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JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ - INSTITUT FÜR PHYSIK Die physikalischen Grundlagen der Luftfahrt Wissenschaftliche Prüfungsarbeit gemäß § 12 der Landesverordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien vom 07. Mai 1982, in der derzeit gültigen Fassung vorgelegt am 2. Juli 2010 von: Lena Michaela Altherr Goethestraße 22 63512 Hainburg Erstgutachter: PD. Dr. Frank Fiedler Zweitgutachter: Prof. Dr. Heinz-Georg Sander

Die physikalischen Grundlagen der Luftfahrt...JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ - INSTITUT FÜR PHYSIK Die physikalischen Grundlagen der Luftfahrt Wissenschaftliche Prüfungsarbeit

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JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ - INSTITUT FÜR PHYSIK

Die physikalischen Grundlagender Luftfahrt

Wissenschaftliche Prüfungsarbeitgemäß § 12 der Landesverordnung über die Erste Staatsprüfung für das

Lehramt an Gymnasien vom 07. Mai 1982, in der derzeit gültigenFassung

vorgelegt am

2. Juli 2010

von:

Lena Michaela Altherr

Goethestraße 22

63512 Hainburg

Erstgutachter: PD. Dr. Frank Fiedler

Zweitgutachter: Prof. Dr. Heinz-Georg Sander

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 10

1. Historischer Überblick - der Traum vom Fliegen 11

2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik 17

2.1. Physikalische Eigenschaften der Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2. Kinematik der Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.2.1. Eulersche und Langrangesche Betrachtungsweise . . . . . . . . . 19

2.2.2. Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.2.3. Potentialströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.2.4. Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3. Dynamik der Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2.3.1. Eindimensionale Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2.3.1.1. Eindimensionale Eulersche Bewegungsgleichung . . . . 24

2.3.1.2. Eindimensionale Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . 26

2.3.2. Zwei- und dreidimensionale Strömungen . . . . . . . . . . . . . . 27

2.3.2.1. Mehrdimensionale Eulersche Bewegungsgleichung . . . 27

2.3.2.2. Potentialfunktion- und Stromfunktion bei zweidimen-

sionalen Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.3.2.3. Das Φ-Ψ-Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.3.2.4. Berechnung ebener Potentialströmungen mithilfe kom-

plexer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

2.3.2.5. Beispiele komplexer Strömungsfunktionen . . . . . . . 33

2.3.2.6. Die Methode der konformen Abbildungen . . . . . . . . 38

2.4. Wirbelbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2.4.1. Begriff der Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2.4.2. Zusammenhang zwischen Zirkulation und Drehung . . . . . . . . 40

2.4.3. Thomson’scher Wirbelerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . 41

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens 44

3.1. Bauteile des Flugzeuges und ihre Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.2. Geometrie des Tragflügels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3.3. Kräfte am Tragflügel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

3.4. Aerodynamik des Tragflügels unendlicher Spannweite . . . . . . . . . . 54

3.4.1. Die Theorie des Auftriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3.4.2. Profiltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3.5. Aerodynamik des Tragflügels endlicher Spannweite . . . . . . . . . . . . 64

4. Versuche 72

4.1. Strömungskanal nach Ludwig Prandtl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

4.2. Seifenfilmkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4.2.1. Versuchsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

4.2.2. Physikalischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

4.2.3. Exemplarische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

4.3. Messung von Auftrieb und Widerstand am Tragflächenprofil . . . . . . . 84

4.3.1. Messung der Auftriebskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

4.3.2. Messung der Widerstandskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

4.3.3. Ergebnisse der beiden Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

4.4. Windkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

5. Flugphysik in der Schule 94

5.1. Verortung in Lehrplan und Fachzusammenhänge . . . . . . . . . . . . . 94

5.2. Flugphysik - ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des Physikunterrichts 95

5.3. Die Erklärung des Fliegens in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

5.3.1. Die Druckerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

5.3.1.1. Das zugrundeliegende Konzept . . . . . . . . . . . . . . 98

5.3.1.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Druckerklärung . 100

5.3.2. Die Rückstoßerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

5.3.2.1. Das zugrundeliegende Konzept . . . . . . . . . . . . . . 101

5.3.2.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Rückstoßerklärung104

5.3.3. Die Zirkulationserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

5.3.3.1. Das zugrundeliegende Konzept . . . . . . . . . . . . . . 105

5.3.3.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Zirkulationserklä-

rung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

5.3.4. Zusammenhang der drei Erklärungsmuster . . . . . . . . . . . . 107

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5.3.5. Didaktische Bewertung der drei Erklärungsansätze . . . . . . . . 109

6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht 111

6.1. Das Experiment im Physikunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

6.2. Das Projekt als Unterrichtsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

6.3. Die Projektidee - ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

6.4. Äußere Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

6.4.1. Die Martin-Niemöller-Schule Wiesbaden als Lernort . . . . . . . . 120

6.4.2. Die Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

6.5. Ablauf der Projekttage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

6.5.1. Erster Projekttag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

6.5.2. Zweiter Projekttag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

6.5.3. Dritter Projekttag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

6.6. Reflexion der Projekttage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

7. Literaturangaben 141

8. Eidesstattliche Erklärung 146

Anhang 147

A. Versuchsbeschreibungen 148

A.1. Auftrieb in Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

A.2. Verifizierung des Archimedischen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

A.3. Venturi-Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

A.4. Druckverteilung am Flügelprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

A.5. Klebeluft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

A.6. Schwebender Ball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

A.7. Bernoullische Bälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

A.8. Bernoullisches Gesetz beim Spülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

A.9. Stromlinienerzeugung mit Taschentüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

A.10.Velourspapierströmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

A.11.Luftballon-Fön-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

A.12.»actio=reactio« auf dem Skateboard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

A.13.Sengersches Wasserrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

A.14.Zirkulationsströmung am Flügelprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

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A.15.Tragschraube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

B. Bastelanleitungen 166

B.1. Cartesianischer Taucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

B.2. Windkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

B.3. Heißluftballon aus Seidenpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

B.4. »5 aus einem Brett« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe 170

C.1. Herleitung des Archimedischen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

C.2. Herleitung der Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

D. Arbeitsblätter 174

D.1. Arbeitsblatt zum Archimedischen Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

D.2. Arbeitsblatt zum Heißluftballon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

E. Evaluationsbogen 176

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Abbildungsverzeichnis

2.1. Gedankenexperiment zum Begriff der Drehung bzw. der Drehungs-

freiheit [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a] . . . . . . . . . . . . . 22

2.2. Kräftegleichgewicht am Volumenelement in Richtung der Stromröh-

renachse, [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a] . . . . . . . . . . . 25

2.3. Zur physikalischen Deutung des Φ-Ψ-Netzes, [Schlichting und Tru-

ckenbrodt, 2001a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.4. Ebene Staupunktströmung, [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a] . 35

2.5. Strömung in einen Winkelraum oder um eine Ecke, [Oertel, 2008] . 36

2.6. Kreiszylinderströmung, [Oertel, 2008] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

2.7. Verfahren der konformen Abbildung, [Schlichting und Truckenbrodt,

2001a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.1. Betrachtungsebenen des Tragflügels, [Schlichting und Truckenbrodt,

2001a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3.2. Grundriss des Tragflügels, [Schneiderer, 2008] . . . . . . . . . . . . . 48

3.3. Terminologie des Flügelprofils, [Schneiderer, 2008] . . . . . . . . . . 48

3.4. Kräfte am Flugzeug, [http://de.wikipedia.org/wiki/Flugzeug] . . . . 50

3.5. Luftkräfte am Tragflügel, [Böswirth, 2010] . . . . . . . . . . . . . . . 50

3.6. Polardiagramm nach Lilienthal, [Heepmann, 2006] . . . . . . . . . . 52

3.7. Gleitzahl und Sinkwinkel, [Schneiderer, 2008] . . . . . . . . . . . . . 54

3.8. Strömung um Flügelprofil mit Auftrieb, [Schlichting und Trucken-

brodt, 2001a]] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.9. Zusammensetzung der Strömung um ein Tragflügelprofil, [Oertel,

2008] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.10.Herleitung der Kutta-Joukowski-Formel für den Auftrieb, [Schlichting

und Truckenbrodt, 2001a]] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

3.11.Anfahrvorgang des Tragflügels, [Spurk und Aksel, 2007] . . . . . . . 58

3.12.Zirkulation und Anfahrwirbel, [Spurk und Aksel, 2007] . . . . . . . . 58

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3.13.Zur Herleitung der ersten Blasiusschen Formel, [Schlichting und

Truckenbrodt, 2001a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

3.14.Joukowski-Profile durch konforme Abbildung, [Schlichting und Tru-

ckenbrodt, 2001a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

3.15.Zirkulation und Auftrieb beim Tragflügel unendlicher Spannweite,

[Marchaj, 1982] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

3.16.Entstehung der freien Wirbel durch Druckausgleich an den Flüge-

lenden, [Schlichting und Truckenbrodt, 2001b]] . . . . . . . . . . . . 67

3.17.Vereinfachtes Wirbelsystem des Tragflügels endlicher Spannweite,

[Marchaj, 1982] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

3.18.Wirbelsystem des Tragflügels endlicher Spannweite, [Marchaj, 1982] 69

3.19.Entstehung der Randwirbel am Tragflügel endlicher Spannweite,

[Marchaj, 1982] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

3.20.Zwei- und dreidimensionale Betrachtung des Auftriebsbeiwertes,

[Marchaj, 1982] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

3.21.Wirbelschleppe in Fotographie, [Wodzinski, 1999] . . . . . . . . . . . 71

4.1. Ludwig Prandtl 1904 mit seinem Wasserkanal . . . . . . . . . . . . . 73

4.2. Skizze des Prandtlschen Wasserkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.3. Nachbau des Prandtlschen Wasserkanals . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.4. Detailansicht aus Abbildung 4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

4.5. Halterung und Profilkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

4.6. Umströmung eines Halbzylinders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

4.7. Seitliche Umströmung einer scharfen Kante . . . . . . . . . . . . . . . 77

4.8. Der Anfahrwirbel beim Tragflügelprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4.9. Umströmung des Tragflügels bei unterschiedlichem Anstellwinkel . . 78

4.10.Seifenfilmkanal mit Beleuchtungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . 79

4.11.Seifenfilm mit Farbspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

4.12.Zwölfteiliger Farbkreis, nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Farbkreis] 82

4.13.Bernoulli-Körper im Seifenfilmkanal, [DLR] . . . . . . . . . . . . . . . 83

4.14.Flügelprofil im Seifenfilmkanal, [DLR] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4.15.Versuchsanordnung zur Auftriebsmessung . . . . . . . . . . . . . . . 85

4.16.Versuchsanordnung zur Widerstandsmessung I . . . . . . . . . . . . . 86

4.17.Versuchsanordnung zur Widerstandsmessung II . . . . . . . . . . . . 86

4.18.Widerstandskraft in Abhängigkeit des Anstellwinkels . . . . . . . . . 88

4.19.Auftriebskraft in Abhängigkeit des Anstellwinkels . . . . . . . . . . . 88

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4.20.Lilienthalsches Polardiagramm für das Tragflügelmodell . . . . . . . 90

4.21.Gesamtansicht des Windkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4.22.Der Gleichrichter aus Strohhalmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

4.23.Umströmung im Windkanal bei kleinem Anstellwinkel . . . . . . . . 92

4.24.Umströmung im Windkanal bei großem Anstellwinkel . . . . . . . . . 93

5.1. Stromlinienbild des Tragflügelprofils, [Wodzinski, 1999] . . . . . . . 99

5.2. Bernoulli-Gleichung am Tragflügelprofil, nach [http://pluslucis.uni-

vie.ac.at/FBA/FBA01/preiss/kap3-Dateien/image029.gif] . . . . . . . 100

5.3. Widerlegung des Weglängen-Argumentes durch Simulation, [Wod-

zinski, 1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

5.4. Ausschnitt aus einem Mittelstufenschulbuch, [Dorn und Bader, 1985]102

5.5. Skizze zur Rückstoßerklärung, [Dorfmüller et al. 1998] . . . . . . . . 103

5.6. Umströmung des Tragflügels ohne Auftrieb, [Oertel, 2008] . . . . . . 106

5.7. Zirkulationsströmung, [Oertel, 2008] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

5.8. Umströmung des Tragflügels mit Auftrieb, [Oertel, 2008] . . . . . . . 107

5.9. Skizze zum Impulssatz, [Wodzinski und Ziegler, 2000] . . . . . . . . 108

6.1. Bedeutungsaspekte des Experimentes für den Physikunterricht, nach

[Wilke, 1993] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

6.2. Funktionelle Aspekte des Experiments, [Kircher et al., 2009] . . . . . 114

6.3. Teilnehmende des Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

6.4. Entzünden des Brennstoffes, Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

6.5. Aufheizen des Ballons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

6.6. Entzünden des Brennstoffes, Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

6.7. Der erste Flug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

6.8. Start des Luftballonrennwagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

6.9. Luftballonrennwagen in Fahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

6.10.Start der Luftballon-Hubschraube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

6.11.Flug der Luftballonhubschraube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

6.12.Raketenstart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

6.13.Zu Beginn der Bauphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

6.14.Papierflieger falten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

6.15.Der Start eines Balsal-Gleitmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

6.16.Schülerantworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Theorie

und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

6.17.Schülerantworten auf die Frage nach Tops ud Flops . . . . . . . . . . 137

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6.18.Schülerantworten auf die Frage nach Erstaunlichem und Faszinie-

rendem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

6.19.Anmerkungen der Schülerinnen und Schüler zum Gesamtprojekt . . 140

A.1. Auftrieb in Flüssigkeiten - Versuch 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

A.2. Auftrieb in Flüssigkeiten - Versuch 2, nach [Leisen, 2003a] . . . . . . 150

A.3. Schematische Zeichnung des Venturi-Rohres . . . . . . . . . . . . . . 151

A.4. Versuchsanordnung zur Messung der Druckverhältnisse an der Trag-

flächenunterseite, [CorEx FlugFliegen] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

A.5. Versuchsanordnung zur Messung der Druckverhältnisse an der Trag-

flächenoberseite, [CorEx FlugFliegen] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

A.6. Druckverhältnisse bei Anstellwinkeln von −15◦, 0◦und +15◦, [CorEx

FlugFliegen] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

A.7. Schrängrohrmanometer aus einfachem Versuchsgerät, [Weltner, 2001]154

A.8. Schematische Zeichnung zur schwebenden Pappe, [Berthold et al.,

2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

A.9. Versuchsanordnung, [CorEx FlugFliegen] . . . . . . . . . . . . . . . . 156

A.10.Der schwebende Ball im Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

A.11.Stromlinienbild zur Erklärung des Versuches mit dem schwebenden

Ball, [CorEx FlugFliegen] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

A.12.Schüler beim Experimentieren mit den Bernoullischen Bällen . . . . 158

A.13.Versuchanordnung zur Erzeugung von Stromlinienbilder, [Heepmann,

2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

A.14.Wasserstromliniengerät, [LD36207] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

A.15.Mögliche Stellungen des Winderzeugers . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

A.16.Versuchsanordnung zum Sengerschen Wasserrad . . . . . . . . . . . 162

A.17.Kräftebetrachtung zum Sengerschen Wasserrad, [Berthold et al.,

2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

A.18.Nachweis der Zirkulation, [Wodzinski, 1999] . . . . . . . . . . . . . . 164

A.19.Versuchsaufbau zum Prinzip der Tragschraube, [CorEx FlugFliegen] 165

C.1. Skizze zur Herleitung des Archimedischen Prinzips in der Schule,

[Kuhn, 2008] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

C.2. Skizze zur Herleitung der Bernoulli-Gleichung in der Schule, [Sexl

et al., 1980] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

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Tabellenverzeichnis

3.1. Größen der Tragflächengeometrie, nach [Schneiderer, 2008] . . . . . 47

4.1. Umrechnung der Messwerte in die Auftriebskraft . . . . . . . . . . . 87

4.2. Auftrieb und Widerstand in Abhängigkeit des Anstellwinkels . . . . . 89

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Vorwort

Die Physik des Fliegens fristet in der physikalischen Unterrichtsrealität ein eher kärgli-

ches Dasein, was wohl zum einen auf die oft unzureichende experimentelle Ausstattung

der Schulen, vor allem aber auch auf nicht vorhandene bzw. veraltete didaktische

Konzepte zurückzuführen ist.

Andererseits ist es, nicht zuletzt für die Autorin dieser wissenschaftlichen Prüfungsarbeit,

ein Thema von ungeheurer Faszination und Aktualität, das den uralten Menschheits-

traum vom Fliegen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Die Querverbindungen

zur Biologie, zur Fahrzeugaerodynamik und zum Luftsport machen dieses Gebiet für

Lehrende und Lernende interessant und reizvoll.

Aus dem vielschichtigen Spektrum der physikalischen Grundlagen der Luftfahrt legt

die Verfasserin das Augenmerk auf den Aspekt des Fliegens an sich. Selbstverständ-

lich bieten sich auch andere Facetten für eine Behandlung im Unterricht an so z.B.

Flugnavigation, Flugsicherung mithilfe von Überwachungsinstrumenten etc..

Anliegen der vorliegenden Arbeit ist sowohl eine wissenschaftliche Auseinandersetzung

mit der Strömungsphysik und der Aerodynamik von Flugobjekten als auch das Aufzeigen

eines Weges, wie man Fragestellungen dieser attraktiven Thematik im schulischen

Kontext nachgehen kann. Dazu wurden eine Reihe von Experimenten entwickelt und für

den Einsatz in der Schule aufbereitet. Der auf dieser Basis konzipierte projektorientierte

Unterricht wurde an einem Oberstufengymnasium erprobt, das gesamte Projekt wird

abschließend reflektiert.

10

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1. Historischer Überblick - der Traum vom Fliegen

In zahlreichen Sagen und Mythen wird der uralten menschlichen Sehnsucht Ausdruck

verliehen, sich Vögeln und Insekten gleich mühelos in die Luft erheben zu können.

Vorstellungen vom Fliegen existierten bereits in allen antiken Zivilisationen. So wurden

im alten Ägypten, in Mesopotamien und Kleinasien Gottheiten oft als geflügelte Wesen

dargestellt. Von den Drachen des alten China über die technischen Zeichnungen des

Leonardo da Vinci und die aerodynamischen Studien des Ludwig Prandtl bis hin zu

den modernen Passagierflugzeugen soll die vorliegende Übersicht dokumentieren, wie

der Traum vom Fliegen Wirklichkeit wurde und der Mensch den Himmel eroberte. Es

werden die Erfolge der frühen Flugpioniere vorgestellt, aber auch die Entwicklung der

Fluggeräte zum globalen Transportmittel, eine Folge des unaufhörlichen Strebens der

Menschheit in immer größere Höhen und nach immer höheren Geschwindigkeiten.

Für die Projektgruppe entwickelt, soll der nun folgende illustrierte historische Abriss

über die Meilensteine des Fliegens auch dem Leser der vorliegenden Arbeit einen

Überblick über die Geschichte der Luftfahrt geben und für die Thematik begeistern.

Dabei erhebt die Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr beinhaltet

sie eine Auswahl der Aspekte der Entwicklung, die der Verfasserin der Arbeit besonders

interessant und wichtig erscheinen.

11

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500 v.Chr. 0 500 n.Chr.

Meilensteine des FliegensMeilensteine des FliegensMeilensteine des FliegensMeilensteine des Fliegens Die Geschichte der Luftfahrt im Überblick

Erstmalig werden im China des

5. Jahrhundert v.Chr. Drachen

als Flugobjekte erwähnt. Sie

bestanden aus Bambus und

Seide und verbreiteten sich erst,

als der günstigere Rohstoff

Papier entwickelt wurde. Die

Asiaten glaubten, mithilfe der

Drachen ihre Wünsche und

Bitten den Göttern übermitteln zu

können.

Aus Ovids Metamorphosen

ist die griechische Sage

von Dädalus und Ikarus,

Vater und Sohn, überliefert,

die von König Minos in einem Turm gefangen

gehalten wurden. Der Versuch, zu fliehen mithilfe

von selbstgebauten Flügeln aus Vogelfedern und

Kerzenwachs scheiterte, weil Ikarus ungeachtet

der Warnungen des Vaters zu hoch hinauf flog

und der Sonne zu nahe kam. Das Wachs

schmolz, und er stürzte ins Meer. Schon damals

also galt Fliegen als Inbegriff von Freiheit.

1493 entwarf Leonardo da Vinci einen Hubschrauber, der

mithilfe einer 敦Spiralschraube屯 abheben sollte. So

entstand der heute noch geläufige Begriff des

Helikopters, abgeleitet von dem griechischen >>helix<<

(Schraube) und >>pteron<< (Flügel). Überliefert sind auch

Zeichnungen von Fallschirmen

und Schwingenflugzeugen, also

von mit Muskelkraft bewegten

Flügeln, ebenso wie von

Stromlinienbildern, die seine

Strömungsuntersuchungen

dokumentieren. Auch wenn

seine Erfindungen nicht

ausgereift waren, so war da Vinci

mit seinen flugtechnischen und

mathematischen Kenntnissen

seiner Zeit weit voraus. Für die

Entwicklung des Fliegens

konnten seine Erkenntnisse

jedoch nicht genutzt werden, weil

viele seiner Manuskripte nach

seinem Tod verloren gegangen

waren.

1000 n.Chr. 1500 n.Chr.

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1790 1810 1830 1850

Viel früher als die

Konstrukteure der Flug-

zeuge, die schwerer als

Luft waren, hatten die

Leichter-als-Luft-Pioniere

Erfolg. Den französischen

Brüdern Etienne-Jacques

und Michel-Joseph de

Montgolfier gelang 1783 der erste bemannte

Heißluftballonaufstieg. Zuvor hatten sie mit aus Leinwand

gefertigten, mit Papier gefütterten und Hanfnetz

überzogenen, unbemannten Heißluftballonen experimentiert.

Dabei handelte es sich zunächst um Fesselflüge, später um

freie Aufstiege mit Tieren als Flugpassagieren. Schon ein

Jahr später erreichte man Höhen bis zu 4000 Metern. 1785

wurde erstmals mit einem Heißluftballon der Ärmelkanal

überquert. Heißluftballone werden nach ihren Erfindern

Montgolfière genannt.

Als >>Vater der Aeronautik<< gilt

der Engländer Sir George Cayley,

der bereits 1799 ein Gleitflugzeug

mit allen wesentlichen Merkmalen

moderner Flugzeuge wie Flügel,

Höhen- und Seitenleitwerk

skizzierte und damit die

wissenschaftliche Beschäftigung

mit dem Fluggerät 敦schwerer als

Luft屯 einleitete. Fünf Jahre später

baute er aufbauend auf seinem

Flugzeugkonzept erfolgreich

unbemannte Flugmodelle.

Dem italienischen Ingenieur Enrico Forlanini gelang 1877 der erste Flug eines dampfgetriebenen

Modellhubschraubers, der mit zwei koaxialen gegenläufigen Rotoren etwa 20 Sekunden flog und Höhen von

bis zu 13 Metern erreichte. Für weitere flugtechnische Experimente entwickelte er einen Windkanal und baute

sein erstes Luftschiff, das 1909 zum ersten Flug startete. Obwohl er seine militärische Laufbahn beendet

hatte, konstruierte er während des Ersten Weltkrieges auch mehrere Luftschiffe für den Kriegseinsatz.

Der Ingenieur und

Unternehmer Otto

Lilienthal erforschte

gemeinsam mit

seinem Bruder Gustav

die Vorteile der

gewölbten Fläche für

die Flugzeugtechnik.

1890 1870

Die Ergebnisse ihrer Auftriebs- und

Widerstandsmessungen an Tragflügelprofilen

veröffentlichten sie 1889 in Otto Lilienthals Buch

敦Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst屯,

dargestellt in Polardiagrammen, die heute noch

Grundlage des Begriffssystems und gängige Praxis

in der Aerodynamik sind.

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Nach den jahrelangen theoretischen Vorarbeiten unternahm Otto Lilienthal, seit Kindertagen von der Fliegerei

begeistert, zwischen 1890 und 1896 praktische Flugversuche mit Hängegleitern, die den heutigen Sportdrachen

ähnelten. 1891 gelang ihm der erste Menschenflug mit einem manntragenden Segelapparat; seine 敦Möwe屯 trug

ihn dabei über sieben Meter durch die Luft. In der Folgezeit

baute und erprobte er mehr als 30 Gleitflugzeuge und

erzielte Flugweiten über 300 Meter. Alle Gleitflugzeuge

waren in Anlehnung an den Vogelflug so konstruiert,

dass der Pilot das Fluggerät mit den Händen hielt, die

Beine zum Anlaufen benutzte und den Gleiter durch

Verlagerung der Körperposition steuerte. Nach mehr als

100 Flügen starb Lilienthal 1896 bei einem Absturz aus

20 Meter Höhe. Seine Erfindungen waren bahnbrechend

für die moderne Luftfahrt.

Als herausragender Luftschiff-Pionier gilt

der Offizier Ferdinand Graf von Zeppelin,

der sich seit 1892 dem Luftschiffbau

widmete und das erste lenkbare

Starrluftschiff konstruierte. Zeppelin-

Luftschiffe, ab 1909 in der Firma

»Luftschiffbau Zeppelin GmbH« in

Friedrichshafen gebaut, dominieren die

Geschichte der Starrluftschifffahrt derart,

dass bis heute der Begriff Zeppelin ein

Synonym für Starrluftschiff ist. Das

erfolgreichste Luftschiff, die Graf Zeppelin,

absolvierte bereits Anfang des 20.

Jahrhunderts Erdumrundungen und

Atlantiküberquerungen. Zeppeline wurden

sowohl in der zivilen Luftfahrt als auch in

Kriegszeiten als Bomber und Aufklärer

eingesetzt.

Erst die Erfindung des Verbrennungsmotors verhalf der

Fliegerei zum Durchbruch als Verkehrsmittel. Mit Hilfe

eines solchen Benzinmotors gelang den amerikanischen

Brüdern Orville und Wilbur Wright 1903 der erste

erfolgreiche gesteuerte Motorflug, ermöglicht durch ihre

Erfindung der aerodynamischen Flugsteuerung um alle drei

Achsen. Der gelungenste Flug ging über 260 Meter und

dauerte 59 Sekunden. Allerdings gibt es auch historische

Quellen, die dem deutschen Flugpionier Karl Jatho den

ersten geglückten Motorflug zusprechen, der 1903 vier

Flüge absolviert haben und beim weitesten 60 Meter

zurückgelegt haben soll.

1898 1894 1890

dabei durch einen Ottomotor angetrieben. Obwohl kurz

zuvor ein von Louis und Jacques Bréguet gebauter

Hubschrauber bereits abheben konnte, gilt Cornus Flug

als erster freier Flug eines Hubschraubers, weil der

andere aufgrund seiner Instabilität durch Helfer im

Gleichgewicht gehalten werden musste.

Der französische Ingenieur und Fahrradfabrikant Paul Cornu entwickelte

den weltweit ersten bemannten Hubschrauber, der bei seinem Erstflug

1903 eine Flugzeit von 20 Sekunden nicht überschritt. Er wurde auch

fliegendes Fahrrad genannt. Die beiden gegenläufigen Drehflügel wurden

1902 1906 1910

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Der Fortschritt in der Hubschraubertechnik verlief zunächst ohne deutsche Beteiligung; 1936 präsentierte der

Flugzeugkonstrukteur Heinrich Focke einen einsitzigen Versuchshubschrauber Fw 61, den ersten wirklich

einsetzbaren Hubschrauber weltweit, der in den Folgejahren Weltrekorde in Flugdauer, Streckenlänge, Flughöhe

und Geschwindigkeit aufstellen sollte.

1910 1920 1930

Schon im Ersten Weltkrieg wurden Tausende von

Kampfflugzeugen produziert mit jedoch nur

geringem Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Im

Laufe des Krieges ging die Entwicklung der

Jagdflugzeuge dann von eher fragilen, wenig

bewaffneten Maschinen zum Schutz von Aufklärern

und Bombern hin zu sehr manövrierfähigen,

schwer bewaffneten Einsitzern. Ebenfalls 1914

wurde die erste Passagierfluglinie eröffnet auf der

Strecke St. Petersburg - Tampa Bay.

Der Fortschritt in der

Hubschraubertechnik verlief zunächst

ohne deutsche Beteiligung; 1936

präsentierte der Flugzeugkonstrukteur

Heinrich Focke einen einsitzigen

Versuchshubschrauber Fw 61, den

ersten wirklich einsetzbaren

Hubschrauber weltweit, der in den

Folgejahren Weltrekorde in Flugdauer,

Streckenlänge, Flughöhe und

Geschwindigkeit aufstellen sollte.

Zu einem enormen Aufschwung in der

Flugzeugentwicklung kam es im Zweiten

Weltkrieg, wo vor allem Deutschland den

Mangel an Ressourcen durch technischen

Vorsprung zu kompensieren suchte.

Höhepunkt dieses Prozesses

war die Produktion von Strahltriebwerken

und die Serienproduktion von

Strahlflugzeugen, deren Triebwerke

allerdings nicht von langer Lebensdauer

waren. In diese Zeit fällt auch die

Entwicklung der ersten leistungsfähigen

Hubschrauber, des Schleudersitzes, der

Radartechnologie und verschiedener

Raketen.

Im Jahr 1949 erfolgte der Erstflug der britischen De

Havilland Comet, des weltweit ersten

Passagierflugzeugs mit Strahltriebwerken, deren

Einbau die Flugreisegeschwindigkeit verdoppelte. Drei

Jahre später wurde mit eben diesem Flugzeugtyp der

erste Liniendienst der Welt mit Düsenflugzeugen

zwischen London und Johannesburg aufgenommen.

Die Geschichte der Flugsicherung verläuft

parallel zur Entwicklung des Flugzeuges zum

Massentransportmittel im Deutschland der

1950er Jahre. Hervorgegangen aus den

Flugsicherungsdiensten der West-Alliierten in

der Nachkriegszeit wurde mit Gründung der

Bundesanstalt für Flugsicherung 1953 die

Aufgabe der Flugsicherung des zivilen

Luftverkehrs in deutsche Hände gelegt. Bis

zu ihrer Privatisierung 1992 handelte es sich

um eine Anstalt öffentlichen Rechts.

1950 1940 1960

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1960 1970 1980 2000 1990 2010

1953 wurde in den USA mit der North American

F-100 Super Sabre, einem einstrahligen

Kampfflugzeug, der erste Überschalljäger der

Welt gebaut. Konzipiert war sie

als Tiefdecker mit zentralem

Lufteinlauf, ihre Tragflächen

waren 45° gepfeilt. Aufgrund

ihrer Langlebigkeit wurde sie

noch bis in die achtziger Jahre aktiv eingesetzt.

Das erfolgreichste Verkehrsflugzeug

aller Zeiten ist die Boeing 737 mit in

der Anfangsversion 100 Sitzplätzen,

deren erster Abnehmer nach dem

Erstflug 1967 die Lufthansa war. Im

Jahr 2005 waren ständig rund 1.300

Boeing 737 gleichzeitig in der Luft und

alle sechs Sekunden startet eine.

Die 屯Concorde惇, das einzige langfristig

eingesetzte Überschall-

Verkehrsflugzeug, gilt als eine der

größten Leistungen in der Geschichte

der Luftfahrt. Ihre Entwicklung, ein

gemeinsames Projekt der Nationen

England und Frankreich, mündete 1969

in den Erstflug der beiden Prototypen; ab

1976 wurde sie im kommerziellen

Linienverkehr eingesetzt. Sie fasst 128

Fluggäste und fliegt mit einer

Geschwindigkeit von über 2100 km/h.

Aufgrund der hohen Betriebskosten

konnte sie sich jedoch nicht durchsetzen.

Im Jahr 2000 kam es zu einem

tragischen Absturz, der zu einer

Stilllegung der Flotten führte.

Der Inbegriff für moderne Flugtechnik ist der Airbus A380, ein vierstrahliges Großraumflugzeug mit zwei

durchgängigen Passagierdecks, das in der Regelausstattung 555 Passagieren in drei Klassen Platz bietet

und ohne Zwischenstop bis zu 15.000 Kilometer fliegen kann. Dieser Tiefdecker ist das größte

zivile Verkehrsflugzeug, das bisher in Serienfertigung

produziert wurde. 2005 absolvierte der Airbus A380

seinen Erstflug, seit 2007 ist er im

Passagierverkehr eingesetzt. Der erste deutsche

Airbus A380, der das neue Flaggschiff der

Lufthansa sein wird, hebt am 6.6.2010 zu seinem

Jungfernflug von Frankfurt nach Johannesburg ab

mit der deutschen Fußballnationalmannschaft auf

dem Weg zur WM.

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine didaktische Arbeit zur Flugphysik.

Im Vorgriff auf Kapitel 3 sei angemerkt, dass zu einer vollständigen Behandlung der

physikalischen Grundlagen der Luftfahrt zwei Arten von Flugobjekten gehören, nämlich

solche, die schwerer, und solche, die leichter als Luft sind, und damit auch zwei Arten

von Auftrieb. Daher werden sie im praktischen Teil der vorliegenden Arbeit auch beide

Gegenstand der Betrachtung sein. Im theoretischen Teil hingegen erfolgt eine Beschrän-

kung auf die Grundlagen der Flugobjekte, die schwerer als Luft sind. Für die Theorie

zu den Luftfahrzeugen leichter als Luft wird auf die Wissenschaftliche Prüfungsarbeit

von Martin Schilling mit dem Thema »Auftrieb im Schülerlabor - Schülerexperimente

zum Heißluftballon« verwiesen.

Vor der Überlegung, wie diese Flugphysik in der Schule vermittelt werden kann, muss

eine intensive Auseinandersetzung mit der Aerodynamik des Fliegens stehen, wel-

che wiederum gründliche Kenntnisse in der Strömungsmechanik voraussetzt. Daher

wird hier der Behandlung der Grundlagen des Fliegens eine Behandlung wesentli-

cher Aspekte der Strömungsmechanik vorangestellt und zwar auf einem universitären

Anspruchsniveau. Dieses Kapitel stellt dem unterrichtenden Lehrer nützliches Hinter-

grundwissen zur Verfügung, muss aber nicht zwangsläufig gänzlich durchdrungen

werden, um Flugphysik in der Schule zu behandeln.

Die Strömungslehre untersucht die Bewegung von Flüssigkeits- und Gasmassen, also

deren Kinematik und Dynamik. Sie ist damit Teilgebiet der ältesten und grundle-

genden Disziplin der Physik, der klassischen Mechanik. Um einen in dieser Arbeit

möglicherweise entstehenden Eindruck von vornherein zu korrigieren, sei voraus-

geschickt, dass - im Gegensatz zu den mathematisch vollständig gelösten Ein- und

Zwei-Körperproblemen der Mechanik - in der Aero- und Hydrodynamik bei Weitem

nicht alle Probleme mathematisch lösbar sind bzw. deren Lösung nicht exakt angegeben

werden kann. Insbesondere technische Strömungsprobleme können in der Regel erst

17

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

aufgrund von Modellversuchen oder Simulationsprogrammen komplett beschrieben

werden; bekannte Beispiele für wichtige Experimentiergrößen bei solchen Versuchen

sind die Reynolds-, die Froude- und die Mach-Zahl. Die Strömungslehre ist also ein

noch weites, offenes Feld für den Experimentalphysiker bzw. den experimentierenden

Techniker. Das liegt nicht etwa daran, dass es sich bei Gasen und Flüssigkeiten letztlich

um sehr große Vielteilchensysteme handelt. Dieser Aspekt ist bei normalen Teilchen-

dichten für die Strömungslehre uninteressant, man behandelt die Flüssigkeiten und

Gase sowieso als Kontinua. Im Gegenteil: von Seiten der Physik sind die Grundglei-

chungen zur Beschreibung von Flüssigkeits- und Gasbewegungen durchaus bekannt.

