23
E U E R F L S D Architekten schreiben! Eine Textsammlung zum Stegreif „Architekten schreiben“

E chitekteneiben! FU S - pt.rwth-aachen.de · 12 Die steti ge Erweiterung der Kompetenzen im Berufsfeld Architektur schließt auch kommunikati ve und mar-keti ng-wirksame Anforderungen

Embed Size (px)

Citation preview

EUER

FL

SD

Architekten

schreiben!

Eine Textsammlung

zum Stegreif

„Architekten schreiben“

Herausgegeben vom

Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH Aachen Gisela Schmitt

in Kooperation mit dem Zentrum für Kreatives Schreiben (ZKS), RWTH AachenDr. Christoph Leuchter

Architekten schreiben! Eine Zusammenstellung von studentischen Texten, die im Rahmen eines Stegreif-Moduls im Sommersemester 2013 entstanden sind. Es handelt sich um Originalbeiträge, die redaktionell nicht überarbeitet wurden.

Impressum

Architekten schreiben!

11

12

13

14

15

16

18

20

21

22

23

24

Benjamin Böhringer – Die Bürophilosophie

Christine Böse – Architekten schreiben

Stephanie Damaschek – Architekten im Wandel

Karl v. Rothkirch – Bauen im Bestand

Lisa Heßling – Schreiben / Architekten / Fragezeichen

Damian Krey – Architekten schreiben

Marcel Schwab – Planen ohne Dialog

Philipp Steiff – Ich sehe etwas, was du nicht siehst

Martin Steins – Worte für das Unausgesprochene

Carmen Stirmlinger – Zwischen Hochbau und Satzbau

Rebecca Tritscher – versus / similis

Laura Voßmerbäumer – Zum Scheitern verurteilt?

Inhalt

8

Podiumsgespräch

Schreiben – ein Verstoß gegen die Standesehre oder notwendige Schlüsselkompetenz in einem kom-munikativen Berufsfeld? Zwischen diesen beiden Polen erörterten in dem Podiumsgespräch „Archi-tekten schreiben.“ am 23. April 2013, Studierende und Lehrende sowie Planende und Schreibende aus der Praxis das Potenzial des Schreibens in der Ausbildung und Berufsausübung.

(Infos zur Veranstaltung unter www.pt.rwth-aachen.de)

9

Stegreif

Das Anliegen der genannten Veranstaltung war dann auch der Aufhänger für ein Stegreif-Modul, das – als Kurztraining gedacht – in Kooperation von Christoph Leuchter und Gisela Schmitt betreut wurde. Den Studierenden an der Architekturfakultät sollte es eine Gelegenheit bieten, mit einem kurzen Text zu einem selbstgewählten „Architektur-Thema“ das Schreiben zu erproben und zu op-timieren. Die Beiträge der 12 TeilnehmerInnen sind in der Originalfassung in diesem kleiner Reader zusammengestellt.

10

Studierende schreiben:

11

Auf ihren Webseiten veröffentlichen deutsche Architekturbüros immer häufi ger eine eigens ver-fasste Bürophilosophie: Einen Text in dem sie ihr subjektives Verständnis von Architektur in Worte fassen. Bei einem Büro ist hier beispielsweise zu lesen: „Unser Architekturverständnis wird geprägt von Qualität und Nachhaltigkeit. Unser Planungsziel ist die Entwicklung ganzheitlicher und zu-kunftsorientierter Lösungen...“. Dieser Satz steht fast schon symbolisch für eine Großzahl von Bü-rophilosophien, denn vergleicht man diese Texte, stellt man oft lediglich das ständige Wiederholen der gleichen Ideologien von Nachhaltigkeit, Qualität und Ganzheitlichkeit fest.

Was den Begriff der „Nachhaltigkeit“ betrifft, so gibt es zum Beispiel das LEED- (Leadership in Energy and Environmental Design) oder DGNB-Zertifi kat (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), welche nachhaltige Bauten kennzeichnen können. Weisen die Bauwerke eines Büros jedoch keine, oder nicht einmal Standards einer solchen Zertifi zierung auf, so wirkt der Begriff der Nach-haltigkeit in der eigenen Philosophie nur als ideologisch aufgeladene Worthülse, die heutzutage Land auf und Land ab von politischen Parteien genauso wie von Unternehmern verwendet wird, um Programme, Maßnahmen oder Waren anzupreisen.

Anders verhält es sich mit der „Qualität“ eines Bauwerkes. Was meint Qualität im Bezug auf den Bau? Ein Büro schreibt zur Differenzierung des Begriffes „ ...hohe Qualität zum Beispiel bedeutet: Gutes Design, modern, traditionell, helle großzügige Räume...“ . Hierbei wird deutlich, dass eine Differenzierung leider meist zu weiteren Worthülsen führt, die wiederum nicht transparent zeigen, was eigentlich gemeint ist. Taugt die Qualität also zum Beschreiben von architektonischem Ver-ständnis?

Sind die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Qualität“ in Schriftform ein Ersatz dafür, was aus den praktischen Arbeiten der Büros nicht klar hervor geht? Wo steckt die Kreativität, die verständliche Sprache und wo die Einzigartigkeit in Bürophilosophien? Durch ständiges Wiederholen und gleich-förmiges Herunterbeten entsteht in der Gesamtheit der Eindruck einer von Floskeln beherrschten Berufsgruppe, die es sich im Dickicht eines marketingtechnischen Architektur-Duktus bequem ge-macht hat. Was ist dann noch das Philosophische an diesen zu Teilen wie Werbung wirkenden Tex-ten? Wo wird Philosophie wirklich sichtbar?

Ein renommiertes Hamburger Architekturbüro schreibt in seiner Philosophie: „Unser Ideal ist es, die Dinge so einfach zu gestalten, dass sie inhaltlich und zeitlich Bestand haben. Formale Zurückhal-tung und die Einheitlichkeit der Materialien liegen diesem Bekenntnis begründet,...“. Schaut man die Gebäude dieses Büros an, so kann man diese Philosophie im Bauwerk wiedererkennen. Die Arbeiten erscheinen einem wie gebaute Philosophie, welche durch Erfahrung zu einem eigenen Verständnis von Architektur führte. Von Nachhaltigkeit und Qualität ist in der Philosophie dieses Büros nichts zu lesen.

Es gibt also auch Texte bei denen „Philosophie“ als Bezeichnung verstanden wird. Viele Büros soll-ten sich Gedanken machen, was sie mit ihrer Philosophie bezwecken wollen und was Ihre Architek-tur auszeichnet. Der Mut zu einer eigenen Philosophie ist wichtig! Aber warum nicht mehr Eigen-ständigkeit? Kunden und Konkurrenten sollten beim Lesen kein Déjà-vu-Erlebnis haben. Wenn sich ein Architekturbüro darüber im Klaren ist, was es architektonisch will und tut, ist das der sicherste Weg zur eigenen Philosophie, und Irrtümer werden verziehen.

Die BürophilosophieEine Beobachtung von herrschender Oberfl ächlichkeit und Konformismus. VERFASSER: BENJAMIN BÖHRINGER

12

Die steti ge Erweiterung der Kompetenzen im Berufsfeld Architektur schließt auch kommunikati ve und mar-keti ng-wirksame Anforderungen an Architekten und Planer nicht aus. Dabei wird das Schreiben über Archi-tektur zunehmend als notwendige „Schlüsselkompetenz“ gesehen.

