Die Freiheit Zum Tode

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  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Die Freiheit zum TodeSuiziddarstellungen in der Malerei und Graphik des 18.-20. Jahrhunderts

    Dissertation

    zur Erlangung des akademischen Grades einer 

    Doktorin der hilosophie!Dr. phil."

    am #ach$ereich Geschichts- und %ultur&issenscha'ten

    der #reien (ni)ersit*t +erlin

    )orgelegt )on

    Darina Jele)a

    +erlin 2011

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    Erstgutachterin: PD Dr. Gisela Moeller

    Zweitgutachter: Prof. Dr. Gregor Stemmrich

    Tag der Disputation: . !o"em#er $%$

    2

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    &orwort

    +ei der )orliegenden ,r$eit handelt es sich um die gering'gig $erar$eitete #assung

    meiner Dissertation die im /intersemester 2002010 )om #ach$ereich Geschichts- und

    %ultur&issenscha'ten der #reien (ni)ersit*t in +erlin angenommen &urde.

    Mein $esonderer Dank gilt meiner Doktormutter #rau D Dr. Gisela Moeller die mir $is

    zum ,$schluss der romotion stets $eratend und untersttzend zur Seite gestanden hat.

    errn ro'. Dr. Gregor Stemmrich m3chte ich e$en'alls meinen Dank 'r die 4$ernahme

    des 5&eitgutachtens und 'r die konstrukti)e %ritik aussprechen.

    Meinem #reund /ladimir 6ukutin danke ich ganz herzlich 'r seine unermdliche und

     $edingungslose (ntersttzung ohne ihn &*re diese Studie nicht entstanden.

    erzlich $edanken m3chte ich mich auch $ei 7atsuho aauchi 5oritza %irezie)a und

    9hristina Deutsch$ein 'r die lang&ierige %orrektur und 'r die #reundscha't.

    errn ro'. Dr. :zotcho +oiad;ie) und errn ro'. Dr. Georgi %aprie) $ei denen ich

    hilosophiegeschichte an der (ni)ersit*t l. %liment

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    'nhalts"erzeichnis

    %. Einleitung..........................................................................................................................................(

    . Forschungsstand...............................................................................................................................)

    *. Der Tod und seine Gesichter: terminologische Ein#lic+e............................................................%,

    '. Der heroische und unheroische Suizid als traditionelle Themen der europ-ischen unst:+ulturgeschichtlicher /#riss..............................................................................................................%

    >. 1 ?>n /rde ster$en@A :od und Suizid in der %unst der ,ntike...................................................22

    >. 1.1 Die Bürde des Heldenseins: der tragische Suizid von Aias.................................................2B

    >. 2 :od und Sel$st-Mord in den knstlerischen Cisionen des christlichen Mittelalters..................=

    >. 2.1 Judas – der Verbrecher gegen Gott ....................................................................................2

    >. 2.2 Verbrechen und Strafe: die christliche Hölle......................................................................8

    >. = ?Die %unst des guten Ster$ens@ in der Epoche der europ*ischen Fenaissance.........................

    >. =.1 Blic!"echsel: der heroische Suizid der #ucretia..............................................................2

    >. Die 7ichtigkeit der /eltA die $arocke Canitas-:radition und der 7eostoizismus.....................B=

    >. .1 Der $od des %hiloso&hen: Senecas 'art(riu)...................................................................81

    >. Der heroische und der unheroische !#rei":od in der %unst des 18.-20. Jahrhunderts...............8B

    >. .1 Sehnsucht nach der ,ntikeA der sch3ne :od des 7eoklassizismus......................................1

    >. .2 Sehnsucht nach dem MittelalterA der mstische :od der Fomantik....................................>. .= Die Entdeckung der Gegen&artA der h*ssliche :od des neuzeitlichen Fealismus.............10=>. . Die Entmetaphsierung der Gegen&artA der gestaltlose :od der ostmoderne.................10B>. . Der &hiloso&hische *reitod in der 'oderne.....................................................................11=>. . Die #ucretia!+achfolgerinnen..........................................................................................1=0>. .B Der Judas der +euzeit .......................................................................................................1=>. .8 Die irdische Hölle.............................................................................................................1

    >. 5usammen'assung...................................................................................................................1B

    ''. Der romantische Suizid als Thema der Malerei und Graphi+ des %).0$. 1ahrhunderts.......%($

    >>. 1 Der romantische Suizid >A die Machtlosigkeit der Cernun't...................................................10>>. 1.1 Der :od des ;ungen /erthers in der %unst des 18.-1. Jahrhunderts..............................1B

    >>. 1.2 /erthers 7ach'olgerA Sel$stt3tung durch istolenschuss................................................1B1

    >>. 1.2.1 Der 6ie$ha$erA Satire des ro)antischen Suizids aus #iebe !um 18=" )on 6. ,lenza..1B2>>. 1.2.2 Der >ntellektuelleA Der Suizid  !18" )on ,ntoine /iertz............................................182>>. 1.2.= Der moderne M*rtrerA Der Selbst)örder  !1881" )on Eduard Manet..........................1>>. 1.2. Der GroHst*dterA Der Selbst)örder  !11" )on George Grosz.....................................201>>. 1.2. Der +rgerA Der Selbst)örderauto)at !11B" )on MaI Sle)ogt.................................208

    >>. 2 Der romantische Suizid >>A die Macht der 6eidenscha't.........................................................21

    >>. 2.1 ?andeln :un und Cerrichten@A der Suizid der >. 2.1.1 /ahnsinn und (nglckA ,&helia !1BB0-1BB8" )on Johann einrich #ssli.................228

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    >>. 2.1.2 Fomantische /elt'luchtA ,&helia !181" )on John E)erett Millais.............................2==>>. 2.1.= ?:o ,ct :o Do :o er'orm@A $od der ,&helia !122" )on John ,usten....................22>>. 2.1. ?:o Do :o er'orm@A $od der ,&helia !1B" )on Sal)ador Dal...............................2B>>. 2.1. ?:o er'orm@A Die Auf)achung erübrigt sich !1" )on 6eonor #ini........................2

    >>. 2.2 >. 2.2. Die 6e$ensmdeA Des #ebens satt  !um 18" )on einrich 5ille................................2B>>. 2.2. Die moderne M*rtrerinA Die .rtrunene !12" )on #rans Masereel.........................28

    >>. 2.= ?>ns /asser@A der :od der )erz&ei'elten Mtter.............................................................288

    >>. 2.=.1 .ine 'utter 0!000  aus Dra)en !1882" )on MaI %linger................................................22>>. 2.=.2 0ns "asser  !um 10B" )on einrich 5ille.....................................................................2>>. 2.=.= 0ns "asser  aus Bilder vo) .lend  !10" )on %*the %oll&itz......................................=0

    >>. = Der romantische Suizid >>>A der %nstlersuizid......................................................................=10>>. =.1 ?>n mir le$tK&ie eine SehnsuchtA tot zu sein@A der :od der antiken Dichterin Sappho. .=11

    >>. =.1.1 Sich ins 'eer stürzende Sa&&ho !1B1" )on Jean-Joseph :aillasson............................=22>>. =.1.2 Sa&&ho auf de) #euadischen *elsen !1801" )on ,ntoine-Jean Gros.........................=2>>. =.1.= Sa&&ho !18" )on :hLodore 9hassLriau.....................................................................==1>>. =.1. Der $od der Sa&&ho !18B2-18B" )on Gusta)e Moreau...............................................==>>. =.1. Sa&&ho !112" )on #ernand %hnop''...........................................................................==8

    >>. =.2 ?/ahre %nstler ster$en gern@A Dichter Maler Schauspieler.........................................=2

    >>. =.2.1 Die Verz-eiflung reicht 1hatterton eine Schale )it Gift  !um 1B82" )on J. #laIman. . .==>>. =.2.2 Allegorie auf den $od G2rard de +ervals !18" )on Gusta)e DorL............................=8

    >>. =.2.= Selbst)ord des 3ünstlers i) Atelier  !)or 18=B" )on #erdinand )on Faski.................=2>>. =.2. 4u s&5t  !1" )on ,. aul /e$er...............................................................................=>>. =.2. Der Selbst)ord der Doroth( Hale !1=" )on #rida %ahlo..........................................=>>. =.2. Das Schaus&ieler!$ri&t(chon !11-12" )on MaI +eckmann..................................=

    ,. Der Freitod als Moti" der unst des %).0$. 1ahrhunderts: a#schlie2ende 3etrachtungen.. .*4$

    5usammen'assung..............................................................................................................................=B

    ,$$ildungs)erzeichnis.......................................................................................................................=B

    Cer&endete 6iteratur..........................................................................................................................=0

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    %. Einleitung

     7iemand &rde &ie der 'ranz3sische hilosoph ,l$ert 9amus !11=-10" $emerkt 'r

    einen ontologischen +e&eis oder im 7amen a$strakter +egri''e 'rei&illig ster$en.1 Denndie #rage nach dem #reitod de'iniert im /esentlichen eine #rage nach dem Sinn des

    6e$ens das 'r den konkreten Menschen niemals ein ,$straktum darstellt. Der Mensch

    der a$sichtlich sein Dasein $eendet demonstriert durch den spezi'ischen ,kt der

    Sel$stt3tung )ielmehr sein $esonderes Cerh*ltnis zu der eigenen erson und der eigenen

    soziokulturellen /irklichkeit die 'r ihn le$ensun&rdig ge&orden ist. Die ,rt und /eise

    &iederum &ie die Gesellscha't au' diese radikale #orm der EIistenz)erleugnung und der

    %ritik reagiert und mit dem Suizidph*nomen umgeht ist hochgradig )aria$el und epochal $edingt.

    Die $ildende %unst die ihre ,usdruckskra't aus den 'ormenreichen uHerungen der

    5eitgeistsmptomatik einer ;eden Epoche sch3p't hat die /andlungen der

    gesellscha'tlichen ,nsichten $er die menschliche Sel$stt3tung dokumentiert indem sie

    das kontro)erse Moti) ins Fegister ihrer konstant $lei$enden :hemen au'genommen hat.

    Suiziddarstellungen sind kontinuierlich und zahlreich seit der europ*ischen ,ntike $is in

    die Gegen&art hinein nachzu&eisen. ,us der Ciel'alt der knstlerischen >nterpretationen

    setzt sich das innerlich drei'ach gegliederte +ildkorpus der ikonographischen :radition

    zusammen.

    Das )ielgestaltige Darstellungsspektrum $estimmt an erster Stelle das Moti) des

    ?heroisch-philosophischen Suizides@ $erhmter Sagenhelden und historischer

    ers3nlichkeiten aus der griechisch-r3mischen Mthologie und Geschichte &ie der

    tro;anische %rieger ,ias !1=.-12. Jahrhundert ). 9hr." die F3merin

    6ucretia !)or 00 ). 9hr." oder der antike hilosoph Sokrates !-= ). 9hr.". Getreu der

    4$erlie'erungen &urden sie )or ein situati) ausgel3stes Dilemma mit schicksalha'ter

    Fele)anz gestellt. Der /eiter'hrung einer &rdelosen EIistenz ha$en sie den

    sel$st$estimmten :od )orgezogen und durch ihre ehren)olle :at den /ert des

    menschlichen 6e$ens au' der ontologischen E$ene $est*tigt. Die +ilder ihres eIemplarisch

    &irkenden Suizides suchen die ideelle Sch3nheit dieser unz&ei'elha'ten 5eugnisse )on

    auHerordentlicher Geistesgr3He /ahrheitslie$e und moralischer Erha$enheit angemessen

    1 9amus ,l$ert Der '(thos des Sis(&hos. .in Versuch über das Absurde am$urg 1 S. 11.

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    zu )eranschaulichen und $etonen die *sthetischen ,spekte des historischen oder

     pseudohistorischen Su;ets.

    >hr thematisches endant de'inieren die Darstellungen des ?unheroischen@ oder

    ?anonmen Sel$stmords@ in der theologisch 'undierten christlichen %unst des

    europ*ischen Mittelalters und der 'rhen 7euzeit. Dieser :raditionsstrang 'hrt zu der

    Gestalt des neutestamentarischen Gottes)err*ters Judas >schariot zurck der sich aus

    Cerz&ei'lung $er die Gr3He der eigenen Schuld das 6e$en nahm das ihm )om Sch3p'er

    aus Gnade zum e&igen eil gege$en &urde und dadurch ein un)erzeihliches Cer$rechen

    )on uni)ersellem ,usmaH $eging. Das ge*chtete +ild seines strangulierten 6eichnams ist

    zur thematischen und ikonographischen Matrize 'r zahlreiche Darstellungen )on

    6asterallegorien und namenlosen #re)lern ge&orden. Sie thematisieren den moralischen

    Cer'all der die sndha'te Menschennatur aus religi3ser Sicht stets $edroht und er'llen

    zugleich die didaktische ,u'ga$e den +etrachter )or der )erdammungs&rdigen :at der

    Sel$stentlei$ung zu &arnen. Die unheroischen Suiziddarstellungen setzen 'olglich den

     $ildrhetorischen ,kzent &eniger au' die *sthetische sondern )ielmehr au' die ethische

    Dimension der kompositorischen 63sungen.

