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GLAUBENSSACHE: GLAUBEN UND MITDENKEN VON KARIN BARZ DIETERLE, SEKRETARIAT REFORMIERTE KIRCHGEMEINDE VELTHEIM Reisen planen, wer macht das nicht gerne? Mit dem Inter- net ist das kein Prob- lem. Hotelbuchungs- portale versorgen ei- nen mit Informationen rund um infrage kommende Hotels. Wich- tig sind die vielen Einträge der Gäste. Sie sagen mir, was mich im Hotel erwartet. Doch was kann ich alles glauben? Letztens waren wir auf einer län- geren Reise durch die USA. Preis- vergleiche lohnen sich immer. Grad wenn man nicht in einer Grossstadt nächtigt, ist der Hin- weis aufs Frühstück von Bedeu- tung. Die Bewertungen der euro- päischen Kundschaft sind jedoch meist vernichtend. Irgendwie kann man das auch nachvollzie- hen. In vielen einfacheren Hotels und Motels bedeutet das Früh- stück meist entweder Rühreier oder Omelett, bestimmt aus einer vorgefertigten Masse aus dem Tetrapak hergestellt. Oder dann gibt es Waffeln zum Selberbacken. Die Teigmasse ist ebenfalls indus- triell vorgefertigt. Man füllt einen Pappbecher ab, leert den Inhalt ins Buffet-füllende Waffeleisen, wartet das Piepsen ab und fertig ist eine gummige Waffel, die mit viel Ahornsirup beträufelt wird. Der weisse Toast wird ebenfalls selber zubereitet, meist mit dem Resultat zu hell oder zu dunkel. Und doch, diese Buffets gehören zu den «gut»- bis «sehr gut»-be- werteten, auch wenn alles von Papptellern mit Plastikbesteck ge- nossen wird und mit Kaffee oder Tee aus dem Styroporbecher ge- spült wird. Es kann nämlich auch sein, dass das ganze Buffet aus ei- nem Kartonteller mit abgepackten «Danishes» – also mit Zuckerguss und Konfitüre bestückte Blätter- teiggebäcke – besteht und «Preis inkl. Frühstück» bedeutet. Wie anders mutet ein «einfach, aber gut» bewertetes Buffet in Wien an. Das Buffet hier ist schlicht kaiserlich. Wurst und Käse in grosser Auswahl, Müesli- flocken, Yoghurts, Brotaufstriche in reichhaltiger Vielfalt – man hat selbst bei kleinen Buffets in fami- liär geführten Hotels die Qual der Wahl. Eine Gästebewertung über ein «einfaches» Frühstück macht einem bewusst, zu welch unter- schiedlichen Bewertungen der kulturelle und nationale Hinter- grund führen mag. In der vor Internationalität strot- zenden Touristen-Metropole an der Donau wird einem das alle Meter bewusst. Eine indische Reisegruppe rümpft übers Weiss- brot die Nase und klatscht begeis- tert in die Hände, als eine Reise- gefährtin vakuumverpacktes Fla- denbrot auspackt und verteilt. Zudem zirkulieren kleine Plastik- tüten mit intensiv-grüner und feuerroter Sauce, die grosszügig über den knackigen Salat ge- schüttet wird. «We like it spicy», erklärt die Frau dem Ober. Wenn ich also einen Restaurant-Tipp eines Inders im Internet lese, der schreibt, das Essen sei fad, ist das mit Vorsicht zu geniessen. Die Würze reicht für den mitteleuro- päischen Gaumen vermutlich bestens aus. Ergo: Ob ich einer Internetbewertung Glauben schenken soll oder nicht, ist eine Frage des Mitdenkens und der Interpretation. Wie bei so vielem, muss man verschiedene Aspekte berücksichtigen und für sich sel- ber eine Entscheidung fällen. Es kann die richtige sein oder auch die falsche. Schlauer ist man im- mer erst danach. Wichtig ist aber, dass das Leben so nie fad wird. RUBRIK GLAUBENSSACHE Hier melden sich Mitarbeitende der grossen Landeskirchen zu Wort: Vertreter der Katholischen und der Reformierten Kirche Winterthur äussern sich immer abwechslungsweise zu Themen, die herausfordern.

