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Jelena Aleksic, Janusz A. Szymczyk, Alfred Leder Einfluss verschiedener Randbedingungen auf die Topographie der Str¨ omung in einer Czochralski Simulation 1. Einleitung Das Czochralski- Verfahren ist die h¨ aufigste Methode zur Z¨ uchtung großer Halbleitereinkristallen. Unter dem Einfluss von thermischen, kinematischen und geometrischen Randbedingungen werden in der Schmelze thermo- kapillare, thermische und erzwungene Konvektion induziert. Thermokapillare Konvektion entsteht durch Grenz- fl¨ achenspannungsgradienten an der freien Oberfl¨ ache und ist ein Antriebsmechanismus des Ph¨ anomens. Das f¨ uhrt zu einer Grenzfl¨ achenbewegung, die gleichzeitig aufgrund von Reibung einen Impulstransport in den tieferliegenden Fl¨ ussigkeitsschichten verursacht. Mittels optischer Ganzfeldverfahren und der Fl¨ ussigkristalle werden f¨ ur verschie- dene Prandtl-, Reynolds-, Marangoni- und Bondzahlen die Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder quantitativ bestimmt und die Topographie der Str¨ omung erkl¨ art. 2. Stand der Technik Vor etwas weniger als zwanzig Jahren hat man sich aufgrund fehlender Experimentierm¨ oglichkeiten im Welt- raum mit der Marangoni Konvektion nur theoretisch befasst. In vielen Ph¨ anomenen mit einer Grenzfl¨ ache ist die thermische Konvektion ein dominierender Antrieb, der die Marangoni Konvektion stark ¨ ubertrifft. Erst nach den Versuchen der Spacelab-1 Mission von 1983, wobei die Marangoni Konvektion unter Schwerelosigkeit gr¨ undlich un- tersucht wurde, hat man festgestellt, dass die Marangoni- Str¨ omung im Erdlabor die Gr¨ oßenordnung der thermischen Konvektion erreichen kann. Mattox u.a. [1] haben in ihren Experimenten thermokapillare Str¨ omung erzeugt, um Bla- sen in der Glasschmelze zu bewegen und aus der Schmelze zu entfernen. In seiner Arbeit hat Szymczyk [2] bewiesen, dass die Instabilit¨ at an der Oberfl¨ ache fl¨ ussig/gasf¨ ormig sofort entsteht, nachdem ein radialer Temperaturgradient an der Grenzfl¨ ache erzeugt wird. 3. Versuchsanlage und optische Messverfahren Um den realen Czochralski Prozess zu simulieren, wurde eine Anlage gebaut, die alle vorausgesetzten Bedingun- gen zum Simulationsverfahren erf¨ uhlt. Es wurden vier voneinander unabh¨ angige thermische und zwei kinematische Randebedingungen eingestellt. Als Verswuchsfl¨ ussigkeiten wurden verschiedene Glyzerin-Wassergemische und Sili- kon¨ ole verwendet. Zur Identifizierung von Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder wurden temperaturerfindliche Fl¨ ussigkristalle in die Fl¨ ussigkeiten eingebracht. Es wurde eine neues Messverfahren (Particle Image Thermome- try, PIT) zur quantitativen Bestimmung von Temperaturfelder entwickelt, dass auf der selektiven Reflektion von Fl¨ ussigkristallen basiert [3]. Die Geschwindigkeitsfelder wurden mit Particle Image Velocimetry (PIV) gemessen. 4. Darstellung und Diskussion der Ergebnisse Es wurden verschiedene Einflusse auf die Topographie der Str¨ omung und die Temperaturfelder untersucht: Einfluss der Prandtl Zahl, der Marangoni Zahl, des Seitenverh¨ altnisses, der Rotation und eines auf die Mediumober- fl¨ ache eingesetzten Heizringes [4]. Die Abb. 1 zeigt den Einfluss der Prandtl Zahl auf die Temperaturfelder und die Stromlinien in einer Messzelle mit dem Durchmesser von 40 mm bei den in Abb. 1A angegebenen dimensionslosen Kennzahlen und Randbedingungen. Die ¨ Anderung der Prandtl Zahl hat keinen Einfluss auf die Symmetrie der Tem- peraturfelder, da sie in beiden Konfigurationen quasisymmetrisch sind (Abb. 1B/D). Mit der Senkung der Prandtl steigt die Marangoni Zahl und damit der W¨ armetransport, was sich in der Messzelle durch w¨ armere Bereiche erkennen asst (Abb. 1D). Bei der h¨ oheren Prandtl Zahl ist eine laminare, station¨ are Str¨ omung mit symmetrisch ausgebilde- ten Konvektionsrollen festzustellen (Abb. 1C). In der Mitte der Zelle bildet sich eine schnelle, nach unten gerichtete Str¨ omung, so genannter kalter Jet. Mit der Senkung der Prandtl Zahl wird die Str¨ omungssymmetrie zerst¨ ort, die Konvektionsrollen sind schwer zu erkennen und der Jet wird verformt (Abb. 1E). Die steigende Reynolds Zahl in- diziert die Zerst¨ orung der Str¨ omungsstabilit¨ at. Die Grenzschichtdicke wird mit der sinkenden Prandtl Zahl kleiner und instabil (Abb. 2 links). Durch die geringe Viskosit¨ at wird die Bildung und Verbreitung der thermokapillaren Konvektionsrollen im ganzen Volumen verhindert. Die Zerst¨ orung der Stabilit¨ at ist auch an den vertikalen Geschwin- PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 2, 268269 (2003) / DOI 10.1002/pamm.200310119