    >m 18. Jahrhundert erlitt die dualistisch 'estgelegte :radition eine tie' grei'ende

    'ormale und inhaltliche %orrektur die sich in einer Feihe )on unkon)entionellen kultur-

    und sozialkritischen +ildern eIplizierte. Die Darstellungen des ?romantischen Suizides@

    entnahmen ihren Gegenstand &ie der 7ame )err*t an'angs dem zeitgen3ssischen Foman

    in dem das :hema eines moralisch indi''erenten #reitodes $ereits )orge$ildet &ar.

    ,llm*hlich &andte sich die ,u'merksamkeit der %nstler )on der 6iteratur au' die

    zahlreichen Dramen der eigenen Gegen&art in der die Sel$stt3tung anonmer

    5eitgenossen aus Cerz&ei'lung $er die politischen und sozialen Missst*nde keine

    Seltenheit &ar. Die modernen Moti)interpretationen zum alten :hema die sich au' ein

    anthropologisch )er*ndertes Menschen$ild sttzen suchen nicht mehr den +etrachter zumoralisieren sondern die o$;ekti)e le$ensun&rdig ge&ordene /irklichkeit anschaulich

    darzulegen und zu kritisieren. Sie he$en aus diesem Grund die empirisch rele)anten

    Nualit*ten des ge&*hlten Su;ets her)or. Der Er'orschung dieser Seite der

    ikonographischen :radition &idmet sich die )orliegende Studie.

    B

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    . Forschungsstand

    Eine um'assende (ntersuchung der :radition der Suiziddarstellungen in der

    &esteurop*ischen %unst ist im deutschsprachigen Faum nicht nachzu&eisen.2  >n den&issenscha'tlichen u$likationen die sich mit der Gattung der :odesdarstellungen

    aus'hrlich auseinandersetzen nimmt dieses :hema lediglich einen marginalen Stellen&ert

    ein.=

    >m Jahr 18= erschien die ,$handlung Art and $he "ish to  Die des schologen

    ro'. #red 9utter. Et&a z&anzig Jahre sp*ter &urde die darau' au'$auende ,r$eit )on Fon

    +ro&n $he Art of Suicide )er3''entlicht. 

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    ??Mnchen+erlin 200 S. 21-=8 ins$. S. ==''.

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    &urde mit einer ausgepr*gten r*'erenz 'r die Cergegen&*rtigung des $edrohten

    )er'hrerisch entkleideten &ei$lichen %3rpers )or allem in der Malerei des 1. und

    1B. Jahrhunderts zahlreich )ariiert.1=  Einen +eitrag zur Er'orschung des )on der

    istorienmalerei des 1B. und 18. Jahrhunderts $e)orzugten Moti)s des philosophischen

    :odes lie'ern die ,r$eiten )on Gnter ess1  und Ga$rielle n&ie&eit dieser Strang der :radition in die %unst des 1. und 20. Jahrhunderts hinein

    reicht ist &eitgehend uner'orscht ge$lie$en.1

    Den +esonderheiten der mittelalterlichen +ildrhetorik im 5usammenhang mit dem

    :hema des unheroischen moralisch )er&er'lichen Suizides &idmet sich allein die

    ,$handlung )on Donat de 9hapeaurouge.1B  5ahlreiche &issenscha'tliche ,u's*tze

    analsieren dagegen die ikonographischen /andlungen des neutestamentarischen Moti)s

    des Judas-Sel$stmordes in der %unst des 11.-1B. Jahrhunderts. 18  Eine &issenscha'tliche

    1=  7e$en der $erhmten F3merin 6ucretia &ird diese Moti)tradition )or allem )on Darstellungen derGrnderin des karthagischen Feichs Dido !. Jahrhundert ). 9hr." der numidischen %3niginSophonis$e !2. Jahrhundert ). 9hr." und der *gptischen errscherin %leopatra !-=0 ). 9hr." )ertreten.Siehe zum :hemaA :mpel 9hristian Bild und $e6t .  4ur 9eze&tion antier Autoren in der euro&5ischen 3unst der +euzeit @#ivius Valerius 'a6i)us inA Schlink /ilhelmSperlich Martin !rsg."  *or)a etSubtilitas.  *estschrift für "olfgang Schöne zu) >C Geburtstag  +erlin u. a. 18 S. 18-218O ults6inda 9.  Dürer8s #ucretia: S&eaing the Silence of "o)en inA Signs 1 2 11 S. 20-2=BO J*ger9hristine  #ucretia – der $od einer $ugendheldin  4u den Selbst)orddarstellungen in der S5chsischen"eltchroni  inA Signori Ga$riela !rsg." $rauer Verz-eiflung Anfechtung . Selbst)ord undSelbst)ordversuche in )ittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaften :$ingen 1 S. 1-112O

    +aumg*rtel +ettina7esters Sil)ia !rsg."  Die Galerie der staren *rauen.  Die Heldin in der französischen und italienischen 3unst des =C Jahrhunderts ,usst. %at. Mnchen 1O Schuler 9arol M.Virtuous 'odelEVolu&tuous 'art(r . $he Suicide of #ucretia in +orthern 9enaissance Art and 0ts 9elationshi& to #ate 'edieval Devotional 0)ager( inA 9arroll Jane 6.Ste&art ,lison G. !rsg." SaintSinners and Sisters. Gender and +orthern Art in 'edieval F .arl( 'odern .uro&eampshire+urlington 200= S. B-2O 9uneo ia #.  Jörg Breu the .lder8s Death of #ucretia: Histor(Se6ualit( and the State inA e$d. S. 2-=O +ro&n +e)erl 6. Virtuous Virgins. 1lassical Heroines 9o)antic %assion and the Art of Suicide ,usst. %at. 6ondon 200O 1l2o&tre dans le )iroir de lartoccidental  ,usst. %at. Gen' 200.1  ess Gnter  Der $od des Seneca.  0onogra&hie – Biogra&hie – $ragödientheorie inA Martin#ritz u. a. !rsg." Jahrbuch der deutschen Gesellschaft  2 181 S. 1-228.1  ? Stuttgart 10S. 10-1=BO Dinzel$acher eter  Judastraditionen Schmidt 6eopold !rsg." /ien 1BBO Schnitzler

     7or$ert  Das Bild des Judas.  .in Beitrag zur 0onogra&hie des Selbst)ordes i) 'ittelalter  inA 63ther

    ,ndrea u. a. !rsg." 'undus in 0)agine. Bilders&rache und #ebens-elten i) 'ittelalter . *estgabe für 3lausSchreiner  Mnchen 1 S. 21-2O 6ie$erknecht

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    Monographie die sich mit der #rage nach der +edeutung &elche die %nstler seit der

    Epoche der europ*ischen ,u'kl*rung dem christlich-religi3sen Moti)er$e $eimaHen l*sst

    sich auch $ezglich dieser traditionellen Darstellungsrichtung nicht nach&eisen.

    ,spekte der thematischen und ikonographischen Metamorphosen der +ilder zum

    :hema des romantischen Suizides im 1. Jahrhundert 'inden sich lediglich in einem

    5eitschri'tenartikel )on ,lena March&inski aus dem Jahr 18B gro$ skizziert.1 Die Studie

    )on >nke +eckmann aus dem Jahr 200B erm3glicht den Ein$lick in die Ent&icklung der

    modernen Moti)tradition im 20. Jahrhundert am +eispiel )on /erken der deutschen

    %nstler nterpretationen geh3renden

    Suiziddarstellungen )on %nstlern &urden )on Colker ,dol's21 nterpretationen und der (m$ruchphase in der europ*ischen %ulturgeschichte dieser 5eit

    zu sehen. /urde der ,kt der Sel$stentlei$ung seit dem christlichen Mittelalter als ein

    httpA&&&.lie$erknecht.dedisspaperspT;udas.htmO StandA M*rz 2011QO /ildgen %athrn E. Saint Judas A&ostle and 'art(r .  %assion $heolog( %olitics and the Artistic %ersona in *rench 9o)anesue 1a&ital  7e& Uork u. a. 2000.1 March&inski ,lena $he 9o)antic Suicide and the Artists inA Gazette des Beau6!Arts  9>V 18B S. 2-B.20 +eckmann >nke Selbst)orddarstellungen bei ,tto Di6 und George GroszC 0) S&iegel the)enver-andter Arbeiten von Vorl5ufern und 4eitgenossen Saar$rcken 200B.21 ,dol's Colker Der tote 3ünstler . Selbst)orde inA Ders. Der 3ünstler und der $od . Selbstdarstellungenin der 3unst des =NC und O?C Jahrhunderts %3ln 1= S. =2''.22  +*tschmann

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    moralisch-;uristisches Cer$rechen gegen Gott 7atur und Gesellscha't konseWuent

    )erurteilt oder als #olge einer seelisch-geistigen Cer&irrtheit kommentarlos geduldet

    erlangte das :hema in der z&eiten *l'te des 18. Jahrhunderts allm*hlich das >nteresse der

    3''entlichen De$atte. Die progressi)e Entta$uisierung der Sel$stt3tung im %reis der

    >ntellektuellen der Schri'tsteller und /issenscha'tler erschloss eine l*ngst )erdr*ngte

    DeutungsdimensionA Das autonome &illentliche +eenden des eigenen 6e$ens &urde als

    ein radikaler ,kt der pers3nlichen #reiheit zum :ode reha$ilitiert.

    Sukzessi) erreichten auch die %nstler seit dem sp*ten 18. Jahrhundert eine neue

    #orm der geistigen und sozialen #reiheit die sie )on den zn'tigen und 'rstlichen

    ,utorit*ten den )er$indlichen akademischen 7ormen und der institutionell-staatlichen

    %ontrolle ent$and. Sie dur'ten 'ortan den >nhalt und die #orm ihrer /erke nach

    su$;ekti)em Ermessen &*hlen und gestalten. Diese Fadikalit*t der sch3p'erischen

    ,utonomie legte ein unersch3p'liches Feser)oir unkon)entioneller Darstellungs- und

    ,usdrucksm3glichkeiten 'rei &elche die Ciel'alt der romantischen Suiziddarstellungen

    re'lektiert.

    Die (mgestaltung der traditionellen ,nsichten $er :od und #reitod )erlie' 'r die

    %unstproduktion ge&iss nicht a$rupt und z&angsl*u'ig gradlinig. Der Suiziddiskurs im

    %reis der >ntellektuellen des 18. Jahrhunderts setzte einen rozess in Gang dessen

    inhaltliche %ontro)ersen $is in die interdisziplin*re Gegen&art hinein nicht minder

    nachgelassen ha$en. #r die %nstler stellte die Entdeckung neuer ,spekte eines alten

    :hemas an erster Stelle die #rage nach einem angemessenen ausdrucksgltigen

    ikonographischen Coka$ular. Denn die $erlie'erte Darstellungssprache er&ies sich

    allm*hlich als ungeeignet dem )er*nderten +ild eines dem 6e$en der Gesellscha't und

    der /elt gegen$er konseWuent a$lehnend gestimmten Menschen ad*Wuaten ,usdruck zu

    )erleihen. ,u' der Suche nach alternati)en 63sungen gri''en sie nach den )erer$ten

    moralisch kodierten kompositorischen Matrizen die sie mit einem unorthodoIen >nhalt'llten &odurch alte #ormen neue EIpressi)it*t und ,ktualit*t erlangten oder sie

    er'anden eine eigene su$;ekti)e +ildersprache. ,us diesem kompleIen rozess des

    Fckgri''s und des #ort&irkens der %onstanz und des /andels ?archetpischer Moti)e@

    und ?Fahmenthemen@ entstand schlieHlich eine &esentlich heterogene +ildtradition zum

    :hema des menschlichen #reitodes.2

    2 5ur ,u''assung der %unstgeschichte als ein ikonographisch einheitlicher rozess sieheA +iaXostocki Jan Die ;9ah)enthe)en< und die archet(&ischen Bilder !1" inA Ders. Stil und 0onogra&hie. Studien zur

     3unst-issenschaft  %3ln 181 S. 1-1B=O 9hapeaurouge Donat de "andel und 3onstanz in der Bedeutung entlehnter 'otive /ies$aden 1BO ,hrens GerhardSello %atrin +achbilder . Vo) +utzen und +achteil des 4itierens für die 3unst  ,usst. %at. anno)er 1BO Schuster eter-%laus Grundbegriffe der

    12

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    >nso'ern die Cerdeutlichung neuer #ormen nur au' dem #undament der 4$erlie'erung

    m3glich ist er&eist sich die strategische Gliederung dieser Studie in z&ei sich gegenseitig

    erg*nzende %ompartimente als unent$ehrlich. Corangestellt soll ein kunst- und

    kulturhistorischer ,$riss der seit der ,ntike $estehenden :radition der Suiziddarstellungen

    der >nterpretation der herk3mmlichen Moti)e zun*chst den Fahmen des

    EntstehungskonteItes setzen um so&ohl der Ge'ahr )on /illkr und ,nachronismus der

    Deutungsm3glichkeiten zu entgehen als auch um die +esonderheiten ihrer 'ort&irkenden

    (m'ormulierungen klar konturieren zu k3nnen. Die modernen >nterpretationen zum :hema

    des heroischen und unheroischen Suizides zitieren $is zum ge&issen Grad immer noch das

    )or$estimmte ikonographische Coka$ular und de'inieren aus diesem Grund einen

    'undamentalen ,spekt dieses #orschungsteils. Die programmatisch neuen Moti)kreise

    dagegen die sich in der %unst seit dem 18. Jahrhundert als Darstellungen des

    romantischen Suizides ge$ildet ha$en &erden anschlieHend im z&eiten #orschungsteil

    her)orgeho$en und analsiert.

