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Verlag Museum Baviera

Bernhard Schobinger

Schmuckobjekte aus den Jahren 1968–1996ausgewählt und von Kommentaren begleitet

Mit einem Nachwort von Caroline Kesser

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Impressum

Herausgeber: Museum Baviera und Bernhard SchobingerZur Ausstellung vom 23. Nov. 1996–31. Jan. 1997Normalausgabe 1–1000 Arabisch numeriert und signiertVorzugsausgabe 1–50 Japanisch numeriert und signiert, begleitetmit einer überarbeiteten Layoutdoppelseite und einer Kleinplastik.Autoren: Caroline Kessler, B.S.Idee und Gestaltung: B.S.Fotografie: Annelies ̆Strba mit Sonja und LindaSachaufnahmen: B.S.Lithos: Sepp Thalmann, Lithoatelier, 8832 WollerauSatz und Druck: Theiler Druck AG, 8832 WollerauEinband: An der Reuss AG, 6014 LittauVerlag Museum Baviera, Zwinglistr. 10,CH-8004 Zürich/Schweiz, Tel. 01-24129 96

© 1996 Caroline Kessler, Annelies ̆Strba, Bernhard Schobinger, Museum BavieraPubliziert mit Unterstützung des Bundesamtes für Kultur

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Dank

Dank zuallererst an Annelies für ihre Bilder, Sonja und Linda fürdie ausdauernde Treue bei der Realisation der Porträtaufnah-men.Dank an Caroline Kesser für ihren Text und das Redigieren mei-nes Manuskripts, das zu veröffentlichen ich nicht gewagt hätte.Dank an Hans Mühlemann für seine Geduld am PC bei derUmsetzung meiner gestalterischen Ansprüche.Dank an Silvio Baviera für seine unvoreingenommene Bereit-schaft zur Publikation dieses Buches. Dank dem Bundesamt fürKultur für die finanzielle Unterstützung.

Meiner MutterAllen Buddhas der drei Zeiten:Der Vergangenheit, der Gegenwart und der ZukunftZu Füssen gelegtIm Bewusstsein der grossen Unzulänglichkeit meines Bemühens

Der Plattkopf*B.S.

* Mit diesem Spitznamen wurde ich, nicht unzutreffend, von einem meiner Internatslehrer bedacht

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Meine Mutter (1904–1995) und ich mit acht JahrenZürich, 8. Dezember 1954

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Aus dem Aufsatzheft der 6. Klasse

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Büchsenöffnerarmband 1977Gold, Büchsenöffner

Die Armspange entstand unter dem Eindruck eines präkolum-bischen Armschmucks aus Peru, den ich in einer Ausstellunggesehen hatte. Er bestand lediglich aus einem spiralig gerolltenGoldblech, ohne jede Verzierung. Ich assoziierte damit jeneBlechspiralen, die sich beim Öffnen gewisser Dosen ergeben. Ineiner weiteren Variante vertauschte ich die Materialien: derSchlüssel ist dort aus Gold, die Spirale aus Blech.

Flaschendeckelring 1979

Aus dem bedruckten französischen Flaschendeckel wurde einLoch gestanzt und dessen Rand mit einem goldenen Reif ver-sehen.

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7Sonnenbrillenpektorale 1979

Entstanden während der Freundschaft und Zusammenarbeit mitFranz Eggenschwiler. Die durch Hitzeeinwirkung verformte Kindersonnenbrille ist in Silber abgegossen, schwarz sulfiert undhängt an einer blassgoldenen Büroklammer, diese in einerSicherheitsnadel aus Rotgold, das ganze an einem feingliedrigenSilberkettchen. Die Geschichte endet mit einem Federring.

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News in Paper 1981HalsschmuckGolddraht, Zeitungspapier

Die Aufnahme dieses Stücks machte ich für meine erste eigen-ständige Publikation (Eiszeit-Juwelentraum(a), 1981) in symbio-tischer Zusammenarbeit mit Annelies, die sowohl als Trägerin derObjekte wie auch als Verantwortliche für die Umsetzung meinerFotos in druckreife Abzüge unersetzlich war.Gibt es Wertloseres als die verblasste Aktualität von Boulevard-zeitungen?

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Pfännchenring 1979Plastik, Gold, Kobalt

Feiner Kobalt- und Golddraht dient als stabile Verbindung zwischen Händchen und Pfännchen, in welchem gerade Goldausgeschüttet wird, und bildet gleichzeitig drei Fingerringe. DieFingerringe im Fingerring. Rekursivität ist entstanden!

Kopflosohrschmuck 1984Kunststoffe, Golddraht

Ein Miniaturpüppchen, kopflos in die gegebenen Umstände ver-strickt.

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Tonga 1981Halsschmuck

Scherben: (v.r.n.l.) Fensterglas rot bemalt, blaues Überfangglas,Flaschenglas transparent, Drahtglas, Autorückspiegel; Verbin-dungen aus Silberdraht.

Nur sauber gekämmt sind wir wirklich frei 1983

Kämme aus farbigem Kunststoff, Verbindungen aus Kobaltdraht

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Halsschmuck mit Kupferblech und grüner Glasscherbe 1986

Das Kupferblech, dessen Spitze zu einem Haken umgebogen ist,bildet Verschluss und Endstück einer Kette aus Chromstahldraht.Die Enden der unregelmässigen Glieder überkreuzen sich undsind an der Schnittstelle verlötet, scheinen aber nur gebogen zusein. Eine dazwischengehängte grüne Flaschenscherbe erzeugtein angespanntes Gleichgewicht.

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Dreiklangdimensionen 1986Halsschmuck

Geschmiedetes Goldblech, Titanzinkblech mit der Schere ge-schnitten, Heliotropplatte gesägt und gebrochen, Chromstahl-draht.

Halsschmuck mit rotem Holz 1985

Holz rot bemalt, Ebenholz, Elfenbeinabfall (das Geschenk einesGeigenbauers), Silberblech, Silberdraht.

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Halsschmuck mit roter Feder 1985

Perlen aus dem Biwasee (Japan), Ebenholz, Arafeder, Elfenbein(unverwertbare Teile der Zahnoberfläche), Perlmutt von Aba-lonenmuschel, Silber.

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Montezuma 1986HalsschmuckLapislazuli, Kobaltdraht von 0,3 mm Durchmesser

Die Umrisse der 3 mm dicken Platte sind zum Teil gesägt , zumTeil gebrochen, einzelne sind gesägt und gebrochen.

Halsschmuck 1985

Sieben Elemente aus afghanischem Lapislazuli, sieben Rosen-quarzkugeln, Golddraht, Kettenglieder aus Silber.

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Sonnenrad 1987HalsschmuckJade (Nephrit), Jaspis, Gold

Die neun Steinelemente, ohne Vorzeichnung aus Platten gesägt,sind auf der Oberfläche schwach anpoliert, damit sich die Säge-spuren des rotierenden Diamantblattes abzeichnen. Die Gold-zeichnung auf den drei roten Jaspisplatten repräsentiert die Son-nenstrahlung. Als Verbindungselemente der Steinplatten dienendünne Plättchen und Ringe aus Gold. Der Form, Struktur, Orien-tierung und Abfolge der Elemente liegt die Idee der fortwähren-den Drehung und Ausdehnung zugrunde.

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Halsschmuck 1988

aus vier gesägten Karneolplatten und vier barocken, poliertenBergkristallen mit Verbindungen aus Chromstahldraht. Von Handgemachtes Sicherheitskettchen aus Chromstahldraht.

Der blaue Weg 1986Halsschmuck

Die elf mit Chromstahlringen verbundenen Platten aus Blauquarzbeschreiben nach aussen ein Quadrat.

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Halsschmuck 1986

Drei roh gebrochene Citrine, drei Titanzinkbleche (Abfälle) mitKratzzeichnungen, Verbindungen aus Chromstahldraht.

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Curlingring 1979

Gold 750, Kieselstein poliert

Halskette 1986

Rosenquarz, Rauchquarz, Turmalinquarz, Bergkristall, Mond-stein, GoldDas Schloss ist im Stein versenkt.

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Blitzableiterkette 1986Kupfer feuervergoldet, Rutilquarz, Chromstahlkabel

Die Blitzableiter habe ich während des Abbruchs alter Häuser inmeiner Nachbarschaft in handstreichartigen Aktionen von denDächern geholt. Nicht selten sind diese Installationen weit überhundert Jahre alt. Zuoberst auf den Firsten richten sie ihre blan-ken Spitzen wie Lanzen himmelwärts. Diese Spitzen, die dazu dasind, die gewaltige Energie der Blitze zu empfangen, bestehenaus feuervergoldetem Kupfer. Der untere Teil ist eine schmied-eiserne Stange, von welcher ein dicker Kupferdraht zur Erdeführt. Ein alter Blitzableiter hat etwas von einem Apotropäum undweist in eine mythisch-animistische Welt zurück, während sichdie modernen Anlagen durch zeitgenössische Nüchternheit aus-zeichnen. Geladen und geheimnisvoll sind sie allemal Mittlerzwischen oben und unten. Wieviele Blitze sie zur Erde geführthaben, wissen die Götter, allen voran der blitzeschleuderndeZeus. In meiner Kette finden sie im Blitzen der Rutilnadeln in denKristallkugeln einen optischen Reflex.

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Kette 1989Scheiben und Zylinder aus Chromaventurin

Das gleiche Mineral befindet sich auch in der Kette «Dem letztenInka: Atahualpa» von 1993.

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Halsschmuck 1990

Lapislazuli, Citrin, Rauchquarz, Bergkristall, Rosenquarz, Kiesel-steine, Chromstahldraht.

Halsschmuck 1994

Rauchquarz, Rutilquarz, Amethyste, Citrine in Silberfassungenverbunden mit Kupferdraht.

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Halsschmuck 1990

Zwei Malachitstücke gesägt, gebrochen und gebohrt, zwei Berg-kristallspitzen gesägt und gebohrt, Verbindungen aus Kupferrohrund Chromstahlkabel.

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Kette 1990Onyx, Kupfer, Nylonschnur

Zwischen sieben auf Nylonschnur aufgezogenen Onyxkugelnbefinden sich Abschnitte von alten Wasserleitungen, derenEnden konisch ausgeweitet wurden. Die Kette kann auch doppeltgetragen werden.

Bruchring 1988Lapislazuli, Blattgold

Der Ring wurde aus einer natürlich gebrochenen Platte geschlif-fen. Die Bruchfläche ist blattvergoldet.

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Kette 1989

Zwei Bergkristallplatten graviert, Berkgkristall- und Rauchquarz-kugeln, silberverlötete Chromstahldrahtglieder als eine Art«Makrofiligran».

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25Vorhangschienenarmreif 1991

Auf einer alten, zur Spirale gebogenen Vorhangschiene aus Kup-fernickel sitzen 21 runde Mondsteine, in silberne Zargen gefasst.Unter den Steinen wurde das Metall ausgesägt, wodurch sie aufder Rückseite wie Bullaugenfenster erscheinen.

Armspange für eine Handharmonikaspielerin 1985

Silber geschwärzt, Perlmutter

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Perlen auf Brokat 1995Ring

Durch ein aufgerolltes geflochtenes Band aus Goldbrokat sind inverschiedene Richtungen dünne Chromstahlstifte gesteckt, dieden Ring stabilisieren. An beiden Enden der Stifte befinden sichkleine Perlen, die den Abschluss entschärfen und gleichzeitig dasHerausfallen verhindern.