Vielmehr scheitert die theoretische Lösung an der im Allgemeinen nicht durchführbaren

Integration der Differentialgleichungen; sie gelingt nur in Sonderfällen. In der vorlie-

genden Arbeit wird diese Schwierigkeit freilich nicht zum Vorschein kommen, da in

diesem theoretischen Teil der Arbeit die Grundlagen des Fliegens anhand von lösbaren

Strömungsbeispielen mithilfe mathematischen Handwerkszeuges verdeutlicht werden

sollen.

2.1. Physikalische Eigenschaften der Luft

Wichtige Eigenschaften des strömenden Mediums für die Strömungsmechanik sind

Dichte, Temperatur, Kompressibilität und Zähigkeit. Die Dichte ρ ist im Allgemeinen

nicht konstant, sondern hängt von Temperatur und Druck ab. Unter der Kompressibilität,

der Zusammensdrückbarkeit, eines Mediums versteht man die Fähigkeit bei Einwirkung

äußerer Druckkräfte das Volumen zu verringern. Sie ist definiert als

κ = −1

V

dV

dp. (2.1)

Ein Maß für die Kompressibilität einer Flüssigkeit oder eines Gases ist der Volumen-

Elastizitätsmodul E. Er ist definiert durch Gleichung 2.2.

dp = EdV

V(2.2)

18

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Wegen der Erhaltung der Masse gilt, wenn dρρ<< 1 ist:

dp = −Edρ

ρ. (2.3)

Bei kleinem Staudruck1 ist ∆ρ

ρ<< 1, so dass bei mäßigen Strömungsgeschwindigkei-

ten das strömende Medium - sowohl Flüssigkeiten als auch Gase - als inkompressibel

angesehen werden kann. Die in Zusammenhang mit den inneren Reibungskräften in

einem gasförmigen oder flüssigen Fluid stehende Zähigkeit meint die Erscheinung,

dass zur gegenseitigen Verschiebung benachbarter Volumenenlemente eine gewisse

Kraft aufgebracht werden muss. Sie kann häufig bei technischen Anwendungen ver-

nachlässigt werden. Selbstverständlich gibt es auch Fragen, bei denen die Zähigkeit

berücksichtigt werden muss. Hier ist beispielsweise die Grenzschichttheorie zu nennen.

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle also festhalten, dass sich viele Aufgaben,

unter anderem auch die Berechnung des Auftriebes an Tragflügeln, unter Zugrundele-

gung eines inkompressiblen reibungslos strömenden Mediums lösen lassen. Wenn nicht

anders beschrieben, wird in dieser Arbeit daher immer von einer solchen Flüssigkeit

bzw. einem solchen Gas ausgegangen.

2.2. Kinematik der Strömungen

2.2.1. Eulersche und Langrangesche Betrachtungsweise

Die im Allgemeinen zweckmäßigste Form zur Beschreibung von Flüssigkeits- und Gas-

bewegungen ist die Angabe des Strömungszustandes am jeweils festgehaltenen Ort zu

verschiedenen Zeiten. Man erhält dann das Strömungsfeld ~v = ~v (~r, t) mit seinen Strom-

linien, deren Wegelemente d~s im Zeitpunkt t überall die Richtung der Geschwindigkeit

~v haben. Stromlinien sind geometrische Hilfsobjekte, die der Veranschaulichung eines

Strömungsfeldes dienen. Es gilt also:

d~s ||~v oder d~s× ~v = 0

1Staudruck oder auch dynamischer Druck bezeichnet denjenigen Druck, der von einer strömendenFlüssigkeit oder einem strömenden Gas an einem Hindernis hervorgerufen wird. Er wird beschriebendurch ρ

2v2.

19

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Diese sogenannte Eulersche Betrachtungsweise ist vor allem dann einfach und anschau-

lich, wenn die Strömung von einem bestimmten raumfesten Koordinatensystem aus

gesehen zeitlich gleichbleibend, genannt stationär, ist:

~v = ~v (~r) (2.4)

Zu unterscheiden ist davon die sogenannte Langrangesche Betrachtungsweise, in der

die Bahnlinien der einzelnen Flüssigkeits- bzw. Gasteilchen betrachtet werden, also jene

Kurven, die von den einzelnen Teilchen durchlaufen werden. Sie fallen nur in stationärer

Strömung mit den Stromlinien zusammen, denn nur dann bewegen sich die Teilchen

auf den zeitlich gleichbleibenden Stromlinien wie auf festen Gleisen weiter. Trotzdem

benötigt man zur Aufstellung der dynamischen Grundgleichung die Beschleunigung

eines einzelnen Teilchens und damit zunächst die Langrangesche Betrachtung, um sie

anschließend in das feste Euler-Koordinatensystem übertragen zu können.

2.2.2. Kontinuitätsgleichung

Die Erhaltung der Masse wird für ein strömendes Medium durch die sogenannte

Kontinuitätsgleichung ausgedrückt. Diese ist für eine eindimensionale Bewegung der

Geschwindigkeit v längs einer Stromröhre besonders leicht zu formulieren. Unter

einer Stromröhre versteht man in diesem Zusammenhang sämtliche Stromlinien, die

durch eine geschlossene Fläche, den Stromröhrenquerschnitt, verlaufen und somit

ein röhrenförmiges Volumen bilden. Nimmt man die Strömungsgeschwindigkeit v

als über den Strömungsquerschnitt A konstant an, so bezeichnet A · v das an einer

Stelle der Stromröhre pro Zeiteinheit durchfließende Volumen. Die pro Zeiteinheit

durchfließende Masse ist also durch ρ ·A ·v gegeben. Aufgrund der Erhaltung der Masse

und der Tatsache, dass durch die Ummantelung der Stromröhre nichts hindurchfließt,

muss der Massenstrom längs der Stromröhre konstant sein. Für eine eindimensionale

Bewegung längs einer Stromröhre ergibt sich also die Kontinuitätsgleichung eines

kompressiblen Mediums:

ρ · A · v = const. (2.5)

20

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Im Falle einer inkompressiblen Flüssigkeit ergibt sich wegen der Konstanz der Dichte

die einfacherere Form:

A · v = const. (2.6)

Diese wird häufig auch wie in Gleichung 2.7 formuliert.

A1 · v1 = A2 · v2 (2.7)

Nun lässt sich anhand des Stromlinienbildes direkt eine Aussage über die Strömungsge-

schwindigkeit machen. Nach der Konvention wird ein Stromlinienbild derart gezeichnet,

dass jede Stromröhre den gleichen Volumenstrom besitzt, so dass mithilfe der Glei-

chung 2.7 die folgende Aussage getroffen werden kann: Für inkompressible Medien

korrespondieren enge Stellen der Stromröhre mit hohen Strömungsgeschwindigkeiten

und umgekehrt. Orte sich verengender Stromlinien sind also Orte der Zunahme der

Strömungsgeschwindigkeit in Strömungsrichtung und umgekehrt. Für kompressible

Strömungen gilt dieser Zusammenhang nur für Geschwindigkeiten unterhalb der Schall-

geschwindigkeit 2, oberhalb ist der Zusammenhang ein gleichsinniger. Die Ursache

hierfür liegt in der mit der Geschwindigkeitszunahme verbundenen Erniedrigung des

Drucks bzw. Vergrößerung des Volumens.

Etwas komplizierter gestaltet sich die dreidimensionale Kontinuitätsgleichung. Diese

kinematisch allgemeinste Beziehung für das Geschwindigkeitsfeld einer Strömung ist

in Gleichung ?? dargestellt und ist überall gültig mit Ausnahme eventuell vorliegender

Quellen oder Senken (Singularitäten des Feldes).

∂ρ

∂t+ div (ρ · ~v) = 0. (2.8)

Dies folgt aus der Tatsache, dass die zeitliche Änderung der Masse innerhalb eines

Volumenelementes gleich der Differenz aus aus- und eintretender Massenströme ist.

Die ausführliche Herleitung ist für das weitere Verständnis nicht unbedingt erforderlich;

2Mit Schallgeschwindigkeit wird die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer fortschreitenden Schallwelle ineinem festen, flüssigen oder gasförmigen Medium bezeichnet. Sie ist sowohl von dern elastischenEigenschaften des Mediums, als auch von Druck und Temperatur abhänig. Für Luft beträgt dieSchallgeschwindigkeit vei 20 ◦C und Normaldruck (1013hPa) c = 343

m

s.

21

Page 23: Die physikalischen Grundlagen der Luftfahrt...JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ - INSTITUT FÜR PHYSIK Die physikalischen Grundlagen der Luftfahrt Wissenschaftliche Prüfungsarbeit

2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.1: Gedankenexperiment zum Begriff der Drehung bzw. der Drehungs-freiheit [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]

sie würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, kann aber bei Bedarf in [Oertel, 2008]

nachgelesen werden.

Für ein inkompressibles strömendes Medium vereinfacht sich Gleichung 2.8 wegen

ρ = const. zu Gleichung 2.9.

div ~v =∂vx

∂x+

∂vy

∂y+

∂vz

∂z= 0 (2.9)

2.2.3. Potentialströmung

In der Strömungslehre werden zwei Gruppen von Strömungen unterschieden, nämlich

diejenigen mit Drehung und diejenigen ohne Drehung. Es lässt sich feststellen, dass im

Allgemeinen Bewegungen mit Drehung nur bei reibungsbehafteter Strömung vorliegen

können. Im weiteren Verlauf sind gerade diejenigen ohne Drehung von besonderer

Bedeutung. Sie werden auch Potentialströmung genannt.

Zunächst soll jedoch ein tieferes Verständnis des Begriffes der Drehung herbeigeführt

werden. Dazu wird sich eines Gedankenexperimentes bedient, dass die Drehung an-

schaulich erklärt. Dazu stelle man sich eine strömende Flüssigkeit vor. Lässt man auf

der Oberfläche dieser Flüssigkeit einen kleinen festen Körper mitschwimmen, der ei-

ne bestimmte Richtung markiert, kann man an diesem ablesen, ob die vorliegende

Strömung drehungsfrei ist oder nicht. Denn bleibt die markierte Richtung andauernd

parallel zu ihrer Ausgangslage, so liegt keine Drehung vor. Abbildung 2.1 zeigt dies

im linken Teil beispielhaft, da a parallel a′ parallel a′′. Dagegen zeigt Abbildung 2.1

im rechten Teil das Ergebnis des Gedankenexperimentes für eine mit Drehung behaf-

tete Strömung, hier am Beispiel einer Flüssigkeit in einem zylindrischen Gefäß, das

22

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

in Rotation versetzt wird. Mathematisch wird eine Drehung beschrieben durch den

sogenannten Drehvektor ~θ bzw. den Drehwinkelgeschwindigkeitsvektor ~ω = dθdt

. Für die

Drehwinkelgeschwindigkeit kann gezeigt werden, dass

~ω =1

2rot~v (2.10)

gilt. Man bezeichnet eine Strömung als drehungsfrei, falls alle Komponenten der

Drehwinkelgeschwindigkeit verschwinden, wenn also

rot~v = 0 (2.11)

gilt.

2.2.4. Beschleunigung

Obwohl in Abschnitt 2.2.1 die Langrangesche Betrachtungsweise für ungünstiger erklärt

wurde, wird sie dennoch benötigt für die Einführung des Begriffes des Beschleunigung.

Diese kinematische Größe ist nach dem zweiten Newotnschen Axiom zentral bei der

Aufstellung der dynamischen Grundgleichungen. Unter der Beschleunigung versteht

man in der Mechanik die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit. Daher gilt

~a =d~v

dt(2.12)

Zunächst soll die Beschleunigung für eine eindimensionale Strömung eingeführt und

erläutert werden. Die Beschleunigung als zeitliche Geschwindigkeitsänderung eines

bestimmten Masseteilchens setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, dem lokalen und

dem konvektiven. Der lokale Anteil beschreibt denjenigen, der durch eine sich mit

der Zeit ändernde Geschwindigkeit in einem festen Raumpunkt entsteht. Der zweite

Anteil, der konvektive, kommt durch die Ortsänderung des Geschwindigkeitsteilchens

zustande, falls sich die Geschwindigkeit längs der Stromröhre ändert.

Die Gesamtbeschleunigung lässt sich also berechnen als

a =dv

dt=

∂v

∂t+

dv

dt=

∂v

∂t+

∂v

∂s·ds

dt(2.13)

23

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

und somit umformen zu

a =dv

dt=

∂v

∂t+ v ·

∂v

∂s(2.14)

Übertragen auf eine dreidimensionale Strömung mit dem Geschwindigkeitsvektor ~v

ergibt sich für die Gesamtbeschleunigung Gleichung 2.15.

~a =d~v

dt=

∂~v

∂t+ (~v · grad)~v (2.15)

2.3. Dynamik der Strömungen

2.3.1. Eindimensionale Strömungen

Unter einer eindimensionalen Strömung versteht man eine solche, bei der nur eine

Geschwindigkeitskomponente von Null verschieden ist. Diese wiederum ist dann auch

nur von einer Ortskoordinate abhängig. Bezeichnet man die Koordinate längs der

Stromlinie mit s und die Geschwindigkeit mit v, so kann die Bewegung durch

v = v(s, t) (2.16)

als eindimensional aufgefasst werden. Rohrströmungen mit variablem Rohrquerschnitt

können näherungsweise als eindimensionale Strömungen behandelt werden. Dabei wird

eine bei genauerer Betrachtung festzustellende Querkomponente der Geschwindigkeit

vernachlässigt. Diese Betrachtungsweise wird auch als Stromfadentheorie bezeichnet.

2.3.1.1. Eindimensionale Eulersche Bewegungsgleichung

Im folgenden soll die eindimensionale Euler-Gleichung hergeleitet werden, die Bewe-

gungsgleichung, die die Grundlage für die Strömungsdynamik ohne Reibung darstellt.

[Weltner, 2002] Ihre Grundlage ist das Newtonsche Bewegungsgesetz. Dafür müssen

die Schwerkraft sowie die Krfäte, die in Folge der wirkenden Drück entstehen, sum-

miert werden. Berücksichtigt man zusätzlich noch die Reibung, so ergeben sich die

Navier-Stokes-Gleichungen, die hier allerdings nicht weiter betrachtet werden sollen.

24

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.2: Kräftegleichgewicht am Volumenelement in Richtung der Strom-röhrenachse, [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]

Für die Aufstellung der Bewegungsgleichung in Richtung der Koordinate s längs der

Stromröhre betrachte man zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Volumenelement dV

der Länge ds und dem mittleren Querschnitt dA. Es gilt

dV = dAds (2.17)

und somit

dm = ρ · dAds (2.18)

Die Druckkraft am unteren Ende des Volumenelements lässt sich ausdrücken als p · dA,

die am oberen Ende als −(p+ ∂p

∂sds)·dA. Als resultierende Druckkraft ergibt sich daher

Fres,Druck = −∂p

∂sds · dA (2.19)

Die Schwerkraft in Stromröhrenrichtung lässt sich beschreiben durch

Fg = −gdm cos(α) (2.20)

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

wobei α den Winkel zwischen der Vertikalen und der Stromröhrenachse angibt. Folglich

lautet die Newtonsche Bewegungsgleichung

dm ·d~v

dt= Fres,Druck + Fg = −

∂p

∂sds · dA− gdm cos(α) . (2.21)

Dabei ist d~vdt

die Gesamtbeschleunigung, wie sie in Abschnitt 2.2.4 eingeführt wurde.

Einsetzen und Division durch dm ergibt

∂v

∂t+ v

∂v

∂s+

1

ρ

∂p

∂s+ g

∂z

∂s= 0 , (2.22)

wenn man zusätzlich cos(α) durch ∂z∂s

ersetzt. Dabei gibt z(s) die Lage der Stromröhre

im Raum an. Gleichung 2.22 ist die instationäre eindimensionale Eulersche Bewegungs-

gleichung, die sowohl für inkompressible also auch kompressible Strömungen gültig

ist.

Liegt eine stationäre Strömung vor, so vereinfacht sich Gleichung 2.22 zu

vdv

ds+

1

ρ

dp

ds+ g

dz

ds= 0 , (2.23)

da der lokale Anteil der Gesamtbeschleunigung verschwindet. In Gleichung 2.23 können

die Ableitungen als gewöhnliche geschrieben werden, da Druck und Geschwindigkeit

keinerlei Abhängigkeit von der Zeit aufweisen, sondern nur noch von der Stromröhren-

richtung s abhängen.

2.3.1.2. Eindimensionale Bernoulli-Gleichung

Für eine stationäre Strömung eines inkompressiblen Mediums kann die Euler-Gleichung

leicht integriert werden. Integration nach s liefert direkt:

v2

2+

p

ρ+ gz = const. (2.24)

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

In dieser Gleichung, die für die Bewegung eines reibungslosen, inkompressiblen Fluids

fundamental ist, steckt der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Druck und

Lage der Stromröhre. Sie ist die sogenannte Bernoulli-Gleichung für eindimensionale

Strömungen. Multiplikation der Gleichung 2.24 mit ρ ergibt die bekannte Form der

Bernoulli-Gleichung, die sogenannte Energieform.

ρv2

2+ p+ ρgz = const. (2.25)

Gleichung 2.25 kann als Energieerhaltungssatz pro Volumeneinheit gedeutet werden,

wobei der erste Term die kinetische Energie, der zweite die Druck- und der letzte die

potentielle Energie beschreibt. [Schlichting und Truckenbrodt, 2001] Eine Herleitung

dieses Sachverhaltes für den Unterricht findet sich im Anhang C.2..

2.3.2. Zwei- und dreidimensionale Strömungen

2.3.2.1. Mehrdimensionale Eulersche Bewegungsgleichung

Analog zur Vorgehensweise bei eindimensionalen Strömungen kann die Eulersche

Bewegungsgleichung auch für zwei- und dreidimensionale reibungslose Strömungen

aus der Newtonschen Grundgleichung ~F = m · ~a hergeleitet werden. Die Gesamtkraft

setzt sich zusammen aus dem aus der Schwerkraft resultierenden Teil und demjenigen,

der sich aus den wirkenden Drücken ergibt.

Im mehrdimensionalen Fall gibt man häufig die Eulersche Bewegungsgleichung pro

Volumeneinheit an. Sie lautet

ρd~v

dt= ~K − grad p (2.26)

Dabei bezeichnet ~K die Massenkraft pro Volumenelement, −grad p ist gerade die

Druckkraft pro Volumenelement. Mit der Gesamtbeschleunigung d~vdt

3 ergibt sich daraus

3vgl. Abschnitt 2.2.4

27

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

die dreidimensionale Eulersche Bewegungsgleichung für reibungsfreie Strömungen in

Vektorform.

ρ · (∂~v

∂t+ (~v · grad)~v) = ~K − grad p (2.27)

Sie hat sowohl für inkompressible als auch für kompressible Fluide Gültigkeit. Die Lö-

sung dieser Bewegungsgleichung, ein Integrationsproblem, ist im Allgemeinen äußerst

schwierig.

2.3.2.2. Potentialfunktion- und Stromfunktion bei zweidimensionalen Strömungen

Bei der Lösung der Bewegungsgleichung beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf

reibungslose, inkompressible, drehungsfreie Strömungen und zwar zweidimensionale.

Im Folgenden sollen daher die in der Strömungslehre so wichtigen Potentialströmungen

in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden. In den vorangegangen Abschnitten

wurde der Begriff der Potentialströmung bereits eingeführt und zwei wichtige Zusam-

menhänge gefunden. Kontinuität und Drehungsfreiheit spiegeln sich demnach in den

Gleichungen 2.9 und 2.11 wieder.

div ~v = 0 (2.28)

rot~v = 0 (2.29)

Nach einem Satz der Vektoranalysis gilt, dass die Rotation des Gradienten einer belie-

bigen skalaren Funktion gleich null ist, d.h. rot gradΦ = 0 für jede skalare Funktion

Φ. Verschwindet also die Rotation eines Geschwindigkeitsfeldes an jedem Ort, so kann

dieses als Gradient einer skalaren Funktion, der sogenannten Potentialfunktion, ge-

schrieben werden.

~v = gradΦ (2.30)

28

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Einsetzen von Gleichung 2.30 in die Kontinuitätagleichung liefert die sogenannte

Potentialgleichung für Φ, die häufig auch Laplace-Gleichung genannt wird.

∆Φ = 0 oder∂2Φ

∂x2+

∂2Φ

∂y2+

∂2Φ

∂z2= 0 (2.31)

Die Potentialfunktion Φ wird häufig auch kurz als das Potential des Geschwindigkeits-

feldes bezeichnet.

2.9 und 2.11 vereinfachen sich für eine ebene Strömung, die parallel zur x-y-Ebene

verläuft, und können daher in Komponentendarstellung wie in Gleichung 2.32 und

2.33 geschrieben werden.

∂vx

∂x+

∂vy

dy= 0 (2.32)

∂vy

∂x−

∂vx

∂y= 0 (2.33)

Für eine ebene Strömung können die beiden Zusammenhänge aus Gleichung 2.30 und

2.31 vereinfacht werden zu:

vx =∂Φ

∂xund vy =

∂Φ

∂y(2.34)

∂2Φ

∂x2+

∂2Φ

∂y2= 0 (2.35)

Ebenfalls für die ebene Strömung soll an dieser Stelle auch die Stromfunktion eingeführt

werden. Dies erfolgt durch Erfüllung der Kontinuitätsgleichung, aus der Drehungsfrei-

heit folgt dann ein Kriterium zum Aufstellen der Stromfunktion Ψ.

Wegen der vektoriellen Identität div(rot ~A) = 0 kann man das Geschwindigkeitsfeld

stets aus einem Vektorpotential ~A(~r, t) ableiten, d.h.

~v = rot ~A (2.36)

29

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.3: Zur physikalischen Deutung des Φ-Ψ-Netzes, [Schlichting und Tru-ckenbrodt, 2001a]

sofern man die stetige Differenzierbarkeit des Geschwindigkeitsfeldes voraussetzt.

Praktischen Nutzen bringt diese Erkenntnis bei zweidimensionalen ebenen Strömun-

gen. Denn hier vereinfacht sich das Vektorpotential zu einer skalaren Funktion, der

sogenannten Stromfunktion Ψ. Verknüpft man die Stromfunktion nämlich mit dem Ge-

schwindigkeitsfeld durch den Zusammenhang aus 2.37, so ist die Kontinuitätsgleichung

erfüllt.

vx =∂Ψ

∂yund vy = −

∂Ψ

∂x(2.37)

Setzt man Gleichung 2.37 in die Bedingung der Drehungsfreiheit nach Gleichung 2.33

ein, so ergibt sich die Laplace-Gleichung der ebenen Strömung.

∆Ψ = 0 (2.38)

2.3.2.3. Das Φ-Ψ-Netz

Anschaulich lassen sich Stromfunktion und Potentialfunktion und ihre Beziehung zum

Geschwindigkeitsfeld in der folgenden Weise interpretieren.

30

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Dazu betrachte man zunächst die Gradienten der beiden Funktionen.

gradΦ = ~v =∂Φ

∂x~ex +

∂Φ

∂y~ey = vx~ex + vy~ey (2.39)

gradΨ =∂Ψ

∂x~ex +

∂Ψ

∂y~ey = −vy~ex + vx~ey (2.40)

Da gradΦ ·gradΨ = −vxvy+vxvy = 0 gilt, stehen die Gradienten der Strom- und der Po-

tentialfunktion orthogonal aufeinander. Demnach bilden die Kurvenscharen Ψ = const.

und Φ = const. zu allen Zeiten ein orthogonales Netz. Da der Vektor gradΦ mit dem

Geschwindigkeitsvektor übereinstimmt, liegt dieser tangential zu den Stromlinien. Folg-

lich müssen die Äquipotentiallinien Φ = const. senkrecht zu den Stromlinien verlaufen,

die Kurven Ψ = const. beschreiben eben gerade die Stromlinien. Abbildung 2.3 ver-

deutlicht die gegenseitige Lage der Vektoren gradΦ und gradΨ und demonstriert die

Tatsache, dass Äquipotential- und Stromlinien orthogonale Kurvenscharen darstellen.

Als physikalische Bedeutung geben die Äquipotentiallinien die Richtung des stärksten

Geschwindigkeitsgefälles an. [Wieghardt, 2005]

2.3.2.4. Berechnung ebener Potentialströmungen mithilfe komplexer Funktionen

Als Ausgangspunkt der weiteren Beschreibung sollen die Gleichungen 2.34 und 2.37

dienen. Zusammengefasst lassen sie sich darstellen als:

vx =∂Φ

∂x=

∂Ψ

∂yvy =

∂Φ

∂y= −

∂Ψ

∂x(2.41)

In der mathematischen Beschreibung von Strömungen bedient man sich einiger Hilfs-

mittel aus der Funktionentheorie, denn zu dem einfachen Zusammenhang von Potential-

und Stromfunktion, also dem Φ-Ψ-Netz in Gleichung 2.41 gibt es dort ein geeignetes

Analogon.

Für eine komplexe analytische Funktion F mit

F (z) = Re(x, y) + i · Im(x, y) mit z = x+ i · y (2.42)

31

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

gelten die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen. Diese lauten für F

∂Re(x, y)

∂x=

∂Im(x, y)

∂ysowie

∂Re(x, y)

∂y= −

∂Im(x, y)

∂x. (2.43)

Für die Herleitung dieses Systems von gekoppelten Differentialgleichungen sei an dieser

Stelle auf Literatur der Funktionentheorie verwiesen 4.

Dies stellt eine offensichtliche Analogie zu den oben begründeten Beziehungen dar

(vgl. Gleichung 2.41). In dieser Analogie liegt das weitere Vorgehen begründet. Es lässt

sich nämlich folglich bei jeder analytischen Funktion der Realteil als Potential- und der

Imaginärteil als Stromfunktion einer zweidimensionalen ebenen Strömung in einem

idealen Fluid deuten, also

F (z) = Φ(x, y) + i ·Ψ(x, y) . (2.44)

Die komplexe Ableitung von F ist demnach

F ′(z) =dF

dz= vx(x, y)− i · vy(x, y) (2.45)

und gibt also nicht direkt die Geschwindigkeit in der z-Ebene an, sondern stellt den

konjugiert komplexen Wert zu dieser dar. Betragsmäßig entspricht also die komplexe

Differentiation dem Betrag der Geschwindigkeit.

An dieser Stelle lässt sich vorerst festhalten, dass das Umströmungsproblem eines Kör-

pers mit funktionentheoretischen Hilfsmitteln lösbar ist. Hier sollen allerdings zunächst

lediglich ausgewählte komplexe Strömungsfunktionen vorgegeben und analysiert wer-

den, d.h. es geht um die Feststellung, welcher Strömung eine komplexe Funktion

entspricht. Die erstgenannte Aufgabe, nämlich die Umströmung für einen vorgegeben

Körper vorherzusagen, wird im Abschnitt 2.3.2.6 Thema sein.

4Jänich, K. 2008. Funktionentheorie. Springer.

32

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

2.3.2.5. Beispiele komplexer Strömungsfunktionen

Bei der Berechnung von Beispielen in diesem Abschnitt ist das Vorgehen wie folgt:

Es werden einfache Funktionen angegeben, die die Laplace-Gleichung erfüllen, und

daraufhin überprüft, welche Strömungen durch die Lösungen beschrieben werden.

Obwohl für die Flugphysik nur das dritte der folgenden Beispiele von Nöten ist, sollen

vorher zwei weitere behandelt werden, die einfacher sind und daher die Methode

besser verdeutlichen.

Ebene Staupunktströmung

Betrachtet werden soll die komplexe Funktion

F (z) = az2 a ∈ R . (2.46)

Die komplexe Ableitung ist demnach

F ′(z) = 2az = 2ax+ i · 2ay a ∈ R . (2.47)

Mit z = x+ i · y ergibt sich

F (z) = F (x, y) = a · (x2 − y2) + i · 2axy a ∈ R . (2.48)

Der Realteil von F , als Potentialfunktion aufgefasst, ist

Φ(x, y) = a · (x2 − y2) a ∈ R , (2.49)

der Imaginärteil, als Stromfunktion intepretiert, dagegen

Ψ(x, y) = 2axy a ∈ R . (2.50)

33

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Die Geschwindigkeiten sind folglich

vx = 2ax und vy = −2ay a ∈ R . (2.51)

Um nun die Strömung genauer zu analysieren, können die Kurvenscharen Ψ = const.

und Φ = const. betrachtet und ihre Bedeutung, die in Abschnitt 2.3.2.3 erläutert wurde,

angewendet werden.

Ist nämlich Φ = const. so ist x2 − y2 = ca

mit c, a ∈ R. Das heißt, die Potentiallinen

verlaufen hyperbelförmig, wie in Abbildung 2.4 zu sehen. Ist dagegen Ψ = const., so

gilt y = c2ax

mit c, a ∈ R. Als Stromlinien ergeben sich also ebenfalls eine Schar von

Hyperbeln, deren Asymptoten die x- und die y-Achse darstellen.

Fasst man die x-Achse, so wie in Abbildung 2.4 eingezeichnet, als eine feste Wand

auf und betrachtet nur die positive Halbebene, so beschreibt die Funktion F also eine

Strömung, die auf eine Wand trifft, sich an dieser teilt und zu beiden Richtungen

hin abfließt. [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]. Der Koordinatenursprung kann

hier als Staupunkt gedeutet werden, da an ihm nach Gleichung 2.51 die Geschwin-

digkeitskomponenten beide verschwinden. Er ist ebenso der Verzweigungspunkt der

Strömung.

Zusätzlich können hier noch weitere physikalische Eigenschaften untersucht werden.

So ergeben sich nämlich für die Isotachen, also die Linien gleichen Geschwindigkeitsbe-

trages, nach Gleichung 2.52 Kreise um den Nullpunkt.

|~v| =√

v2x + v2y = 2a√

x2 + y2 → x2 + y2 =const.

4a2(2.52)

Die Isobaren, die Linien gleichen Druckes, können mithilfe der Bernoulli-Gleichung

aus dem Geschwindigkeitsfeld bestimmt werden. Sie stellen ebenfalls konzentrische

Kreise dar um den Koordinatenursprung, also den Staupunkt der Strömung. Zur bes-

seren Verständlichkeit sind die Isobaren zusätzlich zum Φ-Ψ-Netz in Abbildung 2.4

eingetragen.

Strömung um eine Ecke oder in einen Winkelraum

Als ein weiteres Beispiel soll hier die Strömung an zwei Wänden behandelt werden, die

34

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.4: Ebene Staupunktströmung, [Schlichting und Truckenbrodt,2001a]

den Winkel α miteinander einschließen. Abbildung 2.5 zeigt solche Strömungen für

verschiedene Winkel α. Dazu wird die komplexe Funktion

F (z) =a

nzn a, n ∈ R (2.53)

betrachtet, wobei gilt n = πα

. Um die Potential- und die Stromfunktion möglichst einfach

zu erhalten, bietet sich hier der Übergang zur Darstellung mittels Polarkoordinaten an.

Für die Funktion F ergibt sich dann mit z = r · eiφ unter Beachtung der Regeln zum

Potenzieren komplexer Zahlen

F (r, φ) =a

nrn(cos(nφ) + I · sin(nφ)) . (2.54)

Strom- und Potentialfunktion sind also

Φ(r, φ) =a

nrn(cos(nφ) und Ψ(r, φ) =

a

nrn sin(nφ) . (2.55)

Auch hier sollen wieder die Strom- und die Potentiallinien bestimmt werden. Erstere

sind gegeben durch die Kurven

rn sin(nφ) = const. . (2.56)

Die einzelnen Stromlinien erhält man, indem man r in Abhängigkeit des Winkels φ für

verschiedene Werte der Konstanten gemäß Gleichung 2.56 ermittelt.

35

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.5: Strömung in einen Winkelraum oder um eine Ecke, [Oertel, 2008]

Zur genaueren Beschreibung der Stromlinien sollen zunächst die Kurven Ψ = 0 betrach-

tet werden.

Ψ(r, φ) = 0 ⇒ φ = 0,π

n,2π

n, ... (2.57)

In dem in diesem Abschnitt betrachteten Fall einer Strömung an zwei Wänden, die

den Winkel α, wie hier definiert, miteinander einschließen, kann φ lediglich die Werte

zwischen 0 und πn

annehmen. Folglich sind die Wände gerade die zu Ψ = 0 gehörigen

Stromlinien.

Allgemein folgt aus Gleichung 2.56, dass

r(φ) = n

const.

sin(nφ). (2.58)

Betrachtet man auf der einen Seite die beiden Grenzfälle φ → 0 und φ → πn, so lässt

sich festhalten, dass jeweils r → ∞ gilt. Auf der anderen Seite soll das Minimum der

Funktion r(φ) bestimmt werden.

dr

dφ= −const.n2 ·

1n+1√

sin(nφ)cos(nφ) (2.59)

Die Ableitung drdφ

ist in Gleichung 2.59 angegeben. Sie verschwindet in dem betrachteten

Intervall φ ∈ [0, πn] genau bei φ = π

2n. Das bedeutet, dass die Funktion r(φ) ihr Minimum

genau auf der Winkelhalbierenden des Winkels α annimmt. Aus diesen Überlegungen

ergeben sich die Stromlinien wie in Abbildung 2.5.

36

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Die Potentiallinien, also die Kurven Φ = 0, sollen hier nicht rechnerisch hergeleitet

werden. Sie können konstruiert werden aus den Stromlinien durch die Tatsache, dass

sie an jedem Punkt orthogonal auf eben diesen stehen.

Strömung um einen Kreiszylinder

Im Folgenden soll die Strömung um einen Kreiszylinder mit Radius R betrachtet

werden. Als komplexe Funktion wird dazu

F (z) = uz + uR2

z(2.60)

untersucht, wobei u die Strömungsgeschwindigkeit in großer Entfernung vom Zylinder

angeben soll. Erneut bietet es sich an, mit z = r · eiφ eine Transformation in Polarko-

ordinaten vorzunehmen. Die Zerlegung in Real- und Imaginärteil liefert dann für die

Potential- und Stromfunktion:

Φ(r, φ) = u

(

r +R2

r

)

cos(φ) und Ψ(r, φ) = u

(

r −R2

r

)

sin(φ) (2.61)

Auch hier soll nun erneut die Lage der zu Ψ = 0 gehörigen Stromlinie untersucht

werden. Sie wird durch die relle Achse φ = 0 und φ = π sowie den Kreis r = R gebildet.

Diese zum Staupunkt führende Stromlinie verzweigt sich und bildet also die Kreiskontur.

Das Stromlinienbild ist in Abbildung 2.6 gezeigt.

Die Geschwindigkeitskomponenten in r-Richtung sowie in φ-Richtung können dann

bestimmt werden (vgl. Gleichung 2.62).

vr = u(1−R2

r2)cos(φ) und vφ = −u(1 +

R2

r2)sin(φ) (2.62)

Für die Kreiskontur, wenn also gilt r = R, verschwindet die radiale Geschwindig-

keit. Folglich ist der Geschwindigkeitsbetrag auf dem Kreis vKreis identisch mit der

Geschwindigkeit vφ.

vKreis = 2u · sin(φ) r = R, 0 ≤ φ ≤ π (2.63)

37

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.6: Kreiszylinderströmung, [Oertel, 2008]

Somit erhält man die maximale Geschwindigkeit des Strömungsfeldes auf der Kreiskon-

tur gerade bei φ = π2, nämlich vmax = 2u.

2.3.2.6. Die Methode der konformen Abbildungen

Während im vorangegangen Kapitel für einfache analytische Funktionen einer komple-

xen Variablen analysiert wurde, welchen Strömungen sie entsprechen, soll an dieser

Stelle ein Ausblick auf Methoden gegeben werden, die der Lösung der umgekehrten

Aufgabenstellung dienen. Das heißt, es soll ein Weg aufgezeigt werden, wie man bei

vorgegebenem Körper die komplexe Strömungsfunktion erhalten und so die Strömung

an sich beschreiben kann. Diese Richtung der Aufgabenstellung ist die für die Praxis er-

heblich wichtigere. Konnte man bislang lediglich hoffen, dass die untersuchte komplexe

Funktion die Umströmung praxisrelevanter Formen beschreibt, so kann man diese jetzt

gezielt analysieren.