    So'ern die modernen Suizidinterpretationen es nicht mehr gestatten als

    spiegel*hnliche ?Fe'leIionen@ des ikonographischen Er$es $etrachtet zu &erden &ie

    +ro&n anhand einer aus dem #ach)oka$ular der hsik entnommenen Metapher tre''end

     $emerkt2 sondern )ielmehr als ?Fe'raktionen@ als di''use )erzerrende

    /iderspiegelungen einer kompleIen ro$lematik mssen sie in ihrer indi)iduellen

    ,ussage respektiert &erden. Die thematischen und ikonographischen /andlungen &erden

    demnach eIemplarisch an konkreten Darstellungen untersucht &o$ei die ausgesuchten

    +ild$eispiele nach einheitlichen %riterien strukturiert und als unzertrennliche Glieder

    eines :raditionskorpus aus dem sie im /esentlichen ihre ,ussagekra't sch3p'en stets in

    ihrer +ezogenheit au's Ganze $etrachtet &erden. /eitere +ilder und Skizzen die eine

    erl*uternde #unktion $ernehmen &erden in der (ntersuchung e$en'alls einer

    +etrachtung unterzogen. Die not&endigen Fckgri''e au' ositionen aus der hilosophieschologie Soziologie und ,nthropologie sollen da$ei der ,$sicht dienen

    kulturgeschichtlich einen angemessenen %onteIt 'r die %ompositionsanalsen zu

    erm3glichen und die )erschiedenen erspekti)en zum Cerst*ndnis der konkret zu

     $esprechenden Suiziddarstellungen au'zuzeigen.

     Bilders&rache inA +eutler 9hristian u. a. !rsg."  3unst u) =I?? und die *olgen. "erner Hof)ann zu .hren Mnchen 188 S. 2-2B.2 +ro&n 2001 S. .

    1=

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Der +egri'' der Suiziddarstellung spielt in dieser (ntersuchung eine zentrale Folle.

     7ot&endiger&eise &ird zu +eginn eine )orl*u'ige De'inition dessen gege$en um dadurch

    die %riterien 'r die ,us&ahl und die 5uordnung der +ilder 'estzulegen.

    *. Der Tod und seine Gesichter: terminologische Ein#lic+e

    Das deutsche /ort ?Geheimnis@ leitet sich etmologisch )on dem *lteren ,d;ekti)

    ?heimlich@ a$ und $ezeichnet &3rtlich all ;enes das ausschlieHlich zum ausinneren zum

    menschlichen eim geh3rt und 'r die ,uHen&elt unsicht$ar )er$orgen und somit

    un$ekannt $lei$t. >hre Entstehung )erdankt die /ort$ildung der +i$el$ersetzung )on

    Martin 6uther !18=-1" als der :heologiepro'essor das lateinische /ort )(steriu) im

    %onteIt der #rage nach dem /esen des christlichen Gottes durch ?gehemniH@$ersetzte. 2

    ,ls (rsprung und letztes 5iel alles %reatrlichen ist das G3ttliche demnach das

    metaphsische ?eim@ aller 9hristen. Dennoch entzieht sich Gottes /esen au'grund

    seiner ontologischen Erha$enheit der rationalen Erkenntnis'*higkeit des Menschen und

     $lei$t ein grenzenloses und undurchdringliches ?Msterium@. ,us dieser theologischen

    r*misse leitet sich auch der pro'ane >nhalt des sp*ter s*kularisierten +egri''es a$A Ein

    Geheimnis ist das Cer$orgene (n$ekannte und (ner'orschte als auch das das seinem

    /esen nach uner'orsch$ar unergrndlich und un$egrei'lich ist.

    Der :od ist 'r den Menschen *hnlich &ie der Gott 'r den Gl*u$igen im

    /esentlichen ein Geheimnis. Er de'iniert nicht nur einen metaphorischen ch &eiH es a$solut nicht ich kann es nicht &issenO -enn ich es

    -üsste -5re es nicht der $od . ,lles &as ich mir $er den :od )orstelle sind Carianten des 6e$ens es istnoch das 6e$en PKQ@. JankLlL)itch Cladimir 3ann )an den $od denen +rankel Jrgen !rsg.4$ers."/ien 200= S. = Per)orhe$ung D. J.Q

    1

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    %onseWuenz Y der ausdruckslose )erstummte menschliche 6eichnam d. h. der :ote nicht

    der :od.28

    !=NN? +erlin 1O ,usst. %at. +ern 200O lsen-Esch ,ndrea )on/estermann-,ngerhausen

    iltrud !rsg." 4u) Sterben schön. Alter $otentanz und Sterbeunst von =>?? bis heute 2 +de. ,usst. %at.%3ln 200O 4u) Sterben schön Der $od in der 3unst des O?C Jahrhunderts ,usst. %at. %3ln 200O Macho:homasMarek %ristin !rsg." Die neue Sichtbareit des $odes Mnchen 200B.

    1

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    ?le$endige@ 4$er$ringer )on $esonderen menschlichen /erten im zeitlosen Dialog mit der

    Cerg*nglichkeit.=2

    ,lle :odesmetaphern -allegorien und -e)okationen so&ohl in der 'aktischen 6e$ens&elt

    des Menschen als auch in der 'ikti)en /irklichkeit der %unst lassen sich gem*H der ,rt

    des Ster$ens $z&. nach dem Grund des :odes thematisch drei'ach klassi'izierenA Sie

     $ezeichnen das ?natrliche@ das ?ge&altsame@ oder das ?'rei ge&*hlte@ 6e$ensende der

    erson. Das #undament 'r diese Di''erenzierung $ildet die 7atur des :odesph*nomens

    sel$st.

    Das 6e$en mani'estiert sich 'r den Einzelnen als eine temporale

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    $er&iegend )erkl*rte Corstellung handelt sei zun*chst dahingestellt. /ichtig ist dass die

    >dee )om ,lterstod die 7ot&endigkeit einer $linden 7atur positi) zeichnet die innahme

    des aggressi)en Geheimnisses als 'reie Entscheidung erm3glicht und der ster$enden

    erson die letzte /rde sichert.= Die knstlerischen >nterpretationen die das indi)iduelle

    Daseinsende als ein sinner'lltes natrliches Ereignis thematisieren richten aus diesem

    Grund die ,u'merksamkeit des +etrachters au' die dialektische +eziehung z&ischen dem

    menschlichen 6e$en und dem es $eendenden Msterium das ;e nach Epoche und

    +egri''s)erst*ndnis eine gegenst*ndliche 'igurati)e oder a$strakte ,nschauungs'orm

    erh*lt.

    ,ls ge-altsa) l*sst sich dagegen der unzeitige :od $ezeichnen )erursacht durch

    Mord %rieg %rankheit oder (n'all. Er setzt den Eingri'' 'remder Ge&alt au' die #reiheit

    und das 6e$en eines Menschen )oraus dem dadurch das Fecht au' einen &rde)ollen

    6e$ensa$schluss )ersagt &ird. Der als ?unnatrlich@ au'ge'asste :od ist also der :od des

    Sinn-Cerlustes. Seine Darstellungen lenken das >nteresse )om uner'orschlichen Geheimnis

    au' die konkreten :odesursachen. Sie konzentrieren sich ent&eder au' das +ild des

    Menschen als eine machtlose )on dem )ernichtenden /ir$el des Schicksals getragene

    %reatur oder au' sein soziales und moralisches zugleich a$er irrationales und trie$ha'tes

    /esen und stellen Cernun't&idrigkeiten aradoIien und %on'likte aus der

    gesellscha'tlichen /irklichkeit kritisch oder neugierig 'orschend zur Schau.

    )om natrlichen :od keines'alls die 7ot&endigkeit ergi$t im rein materialistischen Sinne der modernen 7atur&issenscha't metaphsische und religi3se ,spekte des :odes so&ie den Glau$en an ein JenseitsauszuschlieHen. 5um :hema sieheA Sch&artl*nder Johannes  Der $od und die "ürde des 'enschen inA

    Ders. !rsg." Der 'ensch und sein $od  G3ttingen 1B S. 1''.O ,uer ,l'ons Das 9echt des 'enschenauf einen ;natürlichen $odm #olgenden zit. nach der 4$ersetzung )on Gerhard #inkFainer 7ickel!Dsseldor' 200B200"Q.=  Der +egri'' der Menschen&rde &ird in diesem %onteIt mit der Entscheidungs- und andlungs'reiheit

     $z&. mit dem Grundrecht der erson au' Sel$st$estimmung de'iniert. Der in diesem 5usammenhang als

     praktische Gege$enheit au'ge'asste +egri'' der #reiheit $estimmt die erste +edingung 'r die M3glichkeitder Fealisierung der Menschen&rde. Siehe dazuA orstmann Fol'-eter  'enschen-ürde inA /h+d. Sp. 112''.O Grossmann ,ndreas "ürde inA e$d. +d. 12 Sp. 1088''.

    1B

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Mit dem +egri'' des frei-illigen :odes oder des Suizides=B &ird schlieHlich die autonome

    sel$st$estimmte andlung eines Menschen $ezeichnet die zum 5iel das +eenden des

    eigenen Daseins in a$seh$ar$ar kurzer 5eit hat.=8 Die M3glichkeit dieser andlung setzt

    die Ge&issheit )on der eigenen Ster$lichkeit= und somit not&endig einen su$;ekti)en

    +egri'' des :odes )oraus. Deren Fealisierung $edingt die Entscheidungs- und

    andlungs'reiheit der erson.0

    /enn der Mensch au' eigenen +eschluss den $aldigen :od sucht handelt er

    einerseits gegen die 7atur im engeren Sinne des /ortes inso'ern er sein 6e$en )orzeitig

    d. h. eher als die $iologisch-phsische %onstitution seines %3rpers es zul*sst mit Ge&alt

    zu $eenden $ea$sichtigt. ,ndererseits $estimmt die stete M3glichkeit der Sel$stt3tung eine

    der spezi'ischen anthropologischen Grundcharakteristiken dersel$en menschlichen 7atur

    und in diesem Sinne kann der ,kt der Sel$stentlei$ung dem /esen nach nicht

    =B Das lateinische /ort suicida  !zu lat. sui dt. seiner sel$st und lat. caedes dt. das :3ten" erscheint zumersten Mal in dem polemischen /erk  De uatuor lab(rinthos *ranciae  !11B8" )om 7ach'olger desaugustinischen %anons /alter aus St. Cictor !Z um 1180". Es &urde als eine moralisch negati)e Steigerungin ,nlehnung an das lateinische /ort  fratricida !dt. +ruderm3rder" her)orgeho$en indem die +etonungnicht so sehr au' den ,kt an sich sondern au' den zum M3rder seiner Sel$st degradierten Menschen 'iel.?/ieder $ele$t@ &urde der ,usdruck )on Sir :homas +ro&ne !10-182" erst im Jahr 1=B als er inseinem philosophischen /erk  9egio 'edici  !6ondon 1=" mit der neolateinischen /ort$ildung suicidiu) !dt. Sel$stt3tung" nach einem moralisch neutralen Wui)alent 'r das englische /ort  self!

    illing  !dt. Sel$st-Mord" suchte. Der 7eologismus eta$lierte sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in denmeisten europ*ischen Sprachen. SieheA +aumann %arl Selbst)ord und *reitod in s&rachlicher und geistesgeschichtlicher Beleuchtung  GieHen 1=O oo'' ,nton J. 6. )an  A #onger #ife for ;Suicide

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    ?unnatrlich@ sein.1 #olglich nimmt der suizidale :od Y terminologisch $etrachtet Y durch

    seine paradoIe Struktur eine mittlere osition z&ischen dem +egri'' des natrlichen und

    des ge&altsamen :odes ein.