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Quecksilberspirale 1971Armreif

Meine erste Arbeit mit Quecksilber bestand aus dünnen durch-sichtigen PVC-Schläuchen, in die ich das flüssige Material zusam-men mit Petroleum einfüllte und verschweisste. Das Quecksilber,das ich über Jahre in einer gläsernen Apothekerflasche sam-melte, stammte von Kippschaltern, die ich aus alten Elektro-boilern ausgebaut hatte. Wer kennt nicht die Faszination desSpiels mit den flüchtigen Tropfen? Später realisierte ich Armreifeaus von Hand über der Flamme gebogenen Acrylglasrohren (s. Abb.), deren Enden ebenfalls verschweisst und mit goldenenKappen kaschiert waren.

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Die sieben Säulen der Weisheit 1994Armschmuck

Sieben sehr schlanke Bergkristallspitzen wurden in ihrer Längs-achse durchbohrt und durch Verbindungsglieder aus Kobaltdrahtzusammengehängt.

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29Sechs mal sechs 1992HalsschmuckBergkristallspitzen, Azuritgeoden, Chromstahldraht

Die hexagonale Struktur, die im Habitus des Quarzkristalls zumAusdruck kommt (der Bergkristall besitzt sechs Kanten und sechsFlächen), hat die Konstruktion des Objekts bestimmt. Die Quarz-spitzen und Azuritgeoden (Geoden sind in blasigen Hohlräumenauskristallisierte Mineralien) bilden ein regelmässiges Sechseck.

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Halsschmuck 1989

Bergkristallspitzen, gebohrt und auf ein Chromstahlkabel auf-gezogen, dazwischen kleine rote Korallen und schwarze Turma-line.

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31Halsschmuck 1990

Längs- und quergebohrte Bergkristallspitzen, stellenweise mitroter Kunstharzfarbe bemalt und kettenartig mit feinem Kobalt-draht zusammengehängt.

Schlüssellochkette 1991

Drei rautenförmige messingene Schlüssellochbleche sind wieSchlangenköpfe zwischen Bergkristalle gereiht. Die Schlangenfolgen sich in einer endlosen Linie. Sie können einfach wie zwei-fach geschlungen getragen werden.

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Pektorale mit zwei schwarzen Quadraten 1988Onyx, Gold, Nylonschnur

Zwei schwarze quadratische Onyxplatten hängen - die einegerade, die andere um 45 Grad gedreht - an goldenen Ringen,die goldene Röhrchen abschliessen. In den Röhrchen verläufteine Nylonschnur als unsichtbare Verbindung. Auf der seiden-glänzenden Oberfläche der beiden Quadrate hat ein goldenerStift eine Zeichnung hinterlassen. Im Gegenlicht zeigen sich inden schwarzen Platten durchscheinende Monde und Kreise, dievon der Wachstumsstruktur des Achats herrühren.

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Dem letzten Inka: Atahualpa 1993Halsschmuck

Chromaventurin, Feingoldblech, ChromstahlkabelDie Steinzylinder sind laut Auskunft der Steinschleiferei überzäh-lige Teile eines Auftrags für den Sultan von Brunei. Auf meinenWunsch hin wurde mir das in Arbeit befindliche Objekt gezeigt.Es handelt sich um einen kleinen Baum von ca. 2m Höhe. Stammwie Äste aus Chromaventurin, die Blätter aus Jade, Blüten ausRosenquarz. Durch Bohrungen in den Steinen wird verstecktWasser geführt, das auf Blätter und Blüten tropft. Die überschüssi-gen Steinzylinder wären zersägt und zu konventionellen Formengeschliffen worden. Mir waren sie in ihrem Zustand geraderecht. Für den einen unbrauchbar, für den andern gut genug.

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Werfuchs oder Werwolf 1989Armreif

Feingoldblech aus einem ausgewalzten 100-Gramm-Gold-barren. Mit einem Beil habe ich die Figur des Tiers spontan in dieglatte Blechoberfläche geschlagen.

Armband 1990

Silber, Kupfer, Titanzink, Zinnlot

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Kette 1989/91

Barren aus Elektrolytkupfer (Dicke 1–3 mm). Die äusseren Kontu-ren der Elemente sind teilweise mit einer grossen Blechscherezugeschnitten, die Ausschnitte in den Flächen mit einem scharfenMeissel «ausgenagt», alle Schnittkanten danach entgratet undentschärft. Die Löcher für die Verbindungsringe aus verzinktemEisendraht sind nicht gebohrt, sondern gestanzt, was die gleichecharakteristische Verformung hinterlässt.

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Insektengesicht 1993Ring

Abgegossene Kinderhaarspange aus Shakudo (gold-kupferleg.). In silbernen Fassungen: 1 Türkis, 1 rote Koralle, Horn.

Armband 1992Jade (Nephrit), Silber, rote Koralle, Kupfer, Stahl

Die einzelnen Glieder des Armbandes wurden aus einem Blockgesägt und so lange getrommelt, bis alle Kanten genügend ab-gerundet waren. Dieses Verfahren funktioniert nach dem Prinzipdes Wellenschlags an einem Sandufer oder dem des Bach-geschiebes. Man erreicht die gewünschte Abnützung, indemman die Stücke zusammen mit Schleifkörpern in einer Holz-trommel rollt. Diese Arbeit kann mehrere Tage beanspruchen. DieNephritelemente werden durch zwei Chromstahlkabel zusam-mengehalten. Das Verschlussscharnier besteht aus Silber, die Verschlussstange aus Kupfer mit einer roten Koralle als Griff undMarkierung.

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Schlangenring 1985Platin

Von einem 2mm dicken Platinblech ist mit einer Blechschere einStreifen abgeschnitten, was die Struktur der Stirnseiten leichterkennen lässt. Ein kurzer Einschnitt am einen Ende formt denKopf der Schlange. Die spiralige Wicklung ergab sich schon ausdem Abscheren, es wurde ihr lediglich etwas nachgeholfen. 13kleine Brillanten repräsentieren die ungenaue Regelmässigkeitder Muster von Schlangenhäuten.

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Tierbrosche 1988Silber, Silberlot

Ursprünglich die Spätfolge eines antiautoritären Reflexes ausmeiner Lehrzeit, der im Vergnügen an der Übertretung von Ge-setzen und Vorschriften des Handwerks gipfelte. Die Unsicht-barkeit von Lötfugen gilt in unserem Fach als unumstösslichesDogma. Ich verzichtete bei obigem Beispiel nicht nur darauf, dieLötverbindungen zu verputzen, sondern betonte sie noch miteinem Übermass an Lot. So brachte mich die einstige Provokationauf ein neues Gestaltungsmittel.

Victorinenbrosche 1987

Ein goldener Zweig mit fünf über die ganze Länge verteilten Blät-tern aus Weissgold (die Blattnerven sind eingekratzt) endet ineiner Blüte mit einem Brillanten als Stempel. Die Blüte selbstbesteht aus einer goldgefassten antiken römischen Gemme, dieich 1971 bei einem Händler in Tunis erstanden habe. In demnegativ geschnittenen Bild ist eine Victorine (Siegesgöttin) darge-stellt, die in ihrer Hand einen Blütenzweig hält, dank dem dieGeschichte in selbstbezüglichen Schlaufen unendlich weitergeht.

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Maiglöckchenstrauss 1989BroscheChromstahl, Silber, Gold

All meine Blumenobjekte sind eine Antwort auf die tödlich ab-gedroschenen Blütenmotive im Schmuck der letzten hundert Jahrevon Fabergé bis Cartier. Deren ungebrochenem Naturalismushielt ich die Gebrochenheit der Gegenwart entgegen, wasjedoch nicht die Preisgabe des botanischen Infinitifs bedeutet.Ein Ausdruck des Zugrundegehens.

Rohrkolben 1986

BroscheSilber, Titanzink, Kupfer

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Iris 1988

Silber oxydiert und graviert, Gold, Achat

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.Vogelkette 1984Schmiedeisen, Farbe

Wie vieles andere, das ich verwende, stammen die Haken vonFensterläden aus dem Fundus der Abbruchhäuser in der Nach-barschaft. Fein geschmiedet und individuell geformt reichen diese Unikate in die vorindustrielle Zeit zurück. Jeder dieser«Vogelköpfe» besitzt eine eigene Physiognomie. Sie sind zueiner Kette ohne Anfang und Ende verbunden und verkünden, ineinen neuen Zusammenhang hinübergerettet, das nach-industrielle Zeitalter. Im Gegensatz zu anderen bildenden Künsten wurde die Goldschmiedekunst rasch durch die Industrievereinnahmt, ein beinahe tödliches Verhängnis. Kunst wurde von«Design» abgelöst. Einige wenige kommerzkritische Guerilleroserkannten in den Nischen die Freiheit eines neuen künstlerischenAusdrucks.

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Halsschmuck 1991

Aus ihrer Kunststoffummantelung ausgebaute und ausgeglühteElektrodrahtklemmen sind auf ein Chromstahlkabel aufgereiht.Stücke von Feingolddraht ersetzen das Kupfer der Klemmen. DerVerschluss besteht aus einem Element, dessen Schraubenköpfedurch Rädchen vergrössert sind, was das Anziehen von Handermöglicht. Die Enden des Kabels sind durch Silberlotkügelchengesichert.

Springender Fisch 1988OhrschmuckEdelstahl, Silberlot

Ein Fisch fällt in die Kreise zurück, die sich durch sein Aufsprin-gen auf der Wasseroberfläche gebildet haben.

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Exposition-Explosion 1987Ohrschmuck in zwei AktenOnyx, Gold

Die konfektionierte Verzweifachung bei Ohrschmuck verdoppelteinzig dessen Banalität. Ich habe es schon gesagt, Symmetriensind langweilig. Dabei sind die Möglichkeiten zur kreativen Aus-lotung dualer Themen schier unerschöpflich und gerade deshalbinteressant. Nur zwischen Verschiedenartigem kann Spannungentstehen. Dass Asymmetrie Harmonie und Ausgewogenheitnicht ausschliesst, habe ich von den Japanern gelernt.

Ohrschmuck in Form eines Granatapfels 1989

Patiniertes Kupferblech, Gold

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Sonnenscheibe 1984OhrschmuckGold

Das Objekt ist Teil eines Konzepts (vgl. weiter hinten «Sonnen-finsternis», 1989).

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Zwei Gussringe 1984oben: Eisen, unten: Alpacca

Die beiden Exemplare gehören zu einer Serie von Ringen, die inWachs modelliert und im «Cire perdue»-Verfahren in verschiede-nen Metallen (Gold, Silber, Eisen, Kobalt, Bronze, Alpacca)gegossen wurden. Als «menschliche» Spur sind die Eindrückemeiner Fingernägel im Wachs erhalten geblieben. Unter denTauchfunden, die ich vor zwanzig Jahren im Zürichsee machte,befinden sich Keramikscherben mit ornamentalen Abdrückenweiblicher Fingerkuppen. Auf diesen Fragmenten aus der jung-steinzeitlichen Kultur der sogenannten Schnurkeramik, Rand-partien von Gefässen, ist selbst die Länge der Fingernägel zuerkennen.

