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VII. Kreiskrankenhaus Oschersleben-ltode. Die iudirekten Schaftbriiche an den Extremitiiteu. Von Dr. Esau. Mit 2 Abbihlungen. Eingegangen: 2. 6. 25. Die indirekten Sehaftbritche der langen RShrenkno(,hcn stehcn hinter den direkten an Zahl wesentlich zur~ick, sie erfreuen sich aber seit langen Zeiten einer a.llgemeinen I;enntnis, tier Mecha- nismus ihrer Entstehung ist gentigend erforseht. Die zahlreiehcn Sportverletzungen der letzten Jahrzehnte, die besonders leich~e Klarst~ellung ihrer Entstehung, ermSglieht dureh die Kcnnt~nis dcr Sportart und intelligente Beobaehtung der V erletzten selbst und die RSntgenuntersuehung vermittelten uns die Erkenntnis yon Frakturcn, die ganz unbekannt waren oder ft~r unmOglich bzw. iiui3ersg selten g.ehaltert waren. Die indirekten Brfiehe des H umer us kommen nut an zwei St;ellen vor: an der Grenze zwischen oberem und mittlerem und an der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drift.el. Am bekann- testell und nieht sehr selten sind die erstgenannten ~ls Folg'e eim, r rasehen oder sehr br~isken, j~th unterbroehenen, weniger einer inten- siven und l~tnger dauernden Kraftbet, Stigung. Ma.n sieht solche Briiehe bei Wurffibungen (Ball-, Stein-, Ger- und Sehneeballwurf), woraus man erkennt, dab nieht (lie Sehw,ere des gesehleudertea Gegens~andes, sondern die aa~gewand{e Kraft das En~seheidende ist;. Der Knoehen brieht dann in Form eines Sehr/tg- oder Sehrauben- bruehes typisch an der genannten S~elle bei geringer Dislokation; bet.roffen wcrden aussehliel31ieh Jugendliehe; eine funktionell und anatomiseh gute Heilung ist die Regel. Der 16 j. Seh. wirf~ am 14. II. 1912 einen Sehneeball, tier ibm vorzeitig aus der Hand fliegt; er hSr~ einen Kraeh im r. Obera.rm; der Arm sink~ unter Schmerzen kraftlos nieder. D~s :RSntgenbild erweis~ einen Brueh ml typi.scher S~elle in Form einer Schraube yon 5 cm Lgnge ohne wesentliche Versehiebung; glatte tteilung ohne funktionelle Einsehrfnkung.

Die indirekten Schaftbrüche an den Extremitäten

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Page 1: Die indirekten Schaftbrüche an den Extremitäten

VII.

Kreiskrankenhaus Oschersleben-ltode.

Die iudirekten Schaftbriiche an den Extremitiiteu. Von

Dr. Esau. Mit 2 Abbihlungen.

Eingegangen: 2. 6. 25.

Die indirekten Sehaftbritche der langen RShrenkno(,hcn stehcn hinter den direkten an Zahl wesentlich zur~ick, sie erfreuen sich aber seit langen Zeiten einer a.llgemeinen I;enntnis, tier Mecha- nismus ihrer Entstehung ist gentigend erforseht. Die zahlreiehcn Sportverletzungen der letzten Jahrzehnte, die besonders leich~e Klarst~ellung ihrer Entstehung, ermSglieht dureh die Kcnnt~nis dcr Sportart und intelligente Beobaehtung der V erletzten selbst und die RSntgenuntersuehung vermittelten uns die Erkenntnis yon Frakturcn, die ganz unbekannt waren oder ft~r unmOglich bzw. iiui3ersg selten g.ehaltert waren.