Unter einer konformen Abbildung versteht man eine winkeltreue Abbildung. Das heißt,

durch die konforme Abbildung einer Ebene in eine andere werden die Winkel der einen

in gleiche Winkel der anderen überführt. Ebenso ist das Verhältnis zweier Strecken der

einen Ebene gleich dem Verhältnis der entsprechenden Strecken in der anderen Ebene,

falls die Größe der Strecken nach Null konvergiert. Insofern kann man das Bild einer

Ebene unter einer konformen Abbildung als in den kleinsten Teilen ähnlich bezeichnen.

[Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Abbildung 2.7: Verfahren der konformen Abbildung, [Schlichting und Trucken-brodt, 2001a]

Für die anfangs genannte Problemstellung kann der geometrische Prozess der kon-

formen Abbildung dahingehend genutzt werden, dass ein bestimmtes System von

Potential- und Stromlinien einer Ebene in eines der anderen Ebene überführt wird. Geht

man also von einer bekannten Strömung um einen Körper des Umrisses A aus, für die

die komplexe Strömungsfunktion bekannt ist, und sucht dasjenige Strömungsbild der

Umströmung eines Körpers mit Kontur B, so kann die Aufgabe wie folgt gestellt werden:

man suche eine konforme Abbildungsfunktion, die Kontur A in Kontur B überführt.

Dabei wird dann auch gleichzeitig das bekannte Netz der Potential- und Stromlinien

überführt in das gesuchte Φ-Ψ-Netz.

Als besonders geeignet für den Ausgangspunkt stellt sich die Umströmung eines Kreis-

zylinders heraus. Denn nach dem Riemannschen Abbildungssatz findet man, abgesehen

von wenigen Ausnahmefällen, immer eine konforme Abbildung, die den Kreis in eine

einfache zusammenhängende Kontur überführt.

Bezeichnet F (z) die Strömungsfunktion des bekanntes Strömungsfeldes und ξ = f(z)

die Abbildungsfunktion, die die z-Ebene auf die ξ-Ebene abbildet, so erhält man die

Geschwindigkeitsverteilung des gesuchten Strömungsfeldes nach der Kettenregel wie

in Gleichung 2.64.

v(ξ) =dF

dξ=

dF

dz

dz

dξ= vz

dz

dξ(2.64)

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

2.4. Wirbelbewegung

2.4.1. Begriff der Zirkulation

In den vorangegangenen Abschnitten wurden ausschließlich drehungsfreie Strömungen,

das heißt diejenigen behandelt, bei denen an jeder Stelle die Bedingung rot v = 0 erfüllt

ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass gerade die Strömungen, die die Bedingung der

Drehungsfreiheit an einzelnen Stellen des Geschwindigkeitsfeldes verletzen, für die

Umströmung von auftriebserzeugenden Körpern von großer Bedeutung sind. Daher

soll es im Folgenden um eben diese Strömungen gehen, also um solche, bei denen an

einzelnen Stellen rot v 6= 0 gilt. Diese werden auch Wirbelbewegungen genannt.

Eine in diesem Zusammenhang besonders wichtige physikalische Größe ist die soge-

nannte Zirkulation Γ. Unter ihr versteht man das Linienintegral der Geschwindigkeit

längs einer geschlossenen Kurve K. Sie ist also definiert wie in Gleichung 2.65.

Γ =

(K)

~vd~s ≡

(K)

|~v| cos(α)d~s . (2.65)

Dabei bezeichnet α den Winkel zwischen dem Geschwindigkeitsvektor und der Kurven-

tangente. Ausgedrückt in rechtwinkligen Koordinaten ergibt sich

Γ =

(K)

vxdx+ vydy + vzdz . (2.66)

Für Potentialströmungen ergibt sich demnach die Zirkulation nach Gleichung 2.67.

Γ =

(K)

dΦ (2.67)

2.4.2. Zusammenhang zwischen Zirkulation und Drehung

Die beiden rein kinematischen Größen Drehung und Rotation stehen in einem wichti-

gen Zusammenhang, der hier erläutert werden soll. Nach dem Integralsatz von Stokes

lässt sich nämlich das geschlossene Linienintegral längs einer einfachen zusammen-

hängenden Kurve K umwandeln in ein Flächenintegral über eine beliebige einfach

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

zusammenhängende Fläche A, deren Randkurve eben gerade K ist. Demnach gilt für

die Zirkulation Γ

Γ =

(K)

~v · d~s =

A

rot~v · d ~A . (2.68)

Dabei bezeichnet ~A die Flächennormale. Mit dem Zusammenhang von Drehwinkel-

geschwindigkeits- und Geschwindigkeitsvektor aus Gleichung 2.10 gilt damit

Γ = 2

A

~ω · d ~A . (2.69)

Insofern ist also »die Zirkulation über die Randkurve einer beliebigen Fläche [...] gleich

dem doppelten Flächenintegral über die Drehung (Wirbelstärke) einer Strömung in

dieser Fläche« [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]

2.4.3. Thomson’scher Wirbelerhaltungssatz

Im vorliegenden Abschnitt soll ein für die spätere Behandlung der Flugphysik entschei-

dender Wirbelsatz bearbeitet werden, der zeitliche Wirbelerhaltungssatz. Die Herleitung

erfolgt in Anlehnung an [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a].

Ausgehend vom Linienintegral der Geschwindigkeit

∫ B

A

~vd~s (2.70)

soll die zeitliche Differentiation der Zirkulation DΓDt

hergeleitet werden. Differentiation

von Gleichung 2.70 liefert nach der Produktregel

D

Dt

~vd~s =

D~v

Dtd~s+

~vD(d~s)

Dt. (2.71)

Zur weiteren Betrachtung werden die beiden Integrale der rechten Seite zunächst ge-

trennt voneinander behandelt und umgeformt, um sie später erneut zusammenzufügen.

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Dabei kann das erste Integral aus der Eulerschen Bewegungsgleichung 2.27 durch

Integration erhalten werden:

D~v

Dtd~s =

∫ ~K

ρd~s+

grad p

ρd~s . (2.72)

Aufgrund des konservativen Kraftfeldes kann die Massenkraft ~K dargestellt werden als~K = −ρgradU . Damit folgt für das erste Integral in Gleichung 2.72:

∫ ~K

ρd~s = −

gradUd~s = −

dU = −U . (2.73)

Dagegen kann das zweite Integral aus Gleichung 2.72 geschrieben werden als

grad p

ρd~s =

dp

ρ. (2.74)

Angenommen, die Dichte sei nur eine Funktion des Druckes, so gilt demnach

grad p

ρd~s =

dp

ρ= P (p) (2.75)

mit P (p) als Druckfunktion. Zurück zum ersten Integral aus Gleichung 2.71 ergibt sich

also

D~v

Dtd~s = −U − P (2.76)

Betrachtet man nun das zweite Integral der rechten Seite der Gleichung 2.71 so gilt

D(d~s)

Dt= d

D~s

Dt= d~v (2.77)

und somit für das Integral

~vD(d~s)

Dt=

~vd~v =1

2~v2 . (2.78)

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2. Physikalische Grundlagen aus der Strömungsmechanik

Fasst man nun wie angekündigt die beiden Integrale wieder zusammen, so ergibt sich

D

Dt

~vd~s = −U − P +1

2~v2 . (2.79)

Der Übergang vom unbestimmten zum bestimmten Integral zwischen den Punkten A

und B liefert

D

Dt

∫ B

A

~vd~s =

[

−U − P +1

2~v2]B

A

(2.80)

Die Betrachtung des Grenzüberganges B → A ergibt daraus das Integral der Geschwin-

digkeit längs einer geschlossenen Linie. Falls das Geschwindigkeitsfeld im gesamten

Integrationsgebiet stetig ist, gilt demnach

D

Dt

K

~vd~s =DΓ

Dt= 0 (2.81)

und somit

K

~vd~s = Γ = const. . (2.82)

In Worten ausgedrückt bedeutet der Thomsonsche Wirbelsatz also, dass in einem

reibungsfreien, homogenen Fluid, die sich in einem konservativen Kraftfeld befindet,

die Zirkulation längs einer mitbewegten Linie zeitlich konstant ist. Dieser Erkenntnis

wird im späteren Verlauf der vorliegenden Arbeit eine große Bedeutung zukommen

und zwar bei der Erklärung der Entstehung der Zirkulation bei auftriebserzeugenden

Tragflügeln.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Grundsätzlich lassen sich Luftfahrzeuge einteilen in solche, die schwerer und solche,

die leichter als Luft sind. [Apel, 2001] Zu den Flugobjekten leichter als Luft zählen

Ballone und Luftschiffe, zu denen, die schwerer sind, Flugzeuge und Hubschrauber.

Unter physikalischen Gesichtspunkten ist diese Einteilung auch deshalb sinnvoll, weil

das jeweils zugrunde liegende Prinzip ein anderes ist, in dem einen Fall der statische, im

andern der dynamische Auftrieb. Statt der Unterscheidung statisch - dynamisch kann

auch die Bezeichnung passiv - aktiv gewählt werden, denn Fliegen ist im Gegensatz zum

passiven Obenbleiben ein aktiver Vorgang. Auch flugtechnisch ergibt diese Einteilung

einen Sinn, da Luftschiffe und Ballone nicht fliegen, sondern statisch schweben. Nur

beim Luftschiff ist überhaupt ein gezielter Richtungsflug durch Propeller möglich.

Allerdings bringt diese Vorwärtsbewegung es nicht in einen Flugzustand; man spricht

daher von Fahren. Fliegen als aktiver Vorgang beinhaltet, dass sich das Flugobjekt in

ständiger Bewegung befinden muss, um nicht abzustürzen, das Flugzeug als Ganzes,

beim Hubschrauber zumindest die Rotoren.

Während in Kapitel 2 Grundlegendes aus der Strömungsmechanik ohne direkten Bezug

zum Flugzeug behandelt wurde, beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Physik des Flie-

gens an sich. Die im Vorangegangen gewonnenen theoretischen Erkenntnisse werden

nun auf das Flugzeug übertragen. Nach einem Überblick über die wichtigsten Bauteile

des Flugzeuges und deren Funktion werden zunächst die am Tragflügel wirkenden

Kräfte eingeführt und in Bezug zueinander gesetzt. Anschließend wird auf die Aero-

dynamik des Tragflügels eingegangen und dabei unterschieden zwischen Tragflügeln

unendlicher und Tragflügeln endlicher Spannweite.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

3.1. Bauteile des Flugzeuges und ihre Funktion

• Tragwerk

Die Gesamtheit der Auftrieb liefernden Bauteile eines Flugzeugs nennt man Trag-

werk; ihr Hauptbestandteil sind die Tragfläche. Dabei kann es sich um eine oder

mehrere Tragflächen handeln, die übereinander oder hintereinander angeordnet

sein können. Sind Leitwerke oder Rumpf dafür konzipiert, zur Auftriebserzeugung

beizutragen, so rechnet man sie ebenfalls zum Tragwerk.

• Rumpf

Der Rumpf ist Träger aller anderen Bauteile des Flugzeuges und dient außerdem

der Unterbringung von Fracht und Passagieren. Seine wesentliche Aufgabe ist

somit die Aufnahme der Nutzlast des Flugzeuges. Um seiner Aufgabe gerecht zu

werden, minimalen Luftwiderstand bei vorgegebenem Volumen zu erzeugen, hat

er die Form eines langen spindelförmigen Körpers; das heißt, die Länge ist im

Vergleich zu Höhe und Breite groß, Höhe und Breite dagegen liegen in ähnlicher

Größenordnung.

• Leitwerk

Im Allgemeinen besitzt ein Flugzeug ein Leitwerkssystem, das sich aus Höhenleit-

werk, Seitenleitwerk und zwei Querrudern zusammensetzt. Alle drei Leitwerke

haben in der Regel die Form eines Klappenflügels. Sie bestehen aus einem fest-

stehenden Teil, bei Höhen- und Seitenleitwerk als Flosse bezeichnet, und einem

beweglichen Element, dem Ruder. Hauptsächlicher Zweck des Leitwerkes ist die

Steuerung des Flugzeuges. Dabei dient das Höhenleitwerk der Steuerung um

die Querachse, das Seitenleitwerk der Steuerung um die Hochachse und mit

den Querrudern kann die Bewegung um die Längsachse geführt werden. Ein

vergleichbar wichtiger Zweck der Leitwerke ist die Stabilisierung des Flugzeuges.

• Fahrwerk

Das Fahrwerk eines Luftfahrzeuges stellt die Gesamtheit aller beweglichen Teile

dar, die der Verbindung zur Fahrbahn dienen, also Räder, Stoßdämpfer und Brem-

sen. Seine Funktion ist es, die Fortbewegung des Flugzeugs am Boden und die

Vorgänge des Startens und Landens zu ermöglichen. Das Fahrwerk ist unabhängig

vom Triebwerk, die Fortbewegung also kann auch durch einen Abschleppvorgang

erfolgen. Man unterscheidet zwischen feststehenden, starren und einfahrbaren

Fahrwerken; letztere sind in der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen, ihr Vorteil

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

liegt in der deutlichen Verringerung des aerodynamischen Widerstandes. Nach An-

ordnung, Einbauort und Bauart der Räder kann man die Fahrwerksarten einteilen

in Hauptfahrwerk (vor oder hinter dem Flugzeugschwerpunkt) und Stützfahrwerk

(Bug- oder Spornfahrwerk bzw. Stützfahrwerke an den Tragflächen).

• Triebwerk

Als Triebwerk bezeichnet man sämtliche Antriebselemente motorgetriebener

Flugzeuge, das heißt den Motor und weitere Bestandteile wie Getriebe und

Luftschraube. Für den kommerziellen Luftverkehr ist heute das Strahltriebwerk

von außerordentlicher Bedeutung. Dabei handelt es sich um Gasturbinen, die

nach dem Rückstoßprinzip funktionieren, indem sie Umgebungsluft ansaugen

und die Verbrennungsprodukte sowie Luft als Antriebsstrahl wieder ausstoßen.

Der dabei erzeugte Rückstoß bewirkt eine Schubkraft. Im Transportflugverkehr

sind sie dominierend, außerhalb der Luftfahrt finden sie wenig Verwendung.

3.2. Geometrie des Tragflügels

Charakteristisch für die Geometrie des Tragflügels ist, dass seine Dicke im Vergleich

zu den beiden anderen Dimensionen, nämlich der Spannweite und der Tiefe, sehr

klein ist. Generell ist ein Tragflügel von symmetrischem Aufbau; seine Symmetrieebene

fällt in der Regel mit der des Flugzeuges zusammen. Die wichtigsten Parameter bei

der Beschreibung der Geometrie des Flügels sind die sogenannte Zuspitzung, das

Flügelprofil sowie die Verwindung und V-Stellung. Abbildung 3.1 zeigt drei mögliche

Betrachtungsebenen, in a) den Grundriss, in b) den Querschnitt und schließlich in c)

das Flügelprofil.

Im Folgenden wird die x-y-Ebene, also der Grundriss, genauer erläutert. Abbildung 3.2

stellt dazu die wichtigsten Größen dar, Tabelle 3.1 zusätzliche Ergänzungen.

Charakteristisch für heutige Flugzeuge ist eine Trapezform des Flügels. In den meisten

Fällen nimmt die Flügeltiefe, am Rumpf mit ti bezeichnet, nach außen hin ab. Am

äußersten Punkt wird sie ta genannt. Das Verhältnis von ta zu ti heißt Zuspitzung λ.

Eine weitere Haupteigenschaft ist die sogenannte Pfeilung. Sie misst den Winkel, der

von der Flügelvorderkante bzw. der 25 %-Linie5 mit der Querachse eingeschlossen wird.

5Die 25 %-Linie markiert die Verbindung von der Flügelwurzel, der Nahstelle zwischen Rumpf undTragflügel, und Flügelaußenspitze in 25 % der Profiltiefe. (vergleiche Abbildung 3.2)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.1: Betrachtungsebenen des Tragflügels, [Schlichting und Trucken-brodt, 2001a]

Ein Maß für die Schlankheit des Flügels in Spannweitenrichtung ist durch die Streckung

Λ nach Gleichung 3.1 gegeben.

Λ =b

t=

b · b

t · b=

b2

S(3.1)

Abkürzung Dimension BezeichnungS m2 Flügelflächeb m Spannweiteφ ◦ Pfeilwinkel / PfeilungΛ - Streckungλ - Zuspitzungta m Flügeltiefe am Flügelendeti m Flügeltiefe an der Flügelwurzelγ - Verwindung

Tabelle 3.1: Größen der Tragflächengeometrie, nach [Schneiderer, 2008]

In Abbildung 3.3 ist ein Flügelprofil mit den zugehörigen Begrifflichkeiten dargestellt.

Mit der Profilsehne ist eine gerade Linie gemeint, die von der Vorder- zur Hinterkante

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.2: Grundriss des Tragflügels, [Schneiderer, 2008]

Abbildung 3.3: Terminologie des Flügelprofils, [Schneiderer, 2008]

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

des Profils verläuft. Dagegen bezeichnet die Skelettlinie die mittige Linie zwischen

Profilober- und -unterseite. Sie beschreibt die Wölbung des Profils. Als Wölbungshöhe

wird die größte Abweichung zwischen Skelettlinie und Profilsehne bezeichnet. Mit

der Wölbungsrücklage ist der Abstand von der Profilnase zur Position der maximalen

Wölbungshöhe gemeint. Diese Kenngröße ist maßgeblich für die aerodynamischen

Eigenschaften eines Profils verantwortlich, sie beeinflusst Momentbeiwert und Druck-

punktwanderung.

In der Aerodynamik unterscheidet man nach ihrer geometrischen Natur verschiedene

Arten von Flügelprofilen6, von denen hier exemplarisch die wichtigsten skizziert werden

sollen.

• Symmetrische Profile, deren Skelettlinie gerade verläuft, sind entlang ihrer Längsach-

se spiegelsymmetrisch.

• Halbsymmetrische Profile verlaufen entlang ihrer Längsachse ähnlich, allerdings

weisen Unter- und Oberseite unterschiedliche Wölbungshöhen auf.

• Bei Profilen mit flacher Unterseite fällt diese mit der Profilsehne zusammen. Ihr

Vorzug liegt in der einfacheren Konstruierbarkeit.

• Normalprofile weisen an der Oberseite eine konvexe und an der Unterseite eine

s-förmige Wölbung auf.

3.3. Kräfte am Tragflügel

Anliegen des folgenden Abschnitts ist es zu beschreiben, welche Kräfte am Tragflügel

wirken. Weiterhin sollen für die Luftkräfte Auftrieb und Widerstand die dimensionslosen

Beiwerte eingeführt werden, die es erlauben, die Eigenschaften verschiedener Tragflügel

zu vergleichen. Schließlich wird noch auf die Kräfteverhältnisse in unterschiedlichen

Bewegungsphasen eingegangen.

Physikalisch kann man ein Flugzeug wie einen beliebigen starren Körper ansehen. Die

Lage seines Massenmittelpunkts, also des Schwerpunktes, ist für die Bewegung des

Flugobjekts und die angreifenden Kräfte von elementarer Bedeutung. Es handelt sich

6Im Verlauf des Projektes wurden Hypothesen aufgestellt, inwiefern die Art des Flügelprofils Auftriebund Widerstand beeinflusst.(vgl. Abschnitt 6.5)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.4: Kräfte am Flugzeug, [http://de.wikipedia.org/wiki/Flugzeug]

Abbildung 3.5: Luftkräfte am Tragflügel, [Böswirth, 2010]

um den Punkt, bei dem das Flugzeug sich im Gleichgewicht befindet, wenn es an ihm

frei aufgehängt wird.

In der Praxis hängt die Lage des Schwerpunktes natürlich von der Beladung ab. Auf-

grund der Schwierigkeit, ein Flugobjekt genau so zu beladen, dass es sich im perfekten

Gleichgewicht befindet, wird ein sogenannter zulässiger Schwerpunktsbereich festge-

legt, der sich in der Regel im vorderen Drittel der Flügelwurzel befindet.

Bei der Analyse der Bewegungsvorgänge des Flugzeugs gilt es, vier Kräfte zu betrachten,

nämlich die beiden Luftkräfte Auftrieb und Widerstand, die Gewichtskraft sowie die

Schubkraft, das heißt den Antrieb. Im Folgenden soll nun auf die beiden Luftkräfte

näher eingegangen werden.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Bei einer Relativbewegung von Tragflächen und Luftmassen, wenn also die Tragfläche

durch ruhende Luft bewegt bzw. von Luft umströmt wird, dann wirken Kräfte auf sie,

wie Abbildung 3.5 zeigt. Dabei heißt die Kraftkomponente senkrecht zur Anströmrich-

tung Auftriebs-, die parallel dazu Widerstandskraft.

Unter aerodynamischem Widerstand versteht man eine Kraft, zusammengesetzt aus

dem Reibungswiderstand der Luft an den einzelnen Komponenten des Flugzeugs, dem

Druckwiderstand sowie dem induzierten Widerstand.

Zur Einführung der dimensionslosen Beiwerte cA und cW von Auftrieb und Widerstand

wird die jeweilige Luftkraft ins Verhältnis gesetzt zu dem Produkt aus Flügelgrundriss-

fläche A und Staudruck der ungestörten Strömung:

FA = cAA1

2ρv2

∞(3.2)

FW = cWA1

2ρv2

∞, (3.3)

wobei v∞ die Strömungsgeschwindigkeit der ungestörten Strömung in großer Entfer-

nung des Tragflügels angibt.

Der Widerstandsbeiwert, der experimentell ermittelt wird, gibt also an, wie aerodyna-

misch ein Körper geformt ist: Je kleiner der Beiwert, desto geringer der aerodynamische

Widerstand.

Die physikalische Begründung für die Auftriebsentstehung und -berechnung folgt

an anderer Stelle. Für dieses Kapitel ist lediglich von Bedeutung, dass Auftrieb und

Widerstand abhängen von Strömungsgeschwindigkeit, Luftdichte, Größe der Tragfläche

und Oberflächenbeschaffenheit. Zusätzlich besteht eine Abhängigkeit vom Flügelprofil.

In der Praxis besonders wichtig ist der Anstellwinkel, definiert als der Winkel zwischen

der Anströmungsrichtung der Luft und der Profilsehne des Tragflügels.

Will man verschiedene Profile miteinander vergleichen bezüglich ihrer aerodynami-

schen Eigenschaften, so muss man stets Auftrieb und Widerstand parallel analysieren.

Deshalb bevorzugt man eine Darstellungsart, aus der man sowohl Auftrieb als auch

Widerstand in Abhängigkeit des Anstellwinkels herauslesen kann. Sie geht zurück auf

Otto Lilienthal und wird Polardiagramm genannt. Wie in Abbildung 3.6 wird dabei der

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.6: Polardiagramm nach Lilienthal, [Heepmann, 2006]

Auftriebsbeiwert für verschiedene Anstellwinkel über dem Widerstandsbeiwert aufge-

tragen. Es werden also nicht die absoluten Werte für Auftriebs- und Widerstandskraft,

sondern die dimensionslosen Beiwerte verwendet, die allerdings zueinander im glei-

chen Verhältnis stehen. Die dabei entstehende Kurve bezeichnet man als Profilpolare.

Häufig wird für die beiden Achsen eine unterschiedliche Skalierung gewählt, da der

Widerstandbeiwert im Allgemeinen innerhalb eines sehr viel kleineren Intervalls liegt

als der Auftriebsbeiwert.

Sowohl Modellbauern als auch Flugzeugkonstrukteuren dient das Polardiagramm als

Grundlage für die Wahl der Profilform. Ihm können die wesentlichen Charakteristika

des Profils entnommen werden, so der Anstellwinkel, bei dem z.B. minimaler Auftrieb,

Nullauftrieb, Maximalauftrieb, minimaler Widerstand oder geringste Gesamtluftkraft

vorliegt.

Weiterhin lässt sich aufgrund des Verlaufes der Polaren eine Aussage über den günstigen

Bereich für den Anstellwinkel eines Flugzeuges machen, in dem noch nicht die Gefahr

des Strömungsabrisses droht. Als solchen bezeichnet man in der Aerodynamik die

Ablösung der Luftströmung von der Oberfläche eines angeströmten Gegenstandes, hier

insbesondere der Tragfläche. Dafür kann neben einer Erhöhung der Anströmungsge-

schwindigkeit an einem Unterschallprofil in den schallnahen Bereich auch ein Anstell-

winkel verantwortlich sein, der über einem für das jeweilige Profil charakteristischen

Wert liegt. Für den zweiten Fall können die Informationen der Profilpolaren entnommen

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

werden.

Aerodynamisch besonders interessant sind zwei Flugzustände, nämlich der Start bzw.

die Landung sowie der Reiseflug. Beim Starten muss, obwohl die Rollgeschwindigkeit

deutlich geringer ist als gewöhnliche Fluggeschwindigkeiten, eine zum Abheben aus-

reichend große Auftriebskraft erzeugt werden. Mit Hilfe von Klappen wird bei Starts

die Flügelfläche eines Flugzeugs so verändert, dass sowohl der Beiwert verbessert wird

als auch die Flügelfläche zunimmt. Zusätzlich kann der kritische Anstellwinkel und

damit der maximale Auftriebsbeiwert durch ausfahrbare kleine Vorflügel an der Nasen-

oberseite erhöht werden. Diese Maßnahmen gehen allerdings einher mit einer großen

Widerstandserhöhung; daher ist fürs Abheben ein deutlich höherer Schub notwendig

als im Horizontalflug. Ähnliche Schritte werden beim Landevorgang unterstützend

eingeleitet.

Der Reiseflug ist neben den Start- und Landephasen vor allem bei Langstreckenflügen

eine äußerst wichtige Komponente, die es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten

zu optimieren gilt. Es handelt sich um einen unbeschleunigten Horizontalflug, bei

dem alle am Tragflügel wirkenden Kräfte im Gleichgewicht sind. Das bedeutet, der

Vortrieb entspricht genau der Widerstandskraft. Wäre er größer, so würde das Flugzeug

beschleunigt. Ist der aerodynamische Widerstand eines Flugobjektes bekannt, kennt

man also auch seinen Schubbedarf, der als Schwebeschub bezeichnet wird. Der Auftrieb

ist gerade so groß, dass er das Gewicht des Flugzeuges kompensiert; wenn er größer

wäre, käme es zu einem Steigflug, wäre er kleiner, zu einem Sinkflug.

An dieser Stelle seien noch zwei weitere Begriffe eingeführt, die eng verbunden sind

mit den Bewegungsvorgängen des Flugzeugs. Da ist zum einen die Gleitzahl, die die

aerodynamische Güte eines Tragflügels beschreibt. Sie ist definiert als das Verhältnis

von aufgegebener Höhe zur zurückgelegten Strecke. Folglich bedeutet eine Gleitzahl

von 1:100, dass ein Flugzeug pro Meter Höhenverlust 100 Meter an horizontaler Strecke

zurücklegt. Bei dem unbeschleunigten Sinkflug, auch Gleitflug genannt, ist weiterhin

der Sinkwinkel eine bedeutsame Kenngröße. Er entspricht dem besten Verhältnis aus

Widerstand zu Auftrieb.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.7: Gleitzahl und Sinkwinkel, [Schneiderer, 2008]

3.4. Aerodynamik des Tragflügels unendlicher Spannweite

Inhalt des nun folgenden Kapitels ist die Theorie des Auftriebes am Tragflügel, genauer

am Tragflügel unendlicher Spannweite bei inkompressibler Strömung. Betrachtet man

diese als ebenes Problem, so setzt man den auftriebserzeugenden Körper als einen

unendlich langen, quer zur Anströmungsrichtung verlaufenden Zylinder voraus, so

dass in jedem senkrechten Schnitt die Strömungsvorgänge gleich sind. Es handelt sich

also um ein zweidimensionales Problem. Die Behandlung des Tragflügels endlicher

Spannweite findet sich in Kapitel 3.5; sie ist aufgrund der an den Enden des Tragflügels

auftretenden besonderen Strömungsvorgänge komplexer.

3.4.1. Die Theorie des Auftriebes

Nach allen theoretischen Vorüberlegungen aus Kapitel 2 nähern wir uns in diesem

Abschnitt der entscheidenden Frage nach der Auftriebserzeugung am Tragflügel. Diese

ist eng verbunden mit der Zirkulation in der direkten Umgebung der Tragfläche. Der

Zusammenhang von Auftrieb und Zirkulation soll zunächst qualitativ erläutert werden;

im Anschluss daran wird eine erste theoretische Herleitung vorgenommen.

Der Auftrieb lässt sich verstehen als die Vektorsumme der auf Ober- und Unterseite

wirkenden Kräfte. Auf der Oberseite herrscht im Vergleich zu dem Druck in weiter

Entfernung des Profils ein Unterdruck, auf der Unterseite hingegen ein Überdruck. Nach

dem Bernoullischen Gesetz ist daher die Strömungsgeschwindigkeit auf der Oberseite

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.8: Strömung um Flügelprofil mit Auftrieb, [Schlichting und Trucken-brodt, 2001a]]

Abbildung 3.9: Zusammensetzung der Strömung um ein Tragflügelprofil, [Oertel,2008]

größer und auf der Unterseite kleiner als die Anströmungsgeschwindigkeit. Betrachtet

man wie in Abbildung 3.8 eine das Flügelprofil vollständig umschließende Kurve K,

zerlegbar in Teilstücke längs der Stromlinien und orthogonal dazu, so gilt folglich,

dass die Zirkulation Γ längs dieser Kurve von Null verschieden sein muss. Demzufolge

kann man sich das Strömungsfeld des auftriebserzeugenden Tragflügels denken als

zusammengesetzt aus dem der Translationsströmung und dem eines Wirbels, wie Abbil-

dung 3.9 illustriert. Das Geschwindigkeitsfeld erklärt sich dann dadurch, dass bei der

translatorischen Strömung die Geschwindigkeit ober- und unterhalb des Tragflügels im

Mittel gleich sind, bei der Zirkulation dagegen oberhalb eine Strömungsgeschwindigkeit

in Richtung der Anströmung, unterhalb entgegen dieser vorliegt.

Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen Auftriebskraft A und dem Zirkulati-

onsintegral auf eine erste, besonders anschauliche Art und Weise hergeleitet werden,

wobei auf die vektorielle Darstellung an dieser Stelle vezichtet wird.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.10: Herleitung der Kutta-Joukowski-Formel für den Auftrieb,[Schlichting und Truckenbrodt, 2001a]]

Ausgehend von einem Tragflügelstück der Breite b, das aus einem unendlich langen

Flügel herausgeschnitten worden ist, betrachtet man einen Streifen der Tiefe dx par-

allel zur Vorderkante des Flügels (Vgl. hierzu Abbildung 3.10). Dieser Streifen mit

der Grundfläche dA = bdx erfährt aufgrund des Druckunterschiedes von Ober- und

Unterseite eine Auftriebskraft. Diese ist

dFA = (punten − poben) dA , (3.4)

wobei FA als senkrecht zur Anströmungsrichtung angesehen werden kann. Für den

Gesamtauftrieb des betrachteten Tragflächenstücks der Breite b ergibt sich demnach

durch Integration

FA =

(F )

(punten − poben) dA = b

∫ C

B

(punten − poben) dx . (3.5)

Dabei wird über die gesamte Flügeltiefe l, also von der Vorderkante B des Flügels

bis zu dessen Hinterkante C integriert. Nun kann der Druckunterschied punten − poben

durch die Strömungsgeschwindigkeiten oberhalb und unterhalb des Flügels ausgedrückt

werden. Diese sind v∞ +∆voben und v∞ −∆vunten. An dieser Stelle wird vereinfachend

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

vorausgesetzt, dass ∆v (x) = const. gilt. Aufgrund der Bernoullischen Gleichung gilt

somit:

p∞ +ρ

2v2∞

= punten +ρ

2(v∞ −∆vunten)

2 = poben +ρ

2(v∞ +∆voben)

2. (3.6)

Für die Druckdifferenz kann Gleichung 3.7 geschrieben werden, sofern man davon

ausgeht, dass die Beträge der Strömungsgeschwindigkeit auf Ober- und Unterseite in

der Zirkualtionsströmung gleich sind, wenn man also annimt dass |∆v|unten = |∆v|oben.

Hier wird also eine weitere vereinfachende Annahme getroffen.

punten − poben =ρ

2(v∞ +∆v)2 −

ρ

2(v∞ −∆v)2 = 2ρv∞∆v , (3.7)

wobei |∆v| << |v∞| vorausgesetzt wurde.

Einsetzen der Druckdifferenz in Gleichung 3.5 liefert

FA = 2ρbv∞

∫ C

B

∆vdx . (3.8)

Für die Zirkulation Γ längs der Oberfläche des Tragflügels ergibt sich

Γ =

∫ C

Boben

∆vdx−

∫ B

Cunten

∆vdx = 2

∫ C

B

∆vdx ⇔

∫ C

B

∆vdx =Γ

2. (3.9)

Das erste Integral in Gleichung 3.9 ist dabei entlang der Ober-, das zweite längs der

Unterseite zu erstrecken. Gleichung 3.9 und 3.8 zusammengenommen, liefern die

Formel von Kutta-Joukowski für den Auftrieb eines Tragflügelprofils

FA = ρbv∞Γ . (3.10)

Dieser Herleitung, die sich als besonders eingängig erweist, ist nicht vollständig korrekt.

An einigen Stellen wurden, wie oben erwähnt, vereinfachende Voraussetzungen zugrun-

de gelegt, so dass sie kleine fachliche Unzulänglichkeiten beinhaltet. Zu einem späteren

Zeitpunkt dieser Arbeit, nämlich in Abschnitt 3.4.2, wird eine exakte Herleitung des

Zusammenhangs aus Gleichung 3.10 nachgeliefert.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.11: Anfahrvorgang des Tragflügels, [Spurk und Aksel, 2007]

Abbildung 3.12: Zirkulation und Anfahrwirbel, [Spurk und Aksel, 2007]

Zwar liefert Gleichung 3.10 einen Zusammenhang zwischen Auftriebskraft und der

aerodynamisch wichtigen Größe der Zirkulation, aber zum Verständnis der Entstehung

des Auftriebs muss weiterhin geklärt werden, wie die entscheidende Zirkulationsströ-

mung zustande kommt. Zudem kann die Formel »für die Berechnung des Auftriebes

erst dann nutzbringend verwendet werden, wenn die Größe der Zirkulation in einem

gegebenen Fall bekannt ist.« [Schlichting und Truckenbrodt, 2001a] Das heißt, will

man darüber hinaus noch quantitative Aussagen über die Stärke der Auftriebskraft

machen, so muss auch die Zirkulation quantitativ fassbar sein.

Die Entstehung der Zirkulation soll nun erklärt werden über die Entstehung des Anfahr-

wirbels. Dazu betrachtet man die Beschleunigung eines Tragflügels aus der Ruhe heraus.

Eine Kurve, die den Tragflügel im Ruhezustand einschließt, hat die Zirkulation Null. Im

ersten Moment des Anfahrvorgangs wird die Hinterkante des Profils reibungslos ohne

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Zirkulation umströmt, es bildet sich ein Staupunkt an der Oberseite aus. Infolge der

Reibung zischen der umströmenden Luft und dem Tragflügel entsteht ein Wirbel, der

sogenannte Anfahrwirbel oder auch freie Wirbel, mit einer bestimmten Zirkulation. Für

jede geschlossene Kurve, die sowohl Flügel als auch Wirbel umfasst, muss aufgrund

der Konstanz der Zirkulation nach dem Thomson’schen Wirbelsatz die Zirkulation auch

weiterhin verschwinden. Eine geschlossene Linie, die nur den Anfahrwirbel, nicht aber

die Tragfläche einschließt, hat eine bestimmte Zirkulation, die Kurve, die nur den Trag-

flügel umfasst folglich dieselbe, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Der Anfahrwirbel

bleibt am Ausgangsort des Flügels zurück, er hat folglich nach einer gewissen Zeit

keinen bedeutsamen Einfluss mehr auf den Verlauf der Umströmung des Flügels. Die

sich um den Flügel ausbildende Zirkulation denkt man sich entsprechend ihrer Wirkung

als einen oder mehrere im Flügel liegende Wirbel; sie wird daher gebundener Wirbel

genannt. Letztlich ist also die Reibung des strömenden Mediums ursächlich beteiligt

an der Ausbildung der Zirkulation und damit an der Entstehung des Auftriebs. Man

benötigt sie nur kurzzeitig zur Erklärung der Entstehung des Anfahrwirbels. Ansonsten

kann der Auftrieb nach den Gesetzen des reibungslosen Fluids berechnet werden.

