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Fehlerprävention und Fehlermanagement - Heidelberg, 30.04.2005 - Dr. med. Eckart Blauth Institut für Allgemeinmedizin Frankfurt

Fehlerprävention und Fehlermanagement - Jeder Fehler zählt! · England : National Patient Safety Agency in London (100 Mitarbeiter) Fehlerberichtssystem für gesamtes NHS (stationär

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Fehlerprävention und Fehlermanagement

- Heidelberg, 30.04.2005 -

Dr. med. Eckart BlauthInstitut für Allgemeinmedizin Frankfurt

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Ihre Erwartungen?

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Übersicht

� Was ist ein Fehler ?– Häufigkeiten– Theoretisches

� Wie lerne ich aus Fehlern ?– Aus „Studien über Fehler “ lernen– Aus eigenen Fehlern lernen– Aus Fehlern anderer lernen

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Fehlerbeispiel

Ein Kollege berichtet von einem 79jährigen Patiente n:� 7,5mg Methotrexat/Woche als Basistherapie wegen einer

rheumatoiden Arthritis. � Anfänglich 14-tägige Blutbild-, Leber- und Nierenwertkontrollen,

dann vierwöchentlich. � 10.03.01 Blutbild o.B. � Hausbesuch am 06.11.01: noch alles in Ordnung � 12.02.02: dringender Hausbesuch – Patient schwer krank: � Labor: Leukozyten 2,2x10³/Mikroliter, Erythrozyten

2,1x106/Mikroliter, Hämoglobin 5,9 g/dl, Thrombozyten21x10³/Mikroliter.

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Fehlerbeispiel

Was war das Ergebnis?� ,Methotrexat-induzierte’ Panzytopenie � Einweisung ins Krankenhaus. � Patient verstarb am 22.02.02 in Panzytopenie durch Methotrexat.Mögliche Gründe?� Ich habe versäumt, ein gutes Recall-System zu entwickeln, um die

Blutuntersuchungen zeitgerecht durchzuführen. � Der liebenswürdige Patient ist durch meine Schuld verstorben.

Noch heute betreue ich die schwerkranke Ehefrau und den nun erkrankten Sohn.

� Wenn ich das Haus betrete, legt sich ein Schleier um mein Herz.

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Fehlerbeispiel

� Ich habe nach dem Tod lange an Suizid gedacht und teile dieses Ereignis hier zum ersten Mal mit.

Wie hätte man das Ereignis verhindern können?� Klare Signalkarten auf die Karteikarte. � Klares Recall-System im Computer.� Klare Anweisung an das Labor, wann diese Patientengruppe

untersucht werden muss.

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Kurzes Kleingruppengespräch

� Kennen Sie Situationen, in denen etwas schief ging?

� Wird in Ihrer Praxis über Fehler gesprochen?

� Wie kann man aus Fehlern lernen?

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Was ist ein Fehler? Definition 1

„ Das war eine Bedrohung für das Wohlergehen des Patienten und sollte nicht passieren. Ich möchte

nicht, dass es noch einmal passiert.“

(Primary Care International Study of Medical Errors, PCISME)

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Was ist ein Fehler? Definition 2

� Eine geplante Handlung erreicht das erwünschte Ziel nicht .– Der Handlung liegt entweder ein falscher

Plan zugrunde (z.B. falsche Diagnose) oder– die Handlung wird nicht wie geplant

durchgeführt . (z.B. aus Versehen wird die falsche Dosierung eines Medikaments aufgeschrieben)

� vermeidbar(Reason J. Qual Health Care 1995; 4: 80-89.)

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� Fehler in der Medizin – Sind sie überhaupt ein verbreitetes Problem ?

