Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    GESUNDHEIT+ Männer-Check: Der Vorsorge-Überblic

    Sport & Ernährung: Motiviert und gesund / Prostata: Wirksame Therapie

    Depression: Die Symptome erkennen / Männer-Herz: Vor dem Infarkt geschüt

    Testosteron: So viel braucht der Mann für Muskeln, Energie und Se

     TOP-E XPER TEN

    FÜR MÄNNERKRANK-

    HEI TEN – HORMONE, 

    PO TENZ, PRO S TA TA, 

    KREB S & HERZ

     ÄR Z TE & 

    KLINIKEN

    April | M

    Mann

      Dergesunde

    Herz, Potenz, Muskeln:Die neue Medizin für

    das starke Geschlecht  ATTRAKTIV

    BLEIBENVolles Haar,flacher Bauc

    glatte Haut –wie Ärzte helfe

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     ARTAS®-Eigenhaartransplantation –

    vor der ARTAS®-Behandlung nach der ARTAS®-Behandlung

    (9 Monate später)

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    4   FOCUS-GESUND

    FOCUS-GESUNDHEIT – Nr. 30 – Mann

    Inhalt

    16Weniger Stress Pater Theophil Gausaus St. Ottilien machtes vor: Im Klosterleben Männer gesünder

    70Richtig schwitzen Schnelle, knackigeund leichte Übungenfür mehr Muskelnund für drinnen

    Mehr Klarsicht Forscher Robin

    Haring hat das Hor-mon Testosteronunter die Lupe ge-nommen

    28   6  Menschen  Der Mann im statistischen Zeitraffer:Wie er lebt und liebt mit 20, 40, 60 uim Alter von 75 Jahren

      10 Endlich in voller Größe

      Die Infograk zeigt das beste Stückund die zarten Organe drumherum

    12 Hygienischer Hipster-Bart

      Warum Gesichtshaar vor Infektionenschützt, Spermien mit Hilfsmotor unddie Männergrippe im Mythen-Check

     16  Vorbild MönchMänner gelten als GesundheitsmuffeDoch sie könnten viel länger leben, wdas Beispiel von Ordensbrüdern zeigt

      22 Gleiche Rechte für Männer

      Ob Finanzwelt oder Fortschritt – derMann ist zum Synonym für Missstän

    geworden. Damit muss Schluss sein,fordert unser Autor

    27 Erkennen & heilen

      28 Ein Hormon auf dem Prüfstand

      Testosteron gilt als Garant für besseSex und mehr Muskeln. Irrtum! Ärztewarnen vor dem Extra an Männlichke

      34 Operieren oder observieren?

      Es gibt viele Therapien für Prostata-krebs. Doch welche ist die beste?Das sollen nun Studien klären

     40 Von der Kastanie zum PfirsichMedikamente oder OP bringen Männedie wegen vergrößerter Prostata unterhöhtem Harndrang leiden, Ruhe zu

      46 Rastlos statt traurig

      Anders als Frauen reagieren depressMänner oft eher mit Risikofreude undAggression auf ihre Krankheit

      52 Der Sex-Sensor

      Erektionsstörungen als Indikator fürschwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen

    Der Mann

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    FOCUS-GESUNDHEIT

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    * bei gutartiger Prostatavergrößerung

    Rubriken

      3  Editorial des Chefredakteurs

    122 Vorschau und Impressum

     54 Wieder zueinander kommenPotenzprobleme belasten das Selbst-wertgefühl und die Partnerschaft.Männer berichten, wie sie Hilfe fanden

    60 Der Weg zum Wunschkind  Unerfüllter Kinderwunsch liegt genauso

    oft an der männlichen Spermienqualität – was betroffene Paare tun können

     64 Im Netz der Befriedigung  Die Porno-Sucht mancher Männer verän-

    dert das Gehirn, glauben Forscher – doches gibt Auswege aus der Abhängigkeit

    69 Vorsorge & Pflege

     70 Waschbrett im Wohnzimmer

      Mit Sport und besserer Ernährungkönnen Männer zehn Jahre länger leben – die besten Tipps für zu Hause

    78 Auf Herz und Nieren  Der Gesundheits-Check-up ab 35 Jahren

    und das gesamte Vorsorge-Programm auf einen Blick

     82 Anti-Aging für Helden  Männer holen bei Beauty-Behandlungen  

    auf – ihre Haut und Anatomie verlangenein anderes Vorgehen als bei Frauen

      90 Weg mit dem Fett  Einfrieren oder Absaugen: Hartnäckigen

    Pölsterchen rücken Ärzte mit Technik zuLeibe. Was die Verfahren taugen

    94 Ärzte- und Kliniklisten

      94 MethodikWie die FOCUS-GESUNDHEIT-Listenentstehen

      96 Ärztelisten  Deutschlands Top-Mediziner für Andro-

    logie, Prostata, urologische Tumoren,Bluthochdruck, Kardiologie und Fett-absaugung

    116 Kliniklisten

      Deutschlands Top-Krankenhäuserfür Prostatakrebs

    120 Schon gewusst?  Worauf Frauen beim „kleinen Mann“

    wirklich achten und warum der Schotten-rock so gut für die Fruchtbarkeit ist

    78Starke Kontrolle

    Wer gesund bleiben

    will, sollte regel-

    mäßig zur Vorsorge

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    Menschen

    Wagemut im Herzen und den Kopf

    voller Träume: Der Mann um die

    20 hat das ganze Leben noch vor

    sich. Gerade volljährig geworden,

    strotzt er vor Energie, und Aben-

    teuerlust treibt ihn an.