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Holzkohlenkette mit Fundobjekt 1986

Holzkohleästchen, wie sie zum Zeichnen gebraucht werden, sindmit feinstem Kobaltdraht (Durchmesser 0,3mm) kettenartig ver-bunden. Im unfixierten Zustand färben sie alles, was mit ihnen inBerührung kommt, mit Kohlestaub. Im Zentrum hängt ein gerun-deter kompakter Knäuel aus Schokoladenpapier (Alu), den ich1980 vom Themseufer als Souvenir mitnahm.Eine ähnliche Kette machte ich für Annelies, eigens zur Eröffnungmeiner Ausstellung in der Galerie Peter Noser in Zürich am 21. November 1987. Zwischen die Holzkohleästchen reihte ichkristalline weisse Kampferkugeln (Mottenkugeln). Unauffällig aufdem weissen Kleid, verströmten sie ihren unverkennbaren Duft indie Vernissage-Atmosphäre. Die Holzkohle hinterliess ihre dunklen Spuren des «Gebrauchs».

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Klemmringe 1987links: Kupfer gehämmert, schwarzer Brillantrechts: Feingold gehämmert, schwarzer Brillant

Die Steine werden einzig durch zwei kleine Einschnitte links undrechts im Querschnitt des Rings festgehalten. Eine erste Aus-führung dieser Fassungsart stammt von 1978.

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Klemmring 1986

Zwischen den beiden überlappenden Enden eines gebogenenKupferrohrs (alte Wasserleitung) sitzt eingeklemmt ein kleiner Brillant. Die Oberfläche des Rohrs ist graviert.

Gewindekopfring 1993Eisen, Silber, schwarzer Diamant, Rubin

Das abgesägte Ende einer eisernen Wasserleitung, deren Rohr-querschnitt sich bei eingehender Betrachtung in den gähnendenSchlund eines Monsters verwandelt. Ein Rubin und ein schwarzerDiamant, beide in Silber gefasst, bilden die Augen eines Wesensaus der Unterwelt. Wasserleitungen befinden sich bekanntlichtief unter dem Boden.

Gewindeklemmring 1996

Ein natürlicher blauer Zirkon ist in das abgesägte Gewindestückeines bronzenen Wasserhahns gespannt. In den Gewinde-gängen befinden sich Kalkablagerungen.

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Flaschenhalskette 1988

Zwölf abgebrochene Flaschenhälse auf eine rot eingefärbteSchnur aufgezogen, die Bruchkanten entschärft. Die Fragmentehabe ich in einer überwachsenen Mülldeponie eines ehemaligenLuxushotels am Waldrand von Melide (Kt. Ticino) ausgegraben,die ich beim Pflanzen von Bäumen zufällig entdeckte.

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Gabelzinken-Halsschmuck 1992

Zinken von verschiedenen Silbergabeln, zum Teil mit an den Spitzen angelöteten Silberkugeln. Die Kettenverbindungen be-stehen aus feinem Kobaltdraht. Die Enden der Kettenglieder wurden mit Silber verlötet undweder abgebeizt noch verputzt. Spuren des Prozesses sollensichtbar sein. Wie beim «Wutobjekt» sind die Spitzen mit einerArmierungseisenschere abgekluppt. Diese habe ich zum erstenMal 1978 bei einem silbernen Armreif verwendet, den ich voneinem 8-mm-Durchmesser-Armierungseisen abgoss.Nicht die Zähne eines Tigers dienen als Trophäe, sondern derErsatz in Form von Gabelspitzen. Beide sind Werkzeuge zur Ein-verleibung von Nahrung (Fleisch). Das «Ursprüngliche» kommtneuzeitlich zum Ausdruck.

Wutobjekt 1992Brosche

Die Hiebe in der alten Silbergabel stammen von einem Beil. DieGabelspitzen sind teils von Hand, teils mit einer Zange abge-bogen, der Gabelgriff ist mit einer Armierungseisenscheregekluppt. Auf der Rückseite befindet sich eine Nadel aus Kobalt-draht.

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Halsschmuck aus alten Farbstiften 1983

Nach dem Tod meiner Tante Paula kamen diese alten Farbstifte ineiner Schublade des Sekretärs zum Vorschein. Ich konnte michgut daran erinnern, dass ich in meiner Kindheit oft mit ihnengezeichnet hatte, wenn ich bei der Tante zu Besuch war.

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Brosche 1985Holz, Farbe, Perlen, Weissgold

Ein kleines Stück Holz treibt im Wasser. An seinen Seiten haftenSchaumblasen in Form von Perlen. Durch das auf der Vorderseiteweiss bemalte Holzbrettchen ist ein Weissgolddraht geführt, dessen Enden auf der Rückseite in eine Nadel und deren Ver-schluss münden.

Blume auf weisser Porzellanscherbe 1995Halsschmuck

Porzellan, Kupferdraht, mit Blüten bedrucktes Stoffband, eine gelbe und eine weisse Sicherheitsnadel als Verschluss.

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Verpechte Perlen 1996Halsschmuck

Eine zweireihige Kette aus Perlenimitaten mit heissem Pech ver-schmiert.

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Linda mit Silikonhalsschmuck 1993HalsschmuckSilikon, Süsswasserperlen

Das Silikon habe ich aus einer Spritze, wie sie für Dichtungs-zwecke verwendet wird, direkt auf eine anatomische Plexiglas-büste aufgetragen. In die noch klebrige plastische Masse streuteich die Perlen. Silikon und Perlen ergeben zusammen die Wirkung von Laichgelegen, wie sie bei Fischen und Lurchen vor-kommen.

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Plus-minus 1994Armband

Verbindungsschlauch einer Fahrradpumpe mit textiler Ummante-lung und Endstücken aus Messing, die als Verschluss benützt wer-den können. Umwicklung aus Golddraht und Sicherheitskettchen.

Döschenring 1992Farbdöschen von Goldbronze, Goldbronzefarbe, Gold, Süss-wasserperlen, Farbe.

Ursprünglich war das Döschen mit Goldbronze gefüllt. Restedavon sind im Innern und auf dem Deckel als vertrocknete Krusteerhalten. Wie aber kommen die Perlen in den Deckel? Zwei kreis-runde Löcher, die aus der Blechwand geschnitten und an denscharfen Stirnseiten mit einem Goldrand eingefasst wurden,machen das Geheimnis tragbar. Der Deckel kann abgehobenwerden.

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Bambusarmreif 1995

Den Abschnitt eines riesigen Bambusstamms fand ich am Ufervon Matsushima, der berühmten Meeresbucht bei Sendai mit denHunderten von kiefernbewachsenen Inselchen und Klippen, einerder drei wichtigsten landschaftlichen SehenswürdigkeitenJapans. Zu Hause habe ich mit einer Stichsäge die Formen vonDreieck, Kreis und Quadrat aus der Röhrenwand geschnitten unddie Schnittflächen mit selbstgemachtem Lapislazulipigmentbemalt.

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Matrizenarmspange 1992

Die Magnesiummatrize mit der Aufschrift «Grassimuseum», inmeiner Schreibschrift erhöht und spiegelbildlich geätzt, habe ichfür eine Sonderprägung des Einbands vom Sonnesäge-Buch1991 anlässlich der Ausstellung im Grassimuseum in Leipzig hergestellt. Die Länge des Wortes entsprach genau dem Umfangeiner Armspange. Die Zeichen wirken rätselhaft. Mit dem Stempelkissen eingefärbt und auf Papier oder in Teig abgerollt,wird ihre Bedeutung klar.

Buchstabenarmband 1992Buchsholz, Kupfer, Messing, Stahl, Gold

Die typographischen Lettern fand ich auf einem Flohmarkt inAmsterdam. Die Reihenfolge der Buchstaben ist variabel. Zweidünne Chromstahlkabel geben der Verbindung die gewünschteBeweglichkeit. Der Verschluss ist unsichtbar angelegt. Im ge-öffneten Zustand ergibt die Buchstabenreihe einen Druckblock,von dem Abzüge gemacht werden können. Durch die Überlängewirken die Lettern eher als abstrakt-konkretes Muster denn alsText.

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Medusenring 1992Messing, Gold, Onyx, Schichtachat, Karneol, Sarder

Auf eine Sechskant-Schraubenmutter sind sechs Zargenfassun-gen aufgelötet, in diesen befinden sich sechs in Farbe und Formverschiedene Siegelringsteine. Einer davon ist graviert (sog.Gemme) und zeigt ein Medusenhaupt in der typisch klassizisti-schen Manier vom Ende des 19. Jahrhunderts. Mit einem zahn-technischen Diamantfräser wurden in zwei weitere Datum undInitialen eingraviert.Zwischen dem Umriss der Steine und der äusseren Form der Mutter besteht eine formale Verwandtschaft (Spitzbögen) undinnere Logik. Eines Tages kam die Gelegenheit, zwei Dinge, diemir einzeln zu banal erschienen wären, als dass ich sie verwen-det hätte, in einen Zusammenhang zu stellen, der mehr ist als dieSumme seiner Teile. Meine Objekte entstehen oft auf diese Wei-se. Ein Einfall stellt die Verbindung her, das nenne ich Intuition.P.S. Unter den Schätzen der karolingischen Sakralkunst existierenObjekte wie elfenbeinerne Buchdeckel, Kelche usw., in denenantike römische Relikte wiederverwendet wurden, im Wissen umderen Herkunft und Wert, aber auch im Bewusstsein der Un-erreichbarkeit ihres handwerklich-technischen und künstlerischenNiveaus.

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Lippenstift für Neandertalerin 1991RingKupfer, Gold, Silber, Carborundum

Sowohl das kupferne Rohrstück als auch das Fragment einesSchleifsteins sind Fundobjekte, die zufällig (wie immer) zusam-menpassten. Wie bei anderen durch Zusammenführung entstan-denen Objekten erweist sich die einmal getroffene Entscheidungals logisch und plausibel, obwohl sie einer unendlichen Beliebig-keit entsprang. Der Stein wird gehalten durch eine Reiheabwechslungsweise goldener und silberner Stifte, die als Punkte auf der Kupferfläche in Erscheinung treten.

Scharnierarmreif 1989

Sechzehn alte Möbelscharniere aus Messing, teilweise mit Bohr-löchern versehen, sind durch hohle silberne Achsen, an dereneinem Ende sehr kleine Brillanten sitzen, zu einem zweireihigenArmband zusammengehängt. Eine Achse kann herausgezogenwerden und dient als Verschluss. Die Scharniere erlauben auchein Umstülpen sowie das Zusammenklappen zu einem Block.

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Vogelkopfbrosche 1989Der innere Kreis, ausgesägt aus einem Fräsenblatt, das für einenArmreif verwendet wurde, hat seinerseits einen neuen Verwen-dungszweck gefunden. Mit einem groben Fräser wurde auf dasausgeglühte und oxydierte Stahlblech gezeichnet. Die Spitzeeines Rauchquarzes sitzt in einer silbernen Zargenfassung. Über-schüssiges Silberlot bildet einen Hof um das «Vogelauge».

Hasenbrosche 1989

Gefundenes Messingblech, zwei silberne LöffelstieleNennt man die Ohren des Hasen nicht Löffel?

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Brosche aus Fundobjekt 1979/1989

Stahlblech verzinkt und verrostet.

