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Die Wirtschaft 0715

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Page 1: Die Wirtschaft 0715

7/8 2015

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die wirtschaft nr. 7-8 | J-a 15 3

Es sind jetzt noch exakt fünf Tage, zehn Stunden, 39 Minuten und 33 Sekunden, bis mein Urlaub beginnt. Natürlich plus/minus. Die Zeit bleibt schließlich nicht stehen.

Wie lang es noch dauert, weiß ich so genau, weil mich eine eige-ne Handy-App darüber informiert. Unermüdlich rasen die Zehntel-sekunden über das Display, schmelzen die Minuten und werden zu Stunden. Diese App hat zwei Funktionen für mich: Einerseits stei-gert sie die Vorfreude auf die Tage am Meer. Dort werde ich mich unter einem Schirm auf die wesentlichsten Lebenserhaltungsfunk-tionen reduzieren. Andererseits zeigt mir der Countdown an, wie viel Zeit mir noch bleibt, um die 1.000 Dinge zu erledigen, die vor Urlauben wie aus dem Nichts auftauchen und unbedingt noch fer-tig werden müssen.

Der Blick auf die Uhr ist also gleichzeitig bitter und süß, denn es wird wieder einmal richtig knapp, und ich habe mich schon schlaugemacht: Ja, man kann mit dem Laptop auf alle Serverordner zugreifen: wenn man denn im Internet ist, hat mir die IT wie einem technischen Analphabeten erklärt. Ich fürchte, es wird W-LAN geben.

Das ist aber schon irgendwie okay. Dann kann ich erledigen, was erledigt werden muss, und habe kein böses Erwachen nach dem Urlaub zu fürchten.

Und ganz zu Hause will ich den Job ja eigentlich gar nicht las-sen. Er darf in einem kleinen Winkel meines Bewusstseins mitkom-men. Wenn aus der Trägheit des Tages plötzlich eine Idee aufsteigt, wenn man fern der Heimat etwas sieht, das man auch umsetzen könnte, wenn ein langes Gespräch mit zu viel Rotwein wieder glü-hende Begeisterung für das entfacht, wovon man Abstand braucht – dann muss man sich nicht unbedingt wehren. Ideen lauern ja im Urlaub plötzlich wieder an jeder Ecke. Wenn erst der Stress des All-tags von einem abgefallen ist. In dieser Ausgabe haben wir für alle, die ihren Urlaub noch vor sich haben, nach Denkanstößen gesucht, die nichts mit den üblichen Leitfäden und Empfehlungen zu tun haben: einfach nur Dinge, über die man sinnieren kann und die sich vielleicht auf wundersame Weise mit der Arbeit verbinden.

Jetzt sind es übrigens noch fünf Tage, zehn Stunden, zwei Minuten und zwölf Sekunden – und nur mehr 999 Dinge zu tun.

Auszeit

Stephan Strzyzowski, Chefredakteur

s.strzyzowski@wirtschaft sverlag.at

„Es gibt nichts zu verbessern,nichts, was noch besser wäraußer dir im Jetzt und Hierund dem Tag am Meer.“ ¶Die Fantastischen Vier

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Weitere Themen

Kolumnist Harald Koisser erkennt das Gute am Nichtstun

08zukunft

Trendforscher

Sven Gábor Jánszky erklärt,

wo es langgeht.

fantasie

Allroundkünstler André Heller über die Kraft der Gedanken.

antrieb

Warum Hannes Androsch nicht ans Auf hören denkt.

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Langstreckenläufer Norman Bücher über Wege der Motivation

12Forstwirt Felix Montecuccoli erklärt die Natur

18Schachgroßmeister Stefan Kindermann erklärt strategisches Denken

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Erhard Busek über Herausforderungen und Hoffnungen Europas

22Xing-Chefin Carmen Windhaber über reale und virtuelle Beziehungen

27Wie man mit Erfolgs-druck umgehen kann, erklärt Toni Innauer

30Was Julius Raab zu all dem sagen würde

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IMPRESSUM: Seite 28

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Gustav Klimt suchte sommerlichen Rückzug und Inspiration am Attersee, hier im Bild mit Emilie und Helene Flöge.

Auf den folgenden Seiten haben wir mit Persönlichkeiten aus vielfältigenBereichen über unterschiedliche Themen gesprochen. Sie sollen eine Anregungbieten – für Ihre sommerlichen Momente der Reflexion – und Ihnen vielleichtden Anstoß für die eine oder andere Idee ermöglichen.

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Der Sommer bietet Zeit für Reflexion und Integration. Damit das geht, muss man einfach nur nichts tun, meint unser Kolumnist Harald Koisser.

A ls Schüler und Student habe ich den Sommer geliebt, dieses Meer aus Nichts. So weit, so unendlich. Keine Verpflichtun-

gen, außer die selbstauferlegten. Die allerdings gab es.In meiner Jugend war ich ein recht passabler Schachspieler,

und das habe ich dem Sommer zu verdanken. Da bin ich schon vor dem Frühstück am Schachbrett gesessen und habe mich an Fischer, Kasparow und anderen Großmeistern erfreut. Ich habe Schachpar-tien nachgespielt und gehofft, dass das Berühren der Steine und das Nachvollziehen von Spielzügen irgendwie Genialität in mich einsickern ließe. Und genau so war es auch. Ich habe ein Auge für Stellungen bekommen. Ich habe begonnen, Eröffnungen zu ler-nen. Ihre Vielfalt und ihr Temperament haben mich fasziniert. Ich habe die Schärfe und Verwicklung bevorzugt, nicht unbedingt aus jugendlichem Ungestüm, sondern weil es mir entgegengekommen ist. Ich war kein großer Stratege, sondern eher Taktiker. Ich habe immer wieder diese plötzlichen, erstaunlichen Einfälle am Brett gehabt, die aufgepoppt sind wie Lichter von plötzlich heranrau-schenden Autos auf der nächtlichen Landstraße. Ich habe gewusst, dass ich das kann, also habe ich verwickelte Stellungen gesucht, welche taktische Schläge begünstigten. Das Licht ist nach fünf Zügen in der Ferne verschwunden und ich bin mit zwei Bauern mehr und einer Gewinnstellung da gestanden, die es bloß noch souverän abzuwickeln galt. Oder eben nicht, weil manchmal war mein Blick von Wahn getrübt. Da durfte ich lernen, ruhiger zu wer-den, reflexiver.

Lohnende PausenDas waren meine Sommer. Unendliche Weiten der Selbsterkennt-nis und Reflexion. Ich habe Schachpartien geträumt, weiße und schwarze Felder haben in der Nacht vor meinen Augen getanzt. Dann habe ich gewusst, es ist Zeit aufzuhören, hinauszugehen, nichts zu tun. Ein Bier mit Freunden am See, Fußballspielen im Strandbad, mehr nicht.

Später als Unternehmer habe ich diese Sommergestaltung beibehalten. Ich habe im Sommer Bücher gelesen und Workshops besucht und dann – nichts getan, einfach nichts. Nichts ist so wichtig wie dieses Nichts. Dieses Nichts ist der Raum, in dem das Gelernte verarbeitet und integriert werden kann. Im Sporttrai-ning nennt man das eine „lohnende Pause“. Man tut nichts mehr, aber der Puls ist immer noch im Leistungsbereich, und der Kör-per hat einen vollen Trainingseffekt. Nennen wir es vielleicht die unternehmerische Drei-Felder-Wirtschaft. Auf einem Feld wird voll angebaut, auf dem zweiten wird probiert und geübt, und das

dritte liegt brach. Auf allen Feldern zugleich voll anzubauen und den Boden auszulaugen, ist keine gute Idee. Aber das wissen heute nicht einmal mehr die Landwirte. In der Schule habe ich noch von der Drei-Felder-Wirtschaft gehört, heute gibt es sie kaum mehr.

Viele fallen von der Produktivität in die Erschöpfung, was ja durchaus verständlich ist. Aber man kann sich der Erschöpfung auch in ihrer produktiven Form hingeben. Ich habe mir nach einer ereignisreichen Zeit im Unternehmen ein Seminar gegönnt. So habe ich als junger Unternehmer, aufgeladen von einem erfolg-reichen Herbst und Frühling, im Sommer eine Ausbildung zum Sportjugendleiter begonnen. Dort habe ich trainiert und gelernt, Jugendliche im Sport zu begleiten. Im Anschluss, habe ich nichts getan, bin einfach auf Urlaub gefahren. Und alles ist eingesickert in mich wie Regenwasser in den Berg. Ich habe eine Latte macchia-to am Ufer des Arno getrunken und bin durch das Nonnental in Madeira gewandert. Und währenddessen ist alles eingesickert in mich und hat mich angefüllt, während ich einfach bei mir war und „nichts“ getan habe. Die Ausbildung zum Sportjugendleiter hatte scheinbar nichts mit meiner Werbeagentur zu tun, doch ich hatte gelernt, wie man Kinder durch ein Training begleitet, ich hatte von der „lohnenden Pause“ gelernt und kann Ihnen jetzt, so viele Jahre später, davon erzählen.

Die zukunft kommen lassenDer Sommer ist die Zeit der Reflexion, aber man sollte es damit nicht übertreiben. Es braucht auch die Zeit der Integration! Das aktive Ruhegeben nach Arbeit und Lernen. Es kann dann zu dem interessanten Phänomen kommen, dass die Zukunft, über die man so viel mit Krampf nachgedacht hat, ganz von alleine in gewünsch-ter Form kommt. Sie entsteht plötzlich wie von selbst und ohne Anstrengung, genau dann, wenn man nichts tut. Alles kommt auf einen zu, man muss es nur gelassen greifen, so wie ein Tellerchen beim Running Sushi. Kein Grund, irgendwohin zu laufen und sich zu verausgaben. Es rollt von alleine langsam heran.

Glück, Zufall, Kismet? Aber nein, das ist die lohnende Pause. Die Ernte nach der Anstrengung. Wir denken in unserer Kultur andauernd, dass wir etwas tun müssen, um unser Glück zu verdie-nen oder erfolgreich zu sein. Stimmt auch. Was wir nämlich ab und zu tun müssen, ist – nichts. Darauf vergessen wir gerne. Nutzen wir also den Sommer für einen kleinen Impuls, für Momente der Reflexion über Strategien und neue Produkte und dann – für Inte-gration. Geben wir der Zukunft eine Chance, indem wir sie nicht herbeiziehen, sondern einfach kommen lassen.

Zeit für eine lohnende Pause

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Reden wir über die zukunft. Trendforscher Sven Gábor Jánszky weiß zwar nicht, ob Österreich Fußballeuropameister wird. Dafür hat er ein klares Bild vom Einfluss der Digitalisierung auf bestehende Geschäftskonzepte und vom Managertyp von morgen.

Mut zu Radikalem

interview: Daniel nutz

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Herr Jánszky, wird Österreich kommendes Jahr die Fußball-Europameisterschaft gewinnen?Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, weil ich kein Wahrsager bin. Wir Zukunftsforscher können Dinge prognostizieren, die auf Kausalzusammenhängen beruhen. Es geht um Entscheidungen, die heute getroffen werden und kausal zu einem Trend führen. Bei Politik oder Sport tun wir uns schwer, da sich die Vorzeichen zu schnell ändern. Bei wirtschaftlichen Entwicklungen können wir das aber sehr gut machen.

Solche Voraussagen macht die Kunden- und Marktforschung auch. Wie grenzen Sie sich davon ab?Die Marktforschung fragt die Menschen auf der Straße, wie in zehn Jahren die Welt aussehen wird. Das machen wir nicht, weil sich das niemand vorstellen kann. Immer, bevor wichtige Technologi-en wie Farbfernsehen, wie Handy oder Internet eingeführt wurden, ergaben die Umfragen auf den Straßen, dass das niemand braucht und will. Die Trendforschung identifiziert dagegen markttragende Unternehmen, die anderen ein Vorbild sind, und erhebt bei deren Entscheidungsträgern, in welche Technologien sie investieren oder welche neue Geschäftsmodelle sie verfolgen. Wenn man das mit markttragenden Unternehmen aus sehr vielen Branchen macht und miteinander vergleicht, bekommt man eine Schnittmenge, die einen Trend zeigt, was tatsächlich in den nächsten zehn Jahren kommen wird.

Das klingt eigentlich simpel. Doch wie kommt man an die richtigen Experten? Wir fragen die Strategiechefs, Technologiechefs oder Innovations-chefs in wissenschaftlichen Interviews, warum sie wo investieren und was daraus in den kommenden drei bis zehn Jahren abzuleiten ist. Der Unterschied von guten zu schlechten Studien liegt darin, ob man es schafft, an die handelnden Experten heranzukommen, oder ob man nur die erreicht, die vom Hörensagen leben. Wenn wir die Zukunft des selbstfahrenden Autos hernehmen, ist der Ent-wicklungschef von Tesla oder Google sowie von Daimler, Audi oder Volkswagen eine validere Quelle als ein Professor von einer Uni. Die wichtigste Hürde ist, an die Menschen heranzukommen, die wirk-lich die Entscheidungen treffen.

Wie sind Sie eigentlich zur Trendforschung gekommen? Ich bin eigentlich als Journalist gestartet. Ich war in Deutschland bei verschiedenen ARD-Stationen im Radiobereich tätig. Da konnte ich aber nur über Dinge berichten, nachdem sie passiert sind.

