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Die Stiftung Interkultur und das Netzwerk
der Interkulturellen Gärten
mit Gudrun Walesch von der
www.stiftung-interkultur.de
Bunter Garten Neugablonz (Kaufbeuren) - entstand auf einer
ゲデ@SデキゲIエWミ AIニWヴaノ@IエW キミ WキミWマ ずSラ┣キ;ノW Sデ;Sデさ GWHキWデ
Internationaler Garten Brückenhof in Kassel (Frühjahr) auf der Fläche
einer Wohnungsbaugenossenschaft
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Interkulturelle Gärten – Sozialräume für Partizipation und Wissensaustausch
Die Stiftung Interkultur und das bundesweite Netzwerk der Interkulturellen
Gärten
Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung&ertomis – www.anstiftung-ertomis.de
erforscht und fördert urbane Subsistenz, also das, was jenseits des Markts
wichtig und relevant ist für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, aber
auch für die Fruchtbarmachung der vielfältigen Fähigkeiten von Menschen, die
sich im konkreten Selbermachen entfalten. Der größte Arbeitsbereich ist das
urbane Gärtnern
Zu diesem Arbeitsfeld gehört auch die Stiftung Interkultur.
Die Stiftung Interkultur ist Service- und Koordinationsstelle des bundesweiten
Netzwerks Interkultureller Gärten, einem loser Verbund, dem 194
Interkulturelle Gärten angehören, davon bestehen 126 und 68 sind im
Aufbau/in Planung (Stand April 2012). Die Stiftung Interkultur fördert die
Gartenprojekt durch Beratung, Workshops und Seminare, finanziellen Anschub,
Austauschtreffen und Tagungen, Publikationen, Forschung und
Öffentlichkeitsarbeit
Es gibt keine „Aufnahmekriterien“, sondern alle Gartenprojekte, die von sich
sagen, sie sind ein IG oder auch „interkultureller Austausch spielt eine Rolle“
und sich so in diesen Zusammenhang einordnen, sind willkommen. Wichtig ist
uns, dass es Nutzgärten sind. Das Netzwerk ist sehr heterogen und offen und es
gibt keine feste Abgrenzung zu „anderen“ Gemeinschaftsgärten (die wir ja
ähnlich beraten und fördern)
Interkulturelle Gärten sind Gemeinschaftsgärten, oft Nachbarschafsgärten –
und Schnittpunkte von Natur, Kultur und Sozialität.
In den interkulturellen Gartenprojekten bauen Menschen mit und ohne
Zuwanderungsgeschichte aus allen sozialen Schichten zumeist auf individuellen
Parzellen Obst und Gemüse an, bewirtschaften darüber hinaus oft
Gemeinschaftsflächen, auf denen z.B. ein Haus für die Gartengeräte und
anderen Utensilien steht, manchmal ein Lehmofen, Spielgerät für die Kinder,
große Kräuterspiralen uvm. Die GärtnerInnen gärtnern privat und gemeinsam,
tauschen Saatgut und Verwendungsmöglichkeiten der Pflanzen in Küche und
Hausapotheke aus, bauen Insektenhotel, Totholzhecken und kochen, grillen,
imkern, und feiern zusammen.
Die Gärten sind Sozialräume, in denen sich mehrere Generationen und
Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen gleichzeitig aufhalten
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und wohlfühlen können. Es treffen unterschiedliche Sprachen, aber auch
verschiedene soziale Milieus aufeinander. Hier mischen sich Intellektuelle,
Hausfrauen, KünstlerInnen, Arbeiter, Flüchtlinge, viele Leute aus der
„Mittelschicht“, Leute, die wenig Geld haben, Alleinstehende und Familien und
jung und alt – Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Die anspruchsvolle
Aufgabe, die sich in den Projekten stellt, besteht darin, Gemeinsames zu
entdecken. Das ist nicht immer einfach und kein Garten funktioniert „einfach
so“. Die Menschen finden nicht ohne weiteres zueinander. Aber das
gemeinsame Projekt erleichtert das ambitionierte Vorhaben: Gemeinsam ein
Stück Land gestalten, das Eigene wachsen sehen und es und sich selber ins
Verhältnis zum Anderen setzen, sich austauschen über das Wachstum der
Pflanzen wie über die eigenen Fort- und Rückschritte, sich annähern
aneinander und wieder zurückziehen können, das sind die großen und kleinen
Möglichkeiten, die ein Garten bietet.