Ein Podiumsgespräch zum Thema „Architekten schreiben“, organisiert vom Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung der RWTH Aachen, bot Studierenden und Fachleuten die Möglichkeit, die Bedeutung des Schreibens über Architektur zu refl ekti eren. Christi an Holl, publizierender Architekt und Geschäft sfüh-rer des BDA Hessen, und Prof. Jan Krause, Professor für Architektur und Media Management an der HS Bochum, betrachteten in ihren Vorträgen das Schreiben nicht als „Verletzung der Architektenehre“, sondern verdeutlichten vielmehr, wie „wichti g und richti g“ es schon für angehende Architekten ist, das Schreiben über die reine Entwurfsbeschreibung hinaus zu prakti zieren.1

„Ein Mensch kann nicht nicht kommunizieren.“ 2 – Diese Erkenntnis des Kommunikati onstheoreti kers Paul Watzlawick bestäti gt treff end, dass ein Mensch auch ohne akti ve Kommunikati on stets eine gewisse Hal-tung vermitt elt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit sich dieses Axiom der ständigen Interakti on auch auf andere Dinge übertragen lässt – beispielsweise auf Architektur. Lange Zeit haben Architekten die nonverbale Kommunikati on dem Bauwerk selbst überlassen. Wie Künstler anderer Sparten sehen sich auch heute noch viele Architekten als schweigende Schöpfer, die über den Entwurf hinaus jede Kommunikati on verweigern – frei nach der Überzeugung des Schrift stellers Erich Maria Remarque: „Wenn eine Arbeit ferti g ist, hat der Autor zu ihr nichts mehr zu bemerken, selbst auf die Gefahr hin, dass er missverstanden wird. In diesem Falle wäre seine Arbeit eben nicht gelungen, und das Reden darüber hätt e auch keinen Zweck.“ 3

Im Idealfall wäre so die Entwurfsidee hinter jedem gelungenen Bauwerk klar nachvollziehbar und könnte nur auf eine Weise interpreti ert werden. Dennoch scheinen Missverständnisse alltäglich zu sein; weshalb sonst setzen mitt lerweile immer mehr Architekten auf eine ausgeprägte Öff entlichkeitsarbeit? Prof. Jan Krause leitet an der HS Bochum einen Masterstudiengang, der sich ausschließlich mit dem Thema der Architektur-vermitt lung auseinandersetzt. Krause sieht das Schreiben nicht mehr nur als Nischenthema für Architekten, sondern als Kernkompetenz im Architektenberuf: Denn Architektur ist ein Alltagsgegenstand; sie wird sie ständig wahrgenommen und geschätzt oder eben nicht. Dabei wird die allgemeine Beurteilung häufi g durch Beschreibungen, Kriti k oder Interpretati on besti mmt. Die Architektur wird anders wahrgenommen, wenn über sie gesprochen oder geschrieben wird. Um die öff entliche Meinung stärker zu beeinfl ussen, wandelt sich das Selbstbild der Architekten; sie beteiligen sich zunehmend an der öff entlichen Diskussion und über-lassen diese nicht mehr nur den Architekturjournalisten. Dabei schließt sich die Kluft zwischen Architektur und Sprache zusehends – Christi an Holl nennt es das schwindende Misstrauen, Architektur in Sprache zu übersetzen.

Schon früh erkannte Corbusier die Bedeutung des Schreibens über die eigene Architektur; er hat in seinem Leben 35 Bücher veröff entlicht und führte in seiner Berufsbezeichnung nicht nur den Titel Architekt, son-dern bezeichnete sich zunächst als Journalisten. Seine Theorien über die radikalen Veränderungen in der Architektur, die er nicht nur theoreti sch abhandelte, sondern auch in seinen Bauwerken umsetzte, machten ihn zum Meister der Selbsti nszenierung. Inwieweit Corbusiers Architektur auch ohne den theoreti schen Hintergrund verstanden worden wäre, lässt sich nicht beantworten, doch macht dieses Beispiel deutlich, wie groß die Wirkung der Vermarktung sein kann.

Mitt lerweile haben viele Architekten erkannt, wie bedeutend das Potenzial des Kommunikati onsmitt els Sprache neben der visuellen Präsentati on ist. In der Bibliographie von gmp beispielsweise sind mehr als 50 Publikati onen zu fi nden. Doch nicht nur die großen Architekturbüros nutzen Online-Auft ritt e und Pu-blikati onen um der Öff entlichkeit ein besseres Architekturverständnis zu vermitt eln und die theoreti sche Idee hinter dem Entwurf zu refl ekti eren und zu kommunizieren. Das Berufsbild des Architekten verändert sich zusehends. So werden die Architekturstudiengänge um Fächer erweitert, die sich mit der Schnitt stelle zwischen Architektur und Öff entlichkeit befassen und auch viele Architektenkammern fördern mitt lerweile die Fähigkeit der schrift lichen Architekturvermitt lung in Seminaren und Fortbildungen.

Christi ne Böse

Architekten schreiben

1 vgl. Berufsfelder-Veranstaltung „Architekten schreiben“ am 23.04.2013, htt p://www.pt.rwth-aachen.de > Berufsfelder > Gesprächsrunde 20132 Watzlawick, Paul: Menschliche Kommunikati on. Formen, Störungen, Paradoxien, Bern 19693 Krause, Jan: „PR ist Pfl icht“, Vortrag vom 23.04.2013, htt p://www.pt.rwth-aachen.de> Berufsfelder > Gesprächsrunde 2013

13

Architekten im WandelDie Kompetenz des Schreibens als neues Mittel der Verständigung

Von Stephanie Damaschek

Immer seltener wird den Besuchern schulischer und akademischer Bereiche die Fähigkeit des wissenschftlichen Schreibens abverlangt, sodass das Verfassen einer anstehenden Hausarbeit zu einer wahren Überwindung einer Hemmschwelle wird. Dennoch scheint die Angst vor dem Schreiben ein Phänomen zu sein, welches in den letzten Jahren an Gewichtung verloren hat. Der Besuch einer herkömmlichen Buchhandlung zeigt, dass das Schreiben nicht allein den Schriftstellern vorbehalten sein muss. Eine vielseitige Auslage fachspezifi scher Literatur bietet der Öffentlichkeit einen umfangreichen Zugang zu den unterschiedlichsten Themenbereichen – ganz abgesehen von den weiteren zahlreichen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, die unser multimediales Zeitalter zu bieten hat. Nie zuvor war die Öffentlichkeitspräsenz nahezu aller Berufsstände, ebenfalls die der Architekten, so ausgeprägt wie heutzutage und noch nie zuvor war der daraus resultierende Zwang, das Schreiben als Medium des Verständnisses zu nutzen, so deutlich spürbar. Kann diese Entwicklung der zwanghaften Verschriftlichung nun als einfacher Trend oder doch eher als Fortschritt gewertet werden?

Auch das Berufsbild des Architekten hat sich gleichfalls im Verlauf der Zeit von einem introvertierten Idealisten zu einem in der Öffentlichkeit stehenden Vermittler gewandelt. Betrachtet man das heutige Tätigkeitsspektrum eines Architekten, so wird dieser vordergründig als Koordinator verschiedenster Komponenten eines zu realisierenden Bauvorhabens verstanden. Dabei ist nach wie vor die Auseinandersetzung mit der Linie, Form und Farbe, sowie deren Gesamtkomposition eine der elementaren Aufgaben des kreativen Kopfes, wobei die Planzeichnungen und Skizzen sein Werkzeug der Verständigung sind. Das dargestellte Ergebnis ist allerdings nicht für jedermann begreifbar. Die innere Logik sowie die übergeordnete Allgemeingültigkeit eines Entwurfs sind nur den fachkundigen Betrachtern vorbehalten. Zudem wird auch oftmals dem Entstehungsprozess, welcher eine Suche nach dem Ideellen, dem wahren Wesen eines Gesamtensembles kennzeichnet, kaum Bedeutung beigemessen. So stellt sich nun die Frage, ob neben der graphischen Darstellung ebenfalls das Schreiben zu den Kompetenzen eines Architekten gehören muss.

Die Antwort auf diese Frage ist unweigerlich: Ja! – denn Architektur will verstanden werden.