Brosche aus Fundobjekten 1989

Stahlblech verzinkt, Stahl, Kupfernieten

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Sägenkreuz 1988

Das aus Teilen einer zerbrochenen Eisensäge konstruierte Kreuzist mit sieben, in aufgelötete Silberzargen gefassten Diamant-rosen besetzt, die von alten, zerstörten Schmuckstücken stam-men. Durch das Loch am oberen Ende des vertikalen Balkens isteine dreifach verhängte, zu einem Kreis geschlossene Silberkettegeführt, die an einer roten Seidenkordel hängt. Das Objekt habeich in der Karfreitagnacht begonnen, während ich am RadioWagners Parsifal hörte, an Ostern beendet und Anneliesgeschenkt.

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Sägenpizza 1989Ohrschmuck

Die Beschreibung des Herstellungsprozesses hört sich wie einKochrezept an: In eine mit Teflon beschichtete Bratpfanne legteich vier vorbereitete silberne Zargen, die kleinen für das Loch indie Scheibenränder hinein. Bei mittlerer Temperatur drückte ichZweikomponenten-Araldit direkt aus den Tuben in die beidengrossen Zargen. Unter ständigem Rühren streute ich selbstleuch-tendes Pigment, wie es für Zifferblätter verwendet wird, in diezerfliessende Masse ein. Vor dem endgültigen Abbinden (Dauerca. 10 bis 12 Minuten) garnierte ich die Oberfläche mit Splitternder feinen Laubsägeblätter. Nach vollendeter Härtung des Kunst-harzes lösten sich die Kuchen von selbst vom Pfannenboden.

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Sägenkreuze 1992OhrschmuckStichsägeblätter, Feingold, Silber

An jedem der zwei Kreuze befinden sich fünf schnittförmigeDurchbrüche, den fünf Wundmalen Jesu am Kreuz entsprechend.Säge teilt, Kreuz definiert (Koordinaten).

Sägenring (für Walter Stürm) 1989

Bruchstück eines Eisensägeblattes, auf einen in Kobalt gegos-senen tropfenförmigen Ring aufgelötet.

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Holiday in Cambodia 1990

ArmreifSilber getrieben

Paradiesgarten 1990

ArmreifGold 750 getrieben

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Lichtgebohrter Diamant in archaischer Fassung 1991Ring

Der polykristalline Diamant wurde mit Laserstrahlen durchbohrtund ist in einer geschmiedeten Spange aus Feingold aufgehängt.Im Gegensatz zu Einkristallen können polykristalline Diamantenbisher nicht geschliffen werden. Das liegt an der für diese Körpertypischen gegenseitigen Durchdringung der Rhombenoktaederund -dodekaeder in verschiedenen Winkeln. Als härteste allerSubstanzen ist Diamant (von griech. adamas = der Unbezwing-bare) bekanntlich nur mit sich selbst schleifbar. Dabei werden diein verschiedenen Richtungen des Kristallgitters auftretenden mini-men Härteunterschiede ausgenutzt. Bei polykristallinen Körpernsind sie aufgehoben, das Schleifmittel findet nirgends einenAngriffswinkel.In einem wissenschaftlichen Periodikum las ich von Versuchen,Diamanten mit starken Lasern (sog. Yag-Neodym-Laser) zu bear-beiten. Die bei dieser gebündelten Form des Lichts konzentrierteEnergie ist so gross, dass der Kohlenstoff des Steins verdampft,während die Umgebung kalt bleibt. Es reizte mich enorm, miteiner so revolutionären Technologie ein Loch zu bohren. Die Realisierung des vorliegenden Rings war indes mit einigem Risikoverbunden. Zunächst galt es, jene Firma in Belgien zu finden, diebereit war, das Experiment zu wagen, selbstverständlich ohneGewähr. Bei meiner schliesslich erfolgreichen Unternehmungwar ich von der Vorstellung getragen, mit einem lichtdurchbohr-ten Diamanten einen Bogen zu spannen zu jenen antiken Roll-siegeln und ägyptischen Skarabäenringen, bei welchen die Steine ebenfalls durchbohrt und beweglich aufgehängt sind.Damit wird ein menschheitsgeschichtlicher Zeitraum von 5000Jahren überbrückt und relativiert.

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Ring 1992Feingold

Mit einem 2 kg schweren Hammer geschmiedet. Durch das Stehenlassen der Fuge (unverlötet) sind Anfang und Ende desSchmiedestücks deutlich erkennbar. Meissel mit rundem, drei- und viereckigem Querschnitt wurden in die Oberflächegetrieben.

Armreif 1992Silber 999

Der Armreif ist aus einem handelsüblichen Ein-Kilogramm-Barrenin einem Zug geschmiedet, unter Verwendung eines Zwei-Kilo-gramm-Schmiedehammers auf Amboss mit Dorn. Es gab keinenMaterialverlust, die erreichte Form entspricht dem ursprünglichenGewicht. Abschliessend mit einem Beil die Zeichnung in dieOberfläche geschlagen. Es existieren zwei weitere Schmiede-varianten.

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Brosche 1992Weissgold, Zuchtperle

Das Weissgold stammt von alten Solitärringen, aus denen dieDiamanten herausgenommen wurden. Auch die Perle ist wieder-verwendet.

Trigon Mars 1988BroschePlatinweissgold, weisser Saphir, Sternsaphir, Chalcedon, Mond-stein, Citrin, Chrysopras.

Das von Spannungen und Übereinstimmungen geprägte Be-ziehungsgeflecht zwischen sechs Beteiligten ist das Thema. DieGruppe der Steine basiert auf einer Vielfalt von Gemeinsam-keiten und Unterschieden in Form, Farbe und Beschaffenheit.Drei ovale, drei runde, zwei opake, zwei transluzide, zwei trans-parente, zwei facettiert geschliffene, vier bombierte, zwei farb-lose und vier farbige Steine fügen sich zu diversen Konstel-lationen. Im Grün des Chrysopras vereinen sich das Gelb desCitrins und das Blau des Saphirs.

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Gewindekopf 1992

RingRostiges Eisen, Silber, Diamant, zwei violette Saphire ausKaschmir

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Pianoforte 1995Halsschmuck

Aus dem fahrenden Auto heraus entdeckte ich, es war an einemSonntag, in einer Sperrmüllwanne ein Klavier, kopfüber. Ich liessAnnelies sofort anhalten, um das Objekt näher anzuschauen. DerVerdacht wurde zur Gewissheit: Die Tasten waren aus Elfenbeinund Ebenholz, wie bei alten Instrumenten üblich. Da es schon seiteiniger Zeit regnete, war es triefend nass und der Leim bereitsaufgeweicht. So konnte ich alles, was ich brauchte, ohne grosseMühe ablösen, von den Dorfbewohnern argwöhnisch beobach-tet. Für den vorliegenden Halsschmuck verwendete ich die Elfen-beinplättchen sämtlicher schmaler Tasten. Sie sind durchbohrtund mit feinem Kupferdraht kettenartig verbunden.

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Oben Feuer – unten Wasser 1992OhrschmuckAquamarinfarbige Spinelle, Feueropale, Gold

Das Thema entspricht einer bestimmten Konstellation des I Ging,und zwar dem letzten Zeichen (Nr. 64: «Vor der Vollendung») imchinesischen Buch der Wandlungen. Dies wurde mir aber erstbewusst, nachdem diese beiden Objekte vollendet waren. Ein-mal mehr bestätigt sich die Vermutung, dass das Unbewusste anGestaltungsprozessen nicht unerheblich beteiligt ist. Die aqua-marinfarbigen Spinelle sind in klassisch konventionellen Formengeschliffen. Gegen die Regeln des Handwerks verstossen die mit-ten durch die Steine gebohrten feinen Löcher, durch welche einGolddraht gezogen ist. Die roh gebrochenen Feueropale kontra-stieren mit den Aquamarinen, die das Wasser darstellen. Siebesitzen auch eine unmittelbare Beziehung zum Feuer, stammensie doch aus den Schloten von Vulkanen. Es handelt sich um einamorphes Glas, das im Zustand einer glühend flüssigen Masse inGesteinsspalten gepresst wurde. Glut und Feuer scheinen inihnen erhalten, und ich habe das Gefühl, sie seien noch immerheiss. Feuer über Wasser ist ohne Wirkung. Ist das Wasser überdem Feuer (vgl. I Ging Nr. 63: «Nach der Vollendung») löscht esdas Feuer, wenn es nicht schwächer ist und verdampft.

Drahtkette 1988

Kette aus von Hand gebogenen Drähten mit runden und recht-eckigen Querschnitten in unterschiedlicher Dicke aus verschie-denfarbigem Gold, Silber, Kupfer, Platin, Tantalum.

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Blumenring 1994

Der Ring besteht aus einem abgesägten Segment eines bronze-nen Wasserhahns. Die Spur der Säge ist in den Querschnittensichtbar. Das lebensspendende Element Wasser, das durch dieses Rohr geflossen ist, widerspiegelt sich in Form und Farbeder Türkise, die gleichzeitig als Blumen deutbar sind. Die übrigeFläche ist nahezu lückenlos mit einem blütenteppichartigenMuster ausziseliert. Durch die besondere Art der Fassung werdendie Türkise in die Gesamtstruktur integriert.

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Armreif aus Flansch 1993

Sechs Türkiscabochons in geschwärzten Silberfassungen auf derflachen Seite eines bronzenen Flanschs. Auf der Rückseite sindihre Basen als Vertiefungen sichtbar, in den Winkeln der erhöh-ten Sechskantschraube sitzen sechs silbergefasste Brillanten.

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Skarabäenring 1995

Gefundener Porzellanring, eingeschnitten und eingelegt mit einerBergkristallplatte und einer roten Koralle, deren Randfuge mitBlattgold belegt ist.

Brosche mit Türkisen 1985

Mit der Blechschere ausgeschnittenes Kupferblech, Türkise in silbernen Zargenfassungen, auf der Rückseite verschliessbareStahlnadel.

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Wie Tautropfen an der Sonne 1995Halsschmuck

Knochen aus dem Garten in Melide, graviert und mit Gold-bronze ausgelegt, alte persische Türkise in Silberfassungen, kleine Kugeln aus roten Korallen, rot gefärbte Hanfschnur.Die gravierte Schrift zitiert einen bekannten japanischen Sinnspruch, der die Vergänglichkeit aller Dinge thematisiert.Katachi aru mono minna horobiru: «Alles, was Form hat, ver-schwindet.»

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Erloschene Sterne in schwarzem Loch 1992BroscheJet, schwarze Diamanten, Silber

...in der Leerheit gibt es weder Formen noch Töne, weder Duftnoch Geschmack, weder Tastobjekte noch Vorstellungen...

Herz Sûtra

Auf einer scheibenförmigen Platte aus Jet (Gagat) sitzen sieben inSilber gefasste schwarze Diamanten im Brillantschliff. Die Silber-fassungen sind schwarz oxydiert, somit ist alles schwarz inschwarz. Jet ist eine bitumenreiche Form von Braunkohle, reines orga-nisches CO, entstanden aus Faulschlamm, und wurde bereits inder jüngeren Altsteinzeit für Schmuck verwendet. Dank der gerin-gen Härte konnte ich mit einer Messerspitze spontan in die tief-schwarze, seidenglänzend polierte Oberfläche zeichnen bzw.kratzen. Aus demselben Element CO, nur in einem anderenAggregatszustand, besteht der Diamant, eine weitere Form wäreder Kohlenstoff des Graphit, mit dem ich schreibe. Bekanntlichbesitzt der Diamant von allen Stoffen die grösste Härte. Im optischen Verhalten zeigt er Totalreflexion. WidersprüchlichePhänomene haben mich immer fasziniert. Beim schwarzen Diamanten wird das einfallende Licht absorbiert, d.h. verschlucktund gefangen. Nichts gelangt nach aussen, deshalb erscheint erschwarz. Ein Gegenstand wird sichtbar, weil wir die von ihmreflektierten Lichtstrahlen wahrnehmen können. Schwarz ist dieAbwesenheit von Licht. Schwarz in Schwarz wird unsichtbar: zunichts. Die Brosche auf schwarzem Kleid in einer Neumondnachtgetragen, ist inexistent, unsichtbar wie ein schwarzes Loch, dasselbst Lichtquanten verschluckt.