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Harvard Medical Practice Study & andere Studien

� USA: Retrospektive Untersuchung von 30.121 Krankenakten in Krankenhäusern im Staat NY.3,7% der Patienten hatten unerwünschte Ereignisse, davon 28% vermeidbar (Brennan, Leape et al. 1991)

� Australien: 16,6% unerwünschte Ereignisse davon 51% vermeidbar, 4,9% führten zum Tod (Wilson et al. 1995)

� England: 10,8% unerwünschte Ereignisse davon circa die Hälfte vermeidbar (Vincent et al. 2001)

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Fehler in der Medizin

� USA: Report „To Err is Human“ des Institut of Medicine: 49.000 bis 98.000 Todesfälle jährlich durch vermeidbare unerwünschte Ereignisse in Krankenhäuser (bei 33,6 Mio. Aufnahmen).

� BRD: 16.000 bis 40.000 vermeidbare Todesfälle in Krankenhäusern/ Jahr (Rall et al. 2001)

� Zum Vergleich: an Dickdarmkrebs versterben 20.200 oder an Brustkrebs 18.000 PatientInnen(Statistisches Bundesamt 2000)

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Theorie zur Entstehung von

unerwünschten Ereignissen

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Aktives und latentes Versagen (active and latent human failure)

� „Aktives Versagen sind unsichere Handlungen, die von jenen am ‚scharfen Ende‘ des Systems begangen werden.“– Menschen an der Schnittstelle Mensch-System

(Piloten, Ärzte, Krankenschwestern)– unmittelbare Auswirkungen

(Reason J. Qual Health Care 1995; 4: 80-89.)

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Aktives und latentes Versagen (active and latent human failure)

� „Latentes Versagen entsteht durch Entscheidungen, die auf den höheren Stufen einer Organisation gefällt werden.“ (z.B. Management)– werden meist erst dann offensichtlich, wenn sie mit

anderen Faktoren zusammentreffen und die Sicherheitsbarrieren des Systems durchbrechen.

– Da latentes Versagen oft „unausrottbar“ ist, müssen dessen unerwünschte Folgen sichtbar gemacht werden, bevor sie Sicherheitsbarrieren durchbrechen.

(Reason J. Qual Health Care 1995; 4: 80-89.)

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Psychologische Vorläufer

Sicherheitsbarrieren

Latentes Versagen

unerwünschtes Ereignis / Unfall

Gefahr

Lokale AuslöserUntypische

Bedingungen

Modell der Gefahrenabwehr nach Reason (Swiss Cheese Model)

Unsichere Handlungen

(Aktives Versagen)

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Traditioneller Ansatz – die personenorientierte Perspektive

Ein Fehler tritt auf:� „Es gibt eben Einzelpersonen, die Fehler

machen” – bestimmte Einzelpersonen sind „nachlässig, leichtsinnig und schuld “.

� Die Einzelperson wird beschuldigt, bestraft oder fortgebildet (und alle anderen können sich „gut“ fühlen). ‚Shame and blame‘

� Die so „optimierte Einzelperson“ sollte die Sicherheit verbessern.

(nach Fletcher, NPSA 11/2003 und Reason 1994)

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� In der gleichen Situation machen unterschiedliche Menschen die gleichen Fehler!

� Fehlerträchtige Situationen und schlechtes organisatorisches Design verursachen Fehler.

� Der Schwerpunkt liegt auf allen verursachenden Faktoren , nicht nur auf den Handlungen einzelner.

� Prozesse (das System) müssen verändertwerden, um die Sicherheit zu verbessern.

Moderner Ansatz – die systemorientierte Perspektive

(nach Fletcher, NPSA 11/2003 und Reason 1994)

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Modell der Gefahrenabwehr nach

Reason (Swiss Cheese)

Psychologische Vorläufer

Unsichere Handlungen

(Aktives Versagen)

Sicherheitsbarrieren

Lokale AuslöserUntypische

BedingungenLatentes Versagen

unerwünschtes Ereignis / Unfall

Kein Verfahren für Marcumar-Patienten

Arzt gestresst:

Geburtstag der Tochter

Praxis

Labor

Altenheim

Fax kaputtGrippe-Zeit

INR/Quick Test INR von 5 erst

nach 2 Tagen bemerkt

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Wie lerne ich aus Fehlern ?

