

    Nicht in diesem Jahr, versprach die Duchess. Ich werdezu beschftigt sein, Marie von Unsinn abzuhalten. EinenMoment wurde sie von ihren Befrchtungen berrollt. IhreAugen weiteten und ihr Mund ffnete sich, um einem schnel-len Atemzug Raum zu geben.

    Du? Dann werde ich mich bei Marie wohl bedanken ms-sen. Thomas grinste seinen Freund an.

  • Du kannst es ihr anders danken, bemerkte Annabell undrunzelte die Stirn, whrend sie ihn musterte. Thomas verkniffsich ein Sthnen.

    Ich wre ein lausiger Gatte, warnte er. Sicherlich eineEnttuschung fr eine fordernde Lady wie diese.

    Nathan schnaubte. Wie gut, dass Suffolk noch zur Ver-nunft kam und Annabell nicht zwang, dich zu nehmen! DerDuke legte den Arm um die Gattin und zog sie an sich.

    Au contrair, mein Guter. Annabell wre meine Rettunggewesen.

    Thomas, das ist Unsinn, mahnte die Duchess und beugtesich vor, um dem Hausfreund eine Hand auf den Arm zu le-gen. Glaube mir, die Richtige wartet nur darauf, dass du bersie stolperst. Ihre Augen lagen beteuernd auf ihm, und Tho-mas verkniff sich ein Seufzen. Er war es leid zu suchen.Zugegebenerweise war er noch nicht lange auf der Suche. Erstals er sich eingestehen musste, Annabell nicht fr sich gewin-nen zu knnen, hatte er recht lustlos begonnen. Aber diejungen Dinger, die sich auf Bllen tummelten, um einen Jung-gesellen einzufangen, waren ihm verhasst. Und deren Mttererst! Er gehrte nicht unbedingt zu den besten Partien, dieEngland zu bieten hatte, war aber auch bei weitem nicht dieschrecklichste. Moralisch gesehen. Seine Vermgenswertemachten ihn interessant, aber seine Herkunft gab ihm etwasLuft. Schotten waren nicht die begehrtesten Ehekandidaten.Er wurde nicht annhernd so belagert von den hochwohlge-borenen Mttern, wie es andere Junggesellen waren. Hof-fentlich breche ich mir dabei nicht den Hals, Bell.

    Das bernehme ich gerne fr dich, knurrte der Duke, undAnnabell verdrehte die Augen. Ich wollte dich lediglich bit-ten, hin und wieder mit Marie zu tanzen.

    Tanzen? Thomas schalt sich einen Narren. In den Jahrenseit der letzten Eheschlieung des Paars vor ihm hatte Anna-

  • bell nicht einmal angedeutet, er mge sich verehelichen. Siehatte ihm niemanden mit diesem Ansinnen vorgestellt. Nieeine diesbezgliche Frage gestellt oder ber die Eigenschafteines der Mdchen schwadroniert. Anders als der Duke, derihm fast tglich dazu aufrief zu heiraten. Selbstverstndlich,Bell. Maries erboste Miene tauchte vor seinem inneren Augeauf. Das Mdchen war herrlich leicht zu rgern. Vielleichtversprach die kommende Saison abwechslungsreichen Tru-bel.

    Tanzen!, warnte Nathan dunkel. Glaube nicht, dass ...Thomas hob die Hnde, durchaus indigniert. Selbstver-

    stndlich! Marie wrde mich wohl mit ihrem Fcher verpr-geln, sollte ich ihr auch nur unbeabsichtigt zu nahe kommen!Das war seine aufrichtige Befrchtung und kein Spa. DasMdchen hatte mit eben jenem Accessoire nach ihm geschla-gen, als er auf der Hochzeitsfeier des Dukes und seiner Du-chess sein Bedauern ausdrckte, keinen Widerspruch einge-legt zu haben.

    Sie ist impulsiv, druckste Annabell mit einem Seitenblickzu ihrem Gatten herum, der bei der Bezeichnung schnaubte.

    Bevor wir sie unter die Haube bekommen, wird sie unsallen wohl mit ihrer scharfen Zunge den Verstand geraubthaben! Es ist zu frh!

    Annabell seufzte unglcklich. Sie wird achtzehn! UndWindermere ... Ihre Stimme zitterte bei der Nennung ihresOnkels und presste kurz die Lippen aufeinander. Eine Geste,deren sich ihr Gatte ebenfalls bediente, wobei seine schiefer-grauen Augen aufblitzten. Sie knnte zunchst in Bath ...,wandte der widerstrebend ein, Suffolk bedarf der bung,bevor seine Mdchen ins richtige Alter kommen.

    Annabell knuffte ihm in die Seite. Nathan!Thomas grinste und schttelte den Kopf. Diesen einen po-

    sitiven Effekt hatte sein Verlust durchaus, er musste sich nicht

  • mit Annabells Halbgeschwistern auseinandersetzen, demLord und der Lady Suffolk. Vorsicht, alter Freund. Schlechtesfllt gerne auf einen selbst zurck. Denk an Amelie.

    Keine Sorge, ich werde mein kleines Mdchen sicherlichnicht eine Sekunde aus den Augen lassen, wenn es so weit ist.Nathan warnte ihn wortlos, das Thema fallen zu lassen.

    Thomas zuckte die Schultern. Demnach bleibt Suffolknebst Gattin in Bath? Und Ihre Gnaden? Was ist mit Mariesanderen Schwestern? Natrlich war es ein guter Schachzug,das Mdchen von der Duchess of Kent vorstellen zu lassen.Ihr Einflussbereich war sicherlich grer als jener der LadyRandall. Dennoch war es merkwrdig, wenn neben den Elternauch die Geschwister keinen Anteil an Maries Debt hatten.Er runzelte die Stirn. Es konnte durchaus so ausgelegt werden,dass ihre Familie sich von ihr abwendete, und dies fhrte zuSpekulationen. Marie wrde es vermutlich schwer haben.Trotz ihrer Schnheit und ihres Esprits.

    Madeleine gesellt sich zu uns, erklrte Annabell mit ei-nem erleichterten Lcheln. Sie kommt in zwei Wochen nach,also bevor es richtig losgeht. Ihre Tochter war erkrankt, undzum Einkaufen brauche ich sie nicht unbedingt. Larissa wirdauch nach London kommen, Ninette treffen wir dann auf La-dy Frances Hausgesellschaft in zwei Monaten.

    Thomas stutzte. Lady Lynnwood? Ich wurde nicht einge-laden!

    Annabell lachte glockenhell auf. Was mchtest du dennauf dem Land?

    Eine durchaus berechtigte Frage, verbrachte er sein Jahrdoch hauptschlich in London. Hausgesellschaften auf Bel-vedere sind en vogue, Bell! Wer nicht eingeladen wird, ist miteinem Makel behaftet. Es wre die dritte, zu der man michnicht einlud! Thomas machte ein entsetztes Gesicht, obwohler den Ausschluss durchaus gelassen nahm. Ihm fehlten deut-

  • lich Attribute, die Lady Lynnwood schtzte. Er war nichtverheiratet, fhrte keinen tadellosen Lebenswandel und standauch nicht im freundschaftlichen Kontakt zum dazugehri-gen Marquess.

    Annabell schnaubte. Wenn dir daran so gelegen ist ...Du machst es nur noch schlimmer, winkte Thomas ab.

    Ich frage mich allerdings, warum er eingeladen ist! Damitdeutete er auf den Duke, der fast seinen Tee wieder ausspie.Soweit Thomas wusste, glnzte Nathan gerade mal mit seinemFamilienstatus und vielleicht, weil er, seit der erneuten Ehe-schlieung zumindest, skandalfrei war. Es klopfte, und dasHausmdchen trat ein. Annabell bedankte sich und reichteden Teller weiter, bevor Nathan danach haschen konnte.

    Thomas nahm ihn dankend entgegen und stellte ihn nebensich ab. Zu weit entfernt, als dass der Duke zugreifen knnte.

    Lynnwood schtzt mich, knurrte Nathan, wobei er aufdie Frau an seiner Seite herabsah. Die lchelte verliebt zu ihmauf, und aus dem leichten Groll des Dukes wurde sanfte Zu-friedenheit. Er beugte sich vor. Thomas rusperte sich, warihm doch nicht daran gelegen, die Vertrautheiten der Freundezu beobachten. Wann erwartest du deine Cousine?, wandteer sich an Annabell, die sich an ihren Gatten lehnte.

    Sie ist schon da. Sie zuckte die Schultern. Sie echauffiertsich darber, dass Madeleine in Graystoke blieb und Ninet-te ...

    Thomas unterdrckte ein Lachen. Marie und ihr ber-schumendes Temperament. Es wundert mich, dass duAmelie, Natalia und Lennart auf dem Land gelassen hast.

    Annabell errtete und warf ihrem Gatten einen verschm-ten Blick zu.

    Hat sie nicht, grummelte Nathan. Wir haben die Kindermitgebracht.

  • Thomas kannte Nathan viel zu gut, um sich narren zu las-sen. Es war Annabells Wunsch gewesen, und der Duke hattesie, trotz andersgearteter Auffassung, gewhren lassen. Mu-nition, die Thomas zu gern verwendete, um den Freund aufdie Palme zu bringen. Dieses Mal jedoch ungenutzt lie.Dann sollte ich den Ladys wohl meine Referenz erweisen.Er nippte an seinem Tee. Annabell hob fragend eine Braue.

    Nur zu, frohlockte Nathan mit einem breiten Grinsen.Thomas roch eine Falle meilenweit gegen den Wind, wes-

    halb er gewarnt schmunzelte. Er konnte sich denken, dassNathan davon ausging, dass er sich mit einem Baby im Armblamieren wrde. Nathan und er sprachen nicht ber Tho-mas Besuche bei seinen Schwestern. Es kam lediglich zurSprache, dass er eine Weile nicht in England wre beziehungs-weise nicht in London. Wie eng Thomas mit seinen Schwes-tern, Nichten und Neffen verbunden war, konnte Nathannicht ahnen. Thomas versagte sich ein verrterisches Grinsen.

    Du mchtest ins Kinderzimmer? Annabell klang so irri-tiert, wie sie dreinsah.

    Aber ja. Wer wei, wenn Amelie nach Bell kommt, warteich vielleicht noch sechzehn Jahre mit meiner Vereheli-chung. Er zuckte die Schulter und zwinkerte der Freundinzu, die mit einem Schmollmund den Kopf schttelte.

    Himmel hilf, ja nicht!, chzte Nathan reichlich verstrtund wendete sich an die Gattin: Wie macht sich Lynn? Ir-gendwelche ... Aufflligkeiten?

    Ich mag mich irren, aber ist Lynn nicht ebenfalls noch inden Windeln?, lachte Thomas und schttelte den Kopf.

    Hr nicht auf ihn, Thomas, bat Annabell und stand auf.Wenn du tatschlich ins Kinderzimmer gehen mchtest, be-gleite ich dich.

    Oh, ich auch!, murmelte Nathan und rieb sich die Hnde.Er war gleichsam mit der Gattin aufgestanden und schnappte

  • sich ihre Hand, um sie auf seiner Ellenbeuge abzulegen. Tho-mas folgte ihnen durch das Haus. Im zweiten Stock ffneteder Hausherr die Tr zu einem Schlafzimmer und wartetedann auf ihn, um ihn mit einem Grinsen vorzulassen.

    Marie! Annabell trat auf die Cousine zu, die ein kleinesWesen in die Luft hielt und sich mit ihm drehte, dass es nurso jauchzte.

    Thomas verharrte berrascht. Er hatte das Mdchen viel-leicht ein Jahr lang nicht gesehen, seit der Taufe des Kindes inihrem Arm, und er hatte nicht damit gerechnet, dass sie sichverndert haben knnte. Er runzelte die Stirn. Verndert warnicht das richtige Wort. Sie war vielleicht noch etwas gewach-sen. Trug ihr wallendes sonnenblondes Haar zu einer auf-wendigen Hochsteckfrisur und schlichtem Schmuck. Ohr-hnger in Form von Schmetterlingen und eine dazu passendeHalskette. Ihr Kleid war dabei wohl das Aufflligste. Esschmiegte sich eng an ihren Oberkrper, um dann in boden-langen Rcken herabzuflieen. Modisch und fr ein Mdchenim heiratsfhigen Alter passend. Dabei harmonierte es farb-lich vortrefflich mit ihren Augen.