Wird ein Flugzeug aus der gleichförmigen Bewegung heraus beschleunigt, so bildet

sich analog zur Entstehung des Anfahrwirbels ein Wirbel, der jedoch nicht mehr als

Anfahrwirbel bezeichnet wird.

Bezüglich der Größe der Zirkulation lässt sich festhalten, dass sie abhängig ist von

der Geometrie des Tragflügelprofils, von der Anströmungsgeschwindigkeit und vom

Anstellwinkel. Es ist jedoch nicht möglich, diesen Zusammenhang theoretisch ein-

deutig anzugeben, sondern es müssen Erfahrungswerte einfließen. [Schlichting und

Truckenbrodt, 2001a]

Für Körper mit scharfer Hinterkante ist durch die Bedingung des glatten Abströmens

an dieser die Größe der Zirkulation durch Körperform und Lage relativ zur Anströ-

mungsrichtung eindeutig festgelegt. Diese Bedingung wird Kuttasche Abflussbedingung

genannt; sie bedeutet, dass weder an Unter- noch an Oberseite ein Staupunkt vorliegt,

dass im Gegenteil dieser mit der Hinterkante zusammenfällt.

3.4.2. Profiltheorie

Anliegen des nun folgenden Kapitels ist es, den Auftrieb für ein beliebiges Tragflügelpro-

fil zu berechnen, dafür die Kutta-Joukowski-Formel noch einmal in physikalisch exakter

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.13: Zur Herleitung der ersten Blasiusschen Formel, [Schlichting undTruckenbrodt, 2001a]

Weise herzuleiten sowie mittels der Methode der konformen Abbildungen Profile mit

Dicke und Wölbung zu beschreiben und deren Strömungsverhalten zu beleuchten.

Blasiussche Formel

Dazu wird zunächst die erste Blasiussche Formel hergeleitet. Sie ist eine Integral-

gleichung für einen zylindrischen Körper von beliebiger Kontur für die resultierende

Kraft in inkompressibler, reibungsloser Strömung.

Der in Abbildung 3.13 dargestellte Körper werde mit der Geschwindigkeit v∞ an-

geströmt. Fx und Fy bezeichnen die Komponenten der zu bestimmenden Kraft pro

Breiteneinheit. Aus der Druckverteilung auf der Körperkontur p(s) ergibt sich für das

Oberflächenelement ds wegen dx = −ds sin(φ) und dy = −ds cos(φ)

dFx = −p cos(φ)ds = −pdy sowie dFy = −p sin(φ)ds = pdx . (3.11)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Die Gesamtkraft, in Komponenten zerlegt, ergibt sich aus Gleichung 3.11 durch Inte-

gration zu

Fx = −

(C)

pdy sowie Fy =

(C)

pdx . (3.12)

Sollen nun die Druckintegrale durch Geschwindigkeitsintegrale auf der Körperkontur

ersetzt werden, so muss beachtet werden, dass, wie in Kapitel 2.2.1 begründet, d~s ||~v

ist und somit dx : dy = vx : vy. Umformung ergibt

vxdy − vydx = 0 . (3.13)

Für die Komponenten der Kraft folgt damit

Fx = −

(C)

pdy−ρ

(C)

v2xdy − vxvydx sowie Fy = −

(C)

pdx+ρ

(C)

v2ydx− vxvydy .

(3.14)

Der Druck auf der Körperkontur kann mithilfe der Bernoulli-Gleichung berechnet

werden zu

p = p∞ +ρ

2v2∞−

ρ

2

(

v2x + v2y)

. (3.15)

Einsetzen von Gleichung 3.15 in die beiden Integrale aus Gleichung 3.14 ergibt unter

Beachtung der Tatsache, dass die über die ganze Kurve zu erstreckenden Integrale∮

(C)

(

p∞ − ρ

2v2∞

)

dx und∮

(C)(p∞ − ρ

2v2∞)dy verschwinden

Fx = −ρ

2

(C)

[(

v2x − v2y)

dy − 2vxvydx]

sowie Fy = −ρ

2

(C)

[(

v2x − v2y)

dx+ 2vxvydy]

.

(3.16)

Führt man die komplexe Kraft

F = Fx − i · Fy (3.17)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

ein, so lassen sich mithilfe der komplexen Geschwdingkeit v(z) = vx − i · vy sowie der

Beziehung dz = dx+ i · dy die beiden reellen Kraftkomponenten zusammenfassen zu

F = iρ

2

(C)

v2dz . (3.18)

Dieser Zusammenhang wird als erste Blasiusche Formel bezeichnet. Die zweite Blasius-

sche Formel soll hier nicht thematisiert werden, da sie für die weiteren Betrachtungen

ohne Auswirkung bleibt.

Beweis der Kutta-Joukowski-Formel

Im Folgenden soll der exakte Beweis der Kutta-Joukowski-Formel erfolgen und zwar als

Anwendung der soeben bewiesenen ersten Blasiusschen Formel.

Nimmt man an, dass die Geschwindigkeit außerhalb der Kontur an jeder Stelle endlich

ist, so lässt sie sich entwickeln in einer komplexen Laurent-Reihe der Form

v (z) = A0 +A1

z+

A2

z2+ ... . (3.19)

Die Koeffizienten A0 und A1 können physikalisch wie folgt gedeutet werden:

• A0 ist die Anströmgeschwindigkeit, da für z → ∞ v = v∞ = A0 gilt.

• A1 ist ein Maß für die Zirkulation längs der Körperkontur, da

Γ = −

(C)

vdz = −

(C)

(vxdx+ vydy)− i ·

(C)

(vxdy − vydx) . (3.20)

Das zweite Integral in Gleichung 3.20 verschwindet, da die Kontur Stromlinie ist.

Einsetzen der Laurentreihen-Entwicklung liefert dann

Γ =

(C)

(

A0 +A1

z+

A2

z2+ ...

)

dz = −2πiA1 . (3.21)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Nun soll die resultierende Kraft nach der Blasiusschen Formel aus Gleichung 3.18

berechnet werden. Dazu betrachte man zunächst nur das Integral∮

(C)v2dz. Für dieses

gilt:

(C)

v2dz =

(C)

(

A0 +A1

z+

A2

z2+ ...

)2

dz = 2

(C)

A0A1

zdz = 2A0A12πi . (3.22)

Verwendet man nun Gleichung 3.21 so ergibt sich

(C)

v2dz = −2A0Γ . (3.23)

Einsetzen in die Blasiussche Formel liefert

F = Fx − i · Fy = −iρA0Γ = −iρ (vx∞ − ivy∞) Γ . (3.24)

Für die einzelnen reellen Kraftkomponenten pro Breiteneinheit erhält man hier also

Fx = −ρvyΓ sowie Fy = ρvxΓ . (3.25)

Das Ergebnis dieser Herleitung stimmt also überein mit dem schon vorher begründeten

Zusammenhang, wobei hier zusätzlich gezeigt wurde, dass die aus der Zirkulation

resultierende Kraft senkrecht zur Anströmungsrichtung wirkt.

Joukowski-Profile

Mit der in Abschnitt 2.3.2.6 vorgestellten Methode der konformen Abbildung wer-

den praktisch brauchbare Flügelprofile beschrieben, nämlich solche mit Wölbung und

Dicke. Dazu wird eine spezielle Abbildung 3.26 , die sogenannte Joukowski-Abbildung,

als konforme Abbildung verwendet:

ξ = f(z) = z +a2

za ∈ R . (3.26)

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Diese Funktion kann einen in der x-y-Ebene gelegenen Kreis in eine tragflügelförmige

Körperkontur überführen. Die Lage des Mittelpunktes und der Radius a des Kreises

beeinflussen das entstehende Profil.

Abbildung 3.14 zeigt für drei verschiedene Ausgangssituationen die entstehende Kör-

perform.

Einige Fälle sollen hier kurz erläutert werden.

• Liegt der Mittelpunkt des Kreises im Koordinatenursprung der z-Ebene, so wird

dieser auf eine Ellipse in der ξ-Ebene abgebildet.

• Liegt dagegen der Kreismittelpunkt auf dem negativen Halbstrahl der x-Achse,

dann entsteht eine eiförmige Kontur, die mit kleiner werdendem Radius immer

mehr zu einer Tropfenform tendiert (Vgl. Abbildung 3.14 a).

• Falls der Mittelpunkt des Kreises auf dem positiven Teil der Ordinate gelegen ist,

so ist das Bild der konformen Abbildung ein bohnenförmiges, wobei die Dicke

des Profils vom Radius des Kreises abhängt. Dieses artet unter gewissen Voraus-

setzungen zu einem Kreisbogenprofil aus, wie es Abbildung 3.14 b demonstriert.

• Eine tragflügelähnliche Form ergibt sich, falls der Mittelpunkt im zweiten Qua-

dranten des Koordinatensystems liegt.

Somit kann man zu praxisrelevanten Profilformen mithilfe der Methode der konformen

Abbildung Aussagen über das Φ-Ψ-Netz und damit das Strömungsfeld treffen.

3.5. Aerodynamik des Tragflügels endlicher Spannweite

Die bisherige Beschränkung auf die zweidimensionale Betrachtungsweise bei der Be-

handlung der Umströmung des Tragflügels entspricht der Vereinfachung, dass Druck-

verteilung, Stromlinienbilder und damit Auftrieb und Widerstand in jedem Flügelquer-

schnitt gleich sind.

Dabei kann man sich vorstellen, an den Enden des betrachteten Flügelausschnitts seien,

wie in Abbildung 3.15 dargestellt, sogenannte Endscheiben, die einen Druckausgleich

zwischen Unter- und Oberseite unmöglich machen. Bei dieser Betrachtungsweise be-

handelt man die Tragfläche so, als sei seine Profiltiefe an jedem Ort gleich. Da die

Zirkulation abhängig ist von Anströmgeschwindigkeit, Profiltiefe und Anstellwinkel,

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.14: Joukowski-Profile durch konforme Abbildung, [Schlichting undTruckenbrodt, 2001a]

bedeutet dies, dass sie über die gesamte Flügelspannweite konstant ist, veranschaulicht

in Abbildung 3.15 durch die Pfeile oberhalb des Tragflügels.

Beim Tragflügel endlicher Spannweite dagegen ist die Strömung dreidimensional

zu betrachten. Ausgehend von der Vorstellung, die Endscheiben würden wegfallen,

gelangt man zu der Erkenntnis, dass eine Umströmung der Flügelenden auftreten

muss, hervorgerufen durch die sich ausgleichenden Druckunterschiede zwischen Unter-

und Oberseite. Diese Strömung ist tatsächlich empirisch nachweisbar. Abbildung 3.16

stellt den Vorgang der Entstehung der Wirbel dar; der Druckausgleich bewirkt eine

unterschiedliche Ablenkung der Stromfäden ober- und unterhalb des Flügels. Der

so entstandene Richtungsunterschied der Stromfäden beim Zusammentreffen hinter

dem Tragflügel hat die Bildung zweier Wirbel mit entgegengesetztem Drehsinn zur

Folge. Diese beiden sogenannten freien Wirbel bleiben hinter dem Tragflügel zurück.

Anschaulich gedacht sind die Randwirbel also eine Fortführung der Zirkulation um

den Flügel. Diese Betrachtungsweise führt, wie von Prandtl vorgeschlagen, zu einem

vereinfachten Wirbelsystem, bei dem man analog zum zweidimensionalen Fall von einer

über die Flügelspannweite konstanten Zirkulation ausgeht. In diesem vereinfachten

sogenannten Hufeisenwirbelsystem entstehen, wie in Abbildung 3.17 dargestellt, die

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.15: Zirkulation und Auftrieb beim Tragflügel unendlicher Spannwei-te, [Marchaj, 1982]

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.16: Entstehung der freien Wirbel durch Druckausgleich an den Flüge-lenden, [Schlichting und Truckenbrodt, 2001b]]

freien Wirbel lediglich an den Flügelenden.

Zusätzlich tritt ein weiterer Effekt auf, der den der Randwirbelentstehung an den Enden

des Flügels überlagert. Er basiert auf der Tatsache, dass in den meisten Fällen die

Zirkulation um einen Tragflügel über die Spannweite nicht konstant ist, sondern im

Gegenteil eine veränderliche Zirkulationsverteilung vorliegt. Abbildung 3.18 illustriert

diesen Sachverhalt.

FA = −ρv∞

∫ b

2

−b

2

Γ(x)dx (3.27)

Der Gesamtauftrieb lässt sich folglich gemäß Gleichung 3.27 bestimmen durch Inte-

gration der Zirkulation längs des betrachteten Flügels. In der Konsequenz der sich

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.17: Vereinfachtes Wirbelsystem des Tragflügels endlicher Spannwei-te, [Marchaj, 1982]

ändernden Zirkulation bilden sich nicht nur an den Enden des Tragflügels Wirbel aus,

sondern die freien Wirbel gehen anfangs über die gesamte Flügelspannweite als flä-

chenhaftes Band ab. Man spricht daher von einer Wirbelfläche. Deren spiralförmiges

Aufrollen führt dazu, dass in einem gewissen Abstand von der Tragfläche schließlich nur

noch zwei Einzelwirbel übrig bleiben. Abbildung 3.19 veranschaulicht diesen Vorgang

mittels einer Analogie aus der Mechanik.7

Betrachtet man abschließend die beiden Abbildungen 3.17 und 3.18 noch einmal

im Vergleich, so muss man feststellen, dass, obwohl das wirkliche Wirbelsystem we-

sentlich komplizierter ist, das Hufeisenwirbelsystems als Ersatzvorstellung in seiner

physikalischen Auswirkung der Realität doch sehr nahe kommt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Tragflügel, die in der Realität eine endliche

Spannweite haben, als dreidimensionales Problem zu behandeln sind (Vgl. Abbildung

3.20). Die Umströmung der Flügelenden von dem Überdruckgebiet auf der Unterseite

über die Flügelspitze in das Unterdruckgebiet auf der Oberseite hat drei Auswirkungen

[Marchaj, 1982], die hier lediglich noch einmal angegeben, nicht hergeleitet werden:

• Die Auftriebskraft pro Längeneinheit nimmt in Richtung der Flügelspitzen ab.

7Für den Physiker ist die Analogie aus Abbildung 3.19 vermutlich weder notwendig noch besondershilfreich, für den Verstehensprozess der Schüler hat sich, wie die Projekttage zeigten, ihr Einsatzallerdings bewährt.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.18: Wirbelsystem des Tragflügels endlicher Spannweite, [Marchaj,1982]

Abbildung 3.19: Entstehung der Randwirbel am Tragflügel endlicher Spannweite,[Marchaj, 1982]

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.20: Zwei- und dreidimensionale Betrachtung des Auftriebsbeiwertes,[Marchaj, 1982]

• Mit der Auftriebsabnahme geht eine Zunahme des Widerstands einher.

• Durch die sich ausbildende Zusatzströmung an den Flügelenden kommt es zu einer

Änderung des effektiven Anstellwinkels und damit von Auftrieb und Widerstand

längs der Spannweite.

Abbildung 3.21 zeigt eine reale Aufnahme der Randwirbel, auch Wirbelschleppen

genannt, aus denen sich eine bedeutsame Konsequenz für die Flugpraxis ergibt: nach-

folgende Flugzeuge müssen zeitlich bzw. räumlich einen gewissen Mindestabstand

einhalten, um nicht um nicht in die zopfartigen, gegenläufig drehenden Luftverwirbe-

lungen hinter fliegenden Flugzeugen hinein zu geraten.

Für diese Mindestabstände gibt es gesetzliche Vorgaben, die sich vor allem nach dem

Gewicht der beiden Flugzeuge richten, weil dieses die größte Auswirkung auf die Stärke

der Wirbelschleppen hat. Die moderne Flugzeugtechnik versucht, auch wegen der mit

den Wirbelschleppen verbundenen Energieverluste, diesen Effekt zu verringern, u.a.

durch bautechnische Veränderung der Tragflügel. Darauf soll an dieser Stelle jedoch

nicht weiter eingegangen werden.

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3. Physikalische Grundlagen des Fliegens

Abbildung 3.21: Wirbelschleppe in Fotographie, [Wodzinski, 1999]

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4. Versuche

Im Rahmen dieser Wissenschaftlichen Prüfungsarbeit wurden zur Vermittlung flug-

physikalischer Inhalte in der Schule zahlreiche Versuche konzipiert, von denen im

vorliegenden Abschnitt jedoch nur vier ausführlich präsentiert werden. Es handelt sich

um diejenigen, die von der Verfasserin als besonders bedeutend eingestuft werden.

Sie unterscheiden sich von den restlichen, im Anhang A zu findenden vor allem da-

durch, dass jene ohne größeren Aufwand mit normalem Versuchsgerät unkompliziert

nachzustellen sind, wohingegen den hier beschriebenen eine lange Konzeptions- und

Bauphase vorausgeht. Darüberhinaus sind sie auch deutlich kostenaufwändiger.

4.1. Strömungskanal nach Ludwig Prandtl

Die Sichtbarmachung von Strömungsvorgängen ist eine der zentralen Aufgaben der

experimentellen Aerodynamik. Doch wie lassen sich Vorgänge visualisieren, die ei-

ne direkte Beobachtung nicht zulassen? Dies geschieht durch Zugabe von Wollfäden,

Rauch, Farbe oder Teilchen. Wissenschaftler experimentieren schon seit Beginn des 20.

Jahrhunderts zu dieser Thematik. Während man heute Strömungen mithilfe modernster

Technik und Rechenverfahren vorhersagen und simulieren bzw. in Windkanälen ver-

messen kann, waren die Hilfsmittel anfangs sehr viel einfacher, aber dennoch effizient.

Ein Beispiel hierfür ist der in Abbildung 4.1 in einer historischen Aufnahme dargestellte

Wasserkanal von Ludwig Prandtl, einem deutschen Physiker, der als Begründer der

modernen Strömungslehre gilt.

Er lieferte bedeutende Beiträge zum grundlegenden Verständnis der Strömungsmecha-

nik, entwickelte die Grenzschicht- und Tragflügeltheorie und konstruierte als Leiter der

Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen den ersten deutschen Windkanal in der so-

genannten Göttinger Bauart. Seine Experimente und Erkenntnisse belegten bereits um

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4. Versuche

Abbildung 4.1: Ludwig Prandtl 1904 mit seinem Wasserkanal

1900, dass Strömungsphänomene in Luft und in Wasser gleichen Gesetzen gehorchen.

Seine Herangehensweise war folglich, Phänomene in Wasser zu beobachten und die

Resultate dann auf Luft zu übertragen. So erhält man eine unmittelbare Anschauung

von Strömungsverhältnissen, die beim Experimentieren mit Luft schwerer zu gewinnen

wäre. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll dieser Weg nachempfunden werden mit-

hilfe eines eigens angefertigten Nachbaus des historischen Prandtlschen Wasserkanals,

inspiriert durch einen Aufbau im DLR-Schoollab Göttingen8.

Der nachgebaute Prandtl-Kanal besteht, wie in Abbildung 4.2 dokumentiert, aus einer

kastenförmigen Metallwanne von 1, 45m Länge, 0, 25m Breite und 0, 205 cm Höhe. Er

wurde aus 1,5 mm dickem Stahlblech gefertigt, das Metall ist zur Vermeidung von

Korrosion pulverbeschichtet. Die Nahtstellen sind elektrogeschweißt. Die Wanne besitzt

einen herausnehmbaren Zwischenboden und verfügt an einer Seite über ein hand-

betriebenes Schaufelrad mit 12 Schaufelblättern. Wenn das Wasserrad in Bewegung

gesetzt wird, fließt das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf durch die Wanne auf

das Schaufelrad zu, durch den Unterboden zurück und tritt dann durch ein Umlenk-

und Siebsystem am anderen Ende an der Oberfläche wieder aus. Das Sieb erfüllt die

Funktion eines Gleichrichters und ist wie die Leitbleche herausnehmbar. Dadurch ist

nicht nur eine einfachere Reinigung möglich, sondern vor allem kann deren Funktion

8Das DLR Schoollab ist ein Schülerlabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit demZiel, Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I und II einen Einblick in moderne Forschungund Technik zu vermitteln und Interesse daran zu wecken.

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4. Versuche

Abbildung 4.2: Skizze des Prandtlschen Wasserkanals

Abbildung 4.3: Nachbau des Prandtlschen Wasserkanals

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4. Versuche

Abbildung 4.4: Detailansicht aus Abbildung 4.3

demonstriert werden durch Vergleich der Versuchsergebnisse bei Durchführung mit

bzw. ohne Bauteil.

Zum Zubehör zählt weiterhin eine Halterung für die Profilkörper (Vgl. Abbildung 4.5),

ebenfalls aus 1, 5mm dickem, pulverbeschichtetem Stahlblech gefertigt und mit einer

M12-Gewindestange versehen. Die Profile, die mittels einer Flügelmutter befestigt

werden können. sind aus Holz gebaut und zum Schutz vor Durchfeuchtung lackiert.

Um die Strömung sichtbar zu machen, wird auf die Wasseroberfläche Maisgrieß aufge-

bracht. Die Wege der Wasserteilchen lassen sich dann aus den Bahnen der mitbewegten

Maisflocken erschließen.

Der Prandtl-Kanal eignet sich also zur qualitativen Beobachtung von Strömungen;

er ist nicht dazu konstruiert, detaillierte Messungen vorzunehmen. Vielmehr vermag

er Antworten zu geben auf Fragen wie: Wie verhält sich die Strömung? Wo ist sie

gleichgerichtet, wo gleichförmig? Liegen großräumige Strukturen vor? Wo entstehen

Wirbel? Wo liegt die Strömung an, wo reißt sie ab? Diese einfache qualitative Methode

hat den Vorzug, das Experiment nicht zu verfälschen. Um quantitative Messungen

durchzuführen, müssten nämlich Sonden in die Strömung eingebracht werden, die

den Versuchsaufbau verkomplizieren und vor allem selbst die Strömungsverhältnisse

beeinflussen würden.

Im Experiment werden verschiedene Modelle auf der Halterung im Kanal angebracht,

die sich ergebende Umströmung wird beobachtet und mithilfe einer Digitalkamera

festgehalten. Die Beobachtungen und die aufgezeichneten Strömungsbilder werden

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4. Versuche

Abbildung 4.5: Halterung und Profilkörper

anschließend analysiert, besonders im Hinblick auf die Frage, welche Bedeutung Strö-

mungsvorgänge für technische Konstruktionen haben.

Der Einsatz der Modelle dokumentiert, dass jeder Körper, sofern er nicht mit der

Strömung fortgeführt wird, dieser einen Widerstand entgegensetzt. Wie groß der Strö-

mungswiderstand ist, lässt sich durch die unterschiedlichen Wirbelausbildungen hinter

den Körperformen abschätzen. Man kann im Strömungskanal austesten, welche Ver-

wirbelungen bei unterschiedlichen Körperformen entstehen. Beispielhaft sollen im

Folgenden einige beim Experimentieren entstandene, eigene Aufnahmen von Umströ-

mungen gezeigt werden.

Abbildung 4.6 zeigt die Umströmung eines Halbzylinders; die Anströmungsrichtung

verläuft von links nach rechts. Deutlich erkennbar ist die Ausbildung zweier Wirbel.

Bild 4.7 illustriert, wie eine scharfe Kante seitlich angeströmt wird. In der flugtechni-

schen Anwendung spielt die scharfe Kante eine entscheidende Rolle, näher erläutert im

Abschnitt über die Entstehung der Zirkulation.

Im Prandtlschen Strömungskanal kann weiterhin die Ausbildung des Anfahrwirbels am

Tragflügelprofil (Vgl. Abschnitt 3.4.1.) beobachtet werden. Dafür wird die Umströmung

des Tragflügels aus der Ruhe heraus beobachtet. Abbildung 4.8 ist kurz vor der Ablösung

des Wirbels aufgenommen.

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4. Versuche

Abbildung 4.6: Umströmung eines Halbzylinders

Abbildung 4.7: Seitliche Umströmung einer scharfen Kante

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4. Versuche

Abbildung 4.8: Der Anfahrwirbel beim Tragflügelprofil

Abbildung 4.9: Umströmung des Tragflügels bei unterschiedlichem Anstellwinkel

Anstelle des Maisgrießes können zur Strömungsvisualisierung auch Aluminiumflocken

verwandt werden. Da das Experiment aber als Schülerversuch konzipiert ist, wurde in

der vorliegenden Arbeit aus Sicherheitsgründen darauf verzichtet, weil Aluminiumflo-

cken in Verbindung mit Wasser explosiv wirken können. Die beiden Abbildungen 4.9,

aufgenommen in einem bauähnlichen Kanal aus dem DLR- Schoollab Göttingen unter

Einsatz von Aluminiumflocken, zeigen ein Tragflügelmodell bei geringem bzw. starkem

Anstellwinkel. Einmal liegt die Strömung glatt an, im zweiten Fall entstehen Wirbel an

der Oberseite der Tragfläche, ein Beleg für den Strömungsabriss.

4.2. Seifenfilmkanal

Seit Ende der 1980iger Jahre beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Idee, Strömun-

gen durch Seifenfilme sichtbar zu machen. Der erste Schritt dahin war die Entwicklung

einer Methode, mittels derer man große Seifenfilme über einen langen Zeitraum sta-

bil halten konnte, um sie für die Umströmung von Flügelprofilen und verschiedener

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4. Versuche

Abbildung 4.10: Seifenfilmkanal mit Beleuchtungseinheit

anderer Körper zu nutzen. Für die vorliegende Arbeit wurde in Anlehnung an ein

im DLR-Schoollab Göttingen präsentiertes Experiment ein eigener Seifenfilmkanal

gebaut und getestet. Bei Versuchen mit dem Seifenfilmkanal macht man sich die zen-

trale Eigenschaft von Licht zunutze, dass nämlich weißes Licht eine Überlagerung von

Spektralfarben ist, die durch Brechung wieder getrennt werden können.

4.2.1. Versuchsanordnung

Der Seifenfilmkanal (Vgl. Abbildung 4.10) besteht aus einem Aluminiumrahmen von

0, 72m Breite, 1, 97m Höhe. Aus einem Behälter, der sowohl als Auffanggefäß für die

Seifenlauge als auch als Seifenlaugenspeicher dient, wird über eine Aquariumspumpe

mittels Schlauch permanent Lauge nach oben gepumpt. Mithilfe einer Schlauchklemme

kann die Durchflussmenge variiert werden. Das Seifenwasser läuft dann zwischen zwei

dünnen Nylonfäden kontinuierlich herunter und in den Behälter zurück. Die Lauge

wird angesetzt aus 10 l Wasser, 125ml Spülmittel und 2-3 Esslöffel Glycerin. Das Glyce-

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4. Versuche

rin soll die schnelle Verdunstung der Wassermoleküle an der Oberfläche verhindern

und so für längere Haltbarkeit sorgen. Im Versuch setzt die verwendete Seifenlauge

die Oberflächenspannung des Wassers so weit herab, dass sich zwischen den beiden

Fäden ein für Experimente nutzbarer Seifenfilm aufspannen lässt. Der herabfließende

Seifenfilm, in seiner Breite variierbar, kann verschiedene Körperformen umströmen.

Beleuchtet man diese Versuchsanordnung von vorne, so lässt sich ein faszinierendes

Farbenspiel beobachten, aus dem man das Strömungsverhalten ablesen kann. Eine

schwarze Rückenplatte aus Hartschaum, mit dem Aluminiumgestell verankert, dient

dazu, dass die Farben intensiver wahrgenommen werden können. Zusätzlich können

an ihr mittels einer Gewindestange und einer Flügelmutter die zu untersuchenden

Modellkörper angebracht werden. Diese sind analog zu den Profilen im Prandtlschen

Strömungskanal aus Holz gefertigt und lackiert. Alternativ zu oben dargestelltem

Aufbau kann der Seifenfilm auch von Hand mithilfe eines Trichters erzeugt werden.

Abbildung 4.11: Seifenfilm mit Farbspiel

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4. Versuche

4.2.2. Physikalischer Hintergrund

Was ist ein Seifenfilm? Eine Seifenblase ist eine sehr dünne Schicht Wasser zwischen

zwei Schichten von Seifenmolekülen. Diese spezielle Anordnung ergibt sich, weil

ein Teil des Seifenmoleküls, der hydrophile, Wasser mag und ein anderer Teil, der

hydrophobe, Wasser meidet. Der Kopf eines solchen Moleküls mag Wasser, das Endstück

nicht. Ohne diese Moleküle würde die Luftblase spontan in kleine Wassertröpfchen

auseinanderbrechen. Ein Seifenfilm ist nichts anderes als ein Ausschnitt aus einer

Seifenblase, meistens durch Drähte oder Fäden begrenzt und von einer Stärke, die

zwischen 0, 02mm und 5 nm schwanken kann. Die größten Stärkeschwankungen treten

unmittelbar nach dem Aufspannen des Filmes auf, denn sobald er gebildet ist, beginnt

er, sich zu verdünnen. Das überschüssige Wasser läuft weg vom Film, so dass sich die

Stärke des Films verringert, bis eine abschließende Gleichgewichtsstärke erreicht ist. In

diesem Zustand des Gleichgewichts ist die Oberflächenspannung in allen Punkten die

gleiche.

Wie entsteht das Farbspiel? Bevor diese Frage beantwortet wird, sei kurz das elek-

tromagnetische Spektrum erläutert. Das sichtbare Spektrum des Lichts erstreckt sich

über den Wellenlängenbereich zwischen 380nm und 760nm. Es erscheint uns in seiner

Gesamtheit als weißes Licht. Lässt man weißes Licht auf ein Prisma fallen, so wird

als Folge der unterschiedlich starken Brechung von Licht unterschiedlicher Wellen-

länge das Spektrum sichtbar. Ähnlich wie bei dem den Schülern und Schülerinnen

vertrauten Phänomen der Lichtbrechung an einem Ölfleck werden auch beim Seifenfilm

bei Phasengleichheit einzelne Farben des weißen Lichts ausgelöscht, so dass man die

Komplementärfarben erkennt. Die Interferenzfähigkeit des Lichtes ist also ursächlich

verantwortlicht für das Farbspiel. Es überlagern sich die an der Ober- und Unterseite

des Seifenfilms reflektierten Strahlen, die einen unterschiedlich langen Weg zurück

gelegt haben und folglich einen Gangunterschied aufweisen. Auf eine ausführlichere

Darstellung des Vorgangs der Interferenz an dünnen Schichten soll an dieser Stelle ver-

zichtet werden, da für die Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse des Experimentes

im Vordergrund stehen sollen, also das Strömungsverhalten, nicht aber die Physik der

Farbentstehung in diesem Versuch.

Die zu beobachtenden Farben entstehen durch die sich verändernde Dicke des Sei-

fenfilms und durch den 180◦-Phasensprung bei Reflexion an der Filmoberfläche. Der

Phasensprung tritt nur beim Übergang des Lichtes vom optisch dünneren zum optisch

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4. Versuche

Abbildung 4.12: Zwölfteiliger Farbkreis, nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Farbkreis]

dichteren Medium auf, also nicht bei Reflexion an der Innenfläche. Für das Farbspiel

am Seifenfilm bedeutet das, dass an einer dicker werdenden Schicht wegen der kurzen

Wellenlänge von blauem Licht zuerst auch die Farbe Blau ausgelöscht wird und sich als

resultierende Farbe Gelb ergibt. Als nächstes wird Grün durch Überlagerung heraus-

gefiltert, übrig bleibt jetzt Magenta. Schließlich wird als letzte Farbe das langwellige

Gelb herausgefiltert, so dass aus der additiven Überlagerung der restlichen Farben Cyan

entsteht. Hat man also die Farbfolge Gelb- Rot-Blau, so wird der Film dicker. Selbst-

verständlich gibt es noch viele Schattierungen der hier aufgezählten reinen Farben.

Welche Farbe gesehen wird, hängt immer auch vom Winkel des Betrachters ab. Bei

den Aufnahmen ist der Einfallswinkel allerdings konstant und dieser Aspekt damit zu

vernachlässigen.

Inwiefern lässt sich der Seifenfilm zur Untersuchung von Strömungen nutzen? Wird

ein Körper in den Seifenfilm eingebracht, so verändert sich die Strömung; es kommt

zu Geschwindigkeitsänderungen im Seifenstrom, wie sie auch ein Flügel in der Luft

verursacht. Fließgeschwindigkeit und Filmdicke hängen unmittelbar miteinander zu-

sammen. Denn da in dem durch die Pumpe geförderten, konstanten Massestrom, nach

dem Bernoullischen Gesetz die Summe aus statischem und dynamischem Druck an

jeder Stelle gleich sein muss, ist mit einer Zunahme der Geschwindigkeit eine Abnahme

des statischen Drucks verbunden. Folglich presst in diesem Fall der vorherrschende

Luftdruck den Seifenfilm zusammen. Diese Änderung der Filmdicke äußert sich in einer

Farbänderung. Die Interferenzstreifen können daher als Höhenlinien der Dicke der

Filmschicht angesehen werden. Die sichtbar gemachten Schwankungen der Filmdicke

können als Druck- bzw. Geschwindigkeitsänderungen der Luft beim Flügelmodell in-

terpretiert werden. Wie bei den Höhenlinien auf einer Landkarte gilt folglich: Liegen

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4. Versuche

die Interferenzstreifen dicht beieinander, so entspricht dies einer schnellen Höhen-

bzw. Druckänderung. Auseinandergezogene Linien signalisieren dagegen ein flaches

Abfallen des Geländes und hier eine langsame Änderung des Druckes.

4.2.3. Exemplarische Ergebnisse

Im Versuch war die Farbgebung zwar gut zu erkennen, die Aufnahme mit Digitalkamera

erwies sich jedoch als extrem schwierig. Um an dieser Stelle dennoch die Ergebnisse

anschaulich diskutieren zu können, wird auf Bildmaterial der DLR-Schoollabs Göttingen

und Hamburg zurück gegriffen.

Abbildung 4.13: Bernoulli-Körper im Seifenfilmkanal, [DLR]

Der Bernoulli-Körper aus Abbildung 4.13 verdeutlicht den Massendurchsatz und die dar-

aus resultierende Verdünnung des Seifenfilms in der Mitte zwischen den beiden Körpern.

An der zügigen Änderung der Farben erkennt man, dass eine schnelle Dickenänderung

des Films vorliegt.

Der Flügel in Abbildung 4.14 ist leicht gegen die Strömung angestellt. Zu beobachten

ist eine glatte Umströmung des Flügels mit heftigen Farbwechseln an der Vorderkante

des Flügels sowie an Ober- und Unterseite. Interpretieren kann man die Bilder am

günstigsten, wenn man sich von außen dem Flügel nähert. Hier nur exemplarisch für

die Oberseite des Flügels: Im vorderen Bereich liegt ein Übergang von violett nach gelb

vor, also eine Auslöschung von Grün nach Blau; das heißt der Film wird dünner, die

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4. Versuche

Abbildung 4.14: Flügelprofil im Seifenfilmkanal, [DLR]

Strömungsgeschwindigkeit nimmt also zu. Genau in der Mitte der Flügeloberseite sieht

man die umgekehrte Farbfolge, diesmal allerdings mit großen Abständen.