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Fehlerprävention und -management

Aus Fehlern lernen – Drei Ansätze� Aus „Studien über Fehler “ lernen:

– Primary Care International Study of Medical Errors (PCISME): Teilbereich Medikationsfehler

� Aus eigenen Fehlern lernen: – Systematische Ursachenforschung

� Aus Fehlern anderer lernen: – Frankfurter Fehlerberichts- und Lernsystem

www.jeder-fehler-zaehlt.de

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PCISME Primary Care International Study of Medical Errors

� 99 Allgemeinärzte in 7 Länderndokumentierten anonym und freiwillig 602 Fehler

� Fragen zum Patienten und zur Situation (z.B. Was ist passiert? Was war das Ergebnis? Wie hätte es verhindert werden können?)

� Daten sind nicht repräsentativ für allegemachten Fehler

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� Fehlerberichte (n=602) zeigten, dass 80%Prozessfehler waren, nur 20% der Fehler wurden durch mangelndes Wissen oder Können verursacht.

� 35% der Fehler waren Medikationsfehler(n=208).

Ergebnisse

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� Viele Fehler passieren in wenigen Medikationsgruppen (Antibiotika, Vit. K-Antagonisten, NSAR)

� Allergien übersehen (Penicilline)� falsche Dosierung (für Kinder)� Kontraindikationen / UAW (NSAR)� Routinelaborkontrollen (INR nicht kontrolliert) � „Daneben geklickt bei Medikamentenliste“

Teilbereich: Medikationsfehler

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Präventionsansätze

� Überprüfung des eigenen Umgangs mit diesen Medikamentengruppen

– Besteht Plan für INR-Kontrollen?– Kennzeichnung von Allergien in Patientenakte?

� Fehler ereignen sich mehrheitlich im Bereich der Ausführungsfehler

– Routinen sind optimierbar, z.B. Erinnerungsfunktionen (computergeneriert), klare Verantwortungsbereiche

– Auswahl eines möglichst anwenderfreundlichen Computerprogramms (übersichtliche Listen für Medikamente, Dosis-Check bei Kindern)

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Aus eigenen Fehlern lernen

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Riskmanagement-Werkzeuge (Tools)für Hausarztpraxen

� Praxisinterne Fehlerregistrierung

� Beschwerdemanagement (systemat. Analyse + Reaktion)

� Systematische Ursachenforschung– Teambesprechungen, Ursachenanalyse

� Praxishandbuch (Zuständigkeiten, Verfahrensregeln, Absprachen)

� Checklisten(z.B. für Inhalt des Notfallkoffers)

� Softwarelösungen

� Qualitätsmanagement ...

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Ziele der Ursachenforschung

� Unsichere Handlungen und latente Bedingungen, „die Wurzeln“ eines unerwünschten Ereignisses finden

� Reflektion des Ereignisses ermöglicht„Blick ins System“ (Sicherheitslücken)

� Was können wir aus dem Ereignis lernen ?� Wie können wir dieses Ereignis in Zukunft

verhindern ?

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Beispiel zur Fehleranalyse

� 78jährige Patientin, Schulterschmerzen, sieht blass aus

� Blutentnahme� Patientin erinnert sich nicht an Termin-

vereinbarung� 2 Wochen später Anruf der Tochter� Hb 8,5 g/dl

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Fehleranalyse am Beispiel (I.)

� Arzthelferin übersah den niedrigen Hb Wert und legte Laborbericht dem zuständigen Arzt ins Fach.

� Analyse : Eine Kollegin krank – erhöhte Arbeitslast� Dieser Arzt (Gemeinschaftspraxis) war im Urlaub,

bei Rückkehr „volles Fach“, Wert ebenfalls übersehen.

� Analyse : keine Abmachung zwischen den Ärzten, wer (scheinbar unauffällige) Laborberichte kontrolliert

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Fehleranalyse am Beispiel (II.)