Angefangen bei dem planenden Architekten selbst: Ist dieser nämlich in der Lage sein Konzept auf den Punkt bringend zu beschreiben, so ist die dahinter liegende Idee verinnerlicht und ausgereift. Auf diese Weise wäre das Niederschreiben der eigenen Gedanken ein Mittel der Selbstkontrolle und - überprüfung, denn das konkrete Formulieren eines Entwurfs kommt einer Manifestation einer Vorstellung gleich. Beispielhaft wird eben diese besondere Fähigkeit der bildhaften Beschreibung von Ingeborg Gleichauf in ihrer Biographie über Max Frisch hervorgehoben: Nach eingehenden Studien der Tagebücher des als Schriftsteller tätigen Architekten, beschreibt sie ihn als einen derjenigen Wenigen, „der mit den Augen schreibt, dessen Beschreibungen so sinnlich sind, dass einem beim Lesen die Augen aufgehen, dass man das Gefühl bekommt, nicht selbst sehen zu müssen, um eine Vorstellung zu bekommen.“

So will Architektur schließlich auch von den Nutzern und Betrachtern verstanden werden, wie dieses Zitat ebenfalls verdeutlicht. Mittels Sprache kann sichtbar gemacht werden, was verborgen vor einem liegt. Besondere Funktionslösungen eines Gebäudes, raffi nierte „Ausdetaillierungen“ von Knotenpunkten sowie die auf alle Belange abgestimmten architektonischen Konzepte, welche anders als in den vergangenen Epochen, heute keinen gestalterischen Gesetzmäßigkeiten mehr folgen müssen, können durch Publizierungen einer breiteren Masse zugänglich gemacht werden. Die in Anbetracht einer fi nalen Realisierung oberfl ächliche Betrachtung eines Bauwerks könnte einem tiefgründigeren Verständnis des Betrachteten weichen und so den eigentlichen Verdienst des Architekten honorieren. Somit wäre der schreibende Architekt als Weiterentwicklung des zeichnenden Visionärs zu sehen, ...

... denn „Sprache macht sichtbar!“

14

In den nächsten Jahren werden Bauaufgaben im Bestand auf über die Hälfte aller Projekte an-wachsen. Denn rechnerisch geben Immobilien-Experten Gebäuden allenfalls eine Lebensdauer von 75 bis 100 Jahren. Bei Einfamilienhäusern ist sie sogar noch geringer: Hier geht man von ca. 50 Jahren aus. Diese Zahlen machen deutlich, welche Bedeutung das Bauen im Bestand in Zukunft für Architekten und Ingenieure haben wird. Gleichzeitig stellen sich aber auch für den Bauherren viele Fragen: Was mache ich mit dem ererbten Elternhaus oder der neu erworbenen Industriebrache? Wie passe ich das Bestands-gebäude an die aktuellen Bedürfnisse an? Radikaler Umbau, sensible Transformation, leichte Anpassung oder doch Abriss und Neubau? Fragen über Fragen, die Bauherren an Architekten stellen. Das Bauen im Bestand wird als inter-essante Aufgabe für die zukünftige Generation der Architekten beworben. Im gleichen Atemzug werden Beispiele wie David Chipper�ields Umbau des neuen Museums in Berlin oder das Castel Vecchio in Venedig von Carlo Scarpa aufgeführt. Doch ist das die Realität, mit der sich Architek-ten konfrontiert sehen? Vielmehr sind es doch anonyme Architekturen aus den 50er bis 70er Jahren, mit denen wir es zu tun haben. Es geht eben nicht immer um die spektakuläre Umnutzung einer Kirche zu einem Hotel oder die Wiederbelebung eines alten Museums. Und bei solchen Projekten sind Architekten enge Grenzen für ihre kreative Entfaltung gesetzt. Vielmehr werden sie von einer kapital- und kon-sumorientierten Bauherrenschaft dazu gedrängt, möglichst wirtschaftlich zu bauen. Die Her-ausforderung unserer Zeit liegt also nicht nur im sensiblen Umgang mit dem Bestand, sondern auch in der Abwägung von wirtschaftlichen Interessen. Ist die Bestandsarchitektur überhaupt wirtschaftlich zu erhalten? Ist ein Neubau nicht ökono-misch sinnvoller? Allzu oft drängen Investoren auf einen Abriss des Bestandes und einen an-schließenden Neubau. Für sie spielen dabei Kriterien wie Amortisierungszeit, Flexibilität und Bauef�izienz eine Rolle. Vergessen wird dabei oft, dass auch ein Abriss nicht immer ökonomisch sinnvoll geschweige denn nachhaltig ist. Auf Mülldeponien landen immer wieder schwer bis gar nicht wieder trennbare Bauverbundstoffe. Auch der enorme Energieaufwand bei einem Gebäu-deabriss oder Baustoffrecycling wird häu�ig nicht bedacht. Bestehende Gebäude sollten daher auch auf ihre ökologischen und ökonomischen Potentiale gegenüber einem Neubau untersucht werden. Zudem hat jedes Bauwerk eine zeitgeschichtliche Bedeutung. Aber auch jeder Umbau oder An-bau, jede Nachnutzung und Weiterentwicklung kann Spuren hinterlassen. Selbstverständlich spielen auch denkmalp�legerische Aspekte eine Rolle. In welchem historischen, gesellschaft-lichen oder kulturellen Kontext steht das Gebäude? Es ist also von besonderer Bedeutung den speziellen Charakter eines Gebäudes herauszuarbeiten um diesen sinnvoll zu erhalten und zu ergänzen.Eine adäquate Lösung – ob Neubau oder Umbau – muss im Dialog mit dem Bauherrn gefunden werden. Hierbei wird von dem Architekten Organisationsvermögen und Betreuungskompetenz gefordert. Architekt und Bauherr müssen kommunizieren. Nur so kann einem Bestandsgebäu-de ein zweites Leben geschenkt werden. Ein Leben mit Mehrwert für Nutzer und Umgebung, das nicht allein durch Energieoptimierung, Komfort oder einen günstigen Preis hervorsticht.Das Bauen im Bestand ist also ein stetiges Abwägen von Interessen. Eine interessante, wenn auch nicht leichte Aufgabe für Architekten. Sie sind bei der Bearbeitung eines Projektes im Um-gang mit Bestand auf die Kooperation und Kompromissbereitschaft des Bauherrn angewiesen. Am Ende werden beide Seiten pro�itieren.

Karl v. Rothkirch

Bauen im Bestand – Herausforderungen an Architekten

15

Es gibt viele Architekten, die ihre Ideen auch in Wort und Schri� erläutern wollen. Peter Zumthor, Wolf D. Prix und Egon Eiermann sind nur einige, die einem nach kurzem Überlegen in den Sinn kommen. Aber sind das diejenigen, die sich, nachdem sie in der praktischen Architektur schon viel erreicht haben, nun dem Schreiben widmen? Die Frage ist also: Schreiben Architekten, weil sie zum Verständnis beitragen wollen, oder geht es doch um Anderes. Ist Schreiben eine Art Aufwertung des Selbst geworden, um sich von den anderen Architekten, Nicht-Schreibenden, abzugrenzen? Weil Ar-chitekten aber die Architektur als Sprache sehen, soll der Entwurf, der keiner weiteren Erläuterung bedarf, immer für sich sprechen. In der Architektur gilt es als Qualitätsmerkmal, wenn die Architek-tur sich selbst erklärt.

