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Eveline List »Warum nicht in Kischniew?« 117 Eveline List (Wien) »Warum nicht in Kischniew«? – Zu einem autobiographischen Tondokument Igor Carusos* 1 »Why not in Kishinev«? – On an autobiographical radio documentary of Igor Caruso Die Geschichte der Psychoanalyse ist reich an Autobiographischem; Sig- mund Freud hat mehrere autobiographische Beiträge verfaßt, und seine theoretischen Arbeiten quellen über von autobiographischen Vignetten. Natürlich wurden sie gezielt ausgewählt und formuliert. Jede Mitteilung über sich selbst richtet sich an bestimmte Leser und verfolgt bewußte und unbewußte Absichten. Für Freud waren das einerseits zunächst die Ver- mittlung und Illustration seiner Theorien, dann die gezielte »Selbstdarstel- lung« in bezug auf das eigene Werk und die »Psychoanalytische Bewegung« (Freud, 1925d; 1914d). So gesehen waren es auch politische Schriften. Jede solche Äußerung ist in einem gewissen Sinn politisch, insofern sie das Leben des Autors oder der Autorin aus persönlicher Sicht öffentlich macht – um zu erklären, zu rechtfertigen oder auch zu verschleiern. In der Regel sollen Motive Erläuterung, Umstände, Bedingungen, Einflüsse und Zwänge, die zu bestimmtem Handeln führten, bei den Lesern Verständnis finden. Es gibt auch Autobiographien, die nicht das gelebte, sondern ein gewünschtes, ver- säumtes, ideales Leben beschreiben, oder eines, das aus einer bestimmten Rückschau adäquater erscheint. Dann passen mitunter dokumentierte Fak- ten und Selbstdarstellung nicht zusammen. Im Bereich der Psychoanalyse- geschichte sind kürzlich – dank der gründlichen Recherchen Martin Dehlis (2007) 2 – solche Diskrepanzen bei Alexander Mitscherlich an die Öffentlich- keit gelangt. Mitscherlich, der gefeierte linke Demokrat und Propagandist der deutschen Nachkriegspsychoanalyse, hatte nicht nur prägende, aber für seine spätere Position unpassende Teile seiner Lebensgeschichte verschwie- gen, sondern darüber hinaus eine ›geschönte‹ Version publiziert. Gerade die- ses autobiographische Dokument machte sein Wissen um die Illegitimität des Verschwiegenen deutlich und versuchte ein Bild herzustellen, welches die Erwartungen der Öffentlichkeit besser befriedigte als Mitscherlichs reale Geschichte. Das erwies ihn öffentlich als Lügner und hinterließ der deutsch- sprachigen Psychoanalyse zumindest ein Problem der Glaubwürdigkeit. * Bei der Redaktion eingegangen am 4. 12. 2007 1 Igor Caruso (1914 Tiraspol/Rußland–1981 Salzburg) lebte, wie er berichtet, 1918-1926 mit seinen Eltern in Kischniew, damals Rumänien. 2 Siehe hierzu den Buchessay der Autorin und das voranstehende Mitscherlich-Porträt von Timo Hoyer in diesem Heft. Anm. d. Red. 08zptp1.indd 117 08zptp1.indd 117 18.02.2008 12:09:24 18.02.2008 12:09:24

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Eveline List »Warum nicht in Kischniew?« 117

Eveline List (Wien)

»Warum nicht in Kischniew«? – Zu einem autobiographischen Tondokument Igor Carusos*1

»Why not in Kishinev«? – On an autobiographical radio documentary of Igor Caruso

Die Geschichte der Psychoanalyse ist reich an Autobiographischem; Sig-mund Freud hat mehrere autobiographische Beiträge verfaßt, und seine theoretischen Arbeiten quellen über von autobiographischen Vignetten. Natürlich wurden sie gezielt ausgewählt und formuliert. Jede Mitteilung über sich selbst richtet sich an bestimmte Leser und verfolgt bewußte und unbewußte Absichten. Für Freud waren das einerseits zunächst die Ver-mittlung und Illustration seiner Theorien, dann die gezielte »Selbstdarstel-lung« in bezug auf das eigene Werk und die »Psychoanalytische Bewegung« (Freud, 1925d; 1914d). So gesehen waren es auch politische Schriften. Jede solche Äußerung ist in einem gewissen Sinn politisch, insofern sie das Leben des Autors oder der Autorin aus persönlicher Sicht öffentlich macht – um zu erklären, zu rechtfertigen oder auch zu verschleiern. In der Regel sollen Motive Erläuterung, Umstände, Bedingungen, Einflüsse und Zwänge, die zu bestimmtem Handeln führten, bei den Lesern Verständnis finden. Es gibt auch Autobiographien, die nicht das gelebte, sondern ein gewünschtes, ver-säumtes, ideales Leben beschreiben, oder eines, das aus einer bestimmten Rückschau adäquater erscheint. Dann passen mitunter dokumentierte Fak-ten und Selbstdarstellung nicht zusammen. Im Bereich der Psychoanalyse-geschichte sind kürzlich – dank der gründlichen Recherchen Martin Dehlis (2007)2 – solche Diskrepanzen bei Alexander Mitscherlich an die Öffentlich-keit gelangt. Mitscherlich, der gefeierte linke Demokrat und Propagandist der deutschen Nachkriegspsychoanalyse, hatte nicht nur prägende, aber für seine spätere Position unpassende Teile seiner Lebensgeschichte verschwie-gen, sondern darüber hinaus eine ›geschönte‹ Version publiziert. Gerade die-ses autobiographische Dokument machte sein Wissen um die Illegitimität des Verschwiegenen deutlich und versuchte ein Bild herzustellen, welches die Erwartungen der Öffentlichkeit besser befriedigte als Mitscherlichs reale Geschichte. Das erwies ihn öffentlich als Lügner und hinterließ der deutsch-sprachigen Psychoanalyse zumindest ein Problem der Glaubwürdigkeit.

* Bei der Redaktion eingegangen am 4. 12. 20071 Igor Caruso (1914 Tiraspol/Rußland–1981 Salzburg) lebte, wie er berichtet, 1918-1926

mit seinen Eltern in Kischniew, damals Rumänien.2 Siehe hierzu den Buchessay der Autorin und das voranstehende Mitscherlich-Porträt

von Timo Hoyer in diesem Heft. Anm. d. Red.

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Im Falle Igor Carusos haben wir es mit einer vergleichbaren Erinnerungs- bzw. Lebenslaufskorrektur zu tun; Caruso stellt sich – wie Mitscherlich – auch dort als Opfer und als widerständig dar, wo er es nicht war. Was beide Fälle allerdings gravierend unterscheidet, ist der Inhalt des Verschwiegenen und Erfundenen. Caruso hat nicht so sehr Gesinnungen und bedenkliche Freunde verschwiegen, sondern vielmehr eine effektive und unmittelbare Beteiligung am NS-Euthanasieprogramm. Eines damit vergleichbaren Ver-gehens hat sich Mitscherlich nicht schuldig gemacht. Neben diesem Faktum wirken andere Verfälschungen in Carusos Biographie, die sich etwa auf glei-chem ›Korrekturniveau‹ wie diejenigen Mitscherlichs bewegen, fast neben-sächlich.3

Am 20. Jänner 1979 lud der Leiter der Psychiatrie am LKH Salzburg, Ger-hart Harrer4, seinen alten Freund, Heinrich Gross, den höchstbeschäftigten psychiatrischen Gerichtsgutachter Österreichs (Neugebauer & Schwarz, S. 278ff.), zu einer Veranstaltung nach Salzburg zum Thema »Tötungs delikte von Geisteskranken«. Dort trat uneingeladen Werner Vogt von der Aktion »Kritische Medizin« auf und verlangte, Heinrich Gross solle nicht, wie ange-kündigt, über »Tötungsdelikte von Geisteskranken« sprechen, sondern über »Tötungsdelikte an Geisteskranken«, weil er da wesentlich mehr Erfahrung habe.5 Dies setzte eine Entwicklung in Gang, in deren Folge die Gescheh-nisse vom »Spiegelgrund«, der größten NS-Kindereuthanasieanstalt Öster-reichs, an die Öffentlichkeit gelangten. Igor Caruso, Professor für klinische und Sozialpsychologie an der Universität Salzburg und Freund Harrers, der am Institut Carusos auch Lehrveranstaltungen machte, hat sich dazu nicht zu Wort gemeldet. Er nahm aber kurz danach eine autobiographische Selbstdarstellung für den Österreichischen Rundfunk auf. Diese wurde am 4. April 1979, mit Hinweis auf Carusos 65. Geburtstag (am 4. Februar!) als Portrait gesendet, das aus einer würdigenden Einleitung6 und einer fast ein-stündigen erzählenden Selbstdarstellung Igor Carusos bestand. Alle biogra-phischen Arbeiten über Caruso rekurrieren vor allem auf dieses Dokument.7 Der autobiographische Bericht sollte offenbar ebenso einen Lebenslauf wie

3 Eine umfassende Monographie über Igor Caruso von der Verfasserin ist in Vorberei-tung.

4 Gerhart Harrer (geb. 1917), seit Februar 1938 bei der SS, 1940 NSDAP-Mitglied und Promotion, Assistent der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien, Zusammenarbeit mit A. Auersperg. 1945 Assistent bei H. Urban in Innsbruck und Habilitation, 1971 Dierktor der Landesnervenklinik Salzburg.

5 Persönliche Mitteilung von Dr. Werner Vogt am 3. 7. 2007.6 Die Einleitung sprach Franz Richard Reiter, ehemals Assistent Carusos an der Univer-

sität Salzburg.7 »Geschichte und Geschichten«. Radiosendung des Senders Ö1 vom 4. April 1979,

wiederholt am 19. Juli 1981. Eine unvollständige und fehlerhafte Transkription stellt Caruso (1988) dar. Die mündlichen Zitate sind dieser Sendung entnommen (= Caruso, 4. 4. 1979).