� Patientin erinnert sich nicht an Termin und ging davon aus, dass alles OK sei

� Analyse : „Wenn Sie nichts von uns hören, ist alles OK!“

� Organisations- und Managementfaktoren� Analyse : Verfahren für Laborwerte fehlte

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Gemeinsamer Lösungsvorschlag des Praxisteams

� Arzthelferin markiert Werte außerhalb des Normbereichs

� Alle Laborberichte (auch die scheinbar unauffälligen) werden anwesendem Arzt vorgelegt

� Wenn alle Werte aus Labor zurück sind, wird in der Computerakte ein „Warn-Marker“ gesetzt. Dieser wird erst gelöscht, wenn Patient informiert wurde.

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Systematische Ursachenforschung

� Significant Event Audit (SEA)

� Root Cause Analysis (RCA)

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Significant Event Audit

� Gruppendiskussion: Emotionen sollen angesprochen und für den Lernvorgang genutzt werden

� Negative und positive Ereignisse werden untersucht� Die Diskussion soll

– ohne Vorwürfe (blame-free) – freiwillig– vertraulich– reflektierend und– lehrreich sein.

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Root Cause Analysis – RCA

� In sicherheitsorientierten Industrien(Kernkraft, Luftfahrt) im Rahmen des RiskManagements und der Qualitätssicherung entstanden

� Der Untersuchungsprozess ist systematisch und stark strukturiert

� Es werden negative, schwerwiegende Ereignisse untersucht

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Einflussfaktoren: Arbeitsbedingungen (Ausschnitt)� Personalausstattung, Arbeitsbelastung und Qualifikation

des Personals- Sind es genug Mitarbeiter? - Sind die Mitarbeiter für ihre Tätigkeiten qualifiziert? - Sind sie eingearbeitet?

� Design, Vorhandensein und Wartung der Ausrüstung / Geräte - Arbeitete die Ausrüstung fehlerfrei? - Gab es einen Plan, um die Ausrüstung zu warten? - Waren die Mitarbeiter ausgebildet, die Ausrüstung zu

verwenden?

� Umgebungsbedingungen, Lärm etc.- War die Umgebung frei von Ablenkungen?- War die Umgebung für die Handlung / die Funktion geeignet?

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Aus den Fehlern anderer lernen

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Fehlerberichtssysteme in der Luftfahrt

� Aviation Safety Reporting System (ASRS) sammelt und analysiert seit 1975 Berichte über tatsächlich oder potentiell gefährliche Situationen im Flugverkehr (Piloten, Fluglotsen sowie das gesamte Bord-, Boden-und Wartungspersonal)

� rund 34.000 streng vertrauliche Meldungen pro Jahr� Die Ergebnisse der Analysen

– sollen Probleme und Schwachstellen in der Flugsicherheit finden

– fließen in die Entwicklung neuer Richtlinien und Ausrüstung ein

http://asrs.arc.nasa.gov

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Call Back Screenshot

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Fehlerberichtssysteme in der Medizin

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Fehlerberichtssysteme in der Medizin

� England : National Patient Safety Agency in London (100 Mitarbeiter) Fehlerberichtssystem für gesamtes NHS (stationär und ambulant)– http://www.npsa.nhs.uk

� Schweiz : CIRS medical (Initiative der Abt. Anästhesie Basel) – https://www.cirsmedical.ch

� Ähnliche Projekte in Australien und USA

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Fehlerberichtssysteme in der Medizin

BRD: � Projekt des Instituts für Allgemeinmedizin

Frankfurt– www.jeder-fehler-zaehlt.de

� Seit kurzem Projekt der KBV (für gesamten ambulanten Bereich)https://www.cirsmedical.ch/kbv

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Frankfurter Fehlerberichts- und

Lernsystem für Hausärzte

www.jeder-fehler-zaehlt.de

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� Freiwilliges, anonymes, frei-zugängliches Fehlerberichtssystem im Internet

� Hoher technischer Sicherheitsstandard: sichere Übertragung, verschlüsselte Berichte