    Annie, grte sie mit einem halben Lcheln, das ver-schwand, als sie vor Nathan knickste. Euer Gnaden. Siesetzte das Baby auf ihre Hfte, wobei sie sich zur Seite schob.Ihr Blick glitt weiter und blieb an Thomas hngen. Lord Ar-gyll. Ihre Stirn runzelte sich. Ich wage nicht zu fragen, wasSie hier zu suchen haben. Ruppigkeit war er von ihr gewohnt,und so berwand Thomas seine berraschung schnell wieder.Er setzte das verfhrerische Grinsen auf, das ihm fast zurzweiten Natur geworden war, und zwinkerte der Debtantinzu. Letztendlich war sie eine Frau wie jede andere. Und ermochte es, wenn sie ihm zu Fen lagen bei so wenig Mhewie einem Lcheln und wohlgesetzten Worten. Lady Marie,welch hbschen Anblick Sie bieten!

  • Marie riss die Augen auf und sah an sich herab, um sichihrer tadellosen Aufmachung zu versichern. Ihre freie Handflog an ihr Dekollet. Thomas folgte der Geste eher unbeab-sichtigt und seufzte leise. Sie war tatschlich tadellos gekleidet.Ihr Vormittagskleid bestach zwar mit einem Ausschnitt, leiderwar dieser aber mit einem Fichu bedeckt, so dass lediglich eineIdee von den darunterliegenden Schtzen blieb. Ihr Blick hobsich, wobei sie die Augen verengte. Thomas seufzte erneut undnahm es gelassen. Da Angriff die beste Verteidigung war, trater auf sie zu und schnappte sich zunchst ihre Hand zumflchtigen Kuss, bevor er ihr das Kind stahl.

    Zu freundlich ..., zischte sie und keuchte erschrocken auf,da Thomas sie berhrte, als er Marie Amelie abnahm. Was?

    Thomas knuddelte das Baby, das kaum weniger vergngtjauchzte als zuvor in den Armen des Mdchens. Mylady isttatschlich eine hinreiende Schnheit! Er ksste die kleineNase und lie sich mit den kleinen Patschehndchen betat-schen. Amelie kicherte begeistert. Da!

    Nicht so frmlich, Liebes, versuch es mit Thomas.Marie schnaubte abfllig und verengte ihre Saphire zu klei-

    nen Schlitzen. Sie knnen Ihre Bemhungen einstellen, LordArgyll. Amelie wird zu klug sein, um auf Sie hereinzufallen!

    Da!, besttigte das Baby zufrieden und umarmte ihn.Au contrair, Madame. Sie liebt mich. Thomas drehte sich

    zu Nathan um, der ihn verblfft anstarrte. Herzallerliebst, dieLady.

    Was hast du mir verschwiegen, Thomas?, erkundigte sichAnnabell und trat dabei nher zu ihm, um ihrer Tochter berdas rabenschwarze Haar zu streicheln.

    Httest du mir mal eine Chance gegeben, hielt er ihr vor.Er sah auf das Baby herab und seufzte. Ganz der Vater. Dasarme Kind.

  • Was soll das denn wieder heien?, murrte Nathan undnahm ihm das Kind ab. Da-da!, krhte die Kleine und lachteverzckt, whrend sie sich an ihn schmiegte. Sie ist meinkleines Mdchen. Und sie ist eine Schnheit! Er drckte demBaby einen Kuss auf. Du wirst schon sehen, jeder wird ihr zuFen liegen! Sie werden mssen!

    Marie schnaubte: Wie hltst du es mit ihm nur aus? SeinerGnaden berheblichkeit ist kaum zu ertragen. Sie schttelteden Kopf. Herrje, sie ist ein Baby! Es ist fraglich, inwiefernsie in der Lage sein wird, irgendjemanden zu begeistern! Sieschttelte noch immer den Kopf. Aber natrlich wird sie be-gehrt sein, weil sie Seiner Gnaden Tochter ist! Sie unterbrachsich seufzend. Arme kleine Amelie. Sie betrachtete das Babymitleidig. Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Euer Gna-den, Mylord. Marie warf ihm noch einen undeutbaren Blickzu, knickste und rauschte los.

    Lady Marie, im Theater zeigen sie heute Abend eine Adap-tion von Goldsmiths Der Pfarrer von Wakefield. EingedenkIhres Interesses an empfindsamen Geschichten mchten Siemich vielleicht begleiten? Thomas wusste nicht genau, waser damit bezweckte, aber der Vorschlag hatte seinen Reiz. Un-ergrndlicherweise.

    Die Lady drehte sich berrascht wieder um.Willst du sie gleich ruinieren?, knirschte Nathan, durch-

    aus indigniert ber Maries Worte, was seine verbissene Mienebezeugte. Er bergab das Baby der Mutter.

    Nathan, mahnte Annabell. Ich knnte sie begleiten.Thomas behielt das Mdchen im Auge. Auf ihrer Stirn

    stand ein Runzeln. Hatte er sie gekdert? Wrde sie ihre Ab-neigung zugunsten eines Theaterbesuches zur Seite schieben?Sie mochte das Theater, Liebesgeschichten und Romantik. Ihnjedoch nicht. Nun, er war in guter Gesellschaft. Ihren ange-heirateten Cousin, den Duke, mochte sie noch weniger. Er hob

  • eine Braue, als sie die Lippen zusammenpresste. Hatte sie ihndurchschaut?

    Annabell, Seine Gnaden besitzt sicherlich auch eine Loge,nicht wahr?

    Der Weg also. Sie versuchte den Theaterbesuch zu bekom-men, ohne dabei seiner Gesellschaft ausgesetzt zu sein. Dummnur, dass sie die erhalten wrde, was auch immer nun be-schlossen wurde. Er wrde sicherlich nicht einsam in seinerLoge sitzen, wenn die hinreiende Annabell wenige Rumeentfernt sa. Mit oder ohne Begleitung.

    Natrlich, besttigte die Duchess und sah rtselhaft vonder Cousine zu ihm. Wenn du ins Theater mchtest, Marie,werden wir Thomas begleiten.

    Fein, murrte Marie deutlich missgestimmt. Dann freueich mich bereits auf den angenehmen Abend. Mylord. Siesenkte anmutig ihr Haupt und strebte mit starren Schulternhinaus.

    Sie mag dich nicht, stellte Nathan zufrieden fest und ver-schrnkte die Arme vor der Brust. Seine Begeisterungschwand jedoch und machte Nachdenklichkeit Platz. Anna-bell, wir knnten vor einem nicht geringen Problem stehen.

    Annabell seufzte. Man kann es ihr kaum zum Vorwurfmachen.

    Thomas stutzte. Natrlich besa er nicht gerade das besteRenommee, aber im Grunde war er ein vertrglicher Geselle.Ein angenehmer Gesprchspartner, herausragender Tanz-partner und gefragter Liebhaber. Nun, bis vor wenigen Jahrenzumindest. Allerdings war dies ohnehin nebenschlich,schlielich plante er nicht, die Lady zu verfhren. Annabellwre sicherlich sehr enttuscht, sollte er dies versuchen. Undgelingen wrde es vermutlich auch nicht.

    Sie kann mich auch nicht leiden. Was sollen wir tun, wennsie niemanden leiden kann?

  • Sie mag Marcus. Und ihre Schwager Randell und Roche-fort, verteidigte Annabell die Cousine.

    Albert mochte sie auch nicht, fgte Nathan seinen ver-storbenen Bruder an.

    Annabell presste die Lippen aufeinander. Sie war zu jung,um seinen Entschluss zu verstehen. Sie htte ihn sicherlichnoch schtzen gelernt.

    Ich unterbreche ungern einen Streit zwischen euch, aberletztlich bleibt nur, das Beste zu hoffen. Thomas zuckte dieSchultern. Sicherlich wei Marie, dass sie nur die Wahl hat,einen Gatten zu finden oder zuknftig auch weiterhin derWeisung ihres Vaters zu unterstehen. Und soweit ich es be-urteilen kann, kann sie Windermere am allerwenigsten leiden.

    Kein Wunder, murmelte Nathan mit einem bitteren Sei-tenblick auf seine Gattin. Annabell war erblichen und mur-melte: Oh mein Gott! Sie wird ...

    Eine Entscheidung treffen, beruhigte Thomas die Du-chess, wobei er ihre Hand aufnahm, um sie versichernd zudrcken. Es muss doch jemanden geben, der ihr Herz er-weicht.

    Marie setzte sich auf den ihr zugewiesenen Platz und igno-rierte ihre Begleitung. Sie hatte den Regen der Traufe vorge-zogen, sprich: sich von dem vermaledeiten Viscount Argyllins Theater begleiten lassen. Annabell nahm neben ihr Platzund sah verliebt zu ihrem Gatten auf. Marie rollte entnervtmit den Augen. Es war ihr unverstndlich, was ihre sanfte,zarte Cousine dazu bewogen hatte, diesen Mann zu heiraten.Der Duke war ein unsensibler Mistkerl. Ein egoistischer Frau-enheld und Annabells nicht wert. Argyll war nur hauchdnnvorziehbar. Obwohl der nicht einmal Respekt vor Frauen hat-te und tatschlich glaubte, jede mit seinem Charme einlullen

  • zu knnen. Dummer, eitler Narr! Sie presste die Lippen auf-einander und hob das Kinn.

    Darf ich Ihnen das Programm reichen, Mylady? Argylllehnte sich zu ihr vor und grinste unverschmt, wobei sich einGrbchen in seine rechte Wange bohrte.

    Marie biss die Zhne fest aufeinander. Ihre Hnde balltensich zusammen, und sie hatte Mhe, ihre scharfen Worte zu-rckzuhalten, die ihr urpltzlich auf der Zunge lagen. Leiderhatte sie Benehmen versprechen mssen. Also blitzte sie ihnan, was er nicht einmal bemerkte. Danke, Mylord, wie zu-vorkommend von Ihnen. Die Worte blieben ihr frmlich imHals stecken. Argylls Grinsen gewann an Tiefe, ebenso wie ihrDrang, ihm den Kopf zu waschen.

    Es ist mir ein Vergngen, murmelte er mit einem Blick,der ihr eine Gnsehaut bereitete. Trotz ihres Versprechenswendete sie ihm brsk den Rcken zu. Vielleicht war Argylldoch der Schlimmere von beiden. Zumindest spottete derDuke nicht fortwhrend. Und er drngte ihr seine Gesellschaftauch nicht auf. Kent sah sie auch nicht an, als se sie entbltvor ihm. Sie runzelte die Stirn und warf dem Gegenstand ihrerMutmaungen einen Blick zu. Auch die Schwestern nichtoder die Cousinen. Eigentlich hatte sie noch nie beobachtet,dass er einer anderen Frau mehr als die notwendigste Auf-merksamkeit schenkte. Zumindest nicht, seit er Annabellerneut zur Frau genommen hatte.

    Obacht, Madame, raunte es verboten nahe an ihrem Ohr.Der Herr ist bereits vergeben.

    Marie riss die Augen auf und fuhr zu ihm herum. Was ?Ein Blick sagt manchmal mehr als tausend Worte, Marie.Ihr fehlte die Sprache, um ihn umgehend zu schelten. Das

    war schlicht unsinnig! Der Duke war der letzte Mann, fr densie jemals Gefhle entwickeln wrde. Argyll betrachtete sie

  • mitleidig. Wenn es Sie trstet, es wird irgendwann leichterzu ertragen sein.

    Das ist vollkommen ...Ah, es fngt an. Annabell griff nach ihrer Hand. Bist du

    sicher, dass du auf ein Lorgnon verzichten mchtest?Aus dem Konzept gebracht blinzelte Marie lediglich.Die Lady sieht, was sie zu sehen wnscht, sicherlich glas-

    klar auch ohne Sichthilfe, bemerkte Argyll mit einem Lachenin der Stimme. Und sollte sie dem Geschehen tiefere Beach-tung schenken wollen, bin ich bereit, ihr mein Sichtgert zuberlassen.

    Marie riss emprt die Augen auf. Die Cousine zuckte dieSchultern und wandte sich der Bhne zu.

    Sie sind, zischte sie zitternd vor Wut, hatte er doch im-pliziert, dass sie lieber den Duke anschmachtete, als dem Stckzu folgen.

