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Dr. Gertrud Wolf
Universität Duisburg - Essen
Teilnehmerorientierung - Professionalitätsanforderungen
der Weiterbildung zwischen Theorie und Praxis
Pädagogische Professionalität
Focus 1: Autonome Praxis
Focus 2: Pädagogische Beziehung
Focus 3: Teilnehmerorientierung
Focus 1: Autonome Praxis
„Professionalisiertes Handeln ist Krisenbewältigung im Vollzug einer autonomen Praxis“
Ulrich Oevermann (1996):
Autonome Praxis:
• muss eine Entscheidung fällen - auch dann wenn bewährte Entscheidungsregeln nicht greifen
• dabei den Anspruch auf Begründbarkeit – auch wenn er zeitgleich gerade nicht mehr einlösbar ist, nicht aufgeben, sondern nur aufschieben
• d.h. sich verpflichten den Begründungsanspruch durch nachträgliche Rekonstruktion einzulösen.
Primäre Phase:
aktiv-praktische Entscheidung zu einer Aktion, die immer auch eine spontane, reflexartige, intuitiv von der Richtigkeit überzeugte Entschließung ist. Sie folgt der Unausweichlichkeit des Sich-Entscheiden-müssens
Sekundäre Phase:
Rekonstruktion der spontanen ersten Entschließung
Praxis Phase:
aktiv-praktische Entscheidung zu einer Aktion, die immer auch eine spontane, reflexartige, intuitiv von der Richtigkeit überzeugte Entschließung ist. Sie folgt der Unausweichlichkeit des Sich-Entscheiden-müssens
Theorie Phase:
Rekonstruktion der spontanen ersten Entschließung
1. Sozialität mit einem Spielraum von praktischen Handlungsalternativen
2. daraus müssen begründbare Entscheidungen getroffen werden
3. es stehen nicht immer bewährte Routinen zur Verfügung
4. es müssen dennoch Entscheidungen getroffen werden, bei denen ein richtig-falsch-abwägen aufgrund der Krisensituation nicht möglich ist
Kennzeichen der Praxis
1. problematisierende Bearbeitung von Geltungsansprüchen(nicht die Frage der Verantwortung für eine praktisch folgenreiche Entscheidung in der Krisenkonstellation)
2. Reflexion, die sich tendenziell von der Praxis-Verantwortung entfernt und sich geistig intellektuell verselbständigt von den spontanen Problemlösungen
3. Distanz zur Praxis durch Rationalisierung
4. Nüchternheit des unvoreingenommenen Blicks (Wert-Ungebundenheit, also Wertfreiheit )
Kennzeichen der Theorie
Krisenbewältigung
Sphäre der Wirklichkeit
Sphäre der Möglichkeit
Menschliche Geschichte ist prinzipiell zukunftsoffen
Krise
Handlungsoptionen
Schließung
der KriseRoutine
Krisenbewältigung
„Die Krise bedeutet die nach einer Schließung rufende Öffnung der Zukunft. Und diese Schließung wäre so lange keine, solange sie nicht als wirklich Neues, sich zukünftig Bewährendes emergierte, sondern stattdessen auf eine Dogmatisierung des schon gescheiterten Altens zurückfiele.“ (Oevermann 1996)
Krisenbewältigung
KriseHandlungsoptionenautonome
Praxis
Entscheidung
wissenschaftlich geleitete Reflexion
Pädagogische Professionalität
„Professionalisiertes Handeln ist Krisenbewältigung im Vollzug einer autonomen Praxis.“
Ulrich Oevermann (1996):
Professionsethisches Ideal
In dieser Verbindung von Praxis und Theorie liegt die Möglichkeit, die jeweilige gesellschaftliche Praxis zu überschreiten, konkurrierende Gesichtspunkte gedankenexperimentell gegeneinander zu setzen, kurzum: utopische, die jeweilige konkrete Praxis-Vernunft der gesellschaftlichen Umgebung hinter sich lassende Entwürfe zu erproben oder kritisch gegen die tatsächlichen Verhältnisse zu setzen.
Focus 2: Pädagogische Beziehung
Beziehung ?
Unterscheidung von
Nicht rollenförmige Sozialbeziehung
RollenförmigeBeziehung
Diffuse Sozialbeziehung
SpezifischeSozialbeziehung
Diffuse Sozialbeziehung
Diffuse Sozialbeziehung:
1. Thematisch offen:
Die Beweislast trägt derjenige, der ein Thema ausschließen will
2. Individuell und personengebunden:
Die Beziehung ist beendet, wenn eine der sie konstituierenden Personen abhanden kommt
Spezifische Sozialbeziehung
Spezifische Sozialbeziehung
1. Thematisch festgelegt:
Die Beweislast trägt derjenige, der ein Thema in die Beziehung einbringen will
2. Strukturelle Identität bleibt gewahrt, auch wenn die Personen wechseln
3. Normativ idealisiert
Diffuse Sozialbeziehung
SpezifischeSozialbeziehung
Diffuse Sozialbeziehung
SpezifischeSozialbeziehung
Diffusität vs. Rollenförmigkeit
Beziehung ?