    >m Suizid ist der Erleidende zugleich der andelnde so dass das h*nomen des

    Ster$ens als *uHerste und letzte Demonstration )on #reiheit er'ahren &ird.2 Die #reiheit

    zum :ode de'iniert einen &esentlichen +estandteil der /rde des Menschen als

    moralische erson die &iederum im ,kt der Sel$stt3tung h3her als das $iologische oder

    soziale 6e$en in der su$;ekti) und zeitgem*H $edingten ierarchie der Gter gestellt

    &ird. =

    ,u'grund ihrer Mittelstellung z&ischen dem +ild des natrlichen und des

    unnatrlichen Ster$ens schlieHen die Suiziddarstellungen thanatologische und

    anthropologische so&ie gesellscha'ts- und kulturkritische ,spekte in sich ein. ,ls solche

    nehmen sie eine mediati)e osition z&ischen der eindimensionalen #aktizit*t des realen

    h*nomens des #reitodes in der o$;ekti)en /irklichkeit und den zahlreichen epochal

     $edingten #ormen seiner pro'anen religi3sen oder &issenscha'tlichen >nterpretation ein.

    De'initionsgem*H so&eit es sich nicht um a$strakte ,usdrucks'ormen handelt

    ha$en Suiziddarstellungen so&ohl den spezi'ischen ,kt der Sel$stt3tung eines Menschen

    als auch die (rsachen und die %onseWuenz dessen zum +ildgegenstand. ,us diesem Grund

    1 Cgl. +irn$acher Dieter ;+atur< als 'aPstab )enschlichen Handelns inA 4eitschrift für &hiloso&hische *orschung   1 11 S. 2'.O #letscher Joseph  0n Verteidigung des Suizids inA Eser ,l$in !rsg." Suizidund .uthanasie als hu)an! und sozial-issenschaftliches %roble) Stuttgart 1B S. 2==''.2 ?So'ern der Mensch ist ist der Mensch 'rei und das Ende seiner #reiheit ist auch das Ende seines Seins.@E$eling 1B S. 8 P. d. ,.Q. #reiheit der Entscheidung und der andlung &ird auHerdem solchen Menschenzugesprochen die im +esitz ihrer Geisteskr*'te autonom und $e&usst das +eenden ausschlieHlich dereigenen EIistenz $eschlieHen und ihr Cerhalten danach orientieren. Der 'ranz3sische Soziologe Jean+aechler !$od durch eigene Hand .  .ine -issenschaftliche /ntersuchung über den Selbst)ord #rank'urt a. M. 181 S. 1B''." &eist darau' hin dass der Suizid als der ?positi)e ,kt eines menschlichen/esens zur 63sung eines eIistenziellen ro$lems@ $ei >ndi)iduen ?deren &esentliche seelische #unktionenzerst3rt sind@ eher eine ,usnahme $estimmt so'ern pathologische Erkrankungen der menschlichen scheeine ad*Wuate Einsch*tzung der eigenen 6e$enslage oder eIistenziellen Situation in der Fegel unm3glich

    machen. Die Sel$stt3tung )on Menschen die pschisch unheil$ar erkranken &ie $eispiels&eise anSchizophrenie 'inde gerade in der hase der Erkrankung statt in der die +etro''enen immer noch $er das+e&usstsein )on dem drohenden Cerlust dessen )er'gen und sich durch die Entscheidung zu ster$en dem#ortschritt der Erkrankung &idersetzen. >hre :at l*sst sich als der letzte  freie ,kt der Certeidigung der

     pers3nlichen /rde $ezeichnen.= Siehe dazuA ieper ,nnemarie .thische Argu)ente für die .rlaubtheit der Selbsttötung  inA 1oncilius. 0nternationale 4eitschrift für $heologie 21 = 18 S. 1=''.O %amlah 18 S. 220''.O 63&ith %arl Die *reiheit zu) $ode inA E$eling 18 S. 1=2''. >n diesem Sinne dar' der Suizid una$h*ngig da)on o$ derandelnde sein 5iel erreicht oder nicht $z&. o$ es sich gelegentlich um einen ?misslungenen@ Suizid)ersuchhandelt nicht mit dem 'rei ge&*hlten ;edoch uneigenntzlichen

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    gliedern sich die knstlerischen >nterpretationen in drei gem*H der /ahl des 5eitpunktes

    unterschiedliche Moti)gruppen.  Sie )ergegen&*rtigen ent&eder die Grenzsituation im

    ,ugen$lick des Collzugs der t3dlichen andlung oder stellen die )orausgehende $z&.

    erkl*rende Situation dar die in a$seh$arer 5ukun't zum Suizid 'hrt oder kon'rontieren

    schlieHlich den +etrachter mit dem +ild des menschlichen 6eichnams. /ie sich der

    +egri'' der Suiziddarstellungen in der :radition der europ*ischen %unst konkret eIpliziert

    &ird au' den 'olgenden Seiten untersucht.

     Cgl.

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    '. Der heroische und unheroische Suizid als traditionelle Themen der europ-ischenunst: +ulturgeschichtlicher /#riss

    Die /andlungen der ,nsichten $er :od und Suizid im europ*ischen %ulturraum )on der

    ,ntike $is zur z&eiten *l'te des 20. Jahrhunderts sind mehr'ach )on einem

    interdisziplin*ren ,nsatz zu einer einheitlichen ?Geschichte@ rekonstruiert und

    zusammenge'gt &orden. Der 'olgende kulturgeschichtliche ,$riss $ea$sichtigt nicht

    die geleistete #orschungsar$eit in Felation zur %unstproduktion zu re'erieren. Cielmehr ist

    sein 5iel darin zu sehen 'hrende :hemenkreise $ezglich der Suizidpro$lematik aus

    einem Standpunkt in der 3unst  sel$st zu skizzieren die Entstehung und Ent&icklung )on

    konstanten oder $esonders rele)anten Moti)en innerhal$ der thematischen #elder

    her)orzuhe$en und ikonographische Schemata zu de'inieren die 'r die eigentliche

    (ntersuchung )on unent$ehrlicher +edeutung sind.

    Die Sel$stt3tung de'iniert eine #orm des Ster$ens und die +ilder die sie

    )ergegen&*rtigen $estimmen einen $esonderen ,spekt der Gattung der

    :odesdarstellungen. Die #rage nach deren repr*sentati)en /ert und kulturgeschichtlicher

    +edeutung &ird demnach ohne +ercksichtigung ihrer immanenten Cer&andtscha't mit

    den ikonographischen %on)entionen &elche die 6es$arkeit und die Cerst*ndlichkeit der

    kompositorischen und sm$olischen 63sungen garantiert ungengend $eant&ortet. ,us

    diesem Grund soll an ausgesuchten +eispielen das dialogische Cerh*ltnis z&ischen den

    :odes- und den Suiziddarstellungen umrissen &erden. >nso'ern die /andlung der

    religi3sen so&ie der &eltlichen ,nsichten $er Ster$en :od und #reitod ein kompleIes

    und um'angreiches theoretisches #eld darstellt &erden nur die;enige Grundzge

    her)orgeho$en die 'r die ikonographische ,nalse und 'r das Cerst*ndnis des konkreten

    +ild)oka$ulars )on Fele)anz sind und es &ird au' Studien )er&iesen die sich pr*zise mit

    den $esonderen #ragen auseinandersetzen. Die Gliederung in unterschiedliche 5eitr*ume

    ist )or allem als Struktur ge$ender Fahmen gedacht so dass die Grenzen daz&ischen als

    'lieHend zu $etrachten sind.

     Die 6iteraturliste am Ende der Studie erhe$t keines&egs den ,nspruch au' Collst*ndigkeit. Es &ird )orallem au' die;enigen #orschungsar$eiten )er&iesen die sich als 'hrende 7achschlage&erke eta$liert ha$enund in dieser (ntersuchung $ercksichtigt &erden. Es soll )orausgehend nur daran erinnert &erden dass

    so&ohl das uni)ersale h*nomen des :odes als auch das des Suizides an sich keine ?Geschichte@ imeigentlichen Sinne des +egri''es $ildenA Cielmehr handelt es sich da$ei um &issenscha'tliche oder

     popul*r&issenscha'tliche >nterpretationen.21

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    '. % 5'n 67rde ster#en8: Tod und Suizid in der unst der /nti+e

    Einen kunst- und kulturhistorisch rele)anten Ein$lick in die altertmliche :odesau''assung

    erm3glichen die erhaltenen 5eugnisse der antiken Sepulkralkunst. >ns$esondere die

    &eiHgrundigen $emalten 6ekthen die )or allem in ,then der z&eiten *l'te des 'n'ten

    )orchristlichen Jahrhunderts als traditionelle Gra$$eiga$en )er$reitet &aren

    dokumentieren die ,nsichten $er den :od und das Schicksal der :oten in der klassischen

    griechischen ,ntike die sich $er Jahrhunderte im Fahmen einer &enn auch innerlich

    gestaltreichen mthisch und literarisch 'undierten :radition ge$ildet ha$en und au' die

    &eitgehend eklektizistische r3mische Feligion $edeutenden Ein'luss aus$ten.

    Eine &eiHgrundige 6ekthos !,$$. 1" aus dem +estand der +erliner

    ,ntikensammlung stellt den ,$schied eines Caters )on seinem im %rieg ge'allenen ;ungen

    Sohn dar und thematisiert die Er'ahrung des :odes aus einer $erzeitlich menschennahen

    erspekti)e. 6inks eines rechteckigen dreistu'igen Gra$monuments das mit einem %ranz

    und $unten +*ndern geschmckt ist erhe$t sich das an einen langen /anderstock

    gesttzte ro'il des Greises dessen hohes ,lter aare und +art &eiH ge'*r$t hat !,$$. 2".

    Er hat die rechte and zum Gesicht erho$en und drckt in einer Ge$*rde der :rauer die

    and'l*che gegen die Stirn. Sein hal$o''ener Mund deutet au' das leise ,ussprechen eines

    Ge$ets oder au' eine %lage an. :ie'e #alten gra)ieren sein ,ntlitz und unterstreichen den,usdruck )on 6eid und %ummer &*hrend er den +lick au' die andere Seite des hohen

    Gra$mals au' die Gestalt seines Sohnes richtet.

