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INDIEN Eine Enfield im Himalaya „Eine Enfield? Was ist das überhaupt?“ Dies wäre wohl die erste Frage, die man einem Freund stellt, der einem den Vorschlag unterbreitet, damit den Himalaya zu durchqueren. Nachdem diese und viele weitere Fragen beantwortet waren saß ich mit eben diesem Freund in einem Flugzeug nach Delhi und man hätte uns sicher nicht von gewöhnlichen Rucksacktouristen unterscheiden können, wären da nicht die Motorradjacken und die Helme in unserem Gepäck… Seite 1 von 9

Eine Enfield im Himalaya

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Zwei Monate, ein indisches Motorrad und viele Tausend Höhenmeter in den Bergen des Himalayas im nördlichen Indien

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„Eine Enfield? Was ist das überhaupt?“Dies wäre wohl die erste Frage, die man einem Freund stellt, der einem den Vorschlag unterbreitet, damit den Himalaya zu durchqueren. Nachdem diese und viele weitere Fragen beantwortet waren saß ich mit eben diesem Freund in einem Flugzeug nach Delhi und man hätte uns sicher nicht von gewöhnlichen Rucksacktouristen unterscheiden können, wären da nicht die Motorradjacken und die Helme in unserem Gepäck…

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Die mit rund zwölf Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt Indiens in dessen Norden ist für einen europäischen Neuankömmling erschlagend. Verkehr, Lärm, Gestank, Chaos und die unendlich große Bevölkerungsdichte machen Delhi unweigerlich zu einer intensiven, allumfassenden Sinneserfahrung der viele Touristen schon nach einigen Tagen wieder zu entfliehen versuchen. Auch wir verbrachten hier nur einige Tage um die Planung der Reiseroute mit aktuellen Informationen vor Ort abzugleichen und die letzten Ausrüstungsgegenstände zu organisieren. Der wichtigste Teil des noch ausstehenden Reiseequipments, waren die Motorräder, auf denen wir in den nächsten zwei Monaten das größte Entwicklungsland der Erde bereisen wollten.

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Royal Enfield war ursprünglich ein englischer Hersteller von Waffen und Motorrädern und ist die weltweit älteste noch produzierende Motorradmarke der Welt. „Made like a gun“ war der Slogan der Firma als 1901 in Großbritannien das erste Motorrad der Welt produziert wurde. „Bullet 350 cc“ ist der Name des 1933 zum ersten Mal gebauten Models, das uns durch den Norden Indiens und über das Dach der Welt tragen sollte. Auch wenn man die Bullets oft in den Straßen Delhis und Bombays bewundern kann, so sind die mittlerweile ausschließlich in Indien produzierten Motorräder doch ein Luxusgut in dem zweitbevölkerungsreichsten Staat der Erde, in dem auch heute noch 44% der Bevölkerung weniger als 1 US$ pro Tag zur Verfügung haben.

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Hat man sich bei der Wahl zwischen Ost- und Westroute dafür entschieden langsam die Höhen des Himalayas zu erklimmen so führt einen der Weg zuerst einmal Richtung Nordwesten nach Amritsar. Die Stadt, die mit dem Goldenen Tempel bis heute das spirituelle Zentrum der Religionsgruppe der Sikhs bildet, hat noch eine andere Besonderheit, die jedoch fast nur den Einheimischen bekannt ist. Fährt man von Amritsar aus mit der Rikscha, dem Bus oder einem Taxi Richtung Lahore so stößt man unweigerlich auf die Wagah Grenze, dem einzigen Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan im Bundesstaat Punjab. Will es der Zufall so, dass man diese auch noch kurz vor Sonnenuntergang erreicht, so darf man sich nicht wundern hier eine Unmenge an Indern in bester Laune an zu treffen. In einer großen Zeremonie tauschen die Border Security Force aus Indien und die Pakistan Rangers hier all abendlich die Landesflaggen, wobei die indische und pakistanische Bevölkerung alles unternehmen um die Stimmung der anderen zu übertrumpfen.