Einfluss verschiedener Randbedingungen auf die Topographie der Strömung in einer Czochralski Simulation

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Page 1: Einfluss verschiedener Randbedingungen auf die Topographie der Strömung in einer Czochralski Simulation

Jelena Aleksic, Janusz A. Szymczyk, Alfred Leder

Einfluss verschiedener Randbedingungen auf die Topographie der Stromungin einer Czochralski Simulation

1. EinleitungDas Czochralski- Verfahren ist die haufigste Methode zur Zuchtung großer Halbleitereinkristallen. Unter dem

Einfluss von thermischen, kinematischen und geometrischen Randbedingungen werden in der Schmelze thermo-kapillare, thermische und erzwungene Konvektion induziert. Thermokapillare Konvektion entsteht durch Grenz-flachenspannungsgradienten an der freien Oberflache und ist ein Antriebsmechanismus des Phanomens. Das fuhrtzu einer Grenzflachenbewegung, die gleichzeitig aufgrund von Reibung einen Impulstransport in den tieferliegendenFlussigkeitsschichten verursacht. Mittels optischer Ganzfeldverfahren und der Flussigkristalle werden fur verschie-dene Prandtl-, Reynolds-, Marangoni- und Bondzahlen die Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder quantitativbestimmt und die Topographie der Stromung erklart.

2. Stand der TechnikVor etwas weniger als zwanzig Jahren hat man sich aufgrund fehlender Experimentiermoglichkeiten im Welt-

raum mit der Marangoni Konvektion nur theoretisch befasst. In vielen Phanomenen mit einer Grenzflache ist diethermische Konvektion ein dominierender Antrieb, der die Marangoni Konvektion stark ubertrifft. Erst nach denVersuchen der Spacelab-1 Mission von 1983, wobei die Marangoni Konvektion unter Schwerelosigkeit grundlich un-tersucht wurde, hat man festgestellt, dass die Marangoni- Stromung im Erdlabor die Großenordnung der thermischenKonvektion erreichen kann. Mattox u.a. [1] haben in ihren Experimenten thermokapillare Stromung erzeugt, um Bla-sen in der Glasschmelze zu bewegen und aus der Schmelze zu entfernen. In seiner Arbeit hat Szymczyk [2] bewiesen,dass die Instabilitat an der Oberflache flussig/gasformig sofort entsteht, nachdem ein radialer Temperaturgradientan der Grenzflache erzeugt wird.

3. Versuchsanlage und optische MessverfahrenUm den realen Czochralski Prozess zu simulieren, wurde eine Anlage gebaut, die alle vorausgesetzten Bedingun-

gen zum Simulationsverfahren erfuhlt. Es wurden vier voneinander unabhangige thermische und zwei kinematischeRandebedingungen eingestellt. Als Verswuchsflussigkeiten wurden verschiedene Glyzerin-Wassergemische und Sili-konole verwendet. Zur Identifizierung von Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder wurden temperaturerfindlicheFlussigkristalle in die Flussigkeiten eingebracht. Es wurde eine neues Messverfahren (Particle Image Thermome-try, PIT) zur quantitativen Bestimmung von Temperaturfelder entwickelt, dass auf der selektiven Reflektion vonFlussigkristallen basiert [3]. Die Geschwindigkeitsfelder wurden mit Particle Image Velocimetry (PIV) gemessen.