Es geht in Interkulturellen Gärten nicht um vermeintliche Defizite der
MigrantInnen oder Einheimischen, sondern um die Fragen: was bringen sie
mit? Welche Kompetenzen haben sie? Dieser ressourcenorientierte Ansatz
vermischt dabei die Unterschiede die es ja gibt nicht, sondern macht eher auf
sie aufmerksam und schafft u.a. gerade darüber ein lebendiges Feld für
Begegnung.
Die Gärten sind produktive Lernräume. Hier kommt unterschiedliches Wissen
zusammen und kann ausgetauscht werden, hier wird miteinander und
voneinander gelernt. Beim gemeinsamen Bewirtschaften von Land oftmals
mitten in der Stadt entstehen neue Verbindungen und Zugehörigkeiten. Es
besteht die Chance, neben dem Gemüseanbau Differenzen und
Gemeinsamkeiten zu entdecken, auszudrücken und zu deuten. Ein WIR kann
entstehen, was ergänzend und stärken wirken kann für alle Beteiligten und das
Individuum. In Interkulturellen Gärten steht das Tätigsein im Mittelpunkt.
Die Gärten sind Orte der Partizipation und des Empowerment. Die
GärtnerInnen können sich ein Stück weit selber versorgen, sie gewinnen
Souveränität über ihre Nahrungsmittelversorgung und damit auch über ihre
Lebensverhältnisse wieder. Sie erweitern ihre Handlungsmöglichkeiten, können
sich an Projekten beteiligen und eigene Ideen verwirklichen. Von der eigenen
Parzelle kann der öffentliche Raum des Gartens angeeignet werden und dann
können Schritte aus dem Schutzraum Garten in die weitere Umgebung gewagt
werden.
Neben der Kultivierung des Bodens entstehen weitere „Früchte“ der auch
sozial produktiven Prozesse: Sprachkurse, künstlerische und handwerkliche
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Aktivitäten, Theaterworkshops, Musik, Beratungstätigkeiten, vielfältige
Angebote für Kinder, Fortbildungen in Ernährungs-, Gesundheits- und
Gartenthemen, Betriebsbesichtigungen und Exkursionen finden in IGs statt.
Die Aktivitäten in Interkulturellen Gärten besitzen über die Berührung von so
elementaren Dingen wie Erde und Pflanzen ein kulturübergreifendes,
verbindendes Potenzial.
Ebenso wichtig wie der Reichtum an Gemüse und Obst ist das, was in den
Gärten außerdem noch produziert wird: Kommunikation, Kooperation und
neue Perspektiven. Verloren gegangene Bindungen und Zusammenhänge
behutsam wieder herzustellen und den Migrant/innen die Möglichkeit zu
geben, ähnlich wie beim Wurzeln Schlagen von Pflanzen, „neuen Boden unter
den Füßen zu gewinnen“, darin liegt der Sinn Interkultureller Gärten. Sie sind
Refugien und Orte der Erinnerungsarbeit zugleich. Und sie sind Passagen.
Passagen zwischen Herkunfts- und Ankunftsland, zwischen Vergangenheit und
Gegenwart. Darin liegt die besondere Qualität der Gärten: Hier können die
Migrant/innen ankommen, ihr mitgebrachtes Wissen anwenden, Neues kennen
lernen - und sich eigene Wege in den neuen Lebenszusammenhang bahnen.
Das Tätigsein in einem halböffentlichen Raum und sei es auch erst einmal für
sich auf der eigenen Parzelle, bedeutet für viele ein Zugewinn an Handlungs-
und Gestaltungsmacht. Einen Ort haben, zu dem man gehen kann, sich dort frei
bewegen zu können, der frei ist von Konsumzwang, im eigenen Rhythmus das
Beet mit dem zu bestellen, was man will, alleine zu sein oder andere zu treffen,
auch ohne Verabredung, kann schon viel sein.