Wir Journalisten trachten danach, unseren Lesern einen Blick in die Zukunft zu geben. Von den Trendforschern hören wir immer die gleichen Schlagworte wie beispielsweise Digi-talisierung, Individualisierung oder Gesundheit. Haben Sie eigentlich etwas Neues für uns?

Da muss ich Sie enttäuschen. Ich verstehe zwar, dass Journalisten immer etwas Neues wollen. Da wir Zehnjahresprognosen machen, wäre es aber höchst unseriös, wenn wir letztes Jahr eine Sache für die nächsten zehn Jahre erzählen und im folgenden Jahr eine völ-lig andere Sache. So schnell ändern sich Zehnjahrestrends einfach nicht. Was sich verändert, ist allerdings die Geschwindigkeit. Es wird deutlich dynamischer. Die Dinge, von denen wir prognosti-ziert haben, dass sie in zehn Jahren kommen, werden wahrschein-lich schon in acht oder in sechs oder vielleicht sogar in fünf Jahren da sein.

Worauf sollten sich mittelständische Unternehmen einstellen?Das Problem vieler Unternehmen ist ihre bisherige Art zu denken und zu planen und zu prognostizieren. Nach dem Schema: Wir schauen zehn Jahre zurück und denken, es wird ungefähr in die-ser Geschwindigkeit weitergehen. Diese lineare Art der Prognose hat jeder von uns im Kopf, sie ist sozusagen im über Jahrhunderte entstandenen kulturellen Gedächtnis verankert. Und sie war bisher erfolgreich. Nur wird es in Zukunft nicht mehr erfolgreich sein.

Wieso denn? Weil die Digitalisierung eine Veränderung der Geschwindigkeit bringt. Wir bewegen uns von einer linearen Entwicklung hin zu einer exponentiellen Entwicklung. Nach dem Moore’schen Gesetz verdop-pelt sich alle 18 bis 24 Monate die Rechenkapazität von Computern. Also jedes Geschäft, das irgendetwas mit Computern zu tun hat, ver-ändert sich in dieser Weise. Ich versuche immer, den Unterschied zwischen linear und exponentiell mit einem ganz einfachen Bild dar-zustellen. Wenn wir 30 Schritte machen und jeder Schritt hat einen Meter, kommen wir in einer linearen Weise auf 30 Meter. Wenn wir das exponentiell machen, verdoppelt sich nach jedem Schritt die Länge. Dann kommen wir bei 30 Schritten plötzlich 26-mal um den Erdball. Das ist eine andere Dimension. Die Prognosefähigkeit, die Innovationsfähigkeit, die Innovationsabteilungen eines Mittelständ-lers können da einfach nicht mehr mit. Die typische F&E versagt da.

Was wäre die Innovationslogik in einer exponentiellen Zeit?Man muss versuchen, ganz schnelle, große Sprünge zu machen. Erfolgreiche Unternehmen gründen kleine, abgeschlossene Ein-

sven Gábor Jánszky

zählt zu den einflussreichsten zukunfts- und trendforschern europas. Jánszky ist Direktor der in leipzig ansässigen Denkfabrik „2b aHeaD“ und lehrt an der Karlshochschule international university in Karlsruhe. arbeits- und Forschungs-schwerpunkte sind arbeits- und Konsum-welten und Geschäftsmodelle der zukunft.

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heiten, wo sie mit ein bisschen Geld gleichzeitig in zehn verschie-dene Ideen investieren, die idealerweise auch noch das bisherige Geschäft angreifen. Von zehn Ideen werden nicht alle erfolgreich sein. Vermutlich werden sieben wieder eingestellt, zwei halten sich gerade so über Wasser, aber eine schafft einen riesigen Sprung. Und das ist der exponentielle Sprung, den man nicht hinbekäme, wenn man einfach so weiter die normale Forschung und Entwicklung betreiben würde.

Man muss also lernen, die eigenen Erfolgsmuster zu verges-sen. Sie sagen, Manager können sich dabei etwas von Thomas Tuchel, dem neuen Trainer von Borussia Dortmund, abschau-en. Was denn?Dass man die Mitarbeiter, in seinem Fall die Spieler, befähigen muss, die Regeln, an die sie bisher geglaubt haben und mit denen sie bisher erfolgreich waren, zu brechen. Gibt es die angesprochene exponentielle Entwicklung, kann man nur erfolgreich Innovatio-nen schaffen, wenn man die Regeln des alten Geschäftes vergisst und ein neues Geschäft einführt, das nach einer anderen Regel funktioniert. Das Beispiel von Thomas Tuchel finde ich deshalb so spannend, weil er die Mannschaft Mainz 05 in der Krise übernom-men und binnen zwei Jahren an die Spitze der Bundesliga geführt hat. Das Team hat vor ein paar Jahren sogar mit sieben Siegen in Folge am Beginn einer Saison einen Startrekord aufgestellt.

Und was ist sein Erfolgsgeheimnis? Alle Spieler, alle Trainer, alle Journalisten, alle Kommentato-ren glauben, dass eine Profimannschaft ein eigenes Spielsystem braucht und danach trachten muss, dieses zu perfektionieren. Die-ses Denken hat Tuchel einfach gebrochen. Er hat das Spielsystem aufgegeben und ist einfach dazu übergegangen, das System des Gegners zu spiegeln. Das führte dazu, dass seine Spieler mit den Augen des Gegners sehen können und so intuitiv wissen, wie sich der Gegner verhält. Er hat seinen Spielern außerdem beigebracht, keine Longline-Pässe mehr zu spielen, obwohl diese Variante im Fußball gemeinhin die beliebteste ist.

Was mittlerweile eben auch die Verteidiger wissen und dar-auf reagieren.Genau! Aber Tuchel hat seinen Spielern verboten, Longline-Pässe zu spielen. Er ging einfach her und hat vom Trainingsplatz die Ecken weggenommen, also das Spielfeld verkleinert. Das ist der Unterschied eines Coachs zu einem Kommandeur. Ein guter Coach verändert das Umfeld, indem sich die Strategie, welche für das neue Umfeld am besten passt, selbst finden lässt. Er lässt die Mit-arbeiter also selbst ihre neue Strategie wählen. Genau das müssen Führungskräfte in der Wirtschaft tun. Es nutzt überhaupt nichts, irgendwelche Befehle zu geben, sondern es geht darum, Umfelder zu schaffen, in denen sich Führungskräfte, in denen sich Mitar-beiter einen neuen Weg selbst wählen können, der logischerweise nach anderen Regeln funktioniert, weil die bisherigen Regeln nicht mehr gelten.

Welches Beispiel aus der Unternehmenswelt fällt Ihnen dazu ein?Mein Lieblingsbeispiel ist Horst Rahe, der Gründer von Aida-Kreuz-fahrten. Er hat die komplette europäische Kreuzschifffahrtbranche umgekrempelt, indem er einfach gesagt hat, Kreuzschifffahrt soll nicht exklusiv, teuer und total steif sein. Er hat die Grundprinzipien gebrochen und dadurch eine ganze Branche auf den Kopf gestellt. Heute findet der Cluburlaub am Schiff statt.

Disruption, also die Zerstörung alter Geschäftskonzepte, ist das Schlagwort. Kann es keine Koexistenz von Alt und Neu geben?Das Beispiel Kreuzfahrt zeigt, dass es noch ein paar Schiffe gibt, die nach dem alten Prinzip fahren. In den meisten Branchen unter-scheiden wir zwischen dem Massenmarkt und dem Premium-markt. Das Alte findet sich meist in einer Nische wieder.

Radikale Veränderungen verspricht auch das Thema künstli-che Intelligenz. Welche sehen Sie?Wir gehen davon aus, dass es in fünf Jahren Smartphones mit der Intelligenz von heutigen Supercomputern gibt. Sie werden so gut sein, wie der IBM-Supercomputer Watson, der im ame-rikanischen Fernsehen die Quizshow Jeopardy gewonnen hat. Das bedeutet, dass die künstliche Intelligenz dem normalen Menschen auf die meisten Fragen eine bessere Antwort geben kann als andere Menschen. Alle fünf Jahre verdoppelt sich das Wissen. Da kommt der menschliche Kopf überhaupt nicht mehr mit, eine Maschine schon. Wir rechnen damit, dass alle Jobs, die auf angeeignetem Wissen beruhen, stark angegriffen werden.

Das klingt jetzt bedrohlich. In der bisherigen Menschheitsge-schichte haben wir es immer noch geschafft, die Technologie für das eigene Vorankommen zu nützen. Diejenigen, die sich verändern können, werden das auch jetzt schaffen. Sie werden ihren Job anders machen, indem sie das über Geräte hergestellte Wissen als Assistenz benutzen und das Menschliche dazugeben. Das heißt konkret, andere Menschen zu motivieren, ihnen in den Hintern zu treten oder sie an der Hand zu nehmen und bei Veränderungsschritten zu begleiten. Jetzt sind wir wieder bei der Parallele zum Fußball: Sie werden agieren wie ein Sportcoach. Diese Coachs werden unserer Gesellschaft viel geben können. Die Ärzte werden zu Gesundheitscoachs, die Versi-cherungsmakler werden zu Risikocoachs. Es wird Karrierecoachs ebenso wie Finanzcoachs oder Ernährungscoachs geben. Ich glau-be, die wichtigste Veränderung, die künstliche Intelligenz in die Welt bringt, ist, dass Menschen sich auf das wirklich Menschliche konzentrieren können.

Wollen Sie mehr zum Thema erfahren? Sven Gábor Jánszky ist Keynote-Speaker am Kongress „Weltmarktführer in Österreich“ am 14. 10. in Wien. www.weltmarktfuehrer.co.at

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Reden wir über Motivation. Extremläufer Norman Bücher über menschliche und wirtschaftliche Grenzüberschreitung und den Sinn des inneren Schweinehundes.

interview: alexanDra rotter

Sie haben die Atacama-Wüste in Chile und das australische Outback durchquert und sind eine Strecke von mehr als sechs Marathonlängen durch Bhutan gelaufen, um nur einige Ihrer Abenteuer zu erwähnen. Was treibt Sie an, sich solchen Stra-pazen zu unterziehen?Es sind die besonderen Lebenserfahrungen, die ich bei solchen Läu-fen sammle. Es geht darum aufzubrechen, Unbekanntes zu wagen, etwas Neues zu tun. Und um Begegnungen mit anderen Kulturen und Menschen. Ich sage immer: Das Auge läuft mit. Ich liebe die Natureindrücke, die Weite und Stille wie etwa letztes Jahr in der Wüste Gobi und der Mongolei. Wenn es mir nur um sportliche Aspekte ginge, würde ich in Deutschland meine Runden drehen.

Wollen Sie sich etwas beweisen?Mir persönlich: Ja. Ich will Grenzerfahrungen machen und aus-loten, was möglich ist. Aber ich muss niemand anderem etwas beweisen. Es geht mir nicht darum zu zeigen, was für ein toller Hecht ich bin – jedenfalls nicht mehr.

Was ist wichtiger, um einen Ultramarathon durchzuhalten: ein starker Körper oder ein starker Wille?Der Körper ist die Voraussetzung, aber der Kopf entscheidet, ob du dein Ziel erreichst. Rund 70 bis 80 Prozent spielen sich im Kopf ab. Je länger und fordernder eine Strecke ist, desto größer ist die Rolle des Kopfs. Ich arbeite viel mit Bildern, mache Mentaltraining und beschäftige mich gedanklich intensiv mit meinen Zielen.

Wie viel Zeit verbringen Sie mit Mentaltraining?Ich beame mich meist morgens und vorm Einschlafen für zehn Minuten in meine Zielregion und sehe mich dort laufen – Monate oder Jahre, bevor ich hinfahre. Am wirksamsten sind tägliche klei-ne Sitzungen, um gedanklich an seinem Ziel zu arbeiten.

Es heißt: Wer sich bei der Hälfte eines Marathons fragt, warum er das tut, hat schon verloren. Wie ist das bei Ultra-marathons?Auch für mich ist die Hälfte einer Strecke mental ein markanter Punkt. Ab der Hälfte zähle ich wieder rückwärts und denke: Das meiste hab ich jetzt hinter mir. Prinzipiell strukturiere ich lange Strecken in viele kleine Abschnitte. Ich denke nicht an 600 Kilome-ter, sondern nur an die Tagesstrecke.

Aktuell könnte man die Wirtschaft mit einem Ultramarathon vergleichen: Man beißt sich durch und strengt sich an, damit die Krise schneller vorbei ist. Was raten Sie den Ultramara-thonläufern in der Wirtschaft? Wie können sie durchhalten?Man muss zwischen Unternehmenszielen und persönlichen Zie-len unterscheiden. Bei Letzteren ist entscheidend, erst einmal sein Spielfeld zu finden. Die hohe Burnout-Rate rührt ja daher, dass viele Menschen auf dem falschen Spielfeld agieren, wo sie ihre Stärken nicht ausspielen können, weil sie nicht das machen, womit sie sich wohlfühlen. Seine Stärken, Motive und Werte zu finden ist wichtig.