Die indirekten Brfiehe des H u m e r us kommen nut an zwei St;ellen vor: an der Grenze zwischen oberem und mittlerem und an der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drift.el. Am bekann- testell und nieht sehr selten sind die erstgenannten ~ls Folg'e eim, r rasehen oder sehr br~isken, j~th unterbroehenen, weniger einer inten- siven und l~tnger dauernden Kraftbet, Stigung. Ma.n sieht solche Briiehe bei Wurffibungen (Ball-, Stein-, Ger- und Sehneeballwurf), woraus man erkennt, dab nieht (lie Sehw,ere des gesehleudertea Gegens~andes, sondern die aa~gewand{e Kraf t das En~seheidende ist;. Der Knoehen brieht dann in Form eines Sehr/tg- oder Sehrauben- bruehes typisch an der genannten S~elle bei geringer Dislokation; bet.roffen wcrden aussehliel31ieh Jugendliehe; eine funktionell und anatomiseh gute Heilung ist die Regel.

Der 16 j. Seh. wirf~ am 14. II. 1912 einen Sehneeball, tier ibm vorzeitig aus der Hand fliegt; er hSr~ einen Kraeh im r. Obera.rm; der Arm sink~ unter Schmerzen kraftlos nieder. D~s :RSntgenbild erweis~ einen Brueh ml typi.scher S~elle in Form einer Schraube yon 5 cm Lgnge ohne wesentliche Versehiebung; glatte t tei lung ohne funktionelle Einsehrfnkung.

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I'/-8 Es~u:

Der Bruch tiber dem unteren Dzittel des Humerus ist die Folge einer Muskelwirkung und wurd,e b,ei d~r I~[raftprob,e d,Gs ~rm- biegsn,s, aber aueh beim Dsehiu-I)schitsu gesehen; sehr selten kam diese Fraktur naeh andel,sm Modus, z. B. bei plStzliehsm ]3~umen eines an dem Ziigsl gehaltenen Pf.erdes, vor.

Am O b e r s c h e n k e 1 k n o c h e n lieg'cn die Vcrhs iihn- lich; Sehlsuder-, Abwehr-, Schwung- und sportm~13ige Bewegungen fiihren zu einem Brueh des Femurs in bestimmter Form und an be.stimmten Stellen. Die h~ufigste Ursaehe ist beabsichtigte odor ungswollte Hemmung einer Drehbewegung.

Eine /i, Rcre :Frgu z. B. dreht plbtzlich den OberkOrper, um nicht in einen C-raben abzurutschen, alas fixierte Bein kann dieser Bewegung nieht fo]gen, und alas Femur bricht infolge tier auf kS einwirk(mden rot, icrenden Kraft im unteren Tell des mittleren Drittels.

Gswaltige Kr~fte bslasten den Femur, wen~ bsim Sehilauf in mshr sder wenigsr grsftsr Fahr t eine Kreisbewegung a usgsfiihrt wird, die eir~ unbemerkt~ss Hindernis pl~Jtzlich dadursh versitelt, dab der Sehi festgehaR.en odsr aus der gswollten Riehtung ge- brasht wird. Infolge disser Bshinderung entwiekelt dsr Sehi eine gewaltige HebeIwirkui~g mit einem Sehraubenbrueh als Folge. Ahnliehss beobaehten wir beim Seldsprung ; als aa~aloge Vsrletzung, wie sie die Abwehrbewegung der oben als Beispiel gew'bhlten Frau zeigt, ist der Oberschenkelbrueh des ,51tsren Keg.elspisters anzu- sehen, der beim Abwurf der Kugel, urn das Gleichgswieht zu ha.t- ten, der starken Drehbewegung des OberkOrps~ eine entgegen- gesetzte des Unterk6rpers antgegenwirksn l~tl3t, die absr durch den festen Stand auf dem Boden gshsmmt wird.