    >n klassischem %ontrapost und im Modus heroischer 7acktheit pr*sentiert der

    sch&arz$*rtige %rieger rechts dem +etrachter seinen athletischen %3rper &*hrend er das

    zur *l'te )om elm $edeckte Gesicht nach links zu dem trauernden alten Mann

    a$ge&andt hat !,$$. =". >n der rechten and h*lt er den schlanken Sta$ eines Speers mit

     >m antiken Griechenland 'ungierte die +ezeichnung l2(thos als einen Gattungs$egri'' 'r alle \l- undar'm'l*schchen die aus unterschiedlichem Material hergestellt &urden und eine $reite praktische,n&endung im ,lltag 'anden. Die &eiHgrundigen attischen 6ekthen dagegen &urden ausschlieHlich imsepulkralen %onteIt als \l$eh*lter $ei der Sal$ung der Cerstor$enen so&ie als Gra$$eiga$en $enutzt. Cieleder darau' gemalten Darstellungen stehen im engen 5usammenhang mit dem 'rhesten und zugleich)ollst*ndigen +ild )om :ode in der griechischen ,ntike das sich im $erlie'erten Epos des >oniersomer !8. Jahrhundert ). 9hr." 'indet. Seine eldentrag3dien  0lias  und ,d(ssee sind als eine #orm der5usammen'assung und 7iederlegung einer langen :radition )on mndlicher oesie tradierten Sitten und)ertrauten +r*uchen entstanden die sich )on der sp*ten mkenischen eriode oder dem 'rhen ?dunklen5eitalter@ !ca.1200-B00 ). 9hr." a$leiten und Jahrhunderte nach dem :od des Dichters $edeutungs)oll

     $lie$en. Siehe dazuA Sour)inou->n&ood 9hristiane $o Die and .nter the House of Hades: Ho)er Beforeand After  inA /hale Joachim !rsg."  'irrors of 'ortalit(. Studies in the Social Histor( of Death

    6ondon 181 S. 1''.O Garland Fo$ert $he Gree "a( of Death 6ondon 18 S. 2=''.O omeroSarah +. u. a.  Ancient Greece. A %olitical Social and 1ultural Histor( 7e& Uork 1 S. 1''.O

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    der linken drckt er ein )olumin3ses rundes Schild gegen die Schulter. ,n eine Schnur

    ge$unden die an der muskul3sen +rust Wuer entlang l*u't h*ngt ein Sch&ert hinter seinem

    Fcken )on dem nur der Gri'' zu sehen ist.

    n der 5eit in der sich die &s(ch2 des Cerstor$enen unter den 6e$enden au'h*lt $lei$tsie im +ereich des Seins &omit sich ihre sinnlich $ildha'te r*senz recht'ertigt. >m %onteIt des plastischenDenkens der ,ntike der ;egliche le$ens'erne sterile ,$straktion 'remd &aren &urde das Sein Y und somitnot&endig auch das Seiende Y $edingungslos als ein ?6e$e&esen@ d. h. zusammen mit seiner Gestaltgedacht &*hrend sich das ?7ichtsein@ der :od durch k3rper- und ausdruckslose Schatten mani'estierte.Siehe dazu +oiad;ie) :zotcho Die frühgriechische %hiloso&hie als %h5no)en der 3ultur  /rz$urg 1S. =.8 Die +esonnenheit de'iniert ne$en der :ap'erkeit der /eisheit und der Gerechtigkeit eine der antiken

    %ardinaltugenden. Sie steht 'r die edle und lo$ens&erte Cer'assung der Seele die sich aus dem rechten MaHder ,''ekte sch3p't und das )ernn'tige andeln leitet. Siehe +ollno&

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    so&ohl ihre /irkungsmacht als auch den konkreten Grund ihrer era$kun't aus. Der

    &ortlos nach )orne gerichtete +lick der erho$ene 5eige'inger und der au' einen erh3hten

    Stein gesttzte rechte #uH 'gen sich zu einer pointierten ,ussage die den g3ttlichen

    /illen )erkndetA Der :otengeleiter ist &egen der )or ihm stehenden #rauen'igur

    erschienen.1 Sein linker #uH zeigt dagegen in eine Fichtung &eg )om +etrachter in die

    unsicht$are #erne um den $aldigen Cerlau' der Ereignisse anzudeuten.2

    Die &ei$liche Gestalt $z&. ihr eRdolon &orau' die runde Gra$steinsilhouette im

    nahen intergrund anspielt steht un&eit )or ihm in einen langen &eiHen 9hiton

    gekleidet $er dessen runde #alten sich ein )olumin3ses imation legt !,$$. ". Der

    %3rper ist leicht zum +etrachter gedreht dargestellt im Gegensatz zu dem streng nach

    links gerichteten Gesichtspro'il. Der %op' '*llt zur +rust &*hrend die :ote mit erho$enen

    *nden den schmalen Fing einer %rone au' ihre dunklen aare legt. = Still und erge$en

     $egi$t sie sich au' den /eg zu der sie er&artenden Gottheit. >hr linker #uH sttzt sich im

    Gehen au' die 5ehenspitzen die au' ermes zeigen &*hrend ihr rechter #uH Y &ie sein

    linker Y au' die #erne deutet so dass ihre dnamische altung +egri''e )on 5eit und Faum

    suggeriert. Das Gra$ l*sst sie hinter sich noch &eniger achtet sie au' den )on Steinen

    ummauerten 'ad denn der nach unten geneigte %op' l*sst ihren +lick die ,ugenh3he

    ihres g3ttlichen Geleiters suchen.

    >n 'ormaler arallele zu der Darstellung der ,$schiedsszene !,$$. 1" sind $eide

    #iguren au' dieser 6ekthos )om +etrachter a$ge&andt und in einer dialogischen Einheit

    )er$unden dargestellt die durch deren harmonisch au'einander snchronisierende

    andlung zum ,usdruck ge$racht &orden ist. /*hrend sich die #rau schmckt und somit

    ihre Sel$stidentit*t auch im :ode $ehauptet hat sich die Gottheit au' den Steinhau'en

    gesetzt um ihr die 5eit da'r zu ge&*hren. Der :od erscheint nicht als eine aggressi)e

    Macht die die einsame  &s(ch2 der Cerstor$enen aus der lichten /elt entreiHt sondern

    )ielmehr als schmerzloser 4$ergang und stilles Geleiten in die (nster$lichkeit Y eineimagin*re )ertikale ,chse )er$indet das Mittel$latt der au' der 6ekthosschulter gemalten

    1 Das griechische /ort &hrazein $edeutete in der homerschen ,ntike so&ohl ?sagen@ als auch ?zeigen@?au'zeigen@ . Cgl. +oiad;ie) 1 S. .2 ,ls ?:otengeleiter@ ist ermes zugleich ein ?D*mon@ im platonischen Sinne ein Cermittler z&ischenG3ttern und Menschen. >n zahlreichen antiken Darstellungen erscheint er den Cerstor$enen als g3ttlicher+ote um sie $is zum 'ern gelegenen unterirdischen :otenreich zu $egleiten. Cgl. /illingh3'er elga$hanatos. Die Darstellung des $odes in der griechischen 3unst der archaischen und lassischen 4eit  Diss.Mar$urg 1 S. 110'.O Simon 18 S. =02''.O Fosen$erg ,l'ons  .ngel und D5)onen. Gestalt-andeleines /rbildes Mnchen 18 S. 2''.O m allgemeinen Sinne handelt es sich um einSchmuckstck der krzlich zu)or )erheirateten ;edoch )erstor$enen #rauen die mit ihrer ochzeitstracht

     $egra$en &urden. Cgl. Garland 18 S. 2'.O Simon 18 S. =1=O

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    almette mit der ge$ieterisch ausgestreckten and der Gottheit der Spitze ihres Sta$es

    und ihres in die #erne zeigenden linken #uHes !,$$. ". Die Geste des erho$enen

    5eige'ingers ist ausdrucksstark und ultimati) ;edoch ist darin kein z&ingender +e'ehl

    sondern )ielmehr ein g3ttliches Ge$ot a$zulesen dem die ;unge #rau ohne zu z3gern 'olgt.

    Sie $etritt den /eg in den :od mit einzig au' ihren Ge$ieter gerichtetem +lick und in

    diesem +lick )er$irgt sich ein Certrauen das im antiken /elt$ild nur z&ischen den

    G3ttern den /eg&eisenden und den Menschen den +e'olgenden denk$ar ist.

    Con ,ngesicht zu ,ngesicht $egegnen sich Menschen und G3tter Ster$liche und

    (nster$liche $eiderseits der :odessch&elle so&ohl in der $ildenden %unst als auch im

    schri'tlichen 7achlass der ,ntike. Der :od mani'estiert sich als die schmerz)olle

    :rennung z&ischen Eltern und %indern Ehemann und Ehe'rau z&ischen den in 6ie$e

    Cer$undenen. Das Scheiden eines Menschen Y ins$esondere eines ;ungen Menschen &as

    die z&ei 6ekthendarstellungen !,$$. 1 " $ildha't thematisieren Y aus dem lichten

    6e$ensreich &urde so&ohl im 'amili*ren als auch im kollekti)en %onteIt als ein *uHerst

    dramatisches Ereignis au'ge'asst. Es hinterlieH :rauer und %ummer $er den Cerlust $ei

    Cer&andten und #reunden und )erletzte zugleich die innere %ontinuit*t der Gemeinscha't

    die durch Generationen&echsel 'ort$esteht. Die antiken 5eugnisse *uHern das +estre$en

    diese :rennung nur au' einer empirischen E$ene zuzulassenA >n Erinnerung und ,ndenken

    sollte der :ote in ,n$etracht seines Gra$monuments &eiterle$en !,$$. 2". Dagegen nimmt

    seine unster$liche &s(ch2 kein pers3nliches +ildnis als >denti'ikationsmerkmal mit in das

    'erne Jenseits. Der durch %leidung und $esondere ,ttri$ute ausgezeichnete Cerstor$ene

    der sich im Modus einer *sthetisierenden :pisierung pr*sentiert &ird einzig durch seine

    soziale Folle als :eil und Mitglied der Gemeinscha't indi)idualisiert !,$$. = ". 

    Dadurch &ird der :od in der %unst der ,ntike der #orm und dem /esen nach idealisiertA

    Er ist der  schöne  :od der dem Cerschiedenen innerhal$ der sozialen Gruppe(nster$lichkeit )erleiht.

     Die 6ekthen zeigen die )erstor$enen #rauen $er&iegend in der Folle der aus'rau Ehegattin undMutter &*hrend die M*nner als stolze %rieger au'treten gelegentlich )on 6ie$lingsinschri'ten $egleitet dieihrer moralischen Sch3nheit !alogathia" ungeachtet der konkreten historischen erson huldigen.Cgl.

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    Das 6e$ensende eines Menschen &urde zudem niemals als &illkrlichen Eingri''

    anonmer oder a$strakter M*chte au'ge'asst als ?zu'*llig@ oder ohne erkl*r$are (rsache.

    inter ;edem $edeutenden Geschehen &urden die G3tter als die geheimen (rhe$er dessen

     Y auch des :odes Y gedacht. Der Cerstor$ene 'iel auHerdem nicht aus der Gemeinscha't

    in die 6eere. Es &ar ermes der ihn $is zur 'insteren (nter&elt geleitete &o ihn andere

    G3tter und die schattenha'te Gesellscha't der :oten er&arteten.B

     7icht so sehr der :od an sich als 4$ergang in das unterirdische Feich ades &urde

    in der ,ntike ge'rchtet sondern das diesseitige Ster$en in Einsamkeit 'ern )on #amilie

    oder #reunden ohne ,$schied und ohne +egr*$nis. Denn es $arg die Ge'ahr dass der

    6eichnam &ie der %ada)er eines &ilden :ieres un$estattet der 7atur $erlassen $lie$. 8 

    Cor allem a$er rie' die Corstellung ,ngst )or Cergessenheit her)or )or der M3glichkeit

    des ,usl3schens des >ndi)iduums aus dem Gemeinscha'tsged*chtnis. Dieser (mstand

    &urde als $esonderes 5eichen der Entehrung und der Ent&rdigung emp'unden.

     I. 1.1 Die Bürde des Heldenseins: der tragische Suizid von Aias

    #ern )on der Gemeinscha't und ohne g3ttlichen +eistand erscheint die einsame

    Cor$ereitung au' den :od eines %riegers au' einer &eiteren 6ekthos aus der Mitte des

    'n'ten )orchristlichen Jahrhunderts !,$$. B 8". Das $erdimensionale %amp'schild hat er

     Die M*nner tra' der 'eil ,pollons die #rauen der seiner 5&illingssch&ester ,rtemis. (rsprnglich)er$arg sich hinter dieser Sicht der 'romme Glau$e an die g3ttliche

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    links an einen kurzen 'eiler gelehnt die leere Sch&ertscheide h*ngt an einem +and

    dar$er das Sch&ert erhe$t sich rechts in der %omposition in der Erde mit der Spitze

    nach o$en $egra$en. Daz&ischen kniet die ent$l3Hte Gestalt des $*rtigen elden im

    strengen ro'il. Sparsam au'getragene +innenlinien $etonen das Columen seines

    ge&altigen %3rpers. Der lockige %op' '*llt leicht nach hinten die ,rme erhe$en sich zum

    unsicht$aren immel der Mund steht hal$o''en der +lick richtet sich ;enseits des

    Darstellungsraumes.

    inter der #igur des einsamen %riegers )er$irgt sich die Gestalt des :elemoniers

    ,ias ;enes heldenha'ten %*mp'ers )on :ro;a der als ?g3ttlich@ so&ohl in Erscheinung als

    auch &egen der Erha$enheit seines Cerstandes und seiner Einsicht $esungen &urde.0 

    Erkenn$ar ist er durch das ?trmende Schild@ das er mit seiner rechten #erse als 5eichen

    der 5ugeh3rigkeit $erhrtA ?,us sie$en *uten 'eistgen*hreter Stier^@ umspannt und zum

    ,chten mit Erz umzogen &urde dieses repr*sentati)e :eil der kriegerischen Fstung zum

    Sinn$ild 'r die Gr3He des ge&altigen %riegers sel$st der an Mut St*rke und Sch3nheit

    alle seine Fi)alen $ertra'.1  Cor allem a$er l*sst sich der eld durch das Moti) seines

    Suizides identi'izieren.

