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Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Leistungsgrenzender gesetzlichen Krankenversicherung
- ein Beitrag zur Abgrenzung von Solidarität und Eigenverantwortung -
Juristische Gesellschaft Ruhr
Essen
30.11.2011
Dr. Ricarda Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Bedeutung der
Gesetzlichen Krankenversicherung für die Sozialgerichtsbarkeit
30.11.2011 2Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Die Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen
30.11.2011 3Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen Eingänge der Sozialgerichte NRW 2010
KrankenversicherungKassenarztrechtPflegeversicherungUnfallversicherungRentenversicherungArbeitslosenversicherung
Grundsicherung für Arbeit
Sozialhilfe u. AsylbewerberleistungsgesetzVersorgung
Schwerbehindertenrechtsonstiges
Krankenversi-cherung
Kassenarztrecht
Pflegeversi-cherung
Unfallversi-cherung
Rentenversi-cherung
Arbeitslosenver -sicherung
Grundsicherung für Arbeit
Sozialhilfe u. Asylbewerber-leistungsgesetz
Versorgung
Schwerbehin-dertenrecht
sonstiges
30.11.2011 4Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenEingänge Landessozialgericht NRW 2010
KrankenversicherungKassenarztrechtPflegeversicherung
UnfallversicherungRentenversicherung
Arbeitslosenversicherung
Grundsicherung für Arbeit Sozialhilfe u. Asylbewerberleistungsgesetz
VersorgungSchwerbehindertenrechtsonstiges
Krankenversi-cherung
Kassenarztrecht
Pflegeversicherung
Unfallversicherung
Rentenversicherung
Arbeitslosenver-sicherungGrundsicherung für Arbeit
Sozialhilfe u. Asyl-bewerberleis-tungsgesetz
Versorgung
Schwerbehinder-tenrechtsonstiges
30.11.2011 5Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Leistungsrecht
Leistungserbringerrecht
VertragsarztR/Sonstiges LE-R
Gesetzliche Krankenversicherung
30.11.2011 6Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Große gesellschaftliche Herausforderungen: rasanter medizinischer Fortschritt demographischer Wandel
bedingen wachsendes Angebot an Gesundheitsleistungen höheren Bedarf und steigende Erwartungen der
Versicherten.
30.11.2011 7Dr. Brandts
Gesetzliche Krankenversicherung
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Beständig neue Finanzierungsprobleme der GKV (Einnahmeseite- /Ausgabeseite) Verstärkte Leistungseinschnitte zu Lasten der Versicherten Finanzielle Inanspruchnahme/ „Opfer“ der Leistungserbringer
Zahlreiche Gesetzesänderungen Zunahme der Regulierungsdichte und –geschwindigkeit
Gesetzliche Krankenversicherung
30.11.2011 8Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Auswirkungen auf die richterliche Arbeit:
oftmals Nähe zu den existenziellen Sorgen der Menschen
Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit des GKV-Systems
Ständige Konfrontation mit geändertem Gesetzesrecht
Nähe zum Verfassungsrecht
Gesetzliche Krankenversicherung
30.11.2011 9Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Solidarität und Eigenverantwortung
30.11.2011 10Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 1 S 1 SGB V:
Die Krankenversicherung
als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe,
die Gesundheit der Versicherten
zu erhalten, wiederherzustellen und ihren Gesundheitszustand zu bessern.
Solidarität
30.11.2011 11Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 1 S 2 SGB V:
Die Versicherten sind
für ihre Gesundheit mitverantwortlich !
Mitwirkung durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen
Vorsorgemaßnahmen durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung
Eigenverantwortung
30.11.2011 12Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 2 Abs 1 S 1 SGB V Leistungen:
Die KK stellen den Vers die im Dritten Kapitel genannten Leistungen (…) zur Verfügung,
soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten
zugerechnet werden.