Am U n t e r a r m ~md U n t e r s e h e n k e l wurdsn indirskt, e Briiche friiher nur dann erka~nnt, wenn sis grebe Vergnderungen, und das kam sehr seRen vor, gemaeht hatten; so kam es, dal3 in- direkte Brfiehe der Fibula geleugnet oder mindestens fiir sehr rare Dinge gehalten wurden. Erst mit :Beginn der l~bntffsnunters~ehung wandte man sieh aueh diesen Verletzu~gsn mehr zu und fand sie viel hgufig.er, als man v.ermutsfi hare . Dsr Erkenn~ng disser Brfiehe standen manehe Sehwierigkeitea entgegsn: einmal ist das Trauma ein so gerhlges, dab es dem Verlstztsn kaum zum Bewul3t- sein kommt, der Bruehsehmerz ist nieht erhebliek, dis Versehisbung gsring, so dab die Gebraushsfahigkeit unwessntlich odsr gas nicht ~est6rt wurde; Knochenreiben, abnorme Biegsamkeit ist besonders bei der Fibula, die irt kr~ftige Muskulatur eingela~ert ist, nieht naehweisbar, der Bruehsehmerz unter Umst'gnden auf sine ganz kurze Strecke eingeengt. Selbst das Rbntgenbild kann versagen,

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wenn nut eirt f.einster Spalt vorliegt, wenn nicht dureh mehrere Aufnahmen eine giinstige Aufnahm.estellung gefunden wird.

Ents~ehu_ngsmodus: Beansprueht man einen yon einem zum an- desert Ende vollkommen gleiehm/~13ig gebauten 8tab, sei es durch Belasiung in der Mitre, sei es durch eine auf beide Enden wLrkende, so erfolgt der Brueh nieht in des Mitre, sondern etwas seitlieh da- yon (bei 5,8). (~eringe Veeschiedenheiten in dem Aufbau des Stabes, Differenzen in der Belaztu'ng mid in der Ar t der Belastung verindern sofort die Bruehstelle. Auf den ungl.eiehmggig und in seinen Qualit i ten sehr versckiedenartig aufgebauten Knoehen ist dieses Gesetz nut mit Vorbehalt anzuwenden, besonders da hier aueh noeh als wei{ere Werte der Muskeldruek und Muskelzug ein- zusetzer~ sind, V.erhgltnisse, welche Synergis~en and A nt, agonisten iiberdies komplizieren. Da,zu kommt ~m Vorderarm ein weiteres Moment in der Bewegliehkeit beider Knoehen zueinander, die in gewissem Umfang ihre WJnkelung g.estat~en, so dai3 die Ulna un~r Umstinden fiber den Radius abgeboaen wird. Brfskes tt.eben sohwel, er Oegenstinde in Pronationstellung dee Hand mit pl0tz- tichem Ubergang in die Supinationstetlung braehten einen Bruch der Ulna in der Mitre hervor; Wgseherinnen zogen sieh dutch an- gestrengtes Wrinaen der W~.sehe ebenfalls Ulnabriiehe zu, fber- mif3ige Beanspruehung im Sinne der Supination wurde a.ls Ur- saeh~ dafar a.ngenommen.

An dee T i b i a sah man indire,kte Frakturen auf die gleiehe Weise wie beim Femurbrueh in Sportausiibung entstehen, meist pl~Stzliehe Hemmung in ~erader oder bogenf6rmiger Bewegung, wie beim Sehilauf und beim Sehlittensport.

Uber die indir.ekten F i b u I a b r ii e h e, welehe man vor 25 J. noch ganz ableugnebe, berieh~eten zuerst M~litgrgrz~e, die eiu ge- radezu epidemieartiges Vorkommen bei den Ubungen der Rekr~ten besehrieben. ~hnlieh wi~ bei der sot. Ful3geschwulst, deren Cha- rakter erst das RSntgenbild a,ufdeekte, sah man in fberraschend grof3er Zahl isolierte Sehaftbrtiehe der Fibula, f f r die Traumen ge- ringen Grades, manehrnal fberhaup~ keine Ursaehe a,ngegeben wet- den konnten, die sogar gelegentlieh Zufill igkeitsbefunde in Fi l len daxstellten, die einen t{noeheabrueh dureha, us nieh{ batten ver- mutmi lassen. M,eistens wareu mehr ,oder weniger leiehte Muskel- zerrungen, Disbrsionen und ihnliehes a ngenommen, zumM die Ver- le tzbn nut wenig oder vortibergehend fiber Besehwerden klagten. Turnfibungen, Spiel, Laufen, Ringkampf waren die Ursaehen fur den Brueh der Fibula, der meisg ober- oder unterhalb des mittleren Drittels, seltener naeh der Mitre kin sal3. Neben diesen Einzel-