    Der Mthos )om tragischen :od des un$esieg$aren %riegers geh3rt zu den 'rhesten und

    nachhaltigsten Sagen$ildern der griechischen ,ntike.2  Der attische Dichter

    Sophokles !-00 ). 9hr." 'asste die 4$erlie'erung unter eigener r*gung zu einer

    :rag3die zusammen und )erlieh der alten eldensage eine so&ohl 'r seine 5eit als auch

    'r die nach'olgenden Jahrhunderte maHge$ende Gestalt.=

    Gem*H den antiken Nuellen &urden nach einem )er'*lschten Gerichts$eschluss die

    Ehre )erleihenden /a''en des toten ,chills nicht ,ias sondern seinem Gegner

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    Die geistige (mnachtung die den elden zum un&rdigen andeln trie$ hatte nach

    Sophokles ;edoch nicht die menschliche sondern die g3ttliche 7atur zur (rsache. Die

    Schtzerin der %rieger allas ,thene sel$st ha$e seinen Cerstand und sein ,ugenlicht

    )er&irrt. Der 5orn der G3ttin und das darau' 'olgende (nheil $eruhten auHerdem nicht au'

    launische /illkrA Der stolze ,ias ha$e ihre il'e im %amp' a$ge&iesen und in seinem

    4$ermut das ?MenschenmaH@ $erschritten.

    Der &ieder zur +esinnung gekommene eros $egi$t sich schlieHlich in den :od

    durch den allein er seinen zutie'st )erletzten Stolz und seine Ehre retten kann. Ein

    leidenscha'tliches le$ensphilosophisches l*doer o''en$art seine seelische 7iederlage

    und lie'ert sinnreiche ,rgumente 'r die tragische EntscheidungA

    ?Denn schm*hlich ist es sich ein langes 6e$en &nschen

    &enn es im (nheil keinen /andel gi$t.

    /o ist da #reude &enn so :ag und :ag

    Den :od nur n*her rckt und ihn hinausschie$t[

    PKQ

     7ein &rdig le$en oder &rdig ster$en

    Geziemt dem rechten Manne. Y ,lles hast du so geh3rt PKQ.@

    ,ngesichts des :odes h*lt ,ias zum letzten Ge$et inne. Er $ittet 5eus den allm*chtigen

    Gott)ater es m3ge #reund und nicht #eind seine 6eiche als erster entdecken um sie

    ehrenha't zu $egra$en. Darau' ru't er ermes den Geleiter dass er ihm einen schnellen

    4$ergang $ereite. Die G3tteransprache kndet schlieHlich in einem ergrei'enden

    Sel$stmonologA Der ?g3ttliche@ %rieger nimmt ,$schied )on dem 6icht )on der

    heimischen Erde )on #eldern und #lssen eher er sich au' sein Sch&ert strzt.B

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    l*sst8 erscheinen $eide knstlerischen >nterpretationen durch moti)ische arallelen

    &esentlich )er&andt.

    Sophokles hat es als erster unter den :rag3diendichtern ge&agt den 'rei ge&*hlten

    :od des elden au' der attischen +hne zu inszenieren.  Einzelheiten sind nicht

    $erlie'ert dennoch )erraten die erhaltenen Fegiean&eisungen zu dieser Szene deutlich

    die hnlichkeit seiner knstlerischen Cision mit *lteren und zeitgen3ssischen

    Darstellungen des Moti)s in der $ildenden %unst.B0 /as der antike Dichter den 5uschauern

    in der )isuellen :heatersprache gezeigt hat &ar 'olglich ein )er$reitetes und )ertrautes

    ?+ild@ das in seiner ,u''hrung die *uHerste Fealismusgrenze erreichte.

    Der ,lkimachosmaler dagegen hat das Drama des elden gem*H der

    ,usdrucksm3glichkeiten der $ildenden %unst anhand &eniger %ompositionsmittel au'

    einen einzigen 5eitpunkt konzentriert. Die 6ekthos zeigt den sich zurckgezogenen ,ias

    kurz )or dem t3dlichen ,ugen$lick in &elchem seine seelische 5errttung zu einer

    eIpressi)en #ormel der %3rpersprache zusammenge'asst &orden ist. Die erho$enen ,rme

    sind zusammen mit der knienden %3rperstellung und dem nach o$en gerichteten Gesicht

    als eine $erzeitliche Ge$etshaltung zu deuten.B1  Der zu einem imagin*ren immel

    erho$ene +lick und der o''ene Mund er&ecken Spekulationen $er eine 5&iesprache mit

    den unsicht$aren G3ttern oder suchen die /orte des des elden letzten +ekenntnisses in

    der Erinnerung &achzuru'en. Die sich parallel zu seiner #igur rechts erhe$ende Certikale

    der in der Erde $egra$enen /a''e $ernimmt eine narrati)e #unktion und )err*t das in

    a$seh$arer 5eit er'olgende EreignisA den t3dlichen StoH durch das Sch&ert.

    Die Cer&andtscha't )on literarischer und $ildnerischer ,uslegung der eroensage deutet

    darau' dass $eide /erke im Fahmen einer   :radition mit paradigmatischem 9harakter

    8

      Die undatierte :rag3die )on Sophokles &ird meist in die 'n'ziger Jahre des 'n'ten )orchristlichenJahrhunderts gesetzt &*hrend die 6ekthosdarstellung sehr &ahrscheinlich z&ischen den Jahren B0 und0 ). 9hr. entstand. Cgl. Sche'old 1B S. BO Simon 200= S. 1. ,u' der +hne des griechischen :heaters &urden sonst keine Ge&alttaten )orge'hrt. Der Suizid eines derrotagonisten &urde allein durch den antiken 9hor )erkndet &elcher (mstand sich an erster Stelle mit der'aktischen (nm3glichkeit eines realistischen +hnen$ildes erkl*rt. Der konkrete Grund 'r das /agnis )onSophokles l*sst sich nicht $estimmen. Cgl. Schultz Gerhard E. $he Differences Bet-een 1lassical $raged(and 9o)antic $raged( inA 1lassical "eel( 18 12-12 S. 1.B0 Der :od )on ,ias geh3rt zu den *ltesten $elie$testen und nachhaltigsten Suiziddarstellungen der ,ntike.Die $is zum ge&issen Grade )ariierenden zahlreichen Moti)interpretationen die )on der %leinkunst $is zuder groHen lastik reichen )ergegen&*rtigen $er&iegend die #igur des sich zurckgezogenen einsamenelden &ie er sich au' sein au' die Erde au'gestelltes Sch&ert strzt und )er$lutet &ie ein Siegelrelie'

     $ereits aus dem sie$ten Jahrhundert )or der 5eit&ende das Moti) thematisiert !,$$. " und &ie die Szene $ei

    Sophokles $eschrie$en &orden ist. 5ur Moti)tradition in der antiken %unst sieheA Sche'old 1B S. B2'.O+ro&n 2001 S. 2''.O Simon 200= S. 1''.B1 Cgl. Sche'old 1B S. B=.

    =0

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    entstanden sind die dem knstlerischen >nterpretationsraum ge&isse Schranken setzte.

    Maler und Dichter ha$en sich mit dem gleichen ?tragischen Sto''@ auseinandergesetzt

    dersel$en im ge&issen Sinne mthisch-a$strakten eldengestalt des ,ias und seinem

    dramatischen 6e$ensende eine konkrete und dadurch le$ensnahe Erscheinungs'orm durch

    unterschiedliche ,usdrucksmittel )erliehen ohne die Erkenn$arkeit des Moti)s zu

     $eeintr*chtigen und die Grund'orm der Sage zu )er'ehlen.

    So&ohl die sophokleische Dichtung als auch die 6ekthosmalerei ha$en ihren

    tragischen Gegenstand aus der geer$ten Mthen- und Sagentradition gesch3p't die $is zur

    hellenistischen Epoche als eine &ahre und heilige Geschichte 'ungierte und einen

    ?historischen@ +ericht )on den andlungen der G3tter und der eroen am ,n'ang aller

    5eit o''en$arte. ,ls solche $ildete die 4$erlie'erung die Grundlage der Feligion und der

    Gemeinscha'tsethik. Sie erz*hlte )on der )orausgegangenen /irklichkeit in der

     $esonderen Menschen die $estimmte 9haraktergrundtpen )erk3rperten ein $esonderes

    Schicksal &ider'uhr so dass deren andeln 6eiden und :od eIemplarisch &irkten.B2

    Die ersten antiken :rag3dien)er'asser entnahmen ihre :hemen und Moti)e

    ausschlieHlich der antiken MthologieA ?Das #undament@ und ?die Seele@ der :rag3die

     $ildete zun*chst allein der Mthos.B=  Jeder Dichter dur'te )oraussetzen dass die

    Grundlinien der mthischen andlung dem :heaterpu$likum au'grund der allgemeinen

    antiken +ildung $ekannt &aren.B  Er dur'te den paradigmatischen 9harakter der

    $erlie'erten Geschichten Moti)e und andlungen demnach nur in dem MaH )er*ndern

    &ie es der dichterischen ,$sicht entsprach um aus der alten Geschichte eine

    zeitgen3ssisch aktuelle herauszuar$eiten.B /oraus sich die $esondere /irkung der antiken

    :rag3die sch3p'te &ar die +egegnung mit den $ekannten Sagenhelden die alle Sinne

     $eanspruchteA %eine a$strakten Gestalten sondern reale Menschen handelten redeten und

    litten au' der +hne und lie'erten somit ein ergrei'endes Cor$ild 'r menschliche Gr3He.

    +esondere Menschen handelten und star$en im Mthos und au' der antiken +hnenicht selten )on eigener and und deren :od erschien dem u$likum o't als moralisch

    B2 Die Mthen lie'erten ursprnglich paradigmatische ,n&eisungen zum Cerst*ndnis einer Situation undunterrichteten den Einzelnen durch zeitlose Cor$ilder und +eispiele &ie er sich gegen$er den G3ttern undder Gemeinscha't im Fahmen der $estehenden kosmischen

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    lo$ens&rdig oder gar $e&underns&ert.B Die M3glichkeit der Sel$stt3tungBB &urde als ein

    Grundrecht des 'rei ge$orenen +rgers $etrachtet und es geh3rte zu der Gr3He und der

    /rde des elden a$sch*tzen und entscheiden zu k3nnen unter &elchen (mst*nden das

    6e$en nicht mehr le$ens&ert &ar .B8 Sie &urde als eine zutie'st moralische Entscheidung

     $egri''en die nach ,nsicht der antiken Griechen nicht einem 'reien /illen sondern der

    rechten .insicht  entsprang.B /ichtiger als der an sich schon als *uHerst mutig emp'undene

    ,kt schien des&egen sein Grund zu sein der sich stets als eItern und 'r die soziale

    Gemeinscha't als rational )erst*ndlich )erkndete.80

    ?/rdig le$en oder &rdig ster$en geziemt dem rechten Manne. Y ,lles hast du so

    geh3rt PKQ.@ 7ach der Schandtat im /ahnsinn &ird sich der sophokleische ,ias $e&usst

    dass er den eldenru' )erloren hat der durch +esonnenheit und rechte Einsicht

    er)orragende zu sein. Das paradigmatische /issen ist es &orau' er sich $ei seiner

    Entscheidung $eru't seinem 6e$en ein &rdiges Ende zu setzen und dadurch in die

     $estehende

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    seiner sagenha'ten Gestalt die $esondere r*gung )erleihen sondern seine un)ergleichlich

    dramatische Gr3He unter deren +rde er zusammen$richt.

    ?/rdig le$en@ $edeutet 'r den antiken elden in "ahrheit  &rde)oll zu sein.