4. Darstellung und Diskussion der ErgebnisseEs wurden verschiedene Einflusse auf die Topographie der Stromung und die Temperaturfelder untersucht:

Einfluss der Prandtl Zahl, der Marangoni Zahl, des Seitenverhaltnisses, der Rotation und eines auf die Mediumober-flache eingesetzten Heizringes [4]. Die Abb. 1 zeigt den Einfluss der Prandtl Zahl auf die Temperaturfelder und dieStromlinien in einer Messzelle mit dem Durchmesser von 40 mm bei den in Abb. 1A angegebenen dimensionslosenKennzahlen und Randbedingungen. Die Anderung der Prandtl Zahl hat keinen Einfluss auf die Symmetrie der Tem-peraturfelder, da sie in beiden Konfigurationen quasisymmetrisch sind (Abb. 1B/D). Mit der Senkung der Prandtlsteigt die Marangoni Zahl und damit der Warmetransport, was sich in der Messzelle durch warmere Bereiche erkennenlasst (Abb. 1D). Bei der hoheren Prandtl Zahl ist eine laminare, stationare Stromung mit symmetrisch ausgebilde-ten Konvektionsrollen festzustellen (Abb. 1C). In der Mitte der Zelle bildet sich eine schnelle, nach unten gerichteteStromung, so genannter kalter Jet. Mit der Senkung der Prandtl Zahl wird die Stromungssymmetrie zerstort, dieKonvektionsrollen sind schwer zu erkennen und der Jet wird verformt (Abb. 1E). Die steigende Reynolds Zahl in-diziert die Zerstorung der Stromungsstabilitat. Die Grenzschichtdicke wird mit der sinkenden Prandtl Zahl kleinerund instabil (Abb. 2 links). Durch die geringe Viskositat wird die Bildung und Verbreitung der thermokapillarenKonvektionsrollen im ganzen Volumen verhindert. Die Zerstorung der Stabilitat ist auch an den vertikalen Geschwin-

PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 2, 268–269 (2003) / DOI 10.1002/pamm.200310119

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digkeitsprofilen zu sehen (Abb. 2 rechts). Die Geschwindigkeitsprofile wurden fur die Halfte der Fuhlungshohe derMesszelle (20 mm) dargestellt. Bei der hohen Prandtl Zahl erkennt man ein stabiles, symmetrisches Geschwindig-keitsprofil, mit einem breiten und sehr schnellen kalten Jet in der Mitte. Bei sinkender Prandtl Zahl verschwindetdie Stabilitat und der Jet wird schmaler, langsamer und instabiler. Aus diesem Grund ist er bei der Darstellung derStromlinien nicht zu erkennen (Abb. 1E).

Abb. 1 Randbedingungen mit dem dazugehorigen Temperaturfeld und Stromlinien

Abb. 2 Grenzschichtform und vertikale Geschwindigkeitsprofile

5. References

1 Mattox, D. M.; Smith, H. D.; Wilcox, W. R.; Subramanian, R. S.: J. Am. Cer. Soc., Vol. 65, No. 9, pp. 437, 19822 Treuner, M., Delgado, A., Rath, H.J., Duda, U., Szymczyk, J.A., Siekmann, J.: Proceedings IUTAM, 2.-6.09.19913 Aleksic, J., Szymczyk, J. A., Leder, A., Kowalewski, T. A.: ISBN 1-85312-870-8, pp. 627-636, 20014 Aleksic, J., Szymczyk, J. A., Leder, A.: ISBN 0-615-11944-1, pp. 57-64, 2002

J. Aleksic1; Institut fr Energie und Umwelt e.V, Zur Schwedenschanze 15, D-18435 Stralsund, Germany

J.A. Szymczyk2; Fachhochschule Stralsund, Zur Schwedenschanze 15, 18435 Stralsund, Germany

A. Leder3 Lehrstuhl fr Strmungstechnik, Universitt Rostock, Albert-Einstein-Str.2, D-18059 Rostock, Germany

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