Die Idee von Interkulturellen Gärten entstand während des Jugoslawien-Kriegs
im Frauencafé des Göttinger Beratungszentrums für Flüchtlinge. Bosnische
Flüchtlingsfrauen waren es leid, immer nur Tee zu trinken und Tischschmuck zu
basteln. Sie wollten raus aus den Einrichtungen der Sozialen Arbeit und ihren
Alltag wieder eigenhändig gestalten. Sie sagten auf eine Frage der
Sozialarbeiterin, was sie eigentlich am meisten vermissen in Deutschland:
unsere Gärten. Das war 1995. Ein Jahr später konnte der Verein „Internationale
Gärten“ – das erste Grundstück anpachten. Das so viele Leute inspirierende
„Mutterprojekt“ der Interkulturellen Gärten entstand. Aus dem
Gartenbauprojekt für bosnische Frauen entwickelte sich das Konzept der
Interkulturellen Gärten nach und nach aus der Praxis. In Göttingen gibt es
mittlerweile 3 Gartenprojekte mit vielfältigen Bezugspunkten zum
nachbarschaftlichen Umfeld und einem reichen Erfahrungsschatz an
Projektarbeit. Noch heute wird vieles hier in der Praxis erprobt und dann dem
Netzwerk zur Verfügung gestellt.
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Die GärtnerInnen ernten Gemüse und Kräuter für den eigenen Bedarf – und
neben der Selbstversorgung bieten sie eine Grundlage für Tauschökonomie:
verschenken, empfangen, weitergeben, tauschen und sogar verkaufen. Die
Zirkulation und der Tausch beschränkt sich in den Gärten nicht nur auf die
Gartenfrüchte, sondern schließt neben (weiteren) materiellen auch nicht-
materielle Werte ein – und eröffnet den beteiligten viele Zugänge zu
Ressourcen, zur Weiterentwicklung, Gemeinschaft und Anerkennung. Und das
durch Geben und Nehmen.
Mit der Gartengründung entsteht ein Sozialraum eigener Art, mit spezifischen
Ressourcen und Möglichkeiten, die von den Einzelnen in unterschiedlicher
Weise aufgenommen und umgesetzt werden können. Wie die Anregungen und
Ansatzpunkte jeweils aufgegriffen werden, ist weder immer gleich noch
vorhersagbar, Interkulturelle Gärten werden ganz individuell und ganz
unterschiedlich genutzt: Während bei einigen Vereinsmitgliedern die
Gartenarbeit im Vordergrund steht und weniger das Gemeinschaftsleben, liegt
für andere der Schwerpunkt ihres Interesses und Engagements genau dort.
Alle Gärten sind unterschiedlich: Lage, Größe, Eigentümer und Zustand der
Fläche, Ausstattung, Pacht, Anzahl und Zusammensetzung der GärtnerInnen,
Kontakt zur Nachbarschaft, Bekanntheit, Aktivitäten, Pflanzen, Konflikte,
Miteinander….), jeder ein „eigenes Universum“ mit der für seine Entwicklung
eigenen Zeit und Geschwindigkeit.
- Die Flächen stellen u.a. Kommunen, Kirchengemeinden, Stadtteilzentren,
Umweltbildungseinrichtungen, Bauern, Schulen, zunehmend
Wohnungsbaugesellschaften und ab und an Privatleute zur Verfügung. Einer
entstand auf einem aufgegeben Sportplatz, in Hannover gibt es zwei
Interkulturelle Gärten auf den Dächern von nicht mehr genutzten
Tiefgaragen, mehrere sind auf einer Fläche, die Garten und aber auch Park
ist. Auch in einigen Schrebergartenanlagen gibt es Interkulturelle Gärten
(mehrere Parzellen werden dann zusammengelegt, z.B. der vom BUND in
Mönchengladbach initiierte Allerweltsgarten in der größten
Schrebergartenanlage Mönchengladbachs und der Interkulturelle Garten in
Braunschweig
- Nicht immer ist der Boden für eine gärtnerische Nutzung geeignet und muss
ausgetauscht werden. Ab und an wird in Säcken und Hochbeeten gegärtnert
und einige Initiativen lassen sich von den Prinzessinnengärten in Berlin
anregen.
