5

Click here to load reader

Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

  • Upload
    mai

  • View
    37

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

„Wortstudie“

Eine schriftliche Arbeit für das Fach

„Exegetisches Seminar“

Dozent: Sascha Neudorf

vorgelegt von

Daniel Sänger

Bibelseminar Bonn

WS 2012/2013

21.01.2013

Page 2: Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

Um den vorliegenden Text inhaltlich erfassen zu können, ist ein Verständnis des

Wortes „δικαιοσύνη“ (Gerechtigkeit) notwendig. Das Wort Gerechtigkeit, bzw.

Wörter des selben Wortstammes, kommen in Röm 3,21-26 sieben mal vor. Kein

anderes Wort kommt hier dementsprechend häufig und durchgehend vor; in fünf

von sechs Versen steht es mindestens ein mal. Zudem wird es zwei mal in

paralleler Satzstruktur gebraucht. Es scheint sich hier also um einen

Schlüsselbegriff zu handeln, weshalb eine Wortstudie eben jenes Begriffs sinnvoll

ist.

1 Wortstudie zu „δικαιοσύνη“

1.1 Vorkommen von „Gerechtigkeit“ und Vers-Liste

Das Wort „Gerechtigkeit“ kommt in der Rev. Elb. 86 und im Römerbrief 30 mal vor.

Wenn man den Begriff auf den Wortstamm (gerecht) ausdehnt kommt er gar 180

mal im NT vor, davon 45 mal im Römerbrief.

Im Folgenden eine Auflistung mit kategorischer Einordnung von Versen im NT, in

denen das Wort vorkommt:

„Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und

dies alles wird euch hinzugefügt werden.“ (Mt 6,33)

„Gerechtigkeit“ bezeichnet hier die Gerechtigkeit des Menschen, die er durch das

gehorsame Befolgen des Gesetzes hat.

„Und Jesus hörte es und spricht zu ihnen: Nicht die Starken brauchen einen Arzt,

sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern

Sünder.“ (Mk 2,17)

„Gerechte“ sind hier Täter des Gesetzes. Es handelt sich also um den selben

Gerechtigkeitsbegriff wie in Mt 6,33.

„Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, im Gegensatz zu

jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich

selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 18,14)

Hier sagt „gerechtfertigt“ aus, dass der Zöllner gerecht gesprochen ist - obwohl er

dem Pharisäer, der das Gesetz befolgt, gegenübergestellt wird. Es handelt sich hier 2

Page 3: Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

nicht um die Bedeutung der Gerechtigkeit des Menschen, wie sie insbesondere in

den Evangelien üblich ist. Sondern um die Gerechtigkeit, die von Gott als Geschenk

dem Menschen gegeben wird.

„Und wenn er gekommen ist, wird er die Welt überführen von Sünde und von

Gerechtigkeit und von Gericht. Von Sünde, weil sie nicht an mich glauben; von

Gerechtigkeit aber, weil ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht;“ (Joh

16,8-10) [?]

„Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart aus Glauben zu Glauben, wie

geschrieben steht: "Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“ (Röm 1,17)

Auch hier handelt es sich um die Gerechtigkeit, die dem Menschen von Gott

geschenkt wird. Der Gebrauch ist bei Paulus typisch.

1.2 Bedeutung

Nach Bauer-Aland ist „δικαιοσύνη“ (Gerechtigkeit) von der Bedeutung in vier

Kategorien zu unterteilen1:

1. Die Gerechtigkeit als Eigenschaft des Richters, bzw. Gottes, beschreibt diesen

als vom Wesen her gerecht. So freuen sich die Frommen in 1Kl 18,15

beispielsweise über Gottes Gerechtigkeit.

2. Die Gerechtigkeit als Eigenschaft des Menschen beschreibt die Gerechtigkeit, die

dem Menschen von Gott abverlangt wird. Es geht darum, was der Mensch tut,

um vor Gott gerecht zu sein.

3. Die Gerechtigkeit als Gabe von Gott wird meist bei Paulus thematisiert. Sie kann

vom Menschen durch Glauben an Jesus Christus angenommen werden. Diese

Gerechtigkeit wird dem Menschen zugeschrieben und spricht ihn durch Glauben

gerecht, selbst wenn ihm an der Gerechtigkeit als Eigenschaft des Menschen (2.)

mangelt.

4. Die vierte Kategorie bezeichnet Gerechtigkeit als gleichgesetzt mit dem

christlichen Glauben an sich. Diese ist am seltensten und spielt im

Zusammenhang mit diesem Text keine bedeutende Rolle.

3

1 Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch, Hg. Kurt Aland, Barbara Aland, S. 395.