    Sport So aktiv wie jetzt wird der

    Mann nie wieder sein. Er treibt

    mehr als zwei Stunden Sport pro

    Woche. In Zukunft wird das weni-

    ger werden.

    Familie Hotel Mama statt eigener

    vier Wände – der 20-Jährige wohnt

    noch bei seinen Eltern.

    Sex Vier- bis zehnmal pro Monat

    hat er Sex und benutzt dabei Kon-

    dome. Bisher hatte er zwei Part-

    nerinnen, den ersten Geschlechts-

    verkehr erlebte er mit 17.

    Gesundheit Normales Gewicht,

    sieben Stunden Schlaf, regelmä-

    ßige Zahnarztbesuche – hier gibt

    es nichts zu beanstanden. Acht

    Tage pro Jahr ist der 20-Jährige

    krank, siebenmal sucht er einen

    Arzt auf. Bedenklich ist nur sein

    riskantes Trinkverhalten.

    WILD UND MUTIG:

    DER 20-JÄHRIGE

    Der Mann? Das sind viele.Und in jedem Alter ist eranders. Unterschiedlich

    sportlich, fürsorglichoder zu Sex aufgelegt.Das Leben des Mannes imstatistischen Raffer

    6   FOCUS-GESUND

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    Auf den Schultern des 40-jährigeMannes lastet eine Menge Veran

    wortung: Seine Kinder brauchenihn, im Job ist er gefragt, die Karriere ist ihm wichtig. Schön, sogebraucht zu werden!

    Sport Bewegung kommt inzwi-schen zu kurz – der typischeMann dieses Alters schafft keinezwei Stunden Sport pro Woche.Deshalb hat er Übergewicht.

    Familie Kommt der 40-Jährigevon der Arbeit nach Hause, war-ten im Eigenheim seine Ehefrauund ein bis zwei Kinder auf ihn.

    Sex Ganz so aufregend wie vor20 Jahren ist das Sexleben jetztnicht mehr. Der Familienvaterschläft drei- bis sechsmal imMonat mit seiner Frau.

    Gesundheit Rauschende Partyssind Vergangenheit, seinen Alko-holkonsum hat der 40-Jährige auein moderates Maß reduziert. AnVorsorge denkt er noch nicht. Ergeht sechsmal pro Jahr zum Arztund ist sieben Tage krank.

    MITTEN IM LEBEN:DER 40-JÄHRIGE

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    8   FOCUS-GESUND

    Menschen

    Sind die Kinder aus dem Haus,

    stellt der 60-Jährige die Welt noch

    einmal auf den Kopf. Er fühlt sich

    t, freut sich auf den Ruhestand

    und weiß das Leben zu genießen.

    Sport Ein Fall von Selbstüber-

    schätzung? Das empfohlene Maß

    an körperlicher Aktivität erreicht

    er mit weniger als zwei Stunden

    Sport pro Woche jedenfalls nicht.

    Familie Der Mann um die 60

    lebt mit seiner Ehefrau im Eigen-

    heim und ist noch er werbstätig.Die Kinder sind ausgezogen.

    Sex Jeder Zweite hat mit 60 min-

    destens einmal pro Woche Sex.

    Gesundheit Elfmal im Jahr sucht

    der Mann jetzt einen Arzt auf. Vor

    Kurzem hat er einen Gesundheits-

    check in Anspruch genommen,

    zum Zahnarzt geht er regelmäßig.

    Manchmal plagen ihn Gelenk-

    schmerzen, und er trägt Brille oder

    Kontaktlinsen. Drei Arznei- oder

    Nahrungsergänzungsmittel nimmt

    er regelmäßig. Sein Alkoholkon-sum ist moderat bis riskant.

    VITAL UND AKTIV:DER 60-JÄHRIGE

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Ob sich die Träume des damals

    20-Jährigen er füllt haben? Fest

    steht: Mit 75 blickt der Mann auf ein

    erfülltes Leben zurück. Rüstig und

    auch geistig t, genießt er den ver-

    dienten Ruhestand.

    Sport Bewegung beschränkt sich

     jetzt auf Alltagsaktivitäten, die er

    nahezu uneingeschränkt meistert.

    Familie Noch immer hat der Mann

    die Ehepartnerin an seiner Seite. Mit

    ihr lebt er wie schon vor 35 Jahren in

    der eigenen Immobilie.

    Sex Vier von zehn 75-Jährigen sind

    regelmäßig sexuell aktiv.

    Gesundheit Fast jeden Monat geht

    der Mann zum Arzt. Dieser stellt oft

    Bluthochdruck fest und berät ihn we-

    gen der Gelenkschmerzen. Fünf Arz-

    nei- oder Nahrungsergänzungsmittel

    nimmt der Patient ein. Alkohol trinkt

    er nur so viel, dass es nicht riskant

    ist, lieber eine Tasse Kaffee.