Ein Text kann Gedanken formulieren und kommunizieren. Mit dem potentiellen Leser soll in Dialog getreten werden. Bei der Architektur ist das ähnlich: Die Architektur scha� Räume, formuliert diese. Die Architekten kommunizieren mit den „Lesern“ durch die Architektur. Fraglich bleibt aber, ob auf der gleichen Ebene kommuniziert wird. Nach Paul Watzlawick kann ein Dialog nur statt� nden, wenn sich die beiden Partner auf der gleichen Ebene be� nden: „Jede Kommunikation hat immer einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.“1 Das heißt übertragen auf die Architektur, dass der „Le-ser“ o� en also positiv gegenüber der Architektur eingestellt sein muss, damit eine Kommunikation statt� nden kann. Die Sprache der Architektur wird durch kulturelles und gesellscha� liches Wissen beein� usst. O� spricht sie symbolha� . Neben dem rein Funktionalen, den fast schon banalen not-wendigen Konstruktionen, wollen Architekten Bilder und Emotionen erzeugen. Architekten erwar-ten häu� g, dass sie besser verstanden werden, ihre Gebäude so gesehen werden wie sie sie sehen und gescha� en haben. Aber hierbei wird o� vergessen, dass die Gesellscha� nicht unbedingt die gleiche O� enheit gegenüber der architektonischen Umwelt hat. Architekten können mit der Sprache der Architektur sprechen, aber auch in der eigentlichen Sprache, verbal oder geschrieben. Davon unter-scheiden sich noch die unterschiedlichen Sprachfelder. Es gibt die rein wissenscha� liche, rationale Sprache, in der es nur um die Vermittlung von Sachverhalten geht, und die literarische Sprache, die Emotionen erregen kann und als eine Kunstform angesehen wird.

Die Erfahrung zeigt, dass das Schöne, das über der reinen Konstruktion steht, o� nicht verstanden be-ziehungsweise gar nicht wahrgenommen wird.

Eine schri� liche Erklärung zur Architektur könnte vielen helfen. So würde die Architektur die Allge-meinheit erreichen und „gehört“ werden. Eigentlich kann Architektur natürlich alle ansprechen. Vor allem können Raumeindrücke kaum verschri� licht werden. Ebenso wenig wie die Emp� ndungen und Gefühle bei der Betrachtung eines großen sakralen Raumes, wie zum Beispiel des Kölner Doms, ob-jektiv beschrieben werden können. Als Architekt hat man eine bestimmte, natürlich subjektive Vor-stellung davon, wie ein Gebäude oder ein Raum gesehen werden soll. Diese Intention erschwert die Interaktion. Genau weil die Kommunikation von Architekten und Gesellscha� nicht auf einer Ebene statt� ndet, sogar auch in unterschiedlichen Sprachen, ist es notwendig, das geschriebene Wort zu ge-brauchen, um die eigenen Gedanken und vor allem die Intentionen des Tuns für die Allgemeinheit begrei� ar zu machen.

Es ist eine große Chance, architektonische Ideen zu verschri� lichen. Besonders um der Ö� entlichkeit die eigene Intention zu erläutern, denn häu� g ist der Entstehungsprozess völlig abgekoppelt von den-jenigen, die später mit dem Gebäude umgehen werden oder müssen. Beide, Architektur und Literatur, sind in ihrer Art Eindrücke mitzuteilen natürlich begrenzt. Mit Architektur kann man subjektive emo-tionale Raumein� ndungen erzeugen. Mit Literatur kann man Sachverhalte erläutern und Geschichten erzählen. Eine Symbiose der beiden Eigenscha� en sollte in Zukun� eine wichtige Aufgabe für Archi-tekten sein, um Akzeptanz für ihre Profession zu gewinnen.

von Lisa Heßling

Schreiben / Architekten / Fragezeichen

1 http://www.paulwatzlawick.de/axiome.html

16

Das Schreiben über Architektur reicht zurückbis zu Vitruv.Der römische Baumeister verfasste ca. 30 v.Chr. seine „Zehn Bücher der Architek-tur“. Sie gelten als ältestes überliefertes Schriftwerk über Architektur. Seither hat das Schreiben über Architektur, die Verfassung von Theorien zur Architektur in allen Epo-chen einen wichtigen Beitrag zur Entwick-lung geleistet, und viele Schriften leisten heute noch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der jeweiligen Baustile und –richtungen.

Das primäre Medium der Architekturver-mittlung, insbesondere zur korrekten Aus-führung auf der Baustelle ist die Zeichnung, der Plan eines Gebäudes. Geht es aber um die Vermittlung der Idee, der Konzeption und der übergeordneten Entwurfsgedanken, kommt dem geschriebenen Wort ein größe-rer Stellenwert zu. Das Medium Schrift ist zur Erläuterung der entwurfl ichen Beweggründe hilfreicher als die reine Planzeichnung. Beide Medien, Zeichnung und Schrift, sind, damals wie heute, entscheidend zur Vermittlung der eigenen Haltung .

Die Kunst des Schreibens erlaubt es dem Architekten dem gebauten Werk ein erläu-terndes, im besten Falle literarisches oder gar philosophisches Werk zur Seite zu stel-len. Die Ausführungen Peter Zumthors über Atmosphären und ihre Entstehung bilden beispielsweise eine hervorragende Ergän-zung zu seinen Bauten und machen seinen Entwurfsprozess nachvollziehbar – eine Ei-genschaft, die den Zeichnungen der Aus-führungsplanung notwendigerweise nicht gegeben ist.

Je nach Eignung des Schreibenden entstan-den in der Architekturgeschichte und der Geschichte der Architekturtheorie häufi g re-zitierte Proportionstheorien bzw. Entwurfs-strategien. Nicht selten überdauert die Schrift das gebaute Werk und ist für die Nachwelt zugänglicher, gesichert und nachvollziehbar.

Manche Werke steigen buchstäblich zu „In-kunabeln“ der Architekturtheorie auf. Sie stellen einen enormen Schatz dar und erlan-gen somit einen immensen ideellen Wert.

Die Schrift „De Re Aedifi catoria“ (1443 - 1452) von Leon Battista Alberti hat, nach ihrem Fund in der Klosterbibliothek von Sankt Gallen einen enormen Einfl uss auf die Rezeption der Renaissance gehabt, die seine Bauten, wie Santa Maria Novella in Florenz nie erreichen konnten. Das Beispiel zeigt, dass erst die Entdeckung der Schrift zur Ent-deckung der Gebäude Albertis führte.

In der heutigen Architekturproduktion scheint ein solches Beispiel eher unwahr-scheinlich zu sein. Das Schreiben über den eigenen Entwurf stellt häufi g einen eher läs-tigen Part des Architektendarseins dar und verbleibt häufi g in der Aneinanderreihung modischer Phrasen.Bei Wettbewerben ist die Entwurfsbeschrei-bung meist das lückenfüllende Element auf den Beiträgen. Der „Textblock“ dient dem Layout, nicht dem Entwurf. Piktogramme sind schneller zu begreifen, aber können Sie auch die Dichte an Informationen transpor-tieren, die ein geschriebener, bedachter Text zu vermitteln vermag?

Um den Stellenwert des entwurfsbeglei-tenden Textes wieder zu heben, sollte das Schreiben ein selbstverständlicher Teil des Leistungsprofi ls von Architekten werden. Das Beifügen eines erläuternden Textes könnte zum festen Bestandteil jedes Bau-antrags werden. Voraussetzung für den si-cheren Umgang mit Worten im späteren Arbeitsalltag der Architekten ist aber bereits die Vermittlung dieser Fähigkeiten im Studi-um.

Die Überschrift meines Textes „Die Kunst des Schreibens = die Kunst des Bauens“ zielt auf die erwähnte historische Rolle von überlieferten Texten und das momentane Missverhältnis von schreibenden zu nicht-

Architekten schreiben

– Die Kunst des Schreibens gleich der Kunst des Bauens –

17

schreibenden Architekten ab. Dass dieses Missverhältnis erkannt ist und das „For-mulieren“ von Architektur zunehmend als wichtige Kompetenz erachtet wird, zeigt bereits diese Stegreifaufgabe sowie manche Master-Programme, die die Architekturver-mittlung als wesentlichen Bestandteil zum Inhalt haben. Dies deckt sich mit meinem persönlichen Empfi nden, dass in der Lehre die Architekturtheorie einen immer bedeu-tenderen Stellenwert zugeteilt bekommt. Durch die Beschäftigung mit historischen Theorien sammeln Studierende Wissen, das ihnen in der Einordnung und Begründung ihrer Entwürfe hilfreich sein kann. Daher ist das geschriebene Werk in Präzision und Qualität der detaillierten Ausführung des Entwurfs gleichzusetzen.