Haben Sie immer gewusst, welche Ihre Stärken sind?Nein. Ich habe BWL studiert und bin ins Consulting gegangen. Doch ich habe mich unwohl gefühlt. Dann habe ich einen unty-pischen Beruf gewählt: „Extremsportler“ gibt es nicht als Anforde-rung beim Arbeitsamt. Das war keine rationale Entscheidung. Ich bin meinem Herzen gefolgt und habe mich gefragt: Was ist meine Stärke? Ich habe analysiert, was ich gut kann, was ich will und was meiner Persönlichkeit entspricht, und meinem Gefühl vertraut.

Sie halten Vorträge über Motivation. Welche Fragen stellen Ihnen die Teilnehmer?Egal ob Sportler, Student oder Führungskraft: Sie wollen wissen, wie sie ihren inneren Schweinehund überwinden und aus einem Motivationsloch herauskommen.

Das wollen wir auch wissen!Es geht darum, seine Ziele vor Augen zu haben. Man muss sich fra-gen: Sind meine Ziele noch aktuell? Ziele sind nichts Statisches. Ich nehme mir pro Quartal einen Tag Auszeit, an dem ich mich aus dem Alltag ausklinke und mir bewusst Zeit nehme, um über mei-ne Situation nachzudenken. Im Alltagsgeschäft, wenn das Telefon läutet oder man Kundenkontakt hat, ergibt das keinen Sinn. Sehr wichtig ist, sich nicht zu viele Ziele zu stecken: Man sollte immer nur maximal ein großes Ziel verfolgen.

Ist Ihnen die Motivation schon einmal ausgegangen?Ja. Es passiert mir, dass ich ein Ziel habe, bei dem ich anfangs euphorisch bin, aber es mir dann immer schwerer fällt, mich dafür zu motivieren. Dann gehe ich in mich und merke, dass es doch das falsche Ziel für mich ist. Wenn der Funke nicht mehr da ist und

Kopf über Körper

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man sich quälen muss, ist es besser, ein neues Ziel zu suchen. Aber auch, wenn es das richtige Ziel ist, hat man manchmal mit der Motivation zu kämpfen, ist körperlich nicht so fit, hat zu viel um die Ohren. Das liegt in der Natur des Menschen.

Und was tun Sie dann?Ich akzeptiere meinen inneren Schweinehund. Wenn ich einmal nicht vorankomme, mache ich eine Pause und gehe in die Sauna. Das schützt vor Überforderung und davor, sich kaputtzumachen. Man muss lernen, wann eine Pause nötig ist und wann es besser ist, den Schweinehund zu überwinden.

Fehlt uns eine Kultur des Scheiterns?Da können wir uns von anderen Kulturen was abschneiden. Jeder, der schon gescheitert ist, weiß: Daraus zieht man wichtigere Erfah-rungen als nach einem Erfolg. Im Beruf wirkt das hemmend: Wenn man weiß, der Vorgesetzte sieht es nicht gern, wenn ich scheitere, probiert man neue Sachen erst gar nicht aus.

Sie wollen Ihre Grenzen überschreiten. Aber hat nicht alles eine natürliche Grenze?Auf die Wirtschaft bezogen ist es selbstredend, dass sie nicht ewig wachsen kann: Irgendwann ist Stagnation erreicht. Persönliches Wachstum ist eine andere Baustelle. Ich habe schon Projekte abge-brochen, weil ich an meine Grenzen gestoßen bin – und das ist gut so. Es muss nicht immer höher, schneller, weiter gehen. Persönli-ches Wachstum kann auch bedeuten, sich in einem Bereich wei-terzubilden, den man noch nicht kennt – zum Beispiel eine neue Fremdsprache zu lernen.

Was ist schwieriger? Sich selbst oder andere zu motivieren?Es ist erwiesen, dass der Mensch sich langfristig nur intrinsisch motivieren kann. Anreize wie ein hohes Gehalt oder ein Firmen-wagen ziehen nur kurzfristig. Langfristig muss der Mensch Sinn in einer Sache sehen, um sich dafür zu begeistern. Natürlich muss ich als Führungskraft ein Ziel vorgeben, aber die Kunst ist herauszu-finden, was daran für den Mitarbeiter sinnstiftend ist. Dann kann er das Ziel zumindest ein Stück weit zu seinem eigenen machen.

Ein letzter Motivations-Geheimtipp?Das Wichtigste ist: Finde deine Talente, erkenne dich selbst, deine Motive und Werte – und finde darauf basierend deine Lebensziele. Dann ist man langfristig motiviert.

ZVg

norMan bücher

„Break your limits“ heißt das neueste Buch des deutschen extremläufers, der bisher an mehr als 120 Marathon- und ultramarathon-läufen teilnahm und zahlreiche eigene lauf-expeditionen unternimmt. an seine Grenzen zu gehen und die eigene Komfortzone zu erweitern gehört zu Büchers erfolgsrezept. Wie er sich dazu motiviert, berichtet er u. a. Führungskräften in seinen Vorträgen.

Norman Bücher bei der Durchquerung der chilenischen Atacama-Wüste

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Reden wir über antrieb. Wieso Hannes Androsch sich noch gerne in die Tagespolitik einmischt, er der Jugend ein gesatteltes Pferd geben will und nicht in Pension gehen mag.

interview: Daniel nutz, fotos: ricHarD tanzer

Mit 77 Jahren sind die meisten anderen längst in Pension. Was treibt Sie noch an?Wer rastet, der rostet. Solange es mir körperlich und mental mög-lich ist, werde ich mein Wissen und meine Erfahrungen in meine Unternehmen einbringen und mich in meinem Selbstverständnis als Citoyen zugleich für eine zukunftsstarke Ausrichtung unse-res Landes als Wirtschafts-, Bildungs-, Wissenschafts- und For-schungsstandort einsetzen. Ich sehe das auch als eine Verpflich-tung meiner Generation gegenüber der Jugend an. Ich halte es für unverantwortlich, wenn Menschen, die bei steigender Lebenser-wartung grosso modo noch in bester gesundheitlicher Verfassung sind, weit früher in Pension gehen als die Generationen zuvor. Es so zu machen wie ich ist auch für den Einzelnen zumeist physisch wie psychisch gesünder.

Die Realität sieht in diesem Land anders aus. Heute gehen wir faktisch früher in Pension als in den 1970er-Jahren. Es braucht kein Computerprogramm, um zu erkennen, dass es sich nicht ausgehen kann, wenn geburtenschwächere Jahrgänge die Pensionen der Babyboomer-Generation finanzieren sollen. Die Lebenserwartung ist inzwischen auf 81,3 Jahre gestiegen und das Durchschnittspensionsalter auf 58,5 Jahre gesunken. Die Zahl der Frühpensionisten hat sich mehr als verzehnfacht. So wird der Gene-rationenvertrag ausgehöhlt, und zwar zulasten der Jüngeren. Schon jetzt fließt jeder dritte Euro, den der österreichische Staat ein-nimmt, ins Pensionssystem. Mit zunehmender Tendenz, weil Öster-reich auch ein Frühpensionisten-Eldorado ist. Wer da noch sagt, das Pensionssystem sei langfristig gesichert, handelt illusorisch und verantwortungslos. Die Budgetsituation spiegelt dies wider.

Sie gelten in politischen Fragen als graue Eminenz. Werden Sie heute noch um Rat gefragt? Beraten kann man nur Menschen, die wissen, was sie wollen. Ich halte darum auch nichts von Spindoktoren. Ich sehe es aber als meine Pflicht gegenüber der Gemeinschaft und dem Gemeinwohl an, mich mit meinen Erfahrungen in die Gesellschaft einzubringen, um die Gestaltung der Zukunft mit voranzutreiben, um Zukunfts-tauglichkeit zu erreichen. Daher habe ich auch wissenschaftspoliti-sche Aufgaben übernommen. Der erfolgreiche österreichische Weg wird sich nur fortsetzen lassen, wenn wir auf Basis eines erstklas-

sigen Bildungs- und Ausbildungssystems sowie durch Know-how und Innovationen wettbewerbsstark bleiben. Daher werde ich mich weiterhin mit aller Kraft für die Umsetzung der Forderungen des Bildungsvolksbegehrens ebenso einsetzen wie für die Umsetzung der Forschungs- und Technologiestrategie der Bundesregierung. Es braucht einen nationalen Schulterschluss, um die Blockadefestun-gen und Verhinderungs-Türme zu beseitigen.

Warum tun Sie sich das an?Meine Generation hat die Leiden des Weltkrieges noch bewusst erlebt. Und auch die Nachkriegszeit mit all ihren Mängeln und mit der Besetzung des Landes. Wir konnten den Wandel zu Frieden, Freiheit und zunehmenden Wohlstand miterleben. Heute haben wir für uns vorgesorgt und vielleicht auch für unsere Nachkom-men. Aber wir haben die Verantwortung und Verpflichtung, diese Grundlagen auch für die nachkommenden Generationen bestmög-lich abzusichern und zu übergeben. Bildlich gesprochen: Für die Jungen sollten wir ein gesatteltes Pferd vorbereiten, reiten müssen sie dann schon selber.

Liberalismus und Sozialismus waren die großen philosophi-schen Strömungen im 20. Jahrhundert. Viele sprechen heute von einer Zeit ohne große politische Ideen. Sehen Sie eine richtungsweisende Idee für das 21. Jahrhundert?Es geht letztlich immer um Grundwerte für ein menschenwürdiges Zusammenleben, woher man diese auch ableiten mag. Das kann das kommunistische Manifest sein, das ich für eines der faszinie-rendsten politischen Dokumente halte, es können dies Werte des Humanismus oder die Bergpredigt sein.

Wann waren Sie zuletzt in der Kirche?Beim Requiem für Bernd Schilcher und der Verabschiedung des tragisch verunglückten Altausseer Bürgermeisters Herbert Pich-ler. Ich bin in der Tradition meiner Familie Altkatholik, aber kein gläubiger Christ. Die Bedeutung von Religionen erschließt sich für mich auf Basis eines humanistischen Bedürfnisses.

Ich frage deshalb, weil Sie in Ihrem Buch „Ende der Bequem-lichkeit“ die These aufstellen, dass aufgrund des in Öster-reich verbreiteten Katholizismus wenig Fortschritt passiert.

„Stolz ist bekanntlich eine Todsünde“

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die wirtschaft nr. 7-8 | J-a '1516

Bei aller Würdigung der Bedeutung des latinischen Christentums kommt man um die Feststellung nicht umhin, dass die Ausfor-mung des Katholizismus in unserem Land lange Zeit dem Fort-schrittsgedanken und der Aufklärung im Wege stand. Was in vie-lem bis heute nachwirkt. Vielleicht liegt hier auch der tiefere Grund dafür begraben, dass wir oft Reaktionen setzen, die vermeinen las-sen, wir würden uns noch im Zeitalter der Dampflokomotive und nicht im digitalen Zeitalter befinden. Technologiefeindlichkeit war noch nie ein Erfolgsrezept. Man muss sich am Spitzenfeld orientie-ren und dort mitmischen.

Ihr Buch ist unlängst auf Chinesisch erschienen: Was können die Chinesen von uns lernen?Ein chinesischer Freund hat angeregt, auch eine chinesische Aus-gabe des Buches zu publizieren. Die Grundthese des Buches ist, dass Erfolg auch die Mutter des Versagens sein kann. Wenn Bequem-lichkeit, Trägheit und Selbstgefälligkeit Platz greifen, dann sind die erzielten Errungenschaften rasch gefährdet. Diesen Rat kann man auch China geben, wiewohl man unsere beiden Länder natür-lich in vielem nicht einfach vergleichen kann. Die Chinesen haben in den vergangenen 30 Jahren eine sagenhafte Erfolgsgeschichte geschrieben. Dennoch werden sie alt, ehe ein grundlegender Wohl-stand und entsprechende Wohlfahrt erreicht sind. China hat noch einen viel zu gering ausgebauten Wohlfahrtsstaat. Wir haben dage-gen mittlerweile einen überdehnten Wohlfahrtsstaat, der selbst aufwändig Ungleichheit und Ungerechtigkeit produziert. Er wird nicht selten systematisch missbraucht.

Für einen Sozialdemokraten ist das eine heftige Ansage.Der Wohlfahrtsstaat ist eine viel zu wertvolle Errungenschaft, als dass man ihn durch Überdehnung und Ineffizienz aufs Spiel set-zen darf. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass letztlich nur verteilt und umverteilt werden kann, was zuvor erwirtschaftet worden ist. Es kann nicht sein, dass die einen nur kassieren und die anderen nur die Lasttiere sind. Hier drängt sich das Bild vom schwer beladenen Esel auf, bei dem ein Strohhalm zu viel schließ-lich bewirkt, dass ihm das Rückgrat gebrochen wird. Daher erfor-dert politische Sozialkompetenz zuerst Wirtschaftskompetenz, so wie Verteilungsgerechtigkeit auch Leistungsgerechtigkeit verlangt. Somit ist die beste Sozialpolitik eine gute Wirtschaftspolitik.