Eigenverantwortung
30.11.2011 13Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Krankenbehandlung
30.11.2011 14Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Anspruch nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V wenn die Behandlung notwendig ist, um eine Krankheit
zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern
Krankenbehandlung
30.11.2011 15Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Definition führt in die Grenzbereiche
- Krankheit (typischer Versicherungsfall; atypischer VF: § 27a SGB V)
- notwendige Behandlung (Qualität und Wirtschaftlichkeit)
Krankenbehandlung
30.11.2011 16Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Im Folgenden: Schwerpunkte der gerichtlichen Praxis in Grenzbereichen beispielhaft an
Begriff der Krankheit Notwendigkeit der Krankenbehandlung bei
lebensbedrohlichen Erkrankungen atypischem VF, der § 27a SGB V zu Grunde liegt
(künstliche Befruchtung)
Abgrenzungen
30.11.2011 17Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Krankheit
30.11.2011 18Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Definition
regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand,
der Behandlungsbedürftigkeit oder
Arbeitsunfähigkeitzur Folge hat
Krankheit
30.11.2011 19Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Regelwidrig ist ein Zustand,wenn er vom
Leitbild eines gesunden Menschen,
der zu Ausübung der normalen körperlichen oder psychischen Funktionen in der Lage ist,
abweicht.
Krankheit
30.11.2011 20Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Regelwidrigkeit in Form der
Beeinträchtigung der köperlichen oder psychischen Funktionen
id Regel unproblematisch,Abgrenzung zu Befindlichkeitsstörung
Krankheit
30.11.2011 21Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Regelwidrigkeit in Form der
Entstellung
id Regel problematisch,- Abgrenzung zu der üblichen Vielfalt von individuellen Besonderheiten- Abgrenzung zu ästhetischen /
kosmetischen Korrekturen
Krankheit
30.11.2011 22Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Entstellung laut BSG
erhebliche Auffälligkeit Auslösung von naheliegenden Reaktionen der
Mitmenschen (Neugier/Betroffenheit) ständig viele Blicke auf sich ziehen Objekt besonderer Beachtung Gefahr des Rückzugs aus der Gemeinschaft
und der Vereinsamung
Krankheit
30.11.2011 23Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Entstellung / erhebliche AuffälligkeitBSGE 100, 119
nicht genügend: ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen
Bemerkbarkeit schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen (quasi im Vorbeigehen)
regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen
Krankheit
30.11.2011 24Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Entstellung / erhebliche AuffälligkeitBSGE 100, 119
Hintergrund: Integration von Behinderten Korrektur der Wahrnehmung
Nichtbehinderter
Krankheit
30.11.2011 25Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Entstellung ? Fehlen natürlichen Kopfhaares bei Mann/Frau Fehlende Anlage der weibl Brust/große Mammae
(Brustvergrößerung/Brustverkleinerung) Wangenartrophie / Narben im Lippenbereich Krankheitsbedingtes Fehlen der
Augenbrauen/Wimpern (Dauerpigmentierung von Gesichtspartien)
Krankheit
30.11.2011 26Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Problem: seelische Erkrankung wegen eines
vermeintlichen körperlichen Defizits Grundsatz:
- nicht Behebung des vermeintlichen Defizits- unmittelbar zu behandeln mit Mitteln der Psychiatrie/Psychotherapie
Ausnahme: Transsexualität
Krankheit
30.11.2011 27Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„Eigenverantwortung“ führt zur einschränkenden Auslegung
Vielfalt der körperlichen Erscheinungen
Korrektur der Wahr-nehmung
Nichtbehinderter
Problem:
gesellschaftlicher Stellenwert der äußeren Erscheinung
Schlussfolgerung
30.11.2011 28Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Notwendigkeit der Krankenbehandlung
(bei lebensbedrohlichen Erkrankungen ohne konventionelle Behandlungsalternative)
30.11.2011 29Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Erweiterung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten auf Grund der rasanten Entwicklung des med – technischen Fortschritts
Begrenzung der Leistungen der GKV auf den Leistungskatalog des SGB V unter Beachtung der allg Leistungsgrundsätze
Hintergrund
30.11.2011 30Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
2 Abs 1 S 1 HS 1 SGB V Leistungen:
Die KK stellen den Versicherten
die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 )
zur Verfügung.