Es ist das Anliegen vieler Architekten, die Verantwortung anzunehmen, ein Bauwerk in einen bereits vorhandenen Kontext zu stellen, das dort ohne weiteres die nächsten neunzig Jahre überdauern kann.Das literarische Werk sollte ebenso betrach-tet werden. Es gibt den folgenden Gene-rationen Hilfestellung, das gebaute Werk endgültig zu verstehen. Die Wirkung des geschriebenen Wortes darf ebenso wenig unterschätzt werden, wie der Einfl uss des gebauten Werks in seiner räumlichen Set-zung und bedarf daher eines ebenso hohen Qualitätsanspruchs.

Mit Genugtuung kann man feststellen, dass Architekten, die sich dem Schreiben an-nehmen und neben ihren Bauwerken auch Manifeste in Textform hinterlassen, nach wie vor anzutreffen sind. Die theoretischen Beschäftigungen Daniel Liebeskinds, Rem Koolhaas’ oder die etwas persönlicher ge-färbten Ansichten eines Peter Zumthor mö-gen Beleg dafür sein. Sie zeigen auch: Das Schreiben sollte wieder zu einem festen Be-standteil der Architektur werden.Wie bereits vorher erwähnt, sollte der An-spruch nahe der Präzision liegen wie die des realisierten Gebäudes. Dabei ist jedoch zu-

sagen, dass die Güte des Geschriebenen erst einmal sekundär ist.Vielmehr geht es darum das Bewusstsein zu schärfen, die Schrift wieder als entwurfsbe-gleitendes Medium zu verstehen.

Damian Krey

18

Der kreative Kopf sitzt an seinem Schreibtisch, ganz für sich, nur auf seinen Entwurf fokussiert. Denn er hat Visionen, kann die Welt verändern, sie schöner gestalten. An seinem Computer entstehen nach und nach klare Dimensionen eines Gebäudes, das nur genau so seine Berechtigung besitzt. Es wird das Stadtbild verbessern, die Bevölkerung begeistern und erst recht die Fachwelt beeindrucken. Endlich! Das Gebäude ist fertiggestellt. Alle werden von diesem Kunstwerk für die Ewigkeit begeis-tert sein – trotz der höheren Kosten. Nun muss es noch veröffentlicht werden. Einfach abwarten. Die Medien werden sich darum reißen, das Gebäude abzubilden. Schließlich spricht es für sich.

Zugegeben, das dargestellte Selbstbild wirkt überspitzt, ganz abwegig ist es aber nicht. Das Bild des kreativen, visionären Architekten, der weder die Kommunikation mit anderen sucht oder sie als ma-ximale Belästigung seines Schaffens wahrnimmt, ist heute immer noch weit verbreitet. In ihm agiert der Architekt als selbstverliebtes Universalgenie, das „brillante“ Gebäude im Alleingang konzipiert. Nur widerspricht das Bild der heutigen Realität:

Sei es der ständige Austausch mit anderen Fachdisziplinen, der Kampf um jeden Cent Baukosten mit dem Bauherren oder die hitzigen Diskussionen mit der Bevölkerung; der Alltag des Architekten ist geprägt von Anträgen, Genehmigungen und ständigen Sitzungen. Innerhalb eines Bauvorhabens stellt der verantwortliche Architekt einen Teil eines großen Mechanismus dar, in dem er um seinen Einfl uss auf das Projekt kämpfen muss. Während eines Bauprozesses entstehen zudem regelmäßig Missverständnisse und Verwerfungen, welche die Planungen in Verzug bringen. Resultierende zu-sätzliche Kosten erhöhen den Unmut der Bevölkerung oder des Bauherren. Die steigende Unzu-friedenheit wiederum fokussiert sich oftmals auf die beteiligten Architekten. Kosten seien gedrückt worden, die Meinung der Bevölkerung sei missachtet worden. Dabei müssen sie in dieser „ruinierten“ Umgebung leben, nicht der „unfähige“ Architekt. Es wird demonstriert, die Positionen verhärten sich und die Architektentätigkeit gerät in Verruf. Solche Vorgänge sind in der heutiger Zeit keine Einzelfälle, sondern prägen den Arbeitsalltag des Architekten. Prominente Beispiele wie der Bau des Stuttgarter Bahnhofes stellen hierbei Extrema dar. Sie machen aber vor allem eines deutlich: Eine klare Kommunikation, ein intensiver Dialog ist für den Architekten existenziell.

Die zunehmende Tendenz, in der kein Projekt mehr reibungslos realisiert werden kann, sollte mittels besserer Kommunikation verringert werden. Sicherlich sind Planungsfehler eine Ursache der Proble-matik, in vielen Fällen ist es jedoch der fehlende Dialog, für den niemand verantwortlich sein möchte. Hier ist der Architekt gefragt, Verantwortung zu übernehmen und den notwendigen Austausch voran-zutreiben. In jedem Fall wird er von einer gelungenen Kommunikation profi tieren. Eine auf Dialog basierende Realisierung eines Projektes vermeidet nicht nur unnötige Kontroversen, sondern erhöht zusätzlich das Renommee des planenden Architekten. Aufgrund guter Kommunikation gewinnt die Rolle des Architekten sowohl in der Baubranche als auch in der Öffentlichkeit insgesamt an Ansehen, das in letzter Zeit zunehmend verspielt worden ist. Wenn Kommunikation zu einem der Schwerpunk-te des Architekturberufes gehört, stellt sich folgende Frage: Was befähigt einen Architekten zu einer erfolgreichen Kommunikation?

Hier kommt der Aneignung des klaren und präzisen Formulierens ein hoher Stellenwert zu. Die Grundlage für präzises Formulieren basiert wiederum in der Verschriftlichung von Ideen, Gedanken-gängen und Vorhaben. Somit ist Schreiben eine der Säulen, die erfolgreiche Kommunikation trägt. Für die verschiedenen Tätigkeiten und Kommunikationsfelder des Architekten erhält das Schreiben eine differenzierte Gewichtung und Bedeutung. Es kann der Strukturierung der eigenen Gedanken dienen, den Austausch mit anderen Fachleuten unterstützen, den Dialog mit der Öffentlichkeit oder dem Bauherren erleichtern oder die Präsenz des Architekturbüros in den Medien verstärken.

Marcel Schwab

Planen ohne Dialog – Der missverstandene Architekt

19

Planungsprozesse gestalten sich häufi g unübersichtlich und vielfältig. Aufgabe des Architekten ist es, sie mit einer klaren Struktur und Ordnung zu versehen. Die Verschriftlichung von Planungsprozessen und Gedankengängen hilft, diese zu ordnen und übersichtlich zu gestalten. Elementares und Unwich-tiges kann besser voneinander separiert werden, eine unorganisierte Fülle an Ideen und Ansätzen kann über das Schreiben eine sinnvolle Ordnung erhalten. Strukturierte Gedanken stärken das Fun-dament, auf dem ein Projekt aufbauen kann. Schreiben dient in diesem Prozess als wertvolle Stütze.

Neben dem Aspekt der Strukturierung erleichtert das Schreiben den Dialog mit anderen Fachdiszip-linen. Klares schriftliches Formulieren von Planungsständen und -prozessen vermag das Verständnis aller Projektbeteiligten trotz unterschiedlicher Perspektiven zu fördern. Im Vergleich zu dem ohnehin notwendigen mündlichen Dialog minimiert das Schreiben die Chancen auf unzureichende Kommu-nikation. Zudem verleiht die Verschriftlichung dem Austausch und den Vereinbarungen eine starke Verbindlichkeit.

