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XVll. Die Behandhng der Facialisl~hmung nach aouter Otitis media. ~ron Dr. Voss in Riga. Der Frage nach der H~ufigkeit der Facialisl~ihmung bei aeuter Otitis media miichte ich im Folgenden nicht niiher treten, weil mir das Material dazu fehlt, ebensowenig der wiederholt schon aufgeworfenen Frage, ob nieht ein grosser Theil der als rheu- matisch bezeichneten Li~hmungcn auf eine nicht beaehtete Otitis media aeuta zurtiekzuftihren w~tre. Ich m~chte nur die Behand- lung besprecheu. Dieselbe ist bisher mit wenig Worten zusammen- zufassen, n~tmlich: rationelle Behandlung des Ohrleidens, Anti- phlogose und Elektrieitiit. Es heisst ftir gewi~hnlich, dass naeh Eintritt reichliehen Ausflusses die Liihmung racist zurUckgehe. In einzelnen Fiillen bleibt sic jedoeh bestehen, trotz der oben gezeiehneten Behandlung, inclusive Elektrieitiit. Was dann ? Ab- warren? Aber wie lange? Die Ausnahmefiille, wo noch naeh Jahren ein spontaner Riickgang eintrat, und es wird ein soleher noeh nach fiber 30 Jahren referirt, kSnnen unmSglieh als Muster fiir unser Vorgehen gelten~ speciell nicht fiirs Kindesalter~ wo wir beftirehten miissen, dass bei jahrelangem Bestande der Liihmung Waehsthumssti~rungen im befallenen Gebiete auftreten kiinnen. Ich habe es nun versucht, bei der Machtlosigkeit der bisherigen Therapie auf anderem Wcge vorzugehen und miichte diesen Vet- such hiermit der Oeffentliehkeit tibergeben zur Nachahmung, resp. Kritik. Vor nun mehr als 31/2 Jahren wurde mir ein Knabe zu- geftihrt, der 3 Monate zuvor eine acute Otltis media ilberstanden hatte. In der zweiten ~aeht war die Liihmung eingetreten~ Tags darauf Spontanperforation, reichlicher Ausfluss ein paar Tage lang, dann Heilung der 0titis, die Faciall~thmung bcstand jedoch fort

Die Behandlung der Facialislähmung nach acuter Otitis media

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XVll.

Die Behandhng der Facialisl~hmung nach aouter Otitis media.

~ron

Dr. Voss in Riga.

Der Frage nach der H~ufigkeit der Facialisl~ihmung bei aeuter Otitis media miichte ich im Folgenden nicht niiher treten, weil mir das Material dazu fehlt, ebensowenig der wiederholt schon aufgeworfenen Frage, ob nieht ein grosser Theil der als rheu- matisch bezeichneten Li~hmungcn auf eine nicht beaehtete Otitis media aeuta zurtiekzuftihren w~tre. Ich m~chte nur die Behand- lung besprecheu. Dieselbe ist bisher mit wenig Worten zusammen- zufassen, n~tmlich: rationelle Behandlung des Ohrleidens, Anti- phlogose und Elektrieitiit. Es heisst ftir gewi~hnlich, dass naeh Eintritt reichliehen Ausflusses die Liihmung racist zurUckgehe. In einzelnen Fiillen bleibt sic jedoeh bestehen, trotz der oben gezeiehneten Behandlung, inclusive Elektrieitiit. Was dann ? Ab- warren? Aber wie lange? Die Ausnahmefiille, wo noch naeh Jahren ein spontaner Riickgang eintrat, und es wird ein soleher noeh nach fiber 30 Jahren referirt, kSnnen unmSglieh als Muster fiir unser Vorgehen gelten~ speciell nicht fiirs Kindesalter~ wo wir beftirehten miissen, dass bei jahrelangem Bestande der Liihmung Waehsthumssti~rungen im befallenen Gebiete auftreten kiinnen. Ich habe es nun versucht, bei der Machtlosigkeit der bisherigen Therapie auf anderem Wcge vorzugehen und miichte diesen Vet- such hiermit der Oeffentliehkeit tibergeben zur Nachahmung, resp. Kritik. Vor nun mehr als 31/2 Jahren wurde mir ein Knabe zu- geftihrt, der 3 Monate zuvor eine acute Otltis media ilberstanden hatte. In der zweiten ~aeht war die Liihmung eingetreten~ Tags darauf Spontanperforation, reichlicher Ausfluss ein paar Tage lang, dann Heilung der 0titis, die Faciall~thmung bcstand jedoch fort

286 XVII. VOSS, Die Behandlung d. Facialisl~hmung n. acuter 0titis media.

complet in allen Zweigen. Die Untersuchung ergab normales Trommelfen, keine Narbe zu sehen und, soweit die PrUfung bei dem etwas seheuen Kinde durehzuftihren war, normales Geh~r auf beiden Seiten. Keine Druckempfindliehkeit am Proe. mast., keine nachweisbare Exsudatreste in tier Paukenh~hle. Die The- rapie hatte in Antiphlogose und Borsaureausspiilungen bestanden, sparer war der Facialis elektrisirt worden, ohne jeglichen Erfolg.

Naeh Erb'seher Eintheilung steht dieser Fall auf der Grenze zwischen den mittelsehweren zu den sehweren, da die Lahmung fund 3 Monate bestand, und die Prognose mindestens nieht gut. Da alles schon versucht war, sehlug ieh der Mutter als letzten Versueh die Aufmeisselung des Proc. mast. vor, d.h. nicht die Er~ffnnng des Antrum, sondern nur die Entfernung der, wie ieh voraussetzte, hyperamisehen Spongiosa bis in die Nahe des An- trum, welches ieh womSglich vermeiden wollte. Ieh sttitzte mieh dabei auf die Besserungen, die Faeiallahmungen bei ehroniseher Otitis media naeh Aufmeisselungen ertahren. Der Befund bei der Operation entspraeh meiner Vermuthung. Die hyperamische Spongiosa wurde vorsichtig mit kleinem seharfem L~ffel entfernt, wobei das Antrum nicht er~ffnet wurde, die Wunde locker mit Jodoformgaze tamponirt. Am Abend des Operationstages konute das Kind, nach Aussage der Mutter, das Auge ein klein wenig mehr als sonst sehliessen, ich selbst habe das erst naeh 48 Stun- den eonstatiren k~nnen, weil das Kind vorher in meiner Gegen- wart nieht ruhig war. Am 3. Tage wurde die Tamponade ent- fernt, die Wundrander legten sich ohne Naht exact aneinander und verheilten prima. Noeh bei tier Entlassung am 13. Tage bestand complete Entartungsreaetion, doeh konnte der Knabe das Auge schliessen und war das Gesieht nur noch wenig verzogen. Der kleine Rest hat sich, laut brieflicher Mittheilung, in den nachsten 14 Tagen gegeben.

Ftir Falle, wie den oben skizzirten, wo namlich die bisherige Therapie im Stieh gelassen hat, m~ehte ich auf Grnnd des dort erzielten Resultates die Ausraumung des Warzenfortsatzes em- pfehlen. Oh die Operation wirklieh Erfolge hat, mtissen weitere Erfahrungen zeigen. Ein zufalliges Zusammentreffen ist bei einem einzelnen Falle, wenn aueh nicht wahrscheinlich, so doch immer- hin nieht auszusehliessen.