Als Industrieller mussten Sie schon das eine oder andere Werk schließen und kamen dabei auch in einen Konf likt mit der Gewerkschaft. Fällt einem das als Sozialdemokrat leichter oder schwerer?Mein Verständnis ist, dass jeder Eigentümer auch soziale Verant-wortung trägt. Bei einem Betrieb ist diese Verantwortung syste-misch auszulegen, weil sie nicht nur gegenüber den Mitarbeitern eines einzelnen Standorts, sondern gegenüber dem Unternehmen in seiner Ganzheit und auch gegenüber der Gesellschaft wahrzu-nehmen ist. Zu dieser Verpflichtung bekenne ich mich und nehme sie auch in diesem Sinne wahr. Meine Verantwortung als Indu-strieller besteht darin, Entscheidungen daraufhin zu prüfen und umzusetzen, dass die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und auch in der Zukunft bestehen können. Das ist die nachhaltigste Möglichkeit für die Sicherung von Arbeitsplätzen.

In einem Kommentar befassten Sie sich unlängst mit den Grenzen des Wachstums. Was ist Ihre Verantwortung als Industrieller gegenüber der Umwelt?Für die mit den Plastikmüllinseln im Ozean, der Abholzung der Regenwälder oder riskanten Erdölförderungen einhergehenden Probleme können nicht nur Unternehmen in die Pflicht genom-men werden. Es liegt auch eine gesamtgesellschaftliche und poli-tische Verantwortung vor. Es ist eine Verpflichtung, im gemein-schaftlichen Handeln an der Beseitigung der Schäden und der Ein-dämmung der Ursachen zu arbeiten. Dabei darf man aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Gerade in Österreich tendieren wir dazu, uns rückwärtsgewandt in Idyllen zu flüchten, statt die Möglichkeiten und Chancen zu nutzen, die neue Entwicklungen eröffnen. Wenn der Wind der Veränderungen bläst, muss man die Segel setzen und nicht in den Hafen flüchten.

Zum Beispiel gegen das Freihandelsabkommen TTIP? Entweder wissen manche nicht, worum es dabei geht, oder sie nut-zen die öffentliche Informationslücke bewusst aus, um damit ein frivoles politisches Spiel zu treiben. Es ist aber letztlich eine Fra-ge der Aufklärung. Die Geschichte lehrt, dass Freihandelsabkom-men die Wirtschaft beleben, die Arbeitslosigkeit verringern und den allgemeinen Wohlstand erhöhen. Freihandelsabkommen sind auch kein Freibrief für die Aushebelung von sozialen Standards,

hannes anDrosch

war Finanzminister (1970–1981) und Vize-kanzler, Generaldirektor der creditanstalt (1981–1988) und ist seit 1989 Geschäfts-führender Gesellschafter der aic-androsch international consulting. er hält Beteiligungen an zahlreichen unternehmen wie der Salinen austria aG, at&S oder Bwin. Der 77-Jährige ist auch für sein zivilgesellschaftliches und politisches engagement bekannt. 2011 war er Hauptinitiator des Bildungsvolksbegehrens.

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Wenn Sie auf nunmehr 77 Lebensjahre zurückblicken: Worauf sind Sie stolz?Stolz ist bekanntlich eine Todsünde. Ich bin darüber zufrieden, dass die gesamte Familie gesund und die Kinder und Enkelkinder auf einem guten Weg sind. Und auch darüber, dass ich auf den beruflichen Stationen meines Lebens, sei es als Finanzminister, als Generaldirektor der CA oder als Industrieller auch ein wenig zur Entwicklung des Landes beitragen konnte.

Gibt es Fehler, die Sie bereuen?Wer etwas macht, der begeht Fehler, und wer nichts macht, macht den größten Fehler. Ich habe mich immer bemüht, Entscheidun-gen gründlich vorzubereiten. Das habe ich nur einmal nicht getan. Als ich 1977 in meiner Regierungsverantwortung die LKW-Steuer einführen musste, war der 1. Juli natürlich der schlechteste Zeit-punkt dafür. Das Problem war, dass ich die Vorbereitung dazu direkt aus dem Verkehrsministerium übernahm. Ich wäre auch im Konflikt mit Bruno Kreisky bedächtiger gewesen, wenn ich

gewusst hätte, wie krank er schon damals gewesen ist. Ob dies in seinem Verhältnis zu mir letztlich etwas geändert hätte, würde ich aber bezweifeln. Man muss zu seiner eigenen Lebensgeschichte stehen.

Wie gehen Sie als Chef mit Fehlern Ihrer Mitarbeiter um?Was ist schon ein Fehler? Jeder hat schon einmal etwas vergessen oder falsch gemacht. Philosophisch muss man ja sagen, dass jeder Fehler ein Geschenk ist, wenn man daraus die nötigen Schlussfol-gerungen zieht und ihn nicht wiederholt.

Wie kann man Sie verärgern?Ich ärgere mich heute kaum noch und bin geduldig. Ungeduldig werde ich dann, wenn ich mit aufdringlicher Dummheit und Igno-ranz von Tatsachen konfrontiert werde.

Und wie schalten Sie ab?Ich bin gerne tätig. Erschöpfungsdepressionen kenne ich glückli-cherweise nicht. Wenn es dick hergeht, kann es schon sein, dass ich sage, lasst mich in Ruhe, ich mache für eine Stunde ein Nickerchen – weil danach die Welt wieder ganz anders aussieht.

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die wirtschaft Nr. 7-8 | J-A '1518

Reden wir über natur: Warum er Nachhaltigkeit in der Familiengruft begriffen hat und heute niemand mehr über seinen alten Janker lacht, erklärt Forstwirt Felix Montecuccoli.

interview: StepHan StrzyzoWSKi, foto: ricHarD tanzer

Wenn man heute eine freie Fläche bepf lanzt. Wie lange dau-ert es, bis darauf ein Wald steht, der sich verwerten lässt? Das dauert mindestens 80 Jahre. Wenn ich einen Wald neu anpflan-ze, wird er nach zehn Jahren so dicht, dass man nicht mehr durch-gehen kann. Nach 20 weiteren Jahren sterben die unteren Äste und einige Bäume wegen Lichtmangel ab. Der Bestand lichtet sich und wird langsam zu einem schönen Wald.

Der Wald dünnt sich also selbst aus?Ja, der Motor im Ökosystem Wald ist der Wechsel von Licht und Schatten. Diese Faktoren sind am wesentlichsten, und sie sind die Einzigen, die wir steuern können. Auf Bodengüte, Nährstof-fe, Regen und Schnee haben wir keinen Einfluss. Doch wenn man Bäume gezielt entnimmt, kommt mehr Licht bis zum Boden, und neue Pflanzen beginnen dort zu sprießen. Dieses Spiel von Licht und Schatten ist die Kunst der Forstleute.

Auch die Wirtschaft lebt davon, dass Raum für Wachstum neuer Marktteilnehmer entsteht. Welche Parallelen gibt es noch?Wir lernen in der Forstwirtschaft, dass es keine zwei gleichen Indi-viduen gibt. Selbst wenn ein Baum an einem Standort sehr gut wächst und eine tolle Qualität erreicht, kann es trotzdem sein, dass sich seine Samen nicht so gut entwickeln. Absolute Skalierbarkeit gibt es bei uns nicht. Deswegen brauchen wir die Vielfalt der Indi-viduen, von ihren Stärken und Schwächen. Sie gibt uns im Mix Sicherheit über viele Generationen. Das ist nicht nur im Wald so, sondern auch in der Wirtschaft. Auch dort gibt uns die Vielfalt von Unternehmen und Konzepten Sicherheit.

Was macht die perfekte Mischung aus?Auch das hängt vom jeweiligen Umfeld ab. In den höheren Zonen des Gebirgswaldes findet man immer Gruppen von mehreren Bäumen. Gemeinsam können sie der Witterung trotzen. Einzeln ginge das nicht. Auch in den tieferen Lagen ist es die Mischung aus unterschiedlichen Arten, die einen stabilen Wald ergibt, der Trockenheit, Sturm, Schneelasten und den Angriff von Schäd-lingen übersteht. Die Grunderkenntnis: Es gibt nicht die geni-ale Mischung, die immer passt. Aber: Eine gemischte Gruppe ist immer stärker als der Einzelne.

Monokulturen sind also passé?Ja, aber man sieht sie natürlich noch, weil ein Zyklus im Wald gute 100 Jahre dauert. Das macht die Forstwirtschaft scheinbar traditio-nell und langsam, aber auch sehr stabil. Die Bäume, die ich heute ernten darf, haben vieles erlebt. Sie wurden noch in der Monarchie gepflanzt, in der Krise der 30er vielleicht durch Brennholzdiebe geläutert, dann haben sie den Krieg erlebt und waren Schutz für Soldaten. Ab 1945 war das Gut einige Jahre durch die russische Besatzung enteignet. Die haben rigoros geschlägert. Was übrig blieb, haben mein Großvater und Vater aufgepäppelt. Jetzt ist der Wald schließlich so alt, dass ich ernten darf. Die Bäume haben sechs Währungen und fünf verschiedene Staatsformen erlebt. Was aber immer funktioniert hat, war ihr Wachstum im Spiel von Licht und Schatten.

Seit wann bewirtschaftet Ihre Familie diesen Wald?Das Land wurde von den Vorfahren 1628 gekauft und seither unter verschiedenen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Früher ging es vor-wiegend darum, Brennholz aus dem Wald zu ernten, da wurden hauptsächlich Buchen angepflanzt. Heute ist Holz ein vielseitiger industrieller Rohstoff, der vielerlei Verwendung findet. Das spie-gelt sich auch im Wald wider. Wir setzen heute auf einen Mix aus Baumarten und Qualitäten. Das passt gut, weil es auch ökologisch sinnvoll ist.

Wie funktioniert ein Wirtschaftskonzept, wenn es auf viele Generationen ausgerichtet werden muss?Ich ernte heute, was mein Großvater angepflanzt hat, und pflan-ze selbst für meine Enkelkinder. Die langen Zyklen zwingen uns, generationsübergreifend zu denken. Wenn ich statt zehn nur mehr fünf Hektar nachpflanze, wird es jetzt noch niemand merken. Dann bleibt zwar für mich mehr übrig, doch wenn man das länger so macht und die nächste Generation auch, dann ist irgendwann nichts mehr da. Was es mit der Nachhaltigkeit auf sich hat, ist mir als Kind in der Familiengruft bewusst geworden. Dort sah ich die vielen Sarkophage, in denen meine Familie seit 400 Jahren bestat-tet wird. Mir wurde klar, dass der Besitz immer von einer Hand zur nächsten weitergegeben wurde. Da kam mir die Erkenntnis: Ich möchte sicher nicht der Letzte gewesen sein, das wäre eine Nie-derlage!

Das Spiel von Licht und Schatten

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Kann man einen Wald überhaupt wie ein anderes profitorientiertes Unternehmen bewirtschaften? Nein. Wir führen die Forstbetriebe zwar nach den Grundprinzipien der Ökonomie, aber Gewinnmaximierung ist für uns mehr als nur Geld. Für den einen Waldbesitzer ist es, einen Hirsch zu jagen, für den anderen, eine schöne Ecke seines Waldes gar nicht zu bewirtschaf-ten. Für den dritten gehört zum Gewinn, dass er auf der Almhütte ohne Handyempfang sitzen kann. Das sind alles Ergebnisse aus dem Betrieb, die auch einen Teil des Gewinns darstellen. Andere Manager müssen sich das alles kaufen. Am Ende unserer Zeit messen wir unseren Erfolg darin, ob wir einen besse-ren Betrieb weitergeben, als wir übernommen haben. Ich muss mich dafür immer beschei-den und kann nicht mehr entnehmen, als mir der Wald an Natural-zuwachs – an natürlichen Zinsen – bietet.

Die Maxime wirtschaftlichen Handelns sieht meistens anders aus.Wir blicken auf eine Phase von 20 Jahren zurück, in der Beschei-denheit keine Tugend der Wirtschaft war und es nur um Maximie-rung ging. Darum wurden wir Forstleute auch oft wegen unserer abgetragenen Janker und den alten Autos belächelt. 1.000 Hektar Wald und dann so unterwegs! Dass wir uns mit ein bis zwei Prozent Kapitalverzinsung zufriedengegeben haben, hat niemand verstan-den. Man hat uns geraten, den Waldbesitz bei der Bank zu belasten

und damit am Kapitalmarkt 16 Prozent zu machen. Heute werden wir nicht mehr belächelt.

Wenn man Ihnen heute mehr Gehör schenkt: Welche Erkennt-nisse wollen Sie weitergeben?Der Wald lehrt uns, dass die Dinge Zeit brauchen, es geht nicht alles von heute auf morgen. Spannend ist auch, dass es in der Natur keine Stagnation gibt. Es gibt nur Wachstum oder Absterben, ein Aufstreben oder Zusammenbrechen. Ich muss mich auch als Mensch ständig entscheiden, vorwärts zu gehen oder zurückzufal-len, zu lernen oder der letzte Depp zu werden. Das alles lehrt uns die Natur – wenn wir nur hinsehen.

feLix MontecuccoLi

entstammt einem alten adelsge-schlecht. Der Vater dreier Kinder studierte zunächst vier Semester erdöltechnik an der Montanuni leoben, bevor er sich dem Studium der Forst-wirtschaft zuwandte. Seit 2005 ist Montecuccoli präsident des Verbandes der land- und Forstbetriebe in Öster-reich. Sein Betrieb umfasst knapp 1.000 Hektar Wald und knapp 200 Hektar landwirtschaftliche Flächen.