    MOBILER RUHESTAND:DER 75-JÄHRIGE

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       I  n   f  o  g  r  a   f   i   k  :   B  r  y  a  n

       C   h  r   i  s   t   i  e

       D  e  s   i

      g  n

       f   ü  r   F   O   C   U   S -   G  e  s  u  n   d   h  e   i   t

    FOCUS-GESUND

    DER MANN INFOGRAF IK

    Die Produktionslinie des

    SpermasGut gekühlt

    Die Hoden liegenaußerhalb des

    Körpers in einem

    Hautsack, da

    Spermien zwei

    Grad unterhalb der

    Körpertemperatur

    optimal reifen.

    Samenblasen

    Penis-schwellkörper 

    Harnblase

    Prostata

    Cowper-Drüsen

    Geschlechtsdrüsen

    Das milchig trübe Ejakulat besteht nur zu zehn

    Prozent aus Samenzellen. 60 Prozent sind

    Sekrete der Samenblasen (orange), 25 Prozent

    stammen aus der Prostata (blau) und

    1–3 Prozent aus den Cowper-Drüsen (grün).

    ten akzessorischen Geschlechtsdrüsen. 60

    Volumenprozent stammen aus den Samen-blasen. Ihr Sekret enthält Fruchtzucker,den Spermien auf ihrer Reise als Treibstoffnutzen. Ein sezerniertes Protein bildet eineGelmatrix, die verhindert, dass die Spermi-enköpfe für das Eindringen in die Eizelle zufrüh „auf scharf gestellt“ werden.

    Die Prostata liefert Enzyme zur Verüs-sigung des Ejakulats sowie alkalische Se-krete, die Spermien beweglich machen undvor Säureangriffen in der Vagina schützen.Das schleimige Produkt der beiden erbsen-großen Cowper-Drüsen dient als Gleitmittel.

    So ausgerüstet, sind Beweglichkeit, Ener-

    giezufuhr und Schutz der Spermien für zwei bisdrei Stunden optimal. 100 000 schaffen esbis in den Gebärmutterhals, nur 500 bis 800hinauf in die Eileiter. Kleinere Gruppen kön-nen sich in Nischen verstecken und in einerPhase geringerer Aktivität vier Tage lang über-leben. In eingetrocknetem Ejakulat beträgtdie Überlebenszeit nur wenige Minuten.

    10

    Die Strategie männlicher Fortpfanzung ist

    Massenproduktion und Frontalangriff. EineArmada von 500 Millionen Spermien, je-des ausgestattet mit einer kompletten Bau-anleitung des Körpers, wird beim Orgasmusausgestoßen. Ihre Chance, das Ziel, diereife Eizelle im Eileiter der Frau, zu errei-chen, ist gering, denn der Weg ist weit.

    Die gewundenen Samenwege, die jedesnur 60 µm kleine Spermium vom Ort der Pro-duktion im Hoden bis zur Penisspitze zurück-legt, sind ausgerollt 600 Zentimeter lang.Über fünf Meter erstrecken sich allein dieSpeicherkammern des Nebenhodens. Biszu einem Monat warten Spermien hier be-

    wegungslos auf den Einsatz. Bei der Ejaku-lation geht es dann innerhalb von Sekundenentlang der 50 Zentimeter Samenleiter indie Spritzkanälchen und mit Schwung durchdie 20 Zentimeter lange Harnröhre hinaus.

    Nur zehn Prozent des Ejakulats bestehenaus Spermienzellen. Den größten Teil derSamenüssigkeit produzieren die sogenann-

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    Spermaproduktion

    Die Keimdrüsen produzieren 1000 Spermien pro Sekunde.

    In 250 Kammern, den Hodenläppchen, reifen sie innerhalb

     von 70 Tagen heran. Kleine Flimmerhärchen transportieren

    den Samen in 14 Tagen zu den Gängen des Nebenhodens.

    Dort warten die Spermien bewegungslos, bis kräftige Muskel-

    kontraktionen der Samenleiter sie beim Erguss ausstoßen.

    Nebenhoden

    Hoden-läppchen

    Samenleiter 

    Hoden

    Hoden

    Hodensack 

    Blutgefäße

    Schambein

    Samenleiter 

    Harnröhre

    Prostata

    Harnblase

    Bindegewebs-kapsel

    Harnröhre

     Vene

    Schwellkörper 

    Erektion

    Bei sexueller Erregung erweitern sich die Sperr-Arterien des

    Penis. Blut ießt ein und füllt die Schwellkörper. Abführende

    Blutgefäße (Venen, blau) werden abgedrückt; der Blutdruck

    steigt so auf den vierfachen Wert von dem in den Gefäßen, das

    Glied richtet sich auf. Eine dicke Bindegewebskapsel gibt Form

    und Größe vor und verhindert, dass sich der Penis aufbläht.

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    12 FOCUS-GESUN

    Meldungen, Meinungen, Mythen

    Männersachen

    Testosteron-Kompass

    Nun auch wissenschaft-

    lich bewiesen: Männer

    haben den besseren

    Orientierungssinn.