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die Entwicklung von Denkvorstellungen darstellen, bleibt jedoch auf irri-tierende Weise vage, ist im Faktischen ungenau, oft auch unrichtig und ver-langt nach Kontextualisierung und kritischer Analyse. Hinsichtlich seines Verhältnisses zum »Spiegelgrund« bemerkt Caruso:

Nun wurde ich angestellt in einer Kinderklinik auf der Baumgartner Höhe in Wien, in Steinhof. In dieser Kinderklinik habe ich allmählich und sehr rasch die Geheimnisse des Dritten Reichs durchschaut, weil … viele Kinder wurden umgebracht. So daß ich es nicht wußte, ich, als Psychologe, politisch unverläßlich, Ausländer usw., war gar nicht eingeweiht, selbstverständlich. Aber dumm bin ich nicht, oder war ich nicht und habe allmählich die grausige Wirklichkeit erfahren. (Caruso, 4. 4. 1979)

Diese beiläufige im Passiv angesetzte Mitteilung, die erste öffentliche Caru-sos zu diesem Thema überhaupt, enthält eine gleichermaßen verhängnis-volle wie monströse Geschichte. Dr. Igor Caruso, Exilrusse mit deutschem Fremdenpaß und 1941 aus dem von sowjetischen Truppen besetzten Estland entkommen, hatte zunächst versucht, durch persönliche Beziehungen an der Universität Wien eine Anstellung zu finden.8 Da dies scheiterte, bewarb er sich an der »Wiener städtischen Fürsorgeanstalt« Am Spiegelgrund. Es war nicht seine erste Wahl, aber auch ein solcher Posten war damals ohne ›Beziehungen‹ nicht zu bekommen9. Er wurde als Erzieher zur »Durchfüh-rung von psychologisch-pädagogischen Prüfungen und Begutachtungen« beschäftigt, nachdem »der Belag […] von ursprünglich 180 auf 840 Kinder angewachsen«10 war.

Die Nervenklinik für Kinder »Am Spiegelgrund«

Nachdem die Euthanasie in der Heil- und Pflegeanstalt am Steinhof auf brei-ter Basis Platz gegriffen hatte,11 errichtete man in dadurch frei gewordenen Pavillons im Juli 1940 die Städtische Fürsorgeanstalt. Dr. Erwin Jekelius, Leiter des Referats »Geisteskranken-, Psychopathen- und Süchtigenfür-sorge«, wurde ärztlicher Direktor.12 Im Juli 1940 wurden sieben Pavillions

8 Der Schwager Irina Carusos, Dr. Gottfried Stix, SS-Mann im Außenamt und Lehrbe-auftragter an der Universität Wien, intervenierte über die »Gaustudentenschaft«. Deka-natsakt, D.-Zl. 254 Studienjahr 1941/42. Universitätsarchiv Wien.

9 Persönliche Mitteilung Prof. Wolfgang Neugebauers vom 5. Juni 2007.10 Schreiben des Anstaltenamtes, Abt. E 8 / E 10-1-25/1 /42 an die Hauptabteilung B,

Abteilung B 5, Büroinspektorat, vom 7. Jänner 1942. Dr. Igor Caruso, Personalakt. Wie-ner Stadt- und Landesarchiv.

11 Von der »Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien« Am Steinhof wurden etwa im Rahmen der »Aktion T4« allein bis Ende August 1941 über 3.200 Personen zur Ermordung nach Hartheim transportiert (Czech, 2007, S. 93). Zwischen 1941 und 1945 starben weitere 3500 infolge von Hunger, Vernachlässigung oder Infektionen (Schwarz, 2002, S. 129f.).

12 Dr. Erwin Jekelius (1905, Herrmannstadt–1952, sowjetisches Lager), 1931 Dr. med. in Wien, 1934 NSDAP-Mitglied, 1938 SA-Arzt, kommissarischer Leiter der Arbeiter-krankenversicherungskasse und der Trinkerheilanstalt Am Steinhof ), von 1940 bis 1941

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der »Erziehungsanstalt« überlassen und zwei, die Pavillions 15 und 17, für die »Kinderfachabteilung« bzw. »Anstalt zur Aufnahme und Beobachtung von psychisch abwegigen Kindern und Jugendlichen jeder Art und Stufe«13 bestimmt, welche dem Referat »Ausmerzende Maßnahmen« der Abteilung »Erb- und Rassenpflege« des Hauptgesundheitsamtes unterstand. Für letz-tere war der Berliner »Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erforschung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden«, das headquarter der NS-Kindereuthanasie, zuständig. Diesen Pavillions war Igor Caruso zugeteilt, und dort wurden schwerpunktmäßig Begutachtungen und Selektionen für die Euthanasie und Sterilisationen sowie auch Experimente an den Kindern durchgeführt.14

Es war unmöglich, am »Spiegelgrund« zu arbeiten und Zweck und Aus-richtung der Institution nicht zu kennen: Der Alltag war in unvergleich-licher Weise von Gewalt geprägt, worüber es zahllose Befunde gibt. Neben ständigem Angebrülltwerden und Schlägen, Demütigungen und Beschimp-fungen etwa die »Schlemperkur«, bis zum Ersticken unter Wasser getaucht, oder »Speibeinjektionen«, nach denen sich die Kinder stundenlang erbra-chen, manchmal mußten sie auch Stunden bis Tage in nassen Leintücher ver-schnürt in Einzelzellen verbringen. (Lehmann & Schmidt, 2001) Überleben-de Kinder erzählten auch, wie es sich herumgesprochen hätte, daß Kinder getötet würden, manchmal sahen sie auch Kinderleichentransporte.15 Offi-ziell wurde großer Wert darauf gelegt, den Schein medizinisch-fachlichen Vorgehens zu wahren. Beim Personal scheint eine Grundhaltung zynischer oder gleichgültiger Ignoranz geherrscht haben, wobei einige zweifellos auch exzessive Lust aus Sadismus und Macht zogen.

Durchaus nicht alle Kinder waren krank oder behindert. Armut, Obdach-losigkeit, Krankheit der Mutter, Schwererziehbarkeit, auch die Ratsuche von Eltern in Erziehungsfragen konnte auf den »Spiegelgrund« führen. Die Behandlung war rücksichtslos und grausam; Ängste, Schmerzen, Weinen oder Apathie führten in der Regel nicht zu freundlicher Zuwendung. Im Kon-takt mit besorgten Eltern wurde aber der Anschein von Fürsorge gewahrt.

Leiter des Referats »Geisteskranken-, Psychopathen- und Süchtigenfürsorge«. Ab 1940 Teilnehmer an der Euthanasie-Konferenz in der Kanzlei des Führers, Leiter der Wiener Städtischen Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund, ab 1941 Ärztlicher Direktor. Teil-nahme an Sitzungen des »Reichsausschusses«. Jekelius war mit Hitlers Schwester Paula befreundet, die ihn heiraten wollte, worauf der Kontakt von der Gestapo untersagt wur-de. Ab 1943 Militärarzt.

13 Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien. Hauptabteilung E, Gesundheitswesen und Volkspflege . Anordnungen des Anstaltenamtes. 1942, A Nr. 500, ausgegeben am 12. 11. 1942, zit. n. Malina (2002, S. 83).

14 »Von mindestens 1941 bis 1944 führte der Assistent der Universitäts-Kinderklinik, Doz. Elmar Türk (der Bruder der »Spiegelgrund«-Ärztin Marianne Türk), in Zusammenarbeit mit der Anstalt »Spiegelgrund« Tuberkulose-Impfexperimente an geistig behinderten Kindern zur Effizienz-Testung des BCG Impfstoffes durch.« (Hubenstorf, 2005, S. 173)

15 Persönliche Mitteilung von Friedrich Zawrel am 12. Oktober 2007.

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Für die Selektion zur Sterilisierung oder Tötung war ein klares Prozede-re vorgesehen. Untersuchungen, Gutachten, Befunde und Beobachtungen in Krankengeschichten mit Fotos der Kinder (meist nackt) wurden aktenmäßig erfaßt. »Es wurde über jedes Kind, wenn eine Meldung nach Berlin gemacht wurde, vorher eine Beratung abgehalten, an der der Leiter der Anstalt, sämt-liche Ärzte der Anstalt, die Psychologin, die Schwester, die das Kind betreu-te[,] und die Stations- oder Oberschwester teilgenommen haben.«16 Wir müssen davon ausgehen, daß auch Igor Caruso daran teilnahm. Er war in den Betrieb integriert, erlebte habituelle Strafaktionen, Quälereien, Demü-tigungen, Selektion und Ermordung von Kindern, auch wenn er sich viel-leicht nicht aktiv daran beteiligte. Er kannte die Krankengeschichten, für die er seine Gutachten erstellte, und wußte, wozu letztere (auch) gebraucht wurden. Die Bestätigung der am »Spiegelgrund« gestellten Diagnose und Prognose durch den Reichsausschuß bedeutete zumeist das Todesurteil des Kindes. Die Tötung erfolgte in der Regel durch Luminal, manchmal wur-den auch Morphium oder andere Gifte injiziert. Es war »besonders heim-tückischer Mord, da nicht tödliche Dosen gegeben wurden, sondern solche, die tagelang qualvolles Siechtum mit anschließendem Tod zur Folge hatten infolge Lungenentzündung und Darmkatarrh.«17 Durchschnittlich wurden drei bis fünf Kinder wöchentlich an den Reichsausschuß gemeldet, nachdem sie unter anderem auch psychologisch begutachtet waren.

Das ›eugenische‹ Verfahren war auf zwei Themen gerichtet: Erbkrank-heiten und »Nutzen für die Volksgemeinschaft«. Die Diagnose einer Erb-krankheit bedeutete Registrierung sowie Sterilisation, sofern »erhöhte Fort-pflanzungsgefahr« gesehen wurde, und nicht selten gab es Nachteile für Verwandte. Der »Nutzen für die Volksgemeinschaft« reduzierte sich letztlich auf »Arbeitsfähigkeit«, bei Kindern auch »Bildungsfähigkeit«, die unter ande-rem durch die psychologischen Gutachten ermittelt werden sollten. »Nicht Arbeitsfähige« wurden dem »Reichsausschuß« in Berlin gemeldet und, sofern es keine ›Entwicklungsfortschritte‹ gab, getötet, obduziert und eventuell für die Forschung verwendet.18 Von den ermordeten Kindern und Jugendlichen sind 788 namentlich bekannt. Die Viten und »Krankengeschichten« von 541 konnten annähernd rekonstruiert werden (Häupl, 2006).

Igor Caruso verfaßte zwischen Februar und Oktober 1942 über einhun-dert solcher Gutachten, von denen hier nur wenige Ausschnitte wiedergege-ben werden können. Zahlreiche der von ihm begutachteten Kinder wurden

16 Hauptverhandlung gegen Dr. Heinrich Gross am 27. 3. 1950, Zeugenaussage von Anna Katschenka. Landesgericht Wien, Vg 1a Vr 1601/48.

17 Auszug aus dem Strafakt des Volksgerichtes Wien Vg 1a Vr 2365/45, betreffend Dr. Ernst Illing, Dr.. Marianne Türk, Dr. Margarete Hübsch, Dr. Edeltrude Baar. Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

18 Dr. Heinrich Gross legte massenweise Hirnpräparate an, mit Hilfe derer er seine weitere Karriere beförderte. Im Jahr 2002 wurden die Urnen der verbliebenen Leichenteile in einer öffentlichen Feier beerdigt.