Allgemeine Leistungsgrundsätze
30.11.2011 31Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Wirtschaftlichkeitsgebot
§§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 SGB V(vgl auch § 70 Abs 1 S 2 SGB V)
Leistungen müssen sein ausreichend zweckmäßig
wirtschaftlich (i.e.S.) kein Überschreiten des Notwendigen
30.11.2011 32Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Wirtschaftlichkeitsgebot
ausreichend = Untergrenzezweckmäßig = geeignet, den ges. Vorgaben zu
entsprechen, und wirksam wirtschaftlich i.e.S. = begrenzt auf
preisgünstigere Variante, wenn zwei gleich gute Behandlungsvarianten existieren
nicht über das Maß des Notwendigen hinaus = Obergrenze
30.11.2011 33Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 2 Abs 1 S 3 SGB V Leistungen:
Qualität und Wirksamkeit der Leistungen
haben dem
allg anerkannten Stand der med Erkenntnisse
zu entsprechen und
den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
Allgemeine Leistungsgrundsätze
30.11.2011 34Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Qualitätsgebot
Anerkannter Stand der Wissenschaft zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare
Aussagen über Qualität und Wirksamkeit allg Nachweis der Wirksamkeit auf Grund von
Studien nach den Kriterien der evidenzbasierten Theorie (statistischer Nachweis, Konsens in Fachkreisen)
30.11.2011 35Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Qualitätsgebot
Forschung nicht Aufgabe der GKV
„Wirkung im Einzelfall“ nicht ausreichend
30.11.2011 36Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Sicherstellung von Wirtschaftlichkeit und Qualität
Im Einzelfall bezogen auf den Vers:
Feststellung durch KK, Sozialgerichte Im Allgemeinen bezogen auf die Methode:
grundsätzlich Feststellung in einem standardisierten (einheitlichen) Verfahren
30.11.2011 37Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Ambulant-ärztlicher Bereich § 135 Abs 1 SGB V
(auch Rezepturarzneimittel, Anwendung eines neuen Heilmittels ua – RL des GBA)
Krankenhausbereich § 137 c SGB V (RL des GBA) Fertigarzneimittel (Zulassung nach AMG) Hilfsmittel (MPG)
30.11.2011 38Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 135 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V
NuB dürfen in der vetrags(zahn)ärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der GBA in RL
Empfehlungen abgegeben hat
über Anerkennung des diagn und therapeutischen Nutzens der Methode von deren med Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit
nach dem jeweiligen Stand der med Erkenntnisse
30.11.2011 39Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Grundsatz
für die Anwendung
neuer Unters. - und Behandlungsmethoden
in der vetrags(zahn)ärztliche Versorgung:
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt !
30.11.2011 40Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
GBA
prüft nicht selbst, sondern sichtet wissenschaftliche Veröffentlichungen
(auf Basis der evidenzbasierten Medizin, möglichst der Evidenzklasse 1)
mit Hilfe ua des IQWiG
30.11.2011 41Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen Versorgungv 17.1.2006
Anlage I: anerkannten Methoden Anlage II: ausgeschlossene Methoden Anlage III: Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt
sind
2. Kapitel der Verfahrensordnung d GBA v 18.12.08: Bewertung der med Methoden
30.11.2011 42Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
GBA- Richtlinien
untergesetzliche Normen (unterhalb des Gesetzes, oberhalb der Normenverträge)
verbindliche Wirkung geg Vers und Leistungserbringern
nach ausdrücklicher gesetzl Regelung (§ 91 Abs 6 idF des GKV-WSG, anknüpfend an BSG-
Rspr)
30.11.2011 43Dr. Brandts
Standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
NuB Krankenhausbereich
§ 137 c Abs 1 SGB V
GBA überprüft auf Antrag Erlass einer Richtlinie, wenn Qualitäts- und
Wirtschaftlichkeitsgebot nicht erfüllt ist Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
Standardisierte Verfahren
30.11.2011 44Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Ausnahmen(Verzicht auf standarsisierte Verfahren)
30.11.2011 45Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Anspruch auf NuB ausnahmsweise auch ohne positive Entscheidung des GBA
Systemversagen Seltenheitsfälle
verfassungskonforme Auslegung
30.11.2011 46Dr. Brandts
Verzicht auf standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Systemversagen(trotz Vorliegens der Voraussetzungen für
Anerkennung !!)