Himmelsring 1995Messing teilweise vernickelt, Diamant in Platinfassung, Türkis,Lapislazulipigment.

Das Verschlussteil des Ablaufstöpsels eines Waschbeckens,gefunden wie vieles andere auch in einem Abbruchhaus derNachbarschaft, wurde durch das Aussägen eines Lochs als Fingerring tragbar gemacht. Aufgefallen war mir das Stückwegen der exzentrischen Form seiner Zeichnung, die offenbardurch Korrosion entstanden ist. Das jahrelange, stetige Tropfendes darüber befindlichen Wasserhahns, wenige Milimeter ausdem Zentrum des Ablaufs verschoben, ist die Ursache. Wo der Wassertropfen die Nickelschicht traf, wurde diese abgetragen,bis das darunterliegende Messing gelb leuchtend zum Vorscheinkam und die restliche weisse Vernickelung als Mondsichel stehen-blieb. Ergänzt wird das Thema durch einen Stern in Gestalt einessilbergefassten Brillanten sowie die Bemalung des Unterbaus mitblauer Farbe aus selbsthergestelltem Lapizlazulipigment. DieHimmelsachse markiert ein halbrunder Türkiscabochon, der aufeiner verstellbaren Schraube sitzt, wodurch sich der Ring demFinger anpassen lässt.

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Sonnenfinsternis 1989HalsschmuckGelbgold 750, Email

Die sieben Scheiben habe ich ohne Entwurf aus dünngewalztemGoldblech mit einer Blechschere ausgeschnitten, ebenso spontanwurde das Email mit dem Pinsel aufgetragen und eingebrannt.Durch nachträgliches Mattschleifen der Emailierung (stellenwei-se) wurde die schwarze Fläche zusätzlich belebt. Die Verbindun-gen der Scheiben durch Ösen und Draht gewähren Beweglich-keit. Die Sonne umkreist den Hals. Es könnte aber ebensogut derMond sein; die Idee demonstriert Himmelsmechanik, Zunehmenund Abnehmen, bei der Sonne als Phasen einer Finsternis. Diebeiden Extremzustände voll und leer fehlen bewusst. Sie kommen losgelöst in Form von Ohrschmuck zur Darstellung, als schwarzeund goldene Scheiben.

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Meteoreisenring 1993Meteoreisen mit Feil- und Sägespuren, Feingoldtauschierung,schwarzer Brillant in Silberfassung.

Das Material stammt vom selben Meteoriten wie der «Mantra-ring». Fundort: Valle de Toluca (Mexiko). Aufgrund ihrer Selten-heit ist der Preis grösserer Objekte hoch. Um den Materialverlustso gering wie möglich zu halten, verwende ich entsprechenddünne Sägeblätter. Schnittreste, Säge- und Feilspäne werdensorgsam aufgesammelt und zum Giessen benützt (vgl. die Eherin-ge für Sonja+Olivier ). Vielmehr ist es aber die Ehrfurcht vor der Herkunft, die diesen Umgang nahelegt. Auf der Oberseite derovalen Fläche überschneiden sich die Umlaufbahnen zweierGestirne. Ein schwarzer Diamant, in schwarz oxydiertes Silbergefasst, korrespondiert mit dem Loch des Fingers.

Kulturgeschichtlich scheint das Eisen von Meteoriten aufgrundseines gediegenen Zustands zu den ersten Metallen gehört zuhaben, die der Herstellung von Werkzeugen dienten. Funde vonWaffen aus meteoritischem Eisen kennt man aus Ägypten undMesopotamien. Im British Museum in London wird ein 5000jähri-ger Dolch aus dem Grab von Tutanchamun (um 1350 v. Chr.)aufbewahrt. Auch aus Malaysia sind Dolche (Krise) aus Meteor-eisen bekannt. Von den australischen Aborigines wurde dasEisen von Thunda, Queensland, verehrt. In Nordgrönland liefer-ten tonnenschwere Eisenmeteorite den Inuit während Jahrhunder-ten das Rohmaterial für Werkzeuge. Im Kulturkreis des tibetischenBuddhismus und Lamaismus, der sich vom Himalaya bis in dieMongolei erstreckt, sollen bestimmte Kultobjekte wie Vajras (Dia-mantzepter), Phurpus (Ritualdolche) und gewisse Skulpturen wiezum Beispiel Vajrapani-Gottheiten aus Legierungen mit mehroder weniger grossen Anteilen Meteoreisen bestehen. Offen-sichtlich wurden der Materie aus dem Jenseits magische Eigen-schaften zugeschrieben. Wie aber konnte deren Herkunft erkanntwerden, ausser durch Beobachtung der Sternschnuppen? Natur-wissenschaftlich nachweisen lässt sich Meteoreisengehalt inschmiede- und gusstechnisch verformten Objekten bis heutenicht, was deren Reiz nur erhöht.

Meteorite sind Überreste aus der Bildungsphase des Sonnen-systems und nicht, wie früher angenommen, Bruchstücke eineseinzigen grossen Planeten. Nach dem heutigen Wissensstandstammen sie grösstenteils aus dem Asteroidengürtel zwischenden Bahnen von Mars und Jupiter. Ihr Alter wird auf viereinhalbMilliarden Jahre berechnet. Es ist somit die älteste unverändertgebliebene Materie. Raumsonden können die direkte geochemi-sche Analyse von Gesteinen nicht ersetzen. Meteorite enthalteneinen der wenigen Schlüssel zur Rekonstruktion der Entstehungunseres Sonnensystems. Als Träger jener geheimnisvollen Bot-schaft erinnern sie unwillkürlich an den Stein von Rosette. Erstdurch dessen Entdeckung, 1799, und der darauf folgenden

abenteuerlichen Entzifferung durch den Franzosen Jean-FrançoisChampollion wurde das Geheimnis der ägyptischen Hierogly-phen gelüftet. Der Stein enthielt denselben Text in hieroglyphi-scher und demotischer Schrift sowie in einer griechischen Über-setzung.

(vgl. Rolf W. Bühler, Meteorite: Urmaterie aus dem interplaneta-ren Raum, Basel, 1988)

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Meteoreisen-Armreif 1994

Der Kreisring mit annähernd quadratischem Querschnitt ist auseinem einzigen grösseren Meteorstück ausgeschnitten. Mit derFlamme eines Schweissbrenners wurde die Oberfläche an zweiStellen angeschmolzen, um damit die Wirkung von Hitze undVerflüssigung anzudeuten. Die Silhouette einer Mondsichel ist ineine der seitlichen Flächen graviert, ihr gegenüber sitzt ein kleiner weisser Brillant.

Die Eheringe für meine Tochter Sonja und ihren Gatten Olivier 1993Meteoreisen, Feingold, Gelbgold 750

Diese Eheringe für Sonja und Olivier sind der erste Versuch,Meteoreisen zu giessen. Ob dies unter den mir gegebenen tech-nischen Bedingungen möglich wäre, war völlig ungewiss. Aufder sehr kleinen gewölbten Fläche der Ringe ist ein Sternenhim-mel dargestellt, wo eine Sternschnuppe gerade zur Erde fällt. DieInnenseiten der Ringe sind mit Goldblech beschlagen. Zwei Ringe unter einem Himmel.

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Der Himmel-Erde-Ring 1992Knochen, Meteorit, Silber

In der Erde liegen die Zeugen vergangenen Lebens. Aus demWeltall erreichen uns Boten verflossener Zeiten.Der Ringkörper besteht aus einem Röhrenknochenabschnitt(Markbein), den ich beim Umgraben im Garten in Melide gefun-den habe. Er ist durch Witterungseinflüsse stark ausgebleicht. Einals Cabochon geschliffener, in eine silberne Zarge gefassterEisenmeteorit ist in die natürliche Hohlform des Knochens einge-lassen. Die gewölbte Oberfläche des Meteoriten wurde angeätztund zeigt als Folge die typische Kristallstruktur des Metalls in densogenannt Widmannstättenschen Linien.Ihrer geheimnisvollen Herkunft aus der Tiefe von Raum und Zeitwegen haftet den Meteoriten etwas Ungeheuerliches an. Meteorit wie Knochen repräsentieren Instabilität und Flüchtigkeitals universelles Prinzip, d.h. die Leerheit der Form. Katachi aru...Ob Lebewesen oder nicht, ob irdisch oder kosmisch. Das Zustan-dekommen des Ringes ist einer ganzen Kette von Zufällen zu ver-danken. Für den Zufall gilt, was Paul Feyerabend auf den Einfallbezog: «dass er von irgendwoher kommt.» Wie lange war dersterbliche Überrest des Urknalls unterwegs, bis er, vom Gravi-tationsfeld der Erde vor unbestimmter Zeit eingefangen, im DeathValley (!) abstürzte, aufgefunden, dann bei einem Händler entdeckt und gekauft wurde und zu guter Letzt genau in die Röhredes Knochens passte. Der Ring befindet sich heute in einerSammlung namens Graber (!).

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Meteoreisenring 1993

Meteoreisen als Guss, Kupfer, fünf Diamanten (2 rechts, 3 links)

Halsschmuck aus fünf Blitzableiterspitzen 1990

Fünf Blitzableiterspitzen (feuervergoldetes Kupfer und Patina),Rosenquarzkugeln mit matter Oberfläche, Chromstahlgabel,Gold.

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Meteoritencollier 1995

Fragmente von Eisen-Meteoriten verbunden mit Gold und Kobalt-draht

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Elefantenring 1993–1996Meteoreisen in Goldfassung, DiamantIn einer ersten Fassung ausgesägt und poliert.

Meines Wissens bis heute die erste Verwendung eines Diamant-cabochons in der Geschichte des Schmucks. Die Idee, einen Diamanten im Gegensatz zu den Brillantschliffformen als halb-runden Cabochon zu schleifen, liegt über zwanzig Jahre zurück.Zu meiner Enttäuschung konnte der Wunsch von keiner Schleife-rei erfüllt werden, stets wurde meinem Vorhaben das Argumentder technischen Undurchführbarkeit entgegengehalten. Wieweitdie damalige Begründung den Tatsachen entsprach, oder ob sienur eine Ausrede war, um eine unrentable Arbeit abzuwimmeln,entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls fand ich eine Firma, alsich schon längst jede Hoffnung aufgegeben hatte. Das Resultatliegt vor. 1994 erhielt ich eine erste Serie Diamantcabochons,entschied mich aber erst zwei Jahre später für die Verwendungim «Elefantenring». Der Name kommt von der Form, die einensehr reduzierten Elefanten darstellt. Wie ein Sattel sitzt der halb-runde, in Gold gefasste Diamant auf seinem Rücken.Die schwarze Oberfläche des Meteoreisens besteht aus einerdurch starkes Glühen erreichten Oxydschicht.