EIN REZEPT ZUR FARBFINDUNG - refkirchewinterthur.ch · einem bewusst, zu welch unter-schiedlichen Bewertungen der kulturelle und nationale Hinter-grund führen mag. In der vor Internationalität

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Page 1: EIN REZEPT ZUR FARBFINDUNG - refkirchewinterthur.ch · einem bewusst, zu welch unter-schiedlichen Bewertungen der kulturelle und nationale Hinter-grund führen mag. In der vor Internationalität

DO, 20. OKT. 2016 I STADI WINTERTHUR 5

EIN REZEPT ZUR FARBFINDUNGJolanda Dessì und Graziella Piccirilli Etter spielen gern mit Material und Farbe. Für die neue Farbkollektion haben sie mit einer besonders schmack-haften Methode gearbeitet – und ein Kunstwerk geschaffen.

Dass Lebensmittel nicht nur hübsch aussehen und gut schme-cken können, haben Jolanda Dessì und Graziella Piccirilli Etter bewie-sen. Die beiden Farbgestalterinnen aus Winterthur und Pfäffikon ha-ben für ihre neueste Farbkollektion «farbe finden» mit einer unge-wöhnlich schmackhaften Methode gearbeitet und sich von Lebensmit-teln inspirieren lassen.

MIT KULINARIK ZUM KUNSTWERKAls Farbgestalterinnen spielen sie täglich mit Farben, Licht und Oberflächen, erarbeiten Raum-konzepte und stehen bei Renova-tionen und Neugestaltungen bera-tend zur Seite. Immer wieder expe-rimentieren sie dabei mit Material und Farbe und entwickeln soge-nannte Farb- und Materialkon-zepte. Die Idee für ihre neue Kol-lektion sei spontan entstanden. «Weil wir beide gerne kochen und noch lieber essen, liegt es nahe, uns mit der Farbwelt der Lebens-mittel zu befassen», erklärt Jolanda

Dessì. Ein eher ungewöhnliches Rezept zur Farbfindung, aber die Neugier und Experimentierfreude überwog. «Wir haben ein 6-Gän-ge-Menü zusammengestellt und aus den unzähligen farblichen Möglichkeiten pro Gang vier Far-ben definiert, die in unserer Farb-kollektion verwendet werden», er-läutert Jolanda Dessì ihr Vorge-hen. Auf geometrisch zugeschnit-tenen Korkplatten haben sie schliesslich 24 Farbtöne aufgetra-gen. Diese Korkplatten können in-

dividuell an der Wand appliziert und immer wieder ergänzt und verändert werden. So entstand aus einer schmackhaften Idee schliess-lich das Wandspiel «giocando». Für Neugierige und Interessierte ist die vielfältige Arbeit ausserdem an der diesjährigen Designgut-messe vom 3. bis 6. November zu sehen. TINA SCHÖNI

«GIOCANDO»: 3. bis 6. November, Design-gutmesse im Casinotheater in Winterthur WWW.MATERIALUNDFARBE.CH

Jolanda Dessì (links) und Graziella Piccirilli Etter haben sich an Lebensmitteln für die neue Farbkollektion «farbe finden» inspirieren lassen. Bild: zvg

IN KÜRZESTADTRAT KEIN THEMANach reiflicher Überlegung hat sich die Winterthurer SVP-Nationalrätin Natalie Rickli da-gegen entschieden, bei der Ersatzwahl um den Stadt-ratssitz zu kandidieren. Wie sie in ihren sozialen Kanälen schreibt, würde sie zwar gerne Verantwor-tung in der Stadtregierung ihrer Geburtsstadt übernehmen, lokale Politik sei ihr wichtig. «Anderer-seits habe ich aber immer noch Freude an meinem politischen Mandat im Nationalrat. Ich wurde erst vor einem Jahr mit einem sehr guten Resultat wie-dergewählt und trage gegenüber meinen Wählern eine Verantwor-tung.» Bis Ende 2017 präsidiert Rickli zudem die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats, «was ich gern zu Ende führen möchte».

FOKUS: NORDISCHE LÄNDERFilme aus Skandinavien stehen an den 20. Kurzfilmtagen in Winterthur vom 8. bis 13. No-vember im Mittelpunkt. Aber nicht nur: Die sieben Blöcke des internationalen Wettbewerbs umfassen insgesamt 40 Filme aus 28 Ländern. RED.