Natürlich steht der Architekt nicht nur im Kontakt zu anderen Planungs- oder Baubeteiligten, sondern tritt mit seinen Entwürfen und Planungen in die Öffentlichkeit. Seine Ideen werden dort diskutiert und teilweise auch Anfeindungen ausgesetzt. Der Architekt ist gefordert, die Ideen und Planungen in seinem Sinne darzustellen und gegebenenfalls aufkeimender Kritik entgegen zu treten. Kreatives Schreiben erleichtert ihm dabei den Dialog mit seinem Gegenüber. Dieser Dialog ist Teil des Be-rufes, da nicht nur der Planer das Recht beansprucht, Kenntnis über den aktuellen Planungsstand zu besitzen.

Ein weiteres Argument für das Schreiben beruht auf der zunehmenden Relevanz der Medienpräsenz. Das reicht von der Einrichtung einer ansprechenden Homepage, über die Resonanz in Architektur-portalen bis hin zur Dokumentation erfolgreicher Projekte; ohne Öffentlichkeitsarbeit kommt kein modernes Architekturbüro aus. Die PR (public relations) nimmt im Kampf um Aufträge einen immer größeren Stellenwert ein. Gute Öffentlichkeitsarbeit basiert auf einem sicheren Umgang mit Sprache, der nur über regelmäßiges Schreiben erlernt werden kann.

Trotz all dieser Argumenten für das Schreiben bleibt die Zeichnung natürlich das wichtigste Inst-rument des Architekten; sie ist aber nicht so „selbstredend“ wie Architekten das häufi g beanspru-chen. Sie funktioniert in der Regel nicht ohne Erläuterungen, sei es schriftlicher oder mündlicher Art. Selbstverständlich verliert ein Bauwerk aufgrund einer detaillierter Verschriftlichung die Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten, die auf einen Plan oder ein Gebäude projiziert werden können. Dafür vermag eine gut formulierte Ausführung von Ideen Menschen zu begeistern und für ein Projekt zu gewinnen. Und das ist eine der zentralen Aufgaben des Architekten. Wenn sich Architekten dem Schreiben und der Kommunikation in Zukunft weiter öffnen, werden sie wieder in einem positiveren Licht wahrgenommen. Das erfordert sicherlich Übung und entspricht nicht zwingend den Vorstellungen des Berufes. Es verhindert aber ein Planen ohne Dialog. Der Ar-chitekt agiert dann nicht mehr als der „missverstandene, selbst fokussierte Kreativling“, sondern als Kommunikator eines vielschichtigen Prozesses.

20

Es war einmal ein Haus mit dem Namen „Bibliothek 21“ in Stuttgart im Jahre 2012. Im Zentrum des quadratisch geformten Gebäudes befi ndet sich ein großer leerer Raum. In ihm, ein kleiner Brunnen. Er ist fl ach in den Boden eingelegt und damit leicht zu übersehen. So passierte es, dass nur wenige Tage nach der Einweihung sich wütende Eltern beschweren wegen ihrer nassen Kinder und Schuhe. Das Ergebnis: Der Brunnen wird bis auf weiteres stillgelegt. Der südkoreanische Architekt Eun Young Yi wollte sicherlich mit dem Brunnen vieles sagen, doch irgendwie wollte ihm hier keiner zuhören.

Hinter dem Unvermögen der Besucher des Gebäudes steckt sicherlich keine Böswilligkeit – viel wahrscheinlicher eine Unwissenheit. Frei nach dem Motto: „Ich kann nur sehen, was ich kenne“ ist der Besucher nicht vorbereitet auf das, was ihn erwartet. Und so wird er sauer, wenn er Bücher möchte und nasse Füße bekommt. Eine zeitgemäße Antwort wäre es, Warnhinweise in Form von Schildern mit dem Titel „Achtung, Brunnen“ zu installieren. Ein Versuch mit klaren Botschaften das Verhalten der Menschen zu beeinfl ussen. Dabei haben sich viele Menschen schon so weit an Schil-der gewöhnt, dass sie entweder jedes Schild automatisch ausblenden oder Schilder brauchen, um überhaupt auf etwas aufmerksam gemacht zu werden. Fragwürdig erscheint auch, dass der Archi-tekt, wenn er direkt mit den ihm unbekannten Menschen vor Ort kommuniziert, dies ausschließlich mit Imperativen und Warnhinweisen macht. Benötigt man diese, um auf entscheidende Gestaltungs-elemente aufmerksam zu machen, liegt der Schluss nahe: Eine dem Laien verständliche Planung ist gescheitert.

Vielleicht ist es nötig, dass Architekten ihre Gedanken und Ideen öffentlich ausdrücken. Eine freie Erklärung zur Form und Gestaltung wird dann nicht mehr diffusen Debatten von Architekturkriti-kern überlassen, sondern denjenigen die tatsächlich das Gebäude planen – eine Absichtserklärung, um wenigstens auf die Beweggründe aufmerksam zu machen, die zum Endresultat geführt haben. Der Anspruch ein Gebäude in einer respektablen Art und Weise zu benutzen, würde gesteigert wer-den, da keiner mehr sagen könnte ihm wäre Funktion und Form komplett unbekannt. Viel wichtiger ist, es schafft eine Grundlage für einen öffentlichen Diskurs über Symbolik und Ausdruck unserer Gesellschaft zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts. Ist die Öffentlichkeit nicht in der Lage an dieser Debatte teilzunehmen, so muss wohl leider ein Schild neben dem Haupteingang angebracht werden.

Ich sehe etwas, was du nicht siehstVon Philipp Steiff

21

Die Begegnung mit Architektur lässt sich nicht so einfach vermeiden, wie man ein Buch beiseite legt oder an einer Staff elei vorbeigeht. Sie ist Teil unseres Alltags und stellt den Architekten damit vor die Verantwortung, seine Arbeit erklären zu müssen. Dabei ergibt sich unter anderem die Frage nach dem richti gen Mitt el, um dieser Aufgabe nachzukommen. Inwieweit erfüllt die archi-tektonische Zeichnung diese Aufgabe, und kann überhaupt auf Sprache als Vermitt ler verzichtet werden?

Architektur ist zunächst die Äußerung ihres eigenen Entwurfsprozesses. Das Gebäude steht nie für sich alleine, sondern ist das Ergebnis von theoreti schen Überlegungen und Analysen. Dabei wird die Grenze des durch unsere Sprache Beschreibbaren immer dann erreicht, wenn der theoreti -sche Gehalt von Architektur in ein Bauwerk übersetzt wird. Natürlich könnte man jede Geometrie benennen und jeder Farbe einen Namen geben, doch erschöpft sich die Sprache gewissermaßen an der Ästheti k. Ihre Informati onen sind niemals so konzentriert wie die Wirklichkeit. Die Unend-lichkeit der Merkmale steht der Endlichkeit der Worte gegenüber.

Damit entstehen inhaltliche Lücken, die von unserem Adressaten unweigerlich mit den eigenen Vorstellungen gefüllt werden. Er subjekti viert die Beschreibung und umgeht damit im schlimms-ten Falle unbewusst ganz grundsätzliche Charakterzüge der Architektur, um die es eigentlich geht. Der Architekt ist gezwungen dem Adressaten diesen Schritt vorwegzunehmen. Er kann sich nicht darauf berufen, eine Wand einfach zu beschreiben, sondern muss erklären, welche Wirkung sie hat, welche Atmosphäre sie erzeugt und welche Aufgabe sie erfüllt. Architektur spricht nie für sich alleine, sondern ist immer nur das Instrument des Architekten, um seine Arbeit zu kommunizie-ren. Gerade wenn man sich nicht der sti llschweigenden Übereinkunft eines Fachpublikums sicher sein kann, geht es darum, sie nachvollziehbar zu machen.