keine Durchführung des Verfahrens Verzögerung der Entscheidung keine ordnungsgemäße Durchführung des
Verfahrens
30.11.2011 47Dr. Brandts
Verzicht auf standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Systemversagen
in Form der Verzögerung der Entscheidung
§ 135 Abs 1 S 4, 5 SGB V seit 1.4.2007:
nach Ablauf v 6 Mon nach Entscheidungsreife: Antrag auf Entscheidung innerhalb v 6 Mon;
falls keine Entsch: NUB kann erbracht werden
30.11.2011 48Dr. Brandts
Verzicht auf standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„Seltenheitsfälle“ Krankheiten, die sich der systematischen
Erforschung entziehen BSG-Urteil (24.10.2004 – Visudyne -
photodynamische Therapie) – Einzelimport eines Medikaments mit zulassungsüberschreitender Anwendung
keine Gleichsetzung mit „seltenen“ Krankheiten iSd Europarechts (weniger als 5 von 10.000)
30.11.2011 49Dr. Brandts
Verzicht auf standardisierte Verfahren
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Entwicklung hin zum „Nikolausbeschluss“
BSG-Urteil v 19.3.2002 (Sandoglobulin): Begründung des off-label-use bei
schwerwiegenden, die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigenden Krankheiten
BSG-Urteil v 19.10.2004 (Visudyne): seltene Erkrankungen
Beschluss d. BVerfG vom 6.12.2005verfassungsrechtlich gestützter Leistungsanspruch
Verzicht auf standardisierte Verfahren
08.12.11 50Dr. Brandts08.12.11 Dr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Wesentlicher Inhalt des Beschlusses
08.12.11 51Dr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„Immunbiologische Therapie“
(Mix aus Thymuspeptiden, Zytoplasma, Hömöopathie, hochfrequenten Schwingungen <Bioresonanz-Therapie>)
bei Duchenne'scher Muskeldystrophie
(Lebenserwartung: 20. Lebensjahr)
08.12.11 52Dr. Brandts08.12.11 Dr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
BSG verneinte die Leistungspflicht der KK mangels positiven Votums des GBA und mangels ihrer - ersatzweise als ausr angesehenen -
Durchsetzung in der med Fachdiskussion. BVerfG stellte verfassungesrechtlichen Verstoß fest und Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte
Erweiterung des Leistungsrechts der GKV auf.
08.12.11 53Dr. Brandts08.12.11 Dr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Grundsätzlich: GKV und Verfassungsrecht
Nicht zu beanstanden, dass Leistungen in der GKV zur Verfügung gestellt werden
nach einem allgemeinen Leistungskatalog unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und unter Ausgrenzung einzelner Leistungen, die der
Eigenverantwortung des Vers zugerechnet werden
30.11.2011 54Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Leistungsanspruch abgeleitet aus Art 2 Abs 1 GG
iVm dem Sozialstaatsprinzip, Art 2 Abs 2 S 1 GG
insbes vor dem Hintergrund einer Zwangsversicherung muss Staat sich schützend vor Leben und körperliche
Unversehrtheit seiner Bürger stellen wenn es keine im System angebotene
Behandlungsalternative gibt
30.11.2011 55Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Voraussetzungen eines
auf Verfassungsrecht gestützten Anspruchs
Vorliegen einer lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit
ohne konventionelle Behandlungsmöglichkeit nicht entfernt liegende Aussicht auf
Behandlungserfolg
30.11.2011 56Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Vorliegen einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung
„notstandsähnliche Situation“ „Zeitdruck“, wie er „typisch für akuten
Behandlungsbedarf zur Lebenserhaltung“ ist Bestehen einer großen Wahrscheinlichkeit des
drohenden tödlichen Krankheitsverlaufs innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums
30.11.2011 57Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Gleichstellung einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich
verlaufenden Erkrankung
mit einer wertungsmäßig ihr gleichstehenden Krankheit !