Ring 1994Geschmiedetes Meteoreisen.

Die Innenseite glasiert, sieben schwarze Brillanten in Silbergefasst.

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Schaukelring 1993Silber (sulfiert), Kupfer (oxydiert), Turmaline

Ein silberner Gussklumpen ist zu einem länglichen Block ausge-schmiedet. Deutlich sind die Schläge eines grösseren Hammersabgezeichnet. In diese grobe Form wurden vier präzise recht-eckige Löcher eingeschnitten, die als Fassungen für die Turmalinedienen. An den Metallkanten verhindern je sechs Druckpunktedas Herausfallen der Steine. Diese Art des Fassens habe ich inder Kugellagertechnik beobachtet, sie ist in der Goldschmiede-kunst noch unbekannt. Das ganze Oberteil ist beweglich ineinem Kupferring aufgehängt. Das Band aus dickem Kupferblechweist an den Seiten die typischen Spuren der Blechschere auf.Nur die scharfen Kanten sind abgerundet.

Meteoreisenring 1993Meteoreisen, pakistanischer Topas, Silber, Diamant, Glasur

Ein Stück kristallines Meteoreisen wurde zu einer Platte undanschliessend zu einer Röhre geschmiedet. Die dabei entstan-dene Form wurde ganz in ihrer rohen ursprünglichen Struktur undOberfläche belassen. Oben sind die beiden Enden von einer silbernen Fassung in Form einer 9 bedeckt und zusammenge-halten, diese wiederum fasst einen rohen Kristall von einem paki-stanischen Topas. Auf die Innenseite des Ringbandes ist eine farblose Glasur aufgeschmolzen, um Reaktionen der Haut aufdas Eisen zu vermeiden. Als Kontrapunkt zum rosa-gelben Topassteht ein weisser Brillant in silberner Fassung.

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Feuer-Wasser-Kette 1991

Fünf gelbrosa Edeltopaskristalle aus Katlang und fünf Aqua-marinkristalle (der kleinste davon noch mit dem Muttergestein ver-bunden) aus Gilgit in goldene Zargen gefasst und mit Golddrahtverbunden.

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Liegende Acht 1993/1968RingMeteoreisen gegossen und farblos glasiert

Die Acht als kontinuierliche Bewegung um zwei Zentren verkör-pert das Prinzip der Bipolarität.Die liegende Acht, mathematisches Zeichen für Unendlichkeit.Das Objekt bezieht sich auf ein Schlüsselwerk von 1968:«Unendliche Schleife», Gold 750, Rundprofil von 3 mm Durch-messer. Auf seine Vorgeschichte sei hier kurz eingegangen. Diezweite Hälfte der 60er Jahre präsentierte sich mir als eine Vor-wegnahme des «Anything goes» (Paul Feyerabend). In meinerGier nach Wissen und Erfahrung sog ich alles, was ich erreichenkonnte, mehr oder weniger unreflektiert auf, wie ein Schwamm.Die Vielfalt der Stile, die Verschiebung ästhetischer Paradigmenund die Freiheit, alles machen zu können, überforderten mich inmeiner eigenständigen, individuellen Entwicklung und führten zuRatlosigkeit. Mir blieb nur, jene zu beneiden, die ihren, wennauch nur vermeintlichen Stil bereits gefunden hatten. Zudem hieltich mich, und dies gilt heute noch, zu nichts besonders befähigt.Die Entdeckung der konkreten Kunst brachte die entscheidendeWende und befreite mich vom Zwang zum Individualistischen,von dem ich mir den Ausweg aus meiner Orientierungslosigkeitversprochen hatte. Fasziniert von ihrem Reinheitsgedanken, ihrerObjektivität und Nachvollziehbarkeit als sicherem Koordinaten-netz erklärte ich sie zur einzig zuverlässigen Grundlage, um darauf die ersten Schritte einer eigenen künstlerischen Manifesta-tion zu wagen. Max Bill war der Prophet. Ich kannte ihn von seinen Einführungen zu Kandinskys theoretischen Schriften «Überdas Geistige in der Kunst» und «Punkt und Linie zu Fläche», dieich bereits mit siebzehn Jahren gelesen hatte. Der Eindruck warnachhaltig. Etwas später sah ich die ersten Bilder von Max Bill, ineiner Ausstellung der Galerie Suzanne Bollag in Zürich. Daraufdie Ausstellung von Richard Paul Lohse im Kunsthaus Zürich. Erstin den folgenden Jahren stiess ich auf die Plastiken von Bill, dieich nur von Abbildungen her gekannt hatte. Ich war überwältigtvon den hochglanzpolierten vergoldeten «UnendlichenFlächen», die bei ihrer logischen Konzeption von einer Aura desZauberhaften und Wunderbaren umgeben waren.* Sie hattenetwas Sakrosanktes, wie ich es nirgends sonst in zeitgenössi-schen Werken sah. Hier war der Ansatz. Diesen Anspruch aufder Ebene meines Handwerks einzulösen und die Prinzipien derkonkreten Kunst auf Schmuckobjekte zu übertragen, erkannte ichals Gunst der Stunde. Zumal im Bereich der Schmuckgestaltungmit Ausnahme der Werke von Günther Wyss, der in Zürich arbei-tete und früh verstarb, absolut nichts Vergleichbares existierte. Indiesem Sinn und Geist entwickelte ich Varianten eines Rings, dieauf einem Rundprofil von 3 mm Durchmesser basierten.

Am 8. 8. 1988 realisierte ich eine Kette mit 88 Gliedern in 8er-Form, aus runden Silberlotstangen von 2 mm Durchmesser ge-fertigt, mit fabrikationsmässiger Wellenprägung und Firmensi-gnet in der Längsachse versehen.

*Dass seine nicht orientierbaren Flächen auf August FerdinandMöbius (1790–1868) zurückgehen, hat Bill selbst dargelegt. Ringe in Wellenform kommen bereits in der römischen Antike vor.

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Schlangenarmreif 1992Stahl, Malachit, Gold, schwarzer Diamant

Die schuppige Struktur einer alten Rundfeile brachte mich auf dieIdee zu diesem Armschmuck. Die Griffangel der konischen Feilehabe ich durch Schmieden zum Kopf der Schlange umgeformt.Beim Rundschmieden des Körpers zerbrach die Feile. Die zweiTeile wurden autogen wieder zusammengeschweisst. DieSchweissnaht entspricht einer Vernarbung, wie sie bei Schlangenin der Natur vorkommt. Das Auge, das die Aufmerksamkeit aufsich zieht, bildet einen Fixpunkt im Kreis. Die Pupille ist wie beinichtgiftigen Schlangen rund und besteht aus einem schwarzenBrillanten, der durch eine runde Zarge in Gelbgold gefasst ist.Das Aufblitzen des Diamanten erweckt das Tier zum Leben. Diegrüne Farbe der Haut besteht aus reinem Malachit, einem Edel-stein, den ich nach alter Rezeptur zu Farbpigment verarbeitethabe. Er trägt wesentlich zum Schlangenhaften der Oberflächebei. Die Schlange als Symbol der ewigen Wiederkehr kehrt inmoderner Gestalt aus den Zeiten längst vergangener Kulturenzurück.

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Schlange spielt mit Perle 1995ArmreifEisen, Zuchtperle, Gold, schwarzer Diamant, Malachitpigment,Zinnoberpigment.

Wie der erste Schlangenarmreif aus einer Rundfeile geschmiedetund mit Malachitpigment eingefärbt, der Rachen zinnoberrot.Zwischen ihren Kiefern hält das Reptil eine Zuchtperle, die bei-den Augen werden durch zwei goldgefasste schwarze Brillantenzum Leben erweckt. Ein taoistischer Mythos vergleicht das Uni-versum mit einer Perle, die von zwei spielenden Drachen in dau-ernder Bewegung gehalten wird. Im Shobogenzo des japanischen Zenpatriarchen Dogen,geschrieben 1231–1253, wird im Kapitel «Eine klare Perle» voneinem chinesischen Meister namens Gensha berichtet, der in derFolge seiner Erleuchtung das Universum stets mit einer klaren Per-le zu vergleichen pflegte.

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Vajrapani in zornvoller ErscheinungWesttibet, 11.–13. Jh., Bronze, Höhe 9,7 cm

Unter den diversen Attributen dieser durch Verehrung stark abge-griffenen Figur ist der Schmuck der Schädelkrone besondersbemerkenswert.

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Schlangenring 1995Kupfer, Rohdiamant

Ein Rohdiamant liegt leicht beweglich, jedoch sicher gefasst inden Windungen eines Schlangenkörpers. In den harten Reflexen unddem charakteristischen Glanz zeigt der Stein die typische Ober-fläche von naturbelassenem Diamant (vgl. die lichtgebohrten Dia-manten von 1991 bzw. 1992). Die Kristallform (Habitus) ist eineaussergewöhnlich schöne Ausprägung mehrerer, einanderdurchdringender Rhombendodekaeder (sog. polykristallinerHabitus). Das seltene Exemplar konnte ich aus einer Idar-Ober-steiner Mineraliensammlung erwerben. Nach Aussage des Gemmologen stammt der Stein aus einer sekundären LagerstätteZimbabwes. Im Gegensatz zu den Steinen aus primären Lagernin den Tuben erloschener Vulkane hat dieses Stück eine lange Reise hinter sich. Vom Zerfall des vulkanischen Gebirges bis insabgelagerte Geschiebe (Sediment) eines Flusses, wo er gefun-den wurde. Die Schlange, aus reinem Kupfer geschmiedet, bildet Ring undFassung in einem. In meiner Vorstellung ist sie lebendig undschlingt sich wirklich um einen Felsblock. Die Schuppenstrukturihrer Haut ist ziseliert, die Oberfläche patiniert. Nach mehr-facher Umschlingung von Stein und Finger verschlingt sich dasTier selber. Eine Anspielung auf ein vertrautes buddhistischesSymbol des ewigen Kreislaufs. Nach der tibetischen Mythologiewerden die Bodenschätze von Schlangen bewacht. Zu den Attri-buten des Vajrapani, der mächtigsten der zornvollen Gottheitendes Vajrayanabuddhismus, gehören neben dem namengeben-den Vajra (Diamantszepter), den er in der erhobenen Rechtenhält, als Symbol der Leere und Absolutheit auch Schlangen, dieseinen Körper und die Extremitäten umschlingen. Leider ist es andieser Stelle nicht möglich, näher auf deren ikonographischeBedeutung einzugehen, ebensowenig auf die negative Be-setzung der Schlange im westlich-christlichen Kulturkreis.

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Schlangenarmreif Dezember 1995Polyäthylen, Feingold, Perlen

In einer Schachtel mit Schnüren, Drähten und Verpackungs-material, welche meine Mutter aus Sparsamkeit stets aufhob,fand ich das grüne Kunststoffband im selben aufgerolltenZustand, nur dass es mit Eisendraht umwickelt war, um das Aus-einanderfallen zu verhindern. Sogar der Einschnitt, der Ober-und Unterkiefer des Schlangenkopfs trennt, war bereits vorhan-den. Den Eisendraht ersetzte ich durch Feingold. Die Augen bil-den zwei Perlen, die ein Stift verbindet.Die Schlange, die ihre Beute durch Umwickeln fängt, ist durch ihreigenes Prinzip gefangen.