    ... ganz fr Sie da, sollten Sie reden wollen. Ich versprecheIhnen, ich wei Geschichten zu erzhlen, die jegliches ro-mantische Gefhl ersticken werden. Er zwinkerte ihr zu undlehnte sich wieder zurck. Marie klappte den Mund zu. Sichumzudrehen erforderte ungeheure Willenskraft, und die fol-gende Dreiviertelstunde zog sich schmerzlich in die Lnge.Das Schlimmste daran war jedoch, dass Marie sich nicht aufdas Spiel einlassen konnte. Zur Pause wusste sie nicht einmalzu sagen, welche Kapitel noch folgten.

    Annabell mchtest du mich hinunterbegleiten, oder sollich dir und deiner reizenden Cousine ein Glas Champagnerbringen? Argyll beugte sich fr seine Frage zur Duchess vorund behinderte damit Maries Sicht auf die Cousine. Alles, wassie sah, war ein Schopf dunkelbraunen Haares und ein Ohr.Sie presste die Lippen aufeinander. Das Durcheinander, dasArgyll Frisur nannte, sollte wohl nonchalant wirken. Sie fand

  • es albern. Er sah aus wie ihr Cousin Jonathan, nachdem sieihm durchs Haar gefahren war. Und der Bub war gerade elf!

    Wie freundlich von dir, dich zu erbieten ..., behaupteteAnnabell erfreut.

    Marie knirschte mit den Zhnen. Floskeln hielt sie sich vor.Sie musste lernen, sie zu gebrauchen, ohne an ihre Leere zudenken.

    Mylady mchten Sie sich die Beine vertreten? Argyll hattesich ihr zugewandt und sah sie mit gerunzelter Stirn an.

    Sie blinzelte. Sie hatte vor sich hingestarrt, in die Richtung,in die ihr letzter Blick gerichtet gewesen war. Auf ihn. Rteschoss in ihre Wangen. Nein! Seine Pupillen weiteten sicherschrocken, was Marie nur noch mehr irritierte.

    Nein, danke, Mylord, ich sollte in der Loge bleiben. Sieversuchte, hflich zu lcheln, und sackte in ihrem Stuhl zu-sammen, als er sich endlich abwendete. Gott sei Dank dachteer, sie sei in den Duke verliebt.

    Wie kurzweilig, nicht wahr, frohlockte Annabell und griffnach ihrer Hand. Es ist ein wahnsinnig aufregendes Stck!

    Maries Lcheln schwankte, aber sie stimmte zu und erm-unterte die Cousine, ber das Schauspiel zu sprechen. Sieerging sich gerade ber die Tchter des Pfarrers, Olivia undSophia Primrose, als Argyll zurckkam.

    Bell, Mylady. Er reichte ihnen je einen Kelch und nahmwieder auf seinem Stuhl Platz. Ich traf Lord Worchester. LadyWorchester wird dich in den nchsten Tagen sicherlich auf-suchen.

    Oh, Lily ist in der Stadt? Wie reizend! Die Duchess strahl-te vor Freude. Habe ich dir von Lily erzhlt? Du wirst sielieben, Marie!

    Vermutlich eher bedauern. Nein, murmelte sie. Abervon Lord Worchester habe ich gehrt. Sie musste den Namenzwischen zusammengepressten Zhnen hervorzwngen.

  • Worchester war ebenso verrucht wie der Duke of Kent undViscount Argyll und hatte keinen Zweifel daran gelassen, aneiner Eheschlieung nicht interessiert zu sein.

    Lassen Sie mich raten, Lady Marie, Sie hrten von seinemRuf, mutmate Argyll auflachend.

    Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. Ich hrte, dass SeineGnaden, der Duke of Northumberland, Lady WorchestersBruder, Worchester an den Altar zwingen musste, damit erLady Worchester heiratete, nachdem er sie ruiniert hatte. Siehob herausfordernd eine Braue. Die Geschichte kommt mirbekannt vor ...

    Ich habe etwas anderes gehrt, nahm er die Herausfor-derung an, nicht ohne sie zu mustern. Dass Lady Worchesterihn so sehr liebte und sie sich weigerte, Ja zu sagen, solange esnicht Worchesters ausdrcklicher Wunsch war, sie zur Frauzu nehmen.

    Marie zog die Brauen zusammen. Das ist ja unsinnig!,zischte sie und schttelte den Kopf. Die Saalbeleuchtung wur-de gedmmt und sie abgewrgt: Darber sollte keiner voneuch Spekulationen anstellen. Wichtig ist, dass Lord Wor-chester sich besann! Ich mchte nicht, dass man in meinerGegenwart gemeinen Klatsch ber meine Freunde verbrei-tet! Annabell wendete sich ab und lehnte sich vor, um bessersehen zu knnen. In ihrer Miene verblieb ein Rest Ressenti-ment. Klatsch war der Duchess verhasst. Und in Anbetrachtihrer Vergangenheit, die der der Lady Worchester nicht un-hnlich war, konnte Marie es ihr nachfhlen. Sie presste dieLippen aufeinander und richtete ihre Aufmerksamkeit eben-falls auf die Bhne. Nochmal wrde sie nicht so dumm seinund Argylls Angebot zu irgendetwas annehmen. Der ganzeAbend war frchterlich, und dies lag einzig und allein an die-sem verfluchten Kerl!

  • Einige Tage spter

    Marie schritt unwillig an der Seite des Dukes die Treppe herab.Ihr Lcheln war starr, aber immerhin vertrieb ihr Unwille ihreNervositt. Die Befrchtung, zu fallen, stolpern oder sichsonst wie zu blamieren, hatte sie sogar bis in ihre Trume ver-folgt. Sie hatte Stunden damit zugebracht, die Treppe inWestbrook House hinabzuschweben, bis sie dank eines be-lustigten Kommentars tatschlich gestrzt war. Argyll hattesie mit einem vertraulichen Zwinkern aufgefangen. Hopsa-la! Selbst drei Tage spter stieg heie Wut in ihr auf bei derErinnerung an seine unverschmte Musterung. Htte er ver-sucht, sie zu kssen, sie htte ihn die Stufen hinunterge-schubst. Ohne Reue!

    Sie erreichten die letzte Stufe, und Marie seufzte erleichtert.Kent fhrte sie zu einer Gruppe und begann sie vorzustellen.Marie versuchte sich an einem strahlenden, aufmerksamenGesicht und gab sich doppelt ehrerbietig. Heuchelei konntein ihrem Fall nur dienlich sein, hatte Annabell gemahnt, alsMarie sie darauf hinwies, wie verlogen es war, so zu tun, alsschtzte man jemanden aufgrund seines erhabenen Titels.

    Mylady, murmelte der Earl of Spencer und drckte ihreinen Kuss auf die Fingerspitzen. Marie knickste. Mylord, esist mir eine Ehre.

    Selbstverstndlich, Kindchen. Erlauben Sie mir doch,mich auf Ihrer Tanzkarte einzutragen.

    Marie hielt ihm das Zettelchen hin und sthnte im Stillen.Ein Earl, das wrde ihrem Vater sicherlich gefallen. UndSpencer war auch nicht unvermgend. Sie musterte ihn er-neut. Haare in undefinierbarem Blond, verwsserte blau-grne Augen und sicherlich jenseits der dreiig. Nun,vielleicht entpuppte er sich als unterhaltsamer Gesellschafter?

    Der erste Walzer?

  • Marie lchelte als Zustimmung, und der Lord verabschie-dete sich.

    Die erste Eroberung?, raunte Argyll in ihr Ohr. Sie zucktezusammen, verkniff die Lippen und zischte, bevor sie ihreWorte berdachte: Die erste? Nein. Die mssen Sie gewesensein, wie sonst ist es zu erklren, dass ich mich stndig IhrerGesellschaft ausgesetzt sehe?

    Der unverschmte Kerl besa die Frechheit zu lachen, dabeikam das Grbchen an seiner rechten Wange besondershbsch zur Geltung. Marie wrgte ihr Retikl mit der Vor-stellung, es wre sein Hals.

    Ah, ma chre dame, wenn Sie es wnschen, spiele ich gerneIhren brennendsten Verehrer. Argyll zwinkerte ihr zu, ergriffihre Hand und drckte ihr nicht nur einen Kuss auf die Fin-gerknchel.

    Sie entriss ihm brsk die Hand. Tun Sie das, wenn Siemssen, aber bitte vom anderen Ende der Stadt aus!

    Wieder lachte er auf. Mylady, Sie sind bezaubernd!Thomas, murrte der Duke und lehnte sich vertraulich

    zum Freund. Was tust du denn? Der halbe Saal schaut zueuch hinber!

    Grinsend zuckte Argyll die Schultern. Annabell bat michum Mithilfe.

    Nicht zu ihrem Ruin!, zischte der Duke und wendete sichdann ihr zu. Lady Marie, es wre mir eine Ehre, wenn Sie mirden ersten Tanz gestatteten.

    Eine Plattitde. Den ersten Tanz auf einem Ball absolvierteman meist mit seiner Begleitung, so man ihn nicht auslie. Siehatte demnach keine Wahl. Zhneknirschend hob sie denArm, um dem Duke die Hand zu reichen. Die wurde allerdingsabgefangen und Marie mit einem Ruck nach vorn gezogen.Sie keuchte berrascht. Mylady versprach den ersten Tanzschon mir.

  • Bevor sie Gelegenheit bekam zu protestieren, wurde sie be-reits zur Tanzflche gezogen. Nicht ganz so entsetzt, Mylady.Wer soll uns sonst unsere Posse abkaufen?, raunte Argyll,wobei er ihr unangenehm nahekam. Sein Atem strich berihre Wange. Sie blinzelte verwirrt. Posse?

    Sie werden sehen, Sie werden sich vor Gentlemen nichtretten knnen, und das schon an Ihrem ersten Auftritt in derGesellschaft. Sie bertreffen ihre Schwester, Lady Randell.

    Sie glauben doch nicht ernstlich, dass ... Der Mann warunglaublich arrogant. Sein aufgesetztes Interesse wrde si-cherlich keinen Ansturm auf sie auslsen!

    Bedenken Sie, dass meine Verehrung fr ihre hinreiendeCousine kein Geheimnis ist. Bell ist zudem allseits geachtet.Wenn mein Augenmerk demnach auf Sie abdriftet ..., impli-zierte es, dass sie womglich noch herausstechender war alsdie Duchess. Sprachlos sah sie zu ihm auf.

    Allerdings werden wir nur Erfolg haben, wenn Sie ihrMundwerk im Zaum halten knnen, bis Sie sich etabliert ha-ben. Trotz der Ernsthaftigkeit seiner Stimme grinste er un-verschmt auf sie herab. Seien Sie unbesorgt, Lady Marie. Siebrauchen dazu keinerlei Sympathie fr mich heucheln.

    Na, Gott sei Dank!, murmelte sie und unterdrckte einSchaudern. Sie wechselte den Tanzpartner, lchelte reserviertzu ihm auf und verblieb doch in Gedanken bei Argyll. Dass erso ein gewiefter Fuchs war, hatte sie ihm gar nicht zugetraut.Sie kam zu ihm zurck und lie sich aufheben. Trotz ihrermentalen Abwesenheit gewahrte sie, dass er sie viel nherhielt, als es die Figur vorsah. Sie blitzte ihn an. UnterlassenSie das geflligst!

    Er setzte sie mit einem herausfordernden Zwinkern ab undschwang sie herum. Aber warum denn? Es treibt eine entz-ckende Rte in ihre Wangen.

  • Ich denke, ich verzichte lieber auf Ihre Hilfe!, zischte Ma-rie mit sich hadernd. Sie machte sich keinerlei Illusionen berihre Chancen, einen Gatten zu finden. Ihre Schwester Ninettewar eine Unvergleichliche gewesen mit einer wahren Heer-schar von Verehrern. Dennoch war die Zahl der erhaltenenAntrge gering. Seitdem hatte sich die finanzielle Situationihres Vaters noch verschlechtert, was bedeutete, dass sie wo-mglich keine groe Mitgift zu erwarten hatte. Oder garkeine? Sie erschauerte betroffen. Wenn sich ihrer nun nie-mand erbarmen wrde? Kein Gatte, kein sicheres Heim undauch keine Kinder. Welch trauriger Ausblick in die Zukunft.Ganz zu schweigen davon, weiterhin der Unbill ihres Vatersausgesetzt zu sein.

    Tatschlich?, murmelte Argyll und gab sie wieder weiter.Marie dampfte vor rger und musste dennoch zu dem ande-ren Mann gelassen auflcheln. Er wre keine Hilfe, schlielichwar er es, der sie unablssig auf die Palme brachte! Nach zweiDrehungen war sie wieder in Argylls Armen.