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dem ›Reichsausschuß‹ gemeldet und mindestens vierzehn, wahrscheinlich mehr, in der Folge getötet, etliche sterilisiert. Das Repertoire an psychologi-schen Testmethoden umfaßte in der Regel Intelligenztests nach Binet-Simon und/oder nach Bobertag und gelegentlich auch Rorschachtests, die alle sehr schematisch angewandt und ausgewertet wurden. Den Kindern wurden standardisierte Aufgaben vorgegeben und ihre Leistungen nach der Klas-sifikation »Idiotie«, »Imbezillität« und »Debilität« eingeteilt. Die wissen-schaftliche Grundlage hatte vor allem Otto Bobertag vor dem ersten Welt-krieg in Erweiterung der Tests von Alfred Binet geliefert. Er war sich der Problematik der Differenzierung sehr bewußt gewesen und hatte natürlich nicht geahnt, wofür seine Erkenntnisse auch mißbraucht würden. Aus dem Quo tienten zwischen dem ermittelten ›Intelligenzalter‹ und dem Lebens-alter wurde ganz schematisch eine Prognose der künftigen Leistungsfähig-keit erstellt, die am »Spiegelgrund« auch Überlebensmöglichkeit bedeutete – oder das Todes urteil.

Im Februar 1942 verfaßte Caruso sein erstes ›Gutachten‹, eigentlich eine Beobachtungsbeschreibung, die deutlich macht, daß er offenbar keinerlei Gutachtererfahrung hatte. Über denselben Buben, Adolf Schindler 19, verfaß-te er noch weitere drei Gutachten, die immer bürokratischer und kritischer wurden, wohl auch als Folge der Anpassung Carusos an das System »Spie-gelgrund«.

Am 24. 4. 1942 begutachtete er den sechzehnjährigen Franz Jasper 20 in einer einzigen Zeile: »Torpider Idiot. IQ ungefähr 0.25 bis 0.20. Kontakt-mangel, echotisches Nachsprechen.« Am 2. 7. 1942 erhielten Johann und Anna Jasper in Höflein folgendes Schreiben: »Die gefertigte Anstaltsleitung bedauert, [I]hnen die Mitteilung machen zu müssen, daß Ihr Kind Franz an schwerer Lungenentzündung erkrankt ist und der Allgemeinzustand als ernst zu bezeichnen ist.« Der Tod des Buben trat am nächsten Tag ein, wegen »Lungenentzündung« – eine der am häufigsten angegebenen Todes-ursachen.

Der sechsjährige Franz Karlowitz21 war im September 1941 auf den »Spiegelgrund« gekommen, weil seine Mutter ins Spital mußte. Bei der Auf-nahme galt er als neugierig, eigensinnig und sehr liebesbedürftig. Caruso schrieb am 13. Mai 1942, er sei erethisch, ungeschickt und mache läppische Gebärden. Er könne die Testfolgen nicht systematisch absolvieren und »als er sich unbeobachtet glaubt, steckt er Würfel und Spielsachen in die Tasche, wo er schon Brot hat.« Er habe psychopathische Züge und »eine schwere Verstimmung auf Grund der degenerativen und erblichen Belastung einer

19 Schindler, Adolf, AZ 19/40. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Krankenge-schichten: überlebende Knaben. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

20 Jasper, Franz, AZ 290/41. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Krankenge-schichten: Verstorbene. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

21 Karlowitz, Franz, AZ 108/42. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Krankenge-schichten: Verstorbene. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

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bedeutenden geistigen Abschwächung, die bis zu den Grenzen des tiefen, erethischen Schwachsinns führt.« Am 18. September 1942 wurde sein Tod festgestellt.

Über Herta Kral 22, elf Jahre, schrieb Igor Caruso, »das Kind zeigt sich im Anfang ängstlich und schüchtern, weint bitterlich, aber der Kontakt ist leicht erreichbar. […] [Es] fragt mehrere male ›darf ich spielen?‹ […] [D]as Kind spielt jedoch ungeschickt und ohne auffallendes System. […] Es handelt sich um einen hirnorganisch-bedingten Schwachsinn höheren Grades.« Die Mut-ter wollte, als sie aus dem Spital kam, ihre Tochter wieder zu sich nehmen, erhielt aber statt dessen am 18. 7. 1942 die Nachricht ihres Todes.

Die beiden Gutachten über den neunjährigen Johann Mitterecker23 geben genaueren Einblick in Carusos Arbeitsweise, Aufgaben- und Fragestellung. Sie sind ungewöhnlich ausführlich und kommen zu dem Schluß: »Der reich entwickelte Wortschatz des Kindes, das Benennen vieler Gegenstände, ein-zelne sinnfällige Bemerkungen (z. B. das[s] die Heizung mit Wasser geht, oder die stehengebliebene Uhr aufgezogen werden kann), und spontane Aeusserungen zeigen, dass die Potenz seiner Intelligenz viel mehr entwickelt ist, als sie bei einem angeborenen hochgradigen Schwachsinn sein könnte. Andererseits die vollkommene Zerfahrenheit der intellektuellen Leistungen, die weitgehende Störung des assoziativen Denkens, die autistischen Züge, die vermutliche Anwesenheit von Wahnvorstellungen, die pseudologischen Momente, die Neigung zum Negativismus, die Perseverationen, die Stereo-typien, begründen den Verdacht an die Schizophrenie oder an eine schi-zophrenisch gefärbte Form der Kinder-Demenz mit hochgradiger Verblö-dung.« Der Bub, der von den Schwestern als extrem niedergeschlagen und scheu beschrieben wird, aber als gelöst und freudig, wenn seine Mutter ihn besucht, mußte am 18. 2. 1943, 4.30 Uhr sterben.

Das Gutachten über den sechsjährigen Alfred Führmann24 belegt indi-rekt, daß Caruso, entgegen seiner eigenen Darstellung, sehr wohl in den Anstaltsalltag integriert war: »Im ganzen hat er keine Schwierigkeiten bei der Untersuchung gemacht, war ständig höflich und nett. Ich weiss aber, dass, wenn er etwas will, kann er ein guter Diplomat sein. Andererseits habe ich selbst oft beobachtet, wie er unverträglich sein kann, grob und bosshaft zu seinen Kameraden, schadenfroh, hinterlistig, zornig und eigensinnig.« Caru-so nennt dieses sechste von sieben Kindern einer Arbeiterfamilie ein »etwas zurückgebliebenes erethisches Kind mit Mangel an theoretischer Intelligenz, Gemüt und Halt, mit übertriebener Phantasie und Triebhaftigkeit.« (a.a.O.)

Vier Jahrzehnte später konstatierte er in der Rückschau: »Man hat die

22 Kral, Herta, AZ 66/42. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Krankengeschich-ten: Verstorbene. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

23 Mitterecker, Johann, AZ 110/42 42. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Kran-kengeschichten: Verstorbene. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

24 Führmann, Alfred, AZ 203/42. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Kranken-geschichten: überlebende Knaben. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

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spastischen, die schwer cerebral geschädigten, die schwachsinnigen Kinder getötet. Nicht wahr, das hat man. Selbstverständlich ist vieles damals gesche-hen am Steinhof.« (Caruso, 4. 4. 1979)

Das ist die Rede eines Nichtbeteiligten, ganz allgemein und ohne persön-liche Betroffenheit:

In der Nazizeit waren die Methoden … ach Gott, das war eine komische Mischung. Also die klassische deutsche Psychiatrie, und eigentlich war die Pflege, die Aufbewah-rung das einzige, was die Geisteskranken wirklich dann genossen, und diejenigen, die ›lebensunwürdig‹ waren, nach der damaligen Terminologie, die waren nach und nach liquidiert, nach und nach verschwanden sie. (a.a.O.)

Es war gewissermaßen auch Teil dieser ›komischen‹ Normalität, daß Caru-so bis zuletzt die geforderten Gutachten schrieb. War ihm bekannt, daß Adam Ujvary 25 als »Zigeunerstämmling« kaum Überlebenschancen hatte? Seine Eltern, so die Krankengeschichte, »erscheinen im Dezember 1941 im Zigeunerlager Lackenbach verstorben«. Man forderte, »[i]m Hinblick auf die bestehende Verordnung, dass Zigeunerstämmlinge weder in arischen Kinderheimen gehalten, noch bei arischen Pflegeeltern untergebracht wer-den dürfen«26, die Gemeinde Oberpullendorf auf, das Kind zu übernehmen, was diese offenbar verweigerte. Der Einjährige zeigte bei seiner Aufnahme am »Spiegelgrund« noch »Freude an Bewegung und strampelte vergnügt«. Caruso attestierte ihm einen »bedeutenden debilen Zustand […] Das Kind macht Wackelbewegungen und schlägt sich mit den Fäusten auf den Kopf.« Die ›Meldung‹ lautete »hochgradiger Schwachsinn bei Vollzigeuner« und war das sichere Todesurteil.

Angesichts der Zustände, deren Zeuge und, inwieweit auch immer, auch Beteiligter Caruso war, ist es unverständlich, daß er Folgen des Heimaufent-halts kaum erwähnte. Im Herbst 1942, als sein Arbeitsstellenwechsel wohl schon feststand, führte er einige Male ›Hospitalismus‹ an, aber zugleich bescheinigte etwa den dreijährigen Zwillingen Marie und Gertrude Gross27 noch Entwicklungsrückstände bis an die untere Grenze der Imbezillität, was wohl zumindest zu Gertrudes Tod beitrug.

Caruso konnte sich 1979 damit offenbar nicht in Beziehung setzen, son-dern begab sich in die Position eines Zuschauers. Über die Einstellung zur Psychologie meinte er: »Es waren … damals verstand man eigentlich keinen Witz mit kranken Menschen, es war so ziemlich reglementiert und alles, was psychisch war, war eher minderwertig von den Machthabern betrachtet« (a.a.O.) Um erleichtert fortzusetzen: »Aber ich muß sagen, die Nazis, Gott sei Dank, hatten anderes zu tun und die Psychologie blieb relativ ungescho-

25 Ujvary, Adam, AZ 120/42. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder, Krankenge-schichten: Verstorbene 1941-1945. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

26 Schreiben der Kinderübernahmestelle. AZ 120/42.27 Marie und Gertrude Gross, AZ 76/41. Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder,

Krankengeschichten: Verstorbene 1941-1945. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

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ren, relativ, nicht wahr. Abgesehen von den jüdischen Kollegen, insbesondere also die Tiefenpsychologie, die Psychoanalyse«. (a.a.O.)