- Der kleinste Interkulturelle Garten im bundesweiten Netzwerk ist 100m²
groß: hier wird das Abstandsgrün einer Seniorenfreizeitstätte zum gärtnern
in Hochbeeten von einer Gruppe SeniorInnen und Kinder einer nahen Kita
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genutzt. Der größte Interkulturelle Garten (Berlin-Lichtenberg) haben
13.000m² Fläche. Hier gibt es ein großzügiges Lehmhaus, eine
Umweltkontaktstelle, ein Biotop mit Feldhasen, einen Teich und andere
Natur“attraktionen“ mitten in der Stadt. Und es gibt jegliche Größe
dazwischen.
- Ca. die Hälfte der Gartenprojekte hat eigene Vereine gegründet, die
anderen sind Teil/Projekt einer bestehenden Organisation.
- Nur einige Gartenprojekt haben „hauptamtlich“ Beschäftigte (halbtags im
Rahmen von BAMF- Projekten, Stellenanteile von anderen Jobs, Honorare,
Minijobs). Dabei ist die Koordination eines Interkulturellen Gartens eine
sehr wichtige Aufgabe. Jemand muss die treibende Kraft sein,
AnsprechpartnerIn und Ansprechender, jemand muss Anstöße geben, Ideen
aufnehmen, der Gruppe einen Rahmen geben, zu Sitzungen einladen, sich
erkundigen, ermutigen. Aufgaben warten darauf verteilt zu werden, nicht
alle können und wollen sich im gleichen Maß einbringen, nicht alle haben
Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Es gilt, nach innen und nach außen zu
kommunizieren.
- Ganz überwiegend sind die Gartenprojekte halböffentliche Räume: wenn
GärtnerInnen im Garten sind, können auch andere Leute reinkommen.
Einige der Gartenprojekte sind immer offen, da gibt es teilweise nicht mal
Zäune, andere haben nur Hecken/niedrige Zäune oder es gibt Türen, die
einfach immer offen stehen, so dass die Nachbarn die Fläche auch nutzen
können.
Ein Blick in die lebendige, aber keinesfalls konfliktfreie Praxis: Was passiert
neben dem Gärtnern
Interkulturelle Gärten sind meistens in der Stadt und die Übergänge in die
Nachbarschaft sind oft fließend. Ist ein Kindergarten in der Nachbarschaft, hat
dieser sehr häufig eine Parzelle im Garten.
- Immer mehr Gartenprojekte sind von Anfang an so angelegt oder
entwickeln sich dann dahin, dass neben den gärtnerischen Aktivitäten noch
anderes stattfinden kann und sie Treffpunkte für einen Stadtteil werden
oder auch weitere Fläche mitgepflegt und gestaltet werden. In Lippstadt
gibt es neben Beeten eine Boulebahn, ein öffentliches Schachfeld, einen
Sinnespfad, eine Bühne und einen Naschgarten, in Ihlow ist der
Interkulturelle Mehrgenerationengarten Teil der Umnutzung eines
ehemaligen Freibads. In Mannheim ist der Garten U5 neben der
gärtnerischen Nutzung auch Naturerfahrungsraum für Kinder,
Erholungsfläche für die Nachbarschaft und (Natur)Lernort für Kitas und
Schulen. In Marburg pflegen GärtnerInnen eine Streuobstwiese mit und es
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ist ein Abenteuergarten mit „Krabbel-AG“ (also Insektenbeobachtung)
entstanden
- Auch Schulen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, aber auch
Beschäftigungsträger, der BUND, Jugendeinrichtungen, Mütterzentren,
Hortgruppen und Kinderhäuser haben Parzellen in den Gärten.
- Es finden (Schul)Projekte, Projekttage Nachmittags- und/oder
Ferienangebote statt, hauptsächlich zu Themen der Umweltbildung, in
einigen Gärten auch internationale Jugendworkcamps.
- Der Interkulturelle Garten Potsdam ist Interkultureller Garten und
gleichzeitig Schulgarten, der Zukunftsgarten in Hannover ist ein
Gartenprojekt einer Hauptschule, der Interkulturelle Garten in Berlin- Mitte
ist auf dem Gelände eines Schulumweltzentrums
- Im Mädchengarten Gelsenkirchen haben im Juli 2011 10 Mädchen im Alter
von 9-12 ihr Abschlusszertifikat als Pflanzenfärberexpertinnen bekommen.