    Norwegische Forscher

    schickten Probanden in

    ein virtuelles Labyrinth.

    Er

    Die Himmelsrichtungen

    geben dem Mann den

    Weg vor. So gelangt er

    schneller und efzienter

    ans Ziel. Durch die

    Orientierung an Ost und

    West waren Männerexibler in der Routen-

    wahl und konnten

    Abkürzungen nehmen.

    Sie

    Frauen haben ein gutes

    lokales Gedächtnis und

    orientieren sich an

    markanten Wegpunkten.

    Unter Testosteron-Ein-

    uss prägten sie sich im

    Experiment die Labyrinth-

    struktur besser ein,

    waren aber weniger er-

    folgreich als die Männer.Natürliches Schlafmittel 

    Zeit im Grünen hilft in der Nacht

    Naturburschen

    schlafen besser

    Eine natürliche Umgebung

    verhilft Männern zu einem

    besseren Schlaf. Benden

    sich Parks, Flüsse oder ande-

    re Grünächen in der Nähe

    der Wohnung, leiden Männer

    seltener unter Schlaf störun-

    gen. Das zeigte eine Analyse

    von Gesundheitsdaten aus

    den USA. Die beteiligten

    Forscher der Universität in

    Illinois vermuten, dass sichMenschen mit Zugang zur

    Natur mehr im Freien auf-

    halten, aktiver sind und des-

    halb besser schlafen. So

    spielten auch die Tempera-

    tur und die Sonnenstun-

    den am Wohnort eine wich-

    tige Rolle. Erst ab einem

    Alter von 65 Jahren zeigte

    sich dieser Effekt auch bei

    den Frauen.

    SPERMIEN MIT HILFSMOTOR Eine winzige Spirale um den Schwanz lenkt das Spermium zur

    großen Eizelle. Diesen neuen Ansatz für künstliche Befruchtungen haben Forscher aus Dresden und

    Chemnitz entwickelt. Sie setzen die magnetischen Spiralen auf einen zwar bewegungsunfähigen,

    aber fruchtbaren Samen und steuern ihn mit magnetischen Feldern zum Bestimmungsort. Bisher

    blieb es bei Versuchen im Labor. Im Körper der Frau müssten die Wissenschaftler einen Weg nden,das Spermium sichtbar zu machen, um es dann zielgenau zur Eizelle zu navigieren.

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    85Prozent der Frauen sind mitder Penisgröße ihres Partnerszufrieden, aber nur 55 Prozentder Männer mit ihrer eigenen.

    Papas Baby-Blues

    Jeder zehnte Mann leidet an Angststörungenrund um die Geburt seines Kindes. BetroffeneVäter sind besorgt, angespannt und gereizt.Sie haben Angst um die Sicherheit des Babys.Körperlich zeigt sich das in Schweißaus-brüchen, Herzrasen sowie Schlaf- und Appetit-losigkeit. Forscher um Liana Leach von derAustralian National University analysierten43 Studien und entdeckten, dass Angststörun-gen bei Männern ebenso häug vorkommenwie eine postnatale Depression. Bei Frauen ist

    das Risiko insgesamt doppelt so hoch. Die

    Ursachen sind noch nicht genug erforscht.Studienleiterin Leach hat einen Erklärungs-ansatz: „Männer fühlen sich außen vor, weSchwangerschaft und Geburt natürlicherweAngelegenheiten der Frauen sind. Sie suchsich keine Hilfe, weil es in ihren Augen mehum Mutter und Kind geht als um sie selbstNervosität und Sorgen bei jungen Eltern sinnormal. Problematisch wird es, wenn derAlltag leidet. Gesundheitsvorsorge währendder Schwangerschaft ist also nicht nur für dFrau wichtig – auch der Partner protiert.

    Gibt es dieMännergrippe wirklich?

    Der deutsche Mann rasiertsich nicht nur im Gesicht.Das zeigt eine Befragung vonrund 12 000 Männern undFrauen aus ganz Europa.

    Gründliche Rasur

    Männer leiden untereiner leichten Erkältungso sehr, als hätten sieeine lebensbedrohlicheKrankheit. Darübermachen sich zumindestTV-Spots und aucheinige Ehefrauen gern

    lustig. Forscher unter-stützen nun die krän-kelnden Männer. Eineneue Studie zeigt, dasssich Inuenza-Viren inmännlichen Zellenleichter ausbreiten alsin weiblichen. Dasweibliche Sexualhor-mon Östrogen verlang-samt vermutlich dieVermehrung der Virenund schützt so denOrganismus der Frau.

    Es ist also nicht bloßSchauspielerei, wennMann bei einem leich-ten Infekt nicht vomSofa herunterkommt.Sein Körper ist einfachanfälliger.