Was Caruso hier gemeint haben mag, was die Nazis »Gott sei Dank« anderes zu tun gehabt hätten, bleibe dahingestellt. Auch daß den »jüdischen Kollegen« kaum ein Nebensatz gilt, läßt die Verhältnisse aus den Proportio-nen geraten. Sich selbst bezeichnet Caruso »als irgendwie doch eine unver-läßliche, aufsässige Figur«, die »irgendwie nicht zu den Nazideutschen« paß-te, und als von seinem Chef »hinausgeschmissen«. (a.a.O.)

Was da ›irgendwie‹ angedeutet wird, kann leicht einen zu einseitigen Ein-druck erweckten. Es gibt keinen Hinweis, daß Caruso besondere Sympa thien für das Regime hegte, aber auch keinen, daß er anders als systemkonform agiert hätte. Möglicherweise mochten ihn manche nicht; Ernst Illing28 etwa gefiel seine italienisch-russische Herkunft nicht,29 aber daraus erwuchs keine persönliche Gefährdung. Sicher ist auch, daß es keine Gefahr bedeutet hätte, sich zu weigern, an den Mißhandlungen der Kinder oder an den vorberei-tenden Gutachten für Euthanasie und Sterilisierung mitzuwirken. Er hätte schlimmstenfalls diesen Arbeitsplatz riskiert. Wie es ein mit ihm befreun-deter Analytiker formuliert: »Wenn er als Gutachter arbeiten wollte, hatte er keine Wahl als zu schreiben, was die wollten.«30 Es gibt kein Beispiel für drakonische Sanktionen (außer spontane Maßnahmen bei der Wehrmacht), weil jemand sich geweigert hätte, an Tötungsaktionen direkt oder indirekt teilzunehmen, und für eine Anklage deshalb gab es keinen Rechtstitel. Selbst die schärfste Maßnahme, ihn zur Wehrmacht einzuziehen, kam für den Staa-tenlosen nicht in Betracht.

Caruso wechselte im November 1942 vom »Spiegelgrund« an die »Ner-venheilanstalt Döbling«; vielleicht nicht nur deshalb, sicher aber auch weil er nur als Erzieher eingestuft war und einen Akademikerposten anstrebte.31 Seine Anstellung dort, am früheren »Theresien-Schlössl«, erfolgte fast naht-los. Es war ein dienstrechtlicher und finanzieller Aufstieg und führte ihn bei seinem neuen Chef, »Prinz« Alfred Auersperg (wie Caruso ihn immer nannte), zurück unter Seinesgleichen. Auersperg war er bald eng verbunden. Der Mediziner Alfred Auersperg, aus altem österreichischem Adel, hatte 1935 mit Viktor v. Weizsäcker in Heidelberg gearbeitet. Die austrofaschisti-sche »Vereinigung katholischer Edelleute« verließ er 1936, um der NSDAP beizutreten, 1938 wurde er SS-Mann und kommissarischer Leiter der Psych-iatrischen Klinik. 1940 bis 1945 war er Direktor des ehemaligen Maria-The-resien-Schlössels mit eigenem Sonderforschungsbereich, und er wurde 1943

28 Dr. Ernst Illing (1904, Leipzig–1946, Wien), Vollstreckung des Todesurteils durch den Strang am 13. November 1946.

29 Vertrauliches Schreiben Dr. Ernst Illings an das Anstaltenamt vom 15. 9. 1942. Dr. Igor Caruso, Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

30 Raoul Schindler, persönliche Mitteilung vom 5. 7. 2007.31 Vertrauliches Schreiben von Dr. Ernst Illing an das Anstaltenamt vom 15. 9. 1942. Dr.

Igor Caruso, Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

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zum Professor ernannt. Nach 1945 setzte er sich durch Flucht nach Sao Paulo ab. 1948 bis 1968 war er dann Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Concepcion/Chile. Caruso verdankte ihm seine Lateinamerikakontakte. Auersperg erhielt in den 60er Jahren aufgrund seiner hochgradigen Nazi-Vergangenheit Einreiseverbot für die USA (Hubensdorf, 2002, S. 413, Sack, 2005). Damals firmierte er noch an erster Stelle im ›Ehrenausschuß‹ in Caru-sos »Wiener Arbeitskreises für Tiefenpsychologie« (Huber, 1977, S. 282).

1945 wurden etliche des »Spiegelgrund«-Personals verhaftet, sie bekann-ten sich ›nicht schuldig‹, wollten entweder nichts gewußt haben oder behaup-teten, so gehandelt haben zu müssen.32 Selbst der zum Tod verurteilte und 1946 hingerichtete Illing betrachtete sich als Opfer (Häupl, 2006, S. 20). Auch die Psychologin Dr. Edeltrude Baar, die engste Kollegin Carusos am »Spiegelgrund«, bezeichnete sich als unschuldig und wurde zuletzt in einem rein formal abgewickelten Verfahren freigesprochen. Dies geschah aufgrund der Expertise eines Dr. Koch, der ihren Gutachten volle Wissenschaftlichkeit attestierte, als wären der institutionelle Rahmen und der Zweck, zu welchem diese Gutachten erstellt wurden, nicht weiter von Belang. Der Name Caruso war in den Prozessen nicht genannt worden. Etliches, was in den Gerichts- und Disziplinarverfahren gegen Dr. Edeltrude Baar verhandelt wurde, hät-te freilich auch Igor Caruso zur Last gelegt werden können. Etwa daß sie »bei der Abfassung ihrer Gutachten sich nicht so sehr von der Sorge um das Schicksal der Kinder hat leiten lassen, sondern mehr noch von der Sorge um ihre eigene Person« und daß sie »in schwerster Zeit, an schwerster und ver-antwortungsvoller Stelle als Mensch furchtbar versagt [hat]«.33

Alle Beteiligten benützten nach Kriegsende zumeist erfolgreich ihre NS-Beziehungen, um wieder beruflich voranzukommen. Die Republik Öster-reich kannte nach 1945 keine der Bundesrepublik vergleichbaren Verfahren über die fast 700.000 NSDAP-Mitglieder (das entsprach 10% der Bevölke-rung) in den »Alpen- und Donaugauen« (Garsch, 2001). Auch Igor Caru-so organisierte sich 1945 ›Persilscheine‹34 und baute auf Bekannte aus dem austrofaschistischen und NS-Milieu zur Rettung und weiteren Beförderung seiner Karriere.

Carusos Entwicklung zum Psychoanalytiker

In seiner Selbstdarstellung behauptet Caruso, in Innsbruck Assistent an der Psychiatrischen Klinik gewesen zu sein:

Dann wurde ich gerufen – allmählich stabilisierten sich die Verhältnisse. Nur es war so eine ewige Wiederholung, das hab ich schon als Vierjähriger erlebt … so ungefähr, was

32 Volksgerichtsakten. Wiener Stadt- und Landesarchiv.33 Schreiben an den amtsführenden Stadtrat der Verwaltungsgruppe I vom 8. Oktober

1949. Dr. Edeltrude Baar. Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.34 Beilagen zum Bewerbungsschreiben von 1946, Dr. Igor Caruso, Personalakt. Archiv der

Universität Innsbruck.

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ich damals als Dreißigjähriger, als Einunddreißigjähriger erlebt habe – wurde ich von Professor Urban, damals Vorstand der Psychiatrischen Klinik in Innsbruck, nach Inns-bruck gerufen. Ich sage nicht berufen, weil ich nur Assistent war. (Caruso, 4. 4. 1979)

Worin die »ewige Wiederholung« liegen sollte, läßt Caruso völlig im dunk-len; die Fakten waren jedenfalls andere: Es gab trotz mächtiger Interventio-nen durch einflußreiche Freunde Carusos eine Ablehnung durch die Univer-sität Innsbruck.35 An diese ›Erinnerungsstörung‹ schließt sich umgehend die nächste:

Nun die Tage – ich habe Innsbruck bis heute sehr gern – aber ich weiß nicht, ich habe mich dort nicht sehr wohl gefühlt und bin zurück nach Wien mit einer Privatpraxis und machte eine Ausbildung: eine psychoanalytische Ausbildung zuerst bei Aichhorn, dann … – also Aichhorn von der alten Garde der Psychoanalytiker –, dann bei Freiherrn von Gebsattel. (a.a.O.)

Über diese Ausbildung kursierten mehrere Varianten. Die häufigste war, Caruso sei schon vor 1945 bei Aichhorn in Analyse gewesen. August Aich-horn36 und Alfred Winterstein waren als einzige WPV-Mitglieder die NS-Zeit hindurch in Wien geblieben. Während Winterstein sich ganz zurück-zog, ging August Aichhorn, Erziehungsberater und Mitglied aber nicht Lehranalytiker37 in der WPV, eine Kooperation mit Mathias Göring und dem »Reichsinstitut für Psychologische Forschung und Psychotherapie« ein. Er war bereits im Herbst 1930 bei der Gemeinde Wien in Pension gegan-gen38, wollte aber weiterhin als Erziehungsberater und Analytiker arbeiten.39

35 Der Dekan der medizinischen Fakultät setzte auseinander, wie Igor Caruso in mehrfa-cher Hinsicht die Anstellungsvoraussetzungen nicht erfüllte. Igor Caruso, Personalakt. Archiv der Universität Innsbruck.

36 August Aichhorn (1878–1949), Lehrer, dann Leiter der Erziehungsanstalt Oberholla-brunn. Er war mit Anna Freud befreundet und ab 1922 Mitglied der WPV, wo er die Erziehungsberatung installierte und dann Mitglied des Lehrausschusses wurde.

37 Im Korrespondenzblatt 1939 der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung wird Aichhorn im letzten Bericht des Wiener Lehrinstitutes für die Jahre 1936/37 nicht als Lehr- und Kontrollanalytiker erwähnt. Es könnte, wenngleich das unwahrscheinlich ist, später eine Ernennung gegeben haben, die nicht berichtet wurde.