Page 4: Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

1.3 Bestimmung der Wort-Kategorien in Röm 3,21-26

In Vers 21 und 22 gebraucht Paulus die Genitivverbindung „δικαιοσύνη θεου“. Die 2.

Wortkategorie kann ausgeschlossen werden, da hier dem Begriff der Gerechtigkeit

Gottes die Formulierung „ χωρὶς νόµου“ (abseits, getrennt, fern vom Gesetz)

vorausgeht. Es handelt sich also um eine Gerechtigkeit, die unabhängig von der

erbrachten Gerechtigkeit des Menschen ist. Die Genitivkonstruktion könnte also der

1. oder 3. Kategorie zugeordnet werden. Ich entscheide mich für die 3., da es sich

in Vers 21 u. 22 um einen Parallelismus handelt. Die selbe Genitivkonstruktion wird

in 3,22 erneut von Paulus gebraucht, jetzt aber mit dem Zusatz „διά πίστεως Ἰησοῦ

Χριστοῦ“ (durch Glauben an Jesus Christus), was beweist, dass es sich in 3,21.22

jeweils um die Gerechtigkeit handelt, die der Mensch durch Glauben an Jesus

Christus von Gott erlangt.

Auch „δικαιούµενοι“ ([Alle] werden gerechtfertigt) in Vers 24 ist eindeutig der 3.

Kategorie zuzuordnen. Es folgt der Zusatz „δωρεὰν τῇ αὐτοῦ χάριτι“ (umsonst durch

seine Gnade), der eine Einordnung beweist.

Wieder etwas uneindeutiger ist der doppelte Gebrauch der Genitivkonstruktion „τῆς

δικαιοσύνης αὐτοῦ“ (seiner [Gottes] Gerechtigkeit) in den Versen 25 u. 26. Erneut

ist die 2. Kategorie hier auszuschließen, da der Kontext Gott eindeutig als das

Subjekt und somit den Handelnden darstellt: „Ihn hat Gott hingestellt als einen

Sühneort, [...] um seine Gerechtigkeit zu erweisen, [...] um seine Gerechtigkeit in

der jetzigen Zeit zu erweisen“. Gerechtigkeit geht hier folglich auf keinen Fall vom

Menschen aus, bzw. wird von diesem nicht aktiv gefordert. Die Einordnung in die 1.

oder 3. Kategorie ist hier schwieriger. Aus grammatischer Sicht sind beide

Möglichkeiten denkbar, der Kontext spricht allerdings eine nicht so deutliche

Sprache wie zuvor. Gerechtigkeit als Wesenseigenschaft Gottes ist hier möglich, da

inhaltlich davon gesprochen wird, dass Gott seine Gerechtigkeit erweist, um zu

rechtfertigen, dass er zuvor (d.i. vor dem vollzogenen Sühnetod Christi)

geschehene Sünden ohne unmittelbare Strafe geschehen ließ (3,26). Er könnte

seine Gerechtigkeit folglich als Beweis seines gerechten Wesens erweisen. Dies

spräche für Kategorie 1. Für Kategorie 3 spricht der zweite Hauptsatz in Vers 25,

welcher erneut den Glauben des Menschen thematisiert, der diesen rechtfertigt.

Dieser Aussage folgt der Genitiv-Parallelismus. Bezöge dieser sich auf den

eingeschobenen Hauptsatz, wäre eine Kategorisierung 3 gut möglich. Der Bezug 4

Page 5: Exegetisches Seminar - Wortstudie - Daniel Sänger

auf einen lediglich eingeschobenen Hauptsatz stellt für mich hier das schwächere

Argument dar und so entscheide ich mich für die erste Variante, also Kategorie 1 für

beide Genitivkonstruktionen.

Im Zuge der vorangegangenen Argumentation, beziehe ich in V.26 das Adjektiv

„δίκαον“ (gerecht) ebenfalls auf Gott, also: „dass er gerecht sei“ im Sinne von einem

finalen Nebensatz, der nochmals bestätigt, dass Gott durch die Beschreibung

seines Handelns seine Gerechtigkeit zeigt (Kategorie 1).

Der darauf folgende Nebensatz beschreibt abschließend, dass Gott durch das

Hinstellen seines Sohnes als Sühneort, „den rechtfertige, der des Glaubens an

Jesus ist.“ (3,26) Das Wort „δικαιοῦντα“ (rechtfertigt) und der Relativsatz lassen

keinen Zweifel daran, dass es sich hier um den paulinischen Gerechtigkeits-Begriff

eines Geschenks Gottes an den Menschen handelt.

An dieser Stelle gebe ich auf! Ich bedarf zweifelsohne der geschenkten

Gerechtigkeit unseres Gottes! Bis gleich...

5