    Männer leiden nach der Geburt

    eines Kindes häuger unter Angststörungen

    Mythen-Check

    Quelle: Psychology of Men & Masculinity, Bd. 7,3, 2006

    88 %

    59 %

    38 %

    37 %

    24%10 %

    9 %

    4%

    7 %

    36 %

    Gesicht

    Nasenhaare

    Brusthaare

    Intimbereich

    Beine

    Augenbrauen

    Ohren

    Rücken

    Arme

    Zehen

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    14   FOCUS-GESUND

    Der Bart:Schutz-wall stattHygiene-problem

    Bärte schützen offenbar vor

    infektiösen oder antibiotika-

    resistenten Keimen. Wissen-

    schaftler des Brigham and

    Women’s Hospital in Boston

    untersuchten Proben von

    408 Krankenhausmitarbei-

    tern – die eine Hälfte bärtig,

    die andere glatt rasiert. Die

    bartlosen Männer zeigten ein

    dreifach erhöhtes Risiko für

    Methicillin-resistente Bakterien

    der Art Staphylococcus aureus

    (MRSA) auf ihren Wangen. Die

    Forscher vermuten, dass derAkt des Rasierens ausschlag-

    gebend ist: In kleinen Haut-

    schnitten siedeln sich schnell

    Bakterien an. MRSA sind e

    großes Problem in Kranken

    häusern. Sie können in

    schweren Fällen Blutvergift

    gen, Lungenentzündungen

    und Wundinfektionen verur

    chen, etwa bei frisch operie

    ten Patienten. Antibiotika s

    wirkungslos gegen sie.

    Rasierte Männer, die unbe

    wusst die Keime auf ihrem

    Gesicht spazieren tragen, v

    breiten sie weiter: Etwa

    400-mal täglich berührt ein

    Mensch sein Gesicht –

    und danach Türklinken ode

    andere Personen.

    Auch Bartträger besitzen k

    völlig keimfreies Gesicht.

    Adam Roberts des Univers

    College London entdeckte

    mehr als 100 verschiedene

    Bakterienarten in einigen

    Bartproben. Eine besonde

    Art, die sogenannten Stap

    lococci epidermidis, bekäm

    ten andere Bakterien und

    wirkten damit ähnlich wie e

    Antibiotikum. In einem

    Experiment behaupteten ssich sogar gegen Keime,

    die Harnwegsinfektionen v

    ursachen.

    Meldungen, Meinungen, Mythen

    Der Keim-

    bewuchs

    des Vollbartsschützt vor

    Infektionen

    Männersachen

    Das Bayerische Gesundheits-ministerium bringt mit

    „Gesundheit, Männer!“ einenmedizinischen Check-up. Mann

    erfährt, wie er das eigene Lebengesünder leben kann. Ein

    Vorsorge-Kalender informiert underinnert an fällige Termine.

    Check-upDie„Männer Werkzeugbrüstet für den nächsten Hrenausug. Die App bieeinen Bierzähler, der nebdem aktuellen Promillew

    auch die Ausgaben berechEs gibt einen Noch-Nücht

    Test und lustige Geräusc

    Trinkkumpan

    Apps für das Smartphone 

    unterstützen beimSport, beim Ausflugmit Freunden,beim Schlafen oder

    wenn die nächste Vorsorge-Untersuchung ansteht.

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Regelmäßige körperliche Aktivitätschützt ältere Männer vor Stürzen.Leichtes Training reduziert das Risikohinzufallen um 38 Prozent. Bei Frauenzeigt sich dieser Effekt nicht. Zu die-sem Ergebnis kamen Forscher der YaleUniversität, die eine Langzeitstudiezur körperlichen Aktivität von älterenMenschen auswerteten. Stürze sindder Hauptgrund für Verletzungen bei

    Menschen ab 70 Jahren. Durchmoderate Bewegung halbieren Männerihr Risiko für Knochenbrüche oderKlinikaufenthalte nach einem Sturz.

    48Prozent der

    Männer fühlen

    sich im Alltaggestresst. Unterden Frauen

    ist der Stresspegelmit 56 Prozent

    höher

    WER NICHT RASTET, DER

    ROSTET AUCH NICHT

    Einfache Übungen zumTrainieren der Beckenboden-muskulatur bringt die App

    „PC-Workout“. Der Männersporthilft bei leichten Inkontinenz-

    und Potenzproblemen. Eineingebauter Wecker erinnert

    täglich an das Programm.

    Lenden aus StahlDie App „snore clinic“ analy-siert nächtliches Schnarchenauf Zeichen von Schlafapnoe. 

    Der Nutzer erfährt, ob erunter Atemstillständen beimSchlafen leidet. Er kann dieAnalyse bei Bedarf an eineSpezialklinik weiterleiten.

    Schnarchklinik

    Quelle: Umfrage der DKV, 2014

    Texte: Franziska Lehner t

    Kaffee macht nicht nur müde

    Männer munter – sondern weckt

    auch ihre Männlichkeit. Etwa zweibis drei Tassen am Tag senkendas Risiko für eine erektile Dys-funktion. Das ergab eine Befra-gung von knapp 4000 Männern inden USA. Entscheidend ist dieMenge des aufgenommenen Kof-feins. Zwei bis drei Tassenentsprechen zwischen 170 und375 Milligramm Koffein, je nachStärke des Getränks. Wer dieseDosis konsumierte, hatte zu39 Prozent seltener Potenzstörun-gen als Männer, die keinen Kaf-fee tranken. Die Ergebnisse zeig-ten sich auch bei Übergewichtigen

    und Männern mit Bluthochdruck,allerdings nicht bei Diabetikern.Ob Koffein tatsächlich ein neuesMittel gegen Erektionsproblemesein kann, müssen Forscher abererst noch genauer untersuchen.