    Dabei genieen Sie es doch, in meinen Armen zu liegen.Auch diese Behauptung konnte sie nicht gleich zurckwei-

    sen, denn der Tanz erforderte, dass sie vor ihm herschritt. Siekaute ihre Zunge wund. Wie gerne wrde sie ihm die Levitenlesen! Allerdings war es wohl zwecklos. Ungefhr so wie einemHund das Schnffeln zu verbieten. Sie drehte sich zu ihm um,entschlossen, ihn zuknftig zu ignorieren.

    Ich sollte schnell einen Gatten fr Sie finden, bevor IhreNeigung fr mich allzu offensichtlich wird.

    Marie stockte vor Emprung schier der Atem. Sie!Er schwang sie im Kreis und verbeugte sich galant vor ihr,

    dann wollte er wieder nach ihrer Hand greifen, aber dieses Malwar sie schneller. Sie blitzte ihn an, hob das Kinn und be-hauptete: Danke, Mylord, Sie brauchen mich nicht zurck-zubegleiten! Sie drehte ihm den Rcken zu und stampfte los.

  • Nach wenigen Schritten hatte er sie eingeholt, nach ihremArm gegriffen und ihren Abmarsch wirksam unterbrochenmit den Worten Sie laufen in die falsche Richtung, Lady Ma-rie.

    Argyll, altes Haus, mchten Sie mir Ihre reizende Beglei-tung nicht vorstellen?

    Marie drehte den Kopf. Der Lord verbeugte sich vor ihr,wobei er sie eingehend musterte.

    Halten Sie sich fern von der Lady, Lord Leicester. Sie wol-len sich sicherlich nicht mit Kent anlegen, oder, warnteArgyll harsch und zog sie hinter sich.

    Marie sah berrascht zu ihm auf. Sie hatte ihn nie wtenderlebt. Eigentlich nicht einmal ernst. Selbst als ihr CousinMarcus Beaufort, der Viscount of Suffolk und Annabells Bru-der, ihn zwingen wollte, Annabell zu heiraten, hatte er es mitHumor genommen. Dabei war er ihr zuvor nie zu nahe ge-nommen und hatte Annabell mit zurckhaltender Ehrerbie-tung behandelt, die in absolutem Gegensatz zu seinen Wortenstand.

    Der Earl of Leicester begegnete Argylls verbissener Mienemit verchtlichem Hochmut. Kent? Dann handelt es sich beidem Mdchen um die letzte Windermere-Schwester. Maria,nicht wahr? Der Earl grinste schmierig auf sie herab und lieseine Augen noch einmal an ihr herunterwandern. Ein unan-genehmer Schauer rann ber ihren Rcken. Sie hatte ArgyllsMusterung bereits als anzglich bewertet, bei dem Lord je-doch fhlte sie sich nicht nur nachlssig bekleidet, sondernnackt.

    Sie werden sich der Lady nicht nhern!, verdeutlichteArgyll und trat einen Schritt auf den anderen Lord zu. Sonstwird Seine Gnaden nicht ihr einziges Problem sein. Mit ei-nem letzten feurigen Blick kehrte Argyll um und schob sie vorsich her.

  • Einen schnen Abend noch, Lady Maria.Marie zog die Schultern hoch.Sie drfen sich niemals allein mit Leicester irgendwo auf-

    halten, Marie. Oder mit Mnnern wie ihm!, befahl er ihr rau,wobei er sie grimmig ansah. Das Grbchen war verschwun-den, und stattdessen kerbte sich ein tiefer Schnitt in seineWange.

    Mit Mnnern wie Ihnen, murmelte sie nickend und wur-de herumgedreht. Sie sah sich pltzlich seinen funkelndenAugen gegenber, die sie eindringlicher warnten als seineWorte. Ich nehme, was mir angeboten wird. Leicester wartetnicht auf eine Einladung. Er nimmt sich, was er will.

    Marie blinzelte. Sie musste ihn falsch verstanden haben.Nun kommen Sie, Bell macht sich sicherlich bereits Ge-

    danken.

    Thomas behielt das Mdchen im Auge. Nach Leicesters Ver-such, sich Marie vorzustellen, war er unruhig, wenn er sienicht ausmachen konnte, was leider zunehmend hufiger vor-kam. Solange sie in Bells Nhe war, konnte ihr nichts passie-ren, schlielich wusste er, dass sein Freund die Gattin ungernallein lie. Allerdings hatte seine Posse durchaus negativeAuswirkungen. Marie war begehrt, belagert gar, und unterden Herren waren nicht nur angemessene Verehrer. Leicesterhielt sich fern, dafr fanden sich Belmont und der junge Cars-tairs ein. Mr Kincade und Mr Sedgewick waren ebenfalls beidekein unbeschriebenes Blatt, wenn es um falschen Umgang mitDebtantinnen ging. Und sie vergab ihre Tnze in rascherAbfolge. Er sollte sie darauf hinweisen, dass es immer gut war,sich rarzumachen.

    Thomas umrundete die Tanzflche und ging dabei einigenDamen aus dem Weg, deren Begrung ihn nur von Marieabgelenkt htte. Er gesellte sich unauffllig zu seinem Freund,

  • der die Seite seiner Gattin zugunsten von etwas mehr Spiel-raum verlassen hatte. Nathan sah ihn kurz missgestimmt an,bevor er in der Traube Menschen vor ihnen wieder nach demblonden Schopf Annabells suchte.

    Verflixt!Bell hlt Hof?, erkundigte Thomas sich spottend und

    lehnte sich wie der Duke gegen die Wand. Wie der Freund lieer seine Augen ber die Menschenmenge gleiten.

    Nathan murrte unzufrieden. Leider. Nun, Marie wird esnutzen.

    Und auf lange Sicht gesehen auch dir.Nathan warf ihm einen druenden Blick zu. Ach, und wie

    das?Sobald Marie unter der Haube ist, hast du dein Haus wie-

    der fr dich. Thomas unterbrach sich, bevor er den eigentli-chen Benefit nannte: Und Bell.

    Nathan runzelte die Stirn. Er verschrnkte die Arme vor derBrust, bevor er die Idee lobte. Allerdings bin ich mir nichtsicher, dass es so leicht sein wird.

    Wegen der zuvor besprochenen Problematik? Der finanz-iellen Situation ihres Vaters? Ist sie denn so angespannt? Nunzog auch Thomas die Stirn in Falten. Es gab nicht viele Mn-ner, bei denen die Hhe der Mitgift bei der Wahl einer Gattinkeine Rolle spielte. Zwar gab es durchaus genug Gentlemen,die vermgend genug waren, um nicht auf die Mitgift ange-wiesen zu sein, aber denen musste man einen anderen Anreizbieten.

    Nein. Um sie loszuwerden, zahle ich gerne drauf, grum-melte Nathan und wandte seine Aufmerksamkeit wieder demPulk zu. Allerdings hat Marie auch andere Mankos.

    Thomas tat berrascht, obwohl er meinte, zumindest einenweiteren negativen Aspekt zu kennen: ihr Ungestm. So?

  • Nathan war gezwungen, die Suche nach seiner Gattin er-neut abzubrechen. Sie trgt ihr Herz auf der Zunge. Es ist nureine Frage der Zeit, bis sie sich unmglich gemacht hat. Einepechschwarze Braue hob sich in dem markanten Gesicht desDukes. Oder kannst du dir vorstellen, jeden Morgen nebenihr aufzuwachen und dies fr den Rest deines Lebens? Of-fenkundig eine grausige Vorstellung fr den Duke. Thomasmusste lachen. Neben Marie aufzuwachen, mochte in der Tatein Abenteuer sein, je nachdem, ob sie sich wie eine wildeKatze gebrdete, oder nicht. Nein, besttigte er mit einemKopfschtteln. Jedoch ist es auch nicht notwendig. Ich habeein eigenes Bett, wie auch jeder Einzelne in diesem Saal.

    Nathan errtete leicht und rusperte sich. Das meinte ichnicht!

    Arme Bell, nicht einmal in Ruhe schlafen lsst du sie.Thomas setzte eine missbilligende Miene auf.

    Natrlich lasse ich Annabell schlafen, murmelte derDuke und reckte unangenehm berhrt die Schultern, wozu erseine lssige Pose aufgeben musste.

    Hm. Thomas gab den Punkt auf. Ich nehme an, nebenBell aufzuwachen, hat dich nie in Schrecken versetzt? Eineunntige Frage. Den Tag in Bells Armen zu beginnen, warsicherlich erstrebenswert.

    Natrlich nicht! Das war der Grund, warum ich berhauptdaran dachte, sie so bald wie mglich zu heiraten. Wie sie michangesehen hat ... Nathan versank in angenehmer Erinnerung.

    Thomas wandte sich ab. Er konnte es sich schwerlich vor-stellen, wie ein Blick in unschuldige Mdchenaugen einenstadtbekannten Rou zur Monogamie betren konnte. Als erBell kennenlernte, waren der Duke und seine Duchess bereitssieben lange Jahre verheiratet gewesen und Bell schon langekein unschuldiges Mdchen mehr, sondern eine betrendeFrau. Thomas konnte sich wesentlich mehr vorstellen, als nur

  • neben ihr aufzuwachen. Er seufzte. Bell wrde er niemals frsich gewinnen knnen, ganz gleich, ob Nathan zwischen ih-nen stand oder nicht. Seufzend lie er seine Augen ber dieGruppe vor ihnen gleiten. Bell plauderte mit dem Marquessof Lynnwood, der dabei seinen Blick kaum von seiner Mar-chioness nahm, die neben der Duchess mit Lord Pembrooksprach. Marie stand mit leuchtenden Wangen neben Mr Nor-ton und sah interessiert zu ihm auf. Ob Norton darbernachdachte, wie es wre, neben Marie aufzuwachen?

    Thomas zog die Brauen ber der Nasenwurzel zusammen.Er hatte noch nie den Wunsch versprt. Und es kam hchstselten vor, dass er sich in einer solchen Situation wiederfand.Zumal er meist nicht mit einer Liebschaft einschlief. Er hattees auch nicht erwartet, es mal mit seiner Gattin zu tun. Unddie war immerhin durchaus eingeplant. Irgendwann in fernerZukunft.

    Marie senkte flatternd die Wimpern. Auf ihren Wangen lagein sanfter roter Schein. Ihre Lippen waren leicht geffnet. Einunheimlich lieblicher Anblick.

    Am nchsten Tag

    Lord Argyll. Marie verhielt in ihrem Schritt. Sie war auf derSuche nach ihrem kleinen Grocousin Lennart. Der Dreijh-rige hatte eine Schwche fr das Versteckspiel, und da sie esals Kind ebenso geliebt hatte, war sie gern bereit, mit demKleinen zu spielen. Der Viscount machte eine Verbeugung.Mylady. Seine Augen huschten ber sie hinweg, und aufseinen Lippen formte sich das altbekannte, leicht anzglicheGrinsen.

    Sie presste die Lippen aufeinander. Er war unausstehlich!Sie hob das Kinn. Ihre Gnaden ist nicht im Haus. Seine Gna-den drfte sich in seinem Arbeitszimmer aufhalten. Sie setzte

  • sich wieder in Bewegung. Am Fu der Treppe fgte sie hinzu:Wenn Sie mich entschuldigen wollen.

    Lieber nicht.Marie stockte erneut und wendete den Kopf, um ihn anzu-

    sehen. Wie meinen?Ich bin hier, um den Tee in Gesellschaft einer betrenden

    Lady zu nehmen. Da Bell nicht abkmmlich ist, verdammenSie mich mit Ihrer Absage dazu, meine Zeit mit dem Duke zuverbringen. Dass ihm die Aussicht nicht behagte, bezeugteseine Leichenbittermiene. Marie atmete tief durch.

    Mylord, so wie ich es bisher sah, suchten Sie frher hu-figer die Gesellschaft des Dukes.

    Oh ja, besttigte Argyll mit einem Lachen in der Stimme.Haben Sie krzlich Zeit mit Seiner Gnaden verbracht?

    Marie verengte die Augen. Tglich, wie Sie sehr wohl wis-sen!

    Tatschlich? Der Viscount zog unglubig eine Brauehoch. Allein? Er legte den Kopf schrg. Dabei denkt er, Sieknnten ihn nicht ausstehen.