Deutsche Zeitschrift f, Chlrurgie. ~93. Bd. 9

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130 Esau:

b ~ c h e n kommen aber D o p p e l b r t i c h e a n e i n u n d d e r - s e l b e n F i b u l a vor, es brieht also a~s der Kont inui t~t ein Stiick, welches dem mit t leren Dr i t t e l e twa entspricht , heraus. Ubrigens beobachtet man auch noch am Humerus und F em u r ~ihn- liche, aber weniger auff~tllige Briiche, da an dem Einzelknocher~ Gewal~en energiseher a ngreifen kSnnen, als gerade an der ge- schiitzten Fibula. Man kann iibrigens geleg, entlieh diesen Vorgang an einem Holzs tab nachahmen, wenn man ihn in u ngleiche oder sick i iberkreuzende Sehwingungen bringt, oder ihn sonst ungle ichar t ig belastet. Es .entstehen dann entweder gleichz.eitig ,oder kurz naeh- e inander zw.~i Brfiehe des Stabes, die das zwischen ihnen liegende Stiick herausbreehen ]a,ssen.

Abb. 1. Abb. 2.

Ein 28 j. spielt Fu~baI], kommt auf einem etwas schragen Hang ins Rutschen, kniekt um, fhlIt abet nicht; er empfindet einen m513i~ heftigen Schmerz in der Wade u nd kommt am n~hsten Take zum Arzte. Deutliehe Druckempfindlichkeit der Fibula an 2 Stelien, etwa handbreit ~mter dem t(niegelenk.spalt und dann gut handbreit fiber dem Ful3.gelenk. Die ROntgen- aufnahme seitlieh Ii.e~ keine Ver~nderung erkennen, die sagittale deckte ei~le doppelte Einkniekung der Fibula entsprechend den Druekpunkten auf. Glatte Heilung ohne sphtere Beschwerden.

Was d i~ Bruchbelas tung ffir Knickf~stigke[t anlangt, so ent- sprieht die Fibula, welche an ihren beiden Enden durch einen lessen Bandappa.rat an ihren Naehbarknoehe~l f ix ier t ist, einem an beiden Enden lest eingespann~en Stab, fiir dessert Knickbelas tung das nebe.nstehende Schema wiederge~eben sei. Die Einspannung an beiden Enden bedeutefi gegenfiber der an nur einem Ende eine um (]as 16faehe erhOh~e Beanspruchungsf~higkei t ; das Wadenbein er- seheinfi demnaeh geeignet, recht hohe Druckwer te aushr zu

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Die indlrekten Schaf~briiche an den Extremi~i~ten. 13t

kSnnen. Deshalb mug man daran denken, die Ursache eines Bruches eher in einer Uberbelastung durch Drehung ais durch :Biegung za suchen, ein Moment, auf da.~ auch bereits von anderer Seite die Auf- merksamkeit gelenkt wurde. Der Beweis ist ~ber nieht zu bringen, da gerade Sehriig- oder Sehraubenbriiche kaum beobachtet werden.

:Fast ~usn~hmslos treffen die gesehilderten Knochenverletzun- gen ~ugendliche Personen; nur die besonders aufgefiihrten Ober- schenkelbriiche tragen such oder vorzugsweise iiltere Menschen du- von; die Ursache der Verletzung spielt dabei die Hauptrolle.

Schriftenverzeichnis. Bernhard t , Bruch des Humerusschaftes beim Armbiegen. Korresp.~Blatt

f. Schweiz. Arzte 1915, Nr. 39. - - van Eden , Indirekter Bruch der Ulna. Tijdschr. v. ongefalIen geneesk. 1920, 5, Nr. 11. -- Grunert , Diese Zeitschr. 1910, 105, S. 397. -- Mand l , Chirurg. d. Sportunf~le. Urban & Schwarzen- berg 1925. - - v. 3aar , Sportverletzungen. Neue dtsch. Chirurg., 13, Stutt- gart I913, bei Enke (Literatur).

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