    Koffein-Kick

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       F  o   t  o  :   M  a  r   k  o   P  r   i  s   k  e   f   ü  r   F   O   C   U   S -   G  e  s  u  n   d   h  e   i   t

    An der Klosterpforte umfängtdie Besucherin friedvolleRuhe. Wie ein schwerer Man-tel fallen hier in der Benedik-

    tinerabtei St. Ottilien in der Ammersee-Gegend die Aufregungen der Welt vonihr ab. Im schlichten Besucherzimmersitzt Pater Theophil Gaus. Er bietet demGast Kaffee und Kekse an und strahltdabei heitere Gelassenheit aus. Der Tagdes 52-jährigen Ordensmanns hat um5.40 Uhr mit dem gemeinsamen Chor-gebet in der Abteikirche begonnen.

    Der Benediktinermönch lebt beschei-den und folgt dem althergebrachtenRhythmus. Für ihn zählt seit 32 Jahrenora et labora, bete und arbeite, also jenerLeitspruch, mit dem der heilige Benediktden Tagesablauf hinter Klostermauernregelte. Gleichwohl ist Pater Theophil fürden modernen Mann ein Pionier. Dennim Vergleich zu seinen weltlichen Ge-schlechtsgenossen hat der Gottesmanneinen entscheidenden Vorteil: Er wird

    Männer gelten als Gesundheitsmuffel und

    sterben früher als Frauen. Dabei macht

    eine große Studie Mut: Mönche in Klösternerreichen fast das weibliche Lebensalter

    Jungs, da können wir

    etwas tun

    DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUNG

    16

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Corpus delicti

    Der Urologe Frank Somme

    Leiter des weltweit ersten

    stuhls für Männergesundh

    an der Uniklinik Hamburg-

    Eppendorf, lenkt die Aufm

    samkeit auf sein Thema

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    FOCUS-GESUND18

    statistisch vier Jahre länger leben als dieMänner draußen. Die Lebenserwartungvon Männern in Klöstern, so ergab einegroße Studie überraschend, erreicht fastdie von Frauen.

    Der Bevölkerungswissenschaftler MarcLuy hatte die Lebensläufe von 12 000Mönchen und Nonnen analysiert. Alsoeines Personenkreises, der sich zwardurch sein Geschlecht, aber nicht durchseine Lebensweise unterscheidet. Da-nach kam Luy zu einem deutlichenUrteil: „Nicht Frauen leben länger, son-dern Männer sterben vorzeitig.“ Und dieSchuldigen hat der Forscher ebenso aus-gemacht. „Wir sind für die verlorenenLebensjahre zum größten Teil selbst ver-antwortlich“, sagt er.

    Derzeit können neugeborene Jungendamit rechnen, 77 Jahre und neun Mo-nate alt zu werden. Bei Mädchen liegt derWert bei 82 Jahren und zehn Monaten.Macht gut fünf Jahre. Worauf der Unter-schied zurückzuführen ist, blieb langerätselhaft. Es werden wohl biologischeGründe sein, die Männer früher in dieKnie zwingen, mutmaßten die Forscher.Marc Luys Klosterstudie deckt eine ganzandere Wahrheit auf. Männer sind kei-neswegs genetisch dazu verurteilt, vorden Frauen zu sterben. Dagegen ist esvor allem ihre höhere Bereitschaft zum

    Risiko, die sie früher ins Grab bringt.Beispiel Straßenverkehr: Nach aktuel-

    len Zahlen aus dem Jahr 2014 verunglü-cken mit dem Pkw mehr als dreimal soviele Männer tödlich wie Frauen. Selbstwenn sie nicht hinterm Steuer sitzen, ge-ben Männer Gas. Sie rauchen häugerund stärker als Frauen, sie essen doppeltso viel Wurst und Fleisch. Zwei von dreiMännern sind zu dick, davon ein Drittelsogar adipös. Sie trinken viel mehr undgern bis zum Vollrausch Alkohol. All dieserhöht das Risiko für lebensbedrohlicheKrankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes

    und Krebs.Medizinisch gesehen scheint der Mann

    ein hoffnungsloser Fall. Doch zum Teil istdas risikobehaftete und kurze Männer-leben biologisch gewollt. Denn eine Ge-sellschaft protiert ungemein von Mit-gliedern, die mehr wagen als andere. Wersich todesmutig – wie es etwa die Heldender Antike, Ritter oder Indianer vorleb-ten – dem Feind entgegenstellt, mag seinLeben riskieren, aber das von Kindernund Frauen retten. Jede Gemeinschaft

    benötigt Mitglieder, die härter zupackönnen, ohne von der Mitleidsbremgehindert zu werden. Daher sind in mchen Berufen – dem des Soldaten, Polizisten oder sogar des Metzgers – ditionell wenige Frauen zu nden. Uauch in Männern in modernem Ouschlägt oft noch das Herz des HeldAls solcher hat er gelernt: Hohe Risbereitschaft wird belohnt – mit Erfolgvielen Frauen und einer hohen AnzahNachkommen. Medizinisch gesehendas traditionelle Verhaltensmuster aproblematisch. Denn ein Indianer, keinen Schmerz kennt (und seinen Kper nicht richtig wahrnimmt), wird zRisiko für sich selbst.