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Lichtgebohrter Diamantring II 1992Polykristalliner Rohdiamant, Feingolddraht um Kobaltseele

Gefasst ist der Diamant, der sonst keinerlei Spuren von Bear-beitung zeigt, von einem durch das Loch geführten Draht ausKobalt. Auf dieser Achse ist der Stein wie bei antiken Rollsiegelnoder ägyptischen Skarabäenringen frei beweglich. Um die soge-nannte Kobaltseele wurde ein Draht aus Feingold in zwei über-einanderliegenden Schichten gewickelt. Das Aufeinanderprallenvon handwerklicher Archaik und neustem High-Tech gehört zuminhaltlichen Konzept.

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Mantraring 1992RingEisenmeteorit, Feingold

Der Ring ist mit der Laubsäge von Hand aus einem Meteoritenausgesägt, der im mexikanischen Valle de Toluca gefunden wur-de. Die Schrift ist tauschiert, durch Feingold, das in Bohrlöchereingehämmert ist. Die bombierte Fläche ist hochglanzpoliert. Inden zwei seitlichen Flächen sind die Spuren der Säge erhaltengeblieben. Im Hochglanz der Oberfläche spiegelt sich der Him-mel. In der Spiegelung wird das Materielle des Körpers aufge-hoben. Der Versuch, dem transzendenten Inhalt untenstehendenMantras gestalterisch zu entsprechen. Ein hilflos paradoxer Ver-such, in der Kunst dem materiell Irdischen entfliehen zu können.

Gate Gate ParagateParasamgate Bodhi Swaha«O Erleuchtung, die du gegangen,gegangen, hinübergegangen zum anderen Ufer,völlig zum anderen Ufer hinübergegangen.»

Herz Sûtra

Hannya-Shingyô-Kette 1995Lignum vitae, Schnur, Lapislazulipigment

Die sieben walzenförmig gedrechselten Elemente fand ich aufdem Flohmarkt in London. Nach Mitteilung des Verkäufers sind essogenannte Plumber‘s Beads, die früher offenbar als Werkzeugevon Klempnern dienten. Vier Stücke bestehen aus hellem Buchs-baumholz, die restlichen drei aus jamaikanischem Lignum vitae.Sie sind auf eine geflochtene Schnur aufgezogen. Der Text desHannya Shingyô ist im Gestus meiner eigenen Schreibschrift inkonventioneller Graviertechnik mit dem Stichel in das sehr harteHolz geschnitten und die Vertiefung mit echtem Lapislazulipig-ment belegt. Das Blau steht für die Transzendenz des Textes. Diese den Buddhisten heilige Schrift enthält die zentrale Aussagebuddhistischer Metaphysik. Sie ist die auf wenige axiomatischeSätze von unveränderbarer Stringenz verdichtete Essenz der600-bändigen Lehre Buddhas und liegt an der Grenze des Sag-baren. Der Urtext in Sanskrit, durch Nâgârjuna kommentiert undweit verbreitet, durch Kumarajiva nach China gebracht(402–403) und vollständig ins Altchinesische übertragen, wurdeerst in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts ins Deutsche über-setzt, zuletzt in einer Ausgabe des japanischen Zenmeisters Tai-sen Deshimaru-Rôshi (Werner Kristkeitz Verlag, 1988). DieBedeutung des Inhalts wird einem bewusst, wenn man bedenkt,dass er in den Klöstern des Zen, vor und nach jeder Meditations-sitzung dreimal in verschiedenen Tempi rezitiert wird. In Tempelnsind mir zum Verkauf angebotene Faltfächer (Ogi) aufgefallen,die mit dem Hannya Shingyô beschrieben waren, in goldenenSchriftzeichen auf azuritblauem Grund.

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Smileykette 1995

Plumber‘s Beads aus jamaikanischem Lignum vitae, mittels einesFräsers bearbeitet, mit weisser Ölfarbe bemalt und auf eine Hanf-schnur aufgezogen. Die Kette zielt auf eine typologische Ver-schmelzung der tibetischen Gebetsketten mit 108 (die heiligebuddhistische Zahl) meist aus Menschenknochen geschnitztenkleinen Totenschädeln und dem in seiner Penetranz als Zeit-erscheinung symptomatischen Emblem des «Smiley». Die Absichtdes letzteren verkehrt sich ins Gegenteil: der verzogene Mundgerät zur Fratze.

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Kosmischer Staub in der Umlaufbahn eines Aschenbechers 1995Kosmischer Staub, Epoxydharz, Leuchtpigment, Aluminium

Partikel von Eisenmeteorit eingegossen in den Hohlraum einessowjetrussischen Aschenbecheroberteils aus eloxiertem Alu-minium. Es war einer der wenigen Gegenstände, die sich noch inden verlassenen und vollständig geplünderten Offizierskasernender sowjetischen Besatzungsmacht in Zeitz, einer Stadt der ehemaligen DDR, befanden. In den Bildern, die Annelies beiunserem Augenschein der Anlagen 1994 gemacht hat, kommtder Schrecken jenes gespenstigen Augenblicks deutlich zum Aus-druck. Neben einem Stück Tapete mit Seerosen habe ich dasFragment als „Souvenir des Schreckens„ mitgenommen, um daraus später einen Armreif machen zu können. Dieses eine stehtfür das Ganze des totalen Zusammenbruchs. Asche zu Asche,Staub zu Staub (kosmisch). Unübersehbar sind die Zeichen desZerfalls. Das Zentrum der Leere wird umkreist von Resten: zivilisa-torischen wie terrestrischen. Die Gussmasse aus Epoxydharz istversetzt mit phosphoreszierendem Pigment, das in der DunkelheitLicht aussendet. Als diffus grünliches Hintergrundleuchten füllt esden Raum zwischen den schwarz kontrastierenden Meteoritsplit-tern, die sich darin wie in einer Umlaufbahn zu bewegen schei-nen.

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Knochenkette 1995

Eine schlichtere Variante des Halsschmucks «Wie Tautropfen ander Sonne» (s. weiter vorne). Die japanische Sentenz ist mit Filz-stiftfarbe in Hiraganaschrift und lateinischen Buchstaben auf dieKnochen geschrieben.Wo manifestiert sich das Haften am Ego deutlicher als in derBeziehung zu Schmuck, die den Gedanken der Endlichkeit fliehtund verdrängt.

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Portabler Steingarten 1986

Sieben rohe Hämatitkristalle als miniaturisierte Landschaft. Eineblaue Seidenschnur suggeriert Meereswogen, die Felsklippenumspülen. Der Garten geht mit auf die Reise und findet, Tag fürTag neu gestaltet, bequem auf dem Nachttischchen des HotelsPlatz.

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Karpfenauge 1995RingFlaschenglas, Diamant, Platin

Im Küstensand der irischen See gefundenes Fragment aus farb-losem Pressglas, offensichtlich die Ausgussmündung einer neu-zeitlichen Flasche, über deren Zweck und Inhalt nur spekuliertwerden kann. Die Vorstellung einer Wasserflasche würde mirgefallen. Eine wasserfarbene Wasserflasche, vom Wasser be-arbeitet. Die Oberfläche sandig aufgerauht, nur im Innern derMündung ist der Abnützungsprozess verlangsamt. Eine spiraligeWindung fällt auf, wahrscheinlich hatte sie die Funktion, die Flüssigkeit beim Ausgiessen in einen Wirbel zu versetzen. DieseArt von Gefässmündung würde in der Typologie Japans als«Karpfenmaul» bezeichnet. Da ich in meiner Jugend leidenschaft-lich gerne gefischt habe (eine weitere Beziehung zum Wasser),war es mir auch sogleich aufgefallen.Ein Glasstück von Wasser bewegt, das Wasser von den Gestir-nen, vorab Sonne und Mond, da es ja selbst nicht die Eigenschaftder Bewegung besitzt. Ein Brillant als Auge des Karpfen sitzt in einer Fassung aus Platin,deren Rand in Übereinstimmung mit der Glasoberfläche aufge-rauht wurde. Anfänglich erwog ich die Selbstverständlichkeiteines zweiten Auges, entschied mich aber dagegen, um eineSymmetrie zu vermeiden. In ihrer spannungslosen Ausgewogen-heit verraten Symmetrien Geist- und Phantasielosigkeit.Würde der Ring den Wellen der Brandung zurückgegeben, bliebe der Diamant als letztes übrig, mit seinen 57 poliertenFacetten strahlend wie zuvor.

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Fuji-Ring 1995Drahtglas, Feingold

Als wir 1995 im Mai am Fusse des Fuji weilten, um dem heiligenBerg mit einem fotografischen Projekt die Ehre zu erweisen*,gelangten wir auch an den berühmten Yamanakakosee, dessenKulisse Dichter und Künstler aller Zeiten inspiriert hat. Der Berg istselbst im Alltäglichsten allgegenwärtig: auf den eisernenSchachtdeckeln in den Strassen, auf Bierdosen und Sake-flaschen, auf Lebensmittelpackungen und Einwickelpapier, alsSignet unzähliger Firmen stilisiert in verschiedensten Variationen.Während wir an diesem schon brütend heissen Nachmittag amUfer des Sees entlang schlenderten und dabei den Berg mit seiner noch kompakten Schneekappe kaum aus den Augen liessen, da Wolkenschleier in der Höhe des Gipfels das Bild per-manent veränderten, spiegelte im Sand eine grüne Glasscherbe.Ich hob sie auf und war verblüfft, denn sie hatte die Form desFuji. So offenbarte er sich mir, eine Begegnung der dritten Art.Das Loch für den Finger erreichte ich durch langwieriges Umrun-den einer Schablone mit der Spitze eines Diamanten, und zwarvon beiden Seiten her, bis zum Durchbruch in der Mitte. Eine neo-lithische Methode und gerade deshalb reizvoll.Im Innern der Glasscheibe (Drahtglas) verläuft ein Koordinaten-netz aus Eisendraht. Seine strenge Geometrie vertritt den technisch orientierten Menschen, wogegen das Zufällige dergebrochenen Silhouette für das Natürliche steht. Die Wandungdes Kreises ist durch eine Feingoldzarge eingefasst, die das fra-gile Objekt verstärkt. Inhaltlich verweist sie auf die Sonne, dennwas liegt im Land der aufgehenden Sonne näher als die Verbin-dung von Fuji und Sonne.

* Die Arbeiten meiner Lebens- und Reisegefährtin zum Thema sindbis dato noch nicht veröffentlicht. Bei dem hier wiedergegebe-nen Bild handelt es sich um einen Vorabdruck. Mit bestem Dankan Annelies.

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Nachwort

Bernhard Schobinger figuriert mit seinem «Wutobjekt» in derJewelry Bible, die 1995 in Tokyo erschienen ist. Nur zwei west-liche Zeitgenossen haben es in das japanische Lehrbuch fürangehende Goldschmiede geschafft. Eine alte, mutwillig ver-stümmelte Gabel inmitten von funkelnden Geschmeiden, einerAnthologie mehr oder weniger repräsentativer Ableger von Kron-juwelen. Die Brosche nimmt sich in diesem Umfeld seltsam aus,jedenfalls für unsere Augen. Die Autoren, die Schobinger in ihreBibel aufgenommen haben, betrachten den eigenwilligenSchweizer als Autorität, keinesfalls als Unterwanderer des hehren Metiers. Die Tokyoter Juwelier- und Goldschmiedeschule,die das Lehrbuch herausgegeben hat, kaufte neben anderenStücken sowohl das «Wutobjekt» als auch den «Gabelzinken-Halsschmuck» an und erwarb damit zwei seiner aggressivstenObjekte.