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Reden wir über strategie. Schachgroßmeister Stefan Kindermann über das Wechselspiel zwischen Intuition und Ratio.

interview: Daniel nutz

Als Laie frage ich mich, wie viele Züge ein Schachgroßmei-ster vorausdenken kann. Können Sie mir eine Antwort geben?In meiner längsten Kombination schaffte ich es, 25 Züge voraus-zudenken. Das funktioniert aber nur bei bestimmten Positionen. Dann, wenn auf jeden meiner Züge der Gegenspieler nur eine Op-tion für seinen Zug hat. Es macht einen Unterschied, ob ein nota-riell beglaubigter Vertrag meinem Handeln zugrunde liegt. Oder ob das ein Letter of Intent regelt, der dem Verhalten der Parteien einen Spielraum gibt.

Was beim Schach eher die Ausnahme ist.Bei komplexen Stellungen ist es für das menschliche Denken nicht mehr möglich, rein rational zu handeln. Dann muss man die Ent-scheidung dem Bauchgefühl, also der Intuition, übergeben. Durch

das Schachspiel lernt man, Entscheidungen im Lichte des Unge-wissen zu treffen.

Was macht eine gute Strategie im Schach aus?Es geht um die Kombination aus Taktik und Strategie. Taktik bezeichnet – analog zur Militärstrategie – den Nahbereich. Es geht um zwei bis vier Züge, wo man sicher ist, was passiert. Für die weit-läufige Strategie sind die Intuition und das Gefühl entscheidend.

Wie kann man die Denkweise eines Schachspielers auf das Geschäft umlegen?Im Schach-Denken muss ich immer den Perspektivwechsel vollzie-hen. Ich muss mich in die Position des anderen hineinversetzen und versuchen zu verstehen, welcher Zug für ihn der beste wäre.

Zug um Zug zum Erfolg

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Nur wenn ich mich in die Situation des anderen hineinversetzen kann, bin ich in der Lage, sinnvoll zu planen. Das gilt auch im Geschäftsleben. Auf der rationalen Ebene sammle ich alle mögli-chen Informationen über meinen Geschäftspartner. Etwa, was ich über das Unternehmen weiß oder was die dort formulierten Ziele sind. Um sich innerlich in den anderen hineinversetzen zu können, braucht es aber die Intuition. Diese speist sich aus dem Erfahrungs-schatz, den wir im Leben angehäuft haben. Man schätzt etwa ein, wie Menschen sich in ähnlichen Situationen verhalten oder wie ihr Verhalten früher war.

Was war denn Ihre schwierigste Situation als aktiver Spieler?Ich erinnere mich gerne an ein Match für die Einzelweltmeister-schaft gegen den amtierenden US-Meister. Er war eigentlich der bessere Spieler, und ich war froh, dass es nach vier Partien 2:2 stand. Wir spielten also um die Entscheidung ein Tie-Break im Blitz-Schach mit verkürzter Bedenkzeit. Wir waren beide ausge-pumpt, und die Welt sah uns dabei zu. Mir ist es gelungen, alle Kräfte zu sammeln, ich sah klar und konnte ruhig Entscheidungen treffen. Ich war im richtigen Moment in Bestform, das war erfolgs-entscheidend.

Wie bringe ich mich vor wichtigen Geschäftsterminen in Bestform?Man sollte sich die Frage stellen, wie es einem geht und ob man wirklich bereit ist für eine Aufgabe. Das wird im Management oft-mals vergessen. Es gibt Methoden, um diese Klarheit im Inneren zu schaffen.

Welche? Bevor ich mich in geistigem Aktionismus verliere, ist die Lage zu klären. Das klingt trivial, wird in der Managementpraxis aber sehr oft nicht verfolgt. Schachspieler stehen laufend vor der Aufgabe, mehrere schwierige Entscheidungen in nur ein bis zwei Minuten zu treffen. Wenn die Entscheidung falsch ist, kann die Arbeit von Monaten verloren sein – im Schach wie im Business.

Wie geht ein Schachprofi mit Rückschlägen um?Er analysiert, welche vermeidbaren Fehler er gemacht hat. Man braucht natürlich Mut dafür, die verlorenen Partien nochmal anzu-

schauen. Auch dem Unternehmer hilft es, ein gescheitertes Projekt anzusehen. Das Lernen daraus macht einen stärker. Ein weiterer Rat ist, die Erfolgsfalle zu vermeiden. Wenn ich eine Schachpartie mit Hängen und Würgen, also letztlich mit Glück gewinne, darf ich mich nicht zu sehr freuen. Man tappt in die Falle, wenn man unre-flektiert weitermacht, nur weil etwas einmal geklappt hat.

Gute Spieler haben mehrere Strategien im Kopf. Gute Unter-nehmer auch? Genau. Jede Idee muss also ein Stück weiterverfolgt werden, um zu sehen, wo die Haken liegen. Dafür braucht man Vergleichspa-rameter, um die beste Möglichkeit zu finden. Damit vermeidet man Planungsfallen. Aus der Geschäftswelt kennt man Beispiele, in denen man viel Geld oder Personal in eine Idee steckt, später aber draufkommt, dass eine andere Variante besser gewesen wäre. Mein Rat ist: Breite vor Tiefe. Das Ziel muss sein, mehrere Ideen zu entwickeln. Bei komplexen Herausforderungen spielen immer intuitive Momente hinein.

Die eigene Intuition kann auch trügerisch sein.Der Mensch tendiert dazu, sich bei der Einschätzung von Risiken und Wahrscheinlichkeitsszenarien von seiner Intuition blenden zu lassen. Beispielsweise stiegen direkt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Fernreisen mit dem Pkw an, um das Flugzeug zu meiden. Die Statistik zeigte später eine Zunahme der Verkehrstoten. Der Schlüssel zu optimalem Planen und Entschei-den liegt in der richtigen Kombination von Ratio und Intuition.

Seit einiger Zeit scheuen die besten Schachspieler der Welt den Vergleich mit dem Computer. Hat der Mensch keine Chance mehr? Der Vergleich Mensch gegen Maschine hinkt, da der Computer in einem solchen Wettstreit viele Vorteile auf seiner Seite hat. Er schöpft quasi ohne Zeitverlust aus dem gesamten Schachwissen der Menschheit. Man müsste dem Menschen eine riesige Biblio-thek mit Schachbüchern hinstellen, in der er nachschlagen kann. Zudem hat der Computer keinen Liebeskummer und keine Zahn-schmerzen.

Der Mensch hat aber Intuition. Reicht das nicht, um den rational handelnden Computer zu besiegen?Auch wenn der Mensch noch immer die besseren Spielideen kreie-ren kann, ist es sehr schwer, so exakt zu spielen, dass der Computer nicht kleine Fehler ausnützt. Es ist wohl auch für den Weltmeister beinahe unmöglich, das beste Computerprogramm zu schlagen. Positiv faszinierend finde ich aber, dass der Mensch trotz aller Nachteile noch relativ gut mithalten kann. Und er kann es nur durch die Kraft der Intuition. Er weiß im Gegensatz zum Computer, welche Lösungswege verfolgenswert sind.

stefan kinDerMann

ist seit 1988 Schach-Großmeister und Mitbe-gründer sowie Geschäftsführer der Münchener Schachakademie. als Speaker und trainer gibt der gebürtige Wiener seine erkenntnisse aus dem profischach bzw. das Strategiemodell „Königsplan“ in Form von Vorträgen und Seminaren an Manager weiter.

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Reden wir über europa. Die EU braucht eine eigene Regierung und sollte über ein Militärbündnis nachdenken, meint Erhard Busek.

interview: SteFan GraMpelHuBer

Österreich ist seit 1995 Mitglied der Europäischen Union. Wie sieht Ihre persönliche Zwischenbilanz der ersten 20 Jahre EU-Mitgliedschaft aus? Der Betritt war und ist ein ungeheurer Gewinn für Österreich. Die Wirtschaft hat davon eindeutig profitiert, das ist unbestritten. In unserer Nachbarschaft sind ganze Straßen voll mit Geschäften, die es ohne EU dort nicht geben würde. Außerdem wurde bis zum EU-Beitritt die Einfuhr von Waren streng vom Staat reglementiert. Viele Produkte waren nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Österreich war bis 1995 ein Zuschauer am Rande des europäischen Parketts. Nun sind wir wieder in die Mitte des Kontinents zurück-gekehrt.

Wie würde die österreichische Wirtschaft heute ohne EU dastehen?Heimische Unternehmen hätten einen deutlich eingeschränkte-ren Radius. Die Erste Bank wäre vermutlich eine kleine, höchstens regional bedeutende Sparkasse geblieben. Die OMV hätte wohl nur einige Tankstellen in Österreich – der EU-Beitritt hat ihr ermög-licht, zu einem internationalen Player aufzusteigen. Die positive wirtschaftliche Entwicklung ist aber nicht nur auf den EU-Beitritt zurückzuführen. Österreichs Wirtschaft hat es auch verstanden, die Chancen der Ostöffnung zu nutzen. Wir sind zu einer Drehscheibe für Unternehmen geworden, die ihre Geschäftsmodelle auf Mittel- und Osteuropa ausrichten.

Sollten die Mitgliedstaaten noch mehr Kompetenzen nach Brüssel abgeben, damit sie sich besser von regionalen wirt-schaftlichen und politischen Interessen lösen können?Allgemeingültige Aussagen sind hier schwierig. Aber es gibt ein-zelne Themen, die dringend eine Kompetenzverlagerung verlan-gen. Was besonders fehlt, ist eine gemeinsame Energiepolitik. Es ist blanker Unsinn, dass dieses wichtige Politikfeld alle 28 Mit-gliedsländer einzeln regeln. Ich plädiere außerdem vehement für eine EU-Kompetenzerweiterung in Bildungsfragen. Und auch die Flüchtlings- und Asylfrage wird sich nicht lösen lassen, wenn alle

Mitgliedsländer mit eigenen Strategien arbeiten. In Österreich zeigt sich gerade erneut, dass es nicht geschickt ist, den Bundes-ländern die Lösung dieser wichtigen Frage zu überlassen. Das sollte auf übergeordneter Ebene in Europa erfolgen.

Stichwort „Regulierungsdrang“. Die „Gurkenkrümmungs-verordnung“ oder die Kennzeichnungspf licht für allergene Inhaltsstoffe sind zu negativen Sinnbildern der EU-Bürokratie geworden. Mischt sich die EU in zu viele Kleinigkeiten ein?Diese Kritik ist berechtigt. Allerdings sollte man dabei nicht ver-gessen, wie so manche obskure Regelung entstanden ist: Hinter jeder Verordnung steht ein Mitgliedstaat bzw. eine Gruppe, die danach verlangt hat. Bei Regeln, die sich als unpopulär herausstel-len, wird dann aber gerne auf die Regulierungswut der EU verwie-sen. Deshalb sollte man ein transparenteres System installieren, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wer der eigentliche Initiator war.

„Der Dritte Weltkrieg hat längst begonnen“

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Stichwort EU-Erweiterung. Welche Länder sollten aus wirt-schaftlicher Sicht möglichst rasch Mitglied werden?Da fällt mir nur die Schweiz ein, die einer der wettbewerbsfähig-sten Standorte überhaupt ist. Sonst sehe ich keinen dringenden wirtschaftlichen Bedarf. Allerdings gibt es einige Länder, die aus politischen Gründen bald beitreten sollten. Alle Länder am Balkan, die noch nicht zur Union gehören, fallen darunter. Beitrittsver-handlungen wären der beste Anreiz für nötige Reformen in diesen Staaten. Im Fall Ukraine sollte eine möglichst rasche Entscheidung über den Start von Beitrittsverhandlungen getroffen werden. Dies ist entscheidend, um die gesamte Region zu stabilisieren.

Ist die EU in den vergangenen zehn Jahren zu schnell gewach-sen? Definitiv nicht. Das Tempo ist zwar eine Belastung für die EU. Aber das rasche Wachstum war nötig, damit das Staatenbündnis nicht in

der Bedeutungslosigkeit versinkt. Seit Anfang 2015 ist die Eurasi- sche Union Realität, mit der Putin ein wirtschaftliches Gegenge-wicht zur EU bilden will. Und China ist darauf bedacht, ständig neue Freihandelsabkommen wie kürzlich jenes mit Australien abzuschließen. Wir gehen also auf größere Wirtschaftsräume zu. Wächst die EU zu langsam, läuft sie Gefahr, marginalisiert zu wer-den.

Es gibt nicht nur die langfristige Perspektive der Erweite-rung, sondern auch das Szenario, dass die EU kleiner werden könnte. In Großbritannien gibt es etwa Diskussionen über ein Austrittsreferendum. Was würde ein Austritt großer Nationen wie Großbritannien für die EU bedeuten?Diesen Austrittsdiskussionen kann die EU gelassen entgegensehen. Ich gehe davon aus, dass diese Volksabstimmung deutlich pro Euro- pa ausgehen wird. Aber selbst, wenn das nicht so ist: Der Schaden

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DIE ZAHLEN SPRECHEN FÜR WIENWien ist österreichweit an der Spitze bei Unternehmensgründungen und bietet Start-ups hervorragende soziale und wirtschaftliche Rahmen-bedingungen, um mit ihrer Geschäftsidee einen erfolgreichen Weg einzuschlagen. Ein Standort mitten in Europa, wirtschaftliche Attraktivität und gut ausgebildete Arbeitskräfte sind ein fruchtbarer Boden für Unternehmer.