    Der +egri'' der /rde de'iniert in diesem %onteIt keine a$strakte ethische %ategorie oder

    tri)iale eldencharakteristik die sich situati) mani'estieren l*sst oder nicht. Sie ist das

    ontologische #undament des heroischen Seins und ihr Cerlust $edeutet un)ermeidlich

    auch seine 5erst3rung den metaphsischen :od des elden. Denn &ie alle griechischen

    eroen lie$te auch ,ias das 6e$en allzu sehr um sich da)on ?'rei&illig@ zu trennen. 82 Er

    ist auch der einzige unter ihnen der and an sich legte Y nicht im 7amen a$strakter

    moralischer >deale sondern &eil er unter der 6ast der /ahrheit seiner eigenen

    auHerge&3hnlichen 7atur zusammen$rach. Darin *uHert sich die eIemplarisch &irkende

    Gr3He seiner gerechten Einsicht und kompromisslosen ethischen Gesinnung die ihn $er

    die Mehrheit als einen $esonderen Menschen auszeichnet als auch die :ragik dieser

    $ermenschlichen geistigen Gr3He.

    hnlich &ie die sophokleische :rag3die setzte auch die antike

    6ekthosdarstellung !,$$. 8" einen +etrachter )oraus der den Mthos )om :od des

    elden kennt und in der stilisierten Erscheinung des $ergroHen %riegers den mutigen und

    stolzen a$er auch den zornigen und in seinen andlungen strmischen ,ias sicher

    erkennt.8=  Die +ildaussage o''en$art sich somit nicht au' einer inhaltlich-narrati)en

    sondern au' einer emotional-suggesti)en und zugleich sm$olischen E$ene. Gezeigt &ird

    an erster Stelle ein Mensch der sich sonst h3chster ,chtung seiner 5eitgenossen er'reute

    in einem aus&eglosen ,ugen$lick ge'angen in dem er isoliert und einsam ohne

    menschlichen oder g3ttlichen +eistand den :od au' sich nimmt Y ein #urcht ein'l3Hendes

    +ild im %onteIt der antiken :odesau''assung. >n seinem $eeintr*chtigten ent&rdigten

    Sein hat der %rieger zudem seine Fstung a$gelegt und erscheint ohne ;ene Ehre

    )erleihende 5eichen die dem Cerstor$enen die Sel$stidentit*t auch im :odesichern !,$$. =". Der sonst (n$eugsame und Stolze kniet au' der Erde und erhe$t in einem

    ergrei'enden Gestus seine starken *nde gegen den immel zum letzten Ge$et ?zum

    allerletzten Mal und niemals &ieder@ zu dem )on ihm in$rnstig gelie$ten 6icht $e)or er

    82 Cgl. omer ,d(ssee  0  88''.O Sophokles Aias 82''.8=  Den antiken %unst$etrachter interessierte &eniger die Geschichte die ihm au'grund der antiken,llgemein$ildung )ertraut &ar sondern )ielmehr die ,rt ihrer $ildha'ten ,uslegung um die durch

    ausdrucks)olle +e&egungen und Ge$*rden &irkungs)oll )erk3rperten Emotionen der handelnden ersonen Y &ie im :heater Y durch Ein'hlung miterle$en zu k3nnen. Cgl. Gom$rich Ernst .  Bild und Auge. +eueStudien zur %s(chologie der bildlichen Darstellung  Stuttgart 18 S. 82''.

    ==

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    in das 'instere Schattenreich niedersteigt.8  Der antike Maler hat sich 'r die

    Cergegen&*rtigung der )or$ereitenden Situation und nicht 'r die Darstellung des Moti)s

    des Suizides sel$st entschieden um gerade den h3chst dramatischen so&ie +e&underung

    er&eckenden ,spekt der eldensage ausdrucksstark zu $etonen um noch einmal au' die

    Grnde anstatt au' den sel$stzerst3rerischen ,kt hinzu&eisen da es diese sind &elche die

    Gr3He des elden ausmachen.

    +ei der antiken 6ekthos mit der Darstellung des ,ias-Suizides handelt es sich

    schlieHlich nicht um ein ,usstellungs&erk sondern um eine Gra$$eiga$e &odurch sich

    die sm$olische Dimension der indi)iduellen >nterpretation in seiner kompositorischen

    Ganzheit erschlieHt. Die erho$enen ,rme der #igur lenken den +lick au' die zierlich

    gemusterten Schultern der \l'lasche au' das zentrale sich strahlen'3rmig 3''nende

    almetten$latt das die )ertikale ,chse des )olumin3sen m*nnlichen %3rpers kr3nt und

    au' das es anmutig 'lankierende +ltenpaar !,$$. B". Die Erscheinung des sich au' den

    :od )or$ereitenden und )om 6e$en )era$schiedenden ,ias sel$st )er&andelt sich dadurch

    zum Sinn$ild des $erdauernden 6e$ens des Seins und der /ahrheit die )om tragischsten

    aller elden ge'eiert &erden und :rost im Dunkel des Gra$es spenden sollen. 8 Denn der

    Suizid des eros &ar der letzte und *uHerste +e&eis seiner Gr3He und sicherte ihm trotz

    der Einsamkeit der letzten Stunde die (nster$lichkeit.

    Die antike %unsttradition kannte ursprnglich nur den heroischen Suizid des ruhmreichen

    %riegers ,ias. Seit dem 'n'ten )orchristlichen Jahrhundert &urde der tragische >nhalt der

    Mthen zunehmend entheroisiert ihr religi3ser %ern pro'anisiert und der #orm nach

    allm*hlich einer literarischen #iktion angeglichen.8  Die antike :heater$hne $etraten

    demzu'olge auch )on :rie$en und ,''ekten $eherrschte #rauengestalten deren $er die

    :ri)ialit*t des ,llt*glichen erho$enes Schicksal &eniger eine eIemplarische als )ielmehr

    eine &arnende #unktion er'llte.8B Jede einzelne mthische oder historische #igur die im

    8 Sophokles Aias 8''. Das Sonnenlicht das ,llem Gestalt und dadurch einen positi)en /ert zu )erleihen)ermag $ildet in der griechischen ,ntike ein kompleIes Sm$ol 'r das Sein die /ahrheit deneldenruhm und die Gerechtigkeit und das Moti) des ,$schieds )on ihm &urde )on den griechischen:rag3dienschrei$ern )iel'ach )ariiert. Siehe dazu +ultmann Fudol'  4ur Geschichte der #ichts()boli i) Altertu) inA  %hilologus  B 18 S. 1-=. Schrecklich ist der :od 'r den antiken Menschen dem%riegshelden erscheint er a$er am meisten )erhasst &eil er ihn zu einer ?nichtigen und sinnlosen@SchatteneIistenz )erurteilt. Der Suizid als dessen letzter Grund zieht dagegen keine moralischen%onseWuenzen nach sich. Siehe omer ,d(ssee  0  B 1''.8 Cgl. Sche'old 1B S. BB'.8 Die Mthen &urden nicht mehr als eine &ahre paradigmatische und heilige Geschichte $etrachtet sondern

    als eine p*dagogisch lehrreiche und zugleich unterhaltsame ?5usammen'gung )on Geschehnissen@ $z&.?7achahmung )on andlungen@. ,ristoteles %oeti  10a=0a''.8B Siehe dazu D3rrie 1B8 S. ''.

    =

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Fahmen dieser :radition and an sich legte und zum Moti) der $ildenden %unst ge&*hlt

    &urde &urde dennoch )om kundigen +etrachter immer und not&endig zusammen mit

    ihrem 7amen und ihrer $esonderen Geschichte gedacht. Die >dentit*t der Dargestellten

    )errieten >nschri'ten $estimmte ,ttri$ute oder die ge&*hlte Suizidmethode. Dieser

    :at$estand deutet keines&egs darau' dass die Sel$stt3tung in der 'aktischen /irklichkeit

    der ,ntike keine 63sung $ot sondern dass Suiziddarstellungen die zu rotagonisten

    anonme 5eitgenossen h*tten &egen ihrer ?Geschichtslosigkeit@ 'r den zeitgen3ssischen

    +etrachter keine ,ussagekra't $es*HenA >hnen 'ehlten die Grundcharakteristiken des

    ursprnglichen &ahren le$endigen und dadurch &irkungs)ollen Mthos.

    '. Tod und Sel#st0Mord in den +7nstlerischen &isionen des christlichen Mittelalters

    Die %unst der Epoche des christlichen Mittelalters thematisiert die menschliche Er'ahrung

    des :odes e$en'alls als die +egegnung 'remder M*chte. >m (nterschied zu den

    untersuchten 6ekthendarstellungen aus der 5eit der klassischen ,ntike &ird dieses

    Ereignis ;edoch nicht durch die era$kun't einer Gottheit in menschlicher Gestalt

    )isualisiert !,$$. " sondern durch das ,u'treten z&eier $esonderer ,rten )on

    ?:odes$oten@.

    Ein Mitte des 11. Jahrhunderts entstandenes El'en$einrelie's !,$$. 10" stellt den

    seligen :od des spanischen eiligen Mill_n de la Gogolla !B=-B" dar. 88  >n seinem

    horizontal )or dem +etrachter platzierten +ett liegt er unter einer sch&eren mit stilisierten

    )egetati)en Mustern )erzierten Decke die in groHen kantigen #alten hina$ '*llt. Den

    Ster$enden kleidet ein gemustertes emd mit langen rmeln.

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    $er die +ettkante $eugt. Der Engel erscheint in einem )erzierten langen Ge&and

    z&ischen seinen ausge$reiteten )olumin3sen #lgeln und dem nach )orne geneigten %op'

    ist der plastische %reis einer ,ureole zu erkennen. 6*chelnd senkt er den +lick au' den

    6iegenden reicht ihm die rechte and und ge$ietet ihm mit der 6inken sich nicht zu

    'rchten.

    Ein %apitell der %athedrale Saint 6azare in ,utun !,$$. 11" deren Entstehung um

    das Jahr 11=0 datiert &ird zeigt dagegen &ie sich z&ei D*monen der Seele eines Snders

    an der :odessch&elle $em*chtigen. Fechts h*lt ein nacktes mageres M*nnchen mit

    ge&altigem %op' zerzausten aaren spitzen hre

    +eant&ortung $edingt allerdings zun*chst die #rage nach der ontologischen

    EIistenz$erechtigung solcher %reaturen.

    >m (nterschied zum mthischen %osmos der ,ntike der )on zahlreichen Gottheiten

     $e&ohnt &ird ist das christlich-religi3se /elt$ild streng monotheistisch. Es ist der e&ig

    eine a$solute und transzendente Gott der das /eltall nicht aus dem archaischen

    ?9haos@0 sondern aus dem ?7ichts@ erscha''en hat.1  Demnach spannt sich das8 Die $i$lischen 7ach&eise sind zahlreich des&egen &ird im #olgenden nur au' rele)ante Stellen )er&iesenund nach Die Bibel . .inheitsübersetzung  Stuttgart 180 zitiert.0  esiod $heogonie  11''. Pim #olgenden zit. nach der 4$ersetzung )on ,l$ert )on Schirnding!5richMnchen 11"Q1 Gen 1A1''.

    =

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    (ni)ersum z&ischen z&ei ontologischen olenA z&ischen dem a$soluten Sein des

    Sch3p'ers und dem a$soluten 7ichts. ,u' der Certikalen daz&ischen statuiert sich das

    %reatrliche graduell gem*H der metaphsischen 7*he zum (rWuell und gliedert sich in

    ?hierarchisch@ 'estgelegten Stu'en $ereinander.2 Daraus konstruiert sich das einheitliche

    und &ohlgeordnete /eltge$*ude in irdischen und himmlischen sicht$aren und

    unsicht$aren Segmenten.= Sie ist die Cer&irklichung eines makellosen Sch3p'ungsplanes

    der 'r ;ede einzelne %reatur einen $estimmten latz )orsieht der ihrer /rde und Gr3He

    entspricht. Die %r3nung der Sch3p'ung $ilden demnach die;enigen /esen die ?in einem

    h3heren Grad als die le$losen /esen die )ernun'tlosen /esen und die mit unserer Pdes

    Menschen eigenenQ ,rt und Cerstand $ega$ten /esen an den Ga$en des Gottesprinzips

    teil $ekommen Pha$enQ@.

    Stu'en&eise hat sich Gott in der Sch3p'ung o''en$art stu'en&eise &ird auch sein

    /ille )ermittelt. Die +i$el erz*hlt an zahlreichen Stellen )on g3ttlichen ?+oten@ die in

    Menschengestalt erschienen sind um den g3ttlichen /illen zu )erknden oder ins

    menschliche 6e$en einzugrei'en. ,ls ?:odes$oten@ geleiten sie die Cerstor$enen in die

    h3here hierarchische Fegionen empor &o sie in ?'estlichem Ju$el@ das ,ngesicht des

    Sch3p'ers schauen dr'en.

    >n Menschengestalt erscheinen die Engel auch in der christlichen %unst

    $er&iegend als anmutige Jnglinge mit langem Ge&and $ar'uH und $e'lgelt. B +ereits

    der eilige Dionsius &arnte allerdings da)or die dem $eschr*nkten menschlichen

    Corstellungs)erm3gen angepasste materielle Darstellungs'orm mit dem in /ahrheit rein

    geistigen /esen der himmlischen %reaturen nicht zu )er&echseln. >hre sicht$are

    2 Der +egri'' der ?ierarchie@ !zu grch. hier2 dt. heilig und grch. arch2 dt. mpulsge$ende und 5eugende es steht 'olglich in einem engensm$olischen 5usammenhang mit der engelschen /esens$estimmung ,us'hrer des g3ttlichen /illens zuseine. Cgl. Fosen$erg 18 S. 8.