Dass die Wertschätzung seiner Kunst in Japan auf den formalenund technischen Grenzüberschreitungen beruht und kaum inihrer antiautoritären Stossrichtung zu suchen ist, realisierte Schobinger erst bei seiner Gastvorlesung in Tokyo. Die Bezie-hung zum namhaften Hiko Mizuno College of Jewelry kam schonüber ein handwerkliches Interesse zustande. Der Direktor derSchule, ein Mann, der sich in der internationalen Schmuckszeneauskennt, war auf eine Kette durchbohrter Edelsteine gestossen,die ihn auf eine zündende Idee brachte. Der üble Verstoss gegendie Regeln der klassischen Juwelierkunst, das rohe Durchbohrender edlen Steine, leuchtete dem Japaner als Grundlage für eineeinfache Befestigung, namentlich von Perlen, ein. Dadurch könnten die traditionellen Zargen durch simple Stifte ersetzt werden. Die Lektion fruchtete. Als eine Hommage an MeisterSchobinger fertigten die Studenten eine Brosche mit so lapidargefassten Steinen an, dass der Geehrte selbst über die einfache Lösung staunte.

In einem Land, das den Schmuck erst entdeckt, ist es kaum vonBelang, dass es Schobinger nicht in erster Linie um neue Lösun-gen alter Aufgaben geht, er sich mit seinem Zuwiderhandeln viel-mehr bewusst und ostentativ von einer fraglos weitergeführtenTradition absetzt, um neue Dimensionen zu erschliessen. Wiesollte der Schweizer den japanischen Schmuckgestaltern vermit-teln, dass er Schmuck in seiner herkömmlichen Funktion für dasÜberflüssigste der Welt hält? Wie ihnen zu verstehen geben,dass er ihrer alten, schmucklosen Kultur die tiefsten Einblicke ver-dankt? Das Loch im Ohr von Buddha, das auf den abgelegtenSchmuck hinweist, hat er immer vor Augen.

Die Schwierigkeit bei der Rezeption seiner Schmuckobjekte istweniger eine Frage interkultureller Differenzen als Ausdruckeines grundsätzlichen Konflikts.

«Alles, was Form hat, verschwindet»: Bernhard Schobinger hatdiese japanische Sentenz zu einem Wahlspruch erhoben. Gleichzwei Halsketten, beide aus Knochen, tragen ihn als Inschrift. DerSatz irritiert bei einem Menschen, der sich so intensiv mit Formenbeschäftigt. Wäre demnach nicht jedes Bemühen um Form müssig? Näher betrachtet, sieht man einmal vom fremdenSprachduktus ab, der die Übersetzung verrät, ist er nicht mehr soabwegig, selbst oder besser: gerade bei einem Schmuck-gestalter. Da klingt doch das alte Vanitas-Motiv an, das die Eitel-keit zwar kaum einzuschränken vermochte, sie lediglich miteinem prickelnden Sündbewusstsein oder einer Prise Melan-cholie würzte, was die barocken Vanitas-Stillleben schönstensillustrieren. Neben einem Totenschädel und anderen Symbolender Vergänglichkeit wirken Perlenketten und Brillantcolliers umsoverführerischer.

In einer katholischen Familie aufgewachsen (mit einem Onkel,der als Kapuzinermönch das Armutsgelübde abgelegt hat) und ineinem Schwyzer Internat erzogen, ist Bernhard Schobinger dasMemento mori selbstverständlich vertraut. Doch Luxus im Sinnevon Prunk und Verschwendung hat ihn nie versucht, der falsche

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Schein war ihm immer ein Graus. Woher also der frühe Wunsch,Goldschmied zu werden, und die Kraft, nach einem anregendenJahr Kunstgewerbeschule eine vierjährige, geisttötende underniedrigende Lehre in einer Schmuckfabrik auszuhalten? Nebender Begeisterung für das Handwerk und der Freude an den zubearbeitenden Materialien spielte gewiss die Aura mit, die er mitEdelmetallen und Edelsteinen assoziierte (und assoziiert). Selbstnach gründlicher Ernüchterung, was das Verhältnis von Dekorund Religiosität angeht, weist Gold für ihn auf dieses Höhere hin,das ihm als Kind in den strahlenden Monstranzen und Reliquien-schreinen begegnete.

Von allem Anfang an, dem selbstständigen, hat sich Schobingerüber das subjektive, meist ohnehin pseudoindividuelle Schmuck-bedürfnis hinweggesetzt. Seine Kreationen sollten objektiv Geltung haben. Darin bestärkten ihn die Meister der konkretenKunst, die ihn als Hoffnungsträger in ihren Kreis aufnahmen. BeiMax Bill entdeckte er die Ausstrahlung des Gesetzmässigen (vgl.seine Ausführungen zur «Liegenden Acht», S. 90). In ihrem uner-schütterlichen Glauben an die Vernunft, der kein Memento morizulässt, wurden ihm die Konkreten, denen er entscheidende Orientierungshilfe verdankt, bald zu selbstgefällig, der Spiel-raum in ihrem Umfeld zu eng. Schliesslich drängte die Phantasiean die Macht.Die 68er Bewegung betraf Schobinger weniger als die (Jugend-)Unruhen, die um 1980 Zürich erschütterten. Der anarchischeAusbruch lag ihm näher als die ideologisierte Revolte. Ausser-dem lief seine persönliche Entwicklung Ende der 70er Jahre aufeine immer vehementere Befreiung aus einschränkenden Konven-tionen hinaus, was ihn mit den Manifestationen auf der Strasseverband. Auch sein Zündstoff war eine Mischung aus Zorn, Ekel,Witz und Ironie.

Neue Impulse kamen von Franz Eggenschwiler, der längst mitSchrott arbeitete und dabei dem Zufallsprinzip vertraute. Inenger Zusammenarbeit mit dem Solothurner Objektkünstler expe-rimentierte er lustvoll mit bisher schmuckfremden Materialien,Techniken und Objekten, die sich ihm aus undurchsichtigen Grün-den aufdrängten. 1978 zeigten die beiden ihre avantgardisti-schen Kreationen im Museum Bellerive, wo sie einiges Kopfschüt-teln auslösten.

Das neodadaistische Spiel, das Schobinger danach alleine weiterspielte, wurde immer aggressiver und gipfelte in einerSammlung von Schmuckstücken, die er 1981 unter dem Titel «Eis-zeit-Juwelentraum(a)» publizierte, einem engagierten, aber auchtrendigen Bericht zur Lage der Nation. Die vielen Scherben,Nägel und Splitter, Gummi-, Plastik- und Kartonabfälle, die erprovokativ mit Edelmaterialien kombinierte, richteten sich gleich-zeitig gegen die Hüter eines auf Prestige bedachten Systems unddie Zunft der Goldschmiede, die ihnen die entsprechendenAbzeichen lieferte.

Schobinger hätte sich nicht vorgestellt, dass seine Provokationenmeist ins Leere liefen, schnell salonfähig würden und in harmlose-rer Form bald in Massenauflagen auf den Markt kämen. DieErkenntnis der Sinnlosigkeit einer Revolte im Garten der Kunstlähmte ihn eine Weile, brachte ihn aber nicht vom Handwerk ab.«Ich kann keinen anderen Fluss überqueren»: Die Inschrift aufeiner japanischen Schwertklinge wurde ihm zum zweiten, ganzpersönlichen Motto.

Sein Verhältnis zum Schmuck ist gebrochen, was sich mitunter inIronie und einem leisen Sarkasmus, keineswegs aber in Zynismusausdrückt. Das Gefühl unnützen Bemühens, das ihn immer wie-der überkommt, hat seinen Anspruch, mit SchmuckobjektenAnstösse zu geben, Ideen zu vermitteln und Zusammenhängedarzustellen nicht geschmälert, ganz im Gegenteil. Wenn schon,dann soll seine Weltanschauung zum Tragen kommen. AllfälligeSkepsis bringt die ungebrochene Lust am Erfinden neuer Formenund Techniken zum Schweigen.

Die Vertiefung in die buddhistische Lehre, zu der ihn seinezunächst harmlose Beschäftigung mit Budokünsten führte, die ernun bald zwanzig Jahre praktiziert, brachte ihm die alte Einsichtin die Vergänglichkeit alles Irdischen beziehungsweise die Kläg-lichkeit unserer verbissenen Anstrengungen, es festzuhalten, mitneuer Klarheit zum Bewusstsein. Die Auseinandersetzung mitdem (Zen-)Buddhismus, die ihn zunehmend von allem Überflüssi-gen und Aufgesetzten distanziert, macht seine Arbeit zur perma-nenten Herausforderung. In seinen Ausführungen zum «Mantra-ring» (S.98) bezeichnet er den Versuch, in der Kunst das Irdischezu überwinden, selbst als «hilflos» und «paradox». Der Wider-spruch hat Bernhard Schobinger immer gereizt, sein rebellischerGeist fand (und findet) da manche Nahrung. Beim Paradox derEntmaterialisierung des Materiellen geht es nun aber um wesent-lich mehr als das Aufbrechen von Konventionen, letzlich umnichts geringeres als die Demonstration, dass Form und Leeredasselbe sind.

Paradoxerweise sind es gerade sein unmittelbares, sinnlichesVerhältnis zu den Materialien, die Entdeckerfreude und derAnspruch, etwas Gültiges zu hinterlassen, die ihn auf dem Wegzum unerreichbaren Ziel weiterbringen. Von Deshimaru-Rôshi,der das Hannya Shingyô, das Sûtra der Höchsten Weisheit, übersetzt und kommentiert hat, weiss Schobinger, dass wir anTäuschungen und Illusionen gebunden sind, diese nur kontrollie-ren und reduzieren, nicht aber auslöschen können, da dies denTod bedeutete.

Seiner Kunst eignet Bescheidenheit und gleichzeitig eine gewisseMasslosigkeit. Da ist zum einen die Neigung, sich dem Zufall zuüberlassen und zu verarbeiten, was ihm in die Hände kommt,zum anderen aber der Drang nach Pionierleistungen und dasBedürfnis, Geschichte zu machen oder wenigstens zu fassen. Dergrosse Abfallverwerter lässt sich ein zentimetergrosses Loch ohneweiteres 2000 Franken kosten, wenn es sich dabei um die ersteBohrung eines polykristallinen Diamanten handelt, dieses härtesten aller Stoffe. Auch seine Arbeit mit Meteoreisen zeugtnicht allein von Bescheidenheit. Hinter der Verwendung kosmischer Materie steht neben dem Bewusstsein der eigenenEndlichkeit der Anspruch einer Legitimierung durch den Welt-geist. Wird das Ego dadurch relativiert oder erhöht? In jedemFall steht das Verhältnis des menschlichen Individuums zum Kosmos in Frage.

Caroline Kesser

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Ich kann keinen anderen Fluss überqueren

Inschrift auf einer japanischen Schwertklinge (Katana)

Tsuba

Japanisches Schwertstichblatt, Edozeit (17. Jh.)«Abgefallene Kirschblüten und zerbrochene Fächer»