Entwicklung und Anwendungen eines adjungierten globalen ... · PDF filei Zusammenfassung Adjungierte Modelle werden in der Meteorologie zunehmend benutzt. Typische Anwendungen sind

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  • Entwicklung und Anwendungen

    eines adjungierten

    globalen Zirkulationsmodells

    Simon Blessing

    Diplomarbeit im Fach Meteorologie

    vorgelegt im Februar 2000dem Fachbereich fur Geowissenschaften der

    Universitat Hamburg

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    Zusammenfassung

    Adjungierte Modelle werden in der Meteorologie zunehmend benutzt. TypischeAnwendungen sind Datenassimilation, das Einstellen optimaler Modellpara-meter, Sensitivitatsanalysen und die Bestimmung singularer Vektoren. Dievorliegende Arbeit dokumentiert die Erzeugung eines adjungierten, auf denprimitiven Gleichungen basierenden Modells der globalen atmospharischenZirkulation mit einem adjungierten Modellcompiler (TAMC). Es werden zweiverschiedene Anwendungsmoglichkeiten untersucht: Die Berechnung optimalerStorungen eines gegebenen Grundzustandes und die Bestimmung eines diabati-schen Antriebes zur Anpassung des Modellklimas an eine Vorgabe.Das erste Anwendungsbeispiel ist die Berechnung von optimalen Storungen eineszonalsymmetrischen, balancierten Grundzustandes mit Hilfe des adjungiertenund tangent-linearen Modells. Es werden die optimalen Storungen uber verschie-dene Zeitraume prasentiert und die Energieterme untersucht. Uber sehr kurzeZeitraume dominiert meteorologischer Larm, wahrend die singularen Vektorenuber langere Zeitraume Ahnlichkeit mit normalen Moden zeigen. Das Phanomender Anregung unphysikalischer Moden wird diskutiert.Im zweiten Anwendungsbeispiel wird der Einsatz des adjungierten Modells zurBestimmung eines diabatischen Antriebes fur das PUMA untersucht. Damitkann das PUMA innerhalb gewisser Grenzen auf vorgegebene Klimate aus derNatur oder komplexeren Modellen eingestellt und diese isoliert studiert werden.Das Ziel ist dabei nicht die Simulation einer vorgegebenen Trajektorie sonderndas Erreichen eines bestimmten Temperaturmittelfeldes. Ein entsprechenderneuartiger Algorithmus wird vorgeschlagen und erprobt. Die bereits ermuti-genden Ergebnisse werden mit einem adaptiven Nudgingverfahren verglichen.Daraus ergeben sich weitere Verbesserungsvorschlage fur den Algorithmus.

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  • Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 1

    2 Das adjungierte Modell 52.1 Definition des adjungierten Operators . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    2.1.1 Das tangent-lineare Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.1.2 Das adjungierte Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    2.2 Erzeugung des adjungierten Modellcodes . . . . . . . . . . . . . . 82.2.1 Das PUMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.2 Struktur des adjungierten Modellcodes . . . . . . . . . . . 11

    2.3 Gebrauch des adjungierten Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.3.1 Singulare Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.3.2 Ableitung einer Kostenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 15

    3 Anwendung: Optimale Storungen 173.1 Grundzustand, Norm, Lanczosalgorithmus und Eigensystem . . . 173.2 Struktur der optimalen Storungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.3 Wachstum der optimalen Storung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.4 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    4 Anwendung: Klimaassimilation durch optimierten Antrieb 414.1 Adaptives Nudging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.2 Gradientengestutzte Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    4.2.1 Linearer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.2.2 Nichtlinearer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

    4.3 Vergleich der Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.3.1 Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.3.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

    4.4 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

    5 Diskussion und Ausblick 63

    Danksagung 65

    Literatur 67

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  • iv INHALTSVERZEICHNIS

  • Kapitel 1

    Einleitung

    Adjungierte Modelle werden zunehmend im Bereich der numerischen Behand-lung von Problemen der Stromungsdynamik verwendet. In der Meteorologie, derOzeanographie und der Klimaforschung, aber auch in anderen Bereichen (z. B.Iollo und Salas 1999, Li und Yeh 1998) helfen sie, zahlreiche Fragestellungen aufdirekte und effiziente Art anzugehen (Errico 1997). Typische Anwendungen sindDatenassimilation, das Abstimmen von Modellparametern, Sensitivitatsanalysenund die Bestimmung der in gegebener Zeit am schnellsten wachsenden Storunguber singulare Vektoren. Navon und Zou (1991) schreiben Marchuk (1974) undPenenko und Obraztsov (1976) die erste Anwendung der adjungierten Methodein der Meteorologie zu.Realisiert man, da ein numerisches Modell der atmospharischen Zirkulation ty-pischerweise in der Groenordnung von 105 Zeilen Programmcode enthalt, sowird deutlich, da die Erstellung der hierzu erforderlichen tangent-linearen undadjungierten Modelle bis vor relativ kurzer Zeit eine sehr aufwendige Aufga-be war. Zu ihrer Bewaltigung werden im wesentlichen zwei alternative Wegebeschritten. Der eine besteht in der analytischen Herleitung des adjungiertenModells aus den Modellgleichungen und der anschlieenden Diskretisierung undImplementierung als Programmcode, der andere in der direkten Herleitung destangent-linearen und adjungierten Modells aus dem Programmcode des beste-henden numerischen Modells nach wenigen, einfachen Prinzipien (Navon und Zou1991, Talagrand 1991, Giering und Kaminski 1998). Erstere Herangehensweisebirgt den Nachteil der schlechten Automatisierbarkeit und einer gewissen Inkon-sistenz, da sich die Operation der Adjungierens streng genommen nicht mit derOperation der Diskretisierung vertauschen lat. Die zweite Methode dagegen istinzwischen automatisiert und es existieren fur verschiedene Programmiersprachenleistungsfahige adjungierte Modellcompiler (z. B. ADIFOR: Bischof et al. 1994,Odyssee: Rostaing 1993 et al., TAMC: Giering und Kaminski 1999 u.a.). Sirkesund Tziperman (1997) zeigen, da ein Nachteil dieser Methode darin besteht,da sich Schwachen des numerischen Verfahrens des Vorwartsmodells im adjun-gierten Modell wiederspiegeln, wo sie bei der Berechnung von Sensitivitaten zu

