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42 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature 24 25 23 26 15 16 17 2 3 21 12 9 10 11 18 19 20 4 5 6 7 8 1 13 14 22 27 28 30 29 Innovation 90 Prozent der globalen Warenströme werden über die Weltmeere transportiert. Angetrieben werden die Schiffsmotoren von Dieselkraftstoff oder Schweröl. Schon in fünf Jahren könnte die Frachtschifffahrt nach Expertenschätzungen auf eine umweltfreundlichere Alternative zurückgreifen: LNG (Liquefied Natural Gas). Volle Fahrt voraus – ab 2015 sollen mit LNG betriebene Schiffe auch über die Weltmeere schippern. Davon geht zumindest das Unternehmen Germanischer Lloyd aus. Von Ralph Müller, freier Journalist Die Motoren dazu sind längst in der Praxis erprobt: Seit dem Jahr 2000 werden in Norwegen Fähren mit reinem LNG-Antrieb eingesetzt. Der norwegische Staat unterstützt die umweltfreundliche Alternative mit staat- licher Förderung und macht den LNG-An- trieb zur Bedingung für die Erteilung von Konzes- sion an die Fjordfähren-Betreiber. Doch nicht nur Fähren auf dem Fjord, auch LNG-Tankschiffe auf den Weltmeeren nutzen das saubere Flüssiggas für den Antrieb und die Stromerzeugung zusätzlich zu den konventionellen Kraftstoffen. Als die „Glutra“ im Jahr 2000 vom Stapel lief, schrieb sie Seefahrtsgeschichte. Die Fähre ist das Pionierschiff für den reinen LNG-Antrieb und gehört der Fährreederei Fjord 1 MRF AS, eine der größten regionalen Verkehrsgesellschaften in Norwegen. Das 95 Meter lange und 16 Meter breite Schiff kann 300 Passagiere transportieren und in seinen Spezialtanks rund 32 000 Liter LNG aufnehmen. Mittlerweile fahren weitere Fähren in norwegischen Umweltschutzgebieten mit dieser LNG (auch verflüssigtes Erdgas oder Flüssigerdgas genannt) wird auf –164 bis –161 ˚C abgekühlt. Es weist lediglich 1/600stel des Volumens von Erdgas auf. LNG (Liquefied Natural Gas) Erdgas als Schiffstreibstoff – Experten erwarten LNG-Zeitalter auf Hoher See Foto: aboutpixel.de/Reiner Pflamminger

Erdgas als Schiffstreibstoff

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Innovation 24 25 23 26 15 16 172 3 21129 10 11 18 19 204 5 6 7 81 13 14 22 27 28 3029 90 prozent der globalen Warenströme werden über die Weltmeere transportiert. Angetrieben werden die Schiffsmotoren von Dieselkraftstoff oder Schweröl. Schon in fünf Jahren könnte die Frachtschifffahrt nach Expertenschätzungen auf eine umweltfreundlichere Alternative zurückgreifen: lnG (liquefied natural Gas). Von Ralph Müller, freier Journalist lnG (liquefied natural Gas)

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Page 1: Erdgas als Schiffstreibstoff

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24 2523 2615 16 172 3 21129 10 11 18 19 204 5 6 7 81 13 14 22 27 28 3029

Innovation

90 prozent der globalen Warenströme werden über die Weltmeere transportiert. Angetrieben werden die Schiffsmotoren von Dieselkraftstoff oder Schweröl. Schon in fünf Jahren könnte die Frachtschifffahrt nach Expertenschätzungen auf eine umweltfreundlichere Alternative zurückgreifen: lnG (liquefied natural Gas).

Volle Fahrt voraus – ab 2015 sollen mit LNG betriebene Schiffe auch über die

Weltmeere schippern. Davon geht zumindest das Unternehmen

Germanischer Lloyd aus.

Von Ralph Müller, freier Journalist

Die Motoren dazu sind längst in der Praxis erprobt: Seit dem Jahr 2000 werden in Norwegen Fähren mit reinem LNG-Antrieb eingesetzt. Der norwegische

Staat unterstützt die umweltfreundliche Alternative mit staat-licher Förderung und macht den LNG-An-

trieb zur Bedingung für die Erteilung von Konzes-sion an die Fjordfähren-Betreiber. Doch nicht nur Fähren auf dem Fjord, auch LNG-Tankschiffe auf den Weltmeeren nutzen das saubere Flüssiggas

für den Antrieb und die Stromerzeugung zusätzlich zu den konventionellen Kraftstoffen.Als die „Glutra“ im Jahr 2000 vom Stapel lief, schrieb sie Seefahrtsgeschichte. Die Fähre ist das Pionierschiff für den reinen LNG-Antrieb und gehört der Fährreederei Fjord 1 MRF AS, eine der größten regionalen Verkehrsgesellschaften in Norwegen. Das 95 Meter lange und 16 Meter breite Schiff kann 300 Passagiere transportieren und in seinen Spezialtanks rund 32 000 Liter LNG aufnehmen. Mittlerweile fahren weitere Fähren in norwegischen Umweltschutzgebieten mit dieser

LNG (auch verflüssigtes Erdgas oder Flüssigerdgas genannt) wird auf –164 bis –161 ̊ C abgekühlt. Es weist lediglich 1/600stel des Volumens von Erdgas auf.

lnG (liquefied natural Gas)