4.3. Messung von Auftrieb und Widerstand am Tragflächenprofil

Im folgenden Abschnitt soll ein Experiment zur Messung von Auftrieb und Widerstand

am Tragflügel vorgestellt werden. Darin werden Auftriebs- und Widerstandskraft in

Abhängigkeit vom Anstellwinkel bestimmt, so dass anschließend mithilfe von Lilienthal-

schen Polardiagrammen Aussagen über den idealen Anstellwinkel sowie den kritischen

Anstellwinkel des Strömungsabrisses getroffen werden können. Das verwendete Trag-

flügelmodell wurde aus Holz selbst gefertigt und zwischen zwei Plexiglasscheiben

fixiert. Der Anstellwinkel kann variiert und mithilfe einer Winkelskala auf der vorderen

Plexiglasscheibe abgelesen werden. Der für beide Versuchsteile verwendete Luftstromer-

zeuger stammt aus dem Sortiment der Cornelsen Experimenta GmbH. Für das Trag-

flügelmodell wurde beim Bau die Breite so gewählt, dass der Luftstrom lediglich das

Profil, nicht aber die Plexiglaskonstruktion trifft, vor allem um die Widerstandsmessung

nicht zu verfälschen.

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4. Versuche

4.3.1. Messung der Auftriebskraft

Das Experiment ist so konzipiert, dass die Auftriebskraft nicht direkt gemessen wird,

sondern über die Massenzu- bzw. -abnahme des Tragflächenmodells errechnet werden

kann.

Das Tragflächenmodell wird auf einer Digitalwaage mit einer Messgenauigkeit von 0, 1 g

platziert und zwar in unmittelbarer Nähe des Luftstromerzeugers, wie in Abbildung 4.15

dargestellt. Zunächst wird das Gewicht des Tragflügelmodells bei ausgeschaltetem Luft-

strom ermittelt. Der Aufbau muss bezüglich seiner horizontale Lage so justiert werden,

dass die Vorderkante des Profils mit der Mitte des Luftstromerzeugers übereinstimmt.

Es wird nun eine Messreihe bei maximaler Strömungsgeschwindigkeit durchgeführt.

Gemessen wird jeweils für Anstellwinkel im Bereich von –30◦ bis +30◦ in 5◦-Schritten

das Gewicht des Tragflächenmodells. Für die Messungenauigkeit werden die maximalen

Schwankungen der Anzeige der Waage ermittelt.

Abbildung 4.15: Versuchsanordnung zur Auftriebsmessung

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4. Versuche

4.3.2. Messung der Widerstandskraft

Für diesen Versuchsteil wird das Tragflächenmodell auf einen Gleiter montiert, der sich

auf einer Luftkissenfahrbahn möglichst reibungsarm bewegt. Mithilfe eines Federkraft-

messers wird parallel zur Luftkissenbahn die Widerstandskraft des Tragflächenmodells

für verschiedene Anstellwinkel direkt gemessen. Analog zum ersten Versuchsteil werden

auch hier Messwerte für die Anstellwinkel zwischen –30◦ und +30◦ in 5◦-Schritten bei

maximaler Strömungsgeschwindigkeit aufgenommen. Die Messungenauigkeit wird wie

im vorherigen Versuch über die maximale Schwankung bestimmt.

Abbildung 4.16: Versuchsanordnung zur Widerstandsmessung I

Abbildung 4.17: Versuchsanordnung zur Widerstandsmessung II

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4. Versuche

4.3.3. Ergebnisse der beiden Experimente

In einem ersten Schritt der Auswertung werden für die Messreihe der Auftriebskraft

die Differenzen zwischen dem Gewicht des Tragflächenmodells bei ausgeschaltetem

Luftstrom von m0 = 734, 7 g und denen in angeströmtem Zustand berechnet. Die

ermittelten Differenzwerte werden in Newton umgerechnet. (Vergleiche Tabelle 4.1)

Die Messungenauigkeiten sind ebenfalls in Tabelle 4.1 angegen, die Fehler wurden

mithilfe der Gaußschen Fehlerfortpflanzung berechnet.

α [◦] ∆α [◦] m [g] ∆m [g] mAuftrieb [g] ∆mAuftrieb [g] FA [N] ∆FA [N]-30 2 782 0,3 -47,3 0,3 -0,464 0,003-25 2 779,9 0,2 -45,2 0,2 -0,443 0,002-20 2 773,8 0,2 -39,1 0,2 -0,384 0,002-15 2 762,9 0,3 -28,2 0,3 -0,277 0,003-10 2 753,2 0,1 -18,5 0,1 -0,181 0,001-5 2 742,6 0,2 -7,9 0,2 -0,077 0,0020 2 733,1 0,5 1,6 0,5 0,016 0,0055 2 726,4 0,3 8,3 0,3 0,081 0,003

10 2 716,0 0,2 18,7 0,2 0,183 0,00215 2 708,3 0,2 26,4 0,2 0,259 0,00220 2 711,0 0,3 23,7 0,3 0,233 0,00325 2 719,3 0,2 15,4 0,2 0,151 0,00230 2 728,0 0,1 6,7 0,1 0,066 0,001

Tabelle 4.1: Umrechnung der Messwerte in die Auftriebskraft

Tabelle 4.2 fasst die Resultate beider Versuchsteile für die Strömungsgeschwindigkeit

von (13, 8 ± 0, 3) ms

zusammen. Diese wurde mit einem Anemometer bestimmt. Der

Fehler ergibt sich aus der schwankenden Anzeige des Messgerätes.

Als Grundlage für die Interpretation werden die Ergebnisse graphisch dargestellt. Dafür

werden zunächst die Widerstands- und die Auftriebskraft einzeln in Abhängigkeit des

Anstellwinkels aufgetragen. Anschließend wird die Auftriebskraft über der Widerstands-

kraft für die verschiedenen Anstellwinkel geplottet; es ergeben sich das Lilienthalsche

Polardiagramm für das verwendete Tragflügelprofil.

In Abbildung 4.18 erkennt man, dass die Widerstandskraft erwartungsgemäß für

betragsmäßig kleine Anstellwinkel aufgrund der Stromlinienförmigkeit des Profils sehr

gering ist, für betragsmäßig große Anstellwinkel dagegen stark ansteigt.

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4. Versuche

Abbildung 4.18: Widerstandskraft in Abhängigkeit des Anstellwinkels

Abbildung 4.19: Auftriebskraft in Abhängigkeit des Anstellwinkels

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4. Versuche

α [◦] ∆α [◦] FW [N] ∆FW [N] FA [N] ∆FA [N]-30 2 0,15 0,02 -0,464 0,003-25 2 0,12 0,02 -0,443 0,002-20 2 0,09 0,02 -0,384 0,002-15 2 0,09 0,02 -0,277 0,003-10 2 0,04 0,02 -0,181 0,001-5 2 0,03 0,02 -0,077 0,0020 2 0,04 0,02 0,016 0,0055 2 0,04 0,02 0,081 0,00310 2 0,05 0,02 0,183 0,00215 2 0,07 0,02 0,259 0,00220 2 0,13 0,02 0,233 0,00325 2 0,17 0,02 0,151 0,00230 2 0,28 0,02 0,066 0,001

Tabelle 4.2: Auftrieb und Widerstand in Abhängigkeit des Anstellwinkels

In Diagramm 4.19 wird deutlich, dass die Auftriebskraft bei einem Anstellwinkel größer

als 15◦ deutlich zurückgeht. Dadurch wird die Theorie des Strömungsabrisses entlang

der Tragfläche ab einem kritischen Wert für den Anstellwinkel bestätigt. Auf diesen und

die damit verbundene Wirbelbildung hinter der Tragfläche deutet auch der in Abbildung

4.18 erkennbare überproportionale Anstieg des Widerstandes ab einem Anstellwinkel

von 15◦ hin.

Abbildung 4.20 zeigt die aufgenommene Profilpolare des Tragflügelmodells. Sie zeigt

den typischen Verlauf, so wie er im Theorieteil in 3.3. diskutiert wurde. Der Anstellwin-

kel minimalen Widerstandes liegt bei −5◦, der maximalen Auftriebes bei +15◦.

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4. Versuche

Abbildung 4.20: Lilienthalsches Polardiagramm für das Tragflügelmodell

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4. Versuche

Abbildung 4.21: Gesamtansicht des Windkanals

4.4. Windkanal

In diesem Abschnitt soll das Modell eines einfach Windkanals vorgestellt werden, so

wie es von der Autorin angefertigt und mit den Schülerinnen und Schülern ausprobiert

wurde. Das Grundgerüst besteht aus einem Holzkasten mit einem quadratischen Quer-

schnitt der Seitenlänge 20 cm. Die vordere Wand ist aus Plexiglas, das als Sichtfenster

dient. Der Innenraum des Windkanals ist schwarz lackiert, damit der Rauch zur Visuali-

sierung der Strömung sich vom Hintergrund deutlicher abhebt. Abbildung 4.21 zeigt

die Versuchsanordnung, die im Folgenden von links nach rechts der Strömungsrichtung

folgend beschrieben wird. Auf die Halterung für den Raucherzeuger, hier eine Nebel-

maschine (im Bild nicht sichtbar), folgt der Luftstromgleichrichter, dessen Funktion in

der laminaren Gestaltung des Luftstromes liegt. Hierzu werden, wie in Abbildung 4.22

zu sehen, Trinkhalme miteinander verklebt. Es schließt sich dann die Messstrecke mit

der Halterung für die zu untersuchenden Körper an. Am rechten Ende des Windkanals

ist der den Luftstrom erzeugende Ventilator angebracht.

Abbildung 4.23 und 4.24 zeigen die Umströmung eines Tragflächenprofils bei unter-

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4. Versuche

Abbildung 4.22: Der Gleichrichter aus Strohhalmen

schiedlichen Anstellwinkeln. Während in der ersten Abbildung die Strömung glatt

am Profil anliegt, sind in der zweiten oberhalb des Profils deutlich Verwirbelungen

sichtbar.

Abbildung 4.23: Umströmung im Windkanal bei kleinem Anstellwinkel

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4. Versuche

Abbildung 4.24: Umströmung im Windkanal bei großem Anstellwinkel

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5. Flugphysik in der Schule

5.1. Verortung in Lehrplan und Fachzusammenhänge

In den meisten bundesdeutschen Lehrplänen gehört die Strömungsphysik nicht zu den

verbindlichen Lerninhalten, auch nicht die physikalischen Grundlagen des Fliegens.

Allerdings finden sich in nahezu allen Jahrgangsstufen Anknüpfungspunkte zu Proble-

men der Luftfahrt. Bei der Einordnung in die Lehrplanvorgaben beschränkt sich die

vorliegende Arbeit wegen des Universitäts- und des Schulstandortes auf die Betrachtung

der rheinland-pfälzischen und hessischen gymnasialen Rahmenpläne.

Für sie gilt ebenfalls das oben Gesagte: nur im Lehrplan Physik von Rheinland-Pfalz

wird die Strömungslehre explizit erwähnt als ein wählbares Additum für den Leis-

tungskurs der Qualifikationsphase, in dem neben elf verpflichtenden Modulen weitere

zwölf Wahlpflichtbausteine zu unterrichten sind. Als Inhalte dieses Bausteins sind

Strömungsphänomene, Kontinuitätsgleichung und Strömungsgesetze vorgesehen. Der

dynamische Auftrieb wird hier sogar ausdrücklich als Lernstoff genannt. Für die Be-

handlung des Themas wird projektartiges Arbeiten vorgeschlagen.

Wenngleich die Strömungslehre nur einmal explizit erwähnt wird, so finden sich direkte

und indirekte Anknüpfungspunkte bereits im Lehrplan der Sekundarstufe I, genauer in

der 8. und 9. Klasse unter den Themenbereichen Mechanik I und II.

So lassen sich in Klasse 8 unter dem Rahmenthema Kraft am Beispiel des Fliegens die

Aspekte Kräfte und ihre Wirkungen, Kräftegleichgewicht sowie Kraft und Gegenkraft

behandeln. Neben den Kräften, die auf ein Fahrzeug in Bewegung wirken, kann man

auch diejenigen demonstrieren, die auf einen Flugkörper wirken. Die Sachverhalte

Kräftegleichgewicht und -ungleichgewicht etwa mit der jeweiligen Auswirkung auf die

Bewegung können am Beispiel des Flugzeugs mit den wirkenden Kräften Auftrieb und

Gewicht, Widerstand und Vortrieb besonders anschaulich vermittelt werden. Aufbauend

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5. Flugphysik in der Schule

auf dem Verständnis des Prinzips von Kraft und Gegenkraft ergibt sich eine erste Erklä-

rung für das Fliegen, indem der Auftrieb an Tragflächen als Anwendung betrachtet wird.

In Klassenstufe 9 sind laut rheinland-pfälzischem Lehrplan dann Druck und Auftrieb in

Flüssigkeiten und Gasen selbst Thema. Die vorgegebenen Inhalte Sinken, Schweben und

Schwimmen können statt am Schiff auch an Objekten der Luftfahrt thematisiert werden;

hier würde sich das Luftschiff besonders gut eignen. Der Bau eines Heißluftballons oder

eines cartesianischen Tauchers wird als Projektidee vorgeschlagen.

Prinzipiell könnte in Rheinland-Pfalz Flugphysik auch Thema des NAWI-Unterrichtes in

der Orientierungsstufe sein, wo sich vor allem das Themenfeld 3 Bewegung zu Lande,

zu Wasser und in der Luft anbietet.

Im hessischen Lehrplan Physik für den gymnasialer Bildungsgang stellt sich die Situation

ähnlich dar: Die Physik des Fliegens wird nur an einer Stelle explizit genannt, allerdings

nicht wie in Rheinland-Pfalz im Stoffplan der Sekundarstufe II, sondern innerhalb der

fakultativen Einheit Von Druck und Auftrieb in Klasse 8. Dabei sollen hydrostatischer

Auftrieb und dynamischer Auftrieb am Tragflügel sowie die Rolle des Luftwiderstan-

des berücksichtigt und wenn möglich in Kooperation mit Biologie fachübergreifend

unterrichtet werden.

Im hessischen Lehrplan für die gymnasiale Oberstufe wird Strömungsphysik in keinem

Zusammenhang als Unterrichtsinhalt benannt. Dennoch bietet sich die Möglichkeit

zur Behandlung der physikalischen Aspekte des Fliegens besonders im Kontext der

Newtonschen Axiome in der Einführungsphase, ansiedelbar unter den vorgeschlagenen

Leitthemen Technik und Mechanik bzw. Verkehr.

5.2. Flugphysik - ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des

Physikunterrichts

Um die Sinnhaftigkeit des Themas Flugphysik im Unterricht zu belegen, muss gefragt

werden, wie es überhaupt gelingt, Lernende für physikalische Inhalte zu interessieren.

Der Physikprofessor und Leiter des Studienseminars Koblenz Josef Leisen betont in

diesem Kontext, dass Motivation nicht machbar sei, dass aber jeder Schüler Motive

habe, an die es heran zu kommen gelte. Er sieht die Aufgabe des Lehrers daher nicht

im Motivieren, sondern im Motive suchen. »Der Motivationsmacher weiß vermeintlich,

was den Lerner im Physikunterricht zu interessieren hat. Der Motivsucher akzeptiert,

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5. Flugphysik in der Schule

dass die Motive eine Angelegenheit des autonomen Organismus des Lerners sind.«

[Leisen, 2003b] Aus der Vielzahl von Vorschlägen, die er macht, um an Schülermotive

heran zu kommen, seien hier einige beispielhaft skizziert, die für die Behandlung von

flugmechanischen Inhalten im Physikunterricht sprechen. So kann man sich nach Leisen

den Motiven der Lernenden nähern über Inhalte und Themen, über Interessen und

Fragen, über Aktuelles und Historisches, über Sinnstiftung und Verstehen und über

anspruchsvolle Aufgaben und Anforderungen.

Denn obwohl der Traum vom Fliegen heutzutage eine Realität ist, die meisten Menschen

das Flugzeug im Beruf oder im Urlaub quasi alltäglich als Verkehrsmittel nutzen, hat

das Fliegen nichts von seiner Faszination verloren, vor allem, weil es im scheinbaren

Widerspruch steht zu der menschlichen Grunderfahrung, dass schwere Gegenstände

im Normalfall auf dem Boden stehen. Dass und warum Flugzeuge fliegen, ist eine

Frage, die immer noch staunen und nachdenken lässt. Bedauerlicherweise wurde das

Thema in den letzten Jahren im Physikunterricht an den Rand gedrängt (vgl. Abschnitt

5.1), so dass in der Regel die meisten Gymnasiasten die Schule verlassen, ohne die

Frage »Warum fliegt ein Flugzeug?« beantworten zu können. Dabei ist es wie kaum

ein anderes geeignet, Schülerinnen und Schüler zu interessieren und an die Physik

heran zu führen. Sein Reiz für Lehrende und Lernende liegt vor allem in den Fächer

übergreifenden interdisziplinären Aspekten, die Physik schlägt hier quasi eine Brücke

zu Naturwissenschaft und Technik. Damit entspricht es auch in besonderem Maße dem

übergeordneten Ziel der gymnasialen Oberstufe, Vorgänge in der Natur zu begreifen und

sich in Lebensbereichen, in denen physikalisch-naturwissenschaftliches oder technisches

Verständnis erforderlich ist, sachkompetent und verantwortungsbewusst entscheiden

und handeln zu können. [Lehrplan Hessen]

Der Physiker Wolfgang Send, Wissenschaftler beim Deutschen Luft- und Raumfahrt-

zentrum in Göttingen, hält die Flugphysik für ein reizvolles Thema, jungen Leuten

die Gesetze der Mechanik lebendig zu vermitteln und so einen respektablen Beitrag

zur Attraktivität des Physikunterrichts zu leisten. »Die Sprache der Physik, wie sie

die Mechanik mit ihren Gesetzen und Begriffen prägnant pflegt, wird von Schülern

wenig, von Schülerinnen noch weniger, um ihrer selbst willen geliebt. Verbindet man

die spröde Mechanik aber mit einem Thema wie dem der Physik des Fliegens, das der

Vermittlung komplexer Sachverhalte dient, dann nimmt der Wille zur Aneignung des

Handwerkzeugs, der Sprache wie der Fähigkeit zum Experiment, erstaunlich zu.«[Send,

2001] Physik sei dann »Mittel zum Zweck, sich verständlich zu machen und komplexe

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5. Flugphysik in der Schule

Sachverhalte angemessen diskutieren zu können in einer durch Technik und Physik

geprägten Lebenswelt.« [Send, 2001]

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Inhalte der Strömungsphysik am Beispiel

des Fliegens den zentralen Forderungen des Lehrplans Physik voll und ganz gerecht

werden, indem sie »die Erarbeitung physikalischer Erkenntnisse, die Reflexion der Wege

und Methoden, die Einblicke in die Wissenschaft der Physik und die Durchdringung der

Verflechtungen zwischen physikalischer Forschung, technischer Anwendung und Gestal-

tung alltäglicher Lebensbedingungen der Menschen« [Lehrplan Hessen]in besonderem

Maße ermöglichen.

5.3. Die Erklärung des Fliegens in der Schule

Bei der Beschäftigung mit der Frage, warum ein Flugzeug fliegt, stößt man auf die unter-

schiedlichsten Erklärungen, von denen jede für sich genommen einleuchtet, wenngleich

sie an Grenzen stößt. Sie finden sich nicht nur in Fachbüchern über Strömungsmecha-

nik, sondern auch in physikalischen Schulbüchern, sogar in populärwissenschaftlicher

Literatur und Kinderbüchern. Der aufmerksame Leser vermisst jedoch die Zusammen-

hänge zwischen den einzelnen Theorien, Bezüge werden in der Regel nicht hergestellt,

Verbindungen nicht thematisiert. Daraus resultiert ein Gefühl des wissenschaftlichen

Unbefriedigtseins, denn die zuvor logisch nachvollziehbare Erklärung erscheint nun

durch eine zweite unverbundene wieder fragwürdig.

Die vorherrschende Erklärung des dynamischen Auftriebs ist seit etwa 1920 diejeni-

ge, die sich des Bernoullischen Gesetzes bedient. In den 1980er und 1990er Jahren

entbrannte eine didaktische Diskussion, die zu einem Wandel der Darstellung der

Flugphysik führte, so dass vermehrt auch andere Erklärungsansätze veröffentlicht

und propagiert wurden. Für den Fachmann aus der Luftfahrt ist mit der klassischen

Aerodynamik das Geheimnis des Fliegens schon entzaubert, denn auf wissenschaftli-

chem Niveau ist die Erklärung längst gefunden, das Fliegen prinzipiell verstanden. Das

heißt, in der Diskussion der jüngeren Vergangenheit steht nicht die Auftriebstheorie

der Strömungsmechaniker an sich in Frage, vielmehr geht es um »Probleme bei der

Umsetzung der Auftriebstheorie der klassischen Aerodynamik in Unterrichtsinhalte«

[Rübenbeck, 2008], folglich um die didaktische Reduktion des Stoffes, seine Aufberei-

tung für die Schule, also die Erklärung des Fliegens im Unterricht. Dabei handelt es sich

laut Herrmann, Mitbegründer des Karlsruher Physikkurses, bei den Erklärungen »nicht

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5. Flugphysik in der Schule

um verschiedene Mechanismen, sondern um unterschiedliche Betrachtungsweisen ein

und desselben Vorgangs.« [Hermann und Job, 2002] Und die seiner Meinung nach

zentrale Frage lautet: »Wenn ein Schüler fragt, warum ein Flugzeug fliegt, - mit was für

einer Antwort wird er wohl zufrieden sein?« [Hermann und Job, 2002].

Dieser Aushandlungsprozess im Streit der Didaktik der Physik ist noch nicht abgeschlos-

sen, der Königsweg noch nicht gefunden.

Im vorliegenden Kapitel sollen nun die drei gängigsten Erklärungsmuster mit ihren

Vorzügen und Schwachstellen präsentiert und durch Darlegung ihrer Verbindungen

untereinander in einen größeren Rahmen eingebettet werden. Dabei wird der Stoff, der

auf wissenschaftlich-theoretischem Niveau bereits oben erörtert wurde, hier in einer

reduzierten Form dargelegt, wie sie für die Behandlung im Unterricht angemessen

scheint. In 5.3.5 folgt eine abschließende Bewertung.

5.3.1. Die Druckerklärung

5.3.1.1. Das zugrundeliegende Konzept

Bevorzugtes Erklärungsmuster für das Fliegen in populärwissenschaftlichen Büchern

und Zeitschriften sowie in Kinderbüchern ist eine Erklärung, nach der die besondere

Form des Tragflügels ursächlich verantwortlich ist für die Veränderung der Strömung.

Denn sie hat zur Folge, dass an der Oberseite ein Unterdruck und an der Unterseite

ein Überdruck entsteht. Deren Differenz liefert die Auftriebskraft, die wiederum die

Gewichtskraft des Flugobjekts kompensiert.

Im Folgenden sollen die Kernpunkte dieser klassischen Theorie mithilfe der Bernoulli-

Gleichung für den Unterricht dargelegt werden. Bei der Betrachtung wird sich auf einen

zweidimensionalen Querschnitt durch den Tragflügel in Richtung der Fugzeuglängsach-

se beschränkt, also auf das sogenannte Flügelprofil. Dessen Umströmung wird beschrie-

ben, allerdings unter der Annahme des Vorliegens eines reibungsfreien Fluids. Folglich

wird von jeder Art der Reibung, die Wirbelbildungen zur Folge hat, abgesehen.

Abbildung 5.1 zeigt das Stromlinienbild eines Flügelprofils, das nun als Grundlage der

Erklärung dienen soll. Oberhalb des Flügels liegen die Stromlinien dichter beieinander,

unterhalb weiter auseinander als im Bereich vor dem Flügel. Daraus lässt sich nun

folgern, dass die Strömungsgeschwindigkeit oberhalb des Flügels höher und unterhalb

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.1: Stromlinienbild des Tragflügelprofils, [Wodzinski, 1999]

niedriger ist als vor dem Flügel. Es ergibt sich also eine unsymmetrische Geschwindig-

keitsverteilung mit voben > vunten. Mithilfe der Bernoulli-Gleichung lässt sich diese in

eine unsymmetrische Druckverteilung übersetzen. Der Druck an der Oberseite ergibt

sich nämlich nach Gleichung 5.1 zu

poben = const.−1

2ρv2oben , (5.1)

der Druck an der Unterseite zu

punten = const.−1

2ρv2unten . (5.2)

Das heißt, durch die Flügelform wird die Strömung derart verändert, dass sich oberhalb

ein Unterdruckgebiet und unterhalb ein Überdruckgebiet einstellt. Abbildung 5.2 zeigt

die Druckverteilung mithilfe von U-Rohr-Manometern am Beispiel eines Profiles mit

flacher Unterseite. Diese unsymmetrische Druckverteilung hat eine resultierende Kraft

zur Folge, die Auftriebskraft, die den Körper beschleunigt. Sie ergibt sich aus der

Druckdifferenz

∆p = punten − poben =1

2ρv2oben −

1

2ρv2unten (5.3)

über den bekannten Zusammenhang von Kraft und Druck.

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.2: Bernoulli-Gleichung am Tragflügelprofil, nach[http://pluslucis.univie.ac.at/FBA/FBA01/preiss/kap3-Dateien/image029.gif]

5.3.1.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Druckerklärung

Mit diesem Ansatz ist eine erste Erklärung des dynamischen Auftriebes über die Druck-

unterschiede gefunden: er geht von einem vorhandenen Stromlinienbild aus, das aber

als gegeben angenommen und nicht hinterfragt wird. Die Schlussfolgerung nach Ber-

noulli von hoher Strömungsgeschwindigkeit auf niedrigen Druck und umgekehrt ist

völlig korrekt, die sich ergebende Druckdifferenz liefert zutreffend die Auftriebskraft.

Um dem Geheimnis jedoch vollkommen auf den Grund zu kommen, müsste man weiter

fragen, wieso eigentlich das Strömungsbild so aussieht, wie es aussieht, warum also

die Luft an der Oberseite schneller strömt als an der Unterseite. »Wenn Geschwin-

digkeitsdifferenzen als Ursache für Druckdifferenzen genannt werden, muss noch ein

physikalischer Grund für die Entstehung eben dieser Geschwindigkeitsdifferenzen

angegeben werden.« [Weltner, 2002] In dieser Erklärungslücke liegt die zentrale Unzu-

länglichkeit des konventionellen Ansatzes über die Druckunterschiede, der folglich den

wissenschaftlich-technisch Interessierten nicht zufrieden stellen kann.

Fragt man nach dem Zustandekommen der Geschwindigkeitsunterschiede, so findet

man verschiedene Herangehensweisen, die aber allesamt wenig sachgerecht sind und

nicht überzeugen.

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.3: Widerlegung des Weglängen-Argumentes durch Simulation, [Wod-zinski, 1999]

Nach dem Weglängen-Argument zum Beispiel wird die Luft durch den Tragflügel in

zwei Hälften unterteilt, wobei die oberen Luftmassen aufgrund der Wölbung des Flügels

einen deutlich längeren Weg zurück legen müssen. Ihre Strömungsgeschwindigkeit

müsste entsprechend zunehmen. Dieser Argumentation liegt die stillschweigende Hy-

pothese zugrunde, dass Luftteilchen, die vor der Tragfläche benachbart waren, auch

dahinter wieder zusammentreffen müssten. Dies ist jedoch nicht richtig. In Wirklichkeit

treffen sie nicht mehr zusammen, was experimentelle Untersuchungen und Simulatio-

nen belegen (Vgl. Abbildung 5.3). Damit ist der Weglängen-Betrachtung der Boden

entzogen, sie muss als irreführend und falsch bezeichnet werden, auch wenn sie in

einigen Schulbüchern noch vorkommt.

Eine schlüssige Erklärung für die Geschwindigkeitsdifferenz im Zusammenhang mit der

konventionellen Druckerklärung des dynamischen Auftriebs an keiner Stelle.

5.3.2. Die Rückstoßerklärung

5.3.2.1. Das zugrundeliegende Konzept

Die Rückstoßerklärung ist ein zweites Erklärungsmuster, das, anknüpfend an drit-

te Newtonsche Axiom, die Tatsache in den Mittelpunkt rückt, dass die Tragfläche

Luftmassen nach unten umlenkt. Nach dem Prinzip von actio gleich reactio wirkt

folglich eine nach oben gerichtete Kraft auf die Tragfläche. Dieser Ansatz wird unter

anderem von Weltner und Hermann propagiert und findet sich mittlerweile auch in

einigen Schulbüchern wieder. Abbildung 5.4 zeigt beispielhaft einen Ausschnitt aus

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.4: Ausschnitt aus einem Mittelstufenschulbuch, [Dorn und Bader,1985]

einem Mittelstufenschulbuch, in dem der dynamische Auftrieb an Tragflügeln über das

Rückstoßprinzip erklärt wird.

Für die Behandlung der Thematik in einem Kurs der Oberstufe bietet sich eine Her-

angehensweise an, wie sie sich in Literatur der universitären Einführungskurse findet,

z.B. in [Dorfmüller, et al. 1998]. Dieses einfache Modell, in dem die beiden Luftkräfte

dynamischer Auftrieb F und Widerstand FW als vertikale und horizontale Komponente

der Gesamtkraft FK auf eine schräg angestellte, mit der Geschwindigkeit v bewegte

Platte hergeleitet werden, wird im Folgenden erläutert.

Der Winkel α zwischen der Horizontalen und der Platte wird als Anstellwinkel bezeich-

net. Die Gesamtkraft FK ist nach dem zweiten und dem dritten Newtonschen Axiom

entgegengesetzt gleich der Summe der Impulsänderung der einzelnen Luftmoleküle.

Für die Berechnung wird die Platte als ruhend angenommen, die Lufteilchen haben vor

dem Stoß folglich die Geschwindigkeit vvor = −v. Betrachtet man nun zunächst ein

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.5: Skizze zur Rückstoßerklärung, [Dorfmüller et al. 1998]

Luftmolekül der Masse m, so wird dieses an der Platte elastisch reflektiert und erfährt

dabei eine Impulsänderung ∆p. Diese ist

∆p = m ·∆v = m · 2vvor sin(α) . (5.4)

Die Platte erhält dabei den Impulsübertrag ∆pP latte = −∆p. Die Gesamtkraft, die von

allen im Zeitintervall dt auf die Platte treffenden Luftmolekülen auf diese ausgeübt

wird, ergibt sich demnach zu

FK =d

dt

∆pLuft = −d

dt

m∆v = −∆vd

dtM , (5.5)

wenn M die Gesamtmasse der Luft bezeichnet und die Geschwindigkeitsänderung ∆v

für alle Luftmoleküle als konstant angesehen wird.

Zur Bestimmung von ddtM , also der pro Zeitintervall reflektierten Luftmasse, wird der

rechte Teil der Abbildung 5.5 betrachtet.

d

dtM ≈

∆M

∆t=

ρ∆V

∆t(5.6)

∆V lässt sich als das Volumen eines schrägen Prismas über Grundfläche·Höhe bestimmen.

Es ergibt sich ∆V = A · v∆t sin(α) und folglich

d

dtM ≈

∆M

∆t= ρAv sin(α) . (5.7)

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5. Flugphysik in der Schule

Die Gesamtkraft berechnet sich demnach zu

FK = −∆vd

dtM = −2v′vor sin(α) · ρAv sin(α) = 2ρv2a sin2(α) . (5.8)

Die Zerlegung der Gesamtkraft in ihre vertikale und horizontale Komponente liefert die

gesuchten Luftkräfte

FA = 2ρv2A sin2(α) cos(α) (5.9)

und

FW = 2ρv2A sin3(α) . (5.10)

Die gefundenen Abhängigkeiten der Luftkräfte von Dichte, Geschwindigkeit und Fläche

lassen sich für geringe bis mittlere Geschwindigkeiten empirisch beobachten. Liegen die

Bewegungen jedoch im Überschallgeschwindigkeitsbereich, so kann die Strömung nicht

mehr als inkompressibel angesehen werden; obige Herleitung wäre in dieser Form nicht

durchführbar und die Abhängigkeit des Geschwindigkeitsquadrates nicht korrekt.

5.3.2.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Rückstoßerklärung

Bei der Rückstoßerklärung wird die Tatsache, dass die Luftmassen nach unten umge-

lenkt werden, als selbstverständlich angenommen, sie müssten ja dem Profil ausweichen.

Die Frage nach dem physikalischen Grund der Umlenkung wird nicht gestellt.

In der Tat wird Luft in dem Maße nach unten beschleunigt, dass der Auftrieb als

Reaktionskraft interpretiert werden kann. Allerdings beschränkt sich die Umlenkung

räumlich nicht auf die nähere Umgebung der Tragfläche, vielmehr trägt die gesamte

Wirbelschleppe dazu bei. Zudem sind die Prozesse, die die Umlenkung bedingen, nicht

so trivial wie in der Rückstoßerklärung vorausgesetzt. Außerdem kann das Ausmaß der

Umlenkung nicht an der Tragfläche abgelesen werden. [Wodzinski und Ziegler, 2000]

Der oben skizzierte Ansatz über das Rückstoßprinizp kann ferner bei Beibehaltung

der trivialen Betrachtunsgweise der Umlenkung nicht erklären, wie der Auftrieb ei-

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5. Flugphysik in der Schule

ner gewölbten Tragfläche bei einem Anstellwinkel von 0◦ entsteht, ein erheblicher

Schwachpunkt in der Argumentation.

5.3.3. Die Zirkulationserklärung

5.3.3.1. Das zugrundeliegende Konzept

Der dritte hier präsentierte Erklärungsansatz ist der, der dem der Strömungsmechanik

nachempfunden ist. Dabei ist das erste wichtige Anliegen im Unterricht das Aufbrechen

der Selbstverständlichkeit des Strömungsbildes einer Tragfläche. Es muss bewusst ge-

macht werden, dass es keineswegs selbstredend ist, dass Luft an der Hinterkante des

Tragflügels glatt abströmt.

Bei geringer Strömungsgeschwindigkeit wird die Tragfläche so umströmt, wie es Ab-

bildung 5.6 zeigt; dabei wird allerdings kein Auftrieb erzeugt. Mit andern Worten:

schließt sich die Strömung hinter dem Tragflügel wieder, als wenn nichts geschehen

wäre, so bleibt die Wechselwirkung zwischen Profil und Luft bzgl. des Auftriebes folgen-

los. Hingegen zeigt Abbildung 5.8 eine schnelle Umströmung, als deren Konsequenz

sich eine Auftriebskraft ausbildet. Zusätzlich zur Geschwindigkeit hängt das Entstehen

von Auftrieb noch von einer weiteren Eigenschaft des Fluids ab, nämlich von dessen

Zähigkeit.

Vergleicht man nun die beiden Strömungsbilder miteinander, so werden die Unterschie-

de anschaulich. Während in Abbildung 5.8 die Strömung glatt abfließt, wird bei der

Darstellung der langsamen Umströmung deutlich, dass die Hinterkante von unten nach

oben umströmt wird. In dem Unterschied der Umströmung mit und ohne Auftrieb ist

demnach die gesamte Auftriebsinformation enthalten. Er liefert einen Hinweis auf das

Hinzukommen einer weiteren Strömung zum Strömungsbild, »die die Strömung an der

Hinterkante nach unten lenkt, an der Oberseite die Strömung beschleunigt und an der

Unterseite verzögert« [Wodzinski, 1999]. Diese Strömung wird Zirkulation genannt.

Mathematisch erhält man das Strömungsbild der Zirkulation als Differenz der beiden

gezeigten Strömungsbilder (Vgl. Abbildung 5.7).

Als Antwort auf die zentrale Frage »Wie kommt es zur Zirkulationsströmung?« finden

sich in Schulbüchern zwei verschiedene Herangehensweisen, eine Argumentation

über den Anfahrwirbel und eine weitere Erklärung mittels eines Vergleichs mit dem

rotierenden Zylinder.