Die therapeutische Beziehung
als Orientierungsrahmen für die
pädagogische Beziehung
Widersprüchliche Einheit von diffuser und spezifischer
Sozialbeziehung im Arbeitsbündnis
Das Arbeitsbündnis
1. Pädagogisches Handeln als Beziehungspraxis(professionelles Handeln versus monologisch, technischer Problemlösung)
2. Ziel ist die Autonomie des Klienten (Voraussetzung ist seine Einwilligung)
3. Grundregel (Repräsentanz der Komponente der diffusen Sozialbeziehung)
4. Abstinenzregel (Repräsentanz der Komponente der spezifischen Sozialbeziehung)
Abstinenzregel:
• Souveräne Grenzziehung zwischen den spezifischen und diffusen Beziehungsanteilen in der pädagogische Praxis
• Klare Regeln!
• Verständnis statt Kumpanei
Distanzierte Nähe (Giesecke)
► Sicherung vor Überforderung und Burn-out
Pädagogik, als professionalisierte, in sich autonome Praxis vollzieht sich nicht durch das Abarbeiten eines feststehenden didaktischen Programms oder eines methodischen Settings, sondern realisiert sich im Vollzug einer lebendigen, zukunftsoffenen Beziehung in einem Arbeitsbündnis zwischen ganzen Menschen.
Focus 3: Teilnehmerorientierung
Teilnehmerorientierung
"Die Volkshochschule arbeitet teilnehmerorientiert!"
Den Begriff der Teilnehmerorientierung gibt es in der Erwachsenenbildung seit den 1970er Jahren und er besagt, dass die Angebote der Erwachsenenbildung bestimmt werden "von den Voraussetzungen und Erwartungen derer, die mit den Veranstaltungen angesprochen werden sollen" (Tietgens 2001 zitiert In: Möller 2002, S. 129). Teilnehmerorientierung wurde in den 1970er Jahren zum Schlüsselbegriff der Volkshochschule und hat seitdem das Selbstverständnis der pädagogischen Mitarbeiter in hohem Maße geprägt.
vs. Kundenorientierung
Lehr- und Lernprozesse sind nicht per Kaufakt zu erhalten Lernen unterscheidet sich von anderen (konsumierbaren) Produkten und Dienstleistungen, auch wenn es gegen ein Entgelt angeboten wird
Bildung kann niemals durch Kauf erworben werden, sondern nur als Selbst-Bildung eines Menschen stattfinden und setzt seine aktive, oft genug anstrengende Eigenarbeit voraus, auch wenn sie in einen unterstützenden Interaktionsprozess eingebettet ist (Bastian 2002a, S. 13).
Teilnehmer ?
Fakten:
Älter werdende Gesellschaft:
Lebenserwartung in Deutschland gegenwärtig :
Jungen bei 75,9 Jahren
Mädchen bei 81,6 Jahren
Prognose: Zunahme bis zum Jahr 2050 um rund drei Jahre prognostiziert: Lebenserwartung Männer bei Geburt von 78,1 Jahren, Frauen von 84,5 Jahren
Fakten:
Benachteiligte und Bildungsferne:
15-20 % eines jeden Altersjahrgangs junger Menschen in Deutschland weisen einen besonderen Förderbedarf auf. Das sind jedes Jahr mindestens 200 – 250.000 Jugendliche, die die Schule verlassen ohne Aussicht auf direkte, nachhaltige Integration in die Arbeitswelt. Bei seinem Besuch in Deutschland kritisierte auch der Uno-Sonderberichterstatter Muñoz, dass 20 Prozent der Hauptschüler ohne Abschluss bleiben und die Hälfte der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss keine Lehrstelle finden.
Fakten:
Menschen mit Migrationshintergrund:
Prognose:
Im Jahr 2010 wird die Hälfte der unter 40-Jährigen einen Migrationshintergrund aufweisen.
PISA:
Fast 50 Prozent der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien überschreiten im Lesen nicht die elementare Kompetenzstufe I, obwohl über 70 Prozent von ihnen die deutsche Schule vollständig durchlaufen haben.
Teilnehmer ?
Lebenslanges Lernen
Eine erfolgreiche Strategie Lebenslangen Lernens sollte kohärent sein und von einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz ausgehen. Dementsprechend muss die Förderung von Lebenslangem Lernen
• die Stärkung des Individuums und seiner Nachfragemacht in den Mittelpunkt stellen,
• einen umfassenden strukturbildenden und politikfeldübergreifenden Ansatz verfolgen sowie
• allen einen Zugang zu Bildung ermöglichen, auch bildungsfernen und lernschwachen Gruppen.
(OECD-Konferenz 2003)
Lebenslanges Lernen
Lifelong
Learning
Orientierung an der Biographie des Lernenden
Stärkung der Autonomie
Förderung der Partizipationsfähigkeit
Gegenwartsorientiert und Zukunftsoffen
Professionalitätsanforderungen:
Dr. Gertrud Wolf
Universität Duisburg - Essen
Teilnehmerorientierung - Professionalitätsanforderungen
der Weiterbildung zwischen Theorie und Praxis