Eine vollständige Erklärung von Architektur kann deswegen keine reine Beschreibung sein, son-dern muss vom Architekten interpreti ert werden. Es ist eine Form der Hypothesenbildung, um die Gedanken des Architekten off enzulegen. Sprache erhebt dadurch die reine Darstellung zu einer Interpretati on. Die Zeichnung bleibt auf der anderen Seite immer Teil des physisch Erfahrbaren und geht damit nie über die reine Darstellung hinaus. Erst die Sprache macht das Konzept und die Absicht deutlich und lässt uns dadurch Architektur vollständig begreifen, wohingegen eine Zeich-nungen nur Andeutungen machen kann. Um Architektur erklären zu können, muss man ihren theoreti schen Gehalt vermitt eln. Die Notwendigkeit von Sprache ergibt sich aus der Tatsache, dass Architektur eben nicht bloß aus Form und Material besteht, sondern immer auch die Äußerung einer Idee ist.

Marti n Steins

Worte für das UnausgesprocheneDie Unterschiede zwischen Sprache und architektonischer Zeichnung zur Erklärung von Architektur

22

„Der Architekt wirbt nur durch sein Werk“, so die Meinung der eher konventi onellen und älteren Architektengenerati on. Jahrelang war es undenkbar, dem Gebauten überhaupt noch etwas hinzu-zufügen. Neuerdings fi ndet jedoch ein Umdenken in der Architekturbranche statt : Schreiben wird zum Thema. Eine Branche, die bisher als verschwiegen galt, hat ein neues Wort für sich entdeckt: Kommunikati on!

Im klassischen Architekturstudium kommt dieses Umdenken jedoch zu spät. Seit Jahren wird Wert darauf gelegt, dass Architekturstudenten die Ideen, Konzepte und Entwurfe in Skizzen, Piktogram-men und Zeichnungen festhalten. Zu Beginn des Studiums werden stundenlang Zeichnungen von Gebäuden angeferti gt. Immer geht es darum, die zeichnerischen Fähigkeiten zu erweitern; ob es das mühsame Erlernen von zahlreichen CAD-Programmen, Bildbearbeitungs- oder Layoutprogram-men ist: Alles zielt darauf ab, ein möglichst realisti sches Bild des Entwurfes zu erzeugen.

Die Kommunikati on durch Schrift wird aber in der Architekturausbildung bisher nicht oder nur am Rande themati siert. Architekten denken und entwerfen dreidimensional und sind es gewohnt, dieses zweidimensional als Bild in Skizzen und Zeichnungen umzusetzen. Laut Duden meint Kom-munikati on jedoch den „Austausch oder die Übertragung von Informati onen“. Das Schreiben ist demnach ein völlig anderes Medium des „Skizzierens“. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Übertragung zum Schreiben, bei Architekten als unnöti ger Umweg beim Entwurfsprozess wahrge-nommen wird. Vom „Bild im Kopf“ – also der ersten Entwurfsidee – zum „Wort“ und zurück zum „Bild“ – also der ersten Skizze.

Die Schrift als begleitendes Mitt el im Entwurfsprozess kann zur Skizze werden oder sie zumindest entscheidend ergänzen. Sprache und Schrift geben uns die Möglichkeit, den Entwurf uns selbst gegenüber zu konkreti sieren. Denn Skizzen oder Bilder können interpreti ert werden, doch ein Text wirkt präzisierend. Die Schrift ist schärfer: mit ihr können wir sehr viel deutlicher die Grundidee und die eigenen Interpretati onsansätze festhalten. Unser Gedanken-Gebäude kann durch den ver-meintlichen Umweg „Schrift “ an Aussagekraft gewinnen. Außerdem lassen sich weitere unkonven-ti onelle Denkpfade erschließen, die ohne diesen Zwischenschritt nicht möglich wären.

Die Schrift ermöglicht es, dem Architekten die Entwurfsidee nicht nur im Verlauf des Entwurfs-prozesses zu kommunizieren, sondern auch gegenüber der Umwelt. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Kommunikati on mit Nicht-Architekten. Durch richti ge Kommunikati on mit Bauherren können diese ein anderes Gespür für die Visionen entwickeln, die vor dem Entwurf stehen.

Für die Zukunft ist vor allem der Begriff der „Nachhalti gkeit“ ein großes Thema. Doch bei all den Diskussionen um graue Energie, Umnutzung von Gebäuden, Recyclingfähigkeit der Baustoff e und Demontagevorsorge wird der elementarste Schritt noch nicht gedacht: Das Gebaute und die The-orie sind eine untrennbare Einheit. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Gedankengut des Architekten sollte ebenso wie für materielle Ressourcen gelten. Die individuelle Vorstellung von der Baukunst der Gegenwart kann durch die Schrift auch in Zukunft kommuniziert werden. Schrei-ben trägt zur Nachhalti gkeit des Gebauten in hohem Maße bei. Denn nur kommunizierte Entwürfe haben die Chance, die Theorie in den Vordergrund zu stellen und Missinterpretati on vorzubeugen.

In Zukunft sollte es Aufgabe des Architekten werden, seine Entwurfsvisionen in Worte zu fassen. Das Schreiben über Architektur müsste in der Ausbildung des Architekten eine stärkere Rolle spie-len. Denn die Schrift fl ankiert den Entwurf und präzisiert ihn bereits im Entwurfsprozess und ge-genüber der Umwelt. Schreiben in der Architektur kann so Neues erschließen und dieses Neue kommunizieren.

Carmen Sti rmlinger

Zwischen Hochbau und SatzbauDer Beruf des Architekten wandelt sich. Dabei scheint die Sprache Einzug in die Architektur zu halten.

23

Es schreibt, wer schreiben will, und der sich zum Schreiben nimmt, was man zum Schreiben brauchen könnte: Mut und Willen, Druck oder Verzweifl ung, zudem das Werkzeug: die Basis aus Un-tergrund bzw. Medium und Schreibgerät, die Sprache als Grundausstatt ung und den Empfänger als Verständigen. Auf der Suche nach dem Punkt, auf den der Text gebracht werden soll, muss überlegt werden, wie die Struktur, die Argumentati on und der Inhalt aussehen sollen. Einfach ist es nicht, zum einen den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, und zum anderen so zu arbeiten, dass der Adressat angesprochen und eingenommen wird. Wer ist der Adressat und was soll verdeutlicht werden, wie wird überhaupt geschrieben, in welchem Sti l? Die Fragen häufen sich, noch bevor ein einziges Wort ge-schrieben wird. Je nach Text bedarf es zusätzlich einer vorangehenden Recherche, die möglicherweise mehr Geschriebenes im Sti l der Noti z hervorbringt, als später das Endprodukt selbst. Schreiben ist ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft , in dem es darum geht sich auszudrücken, ohne in persona anwesend zu sein. Der Mensch hat ein Mitt eilungs- und Austauschbe-dürfnis, welches ihn zu einem sozialen Wesen macht. Das Vermitt eln von Nachrichten – Noti zen der Wahrnehmung – hat eine Traditi on. Es soll verdeutlichen und einfangen, was im weiteren Ablauf der Dinge nicht ohne das Schreiben verstanden werden kann, oder eine Sache begleiten. Wie die Höhlen-malereien bietet das Schreiben, ähnlich dem Zeichnen, ein selbstständiges Kommunikati onsmitt el; Die Schrift als Begleitschutz der Idee und der Zeit. Die Sprache als Begleiter unserer Kultur und unseres Ausdrucks. Ohne diese sind wir stumm – nicht unfähig unsere Gedanken zu vermitt eln, aber schwer zu verstehen.