    Das althergebrachte Draufgänger

    macht Ärzten wie Frank Sommer SorgDer Urologe leitet seit 2005 den weltwersten Lehrstuhl für Männergesundan der Uniklinik Hamburg-EppendZu ihm kommen viele Patienten leierst, wenn ihnen Beschwerden keWahl lassen. „Den meisten Männern es immer noch sehr schwer, körperliSchwächen zuzugeben. Und wennzum Arzt gehen und der womöglich eErkrankung entdeckt, legen sie dasSchwäche aus“, weiß der Experte.Selbstbild vom starken Mann vertegen die Helden buchstäblich bis z

    Umfallen. Appelle und gute Ratschlblenden sie aus. Die Folge: „Männertreiben Reparaturmedizin statt Vorsormedizin“, moniert Sommer, der auchPräsident der Deutschen GesellschafMann und Gesundheit die PräventionMänner verbessern will.

    Die Krebsvorsorge etwa nehmen 20 Prozent der Männer wahr. „KeZeit!“, antworten sie, wenn sie nach dWarum gefragt werden. Knapp 80 zent aller Männer geben in Umfralange Wartezeiten als Grund an, wasie nicht gern zum Arzt gehen. Ersta

    lich ist nur: Dieselben Wesen harbeim Reifenwechsel ohne zu mureine Stunde in der Werkstatt aus.

    Die Fähigkeit, sich um sich selbskümmern und die Bedürfnisse desgenen Körpers wahrzunehmen, ist vielen Kerlen nur gering ausgepr„78 bis 92 Prozent der deutschen Mner zwischen 40 und 80 Jahren glaubdass sie gesund beziehungsweise sgesund sind“, zitiert Experte Someine Studie seines Lehrstuhls.

    Seit 1996 analysiert der Bevöl-

    kerungswissenschaftler Marc

    Luy die Lebensdaten von

    12 000 Ordensbrüdern und

    -schwestern in meist bayeri-

    schen Klöstern. Die Befunde

    publiziert er bis heute.

    Das zentrale Ergebnis: Die im

    Kloster lebenden Mönche er-

    reichen eine weitaus höhere

    Lebenserwartung als ihre

    Geschlechtskollegen draußen

    und kommen fast an die der

    Frauen und Nonnen heran.

    KLOSTER-STUDIE I:DIE BOTSCHAFT

    Nonnen

    36

    40

    44

    48

    52

    56Jahre

    1900   1950 2000

    Mönche

    Männer*

    Überraschende EinblickeBevölkerungswissenschaftler

    Marc Luy erforschte die Le-

    benserwartung von Mönchen

    DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUNG

    Vergleich derLebenserwartungen

    *allgemeine Bevölkerung

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    Nachdem der Vater des Geo-

    grafen im Alter von 57 Jahren

    an einem Schlaganfall starb,wollte der Sohn es besser ma-

    chen. Er stellte sein Leben um,

    verzichtet auf Alkohol, ernährt

    sich meist vegetarisch und

    treibt Sport. Selbst Autofahren

    lässt Herb bleiben und steigt

    aufs Fahrrad oder nutzt den

    öffentlichen Nahverkehr.

    Vom VatergelerntArmin Herb, 57

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    Stressfrei länger leben

    Pater Theophil Gaus kümmert

    sich in der Benediktinerabtei

    St. Ottilien um die Gärten – und

    die Vogelhäuschen nebenan

    Doch die Helden könnten nicht mehrdanebenliegen. Die körperliche Unter-suchung nach der Befragung zeigte:45 Prozent hatten Bluthochdruck, 44 Pro-zent zu hohe Blutfettwerte. Elf Prozentwaren an Diabetes erkrankt, sechs Pro-zent hatten einen Herzinfarkt erlitten,ohne ihn bemerkt zu haben. Weiteresechs Prozent hatten gar Krebs.

    Auf der Suche nach den Ursachen fürderlei Fehlsichtigkeit haben die Exper-ten die Erziehung, aber auch das sozialeUmfeld als Ursache ausgemacht – wasimmerhin Hoffnung gibt. „Frauen sindanders sozialisiert, sie haben es verin-nerlicht, zum Arzt zu gehen“, erklärtTheodor Klotz, Chefarzt der Klinik fürUrologie, Kinderurologie und Andrologie

    in Weiden. Viele suchen als Jugendlichebereits regelmäßig den Gynäkologenauf, um sich die Pille verschreiben zulassen. Später sind es die Schwanger-schaften und Vorsorgeuntersuchungen,die den Praxisbesuch zur Routine wer-den lassen und den Arzt zur Vertrau-ensperson. Eine Entwicklung, die sichKlotz, wissenschaftlicher Leiter der Stif-tung Männergesundheit, auch für dieHerren wünscht. Was schon Hänschenlernt, kann Hans am Leben halten. Vorallem die Allgemeinheit sieht Klotz inder Picht. „Männergesundheit beginnt

    mit der Jungenerziehung. Da denierensie das Gesundheitsverhalten und da-mit die Krankheitslast 30, 40 oder gar50 Jahre später.“