    Sie fuhr herum, die Hnde zu Fusten geballt und mit ver-kniffenen Lippen. Er war unmglich! Selbstverstndlichnicht!

    Argyll nickte nachdenklich. Aber mir wollen Sie seine Ge-sellschaft aufzwingen? Wie herzlos!

    Marie blinzelte verwirrt. Sie brauchte einen Moment zurBesinnung, um hinter die Bedeutung seiner Worte zu kom-men. Ich bin nie mit ihm allein!, stellte sie giftig richtig.Was Sie ebenfalls sehr wohl wissen. Genau wie, dass ich Ih-nen nicht Gesellschaft leisten knnte, selbst wenn ich es inBetracht ziehen wrde!

    Was Sie nicht tun.Nein.Warum nicht?

  • Marie blinzelte erneut. Ich wre ruiniert!, fuhr sie ihn anund htte ihn gern gehrig geschttelt. Als msste man danachfragen. Der Grund war doch offenkundig. Das Grinsendes Lords wuchs in die Breite.

    Ich verspreche, dass ich nicht vorhabe, Sie zu ruinieren.Wie freundlich von Ihnen, Lord Argyll! Nicht, dass Sie bei

    einem Versuch Erfolg gehabt htten. Mit Sicherheit nicht.Sollte er auch nur den Versuch unternehmen, sie zu kssen,wrde er sein blaues Wunder erleben.

    Das habe ich befrchtet, seufzte Argyll mit einem nunsehr breiten Grinsen. Ich dachte allerdings daran, meine ent-zckende Patentochter als Ihren Beistand einzusetzen. Selbst-verstndlich inklusive deren Kinderfrau ...

    Marie zog erschrocken Luft ein. Lennart! Sie hatte ihn vlligvergessen. Sie schwang auf der Hacke herum. Wo wrde derKleine sich wohl verstecken? Sie begann mit der ersten Tr zuihrer Rechten. Ein Salon, der durch Schiebetren zu einemgreren Raum gemacht werden konnte und in dem derzeitberzhlige Sitzgelegenheiten gelagert wurden. Sie schlich aufdie einzige Chaiselongue zu, kniete sich vorsichtig auf dasPolster und beugte sich vor. Enttuscht sackte sie zurck. Dasknnte lnger dauern. Warum hatte sie den Suchbereich nichteingegrenzt?

    Sie verblffen mich, Mylady.Sie fuhr herum und starrte berrascht zu ihm auf. Er stand

    vor ihr und grinste unverschmt auf sie herab. Eine seinerdunklen Brauen verschwand unter einer in die Stirn fallendenLocke.

    Ihre Umbesinnung. Sein Grinsen wurde breiter, und dieArt, wie er sie ansah, lie sie erschauern. Und ausgerechnetso.

    Bitte?

  • Ich stehe Ihnen gern zur Verfgung, Mylady, murmelteer in einer Stimmlage, die ihr noch einen Schauer ber denRcken jagte. Er ergriff ihre Hand, zog sie zu sich hoch undan sich. Aber nicht so ... Er seufzte und lie sie los.

    Marie blinzelte. Sie hatte offensichtlich etwas Wichtigesverpasst. Wozu stehen Sie mir zur Verfgung?, setzte sie anseinen letzten verstndlichen Worten an, wobei sie ihn rger-lich musterte. Er schien sehr mit sich zufrieden.

    Bei allem, Mylady. Allerdings halte ich es fr eine uerstdumme Idee, Sie in diesem Rahmen ... Wie nannten Sie es? Sieruinieren?

    Glaubte dieser unverschmte Kerl, sie wolle ... Sie keuchte.Mit Kent im Haus und Bell, die sicherlich nicht entzckt

    wre ... In seinen Augen blitzte es.Ich sagte bereits, dass ich keineswegs daran denke, mich

    Ihretwegen zu ruinieren!, fuhr sie ihn wtend an. Und nunlassen Sie mich endlich nach Lennart sehen!

    Seine Miene verlor sein Grinsen. Ist er ? Fast wirkte erbesorgt.

    Versteckt. Und ich versprach, ihn zu suchen.Argyll atmete tief durch. Dann finden Sie ihn sicherlich in

    einem der Kinderzimmer.Marie schnaubte unwillig. Was fr ein Dummkopf er war!

    Nein. Er ist irgendwo ... Und ich werde ihn schon finden.Aber nur, wenn sie ihre Zeit nicht damit vertat, mit Argyll berseine Anzglichkeiten zu streiten. Sie trat an ihm vorbei.

    Hier unten?, erkundigte sich der Viscount verblfft. Erversteckt sich hier unten?

    Marie sah sich gezwungen, ihm zu antworten. Ich nehmees an. Und Lynn auch.

    Lynn?, grunzte Argyll, Der Earl of Lynn? LynnwoodsSohn?

  • Sie drehte sich zu ihm um. Er war ihr in den Flur gefolgtund sah sie an, als fehlte es ihr an Verstand. Ebendieser. LadyLynnwood brachte ihn mit, bevor sie mit Annabell ausging.Ich wollte mit ihnen spielen.

    Verstecken? Und auch noch im Haus anstelle ...Oben sollten Amelie und Natalia schlafen, verteidigte

    sich Marie, wobei ihr unangenehm Hitze ins Gesicht schoss.Vielleicht war es doch keine allzu gute Idee gewesen.

    Argyll kniff die Lippen zusammen. Er missbilligte ihr Ver-halten, sparte sich aber jedes Wort dazu. Ich werde Ihnenhelfen, die Jungen zu finden.

    Das ist nicht ntig, versicherte sie schnell. So gro istdas Haus ...

    Ich helfe Ihnen!Marie brach ab und schluckte. Sie wollte erneut ausschla-

    gen, aber er schttelte den Kopf. Sie atmete ein. Nun gut.Sie senkte kurz die Lider und schluckte. Ich suche in denZimmern zur rechten Seite.

    Argyll nickte. Marie tat es ihm gleich, bevor sie sich ab-wendete und die Tr zum nchsten Zimmer anstrebte. Derzweite Teil des Salons. Dieses Mal mit diversen Sthlen undBeistelltischen bestckt. Sie sah hinter den Vorhngen nachund in den Ecken, ohne die Jungen zu finden. Auch in dennchsten Rumen, einem Musikzimmer und dem Speisesaal,war niemand zu entdecken. Sie fragte eines der Hausmdchen,ob sie den kleinen Earl oder den kleinen Marquess Westbrook,Lennart, gesehen habe, aber auch das verlief im Sande. AmEnde des Gangs traf sie wieder auf Argyll. Sein verkniffenesGesicht sagte ihr auch ohne Worte, dass er die Jungen nichtgefunden hatte. Marie unterdrckte ein Seufzen. Vielleichtoben, murmelte sie und senkte den Blick.

    Nach Ihnen, Mylady. Er deutete den Gang entlang undfolgte ihr dann. Selbst auf der Treppe hielt er sich hinter ihr.

  • Am Kopf angelangt drehte sie sich hnderingend zu ihm um.Mylord, die Jungen sind sicherlich in einem der oberen Sa-lons. Sie ... Seine braunen Augen rieten ihr zu schweigen.

    Ich kme nicht umhin, Seine Gnaden von der Unauffind-barkeit seines Erben zu berichten, warnte er, wobei er un-terlie, die damit einhergehende Frage zu formulieren:Wollen Sie das?

    Marie nickte geknickt. Es war ohnehin unwahrscheinlich,dass der Duke nicht von ihrem Fauxpas erfuhr. Letztendlichwrde sie es ihm auch selbst gestehen, auch wenn dies bedeu-tete, die Kinder nicht mehr besuchen zu drfen. Ihre Schulternsackten herab, und sie musste blinzeln, um die Trnen zu-rckzuhalten.

    Sie teilten sich erneut auf. Marie nahm den Ostflgel undArgyll den Westflgel. Eine schiere Ewigkeit spter, nach derErkenntnis, dass die Buben weder im zweiten noch im drittenStock zu finden waren, gestand Marie ihre Dummheit ein.Ich htte ein anderes Spiel vorschlagen sollen, anstatt dasSuchgebiet zu vergrern. Dankbarerweise sparte sich Argyllauch diesmal einen Kommentar, obwohl sie ihn durchaus inseinem Antlitz ablesen konnte. Sie hatte ihn nie so ernst erlebt.Sie runzelte die Stirn. Auer vielleicht bei ihrem ersten Auf-tritt in der Gesellschaft, als sie von Lord Leicester angespro-chen worden war. Sie erschauerte unbehaglich. Ich solltenun ... Sie schluckte hart. Es schauderte ihr bei der Vorstel-lung, was Seine Gnaden zu ihrer Unbedachtheit sagen wrde.Aber da musste sie durch. Sie hob das Kinn. ... Seine Gnadeninformieren. Sie wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Ich nehmean, Sie mchten mich nicht begleiten?

    Nein.Nun hob sie doch den Blick. Er seufzte durchaus besorgt,

    aber dennoch Herr der Lage. Wir lassen die Dienstboten

  • nach den beiden suchen und beruhigen uns erst einmal beieiner Tasse Tee.

    Sie blinzelte verdutzt. Tee? Sie vermissten zwei kleine Kin-der, und er wollte Tee trinken?

    Er griff nach ihrem Ellenbogen und schob sie die Treppe inden ersten Stock hinunter und dann in Annabells bevorzugtenSalon. Er klingelte nach den Dienstboten und gab entspre-chende Order. Es ist unntig, Seine Gnaden zu beunruhi-gen.

    Jenkins, der Kentsche Butler nickte steif. Jawohl, Mylord.Marie starrte blicklos auf den Boden. Es war falsch, Seine

    Gnaden in Unkenntnis zu lassen. Setzen Sie sich, Lady Ma-rie.

    Sie lie sich auf einen Stuhl nieder und verkrampfte ihrezittrigen Finger in ihrem Rock. Wenn Lennart nun etwas zu-gestoen war? Die Treppe heruntergefallen oder in einemSchrank eingeschlossen?

    Eruieren wir, schlug Argyll vor und setzte sich zu ihr.Wo wrden sich kleine Kinder am ehesten verstecken?

    Unter Betten, hinter Vorhngen oder Schrnken, zhlteMarie schnell auf. Mein Lieblingsversteck waren Truhen.

    So?, murmelte Argyll erheitert. Sie blicken demnach aufeine ausgeprgte Erfahrung im Versteckspiel zurck?

    Marie runzelte die Stirn. Bitte?Ich erinnere mich an Ihre Vorliebe, Gesprche zu belau-

    schen.Ich, begann Marie ihre flammende Verteidigung, die sie

    abbrach, weil sie sich an einige Begebenheiten erinnerte, beidenen sie durchaus gelauscht hatte. Und von denen er wusste.Sie presste die Lippen aufeinander.

    Sie machten eine Studie daraus, wenn ich mich recht ent-sinne. Es ging um Antrge. Seine Besorgnis um die ent-schwundenen Jungen war verpufft, und sein Grinsen an

  • seinen blichen Platz zurckgekehrt. Der unbestndigsteGentleman, dem sie je begegnet war.

    Ich nehme an, Sie haben konkrete Vorstellungen, wie Ih-nen die Ehe angetragen werden soll? Er hob eine Braue undsah sie abwartend an. Htte er auch nur eine Spur neugieriggewirkt, oder gar interessiert, sie htte nicht geantwortet.

    Nein, schlug sie aus. Ich kann es mir nicht leisten, wh-lerisch zu sein.

    berrascht weiteten sich seine Augen, wodurch deren war-mes Braun noch intensiver zutage trat. Seine Iris war durch-zogen von hellen Linien, die bei den Pupillen zusammenliefen.

    Dennoch werden Sie ...Sie schttelte den Kopf. Jegliche Vorstellung weckt un-

    weigerlich Erwartungen, und Erwartungen fhren unaus-weichlich zu Enttuschungen. Sie zuckte die Schultern. Siewusste, wie nchtern es klang, aber daran war nun mal nichtszu ndern.

    Und ich hielt Sie fr eine Romantikerin. Argyll lachte auf.Herrje, und dabei ... Es klopfte, und der Lord unterbrachsich. Jenkins persnlich brachte den Tee und verkndete nacheinem Ruspern: Mylady, Mylord, noch sind weder der klei-ne Master noch der Earl aufgefunden worden.