Unternehmensstandort im Herzen EuropasMit dem unbeschränkten Zugang zu den angrenzenden Märkten in Ost- und Westeu-ropa sowie dem Beitritt der CEE-Länder zur Europäischen Union ist Wien noch stärker ins Zentrum Europas gerückt und übt dort eine Brückenfunktion aus. Zudem vereint Wien alle Faktoren eines Top-Wirtschafts-standortes – mit Tradition, Kultur und hervorragender Lebensqualität. In Bezug auf die ökonomische Infrastruktur liegt die Bundeshauptstadt im internationalen Spitzenfeld und ist unter den Top Ten der reichsten Regionen Europas.

Neues dank DynamikDie hohe wirtschaftliche Dynamik spie-gelt sich in den rund 8.000 Unterneh-mensgründungen in Wien wider. Dabei besonders interessant: Fast die Hälfte der neuen Einzelunternehmen wird von Frauen

gegründet! Zahlreiche Service-Institutionen in der Bundeshauptstadt unterstützen Un-ternehmensgründerinnen und -gründer auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Neben einem hervorragenden wirtschaftlichen Umfeld können Unternehmerinnen und Unternehmer hier auf Arbeitskräfte mit Know-how zurückgreifen.

Innovationen fassen FußWien gilt aktuell als � orierender Standort für innovative Geschäftskonzepte im Start-up-Bereich und steht mit rund 530 Start-ups im Vergleich, beispielsweise zu Berlin, sehr gut da. Langfristiges Ziel ist es, hier eine europäische Drehscheibe für Start-ups zu positionieren. Mit Ausgaben von über 2,8 Mrd. Euro gilt die Donaumetropole als Zentrum der Forschung und experimentel-len Entwicklung in Österreich.

8000 Unternehmen werden jährlich in Wien neu gegründet.

530 Start-ups stehen für die dynamische Gründerszene.

Mehr Informationen unter www.wien.gv.at/wirtschaft/standort

Dort ist auch die Broschüre „Wirtschaftsstandort Wien“ abrufbar.

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für Großbritannien wäre ungemein größer als jener für die Europä-ische Union. Dieses Land hätte dann nämlich keine andere Wahl, als zum 51. Bundesstaat der USA zu werden. Und ich glaube nicht, dass viele Briten das gutheißen würden.

Stichwort Grexit: Wie realistisch ist ein Austritt Griechen-lands aus der Union?Auch der wird nicht stattfinden. Griechenland wird im Euroraum verbleiben und Europa wird weiter zahlen. Wenn Griechenland oder die Union einen Austritt tatsächlich wollten, hätte man das schon längst gemacht.

In ganz Europa ist ein Trend zur Renationalisierung festzu-stellen. Der Druck auf nationale Regierungen, Souveränitäts-rechte aus Brüssel zurückzuholen, nimmt zu. Warum gelang es nicht, das Projekt eines friedlichen, gemeinsamen Europas populär zu machen?Europa ist als Friedensprojekt ein Erfolg auf allen Linien. Für Men-schen aus meiner Generation ist das ein unbezahlbarer Gewinn. Allerdings befinden wir uns in einer Zeit komplexer Problemlagen. Egal ob es um die Bankenkrise, um die Situation in der Ukraine oder die Flüchtlingswelle aus Nordafrika geht – die EU muss gera-de eine Vielzahl an Konflikten managen. Das Motto, das nun viele Nationalstaaten vorantreibt, lautet: Wir setzen die Scheuklappen auf und denken nur an uns. Das ist nicht mehr Nationalismus, son-dern purer Egoismus. Sie verstehen nicht, dass wir in einer globali-sierten Welt leben und sich die Uhrzeiger nicht mehr zurückdrehen lassen. Treten einzelne Mitglieder aus der EU tatsächlich aus, dann sind sie mit diesen Problemen allein. Und Sie können sicher sein: Auch dann werden Flüchtlinge an den Grenzen stehen und herein-wollen.

Wie sehen Sie die sicherheitspolitische Zukunft Europas?Zuallererst: Der Dritte Weltkrieg hat längst begonnen. Er hat nur ein anderes Profil als Weltkriege, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgefochten wurden. Heute haben wir Israel und Palästina, seit einem Jahr auch die Ukraine. In diesen Ländern wird die Situation einfach nicht besser. Im Irak haben die Amerikaner ein Desaster hinterlassen. Und es gibt die Gräueltaten des Isla-mischen Staates und ein ständig schwelendes Problem in Syrien und weiteren Ländern im Nahen Osten, über das die Medien kaum

berichten. Die Union kann zwar diplomatisch vermitteln, ist aber nicht darauf ausgerichtet, in adäquater Weise in diese Krisenher-de einzugreifen, falls das einmal nötig sein sollte. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob die Nato genügt oder ob wir auch ein eigenes europäisches Militärbündnis brauchen.

Politiker und Europaexperten klagen häufig, Europa werde falsch kommuniziert. Stimmt dieser Kritikpunkt?Die Sinnhaftigkeit der EU wird nicht klar vermittelt. Das ist nicht nur auf ein Versagen der Politik, sondern auch ein Versagen von Wissenschaft und Medien. Auch sie tragen Schuld daran, dass es bis heute nicht einmal ansatzweise eine europäische Öffentlichkeit gibt. Es gibt zum Beispiel kein einziges Talkshow-Format, in dem EU-Themen diskutiert werden.

Die Europäische Union ist aufgrund ihrer komplexen Füh-rungsstrukturen für den Otto Normalbürger nicht einfach zu verstehen. Welche Änderungen schlagen Sie vor, um die Union bürgernäher zu machen?Langfristig werden wir ohne eine europäische Regierung nicht auskommen. Stellen Sie sich einen Verein vor, der 28 Vorstands-mitglieder hat. Da kann der Entscheidungsprozess nur langwierig und problembehaftet sein. Noch schwerer ist die Konsensfindung im Europäischen Rat. Eine Verkleinerung inkl. Präsidium ist des-halb unerlässlich. Wie wichtig eine solche Reduktion ist, macht die aktuelle politische Entwicklung klar: Zur Lösung der Griechenland-Frage werden Angela Merkel und François Hollande, also einzelnen Regierungschefs, Führungsrollen zugemutet und zugestanden. Das halte ich für problematisch. Alle anderen entledigen sich damit bequem ihrer Verantwortung.

Ist es noch zeitgemäß, die Zahl der EU-Kommissare, derzeit sind es 28, an die Anzahl der Mitgliedsländer zu koppeln?Das ist natürlich nicht zeitgemäß. Die Kommission gehört straffer organisiert. Eine indirekte Reduktion der Kommissare wurde aber ohnehin schon umgesetzt. Es gibt sieben Vizepräsidenten, denen die restlichen Kommissare unterstellt sind. Nachteil: Das System wird dadurch intransparenter. Ein Bürger kann sich aber letztlich nur eine Handvoll Leute merken, die Europa eine Führung geben. Die EU-Kommissare kennt man heute meist nur im eigenen Land, wenn überhaupt.

erharD busek

war von 1991 bis 1995 Vizekanzler und chef der ÖVp, außerdem Wissenschafts- und unterrichtsminister in den 80er- und 90er-Jahren. Später fungierte der gebür-tige Wiener als regierungsbeauftragter für eu-erweiterungsfragen. Von 2002 bis 2008 war er Sonderkoordinator des „Stabilitätspaktes für Südosteuropa“. Heute engagiert sich der 74-Jährige u. a. als rektor der FH Salzburg, als präsident des Senats der Wirtschaft und des Vienna economic Forums. als europa-experte publiziert Busek laufend Beiträge zur eu-osterweiterung, zur europäischen Wirtschaftspolitik und zur Globalisierung.

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DIE ZAHLEN SPRECHEN FÜR WIENWien ist österreichweit an der Spitze bei Unternehmensgründungen und bietet Start-ups hervorragende soziale und wirtschaftliche Rahmen-bedingungen, um mit ihrer Geschäftsidee einen erfolgreichen Weg einzuschlagen. Ein Standort mitten in Europa, wirtschaftliche Attraktivität und gut ausgebildete Arbeitskräfte sind ein fruchtbarer Boden für Unternehmer.

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Innovationen fassen FußWien gilt aktuell als � orierender Standort für innovative Geschäftskonzepte im Start-up-Bereich und steht mit rund 530 Start-ups im Vergleich, beispielsweise zu Berlin, sehr gut da. Langfristiges Ziel ist es, hier eine europäische Drehscheibe für Start-ups zu positionieren. Mit Ausgaben von über 2,8 Mrd. Euro gilt die Donaumetropole als Zentrum der Forschung und experimentel-len Entwicklung in Österreich.

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Reden wir über beziehungen. Ein Gespräch mit der Xing-Österreich-Chefin Carmen Windhaber über Kontaktpflege in der virtuellen und realen Welt.

interview: Daniel nutz

Frau Windhaber, mit wie vielen Leuten sind Sie über soziale Medien vernetzt? Derzeit pflege ich 1.322 Kontakte. Die Menge hat natürlich mit meiner Funktion zu tun. Bei mir vermehrt sich das vielleicht schneller als bei anderen Leuten. Aber ich kenne auch Leute, die 20.000 Kontakte haben.

Kennen Sie alle Ihre Kontakte persönlich?Nein. Es gibt ja prinzipiell zwei Gruppen. Die eine sagt: Ich bestä-tige nur Kontakte, die ich auch persönlich schon einmal getroffen habe oder mit denen ich telefonisch oder in irgendeiner Form Kon-takt hatte. Und dann gibt es das Lager, das sagt: Mir ist es gleich, ich nutze mein Netzwerk auch, um Kontakte aufzubauen, die ich nicht persönlich kenne. Ich war immer ganz offen dafür, weil die Welt dadurch einfach ein Stück kleiner wird.

Aufgrund Ihrer Position wollen bestimmt viele Ihrer Kontak-te etwas von Ihnen. Ist das nicht lästig? Das muss nicht immer schlecht sein. Ich bin schließlich auch auf der Suche nach Kooperationen. Wenn mich etwas nicht interes-siert, kann ich immer noch sagen, dass ich nicht weiterhelfen kann oder etwas eben gerade keine Priorität hat. Ich bin prinzipiell offen, komme gerne mit Leuten ins Gespräch und schaue, was sich ergibt. Ich glaube, dass letztlich mehr Chancen als Risiken in diesem Aus-tausch stecken.

Wann weisen Sie denn eine Anfrage ab? Auch in sozialen Netzwerken soll eine gewisse Höflichkeit gewahrt bleiben. Ich reagiere allergisch, wenn mich jemand flapsig und dazu noch gespickt mit Rechtschreibfehlern anschreibt und dann auch für eine simple Grußformel keine Zeit zu haben scheint. Dann reagiere ich nicht auf die Anfrage.

Weniger Formalismus ist aber prinzipiell eine Spielregel sozialer Medien. Das verändert den Umgang – privat wie geschäftlich?Zu viel Formalismus ist manchmal sicherlich hinderlich. Ich habe kein Problem damit, Leute zu duzen. Speziell im Businesskontext ermöglichen weniger formale Umgangstöne Dinge, die man sonst so nicht erreichen würde. Bei Xing gibt es darum beispielsweise die

Möglichkeit, Hobbys einzutragen. Manche lehnen das ab. Ich nütze das aber als Anknüpfungspunkt für ein Gespräch. Es schadet nicht, wenn Businessbeziehungen persönlicher werden. Auch digitalen Smalltalk finde ich gut. Daraus entstehen Netzwerke.

Sehen Sie eigentlich Unterschiede darin, ob man online oder off line netzwerkt?Das eine ergänzt das andere sehr gut. Online kann auch eine Art Vorhof sein. Ich habe da ein nettes Beispiel: Mir hat jemand ein-mal über Xing einen Anwalt als Kontakt vorgeschlagen. Ich fand sein Profil spannend gemacht – mit Referenzen und so weiter – und habe ihm deshalb geschrieben. Er hat zurückgeschrieben, wir machten uns ein Treffen für einen Kaffee aus und wir haben neben-her unsere Leidenschaft für frische Kirschen diskutiert. Als wir uns dann im Café trafen, ist er mit einem Sack Kirschen daherge-

„Ich habe kein Problem damit, Leute zu duzen“

Xing

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die wirtschaft Nr. 7-8 | J-A '1528

kommen, weil er ein paar Tage zuvor bei einem Obstbauern in der Steiermark war. Das ist ein Beispiel dafür, dass im Business nicht immer alles so streng sein muss. Wenn ich das nächste Mal einen Anwalt brauche, denke ich bestimmt an ihn. So können sich dann Geschäftsbeziehungen einfach ganz einfach ergeben.

Die Grenzen zwischen privat und beruf lich verschwimmen anscheinend. Man hört auch von Leuten, die sogar ihren Part-ner über Xing kennenlernen. Viele Menschen verwenden Xing als Businessnetzwerk und oftmals noch etwas anderes wie Facebook für private Zwecke. Aber ja, wenn man seinen Partner über uns kennenlernt, ist das doch gut. Ich habe mal einen Freund über Skype kennengelernt. Die Plattform ist nicht entscheidend für die Art und Weise, der daraus entstehenden Beziehung. Obwohl, die Partnervermittlung ist jetzt nicht unsere primäre Aufgabe (lacht).