38 August Aichhorn, Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.39 Die Inhaftierung seines Sohnes hatte mit der Kooperation mit Göring nichts zu tun;

dieser hatte auch kaum Einfluß. August Aichhorn jun., der zuletzt Präsidialsekretär des Propagandaleiters der austrofaschistischen Einheitsorganisation »Vaterländische Front« gewesen war (Kriechbaumer, 2005, S. 108, 112), hatte die Gestapo bei einem Fluchtver-such am 11. März verhaftet – wie in der Folge dann die gesamte Führungsschicht des Ständestaates. Aichhorn jun. kam mit dem dritten Österreichertransport am 24. Mai in das KZ Dachau. Aufgrund der Intervention von Lord Halifax stimmte Sicherheits-polizeichef Heydrich im Juli 1938 der Entlassung der meisten noch inhaftierten Öster-reicher zu. Aichhorn jun. kam deshalb am 12. September 1938 frei, mußte sich noch einige Zeit wöchentlich bei der Gestapo melden, war aber sonst nicht behindert und wurde schließlich zur Wehrmacht eingezogen. AZ 20000/A76. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Siehe auch Neugebauer (1998).

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Offenbar hatte er die Vorstellung, die Psychoanalyse auch unter Bedingun-gen der Nazidiktatur aufrechterhalten zu können, und führte einen Kreis von ›Ausbildungskandidaten‹, von denen vierzehn bei ihm in ›Lehrbehandlung‹ waren; Caruso gehörte nicht zu diesen, doch scheint »Graf Caruso Igor, Dr. phil. ab 1. 1. 1944« in einer Liste der Ausbildungskandidaten und Praktikan-ten des Reichsinstituts auf (Huber, 1977, S. 282), aber eben nicht unter »Lehr-behandlungen« oder »Kontrollanalysen«. Auch in Arbeiten über Aichhorn und seinen Kreis in Wien während der NS-Zeit finden sich keine Details.40 Keinesfalls aber war Caruso, wie er in der Radiosendung behauptet, nach 1945 bei Aichhorn in Ausbildung. Caruso erinnert sich: »Von Aichhorn habe ich vor allem das Interesse um … Intuition für Jugend gelernt« (a.a.O.), und gibt eine Charakteristik, die einer Beschreibung eines bekannten Fotos von August Aichhorn ähnelt:

Aichhorn war ein eher lustiger, eher dicklicher, ein bißchen rundlicher Mensch mit einem kleinen Bärtchen und mit einer Wagner-Kappe oft, oder einer Baskenkappe. Das kann ich jetzt nicht ganz klar erklären, was für eine Sorte Kappe das war. So ein pittoresker Mensch. Dann allerdings, kurz vor seinem Tod war er furchtbar abgemagert und hat schlecht ausgesehen. Es war ein … nicht nur ein großer Psychoanalytiker, sondern auch ein Naturgenie, ein genialer Mensch einfach. Er konnte mit Jugendlichen sprechen, aber auch mit Schülern, mit Analysanden, das heißt mit denen, die bei ihm Analyse machen, daß man seine Persönlichkeit als vollkommen … nicht dominant, aber als vorhanden, als voll anerkannte. Er war ein sehr würdiger und guter und gütiger Mensch.«

Es kann der Eindruck entstehen – insbesondere beim Hören des Tondoku-ments –, Caruso habe Aichhorn persönlich kaum gekannt. Die Beschreibung wirkt wie nach dem bekannten Foto konstruiert, ohne lebendige Erfahrung, sprachlich stockend und ist auch inhaltlich weit weg von dem, was über einen Lehranalytiker, noch dazu in jener Zeit angemessener Weise, vielleicht zu sagen wäre. Für seine Selbstdarstellung hat Caruso Aichhorn zwar zu seinem Lehranalytiker gemacht, aber möglicherweise hatte deren realer Kontakt nicht viel mehr als einer Bescheinigung des Reichsinstituts gegolten. Diese erhielt Caruso nach dem Leitungswechsel von Heinrich Kogerer 41 zu Vik-

40 Es ist bemerkenswert, daß eine kritische Reflexion der Tätigkeit August Aichhorns für das »Reichsinstitut«, beispielsweise als Grenzüberschreitung, als Mißverstehen der Grundbedingungen von Psychoanalyse, bis heute fast völlig unterblieben ist, vor allem unter Berufung auf positive Anerkennung durch emigrierte Analytiker.

41 Heinrich Ritter von Kogerer (1887–1958) promovierte 1910 in Medizin, war Kriegsteil-nehmer im 1. Weltkrieg, von 1922 bis 1931 Assistent und Leiter der psychotherapeu-tischen Ambulanz der psychiatrisch-neurologischen Univ. Klinik (Wagner-Jauregg, Pötzl). Nach der Habilitation 1927 war er Primar der Neurologie im Elisabethspital und von 1938 bis 1944 Leiter der Zweigstelle Wien des »Deutschen Instituts für psy-chologische Forschung und Psychotherapie«; als Militärpsychiater beim Befehlshaber im Generalgouvernement forderte er die »Todesstrafe für Wehrkraftzersetzer«. Er war ab 1933 Mitglid des NSDÄB, ab 1937 der NSDAP (wegen ›halbjüdischer‹ Ehefrau, geb. Nechanski, durch Gnadenerweis des Führers). 1945 als Dozent entlassen; pastoralmedi-zinische Vorträge.

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tor von Gebsattel42, der seit Anfang 1944 in Wien war 43. 1952 dankte Caru-so dann seinem »Lehranalytiker« (Caruso selbst setzt diese Bezeichnung in Anführungszeichen!) Freiherr von Gebsattel (Caruso, 1952, S. 6). Dieser galt den Nazis gegenüber »nicht positiv eingestellt«, als »nicht der analytischen Gruppe zuzurechnen« und hat Wien »in den letzten Kriegstagen verlassen.« (Solms-Rödelheim, 1977, S. 445) Mitte April 1945 war in Wien Kriegsende. Caruso könnte somit während des Krieges maximal ein Jahr bei Gebsattel in Lehranalyse gewesen sein, aber Caruso behauptet im Tondokument gar nicht damals, sondern nach seiner Rückkehr aus Innsbruck eine Ausbildung gemacht zu haben. Worauf er sich bezieht, wenn er Gebsattel unter Anfüh-rungszeichen seinen Lehranalytiker nennt, scheinen eher persönliche Gesprä-che beim Spazierengehen gewesen zu sein (Parth, 1998, S. 62). Eine weitere Version stammt von Solms-Rödelheim; dieser zufolge soll Caruso zunächst von Aichhorn wegen seiner Nähe zu Auersperg als Lehranalysand abgelehnt worden sein und sich später mit Berufung auf eine Analyse bei Gebsattel in der WPV um Mitgliedschaft beworben haben. Da sei ihm beschieden wor-den, »er müsse eine Lehranalyse machen, seine Arbeit mit Gebsattel würde nicht anerkannt.« (Parth, 1988, S. 106) Andere Quellen scheint es nicht zu geben. Auch Viktor von Gebsattels Qualifikation als Psychoanalytiker ist sehr umstritten. Mit Lou Andreas-Salomé befreundet, hatte er mit ihr 1911 am Psychoanalytischen Kongreß in Weimar teilgenommen und ging dann in Analyse zu Leonhard Seif, der sich von Freud abgewandt hatte, in München einen »Seifkreis« (L. Andreas-Salomé an S. Freud, 20. 7. 1920, Freud, 1966a, S. 115) leitete und sich später C. G. Jung anschloß. Seif war auch der Thera-peut von Mathias Göring. Gebsattel gründete in Berlin eine Privatklinik, deren Leitung ihm 1939 entzogen wurde. Von 1939 bis 1944 hatte er eine Privatordination in Berlin und war Dozent am Göring-Institut, ab 1944 war er Leiter der Zweigstelle in Wien. Er vertrat eine ›ganzheitliche‹ christlich-katholische Tiefenpsychologie, mit starker Anlehnung an Phänomenologie und Daseinsanalyse.

In diese Richtung, vielleicht noch stärker theologisch ausgerichtet, lagen auch Igor Carusos Interessen; mit Sigmund Freud scheint er sich, seinen Publikationen (Caruso, 1946; 1948) nach zu schließen, kaum beschäftigt zu haben. Es ist auch recht unklar, ob sein Interesse damals tatsächlich der Psy-choanalyse galt, oder ob er nicht eher einen gewissen Status und Zugehörig-keit suchte. Immerhin war er, in einer Phase massiver Brüche und geringer Ressourcen, in Österreich ohne substanzielle tradierte Bindungen. Gleich-wohl mochte er sich nicht den Ausbildungsanforderungen der IPA unterzie-

42 Viktor Emil Freiherr von Gebsattel (1883–1976), aus »fränkischem Uradel«, promovier-te 1907 in Philosophie und 1919 in Medizin. Ab 1949 war er Professor für Psychothera-pie und medizinische Anthropologie in Würzburg.

43 Carusos Aufnahme ins »Deutsche Institut für psychologische Forschung und Psycho-therapie«, mit der Unterschrift des Leiters Mathias H. Göring, datiert vom 13. 2. 1945. Igor Caruso, Personalakt. Archiv der Universität Innsbruck.

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hen. Auch Alexander Mitscherlich, der in einer vergleichbaren Situation war (vgl. Dehli, 2007, S. 210), wenn auch ohne solchen Migrationshintergrund, ließ sich bis Ende der fünfziger Jahre noch Zeit damit, seine psychoanaly-tische Ausbildung nachzuholen, die er dann allerdings auch abschloß.

Caruso hingegen autorisierte sich gewissermaßen selbst und gründete, nachdem seine Universitätsaspirationen in Innsbruck gescheitert waren, 1947 den »Wiener Arbeitskreis für Tiefenpsychologie«. Dies koinzidierte mit der allgemeinen Restauration des politischen Katholizismus in Österreich unter Einbeziehung einer großen Zahl überzeugter oder opportunistischer Profiteure des NS-Regimes. Bei den frühen Mitgliedern des Arbeitskreises dominierten politisch rechts stehende Katholiken, ehemalige Adelige und Nationalsozialisten. Neben Alfred Auersperg war etwa Walter Birkmayer 44 überzeugter ›illegaler‹45 Nationalsozialist. Er wurde bereits 1931 Oberschar-führer der HJ, war ab 1936 SS-Mann und nach dem Anschluß 1938 Assistent und NSDAP-Zellenleiter an der Wiener Psychiatrische Universitätsklinik. 1938/39 war er auch Gauhauptstellenleiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP Wien.46 1938 verkündete er in einer Schulung der SS-Ärzteschaft, in der er auch den Versuch einer biologisch begründeten kollektiven Charakter-lehre vortrug, unter anderem:

Unserem Volke blieb es vorbehalten, ein Genie zu gebären, das instinktiv erkannte und forderte, daß nur die Reinheit der Rasse und die erbbiologische Gesundheit das Volk vor dem Verfall retten kann. Und wir müssen als fanatische Jünger alles Krankhafte, Unreine und Verderbbringende aus unserem Volke ausrotten, damit es nach Genera-tionen durch diese Läuterung befähigt ist, die ihm zugedachte Sendung zu erfüllen. (Birkmayer, 1938, S. 1151)

Pater Georg Bichlmair, Jesuitenprovinzial, Leiter des »Pauluswerks« zur Mis-sion von »Nichtariern« (Pape, 2006, S. 111), bei denen er »böse Erbanlagen«47 nicht ausschloß (Bichlmair, 1936, S. 165), kam aus dem Umfeld des von Sig-mund Freud verabscheuten (vgl. S. Freud an A. Zweig, 30. 9. 1934, Freud, 1968a, S. 102) Pater Wilhelm Schmidt48, der seinen Einfluß publizistisch und politisch gegen die Psychoanalyse einsetzte. Auch Walter Albrecht war

44 Walther Birkmayer (1910–1996) Promotion in Medizin 1936. 1940 Facharzt für Nerven- und Geisteskrankheiten. 1938-1945 Assistent an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Sportarzt.