    Argyll bedankte sich fr die Nachricht und bat, benach-richtigt zu werden, wenn die Duchess und Lady Lynnwoodzurckkehrten. Marie starrte die Kanne an. Sie konnte un-mglich hier sitzen und Tee trinken, solange die Kinder nichtaufzufinden waren! Sie kam auf die Fe. Ich sollte wirk-lich ...

    Den Tee eingieen. Eine ausgezeichnete Idee. Argyll deu-tete auf die Kanne, und Marie lie sich langsam wieder nieder.Ich bin offen gestanden etwas nervs. Hinsichtlich eines zumachenden Antrages ... Ein Runzeln setzte sich auf seinerStirn fest.

  • Marie stockte das Herz. Blo nicht! Sie musste ihn unbe-dingt davon abbringen, um ihre Hand anzuhalten. Was freine frchterliche Vorstellung! Argyll verehrte ihre Cousine,daneben ma sie sich klglich aus. Er wrde sicherlich nichtmit Kritik sparen. Das wre ein Fehler, hauchte sie mit Ent-setzen.

    Argyll blinzelte momentan verwirrt. Wie meinen?Sie knnen nicht wirklich ...Erleuchtung schimmerte in seinen Augen, und seine

    Mundwinkel hoben sich flchtig. Ich bitte zu bedenken, My-lady, dass ich in der Verantwortung stehe, einen Erben her-vorzubringen. Frher oder spter bin ich gezwungen ... Erzuckte bedauernd die Schultern. Verwirrt drehte sie seineWorte im Kopf.

    Sie wollen gar nicht? Das war ja noch schlimmer.Zerknirscht schttelte er den Kopf. Eigentlich nicht.

    Aber ...Erleichtert seufzte sie auf. Das hat doch Zeit!, behauptete

    sie, wobei die Frage auftauchte, wie alt er wohl sein mochte.Dreiig? Das war fast doppelt so alt wie sie! Marie zog eineSchnute und korrigierte sich: Ach herrje, na ja, ein Lord darfwohl auch in dem Alter noch ungebunden sein.

    Argyll murmelte verdrielich: Also bitte, so alt bin ichauch wieder nicht!

    Marie nahm sich vor, dies unkommentiert zu lassen. Siesollten sich tatschlich Gedanken ber eine passende Brautmachen. Vielleicht eine Witwe?

    Eine Witwe!Marie sah erschrocken zu ihm hinber. Er schaute indig-

    niert aus.Verdammt, ich bin kein Greis!Das vielleicht nicht, aber viel fehlen konnte auch nicht. Sie

    runzelte die Stirn.

  • Verflixt, Marie, ich bin fnfunddreiig! Damit bin ich vomGreisenalter meilenweit entfernt! Grimmig starrte er sie anund wartete wohl auf eine Besttigung. Sie ffnete den Mund,aber die gewnschten Worte mochte ihre Zunge nicht formen.Doppelt so alt wie sie! Sie runzelte die Stirn, wobei sie auchdie Nase krauszog. Im Geiste ging sie ihre bisherigen mnn-lichen Bekanntschaften durch.

    Viele Gentlemen entscheiden sich in diesem Alter dazu,sesshaft zu werden!, verdeutlichte Argyll zhneknirschend.Marie erschauerte, denn seine Ausfhrungen waren nicht vonder Hand zu weisen.

    Ach herrje!Ich hoffe, Sie sprechen nur fr sich, murmelte er druend.

    Nicht auszuhalten, dass meine potenzielle Braut mich fr ei-nen Greisen hlt!

    Sie stockte, bevor sie mit einer Erklrung herausplatzte. Ermeinte gar nicht sie! Die Erleichterung schwand augenblick-lich. Wie ungalant! Sie presste die Lippen aufeinander. Wa-rum kam er ihr mit solch vertraulichen Dingen!?

    Das wre der Moment gewesen, Lady Marie, in dem Siemich htten beruhigen knnen. Er seufzte tief. Das Prob-lem, das ich da sehe, ist, dass mir alle infrage kommendenWitwen bereits bekannt sind.

    Sie schnaubte unglubig. Sie war eine nicht mit ihm ver-wandte junge Dame. Unverheiratet. Und er offenbarte ihr seinLotterleben! Nun, Lord Argyll, vielleicht ist es angemessen,eine der ... Damen fr ihre Gunst endlich zu entschdigen!Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn kritisch. SoSie eine finden, die Ihnen verzeiht!

    Argyll war leicht errtet. Marie! Verflixt, Sie drfen vonsolchen Dingen nicht sprechen! Herrje, wenn Sie jemandhrt!

  • Ihr klappte emprt der Mund auf. Sie haben doch damitangefangen!, fuhr sie auf und kam wieder auf die Fe. Michinteressiert die Zahl Ihrer ... Eroberungen nicht im Gerings-ten!

    Nun schoss noch mehr Rte in seine Wangen, und er erhobsich ebenfalls. So habe ich es nicht gemeint! Verflixt, Marie,ich wrde Ihnen doch nicht ... Er hob die Hand, als sie ihrenUnmut mit einem Laut Ausdruck verschaffte und ihn einmalmehr sitzen lassen wollte. Sie selbst haben sich doch erboten,mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn ich Fragen zuAntrgen htte!

    Nun war es an ihr zu errten. Tatschlich hatte sie sich vorJahren dazu erboten, aber niemals geglaubt, auch in die Ver-legenheit zu kommen. Oh!

    Ich kann mir nicht vorstellen, neben einer der zur Verf-gung stehenden Witwen aufzuwachen.

    Der Ausdruck in seinem Gesicht lie sie unglubig blinzeln.Er beschftigte sich tatschlich mit diesem Punkt. SeltsamerGedanke. Sie senkte den Blick auf den Teppich zwischen ih-nen. Sie konnte sich beileibe nicht vorstellen, neben ihmaufzuwachen. Vermutlich grinste er schon am frhen Morgenanzglich. Obwohl es da wohl vllig zu Recht wre. Sie wrdevor Scham vergehen! Am Morgen nach der ehelichen Zusam-menkunft wollte sie ihn sicherlich nicht ansehen mssen.Schockiert sackte sie zurck auf das Sitzmbel. Im Hellen!Welch schaurige Vorstellung! Warum wollen Sie denn so et-was, hauchte sie, noch verstrt von der Vorstellung, nebenihm aufwachen zu mssen.

    Nathan will es und ist glcklich damit. Argyll zuckte dieSchultern. Ich fand es zu Beginn auch merkwrdig.

    Marie riss die Augen auf. Was geht es Nathan an ? Abernatrlich wollte der sie durchaus loswerden.

  • Nichts selbstredend, besttigte der Viscount mit einemSeufzen. Aber ... er liebt Bell.

    Das Gesprch nahm immer absurdere Formen an. Ob-wohl ... Sie wollen aus Liebe heiraten? Der verruchte, be-rchtigte Viscount Argyll suchte die Liebe?

    Argyll warf ihr einen zerknirschten Blick zu. Ist das so ab-wegig?

    Marie lie jahrelange Ermahnungen ihrer Gouvernante au-er Acht und lehnte sich gegen die Rckenlehne. Vielleichthatte sie ihn vllig falsch eingeschtzt.

    Argyll rusperte sich. Nun, der Tee wird mittlerweile kaltsein. Vielleicht sollten wir uns wieder an der Suche beteiligen.Marie nickte abwesend und nahm seine Assistenz in An-spruch. Erst an der Tr hielt sie ihn auf. Sie haben sicherlichbereits mit Annabell darber gesprochen, und sicherlich hatsie Ihnen auch einen diesbezglichen Rat gegeben. Hren Sieauf sie.

    Ein trauriges Lcheln flackerte auf, dann schttelte er denKopf. Nein. Bell hat derzeit dringendere Geschfte zu erle-digen.

    Sie presste verstimmt die Lippen aufeinander. Sie meinenmich. Nun, mir riet sie, auf mein Herz zu hren. Allerdingshalte ich den Rat fr undurchfhrbar. Es wre ein Fehler, sichzu verlieben. Es bringt einen dazu, wirklich dumme Dinge zutun. Sie atmete tief durch. Wie dem auch sei, ich werde nunmit dem Duke sprechen.

    Doch nicht ber die Jungen?Doch, seufzte sie erschauernd. Er wird mir schon nicht

    den Kopf abreien. Oder vielleicht doch? Sie zitterte leicht.Sie wusste nicht, wie der Duke reagieren wrde, wohl aber,wie die Reaktion ihres Vaters ausgefallen wre, der schnell warmit krperlichen Zchtigungen.

  • Argyll betrachtete sie beunruhigt und bot seine Begleitungan, ebenso starrsinnig wie zuvor, lie er es sich nicht ausreden.Also trat sie mit dem Lord im Rcken in das private Arbeits-zimmer des Dukes. Er sah von seinem Buch auf und hob einepechschwarze Augenbraue. Marie, Thomas.

    Marie schluckte und konnte nicht verhindern, dass sichleise Furcht in ihr ausbreitete. Sie verschrnkte die Finger festvor ihrem Bauch, hob das Kinn und erklrte: Euer Gnaden,ich habe Lennart ... Westbrook und Lynn aus den Augen ver-loren.

    Die Braue wanderte noch hher, und sein Blick glitt kurzfragend auf den Viscount in ihrem Rcken. Es war meinFehler, behauptete der zerknirscht. Ich schlug vor, das Ver-steckspiel zu einer Herausforderung zu machen.

    Marie fuhr berrascht zu ihm herum, aber er ignorierte siezugunsten des Dukes. Leider war die Herausforderung zugro fr mich. Die Reue sprang aus seinem Antlitz undmachte einem recht schadenfrohen Grinsen Platz. Er kicherte.Marie korrigierte sich umgehend. Nicht er kicherte, son-dern ... Sie schwang wieder herum. ber der Lehne einesSessels lugten zwei strahlend blonde Kpfe. Lennart!

    Sie sind schon mindestens zwei Stunden hier und lassensich vorlesen.

    Marie drehte sich um und sah zu dem Duke auf mit eben-jenem Unglauben, den sie gerade empfand.

    Kent seufzte, die Augen verdrehend. Ich lese meinen Kin-dern hufig vor. Annabell liebt es, mir zuzuhren.

    Neben ihr brach Argyll in schallendes Gelchter aus. Mariewarf ihm einen glhenden Blick zu, den er mit einem ver-traulichen Zwinkern beantwortete. Ein Prachtexemplar vonMann, nicht wahr?

  • Kapitel 2

    Lord Ellington soll es sein

    Belvedere, Cornwall, Frhsommer 1800

    Guten Morgen, Lord Lynnwood, grte Marie gut gelauntund lie sich vom Marquess beim Platznehmen helfen.

    Guten Morgen, Lady Marie. Wenn Sie mit meiner Gattinverabredet sind, muss ich Sie leider enttuschen. Lady Lynn-wood ist noch nicht aufgestanden.

    Marie sah enttuscht auf. Tatschlich hatte sich die Mar-chioness erboten, mit ihr auszureiten. Somit war sie einmalmehr ohne Begleitung. Dann runzelte sie die Stirn. LadyFrances ist doch wohlauf? Eine berechtigte Frage, war es dochnicht das erste Mal, dass die Lady in den vergangenen Wochenunpsslich war. Sie sah auf. Lord Lynnwood sah nicht besorgtaus, eher verlegen.

    Sie haben keine Ansteckung zu befrchten, Lady Marie.Das war alles, was sie als Erklrung erhielt. Sie runzelte dieStirn und lie das Thema fallen, als ein weiterer Hausgast dasFrhstckszimmer betrat.

    Guten Morgen, Lynnwood, Lady Marie, rief Argyll jovialund bediente sich frhlich vor sich hin pfeifend am Buffet. Soganz allein, Mylady?

    Marie sah tadelnd auf. Wie Sie sehen, Mylord, bin ich inguter Gesellschaft.

  • Lynnwood? Sie sind scheinbar nicht sonderlich an-spruchsvoll, behauptete Argyll und nahm ihr gegenberPlatz. Ich habe bereits einige Klagen ber ihn vernommen.

    Irritiert schaute sie zu dem denunzierten Lord hinber, derseinerseits gelassen an seinem Kaffee nippte. Ich sollte zu-knftig einen Blick auf die Gsteliste meiner Gattin werfen,bevor die Einladungen verschickt werden. Ein deutlicherVerweis, den Argyll jedoch ignorierte.