Viele Leute haben Angst, dass zu viel Privates im Netz landet. Verstehen Sie das?Es gibt die Angst, Daten oder Bilder preiszugeben. Nur muss man halt erkennen, dass man sowieso Informationen über jemanden im Netz findet. Die wenigen Leute, von denen man nichts im Netz findet, sind einem mittlerweile fast ein bisschen verdächtig. Man muss eben vorsichtig sein. Ich poste beispielsweise nicht meine private Telefonnummer und bin bei privaten Fotos vorsichtig.

Sie können sich als Xing-Aushängeschild in Österreich ja auch keinen Fauxpas erlauben. Ich achte jetzt sicher mehr darauf als früher. Aber das ist Geschmackssache und auch ein Generationenthema. Junge Leute gehen damit offener um.

Stichwort Junge: Wie verändert sich die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern? Fakt ist, dass sich alle Branchen um die besten Talente und die besten Arbeitskräfte streiten werden. Die jüngeren Generationen

– nennen wir sie Generation Y oder Z – wollen ein iPad, haben Lust auf die freie Gestaltung des Arbeitsumfeldes und legen nicht mehr so viel Wert auf Gehalt, Dienstauto und solche Dinge.

Eine Prognose lautet: Künftig werden sich Unternehmen bei ihren Mitarbeitern bewerben müssen.Richtig! Und um die Leute zu erreichen, muss ein Unternehmen flache Hierarchien entwickeln. Die Menschen wollen mitgestalten. Das heißt aber auch, dass es für Arbeitnehmer kein Problem ist, sich um acht Uhr abends noch einmal hinzusetzen, um noch etwas zu arbeiten. Diese Flexibilität muss auch der Arbeitgeber einbrin-gen, etwa über variable Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkei-ten und Ähnliches. Das Thema Unternehmenskultur wird immer wichtiger. Verschiedenste Studien belegen das.

Universitätsabgänger heuern mittlerweile bei Start-ups an, weil ihnen das Versprechen gemacht wird, dass Arbeit Spaß macht. Nur mit gutem Gehalt holt man anscheinend keine Leute mehr.Genau. Ich bin da oft auch unterwegs in solchen Umfeldern. Da muss ich sagen: In Österreich haben wir noch viel zu tun.

Was denn zum Beispiel?Wir wissen, dass rein homogene Organisationen nicht so innova-tionsfähig wie inhomogene Organisationen sind. Wenn ich einen Mitarbeiter tausendmal klone, kriege ich am Ende nicht so viel Innovation raus, wie wenn ich einen anderen Menschenschlag auch mit reinnehme. Natürlich sind inhomogene Teams schwie-riger zu managen, aber wir müssen da innovationsfähig bleiben – gerade in Zeiten der Wissensarbeit. Teams mit unterschiedlichen Altersstrukturen, Herkünften, Ausbildungen sind erfolgreicher – das weiß man.

Spannendes Thema, leider ist unsere Zeit jetzt vorbei. Wollen wir uns über soziale Medien vernetzen und weiter plaudern?Ja, natürlich!

Ich bin allerdings nicht bei Xing. Dann sollten Sie das schleunigst ändern!

Wieso denn?Erst wenn Sie es tun, werden Sie sehen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.

carMen winDhaber

ist country Manager bei xing-Österreich und sucht laut ihrem xing-profil „inspirierende

networking-Kontakte“, „Kooperations- partner“, „Kontakte zum thema neue arbeits-welten“ sowie „Menschen mit Herz und Hirn“.

IMPRESSUMMedieninhaber, Herausgeber, Verleger, Redaktion: Österreichischer Wirtschaftsverlag gmbH, grünbergstraße 15/1, A-1120 Wien, T (+43 1) 546 64-0, F (+43 1) 546 64-711, www.wirtschaftsverlag.at, Geschäftsführer: Thomas Zembacher, dVR-nR.: 0368491, Chefredaktion Österreichischer Wirtschaftsverlag Gesamtleitung: stefan Böck, (sb), T (01) 546 64 – 380, e [email protected], Chefredakteur: stephan strzyzowski, (str), T (01) 546 64-381, e [email protected], stv. Chefredakteur: daniel nutz (dn), T (01) 546 64-388, e [email protected], Autoren: Alexandra Rotter, Harald koisser, stefan grampelhuber, Fotos: Thinkstock, Richard Tanzer, Anzeigenverkauf: erhard Witty, T (01) 546 64–283, Anzeigenservice: Renate Weber, T (01) 546 64-482, e [email protected], Grafik Design: Antonia stanek, Hersteller: druckerei Ferdinand Berger & söhne gmbH, 3580 Horn, Wiener straße 80, Aboservice: Aboservice Österr. Wirtschaftsverlag, T +43/1/361 70 70-570, F +43/1/361 70 70-9570, e [email protected] • www.die-wirtschaft.at • http://www.facebook.com/diewirt-schaft • Aus gründen der Textökonomie verzichten wir auf geschlechtsspezifische Formulierungen. die offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter http://www.wirtschaftsverlag.at/offenlegung ständig abrufbar.

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Reden wir über erfolgsdruck. Skisprung-Olympiasieger und Jungunternehmer Toni Innauer über lehrreiche Tiefschläge, den gesunden Stresslevel und die Erfolgsgier am Finanzparkett.

interview: : Daniel nutz

Herr Innauer, Sie waren erfolgreicher Olympionike und Spit-zenfunktionär. Nun sind Sie Jungunternehmer. Was reizt Sie daran?Mein Tätigkeitsfeld ist sehr vielfältig. Es geht von Coachings und Vorträgen über TV-Expertisen bis hin zu Autorentätigkeiten. Die Quintessenz dabei ist, Know-how aus dem Spitzensport für die Wirtschaft aufzubereiten. Um das zu machen, brauchte ich eine Struktur, die mir die Firma gibt. Unternehmer war ich außerdem mein Leben lang noch nie. Es reizte mich, das auszuprobieren.

Was bedeutet Erfolg für Sie?Erfolg ist immer etwas Persönliches. Es kann die Lösung von Auf-gaben oder die Erfüllung von Pflichten sein. Sozusagen das Über-winden von Widerständen.

In Ihrem letzten Buch „Am Puls des Erfolgs“ kritisieren Sie den Erfolgsdruck in unserer Gesellschaft.Wir leben sicher in einer überhitzten Erfolgsgesellschaft. Dabei sollte der Erfolg ein positives Nebenprodukt einer Entwicklung und von Leistung sein. Leider driften diese beiden Dinge immer wieder auseinander. Erfolg kann letztlich auch mit Glück zustande kommen. Das weiß man aus dem Sport. Bei uns Skispringern ist es der Wind, beim Fußball die Torstange. Worauf man fokussieren kann, ist die Steigerung der eigenen Leistung. Das kann man über leistungsbestimmende Parameter steuern, die letztendlich zum Erfolg führen. Außer es wird betrogen.

Doping und Betrug werden in der Wirtschaft akzeptiert, während es im Sport sofort eine moralische Diskussion gibt. Sehen Sie das auch so?Ich glaube, dass es im Sport eine noch größere Doppelmoral gibt als im Wirtschaftsleben. Dort hängen Leute den Moralapostel raus und schreien laut, wenn irgendwer bei unlauteren Tätigkeiten erwischt wird. Wenn um den eigenen Erfolg geht, sind aber alle Mittel recht.

Aber hier wie dort sollte es Spielregeln geben.Man kann Wirtschaft und Sport durchaus vergleichen. Global gibt es in beiden Bereichen eine Harmonisierung der Spielregeln und Standards. Beim Doping haben wir mittlerweile ein Rechts-system, das zivilrechtliches Vorgehen ermöglicht und das Betrü-

gen schwerer macht. Die Analogie zur Wirtschaft ist, dass verschiedene Nationen für unterschiedliche Spielregeln eintreten. Russland führt beispielsweise keine Doping-kontrollen durch, wenn im eigenen Land eine Gewicht-heben-WM stattfindet. Das Gleiche gilt für die Kontrolle von Arbeits- und Sozialstandards in Asien. Es schaffen sich jene einen Wettbewerbsvorteil, die weniger Moral an den Tag legen.

Manager dürfen – im Gegensatz zu Sportlern – dopen.Es gibt die Theorie, dass vor dem Ausbruch der Finanzkrise der Kokain-Konsum bei den Tradern der Investmentban-ken exorbitant hoch gewesen sei. Das führte zur Bereit-schaft, sich von seinem Gefühl abzuspalten und somit unglaubliche Risiken einzugehen. Die Risikobereitschaft steigt, wenn man gedopt ist. Ausbaden muss diese Ent-scheidungen dann die Gesellschaft.

Dopingtests bei Trader sind wohl utopisch. Ein globa-les Regelwerk für Finanztransaktionen auch?Das hat man doch in der Diskussion um die Transaktions-steuer gesehen. Das globale Finanzkasino kann da sicher uneingeschränkt handeln und ist an nichts gebunden.

Dem Handeln der Trader liegt vermutlich enormer Leistungsdruck zugrunde. Man kann es auch Gier nennen. Der Trader bekommt eine Belohnung, wenn es am Konto klingelt. Das ist so in den Verträgen festgelegt. Es wird mit Angst und Gier gearbei-tet und mit der Lust, immer mehr zu haben als der andere. Dann reicht eine Yacht nicht mehr, und man braucht eine zweite. Dieser Konkurrenzdruck führt dazu, immer mehr haben zu wollen – ohne dabei darauf zu schauen, was man wirklich braucht. Wir haben die Relation verloren.

Schneller, höher, weiter ist auch das Motto im Spitzensport. Gelang es Ihnen als Aktiver, diesem Druck zu widerstehen?Ich habe schon als Sportler mit meinen Trainern über das richti-ge Augenmaß diskutiert. Nicht jeder kann schließlich Weltmeister werden. Es gibt dafür den Begriff der Eigenleistung. Die ist abhän-

„Wir haben die Relation verloren“

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die wirtschaft Nr. 7-8 | J-A 15 31

gig vom persönlichen Talent. Man kann sehr befriedigend an der eigenen Entwicklung arbeiten. Wenn man eine entsprechende Ent-wicklung hinbekommt, entstehen daraus sehr erfüllende Glücks-momente.

Ein Unglückserlebnis in Ihrer kurzen aktiven Karriere waren sicher die Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck. Sie lagen damals nach dem ersten Durchgang haushoch in Führung, vermasselten aber den zweiten Sprung und verloren die sicher geglaubte Goldmedaille. Lernt man tatsächlich aus sol-chen Tiefschlägen?

Man bekommt eine große Chance, daraus zu lernen. Durch Refle-xion kann man erkennen, was die Ursachen waren. Ich dachte damals, mir kann das nicht passieren. Doch mich erfasste die Ner-vosität dermaßen, dass ich auch körperlich erschöpfte und schließ-lich versagte. Ich war der Aufgabe mental nicht gewachsen. Diese Erkenntnis war schließlich auch ein Grund dafür, dass ich später unter anderem Psychologie studierte und versuchte, als Trainer mein Wissen anzuwenden.

Prinzipiell hat Stress aber auch eine positive Funktion. Wie geht man richtig damit um?Es braucht einen gewissen Stresslevel, um die maximale Leistungs-fähigkeit zu erreichen. Die damit verbundenen Emotionen und das Erregungsniveau müssen aber noch steuerbar sein. Es gibt aus dem Spitzensport einige Anleihen, wie man diesen Stress regulieren kann. Das Team spielt dabei eine Rolle. Wer sich in seiner Umge-bung wohlfühlt, kann mit Stress besser umgehen.

Was können Sie aus dem Spitzensport ins Unternehmertum mitnehmen?In der Wirtschaft wird immer von Ergebnisorientierung gespro-chen. Es heißt, man solle ergebnisorientiert arbeiten und sich nicht verzetteln und so weiter. Nun ist man im Spitzensport aber drauf-gekommen, dass das gar nicht so gut ist. Klar will jeder gewinnen. Aber dabei steht man sich durch das Ergebnisdenken selbst im Weg. Darum ist das prozessorientierte Handeln wichtig. Es geht darum, sich auf das zu konzentrieren, was man auch tatsächlich gut kann. Ein guter Handwerker muss seine Tätigkeit mögen, nur dann wird er eine gute Leistung bringen können.

Das führt zum Thema Motivation. Wie kann man sich moti-vieren?Es ist wichtig, einen Ausgleich der Antriebe zu finden: Das Streben nach Geld oder Ruhm kann jedenfalls auch ein Antrieb sein, aber sollte eben nicht über allem anderen stehen. Man muss im Han-deln einen Sinn sehen. Man braucht sich nur Sportler anschauen, die alles gewonnen haben: Die kommen oftmals in eine Sinnkri-se. Das gibt es auch in der Wirtschaft. Deshalb wäre mein Tipp: Ändern Sie immer ein klein wenig an Ihrem Tätigkeitsfeld, damit Sie wieder motiviert sind.

toni innauer

gewann Gold (1980) und Silber (1976) bei olympischen Spielen im Skisprung. nach sei-ner aktiven laufbahn studierte er philosophie, psychologie und Sportwissenschaft. Später arbeitete er sehr erfolgreich als trainer und Sportdirektor beim Skiverband. 2011 gründe-te er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Wolfgang Schwarzmann die Firma „innauer + facts“. er ist als Vortragender, Berater und trainer an der Schnittstelle Sport und Wirt-schaft tätig.