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.6: Umströmung des Tragflügels ohne Auftrieb, [Oertel, 2008]

Abbildung 5.7: Zirkulationsströmung, [Oertel, 2008]

Zu Beginn der Bewegung des Tragflügels wird dessen Hinterkante wie bei Zirkulati-

onsfreiheit umströmt, so dass keine Auftriebskraft zustande kommt. Mit steigender

Geschwindigkeit ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Die dem Tragflügel benachbarten

Luftmassen werden durch Reibung an der Oberfläche derart verzögert, dass sie der

beschriebenen Bewegung um die Hinterkante nicht mehr folgen können. Die körper-

fernere Luft folgt noch dem alten Strömungsbild, also der Bewegung um die Kante

herum, da sie schwächeren Reibungseinflüssen unterliegt. Es setzt ein Aufrollvorgang

ein, der Anfahrwirbel entsteht. Gleichzeitig kommt es zur Ausbildung einer Strömung

um das Tragflügelprofil, weil gemäß der Gesetzmäßigkeit über die Drehimpulserhaltung

kein Wirbel ohne Gegenwirbel entsteht. Dieser zweite Wirbel entspricht der auftriebs-

erzeugenden Zirkulationsströmung. Grundvoraussetzung für das Fliegen ist also die

scharfe Profilhinterkante und die Eigenschaft der Luft, kein ideales Fluid und somit

reibungsbehaftet zu sein. Nach der Argumentation mit dem Anfahrwirbel entsteht also

Auftrieb deshalb, weil sich an der scharfen Profilhinterkante ein Wirbel und in der Folge

um die Tragfläche herum ein Gegenwirbel ausbildet.

Die Erklärung mittels Vergleich mit dem rotierenden Zylinder basiert auf dem Magnusef-

fekt, auf den an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden soll. Er beschreibt die

Querkraftwirkung, die ein rotierender runder Körper in einer Strömung erfährt. Auch

hier steckt die Auftriebsinformation im Wesentlichen in der Zirkulationsströmung.

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.8: Umströmung des Tragflügels mit Auftrieb, [Oertel, 2008]

Ergänzend sei die Anmerkung erlaubt, dass es genaugenommen in diesem Zusam-

menhang keinen Sinn ergibt, von reibungsfreier Umströmung zu sprechen. Zwar kann

man das Stromlinienbild gut annähern, indem man die Strömung als eine reibungs-

freie betrachtet, die sich zusammensetzt aus einer zirkulationsfreien Umströmung und

der Zirkulation selbst. Aber unter der Voraussetzung von Reibungsfreiheit kann die

Entstehung der Zirkulation nicht erklärt werden.

5.3.3.2. Kritische Auseinandersetzung mit der Zirkulationserklärung

Weltner hält den Zirkulationsansatz für problematisch, weil die Entstehung der Zirkula-

tion schwer verständlich zu machen sei. [Weltner, 2002] Er kritisiert die Begründung

der Zirkulationsentstehung über den Anfahrwirbel, denn der sei wegen der Helmholtz-

schen Erhaltungssätze der Gegenwirbel zu der sich aufbauenden Zirkulation, also »die

Folge der Zirkulation aber nicht deren Ursache«. [Weltner, 2002] Geht man im Rahmen

der Zirkulationserklärung den Weg über den Vergleich mit dem Magnus-Effekt am

rotierenden Zylinder, so ist anzumerken, dass dieser für den Anfänger wenig Überzeu-

gungskraft hat. »Besonders schwer zu verstehen ist, warum der Tragflügel mit einem

rotierender Zylinder vergleichbar sein soll. Weder rotiert ein Tragflügel noch fliegt ein

Zylinder. Ein Einstieg in die Physik des Fliegens ist auf diesem Wege deshalb für die

Schule nicht geeignet.« [Wodzinski und Ziegler, 2000]

5.3.4. Zusammenhang der drei Erklärungsmuster

Bei der Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang der drei Erklärungsmuster

sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Das verbindende Element auf der Ebene der

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5. Flugphysik in der Schule

Abbildung 5.9: Skizze zum Impulssatz, [Wodzinski und Ziegler, 2000]

Theorie ist der so genannte Impulssatz. Er besagt, dass für eine stationäre Strömung

die Kraft auf einen in ihr befindlichen Körper bestimmt werden kann, »indem man ein

beliebiges Kontrollvolumen um den Körper legt und ein- und ausströmenden Impuls

und den Druck an den Grenzflächen des Kontrollvolumens auswertet« [Wodzinski und

Ziegler, 2000]. Demnach berechnet sich die Kraft als der eintretende Impulsstrom

abzüglich des austretenden Impulsstromes zuzüglich der Summe aller Druckkräfte an

den Grenzflächen. Diese Bilanz liefert unabhängig von dem gewählten Kontrollvolumen

die Auftriebskraft. Folglich muss zu deren Bestimmung sowohl das Druck- als auch das

Geschwindigkeitsfeld analysiert werden .

Abbildung 5.9 zeigt drei Fälle für die Wahl des Kontrollvolumens. Im allgemeinen Fall,

nämlich einem beliebigen quaderförmigen Kontrollvolumen, tragen Druck- und Impuls-

anteil zu gleichen Teilen zum Auftrieb bei. Wählt man als Kontrollvolumen genau die

Umrandung der Tragfläche, so ist der Impulsanteil Null, der Auftrieb also nur bestimmt

durch den Druckanteil. Bei Wahl eines symmetrischen, um die Tragfläche herum

liegenden und ober- wie unterhalb ins Unendliche reichenden Kontrollvolumens wird

der Druckanteil so gering, dass er vernachlässigt werden kann. Einzig der Impulsanteil,

also die Luftumlenkung, ist verantwortlich für den Auftrieb. Das heißt, im Prinzip

können Druck- und Rückstoßerklärungen als zwei einfache Spezialfälle des Impulssatzes

aufgefasst werden. Wendet man den Impulssatz auf eine zweidimensionale Tragfläche

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5. Flugphysik in der Schule

an, so liefert er die der Zirkulationserklärung zugrunde liegende Kutta- Joukowski-

Formel. Eben genau darin liegt auf theoretischer Ebene der Zusammenhang zwischen

den drei Erklärungsmustern.

Der zweite zu betrachtende Aspekt ist die Ebene der Phänomene. Mit der Erklärung

der Umströmung durch eine Zirkulationsströmung geht zwangsläufig einher, dass die

Strömungsgeschwindigkeit oberhalb der Tragfläche höher und unterhalb niedriger

ist als bei Strömung ohne Zirkulation. Ein Vergleich von Stromlinienbildern mit und

ohne Zirkulation ergibt auch, dass bei der auftriebserzeugenden, also der Strömung mit

Zirkulation, Luftmassen nach unten beschleunigt werden. Auf der Ebene der Phänomene

können also die Erklärungsmuster anschaulich in Bezug gesetzt werden über die

Zirkulation.

5.3.5. Didaktische Bewertung der drei Erklärungsansätze

Wenn man im Detail verstehen will, warum ein Flugzeug fliegt, muss man analysieren,

warum sich das Stromlinienbild so ergibt, wie es sich ergibt. Denn in dem Stromlini-

enbild selbst ist eigentlich bereits alle Auftriebsinformation enthalten, die Frage nach

dem Warum stellt sich dann nicht. Einzig die Zirkulationserklärung thematisiert diesen

Aspekt, warum die Umströmung sich so einstellt wie experimentell nachweisbar. Eine

plausible Begründung, warum sich an der Tragflächenoberseite ein Unterdruck und

an der Unterseite ein Überdruck einstellt, gibt es außer über die Zirkulation nicht. Es

zeichnet die Zirkulationserklärung aus, dass sie von allen drei Ansätzen derjenige ist,

der dem der Strömungsmechanik am nächsten kommt, das heißt sie ist die wissen-

schaftlichste. Wenngleich sie sich aus den oben dargelegten Gründen als Einstieg in die

Physik des Fliegens weniger gut eignet, so ist doch in jedem Fall ihre Behandlung für

ein umfassendes Verständnis der Thematik unverzichtbar.

Dennoch haben auch die andern beiden Erklärungsmuster ihre Berechtigung im schu-

lischen Kontext, wenn man sich ihrer Grenzen und Unzulänglichkeiten bewusst ist

und diese auch im Unterricht zum Thema macht. So ist die konventionelle Erklärung

mithilfe der bernoullischen Gleichung zwar fachlich korrekt, aber keine eigenständi-

ge Erklärung, da das Geschwindigkeitsfeld als gegeben angenommen wird und nicht

schlüssig begründet werden kann.

Die Rückstoßerklärung hat zwar den Vorteil, dass sie vieles anschaulich erklärt, ist aber

fachlich problematisch, da sie, wenn auch nicht immer expressis verbis, voraussetzt,

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5. Flugphysik in der Schule

dass die Luftumlenkung auf triviale Weise in unmittelbarer Nähe des Tragflügels erfolgt.

Ihre Vorzüge liegen eben vor allem darin, dass viele verschiedene Phänomene der

Fortbewegung sich aus dem gleichen Ansatz heraus verstehen lassen, so zum Beispiel

Schiff, Rakete, Hubschrauber und Flugzeug. Außerdem stehen im Zentrum dieses Ansat-

zes zentrale Begriffe der Mechanik wie Massenträgheit von Luft oder Zusammenhang

von Kraft und Beschleunigung. Das heißt, die Physik des Fliegens wird als direkte

Anwendung der Newtonschen Gesetze behandelt und ist damit kein Randphänomen,

sondern zentraler Inhalt des Mechanikunterrichts in der Schule.

Zu einer umfassenden Behandlung des Themas im Unterricht gehört in den Augen

der Autorin der vorliegenden Arbeit folglich neben der Zirkulationserklärung auch die

Betrachtung der der andern beiden Theorien, nicht zuletzt deshalb, weil sie diejenigen

sind, denen der Schüler außerhalb der Schule am ehesten begegnet und die er einzu-

schätzen wissen muss. In jedem Fall muss das Weglängenargument explizit widerlegt

werden. Dies ist unerlässlich im Sinne einer Erziehung zum kritischen Konsumenten

von wissenschaftlichen Publikationen.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter

Unterricht

In dem vorliegenden Kapitel wird nun ein konkreter Vorschlag gemacht, wie Flugphysik

unterrichtlich umgesetzt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Projektarbeit,

die von der Autorin dieser Arbeit entwickelt und an einem Oberstufengymnasium

durchgeführt wurde. Aus den didaktischen Vorüberlegungen zur Rolle des Experimentes

im Physikunterricht und zur Bedeutung von Projekten ergibt sich als Fazit die konkrete

Projektidee, die nun ebenso wie die Durchführung differenziert dargelegt und reflektiert

wird.

6.1. Das Experiment im Physikunterricht

Das Wort Experiment ist abgeleitet vom dem lateinischen Verb experiri, was in der

Übersetzung versuchen, prüfen, erproben bedeutet. Es empfiehlt sich, begrifflich und

inhaltlich zu unterscheiden zwischen dem wissenschaftlichen Forschungsexperiment

und dem Experiment in der schulischen Praxis, die im Folgenden nebeneinander gestellt

und erläutert werden.

»Was ist ein Experiment? [...] Bei einem Experiment werden von einem Experimentator

in einem realen System bewusst gesetzte und ausgewählte natürliche Bedingungen

verändert, kontrolliert und wiederholt beobachtet.« [Kircher et al., 2009] Das heißt, im

klassischen wissenschaftlichen Sinne handelt es sich um ein reproduzierbares und vom

Experimentierenden unabhängiges Verfahren zur Erkenntnisgewinnung. Dabei werden

zur Verifizierung von theoretischen Hypothesen Beobachtungen und Messungen in

einem vorher definierten und kontrollierbaren Rahmen durchgeführt. Unverzichtbar

für ein wissenschaftliches Experiment sind demnach umfassende Planung, Kontrolle

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.1: Bedeutungsaspekte des Experimentes für den Physikunterricht,nach [Wilke, 1993]

bedeutsamer Variablen, exakte Datenaufnahme sowie Analyse und Interpretation der

Messwerte.

Dieser klassischen Funktion des Forschungsexperiments kann das im Unterricht durch-

geführte nur bedingt gerecht werden. Im schulischen Kontext ist seine Bedeutung nicht

auf die erkenntnistheoretische Funktion beschränkt. Seine Vorzüge liegen eher im

didaktisch-methodischen sowie im pädagogisch-psychologischen Bereich (Vgl. Abbil-

dung 6.1).

Die Rolle, die das Experiment im Prozess der Erkenntnisvermittlung spielt, hängt vom

Vorwissen der Schülerinnen und Schüler ab. So wird es bei nur geringen Vorkenntnissen

der Präsentation des Phänomens und der Gewinnung erster Aussagen dienen, es ist

dann also unmittelbare Quelle der Erkenntnis. Wenn hingegen Schülerinnen und Schü-

ler bereits über ausreichend Sachkenntnis verfügen, um Hypothesen oder Prognosen

zu formulieren, so kann das Experiment zu deren Überprüfung eingesetzt werden,

also zur Sicherung der Erkenntnis. Schließlich liegt eine dritte erkenntnistheoretische

Bedeutung in seiner Verbindung zur Praxis. Es zeigt dann auf, wie das theoretische

Wissen praktisch genutzt werden kann, sei es in technischen Anwendungen oder der all-

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

gemeinen Lebenswelt. Das physikalische Experiment, in allen Phasen des Unterrichtes

einsetzbar, erfüllt wichtige didaktische Funktionen. Als Einstiegs- oder Einführungs-

experiment weckt es die Neugier und Freude der Schülerinnen und Schüler und ihre

Fragehaltung. Als Kontroll- oder Bestätigungsexperiment dient es der Überprüfung von

Hypothesen über physikalische Gesetzmäßigkeiten praktischer Anwendung. Schülerin-

nen und Schüler können in Experimenten durch selbstständige Entdeckungstätigkeit

neue Phänomene erforschen und Strukturen erkennen. Je nach Anlass und Gegenstand

eignen sich Experimente also zu Motivierung, zu Vereinfachung, Systematisierung und

Veranschaulichung, zu Kontrolle oder Einübung oder zu Schaffung von Lebensbezug.

In jedem Falle sind sie also ein unverzichtbarer Bestandteil der physikalischen Metho-

dologie und gestalten den Physikunterricht erlebnisreicher und zufriedenstellender.

Neben dem erkenntnistheoretischen und dem methodisch-didaktischem, liegt der dritte

wichtige Bedeutungsaspekt des Experimentes in seinem Beitrag zur Persönlichkeitsent-

wicklung der Schülerinnen und Schüler (Vgl. Abbildung 6.1). Neben den kognitiven und

manuellen Fertigkeiten wie messen, beobachten, Prognosen und Schlussfolgerungen

formulieren, experimentelle Daten interpretieren etc. erwerben sie noch weitere, die im

affektiv-emotionalen Bereich anzusiedeln sind, so etwa konzentriert an einer Sache zu

arbeiten, ihre Neugier zu befriedigen oder behutsam mit Materialien, Versuchspersonen

beziehungsweise mit der Natur umzugehen. Einen ausführlichen Überblick über die

verschiedenen physikdidaktischen Zielsetzungen, erläutert an konkreten Beispielen,

findet sich in [Kircher et al., 2009]. Abbildung 6.2 fasst die wichtigsten Aspekte als

Schaubild zusammen.

Parallel zu der hier vorgenommenen Unterscheidung der Experimente nach ihrer

Funktion und Bedeutung können sie auch enstprechend der agierenden Person klassi-

fiziert werden. Demnach sind Lehrer-, sogenannte Demonstrationsexperimente, und

Schülerexperimente zu betrachten. Bei letzterem verlagern sich die Anforderungen

an den Lernenden vom Beobachten und Registrieren zur aktiven Durchführung. Das

Lehrerexperiment eignet sich besonders dann, wenn der Aufbau sehr kompliziert ist,

empfindliche Geräte beinhaltet oder gefährlich ist. Schülerversuche hingegen kom-

men dem natürlichen Drang nach Eigentätigkeit entgegegen und entsprechen dem

Prinzip der Aktivierung, indem sie die Möglichkeit zu physikalischem Arbeiten und

eigenen Erfahrungen bieten. Da die experimentellen Fertigkeiten häufig noch nicht sehr

ausgebildet sind, tragen Schülerversuche wie keine andere Methode des Unterrichtes

zum Erwerb einer experimentellen Handlungskompetenz bei. Obwohl in einer solchen

Phase des Unterrichts der Erkenntnisprozess weniger strukturiert ablaufen kann als

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.2: Funktionelle Aspekte des Experiments, [Kircher et al., 2009]

bei lehrergelenktem Unterricht, überwiegen vielfach die positiven Aspekte. Dabei sind

insbesondere der Erwerb fachspezifischer Arbeitsweisen, die Verbindung von Theorie

und Praxis, die Entwicklung sozialen Verhaltens in Partner- und Gruppenarbeit und

Wertehaltungen wie zum Beispiel Freunde an der Physik zu nennen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Experiment unter den im Physikunterricht

eingesetzten Medien eine Sonderstellung einnimmt: Es ist wichtigstes Medium und

gleichzeitig Unterrichtsgegenstand. Auch die Lehrpläne für den gymnasialen Bildungs-

gang sehen das Experiment im Mittelpunkt des Unterrichts und betonen, dass vor allem

durch Schülerexperimente der Wissensdurst der Schüler gefördert und Anregungen zu

forschendem Lernen gegeben werden sollen. [Lehrplan Hessen]

6.2. Das Projekt als Unterrichtsmethode

Was den Ursprung des Begriffs und der Praxis des Projektunterrichtes angeht, so ist

der amerikanische Philosoph und Sozialpädagoge John Dewey eine Schlüsselfigur hier-

für. Er entwickelte am Anfang des 20. Jahrhundert in den USA den amerikanischen

Pragmatismus, dessen philosphischer Grundgedanke der Vorrang der Praxis gegenüber

der Theorie ist. Praxis ist also die Voraussetzung jeder theoretischen Erkenntnis. Für

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Erziehung und Bildung ergibt sich daraus die Forderung, die Lernprozesse an prakti-

schen Aufgaben und selbst zu machenden Praxiserfahrungen auszurichten. William

Heard Kilpatrick, ein Schüler Deweys, verwendete 1918 erstmals den Begriff Projekt in

Bezug auf schulisches Lernen und umschrieb die Grundzüge des Projektunterrichtes:

»Projektunterricht ist ein planvolles Handeln von ganzem Herzen, das in einer sozialen

Umgebung stattfindet.« [Bastian, 1993] Das von Dewey und Kilpatrick zugrunde gelegte

Lernkonzept entspricht kurz und prägnant dem Motto learning by doing, demzufolge

der Lehrer bei Projekten in den Hintergrund tritt und vor allem organisierend und

beratend wirkt.

Ähnliche pädagogische Ideen wurden im Zuge der Reformpädagogik der 1920 er-Jahre

auch in Deutschland durch Georg Kerchensteiner und andere realisiert. Als in den

Reformdiskussionen der 1960 er und 1970 er-Jahre traditionelle Unterrichtsmethoden

erneut in die Kritik gerieten wegen der zu geringen Schülerorientiertheit, schien die

wiederentdeckte Projektmethode eine Lösung. Die Lehrpläne verschiedenster Schular-

ten belegen, dass heutzutage Projekte in allen Schulstufen vorgesehen sind und sich

die Projektidee im deutschen Bildungssystem fest etabliert hat.

Was Projektunterricht ist und wie er ausgestaltet werden kann, entzieht sich einer

einfachen und eindeutigen Definition. Herbert Gudjons nähert sich dem Begriff mithilfe

eines Merkmalskataloges aus den folgenden Punkten [Gudjons, 1986]:

• Situationsbezug und Lebensweltorientierung

Die gewählte Thematik soll eine Brücke schlagen zwischen Schule und Alltagswelt

und dazubeitragen, Lebenssituationen außerhalb der Schule zu bewältigen.

• Orientierung an den Interessen der Beteiligten

Das Thema soll auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten, diese folglich

intrinsisch motiviert sein. Die Lösung der Projektaufgabe muss ihnen wichtig sein.

• Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Es handelt sich hierbei um ein wichtiges Merkmal des Projektunterrichtes, weil

es mit der in der traditionellen Schulpädagogik üblichen Geringschätzung der

Schülerkompetenz in puncto Projektplanung bricht. Zielsetzung, Planung und

Durchführung des Projektes werden von den Lernenden mitbestimmt bzw. selbst

übernommen und so Organisationsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein

gestärkt.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

• Gesellschaftliche Praxisrelevanz

Die Thematik sollte eine gewisse gesellschaftliche Relevanz aufweisen, um den

Bezug zwischen Schule und gesellschaftlicher Realität herzustellen.

• Zielgerichtete Projektplanung

Auch bei Projektunterricht handelt es sich um zielgerichtetes Tun, allerdings nicht

der üblichen Weise durch Festlegung von Lernzielen durch die Lehrkraft. Vielmehr

soll die Projektgruppe selbst Entscheidungen über Ziele und dazu zu erwerbende

Qualifikationen treffen.

• Produktorientierung

Projektarbeit als handlungsorientierte Unterrichtsform mit einem mehr oder we-

niger greifbaren Ergebnis stellt für die Schülerinnen und Schüler eine zusätzliche

Motivation dar, weil sie auf ein konkretes, vorzeigbares Ziel hinarbeiten.

• Einbeziehung vieler Sinne

Im Projektunterricht versuchen Schülerinnen und Schüler und Lehrkraft gemein-

sam etwas zu tun, am besten unter Einbeziehung möglichst vieler Sinne. Vor allem

die künstliche Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit soll aufgehoben

werden. Lernen und Arbeiten, Denken und Handeln, Schule und Leben rücken

zusammen und werden im Idealfall ganzheitlich.

• Soziales Lernen

Beim Projektunterricht wird von- und miteinander gelernt. Man ist auf gegenseiti-

ge Rücksichtnahme und Kommunikation angewiesen.

• Interdisziplinarität

Charakteristisch für projektorientierten Unterricht ist die Sach- statt der Fach-

gebundenheit. Schülerinnen und Schüler erkennen so die Notwendigkeit zur

fachübergreifenden Zusammenarbeit und erhalten Einblicke in interdisziplinäre

Arbeitsweisen als Voraussetzung zum Lösen von komplexen Problemsituationen.

• Grenzen

Selbstverständlich muss Projektarbeit durch Inhalte des Fachunterrichtes ergänzt

und in diesen integriert werden.

In Abschnitt 6.3 wird anhand dieses Merkmalskataloges begründet werden, inwiefern es

es sich bei der konzipierten Unterrichtseinheit um projektorientiertes Lernen handelt.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

In der Diskussion um Projektarbeit ergibt sich die Schwierigkeit, dass eine klare Tren-

nung der Begrifflichkeiten nicht möglich ist. Wolfgang Klafki unterscheidet vier grund-

legende Unterrichtsformen, nämlich Projektunterricht, Lehrgänge, Unterricht in Gestalt

relativ eigenständiger, fachlicher oder fachübergreifender Themen sowie Trainings-

unterricht. Demnach ist Projektunterricht eine Grundform von Unterricht, die sich

von den andern drei genannten Unterrichtsformen prinzipiell abhebt. Ein Versuch

der Klärung muss aber noch die Unterscheidung zwischen Projekt, Projektunterricht

und projektorientiertem Unterricht beinhalten. Projekt im engeren Sinn meint Selbst-

bestimmung bezüglich Themenwahl, Art und Weise der Behandlung und Ergebnis.

Dies ist unter den Bedingungen des normalen Schulalltags nur schwer durchzuführen

und beschränkt sich vor allem auf Projektwochen oder Projekttage. Projektunterricht

versteht sich als eine »Unterrichtsform, in der Schüler und Lehrer gemeinsam ihre

Aufgaben auswählen, planen und ausführen« [Mie, 1994]. Unterricht bedeutet plan-

mäßig initiierte und gelenkte Lernprozesse, hat also nichts Zufälliges. Wenn Projekt

dagegen die Selbstbestimmung der Lernenden in den Vordergrund stellt, dann kann

Projektunterricht als Kompromiss, als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen

Lehrenden und Lernenden im schulischen Rahmen, verstanden werden. Treffen nur

einige der genannten Merkmale zu, so spricht man von projektorientiertem Unterricht.

Es handelt sich also um eine Unterrichtsform, die den normalen Fachunterricht nicht

transzendiert und als weitergefasster Begriff die Spezialform des Projektunterrichtes

mit einschließt. [Hänsel, 1988]

Für die Praxis kritisiert Dagmar Hänsel das Vorherrschen von Merkmalkatalogen zur

Bestimmung von Projektunterricht als unzureichend; sie erlaubten zwar eine erste

Orientierung, erwiesen sich aber für die Beantwortung der Frage, ob ein Unterricht

als Projektunterricht gelten kann bzw. wie ein solcher Unterricht aussehen muss, als

wenig hilfreich. Aus der Auseinandersetzung mit Dewey ergibt sich für Hänsel eine

doppelte Begriffsbestimmung von Projektunterricht, einerseits inhaltlich, andererseits

methodisch, jeweils im Hinblick auf Gegenstand, Ziel und Methode des Unterrichts.

Sie resümiert nach sehr differenzierten Ausführungen hierzu: »Zusammenfassend

lässt sich Projektunterricht damit inhaltlich bestimmen als Unterricht, in dem Lehrer

und Schüler ein echtes Problem in gemeinsamer Anstrengung und in handelnder

Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zu lösen suchen, und zwar besser, als dies

in Schule und Gesellschaft üblicherweise geschieht.« [Hänsel, 1988] Das heißt, ein

echtes Problem wird in handelnder Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit von

Schülern und Lehrern zu lösen versucht. Für die methodische Seite kommt sie zu dem

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Schluss: »Zusammenfassend lässt sich Projektunterricht damit methodisch bestimmen

als geplanter Versuch, als pädagogisches Experiment, das von Lehrern und Schülern in

Form von Unterricht unternommen wird und das zugleich die Grenzen von Unterricht

überschreitet, indem es Schule und Gesellschaft durch praktisches Handeln erziehlich zu

gestalten sucht.« [Hänsel, 1988] Danach ist Projektunterricht also eine Unterrichtsform,

die als überfachliches, praktisches, pädagogisches, handlungsorientiertes Experiment

die Form des normalen Schulunterrichts transzendiert.

6.3. Die Projektidee - ein Fazit

Das Experiment als dominierende Methode zur Behandlung der Flugphysik zu wählen,

stand von Beginn der inhaltlichen Konzeption an außer Frage. Von den oben bereits

dargelegten zahlreichen Vorteilen des Experimentierens im Unterricht waren hier vor

allem ausschlaggebend Neugier und Fragehaltung zu wecken, Einblicke in physikalische

Forschungmethoden zu geben und den komplexen Sachverhalt anschaulich begreifbar

zu machen. Der experimentelle Charakter macht das Angebot für die Schülerinnen

und Schüler deutlich attraktiver, keine unwichtige Voraussetzung für ein Projekt auf

freiwilliger Basis. Sie haben mehr Spaß beim experimentellen Arbeiten, und ihre

natürliche Experimentierlust kann zum Lernen ausgenutzt werden.

Projektorientierter Unterricht- warum? In einem Vortrag zum Thema Interesse und Mo-

tivation im Physikunterricht begründet Leisen (2003) die Bedeutung von Methodik und

Unterrichtsformen für erfolgreiches Unterrichten: »Schüleraktive Unterrichtsformen

drängen verstärkt in den Physikunterricht und wirken sich positiv auf Interesse und

Motivation aus.« [Leisen, 2003b] Das hohe Maß an Schüleraktivität sei der Motivator

schlechthin und treffe genau die Schülermotive »selbst etwas tun wollen«, »sich er-

proben und bewähren«, »sich einbringen und ausklinken«.[Leisen, 2003b] Vor diesem

Hintergrund lag die Entscheidung für Projektarbeit nahe: sie bietet für Schülerinnen

und Schüler ein hohes Maß an Handlungsorientierung und Eigenständigkeit beim

Experimentieren, der Lehrer tritt in den Hintergrund, die Begeisterung für Thema und

Arbeit ist eine gemeinsame. Ein weiteres Argument ist auch die Tatsache, dass die

Alltagswelt der Lernenden immer stärker dominiert wird von Aktivitäten, die wenig

Raum lassen für eigene Erfahrungen.

Ein Projekt im engeren Sinne war durch die Themenvorgabe aufgrund der Rahmenbe-

dingungen nicht möglich, das heißt die Eigeninitiative der Schülerinnen und Schüler

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

in diesem Punkt beschränkt. Auch andere der skizzierten Merkmale konnten nicht

berücksichtigt werden. Insofern handelt es sich bei dem vorliegenden Konzept um

projektorientierten Unterricht im oben definierten Sinne.

Die Projektorientiertheit wird nach dem in 6.2. vorgestellten Merkmalskatalog von

Gudjons durch folgende Aspekte belegt:

• Das Thema ist, wie oben dargelegt, an der Lebenswelt und dem Alltag der Schüle-

rinnen und Schüler ausgerichtet.

• Ihre Interessen sind, obwohl sie das Thema Flugphysik nicht selbst ausgesucht

haben, berücksichtigt: zum einen haben sie sich freiwillig angemeldet, bringen

also eine eigene Motivation für das Thema mit, zum andern konnten sie bei

der Ausgestaltung der inhaltlichen Teilbereiche ihre Fragen und Neigungen mit

einbringen und so die Gewichtung im Projekt beeinflussen.

• Die Schülerinnen und Schüler werden zu Selbstorganisation und Selbstverantwor-

tung angeregt durch eigenständige Durchführung und Auswertung der Versuche

an den Projekttagen, für die der Lehrer nur das Grobkonzept festgelegt und das

Experimentiermaterial bereitstellt.

• Von Produktorientierung kann man insofern sprechen, als es sich im Gudjonsschen

Sinne um persönlich tiefgreifende Erfahrungen und Veränderungen von Haltun-

gen, hier z. B die Freude an der Physik, handelt sowie um vertiefte intellektuelle

Einsichten in naturwissenschaftliche Zusammenhänge.

• Auch soziales Lernen findet statt, weil die anfallenden Aufgaben wie die Durchfüh-

rung von Experimenten, die Bewertung von Messungen etc. nur in Partner- bzw.

Gruppenarbeit gelöst werden können; die Lernprozesse müssen so phasenweise

eigenständig organisiert und Absprachen getroffen werden. Die Kommunikati-

onsstruktur im Projekt ist nicht hierarchisch, sondern demokratisch: sie ist nicht

lehrerorientiert, es gibt keine Meldungen, Gespräche finden zwischen Schülern

wie auch zwischen Schülern und Lehrer auf Augenhöhe statt.

• Es wird im Projekt an verschiedenen Stellen interdisziplinär gearbeitet. So kom-

men beim Vergleich Hubschrauber und Drehflüglersamen oder Flugzeug und

Vogelflug Aspekte aus der Biologie zum Einsatz. Die Mathematik spielt im Hin-

tergrund durchgehend eine Rolle, wird aber in einzelnen Phasen explizit, zum

Beispiel wenn Fehlerrechnungen thematisiert werden. Die Gruppe hat so die

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Gelegenheit, einen Problemzusammenhang aus der Perspektive verschiedener

Fächer zu beleuchten und zu erkennen, dass die zentrale Frage »Wie fliegt ein

Flugzeug?« nur im Zusammenspiel verschiedener wissenschaftlichen Disziplinen

lösbar ist.

Nicht zuletzt hat zu der Entscheidung für projektorientierten Unterricht beigetragen,

dass diese Unterrichtsform einen notenfreien Raum ermöglicht, der die Schülerin-

nen und Schüler vom Leistungsdruck entlastet und so unbeschwertes Ausprobieren

und Agieren zulässt. Es widerspräche der Projektidee auch grundlegend, Einzel- oder

Gruppenleistungen zu benoten.

6.4. Äußere Rahmenbedingungen

Nach der ausführlichen Reflexion der Entstehung der Projektidee, geht es nun um

deren konkrete Umsetzung im schulischen Kontext. Vor der Darstellung des Ablaufs

der Projekttage, sollen in einem ersten Schritt der ausgewählte Lernort sowie die

Projektgruppe beschrieben werden.

6.4.1. Die Martin-Niemöller-Schule Wiesbaden als Lernort

Die Martin-Niemöller-Schule Wiesbaden ist eines der größten Oberstufengymnasien

Hessens. Hier besuchen derzeit circa 650 Schülerinnen und Schüler die Jahrgangsstufen

11, 12 und 13. Die Schule nimmt Absolventen von mehr als 30 Zubringerschulen aus

Wiesbaden und dem Umland auf, die Schülerschaft ist entsprechend heterogen.

Gegenwärtig ist die Martin-Niemöller-Schule in einem Provisorium untergebracht, ei-

nem leer stehenden Firmengebäude in der Homburger Straße, da das ursprüngliche

Schulgebäude durch einen Brand im Jahr 2007 teilweise zerstört wurde und nicht mehr

nutzbar ist. Für die derzeitige Unterrichtspraxis bedeutet dies eine starke Beeinträch-

tigung, vor allem wegen der Enge und des Fehlens von Fachräumen. Der bisherige

Standort an der Bierstädter Straße wird allerdings gerade saniert bzw. neu aufgebaut.

Zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 soll der Schulbetrieb dort wieder aufgenommen

werden.

Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Gäste erfahren die Martin-

Niemöller-Schule als eine offene, lebendige, tolerante Schulgemeinschaft mit einem

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

ausgesprochen attraktiven Angebot an schulischen und außerunterrichtlichen Aktivi-

täten wie z.B. Theater- AG, Dritte Welt-AG, Chemie-AG, Reflexionstage, Kulturnacht

etc., in denen die Jugendlichen entsprechend ihrer persönlichen Interessen und Nei-

gungen gefördert werden. Es existieren auch zwei Schulpartnerschaften, und zwar seit

über 20 Jahren mit dem Lycée René Cassin in Montfort/Bretagne sowie seit einiger

Zeit auch mit einem Gymnasium in Tschechien, die in jährlichem Austausch gepflegt

werden. Hauptmotiv für die Entscheidung vieler Schülerinnen und Schüler für die

Martin-Niemöller-Schule ist das überaus breite Spektrum an Grund- und Leistungs-

kursen, das ihnen hier, ermöglicht durch die große Jahrgangsbreite, geboten wird: So

stehen neben Leistungsfächern in Sprachen, sämtlichen Fächern des mathematisch-

naturwissenschaftlichen Aufgabenfeldes, Deutsch, Kunst und Musik auch Erdkunde und

Informatik zur Wahl. Sport ist als 5. Prüfungsfach wählbar. Auch in der Jahrgangsstufe

11 gibt es ein erweitertes Wahlpflichtangebot, das neben der dritten Fremdsprache

auch eins der Fächer Erdkunde, Philosophie und Informatik sein kann, seit neuestem

auch das MINT-Fach, in dem trimesterweise Fragestellungen aus den Fächern Chemie,

Physik und Biologie nachgegangen wird.

Einen besonderen Schwerpunkt hat die Martin-Niemöller-Schule im mathematisch-

naturwissenschaftlichen-informationstechnischen Bereich. So wurde sie wegen des

außergewöhnlichen Angebots in diesem Zweig aufgrund des hohen Engagements vieler

Lehrkräfte und der Begeisterung der Schüler für naturwissenschaftliche Inhalte über

den Fachunterricht hinaus bereits in den Jahren 2003-2006 schon MINT-Schule in

Anwartschaft und konnte 2006 als MINT-Schule zertifiziert werden. Sie gehört damit

dem MINT-Exellence Center an, zu dem nur rund 100 Gymnasien in Deutschland

zählen.

Im Kursangebot stehen neben Leistungskursen in allen Fächern des naturwissenschaftlich-

mathematischen Unterrichts auch besondere Grundkurse zur Wahl. So kann z.B. in

Biologie ein Biotechnologie-Kurs gewählt werden. In Physik wird ein Grundkurs mit

dem Schwerpunkt Astronomie angeboten. In den Grundkursen Mathematik kann im

Kurshalbjahr 13/2 das Thema Komplexe Zahlen behandelt werden.

Außerhalb vom Unterricht haben die Lernenden z.B. im Mathematisch-Naturwissenschaft-

lichen Club (MNC) die Möglichkeit, sich über naturwissenschaftliche Themen aller Art

auszutauschen, die sie selbst wählen, vorbereiten und der Schulgemeinde regelmä-

ßig präsentieren. Dabei entwickeln sie ein hohes Maß an Eigenständigkeit, werden

aber auf Wunsch bei der Vorbereitung auch von Fachlehrerinnen und Fachlehrern

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

unterstützt. Im MNC werden u.a. Themen wie Urknall, Klonen, Entstehung von Ster-

nen, Zahlenfolgen und Grenzwerte, Halbleiter oder Erdbeben diskutiert. Das Angebot

an Arbeitsgemeinschaften im Bereich der MINT-Fächer ist groß und erlaubt, Frage-

stellungen nachzugehen, die deutlich über den schulischen Horizont hinaus gehen.