Erdgas als Schiffstreibstoff – Experten erwarten LNG-Zeitalter auf Hoher See

Foto: aboutpixel.de/Reiner Pflamminger

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Technologie. Vom Fjord geht es jetzt in großem Maß-stab auf die Weltmeere. Bis einschließlich Mai 2010 durften nur LNG-Tanker Gas als Schiffsbrennstoff nutzen. Doch seit dem 1. Juni gilt eine Interims-Richtlinie der Weltschifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization), nach der auch andere Handelsschiffe mit dem LNG-Antrieb auf internationale Fahrt gehen dürfen. Damit sind die Weichen für eine Erfolgsgeschichte des Liquefied Natural Gas in der Seefahrt ge-stellt. Hilfreich für den Durchbruch von LNG ist die Beschränkung der NOx (Stickstoffoxid) und SO2 (Schwefeldioxid)-Emissionen durch die UN-Schifffahrtsorganisation IMO und die Dis-kussion über die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Gute Zeiten für verflüssigtes Erdgas: Denn LNG als primärer Kraftstoff für Seeschiffe reduziert den CO2-, NOx- und Partikel-Ausstoß und beseitigt die SO2-Emissionen fast ganz.Auf einer Expertentagung in Hamburg mit dem Titel „Erdgas als Schiffstreibstoff – Status und Trends“ erklärte Håkan Werner, dass LNG langfristig die ent-scheidende Alternative zu Schweröl oder Schiffs-dieseltreibstoff sei. Werner ist der Vice-President der norwegischen Reederei I.M.Skaugen SE, die sich auf den Gas-Transport spezialisiert hat. LNG überzeuge mit optimalen Emissionswerten, so der Vice-President. Das ist auch wichtig, weil Werner damit rechnet, dass künftig auch die Schifffahrt mit einer Art von Klimaschutzabgabe belastet werde. Ein sauberer Treibstoff wie LNG würde dann nur entsprechend gering taxiert werden. Die Antriebs-technik stehe bereits zur Verfügung, erklärte der Vice-President. Für die Zukunft sei der Ausbau einer weltweiten Infrastruktur zur Versorgung mit dem Flüssiggas eine große Herausforderung. Hier seien Investitionen in Höhe von Milliarden Euro nötig, sagte Werner.Ort der Tagung, auf der Spezialisten aus dem In- und Ausland 130 Zuhörern einen Überblick über das bereits Erreichte gaben und in die Zukunft blickten, war die Unternehmenszentrale der Schiffsklassifizierungsgesell-schaft Germanischer Lloyd (GL). Dessen Leiter Strategische For-schung, Pierre Sames, rechnet damit, dass LNG in der kom-

Das Fährschiff fährt auf der Route Seivika–Tømmervåg. Es ist knapp 95 Meter lange und 16 Meter breit und hat Platz für 300 Passagiere und 100 Fahrzeuge. Im Jahr ihrer Fertig-stellung wurde die M/F Glutra zum Schiff des Jahres gewählt. Angetrieben wird es durch einen Gasmotor, Treibstoff bilden die rund 32 000 Liter LNG in den Spezialtanks.

Die M/F Glutra

Foto: Fjord1/Harald M. Valderhaug

merziellen Frachtschifffahrt in gut fünf Jahren in größerem Stil als alternativer Schiffstreibstoff zum Schweröl oder Diesel eingesetzt werde.

50 Millionen Euro für lnG-Terminal

Für den schwedischen Hafen Göteborg beginnt das LNG-Zeitalter für die Schifffahrt voraussichtlich ab 2013. Bis dahin will der örtliche Energiean-bieter Göteborg Energi ein eigenes LNG-Terminal errichten. Die Investitionen belaufen sich auf rund 50 Millionen Euro. Linda Sahlén, Projektmit-arbeiterin bei Göteborg Energi, erklärte zu dem stadtnahen Terminal, dass die „Akzeptanz in der Bevölkerung für das Projekt vorhanden“ sei. Nicht nur für das Land, auch für die hohe See laufen intensive Planungen für das LNG-Zeitalter. Die Schiffsbau- und die Schiffszulieferer-Industrie sind längst auf das Thema eingestiegen. So entstehen Entwürfe für Containerschiffe mit 1200 TEU. TEU bedeutet „Twenty feet Equivalent Unit“ und ist ein Maß für die Lade- oder Transportkapazität von Containerschiffen. Gemeint sind damit 20-Fuß-Container, die 6,10 Meter lang, 2,60 Meter hoch und 2,44 Meter breit sind. Aber auch RoPax-Fähren (Roll On/Roll Off-Schiffe mit Passagierkabinen), Mega-Yachten (Lürssen-Werft) und Passagierfäh-ren (Meyer Werft) sind in Planung. Dabei wird sich nach Meinung von Experten für einen Übergangszeitraum zunächst ein Kombina-tionsantrieb aus herkömmlichem Diesel und LNG durchsetzen. Denn noch seien einige wichtige technische Details für den Großeinsatz zu lösen und die Arbeiten an international gültigen und verbindlichen Vorschriften seien nicht abgeschlos-sen. Doch für die Zukunft spricht noch aus einem zusätzlichen Grund alles für LNG. Denn während Öl vom „Peak Oil“ und damit von Verknappung bedroht ist, kann Erdgas noch über Jahrzehnte den absehbaren Bedarf decken.