45 In Österreich war die NSDAP ab 1933 verboten, weshalb ›Illegale‹, also solche, die auch damals NSDAP-Mitglieder waren, später unter den Nazis besondere Achtung genos-sen.

46 Später stellte sich heraus, daß er ›Mischling zweiten Grades‹ war, weshalb er aus der SS entlassen wurde.

47 Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.48 Pater Wilhelm Schmidt (1868–1954), SVD, Priester und später Ethnologe am Missions-

priesterseminar der »Societas Verbi Divini« in Mödling bei Wien und am Institut für Völkerkunde der Universität Wien, wo er die Urreligion bei den ›Primitiven‹ nachzu-weisen suchte. Enger Vertrauter von Papst Pius XI.

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NSDAP- und SS-Mitglied und dann zuerst Mitglied im »Wiener Arbeits-kreis für Tiefenpsychologie« und ab etwa 1957 Mitglied der »Wiener Psycho-analytischen Vereinigung«. Ottokar Hans Arnold war 1937 Ausbilder Hans Strotzkas auf einem Lager zur Wehrertüchtigung gewesen, wo die beiden sich in ihrem Interesse für die Psychiatrie und als illegale Nazis verständig-ten (Hauer, 2000, S. 14). Albert Niedermayer, der Jüngste von allen, war seit 1948 Assistent der Innsbrucker Universitäts-Nervenklinik, wo er sich bei Prof. Urban habilitierte, und dann Dozent für Pastoralmedizin an der Theologischen Fakultät der Universität Wien. Er propagierte eine »geläuter-te Form der Psychoanalyse im katholischen Bereich« (Huber, 1977, S. 162) und hatte Caruso anfangs in seiner Ordination als Psychotherapeuten ange-stellt49. Wilfried Daim50 schließlich war der einzige promovierte Psychologe und hatte einen NS-kritischen katholischen Hintergrund. Er machte dann bei Caruso eine »Lehranalyse« (einige Monate hindurch zweimal wöchent-lich Gespräche im Sitzen)51, schrieb über »Tiefenpsychologie und Erlösung« und gründete 1956 das Institut für politische Psychologie.

Der Arbeitskreis hatte zunächst eher den Charakter eines ›Salons‹, und die Psychoanalyse war keineswegs das wichtigste Thema. Der Einfluß C. G. Jungs war sehr groß, theologische Themen dominierten. Als besonders fort-schrittlich galt bis in die siebziger Jahre Teilhard de Chardins Versuch einer Synthese des Evolutionsdenkens und der katholischen Kreationismuslehre (Caruso, 1973). Generell herrschte eine teleologische Ausrichtung, die sich bei Caruso über Jahrzehnte, bis in seine »Personalisierungslehre« und eigent-lich bis zuletzt in seinen Narzißmusarbeiten fortsetzte. Im Grunde wurde versucht, ein Selbstbild des Intellektuellen zugleich mit dem ständischen Weltbild von vor 1918 aufrecht zu erhalten. Das Religiöse war dabei – wie zumeist – ein wichtiges Bindemittel. Der Analytiker sollte »einer Berufung folgen, welche vom ›Christusarchetyp‹ besonders beeinflußt wird« (Caruso, 1952, S. 224). Das Interesse galt einer christlichen ›ganzheitlichen‹ Psycho-logie unter Amalgamierung des Denkens Jungs, v. Weizsäckers, v. Gebsat-tels, Binswangers, auch Heideggers und Schelers mit einigen Ideen Sigmund Freuds. Alle religionskritischen Schriften Freuds, vor allem der Mann Moses, wurden abgelehnt.52 In dieser Tradition veranstaltete Caruso vom 27. April bis 1. Mai 1954 ein Symposium in Brüssel über »Die Psychologie der Per-son« mit etwa vierzig Teilnehmern, darunter auch Wilhelm Revers und Jac-ques Lacan. Knapp danach erfolgten die vereinsmäßige Institutionalisierung des »Wiener Arbeitskreises für Tiefenpsychologie« und über Innsbruck und Bern erste Expansionen. Caruso war nun Oberhaupt einer ›christlich-tie-

49 Persönliche Mitteilung von Wilfried Daim vom 19. 11. 2007.50 Wilfried Daim (geb. 1923 in Wien) war als Schüler Mitglied der katholischen Wider-

standsgruppe um Karl Strobl. Nach dem Krieg Anthropologe und Psychotherapeut, Schriftsteller stark katholischer Prägung und prominenter Kunstsammler.

51 Persönliche Mitteilung von Wilfried Daim am 15. 11. 2007.52 Persönliche Mitteilung von Wilfried Daim am 19. 11. 2007.

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fenpsychologischen Internationale‹ und hatte eine gewisse Reputation als ›Nobeltherapeut‹ einer bestimmten konservativen Wiener Gesellschaft und führte ›Lehranalysen‹ durch. Eigentlich strebte er jedoch vor allem nach einer Universitätskarriere.

Ich wurde immer wieder gerufen: auf Reisen, auf Kongresse und als Gastprofessor an Universitäten. Damals eben lernte ich, es war schon lange nach dem Krieg, einige Jahre nach dem Krieg, ich … ich übergehe jetzt Jahre, ich überspringe Jahre dabei; so hab ich Spanien kennengelernt. So hab ich endlich dann auch Brasilien, Columbien, Mexiko und dergleichen mehr kennengelernt. Ich war oft Professor, aber ich wollte mich nicht reglementieren lassen, ich wollte privatisieren. (Caruso, 4. 4. 1979)

Zwischen 1956 und 1963 war Caruso verschiedentlich »Gastprofessor« in Lateinamerika vor allem an der Päpstlichen Universität São Paulo, und in Spanien.53 Auch dort war der religiöse Aspekt dominierend und sein Inter-esse am Marxismus, für das er eine Art ›Erweckungserlebnis‹ durch die Verhaftung eines seiner Studenten in Brasilien angab, stand mehr im Dienst politischer Heilsvorstellungen.54 In etlichen Ländern betrieb er die Grün-dung weiterer Arbeitskreise für Tiefenpsychologie, deren Kandidaten auch nach Europa zu ihm in Analysen kamen, die in der Regel französisch oder deutsch liefen.

Auf Betreiben vor allem Viktor v. Gebsattels und des CSU-nahen Wil-helm Revers, damals Ordinarius für Psychologie in Salzburg, kam Caruso schließlich an die Universität Salzburg und erhielt dort ohne Habilitation 1972 eine Professur für klinische Psychologie und Sozialpsychologie. Von daher rührt hauptsächlich sein besonderer Ruf. Revers war ein sehr autori-tärer Ultrakonservativer, der eine christliche Phänomenologie lehrte. Caru-so entpuppte sich nicht ganz als der verläßliche Gesinnungsgenosse, den er erwartet hatte, sondern folgte auch neuen Ideen. In der Fakultät erlaubte er sich durchaus unangepaßtes Benehmen und im Seminar manchen frechen Gedanken. Bei den Studenten und Assistenten war Caruso, vor allem im Vergleich mit Revers, ob seiner liberalen Haltung im Alltag, den unhierar-chisch wirkenden Umgangsformen und einer gewissen Offenheit für damals unübliche Themen beliebt. Dies tat seinem ›aristokratischen‹ Habitus keinen Abbruch, sondern beflügelte wohl im Gegenteil die Phantasien.

Zum 1. 7. 1974 wurde der »Salzburger Arbeitskreis für Tiefenpsychologie« vereinsmäßig konstituiert, mit Ausbildung als zentralem Vereinszweck und W.-J. Revers und Gerhart Harrer im Vorstand. Damals galt Caruso dennoch

53 Nach eigenen Angaben auch in Pelotas, Porto Allegre, Bogotá, und auch in Madrid und Granada, wobei das zeitliche Ausmaß unklar ist.

54 Marxismus, wenngleich in trivialisierter Form, war längst eine Mode und sogar ein The-ma der so genannten »Linkskatholiken«, auch wenn sie den Boden der ÖVP kaum ver-ließen. Wilfried Daim hatte schon 1965 ein Buch über Kirche und Marxismus verfaßt, und in Italien kündigte sich der »Historische Kompromiß« an. Caruso beschäftigte sich nun aber explizit weniger mit Religion, ohne seine religiöse Grundhaltung zu ändern.