    =B

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Schönheit  soll einzig als mediale ,$$ildung gedacht &erden als S()bol .8 >n diesem Sinne

    deuten die #lgel au' die metaphsische Erha$enheit und die dnamische 7atur der Engel

    hin der 'lammende 7im$us o''en$art ihr immaterielles /esen und lichtes ,u'treten das

    &eiHe aus einem nichtirdischen Sto'' ge&o$ene Ge&and $etont ihre spirituelle Feinheit

    das #ehlen )on Schuhen die ge&3hnlich aus der 6eder toter :iere gemacht &urden und

    den :od )ersinn$ildlichen $ezeugt ihre (nster$lichkeit.

    Der Gottes$ote erscheint auch zu der :odesstunde des eiligen Mill_n !,$$. 10"

    als ;ugendlich sch3n und mit allen ,ttri$uten die seine Erha$enheit und 4$erlegenheit

     $ezeugen. Dennoch )err*t die detailliert pr*zise Gestaltung nicht nur die Spur einer

    indi)iduellen stilistischen r*gung sondern )ielmehr die ,$sicht des %nstlers den

    *sthetischen und dadurch sm$olischen 9harakter der konkreten Engelsmani'estation zu

    steigern. Der Engel tr*gt kein schlichtes &eiHes Ge&and sondern ein zierlich gemustertes

    die ,ureole um sein aupt ent'altet sich *hnlich &ie ein +ltenkranz die #lgel dehnen

    sich plastisch in musterreicher Felie'ierung aus. Die $etont sinnliche Sch3nheit der

    himmlischen %reatur soll 'olglich zusammen mit ihrer menschen*hnlichen

    &ohlproportionierten Gestalt als Erkennungszeichen so&ohl ihrer 7*he zu Gott Nuell

    aller Sch3nheit 'ungieren als auch die &ahre >dentit*t seiner 7atur als Gottes$ote

     $ezeugen.100 5ugleich tritt der Engel nicht als ein a$straktes eindimensionales +ildzeichen

    au'. Seine le$enskr*'tige plastische Erscheinung &ird durch rhetorisches Gestikulieren

    und eine ausdrucksstarke hsiognomie )ergegen&*rtigt die )on einem 'reundlichen

    6*cheln gekr3nt ist.

    8  Cgl. ,reopagita 9 > = 121 9 =''. Das griechische /ort  sU)bolon  $ezeichnete ursprnglich dashal$ierte Medaillon das als Erkennungszeichen der #reundscha't $er Generationen au'$e&ahrt &urde. Ein?Sm$ol@ $edeutet demnach ein 5eichen dessen Sinngege$enheit sich nicht in den sto''lichen Eigenscha'ten)er$irgt sondern in der ontologischen +ezogenheit dessen au' et&as anderes das allein den Seinsgrund unddie Sinn'lle der an sich &ertlosen *l'te recht'ertigt. >m %onteIt des medi*)alen Sm$olismus &elcher die

    natrliche ,rt der /eltemp'indung des mittelalterlichen Menschen de'iniert &ird die gesamte Sch3p'ung alsein ?$odenloses Feser)oir@ 'r Sm$ole gesehen die au' ihren Sch3p'er au' seine un$egrei'liche /eisheitund un)orstell$are Sch3nheit )er&eisen. SieheA +oiad;ie) :zotcho  Der )ittelalterliche S()bolis)us alsultur!historischer $(&us inA Ders.  Der 'ensch und die +atur .  Die 9enaissance des 00C JahrhundertsSo'ia 11 S. ''.O uizinga Johan Herbst des 'ittelalters. Studien über #ebens! und Geistesfor)en des=XC und =>C Jahrhunderts in *ranreich und in den +iederlanden %3ster %urt !rsg." Stuttgart 200S. 28''. SieheA Dan BA'.O ,pg 12ABO ,reopagita 9 VC = ==2 + 22'. 9 0''.O Ders. 9 VC === , 1''.OFosen$erg 18 S. B 118 20O 9hapeaurouge Donat de  .inführung in die Geschichte der christlichenS()bole Darmstadt 11 S. 0''.100 Die mittelalterliche sthetik $etont im (nterschied zu dem antiken >deal der alogathia die +eziehungdes Sch3nen zum Sch3p'er zum Guten und Sch3nen an sich. 5um :hema siehe ,ertsen Jan ,. Qber dasSchöne inA +oiad;ie) :zotcho u. a. !rsg."  Archiv für )ittelalterliche %hiloso&hie und 3ultur  = So'ia 1

    S. B''. Die Sch3nheit des Engels lie'ert ein sinn$ildliches 5eugnis da'r dass sich die g3ttliche >dee )omEngel in ihm )ollkommen )er&irklicht hat so dass sein ,ussehen seine positi)e ,n&esenheit in der /eltrecht'ertigt.

    =8

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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    Dass es sich nicht nur um ein $esonderes Ereignis sondern zugleich um einen $esonderen

    Menschen handelt )erdeutlicht ne$en dem #aktum der engelschen era$kun't das +ild

    des Ster$enden sel$st. Der eilige Mill_n erscheint sel$st in g3ttlicher /ahrheit

    ?gekleidet@A Sein kunst)oll gemustertes emd &eist sm$olisch au' seine

    ?Engels)er&andtscha't@ hin. Das almen$*umchen das unrealistischer&eise im

    Schla'zimmer des Ster$enden &*chst neigt seinen 'lligen 5&eig zu seinem %op' um ihn

    als einen Seligen auszuzeichnen.101 Durch das Moti) der Einmischung 'remder M*chte

    deutet das El'en$einrelie' schlieHlich darau' hin dass der Mensch aus eigener %ra't d. h.

    ohne die Cermittlung die hierarchischen Stu'en der h3heren Seinse$enen nicht zu $etreten

    )ermag. Des&egen reicht der Engel dem Ster$enden seine rechte and um ihn $eim

    ,u'stieg zum e&igen 6e$en zu sttzen.102

    Die D*monen10=  &iederum &aren ursprnglich strahlend sch3ne Engel aus den

    himmlischen F*ngen des )ertikal geordneten /eltge$*udes. Ein :eil )on ihnen &eigerte

    sich dem Menschen au' GeheiH Gottes zu dienen und &urde zur Stra'e in die 'insteren

    :ie'en der Sch3p'ung gestrzt.10 Der Cerlust des )orgesehenen Status in der ierarchie

    zog not&endiger&eise den Cerlust ihrer &ahren engelschen >dentit*t nach sich und es

    herrschte im gesamten Mittelalter (neinigkeit $er die )er&andelte 7atur der D*monen

    &ie auch $er ihr authentisches ,ussehen.10 #r den )on dem christlichen Sm$olismus

    zutie'st gepr*gten ?Doppel$lick@10  der 5eit &urde ihre Gott&idrigkeit durch ihre

    101 Die alme das antike Sinn$ild der (nster$lichkeit 'ungiert in der christlichen >konographie als einSm$ol des Sieges $er den :od und des Einzugs in das aradies. Cgl.

  • 8/18/2019 Die Freiheit Zum Tode

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     H5sslicheit  ausgelegtA durch die unproportionierte ,nordnung der %3rperglieder und die

    groteske &underliche Mischung menschlicher und animalischer 7atur.10B  >n einer

    un$er&ind$aren metaphsischen Ent'ernung )om Sch3p'er am Fande der hierarchischen

    Seinsordnung marginalisiert &ohin das $ele$ende und gestaltende Gottesprinzip nur

    )erzerrend gelingt )erk3rpern sie das :rgerische und Sndha'te die radikale Gottes'erne

    den :od.108

    Die M*nnchengestalt mit der ihr attri$uierten Mistga$el au' dem %apitell )on Saint

    6azare !,$$. 11" l*sst sich au'grund ihres 'ratzenha'ten h*sslichen ,ussehens als

    ?d*monisch@ identi'izieren. >hr $erdimensionaler %omplize &ird seinerseits durch die

    groteske Cermischung animalischer 5ge charakterisiert.10 Die metaphsische >nsta$ilit*t

    der D*monen &ird auHerdem durch das Moti) des Sch&e$ens $etont das durch die

    kontrastierende Statik eines 'est im >rdischen )erankerten +*umchens hinter dem

    Misch&esen )erdeutlicht &ird.110

    Die D*monen treten keines'alls 'riedlich und 'reundlich au'A Sie grei'en nach dem

    Menschen sie z&ingen und zerren ihn sie $ehaupten ihre 4$ermacht. Die Geste des

    ,u'legens der $erdimensionalen ranke au' die %nie des Snders ist ein ausdrucksstarkes

    5eichen 'r z&angha'tes +esitzergrei'en. Die sich um seine +eine krallenden 5acken der

    Mistga$el )erdeutlichen so&ohl die ,$sicht einer ge&altt*tigen Mitnahme als auch die

    (nm3glichkeit ;eglichen Entrinnens. Der :od &ird nicht als ein 'reudiges Geleiten

    sondern als ge&altiges EntreiHen in die Sch3p'ungsmarginalien in die #insternis der

    Gottes'erne interpretiert. Der Mensch sel$st Y genauer das +ild seiner Seele &orau' das

    Moti) der 7acktheit deutet Y erscheint entm*chtigt entpersonalisiert erniedrigt.111

    10B >n einer /elt in der Gott ?alles nach MaH 5ahl und Ge&icht geordnet PhatQ@ !/eish 11A20" er&iest sicheine solche Miss$ildung als unsinnig und gott&idrig als ein De'ekt der ,uskun't $er die gottes'ernemarginale 7atur des :r*gers dieser 9harakteristiken ga$. Ein anderes 5eichen 'r die Gott&idrigkeit derD*monen $estimmte ihre 5ahl- und 7amenslosigkeit. Cgl. +oiad;ie) 200= S. 1''.108  Der christliche Gott ist das Sein !EI =A1" das 6e$en !Joh 11A2" die /ahrheit !Joh 1A" und das

    6icht !Joh 8A12O 1 Joh 1A". Das 6icht ist das $ele$ende und gestaltende rinzip es macht die Dinge sicht$arerkenn$ar und somit eIistent g3ttlich und &ahr. Die #insternis dagegen rau$t ihnen die phsische undmetaphsische lastizit*t sie $edeutet +lindheit (n&ahrheit 7ichtsein. 5ur metaphsischen +edeutung des6ichtes siehe +eier&altes /erner  #u6 0ntelligiblis. /ntersuchung zur #icht)eta&h(si der GriechenMnchen 1B. Die #insternis der christlich )erstandenen ?(nter&elt@ !2 etr 2A" in der die sch&arzenD*monen hausen ist natrlich sinn$ildlich zu )erstehen und steht 'r die a$solute Gottlosigkeit d. h. den:od.10  Der Schlangenk3rper des D*mons steht analog zu der Schlange die E)a zur (rsnde)er'hrte !Gen =A1''." sm$olisch 'r die 6ge die Snde und den :od. Cgl.

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    >n $eiden Darstellungen !,$$. 10 11" &ird der Mensch als den 'remden M*chten

    ausgelie'ert dargestellt doch dieses Erleiden *uHert sich in z&ei entgegen gesetzten

    Feaktionen die den am$i)alenten 9harakter des mittelalterlichen :odes$ildes )ertie'en.

    Der :odesstunde stellt sich der eilige Mill_n !,$$. 10" mit +ereitscha't und #reude.

    Seine altung )err*t die zu einer Ge$*rde der +egrHung erho$ene linke and mit der er

    den :odes$oten emp'*ngt. Mit seiner linken and ge$ietet der Engel dem Ster$enden dass

    er sich nicht 'rchten soll &*hrend sich seine #lgel schtzend um das +ett aus$reiten.

    :rotz der Stilisierung der #iguren und der unrealistischen zur 5&eidimensionalit*t

    neigenden Faumordnung $ezeugt die %omposition eine anmutende 6e$endigkeit die sich

    aus der dialogischen  Cer$undenheit $eider #iguren sch3p'tA hnlich der antiken

    6ekthosdarstellung !,$$. " $egegnen sich Gottes$ote und Mensch im %onteIt des

     schönen :odes )on ?,ngesicht zu ,ngesicht@112.

    Die menschliche #igur au' dem %irchenkapitell !,$$. 11" dagegen erhe$t nicht

    mehr )ertrauens)oll die and zur +egrHung sondern sucht ihr Gesicht darin zu

    )er$ergen als o$ die monstr3sen Gestalten durch das ,usschalten des ,ugensinnes sel$st

    ausradiert &a