    Das sollten Sie, grummelte Marie mehr fr sich selbst,aber zumindest der Viscount hatte ihre Worte vernommen.Er zwinkerte ihr zu. Marie presste die Lippen aufeinander. Siesollten in der Tat whlerischer bei der Wahl Ihrer Gesellschaftsein. Sonst ruinieren Sie noch alles.

    Marie knirschte mit den Zhnen. Ein Kder mal wieder. Ermusste sie fr unmglich neugierig erachten. Was sie durch-aus war, in bestimmten Gebieten. Ich kann noch so whle-risch sein, wenn man mich allerdings verfolgt, wie ein Hundden Fuchs, sehe ich mich eben nur zu hufig schlechter Ge-sellschaft ausgesetzt!

    Argyll schnalzte und schttelte den Kopf, als er tadelte:Aber Lady Marie! Lynnwood als schlechte Gesellschaft zubetiteln, geht dann doch entschieden zu weit! Er grinste un-verschmt. Marie versuchte, ihren rger einzudmmen. Ar-gyll war schlichtweg unmglich!

    Ich sprach von Ihnen, wie Sie sehr wohl wissen!Nun tat er betroffen und legte sich die Hand auf das Herz.

    Marie kochte vor Wut. Nicht eine ernsthafte Unterhaltungkonnte man mit ihm fhren. Stndig veralberte er ihre Worte,drehte sie ihr nicht selten im Mund um.

    Dann kann ich Sie beruhigen, Lady Marie. Ich zhle nichtzur schlechten Gesellschaft. Er zwinkerte ihr zu. Marieschnaubte und bekundete damit ihre gegenteilige Ansicht.Fragen Sie Bell. Oder Kent. Oder meine Schwester.

  • Sind dies bereits Ihre Leumundszeugen, Mylord? Nichtsehr aussagekrftig, nicht wahr? Cousine Annabell ist viel zuweichherzig, um ihre Meinung ernst zu nehmen. Sie brchtees nicht bers Herz, etwas potenziell Abtrgliches ber Sie zusagen. Kent ist Ihr Freund und drckt sicherlich auch beideAugen zu, und Ihre Schwester war selbst berrascht, Sie hieranzutreffen! Marie hob eine Braue. Von Lord Lynnwoodjedoch ...

    Argyll hob beide Hnde: Gnade, Mylady, zerstren Sienicht auch noch den letzten klglichen Rest meines Selbst-wertgefhls!

    Marie verbiss sich eine Entgegnung und schttelte denKopf.

    Lady Blakely war in der Tat berrascht, stellte Lynnwoodfest, wobei er den Viscount nachdenklich musterte. Argyllzuckte nonchalant mit den Schultern.

    Sie ist skeptisch, gab er zu. Allerdings nicht allzu sehr,sonst htte Ihre Lady wohl darauf verzichtet, mich einzula-den.

    Lynnwood schien berzeugt und wandte seine Aufmerk-samkeit wieder seinem Frhstck zu. Marie schttelte denKopf. Ich frage mich, welchen Bren Sie der Lady aufgebun-den haben.

    Argyll hob seine Tasse hoch und nahm in aller Ruhe einenSchluck. Sie irren, Mylady. Katherine lsst sich nicht ber-tlpeln.

    Marie legte ihr Besteck zur Seite und tupfte ihren Mund ab.Dann erst begegnete sie seinen Augen, die ihr zu versichernschienen, dass es daran keinen Zweifel gab. Nun, was habenSie ihr gesagt, um hierher eingeladen zu werden?

    Ah, Mylady, ich traue mich gar nicht, mich Ihnen zu of-fenbaren. Zu sehr frchte ich Ihren Spott. Argyll zwinkerte

  • ihr zu. Marie schnaubte augenrollend und erhob sich. BeideLords kamen ebenfalls auf die Beine.

    Bitte, Mylords, bleiben Sie doch sitzen. Marie knickste.Lord Lynnwood. Sie warf einen druenden Blick auf Argyll.Mylord.

    Sie wollen ausreiten, Mylady? Argyll blickte an ihr herab.Dann zum Hausherrn. In seiner Miene arbeitete es. Daschliee ich mich gerne an!

    Marie riss die Augen auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt!Sehr freundlich, Mylord, wollte sie es ausschlagen, aberLynnwood fiel ihr ins Wort: Hervorragend! Da muss ichmeine Begleitung nicht anbieten.

    Marie klappte den Mund wieder zu, whrend Argyll leichtFarbe annahm.

    Frances wre sicherlich wohler zumute Lady Marie, wennSie in Begleitung Seiner Lordschaft sind. Lynnwood seufztezufrieden, schttete seinen Kaffee in einem Schluck hinunterund verabschiedete sich gut gelaunt mit einem breiten Grin-sen.

    Annabell wohl auch, fhrte Argyll an und zuckte unterihrem Blick die Schultern. Geben Sie mir ein paar Minuten,um mich umzukleiden?

    Marie atmete tief ein. Sie wrde liebend gern auf seine Ge-sellschaft verzichten, andererseits wollte sie auch nicht alleinlosreiten oder einmal mehr ganz auf den Ausritt verzichten.Fein, gab sie nach. Sie werden mich im Stall finden.

    Marie? Thomas betrat den lichtdurchfluteten Stall und sahsich um. Hatte er wirklich geglaubt, sie wrde hier auf ihnwarten?

    Mylord?Thomas fuhr herum. Ein schmaler Bursche trat verlegen

    von einem Bein auf das andere. Die Lady is schon los.

  • Lady Marie?, erkundigte er sich irritiert und runzeltebeim Nicken des Burschen die Stirn.

    Ihr Pferd ist gesattelt, Mylord, und die Lady ist RichtungStonehenge aufgebrochen.

    Das berraschte ihn nun doch. Geben Sie mir mein Pferd,Bursche. Thomas stieg auf und dirigierte seinen Hengst aufden Weg nach Stonehenge. berraschenderweise holte erMarie weit vor den Steinen ein. Mylady.

    Sie drehte sich auf ihrer Stute um. Eine kecke kleine Federschwang auf ihrem Hut hin und her. Einem kleinen dunkel-blauen Filzhut, der hervorragend zu ihrem Ensemble passte.Da sind Sie ja endlich! Ihre Augen funkelten mutwillig, under musste grinsen.

    Bitte entschuldigen Sie meine Versptung, holde Lady.Wenn mir bewusst gewesen wre, wie schnell Sie die Geduldverlieren ...

    Marie kniff die Lippen zusammen. Ich wollte zum Henge.Lady Lynnwood sprach von seiner einmaligen Atmosphre.Sie streckte das Kinn vor, als erwartete sie eine spttischeReplik. Thomas hob einen Mundwinkel, verbat sich ansons-ten aber jeglichen Hinweis auf seine Ansichten.

    Dann zum Henge. Thomas gab seinem Reittier die Spo-ren und schloss zu ihr auf. Eine Weile ritten sie schweigsamnebeneinanderher. Thomas behielt seine Augen auf den Weggerichtet und seine Gedanken auf den Moment. Das warschwieriger, als man denken mochte, geisterte doch ihr An-blick vor seinem inneren Auge umher. Wie hervorragend siezu Pferd sa. Ihre Anmut. Das Leuchten ihrer blauen Augen.Was schtzen Sie an Lynnwood?

    Marie zgelte ihre Stute, und berraschung stand in ihremAntlitz. Lynnwood?

    Sie sagten, er wre die bessere Gesellschaft. Da frage ichmich natrlich, warum. Das fragte er sich tatschlich. Zwar

  • war Lynnwood durchaus ein vorbildlicher Gentleman, aberauch dieser Lord bestach nicht durch eine weie Weste.

    Marie hob spttisch eine Braue. Ist das nicht offensicht-lich?

    War es das? Nein. Es sei denn, Sie liegen einem Irrtumauf.

    Einem Irrtum?, lachte Marie und schttelte den Kopf.Lord Lynnwood ist ein uerst zuvorkommender, freundli-cher und ...

    Ach herrje!, unterbrach er sie, nicht gewillt sich mit Platt-itden abfertigen zu lassen. Da werden dem armen Kerl wohldie Ohren klingeln.

    Marie presste die Lippen aufeinander. Sie haben gefragt!Ihnen ist bewusst, dass Lynnwood ebenfalls jahrelang ...

    nun, sagen wir, er war kein Kostverchter.Das Mdchen riss die Augen auf. Lord Argyll!, hauchte

    sie emprt. Hitze stieg in ihre Wangen, und ihr Pferd begannzu tnzeln. Sie wollen doch nicht andeuten, Lynnwood suchenach anderer Gesellschaft als der seiner Gattin! Sie zog dieZgel an und stoppte ihren Falben.

    Thomas drehte sein Tier herum. In ihrer Miene lief dieEntrstung Sturm. Er seufzte. Vermutlich war es dumm ge-wesen, Lynnwood einzubinden. Nein.

    Marie blinzelte verblfft. Aber ...Lynnwood ist vernarrt in seine Frau. Thomas senkte kurz

    den Blick auf seine behandschuhten Hnde. Es war, als mssteer sich das erneut vor Augen halten. Schlielich hatte er einenMoment lang tatschlich angenommen, Marie htte Lynn-woods Interesse geweckt und die beiden wollten gemeinsamausreiten. Dumm, wenn man bedachte, wie offensichtlichLynnwoods Zuneigung zu seiner Gattin war.

    Und andersherum ist es ebenso. Thomas sah auf, begeg-nete ihren verwunderten Augen. Ich frage mich nur, was ihn

  • von mir unterscheidet. Er versuchte sich an einem schwere-losen Grinsen. Es war sicherlich nicht weise, zu viel von sichpreiszugeben.

    Marie legte den Kopf schrg. Mylord, fangen Sie schonwieder damit an?

    Thomas seufzte und stieg von seinem Ross. Kommen Sie,Marie, setzen Sie ab. Ein paar Schritte blo.

    Marie stieg ab. Nun?, erkundigte sie sich. Sie ttschelteden Hals ihres Reittieres und sah skeptisch zu ihm auf. Mirist schleierhaft, warum Sie sich nicht an Annabell richten. Si-cherlich wrde sie Ihnen versichern, wie beraus liebenswertSie sind und dass die Richtige ...

    Dort drauen auf mich wartet?, schloss Thomas belustigtab. Vermutlich liegen Sie richtig. Er warf ihr einen am-sierten Blick zu.

    Ich denke, Lord Argyll, dass es schon so sein wird.Thomas sah auf seine Begleitung herab. Dann haben Sie

    sich bereits verliebt?Marie verhielt ohne Vorwarnung. Bitte?Er rusperte sich. Es war dumm, sie darauf anzusprechen.

    Sie werden nun wieder darauf bestehen, dass Sie sich bessernicht verlieben.

    Lord Argyll, mir ist schleierhaft, was Sie mit diesem Themabezwecken. In ihren groen, hellen Augen stand ihre Ver-blffung.

    Es passt nicht zu Ihnen. Das dachte er wirklich. Ich binimmer davon ausgegangen, dass Sie eines Tages ... Er brachab, pltzlich verwirrt von seiner eigenen Vorstellung. Marieauf Wolke sieben schwebend und einen Gentleman anhim-melnd.

    Sie haben merkwrdige Ideen, Lord Argyll, bemerkteMarie mit gerunzelter Stirn. Kam ich Ihnen tatschlich soverrckt vor?

  • Dann ist es verrckt, verliebt zu sein? Thomas kopierteihre Geste. Sie so desillusioniert zu sehen, schmerzte auf ei-gentmliche Weise. Schlielich sollte er es sein, der zynischdie Liebe von sich wies, und sie sollte von ihr schwrmen. Sieanpreisen und mit glnzenden Augen, voller Aufregung da-nach suchen.

    Ja!, besttigte sie umgehend. Besonders in meinem Fall.Sie hob eine Braue, um dies zu unterstreichen. Stellen Sie sichvor, ich verliebte mich und wre so nrrisch auf einen Antragzu hoffen, der nicht kommen wird. Sie schttelte den Kopf.Ich muss pragmatisch sein. Ich kann es mir nicht leisten ...

    Thomas hatte genug gehrt. Um sie zu stoppen, legte erseinen Finger auf ihre Lippen. Samtig weiche Lippen, die sichunter der Berhrung ffneten. Er zog die Hand zurck. Viel-leicht kme er, Marie. Vielleicht sollten Sie mehr Vertrauenhaben?