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bei etlichen als »Linker«. Bereits 1973 waren, an die Salzburger angeschlos-sen, in Graz und Linz Gruppen etabliert worden. Caruso hatte Salzburg zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht und reorganisierte sich entsprechend.55 In den sechziger Jahren war seine Bindung an klerikale Kreise zurückgegan-gen, doch blieb ihm eine teleologische Grundhaltung immer eigen (vgl. etwa Caruso, 1972). Ein gründliches Verstehen der Theorie Freuds und erst recht der Psychoanalyse in ihren Weiterentwicklungen lassen Carusos Schriften generell vermissen. Seine tendenzielle Annäherung an Freud relativierte er durch die Betonung, nicht ›orthodox‹ zu sein. Die »Wiener Psychoanalytische Vereinigung« und die »International Psychoanalytic Association« wurden als »orthodox« im pejorativen Sinn oder als ›konformistisch‹ bezeichnt, was vor allem gegen die Triebtheorie, das Setting der hochfrequenten Analyse in Abstinenz und den Grundsatz der Supervision zielte. Caruso handhabte Setting und Technik in seinen Therapien sehr unterschiedlich und freizügig und hatte auch privaten Umgang mit Analysandinnen und Analysanden.56 Seine Ideen der »Personalisierung«, deren Ursprung in Jungs »Persona«-Konzept lag, waren nicht wirklich psychoanalytisch, widersprachen sogar in Grundsätzlichem. Er entnahm aus vielen Quellen Bausteine und verwendete sie in eigenwilliger Weise, doch nie ohne sich auf die großen Theoretiker zu berufen. Daß dabei völlig inkompatible Versatzstücke kombiniert wurden, scheint ihn ebensowenig gestört zu haben, wie er seine diversen Richtungs-wendungen bzw. Jargonwechsel erklärungsbedürftig fand. So bleibt der Eindruck, er sei jeweils von einem fahrenden Zug auf den nächsten aufge-sprungen, wobei seine generell recht unklar gehaltene Sprache (›opak‹ war lange ein Lieblingsbegriff) den Eindruck von Beliebigkeit hinterlassen kann. Schließlich entdeckte er Herbert Marcuse, machte sich zum Advokaten eines unbestimmten und globalen Freiheitsbegriffs und übte diffuse Kritik an gesellschaftlichen Zwängen. Damit war er im katholisch-provinziellen Salz-burg ein Anziehungspunkt für progressive Psychologiestudenten. Tatsäch-lich hatte er ganz konträre Anhängerschaften. Unterschiedliche ›Fraktionen‹ beriefen sich auf jeweils andere seiner Kontakte und unterschied liche Publi-kationen, wodurch Caruso zugleich im Ruf stand, ein »Rechter« und ein »Linker« zu sein. Etliche Arbeiten von ihm sollen autobiographischen Cha-rakter haben. Darauf hat Caruso bei Narzißmus und Sozialisation (1976), Die Trennung der Liebenden (1974) und dem kleinen Aufsatz »Notiz über den Eros in der Zivilisation« (o. J.) selbst hingewiesen. Interessanterweise sind das auch die Schriften, auf welche sich, neben Soziale Aspekte der Psy-choanalyse vorzugsweise jene berufen, die Caruso als »Linken« reklamieren,

55 Erich Pakesch (Graz) und Harry Merl (Linz) waren ungewöhnlich rasch ›Lehranalyti-ker‹ geworden und nicht unumstritten.

56 Dies haben mehrere Personen, die ihn aus unterschiedlichen Zusammenhängen kann-ten, mitgeteilt, u. a. Wifried Daim, Elisabeth Mayer und Johannes Reichmayr. Weiters stimmt dies auch mit mit dem Bericht einer Analysandin Carusos, die ungenannt blei-ben will, überein.

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während die katholisch-konservativen Caruso-Anhänger eben diese Arbei-ten in der Regel unerwähnt lassen. In mehreren Festschriften wurde er von Rechten und Linken gewürdigt und bedankt, wobei offenbar jeweils nur selektive Kenntnis seiner Arbeiten zugrunde lag.

Der unklaren, bruchstückhaften und widersprüchlichen Biographie Carusos entspricht eine ebensolche Theoriebildung, die terminologisch wenig differenziert ist, Heterogenes vermischt und mehrmals ziemlich sprunghaft Weltbild und Referenzsystem zu wechseln scheint. Der kritische Leser seiner Bücher verliert sich leicht in dem Gewirr von Wiederholungen und Unklar-heiten, in dem es keinen Unterschied zu machen scheint, ob die katholische Heilslehre, ein Existenzialismus unklarer Prägung, diffuser Marxismus oder eben eine unbestimmte Tiefenpsychologie vertreten werden. Das Leitthema bleiben transzendentale Sinnsuche und Heils- bzw. Erlösungsvorstellung auch dort, wo der Autor sich einzelner radikalerer Begriffe bedient. In eben diesem Umstand, der seine Schriften vom wissenschaftlichen Standpunkt aus problematisch erscheinen läßt, scheint aber ein Schlüssel zum Erfolg der-selben bei seiner Anhängerschaft zu liegen.

Von allen Publikationen Carusos war das 1968 erschienene Buch Die Trennung der Liebenden. Eine Phänomenologie des Todes wohl die erfolg-reichste, die auch mehrere Neuauflagen, zuletzt 2004, erfuhr. Dieser Bestsel-ler vermochte sichtlich etwas in der Leserschaft anzusprechen, oder, anders formuliert, Caruso hat in diesem Buch etwas intimes Persönliches vermitteln können, womit sich eine große Anzahl von Lesern identifizieren konnte und wollte. Der Titel ist in seiner Zweigleisigkeit klug gewählt. »Die Trennung der Liebenden« bringt eine ubiquitäre Erfahrung in einer so einfachen For-mulierung auf den Punkt, als sei es ein Liebesroman der Massenkonsumin-dustrie. Im Untertitel wird der Inhalt, nämlich zahllose ›Liebesgeschichten‹ und Versuche, sie theoretisch zu verallgemeinern, als »Phänomenologie des Todes« wissenschaftlich und tiefsinnig offeriert. Es ist eine Abhandlung dar-über, wie unmögliche Beziehungen auseinander gehen, und handelt von ver-botenen Beziehungen, die Caruso »illegitime« nennt, und die doch eigentlich perverse Verhältnisse sind. Nicht zufällig erweist sich daher die ›Lösung‹, die Caruso anbietet, als eine (Trennung) verleugnende, eine also, die die Leiden der Kastration vermeiden will.

Nicht wissen wollen

In der zitierten Selbstdarstellung erwähnt Caruso erstmals vage und gänz-lich ohne Selbstkritik seine Vergangenheit am »Spiegelgrund«. Es sagt nichts über seine eigene Beteiligung und gibt sich damit den Anschein, als sei er nur Zuschauer gewesen – was freilich auch schon schwer akzeptabel wäre. Vom Theresien-Schlössel, wo er angibt, Psychotherapien mit Neurotikern gemacht zu haben, worüber aber Dokumente fehlen, wurden Patienten, berichtet Caruso, auf den Steinhof überwiesen, und »wahrscheinlich auch

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liquidiert« (Caruso, 4. 4. 1979). Dabei macht er sich im Zuge der Erinnerung die Sprache der NS-Psychiatrie wieder zueigen, und findet, ohne erkennbaren Konflikt, eine bemerkenswerte Erklärung dieser »schaurigen Erinnerungen, die man aber selbstverständlich nahm. Und selbstverständlich wußte man alles – das sei vor denen oder jenen gesagt, die behaupten, die Bevölkerung wußte nichts: Man wußte alles!« (a.a.O.)

Welche Art von ›selbstverständlich‹ genommenem ›Wissen‹ das inhaltlich war, deutet Caruso nur an, aber nach der Gedankenfolge geht es um Mord. Die Art seiner Rede vermittelt dabei die Qualität dieses ›Wissens‹: Ein Wis-sen und Nichtwissen zugleich, psychoanalytisch ausgedrückt, ein verleug-nendes Wissen, das nur andeutet und eben nichts explizit macht, wo in der Folge die effektiven Bedeutungen sich vernebeln und zu verschwinden schei-nen. Caruso spricht per ›man‹, wodurch er sich die Inhalte auf Distanz hält, und zugleich den Anschein erweckt, es sei allgemein üblich gewesen, das »Liquidieren« psychiatrischer Patienten und die »schaurigen Erinnerungen« daran »selbstverständlich« zu nehmen. Seine Art der Darstellung suggeriert eine generalisierende Zerstreuung der Verantwortung auf alle, wodurch sei-ne eigene Beteiligung relativiert wird und quasi untergeht.

Diese indirekte Entschuldung findet Unterstützung in der Selbststilisie-rung als Opfer. Tatsächlich sah er sich als solches, und vielleicht könnte man ihn, wie die meisten Menschen, in einem lebensgeschichtlichen Sinn auch als ein ›Opfer‹ ausmachen; etwa der Russischen Revolution, wodurch seine Familie ihre Ländereien und die Heimat verloren hatte, oder des Hitler-Sta-lin-Paktes, wodurch Estland für ihn lebensgefährlich wurde. Er aber möchte als NS-Opfer gelten; einerseits weil das damals in der Zeit lag, andererseits aber vermutlich auch, weil er dadurch seine Verstrickung verdecken wollte.

Igor Caruso und seine damalige Frau Irina waren zuletzt in Estland als ›volksdeutsche Umsiedler‹ anerkannt worden, was in ihrer Situation ein Privileg war, und kamen, wie praktisch alle deutschen Umsiedler, vorüber-gehend in eines der Lager für Estland und Lettland, wo sie von März bis Herbst 1941 blieben und von wo sie ihre weitere Zukunft organisierten.57 Caruso erwähnt weder seine Frau noch eine im Lager geborene und rasch verstorbene Tochter und nichts von der freiwilligen Umsiedlung, sondern erinnert sich stattdessen: »Man hat mich in ein Sammellager… hat man mich da hineingesteckt, und ich bin geblieben dort, bis ich meine Unschuld, oder was soll ich, bewiesen habe. Aber ich durfte nicht sofort nach Belgien, ich mußte noch für die Deutschen arbeiten …« (a.a.O.) Und weiter: »Also man ließ mich nicht weiterreisen, da gelang es mir dann wieder dank Verwand-ter, die ich doch ein bißchen überall hatte, auch meine Familie war sehr ver-zweigt, hatte eine griechische Linie, eine russische Linie, eine italienische Linie, was weiß ich alles, bin ich nach Wien gekommen im Jahr 42.« (a.a.O.)

57 Dr. Graf Igor Caruso Ansuchen um Einreisebewilligung nach Belgien vom Juni 1942. Igor Caruso, Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

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Tatsächlich waren die Carusos durch die NSDAP- und SS-Beziehungen seiner Frau als Rückwanderer anerkannt worden und freiwillig im Herbst 1941 nach Wien gekommen. Er hat sich in der Folge unter allen Verhältnis-sen als geschickt genug erwiesen, um sich in Österreich über Jahrzehnte mit einer beachtlichen Karriere zu etablieren. Das mochte er nun nicht mehr so sehen. »Aber die philosophische Frage bleibt: Wieso in Salzburg und nicht wo anders? Warum nicht in Kischniew,58 in Louvain oder in Mexico City?« (a.a.O.)

Was ist an dieser Frage, die Carsuo gewissermaßen als sein Lebensthema nennt, philosophisch? Er stellt sich als Flüchtling dar, als einen, der nirgends ganz hingehört, nur zufällig an einem Ort lebt – ein Fremder, ein Zuschauer. Natürlich hatte Caruso reale Fluchterfahrung, doch hier geht es vor allem um eine Haltung zur Welt und zur eigenen Biographie.