zB: Verlust eines wichtigen Sinnesorgansoder einer
herausgehobenen Körperfunktion
30.11.2011 58Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„keine dem allg. anerkannten med. Standard entspr. Behandlung vorhanden“
Zwei Varianten: völliges Fehlen einer dem allgemein anerkannten
medizinischen Standard entsprechende Behandlung Fehlen einer für den konkreten Vers geeigneten
anerkannten Methode
30.11.2011 59Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Zu leisten ist die neue Methode auch,
falls mit einer herkömmlichen nur eine Symptomlinderung
erreicht werden,
während eine neue Methode die begründete Aussicht auf eine kausale Therapie verspricht
wenn die anerkannte Methode bei dem konkreten Vers nicht angewandt werden kann etwa wegen gravierender gesundheitlicher Risiken(zB wegen schwerer Nebenwirkungen)
30.11.2011 60Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Fehlen einer anerkannten Behandlungsalternative
Bei Arzneimitteln
ist auch zu prüfen,
ob ein zugelassenes Arzneimittel im Rahmen eines zulässigen Off-Label-Gebrauchs eingesetzt werden
kann.
30.11.2011 61Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„eine nicht nur entfernt liegende Aussicht auf Heilung“
eine "auf Indizien gestützte“, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf
gänzlich unwissenschaftliche und rein spekulative „Heil“-Methoden sind in jedem Fall ausgenommen
30.11.2011 62Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
„eine nicht nur entfernt liegende Aussicht auf Heilung“
Überwiegen des voraussichtlichen Nutzens der Methode
bei der abstrakten und konkreten, speziell auf den Versicherten bezogenen Abwägung gegenüber den Risiken
unter Beachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs
30.11.2011 Dr. BrandtsDr. Brandts
Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
63
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Solidarität (in der Zwangsversicherung) führt zur Ausweitung des Leistungskatalogs
Ansatz verfassungsrechtlich
geboten
Jedoch Ausnahmecharakter zu betonen !
Gefahren:
nicht erprobte Verfahren
Sprengung des wirtschaftl Möglichen
Schlussfolgerung
30.11.2011 64Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Maßnahmen zur
künstlichen Befruchtung
30.11.2011 65Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Zur Krankenbehandlung gehören auch
Leistungen zur Herstellung der Empfängnis- und Zeugungsfähigkeit (§ 27 Abs. 1 S. 4 SGB V)
medizinische Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft unter gewissen Voraussetzungen (§ 27 a SGB V)
Krankenbehandlung
30.11.2011 66Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Erforderlichkeit nur gegeben ( 27a Nr 1 SGB V)
wenndie Herstellung der natürlichen Zeugungs-/
Empfängnisfähigkeit (als vorrangige Krankenbehandlung iSd§ 27 SGB V)
nicht möglich ist
30.11.2011 67Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Ausgeschlossen,
wenn die natürliche Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit
• vorhanden istoder
• durch Sterilisation, die nicht krankheitsbedingt erfolgte, verloren gegangen ist (§ 27 Abs 1 S 4 ).