Sie geben ihr Wissen im und mit dem geplanten Färbermobil an Schulen,
Kitas und auf Festen weiter. Im Mädchengarten sind auch die Gartenladies
aktiv: eine Gruppe Mädchen einer Sonderschule, die hier ihr Werkstattjahr
machen.
- In fast allen Gärten wird Saatgut von zumindest einigen GärtnerInnen selber
vermehrt. In Haßloch hat „Freie Saaten“ eine Parzelle und arbeitet mit den
GärtnerInnen zusammen und oft ist im Garten jemand, der Kenntnisse hat
und diese weiter gibt oder es gibt Kooperationen (wie mit Social Seeds). Das
Interesse an Saatgutvermehrungsworkshops ist groß!
- Kurse zu Weidenbau, Baumschnitt, Rankhilfen aber auch Malen, Yoga,
Entspannung sind auch offen für Leute aus der Nachbarschaft, in Dachau
und Marburg werden sie über die VHS (= Volkshochschule) angekündigt.
- Bedrohte Tiere und Pflanzen (Bienen, Igel und Co) finden eine Heimat. In
vielen Gärten gibt es Insektenhotels und „wilde Ecken“, in einigen Bienen,
die in der Nachbarschaft auf ebenso reges Interesse wie Kräuterspiralen
stoßen. Interkulturelle Gärten sind Lernorte für Umweltwissen.
- Es werden Pflanzen angebaut, die nicht häufig oder auch noch gar nicht in
den Stadtteilen wuchsen. Oft entstehen Gespräche über das Interesse an
den Pflanzen: Andere (oft GärtnerInnen, Nachbarn, Spaziergänger) können
sie und ihre Verwendungsmöglichkeiten kennenlernen
- In Rosenheim sind einige der GärtnerInnen im Rollstuhl, in Kaufbeuren und
Milbertshofen gibt es Tischbeete, in vielen Hochbeete, in einigen wird
darauf geachtet, dass die Grundstücke für Rolli-FahrerInnen und Menschen
mit Gehbehinderungen zugänglich sind.
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In den Interkulturellen Gärten passiert noch weit mehr, als das, was ich Ihnen
hier kurz skizziert habe. Dabei ist wichtig zu wissen, dass nicht in allen Gärten
Projekte laufen. Jeder Garten ist anders!
Doch fest steht: Die Gärten verändern die Orte, an denen sie sich befinden. Das
Engagement aus – oft vermüllten, wild überwucherten, teilweise belasteten –
Brachen oder aus ungenutzten Flächen von Kirchengemeinden, Kommunen
und Wohnungsbaugesellschaften – blühende Gärten zu machen, schafft neue
Orte – nachbarschaftliche Begegnungs- und Kommunikationsräume entstehen!
An diesen Orten können die Vorstellungen eines interkulturellen Miteinanders
geprobt und verhandelt werden – und die Menschen können Wurzeln schlagen
wie die Pflanzen.
2 Beispiele: Umweltbildung durch Partizipation und Wissensaustausch
Das partizipative, ressourcenorientierte Umweltbildungsprojekt „Vielfalt im
Gemüsebeet“ des Interkulturellen Bewohnergartens von Zusammen Aktiv in
Neuperlach (München) – Der Interkulturelle Garten als Raum für Partizipation
und Austausch:
Zusammen mit den Mitgliedern des Bewohnergartens München-Neuperlach ist
schon 2008 ein Kalender entstanden, der ihre Nutzpflanzen porträtierte und
das Wissen darüber dokumentierte.
Zunächst legten die GärtnerInnen einen Schaugarten an, der zum praktischen
Einstieg des Kalenderprojekts wurde. Die GärtnerInnen erzählten ausgehend
von ihren Pflanzen z. B. über die Trockenheit ihrer Heimatstadt, die die
Bittermelonen zum Ausreifen benötigen oder über die Schwierigkeiten der
landwirtschaftlichen Produktion von Haselnüssen durch die ungewöhnliche
Trockenheit sowie die Landflucht der jüngeren Bevölkerung. Es ergaben sich oft
Gespräche über gesundheitliche Probleme, über die Familie, immer über das
Essen und über Erinnerungen an Früher.