Es ist schon bemerkenswert, daß die Sendung im Radio und teilweise die spätere Publikation seiner autobiographischen Selbstdarstellung, die auch ohne korrigierende Dokumente vielfältige Fragen aufwirft, fast ohne Echo blieb. Es wurde kein differenzierendes Denken in Gang gesetzt und kein weiteres Hinterfragen ausgelöst. Caruso präsentierte sich in dieser Sendung als ein alter Weiser – er war gerade 65! – und als ein Spielball historischer Ver-hältnisse. »Warum bin ich hier und nicht woanders«, fragt er mystifizierend; als sei aus einer distanzierten Sicht eben alles relativ. Von dieser Beliebig-keitsposition aus scheint es, als habe Caruso in seinem Leben nichts entschei-den können und als sei alle Verantwortung relativiert. Tatsächlich ist seine langatmige Art des Sprechens, mit dem gepflegten Akzent, so als komme er von weit her, sei mit ganz anderem befaßt, vielen in besonderer Erinnerung. Auch auf den Tondokumenten fällt sie auf. Als schaffte er eine Leere um sich, die andere dann mit Phantasien füllten – vielleicht auch er selber. Etwa zwanzig Jahre später kam es im Innsbrucker Arbeitskreis zu einem Konflikt über die Rolle Igor Carusos, der aber die Öffentlichkeit kaum erreichte. Das könnte als ein Fortdauern des ›Nicht darüber Redens‹ verstanden werden, welches bereits ab 1945 die österreichische Öffentlichkeit bestimmt hatte, und etwa auch die Wiener Psychoanalytische Vereinigung charakterisierte. Es wurde nicht berichtet und nicht nachgefragt.59 Hans Strotzka60, der an sei-

58 Bereits 1906 gab es noch unter zaristischer Herrschaft Judenpogrome in Kischniew; 1941 und 1942 verübten deutsche und rumänische Soldaten während der Besatzung systematischen Massenmord an schätzungsweise 53.000 Einwohnern überwiegend jüdischer Abstammung. Anm. d. Red.

59 Persönliche Mitteilung von Dr. Dorothea Simon am 20. April 2007. Simon hatte wäh-rend des Krieges an der Hampstead Clinic gearbeitet und 1947 in der WPV eine psycho-analytische Ausbildung begonnen.

60 Hans Strotzka (1917–1994), Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sympathisierte anfangs mit Caruso, wurde dann aber Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Verei-nigung. 1971 wurde er Professor und Vorstand des von ihm gegründeten Instituts für Tiefenpsychologie an der Universität Wien.

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ner raschen Annäherung an die Nazis in ganz jungen Jahren sichtlich litt – er war Mitglied der NSDAP und der SS gewesen, was er stets als persönlichen Fehler öffentlich bekannte und bedauerte – und der als einziger in der WPV immer wieder ansetzte, zwar nicht unambivalent, aber offen dazu Stellung zu nehmen, wurde ein ›Geständniszwang‹ nachgesagt61 – man wollte nicht damit behelligt werden. Dies kam vielen, auch Caruso und manchen seiner Freunde in fragwürdiger Weise zugute. Damit Verschleierung und Entstel-lungen von Lebensläufen so nachhaltig gelingt, bedarf es intimer Koopera-tion zwischen jenen, die verschweigen und entstellen, und anderen, die nicht nachfragen oder einfach ›glauben‹, aber jedenfalls nicht wissen wollen. Die Gesellschaft nach dem »Dritten Reich« war voller Lügner, Hochstapler und Glücksritter, die zuvor versucht hatten mitzuschwimmen und später nicht untergehen wollten. Bei vielen herrschte die Tendenz, die eigene, wenn auch geringe Verstrickung oder jene von Eltern und Freunden nicht zu themati-sieren, Enttäuschung zu vermeiden, und es gab bei manchen auch ein gene-ralisiertes Mißtrauen, sich von Mördern und Denunzianten und Profiteuren umgeben zu wissen, weshalb man gar nicht reden wollte.62

Igor Caruso war nicht der einzige spätere Psychoanalytiker in Öster-reich, der in das NS-System involviert war. Er hat sich aber in unvergleichli-cher Weise verstrickt. Etliches an seiner Biographie ist fragwürdig, aber die Mitarbeit am Kindereuthanasieprogramm und das jahrzehntelange Schwei-gen darüber überdeckt alles andere. Daß er sich ausgerechnet auf August Aichhorn berufen hat, scheint überdeterminiert. Er hat ihn damals nicht nur persönlich gekannt, wenn auch vielleicht nur flüchtig, sondern sich ihm wohl durch die gemeinsame NS-Erfahrung verbunden gefühlt und die Ablehnung durch ihn, wenn sie stattgefunden hat, verneint. Aichhorn stand, wie später Caruso, gewissermaßen unter besonderem Schutz vor Kritik. Seine Koope-ration mit dem Göringinstitut etwa wird bis heute kaum problematisiert, er selbst durchgehend als Opfer der Verhältnisse und Retter der Psychoanaly-se dargestellt, woran vor allem der in die USA emigrierte Kurt Eissler, der Aichhorns Analysand war, großen Anteil hat. Aichhorn war als geschätzter Nicht-Jude und aufgrund seiner konservativen Weltanschauung den Ver-führungen zur Anpassung, welche ihm zusätzlichen Status, Einkommen und Schutz ›von oben‹ bescherte, besonders ausgesetzt gewesen (vgl. Ster-ba, 1975). Sein Sohn August Aichhorn jun. war ein leitender Funktionär der austrofaschistischen Vaterländischen Front.63 Auch seine intime Freundin

61 Persönliche Mitteilung von Dr. Dorothea Simon am 13. Jänner 2007. Diese Formulie-rung in Bezug auf Hans Strotzka ist mir auch bei anderen untergekommen.

62 Persönliche Mitteilung von Dorothea Simon vom 20. April 2007.63 Dies rechtfertigt selbstverständlich nicht seine Inhaftierung im KZ. Andererseits muß

aber im Sinne der Aufrechterhaltung Bedeutung stiftender Differenzen bemerkt werden, daß etwa Ernst Federn und August Aichhorn jun. unvergleichbarer Weise Opfer des NS-Systems wurden und daß August Aichhorn die Wahl der Kooperation mit Göring hatte, der Jude Ernst Federn aber nicht.

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Rosa Dworschak, nach 1945 Mitglied der WPV, war 1933 der Vaterländi-schen Front beigetreten und unter den Nazis freiwillig NS-Volkspflegerin geworden,64 was sie später abstritt.65 Sie arbeitete während der gesamten NS-Zeit am Jugendamt, auch in Leitungsfunktion, und konnte daher den herrschenden Verhältnissen, vermutlich auch jenen am »Spiegelgrund«, nicht gänzlich ahnungslos gegenüber gestanden haben.

Caruso und Aichhorn – die vieles trennte – hatten jedenfalls, im Unter-schied etwa zu Ernst Federn66 und anderen, die Wahl innerhalb des NS-Herrschaftsapparates eine respektable Position einnehmen und ihren Inter-essen nachgehen zu können. Zumindest acht Monate hat Igor Caruso dafür Gutachten über Kinder verfaßt, die auch der Selektion zu Mord und Steri-lisation dienten und deren Ziel ihm, wie er selbst erklärt, nicht verborgen geblieben war.

Offenbar aber hat Caruso auch Sehnsüchte bedient, die stark genug waren, den Blick auf anderes zu trüben. Wünsche, das idealisierte Bild einer Autorität unverändert beizubehalten, können vom Habitus ›aristokratischer‹ Abgehobenheit und entrückter Fremdheit ebenso beflügelt werden, wie das ›immer Außergewöhnliche‹ Bewunderung befördert – und offenbar auch die Tendenz, vieles zu entschuldigen: Carusos Vergangenheit, die Retuschen an derselben, das Schweigen, die fehlende Analyse, die nachzuholen er sich weigerte. Aber auch unzählige Affären mit Studentinnen und Patientinnen, vielfältige Grenzüberschreitungen, Verweigerung gegenüber den institu-tionellen Strukturen, was zu systematischem Machtverlust der Lehrkanzel führte, und das völlige Desinteresse daran, eine Nachfolge aufzubauen und so für Studierende und Lehrende eine gewisse Kontinuität zu sichern. Nach Caruso war dann in Salzburg alles anders. Kritische Stimmen richteten sich gegen seine Nachfolger und kaum gegen Igor Caruso, dessen Nimbus des ganz Besonderen fortlebte.

Zusammenfassung

Igor Caruso, Gründer mehrere Arbeitskreise für Tiefenpsychologie und Professor für Psychologie in Salzburg mit beachtlicher ›linker‹ Reputation, nahm 1979 in einer Radiosendung erstmals öffentlich zu seiner Vergangen-heit im »Dritten Reich« Stellung. Dieses Tondokument wird mit Aktenma-terial und historischen Quellen in Beziehung gesetzt, wobei sich etliche Dis-krepanzen ergeben. Caruso arbeitete 1942 acht Monate als Gutachter an der Kindereuthanasieabteilung »Am Spiegelgrund« in Wien, begutachtete auch

64 Rosa Dworschak, Personalakt. Wiener Stadt- und Landesarchiv.65 Persönliche Mitteilung von Dr. Elisabeth Brainin am 18. August 2007.66 Ernst Federn (1914–2006), Sohn Paul Federns, kam als Jude und Trotzkist, bereits von

den Austrofaschisten inhaftiert, unmittelbar nach dem Anschluß ins KZ Buchenwald, wo er am 11. April 1945 von den Amerikanern befreit wurde.

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etliche in der Folge ermordete Kinder und baute seine Karriere nach 1945 vor allem mit Hilfe von Freunden aus austrofaschistischen und NS-Kreisen. Sei-ne Angaben über seine Ausbildung, seine Qualifikation als Psychoanalytiker und seine theoretischen Arbeiten befördern viele Fragen hinsichtlich seines Verhältnisses zur Geschichte und der Qualität seiner Erinnerung, stellen aber auch das Problem der Verleugnung von Wissen in der Psychoanalyse-geschichte.

Summary

In 1979 Igor Caruso, founder of several Groups of depth psychology, Profes-sor of psychology at the University of Salzburg with a remarkable reputa-tion as a ›leftist‹ recorded a radio documentary and talked in public about his role during the ›Third Reich‹ for the first time. Confronted with his-torical records a number of inconsistencies appear. In 1942 Caruso spent eight months writing psychological expertises about children at a centre for active euthanasia, some of the children actually being killed. After the war he planned his career mainly with friends closely related to austrofascist and nazi circles. His indications about his qualifications as well as his writings leave a number of questions unanswered and foster doubts about the quality of his memory. This also raises questions regarding the problem of denial in the history of psychoanalysis.

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Adresse der AutorinDr. Eveline List, Mariahilfer Straße 108/27, A-1070 [email protected]

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