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  • 2 KAPITEL 1. EINLEITUNG

    unphysikalischen Ergebnissen fuhren konnen. Eine dritte Strategie benutzt dassogenannte Uberladen von Operatoren in Sprachen wie Fortran 90 und C++ (e.g.IMAS: Rhodin et al. 1996) und ist mit der Zwischenspeicherung groer Daten-mengen verbunden sowie numerisch wenig effizient.Im Bereich der numerischen Wettervorhersage werden optimale Storungen, diesich mit Hilfe des adjungierten Modells berechnen lassen, zur Konstruktion vonEnsembles genutzt. Diese dienen der Schatzung der Verteilung von Vorhersagenund liefern so eine Einschatzung des Vorhersagefehlers (Epstein 1996, operatio-neller Einsatz am ECMWF). Wegen der groen Anzahl der Freiheitsgrade liegtes nahe, diejenigen Storungen des Anfangszustandes auszuwahlen, die uber denVorhersagezeitraum das grote Wachstum zeigen. Optimale Storungen werdenuber den Anfangszeitraum berechnet, in dem das Fehlerwachstum annahernd li-nearer Dynamik folgt (Buizza et al. 1993). Im Rahmen der Stabilitatstheoriedes linearisierten Systems x = Ax stehen sie zwischen den Storungen mit stark-stem Anfangswachstum (t 0), die sich beispielsweise durch Eigenanalyse derMatrix (A + AT ) gewinnen lassen, und den nach unendlicher Zeit dominierendenStorungen (t ), die sich als die Eigenvektoren von A zum Eigenwert mit ma-ximalem Realteil ergeben (Farrel und Ioannou 1996, Buizza und Palmer 1995).Einen anderen Ansatz zur Prognose des Vorhersagefehlers eines Atmospharenmo-dells mit den primitiven Gleichungen, aber ebenfalls unter Einsatz des adjungier-ten Modells, verfolgt Bouteloup (1997). Eckert (1998) betrachtet die maximalenWachstumsraten von singularen Vektoren in einem mit einer stark vereinfachtenAtmosphare gekoppelten Ozeanmodell zur Abschatzung der Vorhersagbarkeit desEl Nino-Phanomens im Sudpazifik. Storungen mit neutralem Wachstum dage-gen konnen bei der Identifikation von Regimen bedeutsam sein, da sie im linea-ren Fall im Phasenraum parallel zur Verbindungslinie quasi-stationarer Losun-gen verlaufen. Die Projektion der Phasenraumtrajektorie des Modells auf einenso aufgespannten Unterraum macht bevorzugte Regime sichtbar (vgl. Marshallund Molteni 1993, Molteni 1996). Oortwijn (1998) benutzt Sensitivitaten in ei-nem quasigeostrophischen Atmospharenmodell zur Identifikation von Storungen,die einen Regimewechsel herbeifuhren, wahrend Sensitivitatsuntersuchungen wieauch singulare Vektoren Palmer et al. (1998) dazu dienen, Beobachtungen zu lo-kalisieren, die den Fehler numerischer Wettervorhersagen verringern. Der Einfluder Einbeziehung der Feuchte in die Berechnung optimaler Storungen in einemAtmospharenmodell mit den primitiven Gleichungen ist Gegenstand der Unter-suchung in Ehrendorfer et al. (1999).Bei der Modellierung naturlicher Prozesse stellt sich oft das Problem, den Zustanddes Modells moglichst nahe an den des modellierten Systems zu bringen. Diesist beispielsweise bei der numerischen Wettervorhersage der Fall, wo Beobach-tungsdaten in das Vorhersagemodell einflieen und den Modellzustand moglichstin Richtung groerer Realitatsnahe beeinflussen sollen. Fur diesen Vorgang derDatenassimilation werden neben Nudgingverfahren und Kalmanfiltern adjungier-te Modelle verwandt (siehe Verweise in Courtier et al. 1993). Die adjungierte

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    Methode ermoglicht insbesondere die Verwendung von sowohl raumlich als auchzeitlich irregularen Beobachtungsdaten sowie unkonventioneller Typen von Beob-achtungen. Beispielsweise verwenden Kuo et al. (1996) ein nichthydrostatischesmesoskaliges Modell und das adjungierte zur Assimilation von vertikal integrier-tem Wasserdampfgehalt aus Messungen der Phasenverschiebung des Radiosignalsvon Satelliten des Glob