GLAUBENSSACHE: GLAUBEN UND MITDENKENVON KARIN BARZ DIETERLE, SEKRETARIAT REFORMIERTE KIRCHGEMEINDE VELTHEIM

Reisen planen, wer macht das nicht gerne? Mit dem Inter-net ist das kein Prob-lem. Hotelbuchungs-portale versorgen ei-

nen mit Informationen rund um infrage kommende Hotels. Wich-tig sind die vielen Einträge der Gäste. Sie sagen mir, was mich im Hotel erwartet. Doch was kann ich alles glauben?Letztens waren wir auf einer län-geren Reise durch die USA. Preis-vergleiche lohnen sich immer. Grad wenn man nicht in einer Grossstadt nächtigt, ist der Hin-weis aufs Frühstück von Bedeu-tung. Die Bewertungen der euro-päischen Kundschaft sind jedoch meist vernichtend. Irgendwie kann man das auch nachvollzie-hen. In vielen einfacheren Hotels und Motels bedeutet das Früh-stück meist entweder Rühreier oder Omelett, bestimmt aus einer vorgefertigten Masse aus dem

Tetrapak hergestellt. Oder dann gibt es Waffeln zum Selberbacken. Die Teigmasse ist ebenfalls indus-triell vorgefertigt. Man füllt einen Pappbecher ab, leert den Inhalt ins Buffet-füllende Waffeleisen, wartet das Piepsen ab und fertig ist eine gummige Waffel, die mit viel Ahornsirup beträufelt wird. Der weisse Toast wird ebenfalls selber zubereitet, meist mit dem Resultat zu hell oder zu dunkel. Und doch, diese Buffets gehören zu den «gut»- bis «sehr gut»-be-werteten, auch wenn alles von Papptellern mit Plastikbesteck ge-nossen wird und mit Kaffee oder Tee aus dem Styroporbecher ge-spült wird. Es kann nämlich auch sein, dass das ganze Buffet aus ei-nem Kartonteller mit abgepackten «Danishes» – also mit Zuckerguss und Konfitüre bestückte Blätter-teiggebäcke – besteht und «Preis inkl. Frühstück» bedeutet.Wie anders mutet ein «einfach, aber gut» bewertetes Buffet in

Wien an. Das Buffet hier ist schlicht kaiserlich. Wurst und Käse in grosser Auswahl, Müesli-flocken, Yoghurts, Brotaufstriche in reichhaltiger Vielfalt – man hat selbst bei kleinen Buffets in fami-liär geführten Hotels die Qual der Wahl. Eine Gästebewertung über ein «einfaches» Frühstück macht einem bewusst, zu welch unter-schiedlichen Bewertungen der kulturelle und nationale Hinter-grund führen mag.In der vor Internationalität strot-zenden Touristen-Metropole an der Donau wird einem das alle Meter bewusst. Eine indische Reisegruppe rümpft übers Weiss-brot die Nase und klatscht begeis-tert in die Hände, als eine Reise-gefährtin vakuumverpacktes Fla-denbrot auspackt und verteilt. Zudem zirkulieren kleine Plastik-tüten mit intensiv-grüner und feuerroter Sauce, die grosszügig über den knackigen Salat ge-schüttet wird. «We like it spicy»,

erklärt die Frau dem Ober. Wenn ich also einen Restaurant-Tipp eines Inders im Internet lese, der schreibt, das Essen sei fad, ist das mit Vorsicht zu genies sen. Die Würze reicht für den mitteleuro-päischen Gaumen vermutlich bestens aus. Ergo: Ob ich einer Internetbewertung Glauben schenken soll oder nicht, ist eine Frage des Mitdenkens und der Interpretation. Wie bei so vielem, muss man verschiedene Aspekte berücksichtigen und für sich sel-ber eine Entscheidung fällen. Es kann die richtige sein oder auch die falsche. Schlauer ist man im-mer erst danach. Wichtig ist aber, dass das Leben so nie fad wird.

RUBRIK GLAUBENSSACHEHier melden sich Mitarbeitende der grossen Landes kirchen zu Wort: Vertreter der Katholischen und der Reformierten Kirche Winterthur äussern sich immer abwechslungsweise zu Themen, die herausfordern.