Derzeit umfasst es die Mathematik-Spitzenförderung, die Biologieolympiade-AG, die

Chemie-Experimental-AG, die Informatik-AG und die Robotik-AG.

Außerdem gefördert wird die Teilnahme von Schülergruppen an bundesweiten Wett-

bewerben wie Olympiaden in den naturwissenschaftlichen Fächern und Mathematik,

am Bundeswettbewerb Informatik und an Jugend Forscht. 2008 fand das erste Wiesba-

dener MINT-Camp statt, organisiert von der Martin-Niemöller-Schule in Kooperation

mit der Gutenbergschule Wiesbaden mit mehrtägigen Veranstaltungen und Kursen, die

von Praxisbezug der MINT-Fächer Biologie, Chemie, Physik und Mathematik bestimmt

waren. Ein weiteres ist für 2011 in Planung.

Auch außerhalb der Schule bietet die Martin-Niemöller-Schule interessierten Lernenden

MINT-Aktivitäten an, bei denen sie Einblick nehmen in aktuelle Forschungsgebiete

von Universitäten oder neue Experimentier- und Analysetechniken praktisch erfahren.

Beispielhaft seien hier das X-Lab in Göttingen, das NAT-Lab an der Johannes-Gutenberg-

Universität, die Veranstaltung »Saturday- Morning- Physics« an der TU Dramstadt

bzw. »Physik am Samstag Morgen« der Mainzer Universität genannt. Es finden auch

regelmäßig Exkursionen und Betriebserkundigungen statt.

Diese Offenheit für naturwissenschaftliche Fragestellungen waren für die Autorin dieser

Arbeit der Grund, die Martin-Niemöller-Schule als Lernort für die Durchführung ihres

Projektes auszuwählen, das im Rahmen der außerunterrichtlichen MINT-Aktivitäten

anzusiedeln ist.

6.4.2. Die Projektgruppe

Der projektorientierte Unterricht mit Experimenten zur Flugphysik ist konzipiert für

Schülerinnen und Schüler der Oberstufe, und zwar nach Abschluss der Jahrgangsstufe

11, da auf die Grundlagen der Mechanik aus dem Physikunterricht von Klasse 11

aufgebaut wird.

Die Lerngruppe setzt sich daher zusammen aus zwölf Schülerinnen und Schülern der

Jahrgangsstufe 12, zehn Jungen und zwei Mädchen, die das Projekt freiwillig angewählt

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.3: Teilnehmende des Projektes

und allesamt noch Physik als Unterrichtsfach haben, die Hälfte als Leistungsfach, die

andere Hälfte als Grundkurs. Ein Großteil hat zudem das Leistungsfach Mathematik

belegt.

Befragt nach ihren Motiven für die Teilnahme am Projekt, äußerten sich die Schü-

lerinnen und Schüler unterschiedlich: bei dreien war der Berufswunsch Pilot der

ausschlaggebende Faktor, einer ist in seiner Freizeit Segelflieger, weitere fanden einfach

die Möglichkeit zum Experimentieren gut. Allen gemeinsam war eine große Neugier

und Begeisterung für das Thema anzuspüren.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

6.5. Ablauf der Projekttage

6.5.1. Erster Projekttag

Einstiegsphase

Nach einer Begrüßung und Vorstellungsrunde wurden in einem ersten Gespräch Vor-

erfahrungen erfragt und Schülermotive und -interessen sowie Erwartungshaltungen

geklärt. Es zeigte sich, wie oben dargelegt, dass persönliche Neigungen der Schüle-

rinnen und Schüler sowie die Freude am Experimentieren Hauptgründe waren, das

Projekt anzuwählen.

Zum Einstieg ins Thema und zur Motivierung wurden anschließend mittels einer

Powerpoint-Präsentation Bildimpulse gegeben, aus denen sich ein Schülergespräch

entwickelte zu den Aspekten Fliegen als Menschheitstraum, historische Entwicklung

und Einteilung von Flugobjekten. Dieses mündete in die zentrale Frage: Warum fliegen

Heißluftballone und Flugzeuge?

Projekteinheit 1: Heißluftballone und Zeppeline – Der statische Auftrieb

Aus der Betrachtung von drei Versuchsaufbauten, einem Miniaturheißluftballon, einem

cartesianischen Taucher und einem Eisbrocken im Wasserbad wurde nach dem alle drei

Versuche verbindenden Element gesucht und das Prinzip des Auftriebs als grundlegende

Erklärung erkannt.

Zur Klärung der sich anschließenden Frage »Was ist Auftrieb?« wurde zunächst ein Ver-

such gemacht, um zu demonstrieren, dass durch die Auftriebskraft in einer Flüssigkeit

das Gewicht eines Körpers scheinbar geringer wird. Versuchsaufbau und -erklärung

finden sich im Anhang A.1..

Mittels einer Overhead-Folie stellte, nachdem klar war, dass keine Mittelstufenkenntnis-

se hierüber vorlagen, die Projektleiterin das Archimedische Prinzip in den Raum, das

dann durch einen quantitativen Versuch verifiziert wurde. Im Anschluss wurde dann

das Archimedische Prinzip für den Spezialfall eines quaderförmigen Körpers theoretisch

hergeleitet, und zwar eigenständig in der Gesamtgruppe, nachdem der Begriff des

Schweredrucks eingeführt war.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.4: Entzünden des Brennstoffes, Teil 1

Danach wurden in zwei Gruppen die beiden Anfangsexperimente mit Eisblock bzw. car-

tesianischem Taucher diskutiert und die Erklärung schriftlich festgehalten. Gemeinsam

wurde dann die Theorie des Heißluftballons erarbeitet, in Gruppen mehrere Modelle

gebaut und im Freien steigen gelassen. Die Bauanleitung findet sich im Anhang B.3..

Eine gute Alternative bei Zeitmangel stellen chinesische Himmelslaternen dar, weil

die Bauphase entfällt und der Schwerpunkt dennoch auf dem Ausprobieren liegen kann.

Überleitungsphase zwischen Projekteinheit 1 und 2

Die logisch sich anschließende Frage »Wie funktioniert aber das Ganze am Flugzeug?«

wurde eingeleitet mit einer Zeichnung von einem Flugzeug auf Overhead-Folie. In einer

gemeinsamen Diskussion wurden die Kräfte, die an einem Flugzeug wirken, erörtert.

Dabei zeichneten die Schüler Auftriebs-, Gewichts-, Schub- und Widerstandskraft auf

der Folie ein. Im Raum stand nun die zentrale Frage, wie sich das Auftreten einer

Auftriebskraft bei einem Flugzeug erklären lässt bzw. allgemein bei Flugobjekten, die

schwerer als Luft sind. An dieser Stelle ging es nicht um die Beantwortung der Frage,

sondern um die Erkenntnis, dass es sich hier um eine andere Form des Auftriebs handeln

muss, nämlich den dynamischen Auftrieb.

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Abbildung 6.5: Aufheizen des Ballons

Abbildung 6.6: Entzünden des Brennstoffes, Teil 2

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.7: Der erste Flug

Projekteinheit 2: Die Druckerklärung

Zunächst wurde die Theorie der Bernoullischen Gleichung hergeleitet und am Versuch

verdeutlicht. Dabei wurde der Druck mithilfe von U-Rohr-Manometern an verschie-

denen aussagekräftigen Stellen des Venturi-Rohrs gemessen und dabei noch einmal

die Kontinuitätsgleichung thematisiert, um Aussagen über die Strömungsgeschwin-

digkeiten zu erhalten. Dieser Themenblock wurde der eigentlichen Behandlung der

Druckerklärung des Fliegens voran gestellt, weil unklar war, ob und inwieweit die

Bernoullische Gleichung auf Schülerseite präsent und verstanden ist.

Die Projektleiterin gab dann den Hinweis, dass das Geheimnis des Auftriebes in der

Flügelform liegt, der Flügel also das für den Auftrieb wichtigste Bauteil ist. Sie zeigte

verschiedene Flügelformen, anhand derer Hypothesen aufgestellt wurden, wie sich bei

diesen Auftrieb und Widerstand verhalten (Vgl. Abschnitt 3.2).

Der Arbeitsanweisung folgend, ein Stromlinienbild für die Umströmung einer Tragfläche

zu zeichnen, zeichneten die Schülerinnen und Schüler intuitiv das Wichtigste richtig,

nämlich die Verengung der Stromlinien an der Oberseite bzw. deren Erweiterung an

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

der Unterseite und auch das glatte Abströmen an der Hinterkante. Das betrachtete

Stromlinienbild wird mithilfe der zuvor qualitativ diskutierten Bernoulli-Gleichung

interpretiert und ihm so die Information entnommen, dass an der Unterseite der Tragflä-

che Überdruck, an der Oberseite Unterdruck herrscht. Daraus lässt sich schlussfolgern,

dass sich aus der Druckdifferenz der Auftrieb ergibt.

Mit einem Schrägrohrmanometer wurde im Anschluss die Druckverteilung am Flügel-

profil gemessen. Steht dieses spezielle Versuchsinstrument nicht zur Verfügung, kann

man mit einfachen Experimentiermaterialien ein Schrägrohrmanometer nachbauen.

Beide Varianten sind im Anhang A.4. erläutert.

Es folgte nun eine Experimentierphase zu den zwei Themen Stromlinienerzeugung und

Bernoullisches Gesetz, in der die Schülerinnen und Schüler einzeln oder in kleinen

Gruppen frei an Experimenten arbeiten konnten. Es waren sowohl Freihandversuche als

auch komplexere Aufbauten darunter, die entsprechenden Anleitungen lagen aus. An

dieser Stelle wurde auch der in Kapitel 4.1 beschriebene Prandtlsche Strömungskanal

erstmalig eingesetzt. Versuchsbeschreibungen und -erklärungen finden sich im Anhang

A. Die Experimentierphase verfolgte also zwei Anliegen: zum einen Stromlinienbilder,

die vorher als selbstverständlich vorausgesetzt wurden, eigenhändig zu erzeugen, zum

anderen die Kenntnisse des Bernoullischen Gesetzes zu festigen, insbesondere in der

Anwendung beim Fliegen.

Von diesem ersten Projekttag, der nach der Experimentierphase abgeschlossen war,

nahmen die Schülerinnen und Schüler die Druckerklärung als eine erste Erklärung für

das Fliegen mit.

6.5.2. Zweiter Projekttag

Der Einstieg in den zweiten Projekttag erfolgte über gemeinsames Experimentieren

am Seifenfilmkanal (Vgl. Kapitel 4.2). Die zum Verständnis der entstehenden Bilder

nötige Theorie wurde gemeinsam erarbeitet. Anhand der Stromlinienbilder wurde die

Druckerklärung des Vortages noch mal wiederholt. Im Gespräch wurde deutlich, dass

es für die Frage, warum die Luft an der Oberseite schneller strömt als an der Untersei-

te, noch keine Erklärung gab. Die Schülerinnen und Schüler formulierten nun Ideen

und überprüften diese kritisch. Das Weglängen-Argument wurde explizit thematisiert,

erläutert und seine Gültigkeit widerlegt.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.8: Start des Luftballonrennwagens

Projekteinheit 3: Die Rückstoßerklärung

Eingestiegen wurde über eine Experimentierphase zum Prinzip von actio gleich reactio

bzw. zum Rückstoßprinzip. Auch in dieser Phase experimentierten die Schülerinnen

und Schüler frei mit verschiedenen Versuchen, darunter Raketenmodelle, Luftbal-

lonrennwagen und –hubschrauben. Anschließend besprachen sie die Versuche noch

einmal in der Gesamtgruppe und erarbeiteten dabei die zugehörige Theorie. Es folgte

die Übertragung des Rückstoßprinzips auf das Flugzeug, indem durch einen Versuch

mit Flügelprofil und Schiene die Rückstoßerklärung beschreibend erörtert wurde.

Schließlich wurde die Rückstoßerklärung noch, wie in Abschnitt 5.3.2.1 dargestellt,

mathematisch-physikalisch begründet.

Projekteinheit 4: Die Zirkulationserklärung

Nach einem Theorieblock, innerhalb dessen mit der gesamten Lerngruppe der Auftrieb

erklärt wurde mithilfe der Zirkulation, wie in Kapitel 5.3.3.1 dargelegt, wurde die

Entstehung des Anfahrwirbels im Prandtlschen Strömungskanal beobachtet und unter-

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.9: Luftballonrennwagen in Fahrt

Abbildung 6.10: Start der Luftballon-Hubschraube

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Abbildung 6.11: Flug der Luftballonhubschraube

Abbildung 6.12: Raketenstart

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

sucht und mit einem weiteren Experiment die Zirkulationsströmung um ein Flügelprofil

demonstriert.

6.5.3. Dritter Projekttag

Projekteinheit 5: Quantitative Messungen zu Auftrieb und Widerstand

Nachdem an den ersten beiden Projekttagen die physikalische Begründung der Kräfte

im Mittelpunkt stand, ging es nun um die Quantifizierung der Kräfte. Der Einstieg

dazu erfolgte über die Frage, welches die optimalen Eigenschaften eines Profils für

den Flugzeugbau seien. Dazu wurden verschiedene Flügelprofile und Segelflugmodelle

analysiert und Hypothesen formuliert über das Verhältnis von Auftrieb und Wider-

stand, bis sich schließlich das Ideal »Maximaler Auftrieb bei minimalem Widerstand«

herauskristallisierte. Im Rahmen dieser Diskussion wurden auch noch die Geometrie

des Tragflügels und insbesondere die Unterscheidung von Einstell- und Anstellwinkel

thematisiert.

Für die folgende Phase wurde die Gruppe in zwei Kleingruppen aufgeteilt. Die erste hat-

te den Auftrag, ein Messverfahren für die Messung von Auftrieb und Widerstand eines

Flügelprofils in Abhängigkeit des Anstellwinkels zu überlegen, dieses durchzuführen,

zu protokollieren und auszuwerten. Die Auswertung war geplant mithilfe eines excel-

Arbeitsblattes, in dem die Messwerte mit Fehler einzutragen waren und aus denen sich

ein Lilienthalsches Polardiagramm ergeben sollte. Die zweite Gruppe sollte zunächst

Hypothesen formulieren, welche der vorliegenden Profilkörper hohen bzw. geringen

Luftwiderstand hätten, anschließend Überlegungen zu möglichen Messmethoden an-

stellen und diese durchführen. Nach Beendigung des Experimentierens erhielten die

beiden Kleingruppen den jeweils anderen Arbeitsauftrag. In diesem Zusammenhang

wurde im Gespräch mit der Projektleiterin, die für Rückfragen zur Verfügung stand,

immer wieder auf Messfehler und Fehlerfortpflanzung eingegangen.

Projekteinheit 6: Flugmodellbau

In dieser Phase stand das Sammeln von praktischen Erfahrungen im Vordergrund. Es

lagen verschiedene Bauanleitungen für das Falten von Papierfliegern vor, es konnte aber

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.13: Zu Beginn der Bauphase

auch nach eigenen Vorstellungen gebaut und ausgetestet werden. Die Funktion der un-

terschiedlichen Bauteile eines Flugzeugs wurde überprüft, indem Papierflieger mit und

ohne Leitwerk verglichen wurden. In Abwandlung des eigentlich für Balsalholzflieger

konzipierten Bauplans »5 aus einem Brett« wurde aus Gründen der einfacheren Hand-

habung mit Styroporfliegern experimentiert. Das verwendete Material Depron in den

Dicken 3mm und 6mm lässt sich nämlich mit einer Niedertemperatur-Heißklebepistole

unkompliziert verarbeiten. Anschließend wurden verschiedene mitgebrachte Segel-

flugmodelle draußen getestet, wobei die Frage der Steuerung von Modellfliegern bzw.

Flugzeugen im Mittelpunkt stand.

Projekteinheit 7: Hubschrauberphysik

Nachdem die Bewegung verschiedener Drehflüglersamen im Versuch getestet wurde,

bauten die Schülerinnen und Schüler ein Samenmodell aus Papier nach. Daraus ent-

wickelte sich eine Diskussion über den Zusammenhang zwischen den in der Natur

vorkommenden Drehflüglersamen und dem Prinzip des Hubschraubers. Schließlich

wurde ein Versuch durchgeführt, der die Funktionsweise der Tragschraube erklärte.

133

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.14: Papierflieger falten

Abbildung 6.15: Der Start eines Balsal-Gleitmodells

134

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Projektabschluss

In einem abschließenden Gespräch im Plenum wurden noch offen gebliebene Fragen

gesammelt und soweit wie möglich geklärt. Die Projektgruppe wurde gebeten, einen

Evaluationsbogen auszufüllen, um ein Feedback zu geben über erworbene Kenntnisse

und Fertigkeiten, Angemessenheit der Experimente und Vorgehensweise, erfüllte und

nicht erfüllte Erwartungen (Vgl. Anhang E.). Der Tag wurde beschlossen in zwangloser

Runde mit einem Kuchen in Flugzeugform, den die Projektleiterin für die Gruppe

gebacken hatte.

6.6. Reflexion der Projekttage

Schon während der Durchführung der Projekttage zeigte sich, dass die Entscheidung für

projektorientiertes, experimentelles Arbeiten an Inhalten der Flugphysik konzeptionell

richtig war. Die Physik des Fliegens konnte dadurch aus Lehrersicht anschaulich und

umfassend vermittelt werden; es war ein Vergnügen, die Lerngruppe beim Experimen-

tieren zu beobachten, ihre Motiviertheit am Thema und ihre Experimentierfreude zu

erleben. In der abschließenden Evaluation in Form eines anonymen Feedbackbogens

bewerteten die Schülerinnen und Schüler das Projekt alle äußerst positiv. Bereits im

Laufe des ersten Tages hatten sie begeistert vom Projekt entschieden, das Ganze filmisch

zu dokumentieren. Zu den Tops in der Schülerbeurteilung gehörten die Experimente,

vor allem diejenigen, die draußen, außerhalb des Schulgebäudes durchgeführt wurden.

Erfreulicherweise schätzten die Schülerinnen und Schüler aber auch das Verhältnis von

Theorie zu Experimenten als angemessen ein und sahen es als großen Vorteil an, dass

auf die theoretische Erarbeitung von Lerninhalten immer eine Phase der praktischen

Anwendung folgte. Dadurch sei es nie langweilig geworden und man habe sich immer

gut konzentrieren können. Quantitative Messungen waren eher unbeliebt, wurden aber,

wo notwendig, dennoch durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler waren dann auch

motiviert, diese eigenständig mit dem Laptop auszuwerten, so dass das vorbereitete

excelsheet erst gar nicht mehr benötigt wurde, da sie schon dabei waren, es selbst zu

erstellen.

Nach der Erfahrung der Projektleiterin waren die eingesetzten Experimente insgesamt

beeindruckend, hilfreich und zur Vermittlung des Lernstoffs sehr gut geeignet. Bezüg-

lich des Prandtlschen Strömungskanals ist hervorzuheben, dass er vielseitig einsetzbar

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.16: Schülerantworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Theorieund Praxis

ist und auch tatsächlich an den Projekttagen in unterschiedlichen Phasen zum Einsatz

kam. Die Ergebnisse, das heißt die entstehenden Strömungsbilder, ließen sich allerdings

noch - wie ursprünglich auch geplant - verbessern durch die Verwendung von Alumi-

niumflocken statt Maismehl; aus Sicherheitsgründen wurde jedoch darauf verzichtet,

da Aluminium in Verbindung mit Wasser explosiv wirken kann. Eine Bereicherung des

Projektes könnten Experimente in einem Windkanal sein; sie wurden an dieser Stelle

nicht gemacht, weil derzeit an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz parallel

zur vorliegenden Arbeit eine Staatsexamensarbeit zu Versuchen an einem Windkanal

entwickelt wird, dieser aber zum Zeitpunkt des Projektes noch nicht einsetzbar war.

Insofern konnte die Umströmung von Körpern nur in Flüssigkeiten, nicht aber in Luft

sichtbar gemacht werden. Allerdings wurde im Verlauf des Projektes mit der Lerngruppe

ein Modell eines Windkanals gebaut, der für qualitative Betrachtungen ausreichte (Vgl.

Abschnitt 4.4 und Anhang B.2.).

Ebenfalls ausbaufähig ist die experimentelle Gestaltung der Einheit zur Zirkulationser-

klärung. Die Beobachtung des Anfahrwirbels am Flugzeugprofil und die Demonstration

der Zirkulationsströmung sind zwar sinnvoll, aber nicht ganz ausreichend, gerade weil

136

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.17: Schülerantworten auf die Frage nach Tops ud Flops

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.18: Schülerantworten auf die Frage nach Erstaunlichem undFaszinierendem

letztere nicht immer überzeugend funktioniert. An dieser Stelle das Konzept weiter

zu entwickeln, ist eine lohnenswerte Aufgabe in Richtung Aufwertung der Projektein-

heit, zumal sich in der didaktischen Literatur hierzu nichts findet. Dies war jedoch im

Rahmen der vorliegenden Staatsexamenarbeit nicht zu leisten.

Der Versuch mit dem Seifenfilmkanal war sehr eindrucksvoll. Um die entstehenden

Bilder zu interpretieren, musste man in einem theoretischen Exkurs über die Aerody-

namik hinausgehen, ein bereichernder Lernzuwachs, der allerdings auch mehr Zeit

verlangte.

Das Arbeitsverhalten in den Experimentierphasen dokumentierte weniger Selbstständig-

keit als erwartet: so wurde in den Phasen des freien Experimentierens deutlich weniger

effizient gearbeitet; es bedurfte längerer Anlaufphasen, sich selbst zu organisieren, ver-

mutlich zurückzuführen auf fehlende Übung in handlungsorientiertem Arbeiten. Hier

zeigte sich auch ein geschlechtspezifischer Unterschied: wenn es klare Arbeitsaufträge

gab, übernahmen meist die Mädchen das Kommando, in freien Projektphasen eher die

Jungen. Insgesamt arbeitete die Projektgruppe eher beschreibend-phänomenologisch,

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

die Reflexion und Interpretation des Beobachteten kam oft zu kurz. Aufgefangen wurde

dies durch gezielte Impulse zur nochmaligen Erörterung des Themas in der Gesamt-

gruppe.

Bewährt hat sich aus Lehrersicht das Konzept, in Experimentierphasen Versuche aus-

wählen zu lassen anstelle die Projektteilnehmer zur vollständigen Durchführung aller zu

verpflichten. Es wären derer zu viele gewesen, ihre Durchführung wäre zu zeitintensiv

und die Verpflichtung hätte vor allem der Projektidee widersprochen. So konnte jeder

Einzelne genau an den Experimenten arbeiten, die ihn interessierten, daran weiter über-

legen und entwickeln, was tatsächlich auch geschah zum Beispiel durch Heranziehung

von Zusatzmaterialien aus der Physiksammlung.

Was das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler betrifft, so wurde ein Missverhältnis

deutlich zwischen zu erwartenden Vorkenntnissen und tatsächlichem Wissen, das heißt,

in den Theoriephasen konnte nur wenig vorausgesetzt werden. Überhaupt mussten im

Verlauf des Projektes immer wieder grundlegende Begriffe geklärt werden, so z.B. der

Unterschied zwischen Druck und Kraft.

Die Gruppengröße von zwölf hat sich als sehr angenehm und konstruktiv erwiesen.

Sie erlaubte das Einbringen einer Vielfalt von Ideen und eine lebendige Interaktion

unter den Schülerinnen und Schülern und war gleichzeitig klein genug, um in der

Gesamtgruppe ohne große Moderation und Lenkung von Seiten des Lehrers produktiv

zu diskutieren und zu arbeiten, eine wichtige Facette des Projektcharakters. Insgesamt

war die Arbeitsatmosphäre freundlich und sehr angenehm, auch in Phasen hoher Kon-

zentration. Die Schülerinnen und Schüler waren integrativ, keiner wurde ausgegrenzt,

es gab ein hohes Maß an Kooperation. Gegenüber der Projektleiterin verhielten sie sich

unkompliziert und respektvoll, halfen nach Ablauf der Projekttage beim Abbau der Ex-

perimente und drückten ihren Dank ihr gegenüber aus, u.a. in einem Blumenstrauß. In

der abschließenden Feedbackrunde bewerteten sie die Projekttage als äußerst lehrreich,

unterhaltsam und gelungen.

Der beste Beweis dafür, dass die Inhalte der Flugphysik bei den Schülerinnen und Schü-

lern angekommen sind, sind ihre Überlegungen, daraus ein Jugend Forscht- Projekt zum

Thema Hubschrauberphysik entstehen zu lassen. Die große Motivation für das Thema

kommt auch in der allgemeinen Bitte zum Ausdruck, die Powerpoint-Präsentation zum

Projekt zugeschickt zu bekommen.

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6. Flugphysik als experimenteller, projektorientierter Unterricht

Abbildung 6.19: Anmerkungen der Schülerinnen und Schüler zum Gesamtprojekt

140

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7. Literaturangaben

[Apel, 2001] Apel, J.P. 2001. Der wahre Grund des Fliegens. oder: die Aufdeckung des

größten Lapsus der Wissenschaft des 20sten Jahrhunderts.

[Bastian, 1993] Bastian, J. 1993. Das Projektbuch II. Über die Projektwoche hinaus.

Projektlernen im Fachunterricht. Bergmann und Helbig.

[Berthold et al., 2006] Berthold, C. und Christ, D. und Braam, G. und Haubrich, J.

und Herfert, M. und Hilscher, H. und Kraus, J. und Möller, C. 2006. Physikalische

Freihandexperimente. Band 1. Mechanik. Aulis Verlag Deubner.

[Böswirth, 2010] Böswirth, L. 2010. Technische Strömungslehre. Vieweg und Teubner.

[Boog, 1976] Flugphysik in der Sekundarstufe 1. Technik - Praxis und Theorie Band 4.

Neckar-Verlag.

[Braunburg, 2008] Braunburg, R. 2008. Fliegerei und Luftfahrt. Was ist Was Band 10.

Tessloff.

[CorEx FlugFliegen] Versuchsbeschreibung / Gebrauchsanleitung CorEx Demonstrations-

Gerätesatz Flug und Fliegen. Cornelsen Experimenta.

[Denzin, 2000] Denzin, K.-H. 2000. Bauen und Fliegen. Freiflug- und Fernlenkmodelle.

Neckar-Verlag.

[DLR] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (Hrsg.). Das DLR_School_Lab -

Der Seifenfilmkanal.

[Dorfmüller et al., 1998] Dorfmüller, Hering, W. und Stierstadt, K. 1998. Lehrbuch der

Experimentalphysik Band 1. Mechanik Relativität Wärme. de Gruyter.

[Dorn und Bader, 1985] Dorn, F. und Bader, F. 1985. Physik Mittelstufe. Schroedel

Schulbuchverlag.

141

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7. Literaturangaben

[FFdT, 2005] Freunde und Förderer des Deutschen Technikmuseums e.V. (Hrsg.) 2005.

Vom Ballon zur Luftbrücke. Informationen der Freunde und Förderer des Deutschen

Technikmuseums Berlin 21. (45.) Jahrgang.

[Gudjons, 1986] Gudjons, H. 1986. Handlungsorientiert lehren und lernen. Projektun-

terricht und Schüleraktivität. Klinkhardt.

[Hänsel, 1988] Hänsel, D. 1988. Was ist Projektunterricht und wie kann er gemacht

werden?. In: Projektbuch Sekundarstufe. Beltz.

[Heepmann, 2006] Heepmann, B. 2006. Technik für Dich. Flug und Fliegen. Vom Ballon

zum Airbus. Cornelsen.

[Hermann und Job, 2002] Hermann, F. und Job, G. 2002. Altlasten der Physik. Artikel

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[Kalbow, 2000] Kalbow, M. 2000. Hubschrauber-Aerodynamik wie sie nicht schmerzt.

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[Kircher et al., 2009] Kircher, E., Girwidz, R., und Häußler, P. 2009. Physikdidaktik.

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[Kuhn, 2008.] Kuhn, W. 2008. Physik 1. Gesamtband. Westermann Verlag.

[LD36207] Leybold Didactic. Gebrauchsanweisung Wasserstromliniengerät 36207. LD

Didactic GmbH.

[Lehrplan Hessen] Hessisches Kultusministerium. Lehrplan Physik. Gymnasialer Bil-

dungsgang. Jahrgangsstufen 7 bis 13.

[Lehrplan Rheinland-Pfalz 1] Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbil-

dung Rheinland-Pfalz. Lehrplanentwürfe. Lernbereich Naturwissenschaften. Gymasium

Klasse 7 - 10.

[Lehrplan Rheinland-Pfalz 2] Fries, D. und Leisen, J. und Lugge-Hölscher, J.und Eute-

neuer, A. Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz.

Lehrplan Physik Oberstufe. Klasse 11-13.

[Leisen, 2003a] Leisen, J. 2003. „Heureka! Ich habe den Auftrieb verstanden.“ - Ein

Unterrichtsbeispiel zum Wechsel der Darstellungsebenen. In: Unterricht Physik 3 (2005).

Friedrich Verlag.

142

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7. Literaturangaben

[Leisen, 2003b] Leisen, J. 2003. Interesse und Motivation im Physikunterricht. Vortrag

auf der Tagung: Naturwissenschaftlich-technischer Unterricht auf dem Weg in die

Zukunft am 14.6.2003 an der TU-Braunschweig.

[Löffler, 1986] Löffler, G. 1986. Projektorientierter Physikunterricht. Aulis Verlag Deub-

ner.

[Luchner, 1992] Luchner, K. 1992. Fliegen - Angewewandte Physik. Praxis Schriftenreihe

Physik Band 48. Aulis Verlag Deubner.

[Marchaj, 1982] Marchaj, C.A. 1982. Aerodynamik und Hydrodynamik des Segelns,

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[Mauch] Mauch, H. Kleine Hubschrauberschule. Die blauen Bücher der Flugpraxis Band

3. Aero-Verlag

[Mayer, 2008] Mayer, H. 2008. Unterrichtsmethoden. Theorieband. Cornelson Scrip-

tor.

[Meyer und Schmidt, 2008] Meyer, L. und Schmidt, G.-D. 2008. Physik Gesamtband

Sekundarstufe 1. Duden Paetec Schulbuchverlag.

[Mie und Frey, 1994] Mie, K. und Frey,K. 1994. Physik in Projekten. Beispiele für

fächerübergreifende, projektorientierte Vorhaben mit Schwerpunkten aus der Physik.

Aulis Verlag Deubner.

[Nahum, 2005] Nahum, A. 2005. Flugmschinen. Von den Heißluftballons des 18.

Jahrhunderts bis zu den Jumbojets der Gegenwart. Gerstenberg Verlag.

[Oertel, 2008] Oertel, H. jr. (Hrsg.) 2008. Prandtl - Führer durch die Strömungslehre.

Vieweg und Teubner.

[Perske, 2001] Perske, F. 2001. Das Segelflugmodell Teil 1. Neckar-Verlag.

[Perske, 2000] Perske, F. 2001. Das Segelflugmodell Teil 2. Neckar-Verlag.

[Rübenbeck, 1998] Rübenbeck, C. 1998. Aerodynamischer Auftrieb - einfach zu erklä-

ren?. Ein Beitrag zum weiteren Verstehen, warum Flugzeuge fliegen. In: Physik in der

Schule Heft 12. 36. Jahrgang. Pädagogischer Zeitschriftenverlag.

[Rübenbeck, 2002] Rübenbeck, C. 2002. Zur Erklärung des Fliegens. In: Praxis der

Naturwissenschaften - Physik in der Schule 4/51 Jg. 2002. Aulis Verlag Deubner.

143

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7. Literaturangaben

[Rübenbeck, 2008] Rübenbeck, C. 2008. Aerodynamischer Auftrieb erklärt?. In: Praxis

der Naturwissenschaften - Physik in der Schule 7/57 Jg. 2008. Aulis Verlag Deubner.

[Schlichting und Truckenbrodt, 2001a] Schlichting, H. und Truckenbrodt, E. 2001.

Aerodynamik des Flugzeuges Erster Band. Springer

[Schlichting und Truckenbrodt, 2001b] Schlichting, H. und Truckenbrodt, E. 2001.

Aerodynamik des Flugzeuges Zweiter Band. Springer

[Schneiderer, 2008] Schneiderer, J. 2008: Angewandte Flugleistung. Springer Verlag.

[Schnippenkötter und Weyres, 1937] Schnippenkötter, J. und Weyres, T. 1937. Physik

der Luftfahrt. Ferdinand Dümmlers Verlag.

[Send, 2001] Send, W. 2001. Physik des Fliegens. Ein reizvolles Thema, jungen Leuten

die Gesetze der Mechanik lebendig zu vermitteln. Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 6.

Physik-Verlag.

[Sexl et al., 1980], Sexl, R. und Raab, I. und Streeruwitz, E. 1980. Das mechanische

Unversum. Eine Einführung in die Physik Band 1. Diesterweg / Sauerländer.

[Simons, 2006] Simons, M. 2006. Modellflug - ABC. Verlag für Technik und Hand-

werk.

[Simons und Withington, 2007] Simons, D. und Withington, T. 2007. Die Geschichte

der Fliegerei - Vom ersten Doppeldecker bis zum modernen Airbus. Parragon.

[Spurk und Aksel, 2007] Spurk, J.H. und Aksel, N. 2007. Strömungslehre. Einführung

in die Theorie der Strömungen. Springer.

[Weltner, 1998] Weltner, K. 1998. Das Bernoullische Gesetz und seine Fehlinterpretatio-

nen. In: Physik in der Schule Heft 2. 36. Jahrgang. Pädagogischer Zeitschriftenverlag.

[Weltner, 2001] Weltner, K. 2001. Flughysik. Physik des Fliegens, Strömungsphysik,

Raketen, Satelliten. Aulis Verlag Deubner.

[Weltner, 2002] Weltner, K. 2002. Flugphysik - um das Fliegen zu verstehen. In:

Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Unterricht 55/7. Dümmler.

[Wieghardt, 2005] Wieghardt, K. 2005. Theoretische Strömungslehre. Universitätsver-

lag Göttingen.

[Wilke, 1978] Wilke, N. 1978. Flugtheorie für Hubschrauber. Militärverlag der Deut-

schen Demokratischen Republik.

144

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7. Literaturangaben

[Wilke, 1993] Wilke, H.-J. 1993. Zur Bedeutung des Experimentes im Physikunterricht.

In: Naturwissenschaften im Unterricht - Physik. 4 (1993) N.18. Friedrich Verlag.

[Wodzinski, 1999] Widzinski, R. 1999. Wie erklärt man das Fliegen in der Schule?

Versuch einer Analyse verschiedener Erklärungsmuster. In: Plus Lucis 2/99.

[Wodzinski und Ziegler, 2000] Wodzinksi, R. und Ziegler, A. 2000. Erklärung des Flie-

gens in der Schule - Eine kritische Analyse verschiedener Erklärungsmuster und ein

alternativer Unterrichtsvorschlag. In: Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Unterricht

53/5. Dümmler.

Weitere Quellen:

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Flugzeug, Stand: 1.7.2010

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Farbkreis, Stand: 1.7.2010

[3] http://pluslucis.univie.ac.at/FBA/FBA01/preiss/kap3-Dateien/image029.gif, Stand:

1.7.2010

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_Luftfahrt, Stand: 1.7.2010

[5] http://www.luftrettung-hamburg.de/html/geschichte_des_fliegens.html, Stand:

1.7.2010

[6] http://www.planet-schule.de/warum/fliegen/themenseiten/t_index/s1.html, Stand:

1.7.2010

145

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8. Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich, Lena Michaela Altherr, dass ich die wissenschaftliche Prüfungs-

arbeit für die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien selbstständig ohne

fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet

habe. Diese Erklärung schließt auch die im Internet zugänglichen Daten ein. Die Stel-

len der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen

wurden, sind unter Angabe der Quellen der Entlehnung kenntlich gemacht. Die Arbeit

ist noch nicht veröffentlicht oder in gleicher oder anderer Form an irgendeiner Stelle

als Prüfungsleistung vorgelegt worden.