30.11.2011 68Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
§ 27 a Abs. 1 SGB V
• besonderer Versicherungsfall: Unfähigkeit der Eheleute, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen
• nicht Versicherungsfall der Krankheit im Sinne des
§ 27 SGB V
30.11.2011 69Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
§ 27a SGB V
Erfasst werden Fälle,
• in denen keiner der Eheleute nachweisbar krank ist (sog idiopathische Sterilität)
• nur schicksalhafte, ungewollte Kinderlosigkeit
30.11.2011 70Dr. BrandtsDr. Brandts
Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
§ 27 a Abs. 1 SGB V
•Ungewollte Kinderlosigkeit•Maßnahme nach ärztl. Feststellung erforderlich (Nr 1)
•hinreichende Erfolgsaussicht (Begrenzung auf 3 Versuche - Nr 2)
•beschränkt auf Ehepaare (Nr 3)•ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehepaars (Nr 4)
•Beratung durch Arzt, der nicht die Beh. durchführt (Nr 5)
30.11.2011 71Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Hinreichende Erfolgsaussicht (Nr 2)
• nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt
werden kann• keine hinreichende Erfolgsaussicht, wenn die Maßnahme
drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist
30.11.2011 72Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
beschränkt auf Ehepaare (Nr. 3)
• keine Gleichstellung von nicht ehelichen Lebensgemeinschaften und von Partnern einer eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
• kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG (BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3)
30.11.2011 73Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehepaars (Nr4)(homologe Befruchtung)
• im sog heterologen System, sind GKV-Leistungen ausgeschlossen
• kein Verstoß gegen Verfassungsrecht (BSG SozR 3-2500 § 27a Nr 4)
30.11.2011 74Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
§ 27 a Abs 3 SGB V- Änderungen durch GMG
•Altersbegrenzung (S. 1 - Frauen zwischen 25-40 Jahre, Männer zwischen 25-50 Jahre)
•Die oberen Altersbegrenzungen sind verfassungsgemäß• beim Mann
(vgl BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 8 ff)• bei der Frau
(BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 7; BSG, Urt v 25.6.2009 – B 3 KR 7/08 R).
30.11.2011 75Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
§ 27 a Abs 3 SGB V- Änderungen durch GMG
• Begrenzung der KE auf 50% der bei ihrem Vers. durchgef. Maßnahmen (S. 3) (verfassungsgemäß BVerfG, NJW 2009, 1733;
BSG SozR 4-2500)
• starker Rückgang der Verfahren seit 2004
30.11.2011 76Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
§ 27 a Abs. 3 SGB VBegrenzung der KE auf 50%
der bei ihrem Vers. durchgef. Maßnahmen (S. 3) • eingeschlossen zunächst die unmittelbar am oder im Körper des Vers durchgeführten Maßnahmen
•auch Maßnahmen, die extrakorporal durchgeführt werden
30.11.2011 77Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Problem:
Abgrenzung der Leistungspflicht
bei Beteiligung mehrer ges Krankenkassen
oder der privaten Krankenversicherung
30.11.2011 78Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Entwicklung der Reproduktionmedizin(Insemination, In-vitro-Fertilisation – in Form der ICSI; PID)
• IVF seit 80iger Jahr•§ 27a SGB V seit 1989 als eigenständige Rechtsgrundlage
• ICSI seit Anfang 90iger; seit 98 Leistung der GKV•§ 27a SGB V seit 2004 auf 50% KE beschränkt
30.11.2011 79Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (in Deutschland)
• ca 2% der Geburten aller Kinder nach reproduktionmed Verfahren
• in den letzten 10 Jahren Geburt von 100.000 Kindern nach künstlicher Befruchtung
•ca 40.000 Paare unterziehen sich pro Jahr reproduktionsmed Verfahren (bei Kosetn pro IVF von ca 3000-4000 €)
•Markt: ca 15% aller Paare in Deutschland ungewollt kinderlos (=1,1 – 1,5 Mio unerfüllte Wünsche)
30.11.2011 80Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung (in Deutschland)
Aussichten:
• PID (PräimpG v 21.11.2011)
• (Anteilige) Übernahme der bei dem Vers bleibenden Kosten durch Staat sinnvoll?
30.11.2011 81Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-WestfalenMaßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Erweiterung des Leistungskatalogs der GKVum eine „versicherungsfremde Leistung“ sinnvoll?
Ziel der Steigerung der Geburtenzahl eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ?
Solidarität der gesamten Gesellschaft, nicht nur der GKV erforderlich ?
30.11.2011 82Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Solidarität der GKV oder der Gesamtgesellschaft ?
bei Leistungen außerhalb des VF der Krankheit
Solidarität der Gesamtgesellschaft
sinnvoll
zur Sicherung der GKV-Grundlagen
(familien-)politische
Entscheidung
Schlussfolgerung
30.11.2011 83Dr. BrandtsDr. Brandts
Die Präsidentin
des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
30.11.2011 84Dr. BrandtsDr. Brandts