Gegenübergestellt entwirft – im Kontext der Architektur – wer eine räumliche Idee verdeutli-chen will, und der sich nimmt, was man zum Entwerfen brauchen könnte; Mut und Willen, Druck oder Verzweifl ung; zudem das Werkzeug: manuell mit Zeichengerät auf Untergrund oder vektorenbasiert in unzähligen Zeichenprogrammen, die auf dem manuellen Prinzip basieren. Die Typologie der Striche und Strichstärken ist das Vokabular des Zeichners, ergänzt durch Schlüssel in der Darstellung, wie der Perspekti ve oder Vorder- und Hintergrund. Der Empfänger muss zum Verständigen herangezogen wer-den durch eine möglichst klare Palett e der Darstellungsarten (Schnitt e/ Perspekti ve/ Rendering/ Bild/ Piktogramm …) Auf der Suche nach dem Konzept, nach welchem der Entwurf verständlich werden soll, muss überlegt und analysiert werden, wie die Struktur, die Argumentati on und das Programm aussehen soll. Einfach ist es nicht, zum einen den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, und zum anderen so zu arbeiten, dass der Bauherr, Nutzer oder Investor angesprochen und eingenommen wird. Wer ist der Adressat und was soll verdeutlicht werden, welcher Maßstab ist angemessen? Entwerfen von Architektur gehört zu unserer Gesellschaft und ist die Steigerung von dem Be-dürfnis des Menschen, sich einen Schutzraum zu schaff en. Über dieses Grundbedürfnis hinaus erfüllt der Architekt Wünsche nach baulicher Repräsentati on, dienenden Bauten und nutzbaren Stadträu-men. Die Aufgabe der Architektur hat sich erweitert und auch die Anforderungen an den Entwurf sind unter anderem mit der Einhaltung von Regeln und DIN-Normen gesti egen. Größtmögliche Flexibilität wird bei geringstem Energieverbrauch erwartet. Der Entwurf muss auf jede Frage eine Antwort fi nden und neue Ansätze ausprobieren. Das Entwerfen ist wichti g für die Weiterentwicklung von der Architek-tur und damit für unsere Lebensqualität, denn sie ist Teil unserer Grundbedürfnisse. Ohne das Entwer-fen sind wir in den bestehenden Räumen gefangen. Wir könnten auf Veränderungen nicht reagieren – uns zwar damit zufrieden geben, jedoch Lebensqualität einbüßen.

Abschließend sei nun angedacht, dass die Architektur und das Buch schwer zu vergleichen sind, da es sich um einen unverhältnismäßig großen Maßstabssprung handelt. Dass jedoch die Mitt el – in Form von dem Entwerfen und dem Schreiben – sehr wohl Parallelitäten aufweisen. Wie sie sich ähneln, hängt davon ab, wie viel Gewicht man ihnen gibt. Ausgehend von den Gemeinsamkeiten, die jeder für sich erarbeiten muss, lohnt es sich dar-über nachzudenken, wie sie sich kombinieren lassen und ob sich das eine durch das andere ergänzen oder gar aussparen lässt. „Architektur der Worte“ kann gleichzeiti g zu „Worte der Architektur“ werden.

Rebecca Tritscher

v e r s u s / s i m i l i s - S c h r e i b e n u n d E n t w e r fe n , d a s B u c h u n d d i e A r c h i t e k t u r g e g e n ü b e r g e s t e l l t

24

Unter dem Titel „ Die Zeichnung ist die Sprache des Architekten“ wurde am 28. Mai diesen Jahres das Archiv des Architekten Gustav Peichl in der Akademie der Künste in Berlin eröffnet. In einem kurzen Artikel heißt es dazu: „Sind schriftliche Dokumente auch rar, so brilliert Peichl mit beschreibenden Detailzeichnungen und Skizzen“1. Eine Aussage, die zu den „Oeuvres“ der meisten Architekten getroffen werden könnte. Es ist vielfach zu beob-achten, dass Architekten sich zu ihren Entwürfen ausschweigen. Aber sollten sie die Kom-munikation mit der Öffentlichkeit nicht als Pfl ichtteil ihres berufl ichen Schaffens empfi nden?

Die erste Situation einen Entwurf zu vermitteln, ergibt sich schon zu Anfang des Architek-turstudiums: die Entwurfspräsentation. Eine Situation, in der viele psychologische Prozesse stattfi nden, die nicht immer bewusst wahrgenommen werden. Lob und Tadel entscheiden nicht nur über Bestehen und Durchfallen, sondern auch über die psychische Verfassung des Vortragenden, die maßgeblich die weitere Arbeitsmotivation und damit den Erfolg des Projekts beeinfl usst. Laut der Psychologin Anette Sommer setzt sich der Student in der Präsentation der Verletzlichkeit aus, „die häufi g mit kreativen Prozessen allgemein und während der Architektenausbildung, insbesondere in Entwurfsprojekten, zu beobachten ist“2. Man stellt seine Ideen vor und wird danach kritisiert. Oftmals wird diese Kritik, vor allem wenn sie negativ ausfällt, übersteigert und sehr persönlich aufgenommen. Dadurch entsteht eine negative Einstellung dem eigenen Können gegenüber.Man hat Angst den Ansprüchen nicht zu genügen und versucht, sich so wenig wie mög-lich angreifbar zu machen. Resultiert die Verschwiegenheit des Architekten also aus der Angst zu versagen?

Versagensängste, so die Psychologin Doris Wolf, führen unter anderem zu Vermeidung oder Abbruch eines Projekts3. In diesem Fall kann sich Vermeidung in Verschwiegenheit ausdrücken. Man vermeidet zu kommunizieren, um sich weniger angreifbar zu machen. In der Präsentation kann der Student sich der gesprochenen Sprache bedienen, ein Kom-munikationsmittel, das es zulässt, sich unauffällig in unkonkrete Aussagen zu fl üchten und somit die Möglichkeit bietet, die eigene Verletzlichkeit zu vermindern. Eine schriftliche Fi-xierung hingegen bietet diesen Interpretationsspielraum nicht, den die gesprochene Spra-che zulässt. Schreiben manifestiert die Idee - liefert sie schwarz auf weiß. Dabei gerät der Mehrwert dieses Kommunikationselementes in den Hintergrund. Eine Verschriftlichung der Entwurfsgedanken kann helfen, Ideen zu ordnen und auf den Punkt zu bringen, sie er-leichtert es, falsche Gedankengänge aufzuspüren. Bisher wird das Schreiben jedoch eher vermieden, da es ein höheres Risiko birgt, sich verletzlich zu machen. Doch wie kann man das Schreiben für Architekten wieder attraktiv machen?

Um einen offeneren Umgang des Architekten mit seinem Entwurf zu fördern, plädiert An-ette Sommer, in der Präsentation einerseits mehr auf die Verletzlichkeit des Vortragenden einzugehen, und andererseits eine Offenheit zu schaffen, Kritik als Rückmeldung aufzufas-sen und nicht als Angriff auf den eigenen Entwurf. Dadurch könnte Kommunikation für den Studenten als eine positive Erfahrung wahrgenommen werden und zu mehr Bereitschaft führen, Ideen schriftlich zu erläutern.

Sucht man in der heutigen Zeit noch aussagekräftige Texte zu Entwürfen, muss man sich meistens mit Interpretationen von Journalisten begnügen. Die eigenen Worte für ihre Ideen scheinen nur wenige Architekten zu fi nden. Wenn man aber mal in der Geschichte zurück-schaut, haben wir vielen Architekten wertvolle Schriften zu verdanken, die uns heute den Zeitgeist und die Innovationen früherer Jahre überliefern. Vielleicht muss in unserem digita-len Zeitalter wieder ein stärkeres Bewusstsein für die Wichtigkeit von schriftlichen Äußerun-gen geschaffen werden. Vielleicht führt ein anderer Umgang der Architekten untereinander dazu, dass wieder mehr Architekten schreiben.

Laura Voßmerbäumer

Zum Scheitern verurteilt?

1 Baunetz, 22.05.2013: „Die Zeichnung ist die Sprache des Architekten“, http://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Peichl-Abend_in_Berlin_3190009.html2 Anette Sommer, November 1997: „Architektensprache – Nutzersprache – Dolmetscher in der Planung“, Wolkenkuckucksheim,Heft 2, Seite 6 3 Vgl. Doris Wolf, 31.05.2013: „Angst zu Versagen – Auswirkungen auf Gefühle, Körper, Beziehungen und Beruf“, http://www.angst- panik-hilfe.de/angst-zu-versagen-symptome.html

25

BRFE

EUER