    Sie presste verrgert die Lippen aufeinander. Und wenn ernicht kommt? Wenn ich stattdessen einen anderen Antragerhalte und ihn ablehne, weil ich so dumm bin, auf den einenzu warten? Es wre dumm! Bei dem finanziellen Hintergrundmeines Debts kann ich es mir nicht leisten, so dumm zusein!

    Lieber den Rest Ihres Lebens mit einem Mann verbringen,fr den Sie nichts empfinden.

    Sie warf ihm einen verrgerten Blick zu.Annabell wre lieber unverheiratet geblieben, wunderte

    er sich und rief sich die Begrndung der Duchess ins Ge-dchtnis. Die Ehe sei schlimmer als die Leibeigenschaft, hattesie behauptet.

    Marie schnaubte abfllig. Wre sie das? Ich wre mir danicht so sicher. Sie liebt Kinder, wnschte sich stets ein ganzesHeer davon. Und schlussendlich war ihre Alternative, bei Sa-

  • rah und Suffolk zu bleiben. Sie htte nicht zu Windermerezurckgemusst! Ihre Augen blitzten verchtlich.

    Suffolk war am Ende keine bessere Wahl, oder? Schlielichwollte er sie auch ohne ihre Zustimmung verheiraten.

    Das Mdchen an seiner Seite ffnete den Mund zu einersicherlich gepfefferten Replik, die sie sich dann aber verkniff.Sie schttelte den Kopf. Er htte es nicht zu Ende gebracht.Dafr liebt Suffolk sie zu sehr. Sie seufzte tief auf. Winder-mere wrde nicht einhalten. Ganz gleich wie ich empfinde.

    Thomas runzelte die Stirn. Marie lag sicherlich nicht falschmit der Einschtzung. Und Windermere war auch keine Aus-nahme in der Gesellschaft. Gemeinhin galt es zwar als schick,aus Liebe zu heiraten, aber es musste keineswegs ein von bei-den geteiltes Gefhl sein. Die Braut wurde nicht immer nachihrer Zustimmung gefragt oder gar nach ihren Wnschen.Noch immer standen dynastische Beweggrnde und finanz-ielle Motive im Vordergrund, wenn es um eine zu schlieendeVerbindung ging.

    Und Windermeres Geldmangel mochte ihn noch bestreb-ter machen, das Mdchen mglichst bald, mglichst gnstigan den Mann zu bringen. Thomas wollte ihr versichern, dasssowohl Annabell als auch Nathan sie nicht zwingen wrden,ihr gar beistnden, aber letztlich war es dennoch mglich, dassWindermere sich durchsetzte. Kein Wunder, dass sie sichverbat, etwas zu empfinden. Kein Wunder, dass ihr jeglicheEuphorie abging. Fr sie musste die Saison einer Farce gleich-kommen.

    Deutlich standen ihm seine drei Schwestern vor Augen, mitihren glnzenden Augen, frhlich vor sich hin schnatternd,wie sie jede Veranstaltung mit Eifer herbeisehnten und all-nchtlich mit vor Freude gerteten Wangen heimkehrten.Marie schickte sich in die Begebenheit. Die Saison war eineNotwendigkeit und kein Vergngen. Armes Mdchen. Tho-

  • mas streckte die Hand nach ihr aus. Ihre Haut war warm undweich. Ihre Wimpern senkten sich flatternd, kitzelten seineFingerspitzen, und Thomas beugte sich vor. Fast erwartete erden feinen Geruch von Rosen und riss daher die Augen auf,als stattdessen der Duft von Veilchen in seine Nase drang. Wastat er denn da? Schnell zog er sich zurck. Vermutlich habenSie recht.

    Sie blinzelte, und als sie aufsah, formte sich rger in ihrenAquamarinen.

    Dennoch sollten Sie, um Ihrer selbst willen, die Sache nichtso passiv angehen. Denken Sie an Ihre Schwester. Lady Ninettesah sich schlielich in keiner besseren Situation, im Gegenteil.Bells Scheidungsbegehren htte sie durchaus vllig mattsetzenknnen. Gab sie auf? Nein, sie kmpfte sich sogar durch eineweitere Saison und lie sich kein bisschen treiben bei ihrerEntscheidung, habe ich nicht recht?

    Marie runzelte die Stirn. Nach einer Weile intensiver ber-legungen besttigte sie seine Annahme. Aber ich wei nicht,wie ich ... Sie unterbrach ihr Eingestndnis und drehte denKopf zur Seite. Die leichte Rte, die ihr in die Wangen schoss,konnte sie damit jedoch nicht verdecken.

    Nun, begann Thomas jovial, erleichtert, sie doch nochberzeugt zu haben. Der erste Schritt ist getan, nicht wahr?Sie haben Aufmerksamkeit erregt, jetzt gilt es, sie zu haltenund, wenn mglich auszubauen ...

    Das Runzeln auf ihrer Stirn vertiefte sich. Wie stellen Siesich das vor?

    Ich nehme an, Sie tanzen gern?, erkundigte er sich, wh-rend seine Idee vor seinem inneren Auge Gestalt annahm. Wienicht anders erwartet, nickte sie. Setzen Sie aus. Es dauerteeinen Moment, bevor sie reagierte.

    Ich soll nicht mehr tanzen? Wie sollte dies dienlich ?

  • Auf der Tanzflche geniet Ihr Tanzpartner Ihre volleAufmerksamkeit ...

    Wenn ich aber nicht tanze, kann ich selbige auf eine ganzeGruppe Gentlemen aufteilen.

    Thomas nickte zufrieden. Zudem verspricht Bells Gegen-wart zwar Schutz, aber sie zerstreut auch ...

    Ah!, machte sie und wandte dann ein: Aber Annabellverschafft mir auch ...

    Wohl wahr, dennoch sollten Sie sich im Laufe des Abendsimmer absondern. So erfahren Sie nicht nur, wie viele derGentlemen tatschlich Ihretwegen bei Ihnen stehen und wieviele nur die Gunst Ihrer Cousine durch Sie zu erlangen su-chen.

    Marie spitzte nachdenklich ihre vollen Lippen.Solange Sie in Blickweite der Duchess bleiben, wird sie es

    nicht bemngeln. Ein weiterer Pluspunkt dabei ist brigens,dass sich die Anzahl der unverheirateten Herren vergrernwird.

    Hm, murmelte das Mdchen.Lynnwood, Worchester, Suffolk und Kent sind sicherlich

    angenehme Gesprchspartner, aber in Ihrem Fall unntzerBallast. Thomas zwinkerte vertraulich, was sie gar nicht rich-tig mitbekam. Ich knnte Sie mit Hintergrundinformationenversorgen, falls gewisse Gentlemen ungewhnliche Themeninteressant finden. So erscheinen Sie gebildeter.

    Das verdunkelte ihre Miene beachtlich.Kennen Sie sich in der Pferdezucht aus?, fragte er ernst.

    Astronomie? Politik? Haben Sie sich schon einmal Gedankenber die Bewsserung unwirtschaftlicher Felder gemacht,oder ber die Expansion der Ostindienkompanie?

    Ich glaube nicht, dass ... dass ..., stotterte sie sichtlich ab-geschreckt und lehnte sich gegen ihren Falben, der den Kopfdrehte, um sie anzuschnauben.

  • Fr gewhnlich suchen Gentlemen sicherlich nicht nachgescheiten Damen, aber jene Herren nehmen wohl auch keineDame zur Frau, die ber keine Mitgift verfgt. Ihre Chance istdie Ausnahme. Jene Mnner, die kein hbsches Gnschen su-chen. Vielleicht einen Herren, der gar nicht beabsichtigt, indieser Saison zu heiraten.

    Marie streichelte abwesend ber die Blesse ihres Pferdes.Meine Schwester Katherine ist eine Koryphe in der Pfer-

    dezucht und war fr Blakely, und das waren seine eigenenWorte, ein wahres Wunder in Engelsgestalt. Thomas be-trachtete ihr ernstes Gesicht. Sie sollte es gar nicht ntig haben,nach Nischen Ausschau zu halten. Jeder Mann sollte ihr obihrer Schnheit zu Fen liegen.

    Beobachten Sie Lady Ninette. Sie versteht es erstklassig,die Herren zu verzaubern. Glauben Sie mir, es sind nur wenigeTricks ntig, und Ihnen wird niemand widerstehen knnen.Was letztlich auch wieder rgerlich werden konnte, aber so-lange sie wenigstens etwas Freude bei ihrem Debt empfand,war es die Mhe wert. Erst recht, wenn sie tatschlich einender Gentlemen dazu brachte, sich in sie zu verlieben. Wennsie wenigstens geliebt wurde, konnte er sich mit dem Gedan-ken vershnen, dass sie so desillusioniert war.

    Es gibt nichts, was mich besonders macht, murmelte sienach einer Weile. Ihre klaren Aquamarine legten sich nieder-geschlagen auf ihn. Windermere hielt nichts von Bildung.Ich bin eher leidlich im Gesang und beherrsche gerade maldas Spinett. Poesie will mir nicht aus der Feder flieen und ...

    Sie haben einen klugen Verstand, Marie, unterbrach ersie, nicht willens, etwas zu hren, was ihr abtrglich war.Wenn Sie ihn einsetzen ...

    Ein tiefes Runzeln legte sich auf ihre Stirn, ganz so, alsknnte sie nicht glauben, was sie vernahm. Windermere ...

  • Sie suchen doch sicherlich nicht nach einem Mann wieihm, oder? Thomas hielt den Atem an. Welcher Art mochteder Mann sein, nach dem sie suchen wrde? Wenn seine Be-frchtung richtig und sie heimlich in Nathan verliebt war, warseine Bestrkung da nicht unangemessen gewesen? Gefhrlichgar, weil sie ihr Augenmerk auf einen Mann wie Belmontrichten knnte?

    Nein, murmelte sie mit einem rgerlichen Schtteln ihrerhellen Locken. Sicherlich nicht.

    Sehen Sie, murmelte Thomas irritiert ber sein Interesse.Bedenken Sie, weder Lady Rochefort, noch Lady Lynnwoodsind auf den Kopf gefallen. Blakely schtzt die Meinung mei-ner Schwester aufs Hchste und ... Er selbst wrde sichungern einer Gattin aussetzen, die auer Klatsch und Modenichts zu berichten wsste. Marie nickte abwesend.

    Lynnwood ist ein uerst angenehmer Gesprchspartner.Ebenso Lord Blakely.

    Thomas entlie kontrolliert den Atem. Sein Schwager warein sanfter Herr, der bereits im vorgerckten Alter gewesenwar, als er die damals blutjunge Katherine freite. Lynnwoodwiederum hatte nicht nach einer Gattin gesucht, als er LadyFrances begegnete, ebenfalls weitaus lter, als Thomas es war.Vielleicht revidierte sie ihre Meinung, er sei zu alt fr eineDebtantin wie sie?

    Am Abend, whrend der Hausgesellschaft auf BelvedereMarie lchelte zu Lord Blakely auf, der wiederholt den

    Sachverstand seiner Gattin lobte. Ohne meine liebe Kathe-rine wrden Sie sich nicht um ein Tier aus meinem Gesttstreiten, behauptete er zufrieden und strahlte dabei zu seinerGattin hinber, die sich am anderen Ende des Salons mit derHausherrin unterhielt. Ein Streit ist in der Tat unntig, be-sttigte Lord Argyll lachend. Angesichts unseres verwandt-

  • schaftlichen Verhltnisses sollten Sie mir den Rappenohnehin zuerst anbieten.

    Marie rollte entnervt die Augen. Wenn sie sich auch denRest des Abends gezwungen sah, Argylls Worten zu lauschen,wrde sie sich noch vom Turm des Schlosses strzen!

    Mylords, Myladys. Ein blonder junger Bursche geselltesich zu ihnen und drckte ihr, nachdem er auch Lady Pem-broke und Mrs Cavendish begrt hatte, einen Kuss auf dieFingerknchel. Ich kam nicht umhin zu vernehmen, dass Sieeinen Kufer fr einen Ihrer Rappen suchen?

    Lord Blakely hob sein Lorgnon an sein rechtes Auge. SeinBlick an dem jungen Lord herab war beredt genug, dennochsetzte der Earl an: Lord Ellington, meine Zucht ...

    Dessen bin ich mir bewusst, Mylord. Und sicherlich habenSie recht, dass ein solches Tier zu schade ist fr den alltglichenGeb