Die gemeinsame Thematisierung von Nutzpflanzen aus dem Gartenprojekt und
die Gestaltung eines Kalenders schaffte eine breite positive Berührungsbasis für
Austausch und Kommunikation zwischen den Teilnehmern/innen. Die
Gartenarbeit funktionierte als verbindendes Medium, das Kommunizieren über
Pflanzen als Vehikel für soziale Prozesse. Die Dokumentation des Wissens
bedeutete Anerkennung und Wertschätzung. Die eigene Pflanze im Kalender zu
sehen machte viele stolz, brachte Freude und ehrgeizige
Verbesserungsvorschläge.
„Nachfolge-Projekt-Vorhaben“ ist das: „Kochbuch der Kulturen – Saatgut auf
Wanderschaft“. Das alltägliche Essen in Verbindung mit dem Saatgut zu sehen,
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aus dem es gewachsen ist, thematisiert die generelle Frage, woher unsere
Lebensmittel kommen, wer sich um die kontinuierliche Vermehrung der
Nutzpflanzen, um den dauerhaften Erhalt der Sorten kümmert. Wie
funktioniert Vermehrung? Welche Rolle spielen Gentechnik und
Saatgutkonzerne für eine scheinbar selbstverständliche tägliche Nahrung? Das
Thema Ernährung eignet sich gut, einen Bezug zu solch komplexen
Zusammenhängen herzustellen und Sensibilität zu wecken. Es soll ein Kochbuch
entstehen, das Wissen und Erfahrungen aus den Gärten und über Herkunft und
Anbau der Nutzpflanzen vermittelt. Das Kochbuch ist eingebettet in einen
Prozess, in dem es um Austausch und gegenseitige Wertschätzung über das
Sichtbarmachen der Kompetenzen und deren Bedeutung und Wichtigkeit
innerhalb komplexer Entwicklungen der globalen Welt geht.
2011 hat die Gruppe Bohnen zum Schwerpunktthema gemacht: die
unterschiedlichen Sorten, woher sie kommen, wie sie wachsen, was man damit
machen kann – und es wurde ein Bohnensaatgutarchiv begonnen.
Lehrimkerei Göttingen – Gemeinsam lernen, eigenes Projekt aufbauen,
Kooperationen suchen, Angebote für die Nachbarschaft machen
Bienen sind Leben! Und Interkulturelle Gärten sind Orte, an denen Bienen
einen Lebensraum finden.
In einer von der SI geförderten mehrmonatige Fortbildungsreihe
„Bienenprojekt“ lernten die TN die Grundlagen der Bienenhaltung kennen. Die
TeilnehmerInnen hatten keine Erfahrung mit Bienenhaltung. Zur Projekt-Praxis
der Seminarreihe gehörten u.a. die Beobachtung des Bienenstocks und der
Bienen bei der Arbeit auf Blüten oder bei der Befruchtung, außerdem wurden
Honigproben genommen, Propolis und Wachs aufbereitet und
Wildbienenhäuser gebaut. Die Gruppe arbeitete mit Fachbüchern,
Zeitungsartikeln, Videos und Fotos und unternahm auch Exkursionen. Die
Internationalen Gärten Göttingen haben im Anschluss an das Bildungsprojekt in
Kooperation mit dem örtlichen Imkerverband eine Lehrimerkei aufzubauen.
D.h. in dem Garten werden Bienen gehalten, es wird Honig geerntet und
Kerzen gedreht, es gibt ein regelmäßiges Angebot für Schulen und Kitas, es
finden Honigfeste statt, es gibt öffentliche Vorträge über Bienenhaltung in
anderen Ländern – und im Sommer 2010 fand der erste Bienenworkshop für
andere Interkulturelle Gärten statt. Das Bienenprojekt in Göttingen hat andere
Interkulturelle Gärten inspiriert und es gibt in immer mehr Interkulturellen
Gärten „Bienenprojekte“ – oder Bienen befreundeter Imker finden einen Platz.
Beim letzten Workshop zu Bienenhaltung, den ich im Feb organisiert hatte, ging
es um das Imkern mit der Bienenkiste.