Mainz, Juli 2010

Lena Michaela Altherr

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Anhang

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.1: Auftrieb in Flüssigkeiten - Versuch 1

A. Versuchsbeschreibungen

A.1. Auftrieb in Flüssigkeiten

Ein beliebiger Körper wird, wie in Abbildung A.1 dargestellt, an einen Federkraftmesser

gehängt, und es wird seine Gewichtskraft gemessen. Danach wird der Körper, an

dem Federkraftmesser hängend, in Wasser getaucht und dann erneut die Anzeige der

Federwaage abgelesen. Man beobachtet, dass das Messinstrument einen geringeren

Wert anzeigt. Es scheint also so, als würde auf den untergetauchten Körper eine kleinere

Gewichtskraft wirken. In Wirklichkeit ist aber die Gewichtskraft auf einen Körper in

Wasser und in Luft gleich groß. Denn unter Wasser wird ein Körper genauso von der

Erde angezogen wie in der Luft. Grund für die niedrigere Kraftanzeige ist vielmehr, dass

das Wasser eine nach oben gerichtete Kraft auf den Körper ausübt, die Auftriebskraft.

Es wird nicht mehr die Gewichtskraft des Körpers angezeigt, sondern die Resultierende

aus der Gewichtskraft und der nach oben wirkenden Auftriebskraft.

Da dieser Versuch im Rahmen der Projekttage ein Einführungsexperiment darstellt,

148

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A. Versuchsbeschreibungen

wird die Frage nach der Erklärung für die Auftriebskraft an dieser Stelle noch nicht

thematisiert. Für den Leser dieser Arbeit: Infolge des Schweredrucks wirken auf einen

eingetauchten Körper Kräfte senkrecht zu seinen Begrenzungsflächen. Weil der Schwe-

redruck mit steigender Tiefe zunimmt, wirkt auf die Unterseite des Körpers eine etwas

größere Kraft als auf seine Oberseite. Als Resultierende der Kräfte auf Ober- und

Unterseite ergibt sich dann die Auftriebskraft.

A.2. Verifizierung des Archimedischen Prinzips

Mit dem folgenden Experiment soll das Archimedische Prinzip quantitativ bestätigt

werden. Es handelt sich um einen ähnlichen Aufbau wie in A.1. des Anhangs; aller-

dings ist der Behälter, in den der Körper eingetaucht wird, diesmal ein Überlaufgefäß.

Ein zusätzliches Gefäß dient dem Auffangen der Flüssigkeit. Zunächst wird die Ge-

wichtskraft eines Körpers über eine Federkraftwaage gemessen sowie die Leermasse

des Auffangbehälters bestimmt. Der Körper wird anschließend soweit gesenkt, bis er

vollständig im Wasser hängt. Dabei läuft das überschüssige Wasser in das Auffanggefäß.

Am Kraftmesser kann nun aus der Differenz zwischen den Kräften vor und nach dem

Eintauchen die Auftriebskraft ermittelt werden. Bestimmt man nun mithilfe des Kraft-

messers die Gewichtskraft des verdrängten Wassers, so bestätigt sich das Archimedische

Prinzip, nach dem die Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit betragsmäßig gleich

der Auftriebskraft auf den Körper ist.

Abbildung A.2 veranschaulicht das Experiment und gibt auch quantitativ den Sachver-

halt des Archimedischen Prinzips wieder.

Alternativ kann zur experimentellen Bestätigung des Archimedischen Prinzips auch

eine Balkenwaage verwendet werden. An die eine Waagschale hängt man den zu

untersuchenden Gegenstand und stellt oben ein leeres Behältnis darauf. Anschließend

wird die Balkenwaage durch Auflegen von Gewichten in die andere Waagschale ins

Gleichgewicht gebracht. Nun senkt man den schweren Gegenstand in ein mit Wasser

gefülltes Überlaufgefäß und fängt das von ihm verdrängte Wasser auf. Die Balkenwaage

ist nun nicht mehr in Balance: Die Seite, auf der die Gewichte liegen, ist nun schwerer

als die andere, da auf den Gegenstand, der sich im Wasser befindet, eine Auftriebskraft

wirkt. Füllt man nun das verdrängte Wasser in das Behältnis auf der Waagschale, so ist

die Waage wieder ausgeglichen.

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.2: Auftrieb in Flüssigkeiten - Versuch 2, nach [Leisen, 2003a]

A.3. Venturi-Rohr

Der folgende Versuch dient der Illustration des Bernoullischen Gesetzes. Mithilfe von

Stativmaterial wird ein Venturi-Rohr so ausgerichtet, dass seine Öffnung auf die Mitte

des Laminatorgitters des Lüfters zeigt. Sie sollte sich in einem Abstand von etwa 20 cm

von dem Luftstromerzeuger befinden. Drei U-Rohr-Manometer werden an die Kupplun-

gen des Venturi-Rohres angebracht und mithilfe eines kleines Zylinder vorsichtig mit

einer farbigen Flüssigkeit, beispielsweise Traubensaft, gefüllt, bis diese in allen Schen-

keln gleich hoch steht. Anschließend wird der Lufstromerzeuger eingeschaltet und so

reguliert, dass die Strömungsgeschwindigkeit maximal ist. Der Flüssigkeitsstand in den

Manometern wird beobachtet. Abbildung A.3 zeigt schematisch den Versuchsaufbau

mit den zu beobachtenden Resultaten.

Die anströmende Luft bewirkt im Innenraum des Venturi-Rohres einen Gesamtdruck,

der aus dem Druck in Strömungsrichtung, dem Bewegungsdruck, und dem Druck in

Seitenrichtung, dem statischen Druck, besteht. Der Seitendruck bewirkt am Manometer

A eine Druckerhöhung. Im verengten Teil des Venturi-Rohres nimmt die Strömungs-

geschwindigkeit zu und der Seitendruck ab bei gleich bleibendem Gesamtdruck. Die

jeweiligen Druckzustände an den Punkten B und C werden durch die Manometer

angezeigt.

150

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.3: Schematische Zeichnung des Venturi-Rohres

A.4. Druckverteilung am Flügelprofil

Im folgenden soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, die Druckverhältnisse an einer

Tragfläche zu untersuchen. Der Aufbau ist in den Abbildungen A.4 und A.5 dargestellt.

Die Tragfläche wird so justiert, dass ihre Stirnfläche exakt die Mitte der Öffnung des

Luftstromerzeugers trifft. Der Abstand der Tragfläche vom Luftstromerzeuger soll in

etwa 15 cm betragen. Der Luftstromerzeuger wird auf volle Strömungsgeschwindigkeit

eingestellt. Die Ausgangslage der Flüssigkeitssäule wird notiert. Die Messsonde wird

nacheinander bei den Anstellwinkeln −15◦, 0◦ und +15◦ in die Bohrungen der Tragflä-

che gesteckt und die jeweiligen Abweichungen der Flüssigkeitssäule erfasst. Dabei muss

für die Messung an der Tragflächenoberseite die Sonde an der Unterseite eingesteckt

werden und umgekehrt.

Abbildung A.6 zeigt die Ergebnisse in graphischer Darstellung, nämlich ein Unterdruck-

gebiet an der Oberseite und ein Überdruckgebiet an der Unterseite des Tragflügels.

Der aerodynamische Gesamtauftrieb der Tragfläche setzt sich zusammen aus den Sog-

kräften an der Oberseite und den Druckkräften an der Unterseite. Die Ausprägung der

Druckgebiete ist sehr stark vom Anstellwinkel der Tragfläche abhängig: Bei steigen-

dem positivem Anstellwinkel nimmt der Sog auf der Oberseite zu und tritt vor allem

im vorderen Bereich der Tragfläche auf. Bei negativem Anstellwinkel ändern sich die

Druckverhältnisse an der Unterseite ebenfalls zu einer Sogwirkung.

Wie bereits bei der Beschreibung der Projektidee erwähnt, kann ein Schrägrohrmano-

meter auch aus einfachem Versuchsmaterial zusammengestellt werden. Dabei wird

151

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.4: Versuchsanordnung zur Messung der Druckverhältnisse an derTragflächenunterseite, [CorEx FlugFliegen]

Abbildung A.5: Versuchsanordnung zur Messung der Druckverhältnisse an derTragflächenoberseite, [CorEx FlugFliegen]

152

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.6: Druckverhältnisse bei Anstellwinkeln von −15◦, 0◦und +15◦, [Cor-Ex FlugFliegen]

wie in Abbildung A.7 ein Glasrohr in Schräglage durch Stativmaterial gehalten. Am

unteren Ende ist es mittels eines Schlauches mit einem Flüssigkeitsreservoir verbunden,

in der Abbildung A.7 realisert durch einen weiten Trichter. Es muss darauf geachtet

werden, dass sich keinerlei Luftblasen in dem Zuleitungsschlauch befinden. Der Me-

niskus ist in Normalstellung auf der Höhe des Wasserspiegels im Flüssigkeitsspeicher.

Das obere Ende des Glasrohres ist durch einen Schlauch mit der Messstelle, einer

Scheibensonde, verbunden. Diese besteht aus einem Röhrchen, auf dessen Mündung

eine mittig durchbohrte, dünne, kreisrunde Scheibe geklebt ist, die bei der Messung

parallel zur Strömungsrichtung positioniert werden muss. Während des Versuches zeigt

der Meniskus die Druckdifferenz gegenüber dem Umgebungsdruck an. Durch Variation

der Schräglage kann die Empfindlichkeit des Manometers beeinflusst werden. Das

Manometer kann wie folgt kalibriert werden: 1 cm Höhendifferenz entspricht einem

Druck von 100 Pa. Es ist sinnvoll, hinter dem Glasrohr auf einem Pappstreifen eine Skala

anzubringen.

A.5. Klebeluft

Mit dem folgenden Versuch kann demonstriert werden, dass die Druckabnahme in

einem mit hoher Geschwindigkeit bewegten Luftstrom ein Stück Pappe schweben lassen

kann.

Aus einem Stück Pappe werden zunächst zwei Quadrate von etwa 10 cm Seitenlänge

ausgeschnitten. Beim ersten wird durch den Mittelpunkt ein Reißbrettstift gedrückt,

153

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.7: Schrängrohrmanometer aus einfachem Versuchsgerät, [Weltner,2001]

Abbildung A.8: Schematische Zeichnung zur schwebenden Pappe, [Berthold et al.,2006]

154

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A. Versuchsbeschreibungen

in das zweite im Mittelpunkt ein Loch geschnitten, das der Größe der Öffnung einer

Garnrolle entspricht. Dieses wird dann so auf die Garnrolle geklebt, dass die beiden

Öffnungen übereinander liegen. Das erste Quadrat wird nun so unter die Garnrolle

gehalten, dass die Spitze des Reißnagels in die Öffnung der Garnrolle hineinragt, wie

in Abbildung A.8 zu erkennen. Pustet man nun kräftig von der anderen Seite her in die

Garnrolle und lässt das untere Papierquadrat los, so fällt dieses nicht herunter, sondern

schwebt in der Luft. Es fällt erst ab, wenn man aufhört zu blasen. Anstelle zu pusten

kann auch ein Fön als Lufstromerzeuger verwendet werden; dann ist es sogar möglich,

anstelle der Pappe ein dünnes Stück Holz zum Schweben zu bringen. Allerdings sollten

in diesem Fall die Abmessungen ein wenig größer gewählt werden. Der Reißbrettstift

dient lediglich dazu, ein seitliches Abtriften der unteren Platte zu verhindern.

Bläst man in die Öffnung der Garnrolle, so wird der Luftstrom beim Austreten aus

der Garnrolle um 90◦ umgelenkt und weitet sich in alle Richtungen auf. Am Rand der

Scheiben ist die Luftgeschwindigkeit wesentlich kleiner als im drekten Zwischenraum

der beiden. Nach dem Bernoullischen Gesetzt entspricht dieser größeren Strömungsge-

schwindigkeit ein geringerer statischer Druck als der Umgebungsdruck am Rand der

Scheiben und unterhalb der unteren Pappe. Infolge dieses Druckunterschiedes ergibt

sich eine Kraft auf die untere Pappe, die deren Gewichtskraft kompensiert.

A.6. Schwebender Ball

Das nächste Experiment demonstriert die Wirkung des dynamischen Auftriebes mithilfe

eines in der Luft schwebenden Balles.

Dazu wird der Luftstromerzeuger senkrecht aufgestellt. Die Styroporkugel wird bei

ausgeschaltetem Gerät in die Mitte des Laminatorgittes gelegt und der Luftstrom

langsam erhöht, bis die Kugel etwa 30 cm über der Öffnung des Gerätes schwebt

und eine annähernd stabile Lage einnimmt (Vgl. Abbildung A.9). Während man den

Luftstromerzeuger langsam seitlich neigt, wird das Verhalten der Kugel beobachtet.

Spätestens ab einem Neigungswinkel von etwa 30◦ zur senkrechten Stellung bietet es

sich an, den Luftstromerzeuger durch Unterstellen eines Gegenstandes zu stabilisieren.

Im letzten Schritt wird der schwebenden Kugel von oben her die nach außen gewölbte

Seite einer Tragfläche genähert und die Auswirkung beobachtet.

155

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.9: Versuchsanordnung, [CorEx FlugFliegen]

Abbildung A.10: Der schwebende Ball im Einsatz

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.11: Stromlinienbild zur Erklärung des Versuches mit dem schweben-den Ball, [CorEx FlugFliegen]

Auch im schräg gerichteten Luftstrom schwebt die Kugel, da die über die nach innen ge-

richtete Kugeloberfläche strömende Luft eine Auftriebskraft erzeugt, die Gewichtskraft

und Luftwiderstand kompensiert. Durch das Annähern der Tragfläche an den Ball wird

an dieser Stelle die Strömungsgeschwindigkeit erhöht, folglich der Auftrieb verstärkt. In

der Konsequenz steigt die Kugel in den Luftstrom hinein, bis sie die Fläche berührt. Der

Luftstrom bricht ab, so dass die Kugel wieder in ihre Ausgangsstellung zurückfällt. Nun

wiederholt sich der Vorgang: die Kugel pendelt zwischen ihrer Ursprungsposition und

der Tragflächenaußenseite hin und her. Abbbildung A.11 zeigt das diesem Phänomen

zugrunde liegende Stromlinienbild.

A.7. Bernoullische Bälle

Das nun folgende Experiment stellt eine weitere Illustration des Bernoullischen Gesetzes

dar. Zwei Bälle hängen nebeneinander an Bindfäden. Der Raum dazwischen beträgt

ungefähr 2 cm. Mit einem Luftstromerzeuger wird versucht, in den Zwischenraum

zu pusten und so die Bälle auseinander zu treiben. Dies gelingt jedoch nicht, im

Gegenteil je kräftiger der Luftstrom ist, umso stärker treibt es die Bälle zusammen. Sie

bewegen sich solange aufeinander zu, bis sie sich berühren und der Lufstrom abreißt.

In diesem Moment fallen sie in ihre Ausgangslage zurück und der Vorgang beginnt

von vorne. Erklären lässt sich dieses Phänomen mithilfe des Bernoullischen Gesetzes.

Durch die Verengung des Raumes, der für die Lufströmung zur Verfügung steht, wird

die Strömungsgeschwindigkeit zwischen den beiden Bällen erhöht, was die Ausbildung

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.12: Schüler beim Experimentieren mit den Bernoullischen Bällen

eines Unterdruckgebietes zur Folge hat. Die sich ergebende Sogwirkung ist ursächlich

verantwortlich dafür, dass sich die Kugeln aufeinander zu bewegen.

A.8. Bernoullisches Gesetz beim Spülen

Auch mit folgendem Freihandversuch lässt sich das Bernoullische Gesetz veranschauli-

chen. Hält man nämlich zwei Esslöffel am Griffende so, dass die einander zugekehrten

Wölbungen in einem Abstand von etwa 5mm hängen und lässt zwischen den Wöl-

bungen Wasser hindurchfließen, so kann auch hier der in A.7. beschriebene Effekt

beobachtet werden: die Löffel bewegen sich aufeinander zu, bis es zur Berührung

kommt, und sobald sich zwischen ihnen ein Zwischenraum erneut gebildet hat, beginnt

die Bewegung von vorne.

A.9. Stromlinienerzeugung mit Taschentüchern

Im vorliegenden Abschnitt soll eine Möglichkeit aufgezeigt werden, wie mit alltäglichen

Dingen Stromlinienbilder unkompliziert erzeugt werden können. Dazu schneidet man

von einem Papiertaschentuch einen etwa 8 cm breiten Streifen ab und aus dessen

Mitte eine gewölbte oder ebene, angestellte Tragfläche als Loch heraus. Weil das

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.13: Versuchanordnung zur Erzeugung von Stromlinienbilder, [Heep-mann, 2006]

Papier so weich ist, erweist sich dies als der schwierigste Teil. Anschließend stellt

man einen leeren Quarkbecher erhöht auf und befüllt ihn randvoll mit Wasser. An der

Schmalseite des Papiertaschentuchs werden nun 2 cm umgeknickt, die anschließend

über den Becherrand in das Wasser hineingehängt werden. Das Papier saugt jetzt das

Wasser aus dem Becher an, woraufhin dieses in dem frei hängenden Papierstreifen

herab sickert und schließlich unten heraus tropft. Mit einem Tintenfüller werden nun

Punkte in Abständen von einem Zentimeter auf das nasse Papier über dem Becherrand

getupft. Deren Farbe wird von der Wasserströmung mitgenommen und erzeugt sichtbare

Stromlinien um das Profilloch herum. Hierzu müssen die Tintenpunkte etwa alles zehn

Sekunden erneuert werden.

A.10. Velourspapierströmungen

Was in A.9. mit einfachen Mitteln realisiert wurde, soll hier mithilfe einer Versuchsan-

ordnung aus dem Sortiment von Leybold Didactic wiederholt werden mit verbesserten

Ergebnissen. Abbildung A.14 zeigt das verwendete Wasserstromliniengerät, das lamina-

re Strömungen um verschieden geformte Körper zu demonstrieren vermag. Dazu wird

ein vertikal ausgerichteter Bogen Velourspapier am oberen Ende in Wasser getaucht. Es

fließt im Velourspapier nach unten und bildet eine annähernd laminare Strömung aus,

die mit Farbstoffpartikeln sichtbar gemacht wird.

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.14: Wasserstromliniengerät, [LD36207]

Hintergrund dieses Wiederholungsexperimentes war das Anliegen, der Schülergruppe

neben den inhaltlichen Aspekten auch Kompetenzen im Umgang mit Fertigversuchsauf-

bauten und Gerätekarten zu vermitteln.

A.11. Luftballon-Fön-Versuch

Ein aufgeblasener Luftballon wird an einem Faden auf einem Tisch befestigt. Er soll

nun von der Tischplatte hochgeblasen werden. Bild A.15 zeigt zwei mögliche Stel-

lungen des Luftsromerzeugers. Bei welcher gelingt der Versuch? Beschreibe deine

Beobachtungen.

Abbildung A.15: Mögliche Stellungen des Winderzeugers

160

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A. Versuchsbeschreibungen

A.12. »actio=reactio« auf dem Skateboard

Zwei Skateboards werden in etwa 10m Entfernung voneinandern aufgestellt und

die Mitte zwischen ihnen markiert. Zwei Versuchspersonen mit annähernd gleicher

Masse stellen sich auf je ein Skateboard und nehmen je ein Ende eines Seiles in die

Hand. Sollten die Versuchspersonen unterschiedlich schwer sein, so kann mithilfe von

Gewichten ein Massenausgleich vorgenommen werden. Eine Person hält das Seil nur

fest, während die andere Person am Seil zieht. Beide Bretter setzen sich in Bewegung

und treffen sich an der zuvor markierten Stelle. Ziehen beide Versuchspersonen am Seil,

ergibt sich das gleiche Resultat. Stellen sich dagegen verschieden schwere Personen auf

die Bretter, so legt die leichtere Person eine längere Stecke zurück, unabhängig davon,

ob nur eine oder beide Personen am Seil ziehen. Es ist immer darauf zu achten, dass

am Seil gleichmäßig und mit mäßigem Kraftaufwand gezogen wird, nicht zuletzt um

der Verletzungsgefahr vorzubeugen.

Zieht eine Person an dem Seil, so erfährt die Person auf dem anderen Brett eine

Beschleunigung. Nach dem 3. Newtonschen Axiom wirkt auf die ziehende Person eine

gleich große Gegenkraft. Da die beiden Skateboards mit den daraufstehenden Personen

dieselbe Masse besitzen, erfahren sie jeweils eine gleich große Beschleunigung und

dieselbe Reibung mit der Unterlage. Sie legen in derselben Zeit gleich lange Strecken

zurück und treffen sich somit in der Mitte. Ziehen beide Personen am Seil, so wirkt auf

jede Person eine Kraft durch das eigene Ziehen und eine Kraft durch das Ziehen der

anderen Person. Die daraus resultierende Kraft ist wiederum für beide Personen gleich

groß, wenn beide in etwa gleich stark ziehen.

Die Versuchpersonen auf den Skatesboards erfahren jeweils eine Beschleunigung, die

direkt proportional zu ihrer Masse ist. Bei unterschiedlichem Körpergewicht der beiden

Personen legt daher die schwere Person eine kürzere Strecke zurück als die leichtere, so

dass sich die beiden Bretter in diesem Fall nicht an der markierten Mittelstelle treffen.

A.13. Sengersches Wasserrad

In den unteren Teil einer Plastikflasche werden mithilfe eines Nagels oder einer Schere

drei Löcher gestochen, gerade so groß, dass die Strohhalme, ohne eingedrückt zu

werden, hineinpassen. Die Strohhalme werden ein wenig gekürzt und dann mithilfe

der Knete in den Löchern fixiert; die Trinkhalme sollten sich dabei alle in einer Ebene

161

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.16: Versuchsanordnung zum Sengerschen Wasserrad

befinden und alle in die gleiche Richtung abgeknickt sein, so dass der Querschnitt

aus Abbildung A.16 entsteht. Die derart präparierte Flasche wird mit einem dünnen

Faden an einem Stativ so befestigt, dass sie in etwa in der Mitte über einem Wasser-

auffangbecken hängt. Nun wird von oben Wasser in die Flasche gefüllt. Die Wanne

unter der Flasche sollte das aus der Flasche auslaufende Wasser während der Befüllung

und während des Experimentes aufsammeln. Die Flasche wird in Ruhe gebracht und

losgelassen. Wasser fließt durch die Trinkhalme aus der Flasche, und diese beginnt sich

zu drehen.

Tritt das Wasser von der Flasche in einen Trinkhalm ein, besitzt es eine gewisse Ge-

schwindigkeit und damit einen Impuls ~p1Wasser (siehe Abbildung A.17). Am Ende des

Trinkhalmes hat das Wasser den Impuls ~p2Wasser. Da das Wasser in dem Trinkhalm nicht

mehr beschleunigt wird, ist der Betrag der Geschwindigkeit des Wassers am Anfang

und am Ende des Trinkhalmes konstant. Deshalb sind die Beträge der Impulse p1Wasser

und p2Wasser gleich. Aus der Impulsänderung ∆~p

∆tfolgt, dass der Trinkhalm eine Kraft ~Fp

mit ∆~p

∆t= ~Fp auf das Wasser ausgeübt hat. Nach dem Newtonschen Prinzip actio gleich

reactio existiert eine Kraft ~̃Fp, die das Wasser auf die Flasche bzw. den Trinkhalm ausübt.

Diese Kraft kann man in einen Anteil ~̃FRad parallel und einen Anteil ~̃FTang senkrecht

zum Anfangsimpuls ~p1Wasser aufteilen. Aufgrund der Anordnung der drei Trinkhalme

heben sich die drei Kräfte ~̃FRad, die jeweils senkrecht zur Flächenwand zeigen, auf. Da

jede der drei Kräfte ~̃FTang nicht im Mittelpunkt der rotationsfähigen Fläche, sondern an

den Trinkhalmen angreift, entsteht ein Drehmoment, welches die Fläche in Rotation

versetzt.

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.17: Kräftebetrachtung zum Sengerschen Wasserrad, [Berthold et al.,2006]

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.18: Nachweis der Zirkulation, [Wodzinski, 1999]

A.14. Zirkulationsströmung am Flügelprofil

Hier soll ein Experiment vorgestellt werden, mit dem die Zirkulationsströmung um

ein Flügelprofil demonstriert werden soll. Es soll darüber hinaus einen Eindruck vom

Drehsinn der Zirkulation vermitteln. Der experimentelle Aufbau ist in Abbildung A.18

dargestellt. Zwei dünne Pappstreifen sind mit Stecknadeln und Korken so gelagert, dass

sie horizontal frei beweglich sind. Zieht man eine Tragfläche mit genügend großem An-

lauf zwischen den Streifen hindurch, wird der obere Streifen nach hinten und der untere

nach vorn bewegt. Dies illustriert, dass die Luft an der Oberseite in Strömungsrichtung

beschleunigt und an der Unterseite verzögert wird. Zieht man hingegen beispielsweise

einen Zylinder zwischen den Streifen hindurch, bewegen sich beide Zeiger gleichzeitig

nach vorn, wie man es aufgrund der Reibung erwarten würde.

A.15. Tragschraube

Mithife von Stativmaterial wird eine Luftschraube so angebracht, dass sie einen An-

stellwinkel von etwa 30◦ aufweist und mittels eines Reiters über die gesamte Länge

einer Schiene frei beweglich gleiten kann. Abbildung A.19 zeigt den Aufbau. Die Strö-

mungsgeschwindigkeit des Lüfters wird langsam erhöht und dabei die Luftschraube

beobachtet.

164

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A. Versuchsbeschreibungen

Abbildung A.19: Versuchsaufbau zum Prinzip der Tragschraube, [CorExFlugFliegen]

Man erkennt, dass die Luftschraube zu rotieren beginnt und im Luftstrom nach oben

steigt. Eine in anströmender Luft rotierende Luftschraube bewirkt eine Auftriebskraft;

dieses Prinzip wird als Tragschraube bezeichnet. Bei einem Tragschrauber, das heißt

einem Flugobjekt, das diesem Prinzip unterliegt, übernimmt eine große Luftschraube,

deren Achse gegen die Flugrichtung geneigt ist, die Aufgabe der Tragflügel. Bei der

Vorwärtsbewequng des Flugzeuges wird die Tragschraube angetrieben und erzeugt so

den aerodynamischen Auftrieb.

165

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B. Bastelanleitungen

B. Bastelanleitungen

B.1. Cartesianischer Taucher

Das benötigst du:

- stabile Plastikflasche

- Backaromafläschchen

Und so geht’s!

1. Fülle die Plastikflasche randvoll mit Wasser.

2.2.2.2. Fülle das Backaromafläschchen etwa zu ein Fünftel mit Wasser auf. 3.3.3.3. Gebe das Backölfläschchen mit der Öffnung voran in die Flasche. Es muss

gerade an der Oberfläche schwimmen. 4.4.4.4. Verschraube jetzt die Fasche.

Nun kannst du seitlich auf die Flasche drücke und beobachten, wie dein Taucher bei Druck hinabsteigt.

�������������ABC�D��������EF�DB��EF�DB

166

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B. Bastelanleitungen

B.2. Windkanal

Das benötigst du:

- Strohhalm - Draht - 1,5l PET-Flasche - Tonpapier - Fön als Luftstromerzeuger

Und so geht’s!

1. Schneide den Boden der Flasche sowie ihren Hals ab, so dass ein Rohr entsteht. 2. Für die Befestigung des zu untersuchenden Flügelprofils benötigst du obenund unten

ein kleines Loch in dem PET-Rohr. 3. Forme aus dem Karton einen Flügel und durchsteche ihn in der Mitte einmal von

oben nach unten. 4. Nun benötigst du den Strohhalm. Er dient später dazu, dass sich der Flügel gut den

Draht entlang bewegen kann und muss daher in das Loch im Flügel eingepasst werden.

5. Hetzt steckst du den Draht durch den Strohalm und befestigst ihn an den zwei Bohrungen in deinem Mini-Windkanal-Rohr.

6. Positioniere den Fön vor deinem Windkanal. 7. Mithilfe eines Räucherstäbchens kannst du nun die Strömung um dein Profil sichtbar

machen.

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167

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B. Bastelanleitungen

B.3. Heißluftballon aus Seidenpapier

Das benötigst du: - buntes Seidenpapier (Blumenseide) - dünner, nicht brennbarer Faden - Flüssigklebstoff - Draht - Brennstoff (z.B. in Benzin getränkter Wattebausch)

Und so geht’s!

1. Klebe zunächst je zwei Bögen Seidenpapier zusammen. 2. Fertige dir zunächst aus festem Karton eine Schablone nach Abbildung 2 an. 3. Schneide aus den zusammengeklebten Bögen mithilfe der Schablone 8

Streifen. 4. Klebe nun nacheinander die Bögen an ihrer langen Seite zusammen; auf die

Spitze oben wird zusätzlich ein runder Deckel aus Seidenpapier geklebt. Achte darauf, dass die Klebenaht überall fest ist. Wenn du alle Bögen zusammengeklebt hast, drehe den Ballon um und klebe die äußeren beiden zusammen.

5. Halbiere nun ein Seidenpapierbogen der Länge nach und falte die eine Hälfte noch einmal über die gesamte Länge zusammen.

6. Lege in das Papier einen Draht, forme einen Ring und klebe diesen an den unteren Rand des Ballons wie in der Zeichnung oben.

7. Befestige nun drei dünne Schnurstücke und knote sie in der Mitte zusammen. 8. An den mittleren Knoten kannst du nun den Brennstoff befestigen.

Jetzt ist dein Ballon startklar. Für die ersten Flugversuche kannst du eine Schnur am Ballon befestigen. Zum Vorheizen des Ballons eignet sich eine Kochplatte oder ein Föhn besonders gut.

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Abb.1

Abb.2

168

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B. Bastelanleitungen

B.4. »5 aus einem Brett«

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169

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C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe

Abbildung C.1: Skizze zur Herleitung des Archimedischen Prinzips in der Schule,[Kuhn, 2008]

C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe

C.1. Herleitung des Archimedischen Prinzips

Das Archimdische Prinzip kann im Rahmen des schulischen Unterrichtes leicht hergelei-

tet werden für den Spezialfall eines Quaders oder auch eines Zylinders. Abbildung C.1

diene dabei als Grundlage.

Zur Berechnung der Auftriebskraft müssen die auf die Begrenzungsflächen des Körpers

infolge des Schweredrucks wirkenden Kräfte betrachet werden. Die seitlichen Kräfte

sind entgegengesetzt gleich und heben sich daher in ihrer Wirkung auf, anders aber die

auf Ober- und Unterseite des Körpers wirkenden. Der Schweredruck auf die Oberseite

des Körpers ist gegeben durch

p1 = ρF lssigkeit · g · h1 .

Folglich ist die Kraft

F1 = ρF lssigkeit · g · h1 · A .

170

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C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe

Analog kann der Druck auf die Unterseite angegeben werden durch

p2 = ρF lssigkeit · g · h2 .

Die Kraft auf die Unterseite ist demnach

F2 = ρF lssigkeit · g · h2 · A .

Die Auftriebskraft ergibt sich dann aus der Differenz der beiden Kräfte F1 und F2:

FA = F2 − F1 = ρF lssigkeit · g · A · (h2 − h1) .

Der Term h2−h1 stellt nichts anderes dar als die Höhe h des eingetauchten Körpers, A·h

wiederum nicht anderes als das Volumen V des Körpers. Damit folgt das Archimdische

Prinzip:

FA = ρF lssigkeit · gV .

Diese Gleichung bedeutet in Worten ausgedrückt: die Auftriebskraft, die ein in eine

Flüssigkeit eingetauchter Körper erfährt, ist genauso groß wie die Gewichtskraft des

von ihm verdrängten Wassers.

C.2. Herleitung der Bernoulli-Gleichung

In diesem Abschnitt soll die Bernoulli-Gleichung noch einmal hergeleitet werden und

zwar auf eine Art und Weise, die im schulischen Kontext der Oberstufenphysik einsetz-

bar ist.

Man betrachtet zu diesem Zweck eine stationäre Flüssigkeitsströmung. Während eines

kleinen Zeitintervalls bewegt sich ein herausgegriffenes Flüssigkeitsvoulmen unter dem

Einfluss der Druckkräfte. Die Arbeit

W = F1∆s1 − F2∆s2 = p1A1∆s1 − p2A2∆s2

171

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C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe

Abbildung C.2: Skizze zur Herleitung der Bernoulli-Gleichung in der Schule, [Sexlet al., 1980]

gibt die Energieänderung an, die das betrachtete Flüssigkeitsvolumen während der

Bewegung erfährt. Diese muss gleich der Summe der Änderungen der kinetischen und

potentiellen Energie sein, da in einer reibungslosen inkompressiblen Strömung nur

diese veränderlich sind. Aus Abbildung C.2 ergibt sich für diese Änderung:

∆E = Energie im Endzustand− Energie im Anfangszustand ,

also

∆E =

(

1

2m2v

22 +m2gh2

)

(

1

2m1v

21 +m1gh1

)

.

Nach dem Energieerhaltungssatz muss die Energieänderung gleich der Arbeit der

angreifenden Kräfte sein. Daher gilt:

(

1

2m2v

22 +m2gh2

)

(

1

2m1v

21 +m1gh1

)

= p1A1∆s1 − p2A2∆s2 .

Im nächsten Schritt bietet es sich an, die Massen m1 und m2 durch die konstante Dichte

ρ und die entsprechenden Volumina zu ersetzen:

172

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C. Herleitungen für den Unterricht in der Oberstufe

m1 = ρA1∆s1 und m2 = ρA2∆s2 .

Beachtet man zusätzlich, dass bei inkompressibler Strömung A1∆s1 = A2∆s2 gilt, so

liefert das Einsetzen der Ausdrücke für die Massen:

(

1

2ρv22 + ρgh2

)

(

1

2ρv21 + ρgh1

)

= p1 − p2 .

Diese Gleichung, die sogenannte Bernoulli-Gleichung, lässt sich in der Form eines

Erhaltungssatzes angeben und lautet dann:

1

2ρv21 + ρgh1 + p1 =

1

2ρv22 + ρgh2 + p2 = const. .

173

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D. Arbeitsblätter

D. Arbeitsblätter

D.1. Arbeitsblatt zum Archimedischen Prinzip

Die Auftriebskraft eines Körpers in einer Flüssigkeit oder einemGas ist genauso groß wie die Gewichtskraft des von ihm

verdrängten Volumens.

in Formeln: VgmgFA ⋅⋅=⋅= ρ

Wie müssen sich Gewichtskraft des Körpers und Auftriebskraftzueinander verhalten, falls…

… der Körper steigt: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

… der Körper sinkt: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

… der Körper schwebt: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Zur Herleitung des archimedischen Prinzips für einen Quader:

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D. Arbeitsblätter

D.2. Arbeitsblatt zum Heißluftballon

Zum Verständnis der Funktionsweise des Heißluftballons sind zweiKräfte zu betrachten:

1.) _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

2.) _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Der Heißluftballon steigt, falls _ _ _ _ < _ _ _ _ gilt.

Für die Auftriebskraft gilt . Die Gewichtskraft desBallons ist BallonGF , . Zusätzlich muss die Gewichtskraft des im Ballonenthaltenen Gas betrachtet werden. Diese ist .

Für die resultierende Gesamtkraft gilt damit:

Mithilfe der Gasgesetze kann man diese Formel umformen zu

Wie kann also beim Bau des Ballons vorgegangen werden, um einemöglichst große resultierende Gesamtkraft zu erhalten?

1.) _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 2.) _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

3.) _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

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E. Evaluationsbogen

E. Evaluationsbogen

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E. Evaluationsbogen

Für die tatkräftige Unterstützung und viele handwerkliche Tipps bei der Fertigung der

Experimente.

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