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die wirtschaft Nr. 7-8 | J-A '1532

Reden wir über fantasie. Ein Gespräch mit André Heller über lebenslanges Lernen, Selbstüberschätzung und die Kraft der Gedanken.

interview: StepHan StrzyzoWSKi

Sie haben sich mit Gartenkunstwerken, Wunderkammern, Prosaveröffentlichungen, mit Zirkus, Varieté und als Chan-sonnier verwirklicht. Welche Rolle spielt die Fantasie in Ihrem Leben?Ich habe schon sehr früh gedacht, dass sie ein Werkzeug ist, das meinem Leben eine eigene Wendung gibt. Und dass sie mir dabei dienen kann, mich zu verfeinern. Fantasie hilft mir, Lösungen für schwierige Fragestellungen zu finden. Ich bin jemand, der Dingen nachgeht, die mir für meine Ausbildung fehlen. Ich will mich ler-nend verwandeln. Denn ich bin auf der Welt, um aus diesem Ent-wurf eines Menschen einen gelungenen Menschen zu machen. Die Fantasie ist dafür ein unglaubliches Hilfsmittel.

Wissen Sie noch, wann sich Ihre Vorstellungskraft zu entfal-ten begonnen hat?Das war sehr früh. Sobald ich denken konnte, habe ich versucht, mir selber Universen zu schaffen. In meinen frühesten Kritzelhef-ten finden sich Länder, die ich erfunden habe, mit eigener Geogra-fie und Flaggen, mit Nationalhymnen, Traditionen, Trachten und Ritualen. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass es interessant ist, was die Welt anzubieten hat, aber auch ich wollte der Welt etwas anbieten.

Haben Sie sich dieses fantasievolle Kindsein erhalten kön-nen?Ich glaube, dass wir als Kinder viel unverbarrikadierter sind. Die Wahrnehmung ist empfindsamer, wir wissen mehr über die Welt hinter den Spiegeln. Wenn man erwachsen wird, entfernt man sich immer mehr von der Anbindung an die Weisheit der eigenen Seele, von der Gewissheit, dass man einer spirituellen Welt entstammt,

in der man verankert ist. Das schüttet man dann nach und nach zu mit dem Glauben an diese Wirklichkeit und daran, dass sie das Großartigste ist. Dem ist aber nicht so. Viel großartiger ist, wo wir herkommen und wo wir hingehen. Diese Welt ist nur eine Ausbil-dungsstätte, die wir gebucht haben wie einen Kurs.

Glauben Sie, dass man wiedergeboren wird und weitere Chan-cen erhält?Die gibt man sich selber, man bekommt sie nicht. Unsere Seelen sind in nie endender Ausbildung, und was dieser Planet hier zu bieten hat, ist die Polarität. Heiß, kalt, gescheit, blöd, eitel, beschei-den, hoch, tief, kalt, warm. Jeden Lehrstoff, den man sich aussucht, muss man möglichst klug verwerten. Wenn man es nicht tut, bringt man sich um Erfahrungen. Ich bin ein neugieriger Mensch, und ich will in diesem Leben so viel Ausbildung wie möglich machen. Ob es etwas mit Kunst zu tun hat, mit der Erforschung von Meeren, mit Liebesgeschichten oder bitteren Niederlagen – es ist mir will-kommen.

Glauben Sie, dass diese Offenheit auch zu Ihrem Erfolg bei-getragen hat?Ich glaube, dass viele Menschen ein falsches Bild von Erfolg haben. Besonders Wirtschaftstreibende sind oft beseelt von der Vorstel-lung, dass Irrtümer etwas Peinliches sind. Natürlich haben sie finanzielle Folgen, aber die Wahrheit ist, dass das Irren und das Ziehen von Konsequenzen daraus wesentliche Erfahrungen ber-gen. Man kann nicht von einer Niederlage sprechen, wenn man aus ihr klüger hervorgeht. Alle diese Wertungen, was richtig und falsch ist – davon habe ich mich längst verabschiedet. Mir geht es nur darum, meine Ausbildungsmöglichkeiten nicht zu schwänzen.

Die Welt ist eine Ausbildungs-stätte

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Hatten Sie Lehrer, die Ihnen bei dieser Ausbildung besonders zur Seite standen?Man hat immer Verbündete und Weichensteller, Freunde und Feinde, die Wesentliches bewirken können. Ich halte das alles für Verabredungen. Ganz besonders kostbare Lehrer waren jene, die mich behindern wollten. Weil ich gesehen habe, dass sie sich sehr anstrengen, mich von etwas abzubringen, ich mir aber treu bleibe. Und dass ich mich beweisen darf an ihrem Widerstand.

Haben Sie ein Beispiel dafür?Meinen Vater, der nach irdischen Gesichtspunkten ein ganz uner-träglicher Mensch war. Er hat mir in unübertrefflicher Weise bewiesen, wie es nicht geht. Und wie ich nicht sein will. Insofern habe ich ihm viel zu verdanken. Es war so eindrucksvoll, wie er ver-zweifelt ist, wie er bösartig und grausam und ohne Mitgefühl war – mir gegenüber und meiner Mutter. Daraus habe ich die Überzeu-gung abgeleitet, dass ich es nicht so machen werde – und das habe ich auch nicht getan. Dieses Gejammere über bittere Kindheit, das man so häufig hört, das ist nur erlaubt, bis das eigene Bewusstsein dort ist, wo man begreift, warum man sie erlebt hat.

Was verändert sich dann?Unser Bewusstsein, das unsere Gedanken schafft, und unsere Gedanken, die unsere Realität schaffen. Wir können uns beim Salz-amt beschweren, aber alle Krebserkrankungen und alle Bankrotte, alle Triumphe, alle gescheiterten und gelungenen Beziehungen sind vollkommen abhängig von dem, was unsere Gedanken und unser Bewusstsein verwirklichen. Mich interessiert darum über-haupt nicht mehr, wie erfolgreich jemand ist, sondern nur, in welchem Zustand er sich befindet. Wenn man sich anschaut, wie viele Nobelpreisträger und Wirtschaftsheroen in einem desaströ-sen persönlichen Zustand sind, wie sie mit ihren Frauen, Kindern, Mitarbeitern und mit sich selbst umgehen, dann müssen wir uns ein neues Wertesystem angewöhnen. Es hat ja einen Grund, warum so viele Stars Drogen in ihr Leben holen. Sie wollen nicht über sich selbst nachdenken müssen.

Es scheint aber immer wieder so zu sein, dass es gerade die Extreme sind, die manche Persönlichkeiten Großes erschaf-fen lassen.Das liegt daran, dass dieser Menschenschlag interessantere Erfah-rungen macht. Ich habe früher auch sehr stark polarisiert. Ich war

unglaublich aggressiv, arrogant und vermeintlich selbstbewusst und hielt alles, was ich getan habe, für großartig. Das ist aber nicht wahr gewesen. Es war ein Potemkin’sches Dorf, das ich hinge-stellt habe, damit niemand meine Unsicherheiten sieht. Es ist sehr schwierig, mit sich in Frieden zu leben, solange man noch keine Ähnlichkeit mit dem hat, der man sein soll. Aber auch in dieser Phase muss man seinen Mann und seine Frau stehen.

Wie gut ist Ihnen das gelungen?Ich habe mir damals einen André Heller geschnitzt, der sehr machtvoll gewirkt hat, den die einen für ein arrogantes Arschloch und die anderen für einen exzentrischen Dandy gehalten haben. Während man dieses Leben lebt, muss man versuchen, sich so zu verändern, dass man jemand wird, mit dem man gern aufwacht und am Abend schlafen geht.

Auch wenn Sie heute mit dem exzentrischen Dandy nichts mehr zu tun haben wollen – können Sie ihm zumindest zugutehalten, dass er in seiner Übersteigerung einige großar-tige Werke geschaffen hat?Ich glaube, dass sich mein Talent häufig vor meiner Hybris beschützt hat. Es hat gesagt: Du wendest dich an andere. Ich will nicht, dass wir über mich andere Menschen mit deinen Verstö-rungen beschädigen! Da ist also manchmal etwas gelungen, wo meine Arbeitsergebnisse auf einem weit höheren Level waren als mein Bewusstsein. Deswegen distanziere ich mich auch nicht von den schrecklichsten Dingen, die ich in meinem Leben getan habe, denn ich konnte nicht anders. Ich würde auch einen Volksschüler nicht anbrüllen, weil er ein Problem mit Mathematik hat. Ich hab ein Problem gehabt und habe es immer noch, damit ein halbwegs meisterliches Leben zu führen.

Stellen Sie da nicht sehr hohe Ansprüche an sich?Ich bin überzeugt davon, dass man qualitätsvoll sein soll. Elegant in den Gedanken und Taten. Diesen Anspruch darf man nicht auf-geben, ob man ihn erreicht, ist etwas anderes. Wie Beckett sagt: „Scheitern, scheitern, besser scheitern.“ Aber ich sehe es ja nicht einmal als scheitern. Es gibt vielmehr unterschiedliche Etagen von Gelungensein. Wenn man einmal so gelungen ist, wie man es ger-ne hätte, dann brauchte man ja gar nicht mehr hier zu sein. Denn dann würden die Herausforderungen der Welt keinen Sinn mehr machen.

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gilt als einer der weltweit einflussreichsten Multimedia-Künstler. im laufe seiner Karriere widmete sich Heller dem chanson, der aktionskunst, Dichtung und dem Schauspiel. Der Wiener ist zudem ein international erfolg-reicher Kulturmanager.

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Vor genau 70 Jahren hat Julius Raab den Österreichischen Wirtschaft sverlag gegrün-det. Dank unserer guten Kontakte ist es uns gelungen, ein exklusives Interview mit dem legendären Staatsvertragskanzler zu führen.

„die wirtschaft“: Herr Bundeskanzler, wie geht es Ihnen?Julius Raab: Fad ist mir hier im Himmel. Im Fegefeuer war’s lustiger, mit den roten Teifeln.

Aber so schlecht kann es im Paradies doch nicht sein?Was wissen Sie schon? Die Beamtenforelle hat mir unten bes-ser geschmeckt. Und die Virginias sind immer zu feucht. Es gibt keine Streitkultur, der Chef bestimmt alles allein und pre-digt Harmonie. Für einen Politiker ist das die Hölle.

Aber Sie waren doch in Ihrer aktiven Zeit auch immer für den Ausgleich, für den Kompromiss.Ja schon, aber auf Österreichisch halt. Gscheiter wär auch hier ein bisserl Proporz, versteh’n Sie? Der Teufel und der Herrgott in einer großen Koalition, ein Miteinander der Gegenpole, net einfach nur oben und unten, schwarz und weiß, sondern Schwarz und Rot. (seufzt)

Da unten scheinen die Menschen davon genug zu haben. Immer mehr wählen die Blauen.Sie meinen die Braunhemden, Marantjosef. Die Bagage ist brandgefährlich. Das ist übrigens erbärmlich, was sich da in Europa abspielt. Sind denn jetzt alle narrisch?

Was meinen Sie genau?Europa ist zerstritten, führungsschwach und visionslos. Die Menschen spüren das. Die Nationalen marschieren, und der Russ reibt sich schon die Hände. Wenn wir nach dem Krieg so

agiert hätten, meine Herren. Ihr machts noch alles kaputt, was wir aufgebaut haben.

Die Probleme nehmen zu: Eurokrise, Flüchtlingskrise …Papperlapapp. Ich sehe keine Krise, ich sehe nur Politiker ohne Courage und Format. Meine Generation hat anno 56 kein so ein Theater gmacht wegen den Ungarnflüchtlingen! Da haben halt alle zsammgholfen. Gibt es bei euch noch Leute, die einen Anstand, die was ein Herz und ein Hirn haben?

Die europäischen Regierungschefs tun, was sie können.Das ist ja das Problem. Sie können nix. Die Konservativen ent-täuschen mich am meisten, ich muss es leider sagen. Sie haben den Boden der christlichen Soziallehre verlassen und dienen nur mehr den Großkopferten. Die Banken sind ihnen wichtiger als die fleißigen Unternehmer und Arbeiter. Jetzt überlassen sie schon ein ganzes Land den Roten, nur weil sie glauben, es wird eh nix mehr.

Sie meinen Griechenland?Ich meine Kärnten. Aber egal, das ist ja schon bald das Gleiche. Schlechter Charakter verdirbt die Politik. Aber was ganz Ande-res: Wie geht’s denn meinem Wirtschaftsverlag?

Gut! Wir sind heute ein modernes Medienhaus mit inno-vativen Branchenlösungen in Print und Digital.Das gfallt mir, auch wenn ich von dem modernen Gspü nix versteh. Aber machen S’ weiter so, das ist scho recht! Alstern, servas!

DER AUTOR:

Stefan Böck ist Chefredakteur des Österreichischen Wirtschaft sverlags und

nimmt sich kraft seines Amtes heraus, die letzte Seite mit seinen verqueren Gedanken zu füllen.

Schreiben Sie ihm: s.boeck@wirtschaft sverlag.at

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