� Seit 09/04 für Hausärzte in Betrieb� bisher ca. 100 Berichte� Fehlerarchiv und Diskussionsforum

www.jeder-fehler-zaehlt.de

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� 5 „Fehler des Monats“ (in „Der Hausarzt“ (Auflage: etwa 40.000) und im Internet)� Kurze Analyse des Fehlers und daraus

abgeleitete Ansätze zur Fehlerprävention� 47 Kommentare von Kollegen; fast alle hilfreich

und konstruktiv

� 24 „Fehler der Woche“ im Internet � 90 Kommentare von Kollegen

� Diskussionsforum im Internet� 16 Kommentare von Kollegen

www.jeder-fehler-zaehlt.de - Feedback

(Stand: 28.04.05)

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Ausblick

� Fehler werden systemorientiert nichtpersonenorientiert betrachtet

� Entwicklung einer offenen Fehlerkultur –Reden über Fehler ist möglich

� Lernen aus Fehlern� Entwicklung von Strategien zur Vermeidung

von unerwünschten Ereignissen

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„Heute schon einen Fehler gemacht?“„Nein.“„Schade, nichts gelernt.“

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PatientensicherheitLeitfaden für den Umgang mit Risiken im Gesundheitswesen (ÄZQ)

www.facultas.at/verlage14,90 €

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Fehlerbeispiel 2

Ein Kollege berichtet von einer 62jährigen Patienti n:� Ehemann der Patientin bat um Hausbesuch, weil seine Frau

Schmerzen habe. � Die Arzthelferin vereinbarte mit ihm einen Besuch nach der

Sprechstunde. Die Patientin war bis dahin nur als orthopädische Schmerzpatientin bekannt.

� Zwei Stunden später war ich im Aufbruch zu diesem Besuch, als der Ehemann anrief, sein Frau sei nicht mehr ansprechbar. Der sofort angeforderte Notarzt reanimierte erfolglos. Als Todesursache wurde ein Myokardinfarkt angenommen.

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Fehlerbeispiel 2

Was war das Ergebnis?� Tod der Patientin.Mögliche Gründe?� Situationsverkennung durch den Ehemann, unzureichende

Nachfrage durch die Helferin.Wie hätte man das Ereignis verhindern können?� vielleicht gar nicht; möglicherweise hätte durch strukturierte

Nachfrage die Bedrohlichkeit der Situation früher erkannt werden können.

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Praxistest – SEA

� ähnliches Vorgehen in manchen Praxen schon etabliert

� manchmal werden viele kleinere Ereignissebesprochen, nicht komplex genug, um lange Diskussion zu rechtfertigen

� Zusammenfassen mehrerer ähnlicher Fälle eignet sich, um bestimmtes Verfahren neu zu organisieren , dabei muss Diskussion in die Tiefe gehen

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SEA – Beispiel

� Plötzlicher Herzinfarkt eines 40-jährigen PatientenSEA:� Er war nur selten wegen banaler Infekte in Praxis� Bisher war keine Gesundheitsuntersuchung gelaufen,

Lipidwerte unbekannt� Verbesserungsvorschlag des Teams: Es wird

regelmäßig überprüft, ob alle Patienten bereits an Gesundheitsuntersuchung teilgenommen haben, wenn nicht, werden sie beim nächsten Besuch angesprochen.

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RCA in der Praxis

� Identifikation der „unsicheren Handlungen“� strukturierte Einzelinterviews mit involvierten

Mitarbeitern mit Hilfe eines Fragebogens� Fragen zu 8 Bereichen: Arbeitsbedingungen,

Patienten-, Team-, Mitarbeiterfaktoren, Art der Aufgabe, Organisations- und Managementfaktoren, Sicherheitsbarrieren, Verbesserungsmöglichkeiten

� Zusammenfassung des Ereignisses und gemeinsame Suche nach Verbesserungsstrategien

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Praxistest – RCA

� Struktur des Fragebogens hilft, in kurzer Zeit– unsichere Handlungen und– verschiedene latente Bedingungen zu

erkennen– Verbesserungsvorschlag zu erarbeiten

� wenige Interviews sind meist ausreichend, da Ereignisse nicht so komplex sind

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