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Auf dem Weg nach Norden, immer Richtung Kaschmir, dem 222000km² großen Gebiet, das von Indien, Pakistan und China gleichermaßen beansprucht wird, machen wir zunächst einen Abstecher nach Dharmshala. Läuft man durch die Gassen dieses kleinen verregneten Bergdorfes, welches sich zwischen 1300 Meter und 1900 Meter Höhe über dem Meeresspiegel befindet, fallen einem eine große Zahl an Mönchen in traditionellen tibetisch-buddhistischen Gewändern auf. Und tatsächlich, wenn man noch dazu großes Glück hat, so wie ich damals, dann trifft man hier im Stadtteil McLeod Ganj Tendzin Gyathso, den derzeitigen Dalai Lama. Dharmshala ist seit seiner Flucht aus dem chinesisch besetzten Tibet im Jahr 1959 Residenz des 14. Dalai Lama und der tibetischen Exilregierung. Zusammen mit ihnen leben hier mehrere tausend Exiltibeter, weswegen der obere Teil von Dharmshala oft auch als „Little Lhasa“ bezeichnet wird.

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Wie ein Paradies öffnet sich auf dem Weg nach Norden das Kashmir-Valley mit dem am Dal-Lake gelegenen Srinagar. Der Streit zwischen Indien und Pakistan um den Besitz des Gebietes machen es jedoch schon seit über 50 Jahren zum Schauplatz von Krieg und Terror. Ehemals unter britischer Kolonialherrschaft ist Srinigar das Handelszentrum des vorderen Himalayas. Die Schönheit und Stille die man auf einem der Hausboote des Dal-Lake genießen kann steht im heftigen Wiederspruch zu dem auf dem Festland gelegenen, streng vom Militär kontrolliertem alten Stadtteil in dem es fast unmöglich ist ein Foto zu schießen ohne dabei von Soldaten mit Maschinengewehren aufgehalten zu werden.

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Mit einer unendlichen Farbenvielfalt, grenzenloser Weite, menschenleer und einsam empfängt uns endlich das Dach der Welt. Man kann nicht sehr schnell fahren auf den schmalen, kurvigen Schotterpisten des Himalaya. Nicht nur weil einen hier egoistische Truckfahrer von der Straße drängen oder man plötzlich vor einem Fluss steht der unerwartet die Straße kreuzt sondern vielmehr weil man selber so sehr eingenommen ist von dieser scheinbar grenzenlosen Gebirgswelt! Ab und zu trifft man auf eine lebende Seele. Meist auf Militärposten, denn wir bewegen uns hier zum Teil sehr nahe an der Grenze zu Pakistan. Außer den Trucks und den Planierraupen, die sich ständig mit dem Regen um jeden Meter Straße kämpfen trifft man hier kaum Fahrzeuge. Meist sind die wenigen Bewohner mit Pferden und Mulis unterwegs, denn die können sich auch noch fortbewegen, wenn nicht mehr so ganz klar ist, wo genau die Straße verläuft.

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Leh…

Ein verzauberter Ort in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Hier erinnert nur noch wenig an Indien, man fühlt sich eher als hätte man die falsche Weggabelung genommen und wäre im nahegelegenen Tibet gelandet. Über 80% der Bewohner der Region Ladakh sind Buddhisten. Würde man ein Flugzeug von Delhi nach Leh nehmen, was einige Touristen durchaus tun, so könnten die Gegensätze dieser beiden Städte kaum größer sein. Mitten im höchsten Gebirge unseres Planeten liegt Leh auf einer Hochebene in 3500m und schmiegt sich auf der nördlichen Seite des Indus an einen Berghang. Seine einfachen Bewohner, die zum größten Teil vom Tourismus leben haben in dieser rauen Berglandschaft mit Temperaturunterschieden von -30°C im Winter bis 40°C im Sommer zu kämpfen.

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Zwei Wochen in Leh sind zu wenig, jede Zeit wäre zu wenig aber trotzdem müssen wir weiter, wieder zurück nach Süden, nach Delhi. Aber zuvor kommt Rishikesh. Hier wo der heiligste aller Flüsse, der Ganges den Himalaya verlässt trifft man auf unzählige Sadhus. Rishikesh, die „Yoga-Hauptstadt“ der Welt, in die in den 60-er Jahren schon die Beatles zum meditieren kamen, ist eine Pilgerstadt und die Sadhus, die man hierher kommen sind meist auf dem Weg zur Quelle ihres heiligen Flusses, der Ganga. Ein Bad in dem hier noch mehr oder weniger klaren Fluss führt ein Stück näher zur Moksha, zur Erlösung und viele der asketisch lebenden Mönche wollen nach Möglichkeit am Ganges sterben und ihre Asche im Fluss verstreut wissen.

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