    „Männergesundheit ist eine gesell-schaftliche Aufgabe“, pichtet MatthiasStiehler bei. Der Erziehungswissen-schaftler setzt sich in seinen Büchernmit männlicher Identität auseinanderund hat den Ersten Deutschen Männer-gesundheitsbericht initiiert und im Jahr2010 mitherausgegeben. Vieles laufe vonAnfang an schief, meint der Experte.„Männer werden zum Funktionieren er-

    zogen, sie lernen, Schwächen beiseitezu-schieben. Selbst wenn sie schon auf demZahneisch daherkommen, werden sienoch als handlungsmächtig angesehen,auch von ihrer Partnerin“, sagt Stiehler.„Das erzeugt Druck.“

    Dass Männer keine Opfer sind, sondernselbst handeln, bekommen sie schon alsKinder von den Eltern eingeimpft: Auf je-dem Spielplatz zwischen München undHamburg ist zu beobachten, wie Mütterund Väter anerkennend von „richtigen

    Jungen“ sprechen, wenn die Kinder üGrenzen gehen, wie sie ihnen zwar

    nerseits Tränen zugestehen, aber in nächsten Minute „Weicheier“ bramarken, die bei jedem WehwehchenMutti laufen. Jene Mentalität, die inMedizin als gesundheitsschädlich fordert die Gemeinschaft: KonkurreLeistungsdenken und Malochen bistotalen Erschöpfung.

    Wer die Jungs erreichen will, der mdiese Zusammenhänge verstehen – seine Ansprache anpassen. „Mänsind im Grunde keine Vorsorgeverw

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    gerer“, sagt Experte Theodor Klotz. „Siesind nur wettbewerbsorientiert. Manmuss sie motivieren.“ Entscheidendsind persönliche Anreize. „Ein Mann be-trachtet seinen Körper als Werkzeug zumErreichen eines Zieles“, erklärt Klotz.„Dieses Ziel kann im mittleren Erwach-senenalter Karriere, Geld oder Porscheheißen. Wenn Sie vermitteln können,dass Gesundheit hierfür wichtig ist, dann joggt der Mann.“

    Je nach Alter müssten Therapieange-bote natürlich andere Ziele denieren.„Mit dickem Bauch bist du sexuell nichtmehr attraktiv“, könnte es für 50-Jährigeheißen. „Willst du deine Enkel aufwach-sen sehen?“ für 60-Jährige. Das kann beiRauchern mehr bewirken als Schockbil-der auf Zigarettenpackungen und Mah-nungen des Arztes.

    Wer versucht, Männer in einen Kurs„Wohlfühlyoga nach Feierabend“ zu lo-cken, schießt am Ziel vorbei. Das passenun mal nicht zur Lebenswirklichkeitder Männer, kritisiert Erziehungswissen-schaftler Stiehler. Zu unmännlich. Wennman aber „Poweryoga“ oder „Relaxennach einem harten Arbeitstag“ anbietet,legen sich auch Männer auf die Matte.

    Geograf Armin Herb brachte der früheTod des Vaters zum Umdenken: „Daswar ein heilsamer Schock für mich“,

    erzählt der Münchner, während er seinMountainbike nach einer Bergtour zu-rück in den Keller trägt. „Dieses Schick-sal wollte ich nicht teilen.“ Sein Vaterwar mit 57 Jahren – so alt ist Herb heuteselbst – an einem Schlaganfall gestor-ben. Zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf, Be-wegungsmangel, hoher Blutdruck undein gefährlicher Cholesterinspiegel hat-ten aus dem Vater den typischen Risiko-patienten gemacht. „Er ist nur im Notfallzum Arzt gegangen“, erinnert sich Herb,„und selbst dann hat er nicht auf dieRatschläge gehört, sondern nur die ver-

    ordneten Pillen geschluckt.“Der Sohn beendete das Rauchen und

    brachte sich das Kochen bei. „Ich hattekeine Lust mehr auf Convenience-Foodund fettes Kantinenessen“, sagt er rück-blickend. Heute steht kaum noch Fleischauf seinem Speiseplan. Dazu hat ihnseine erste Ayurveda-Kur in Indien in-spiriert, eine Idee seiner Lebensgefähr-tin. „Ich fühlte mich damals nicht mehrwohl in meiner Haut, war erschöpft undwusste, ich muss entspannen.“ Das Ein-

    geständnis, dass er lange Partynäcnicht mehr so wegsteckt wie mit 20 udie Leistungskurve ab einem gewissAlter abnimmt, sei ihm als Mann besders schwer gefallen. „Im Grunde istheute noch so“, sagt er.

    In St. Ottilien berichtet Pater Theopvon der „spirituellen Grundgeborgheit im Herrn“. Auch diese wirkt wascheinlich immunisierend gegen Ängund Stressoren. „Glaubende Menschfallen nicht in so tiefe Löcher wie Mschen, die keinen Zugang zum Glben haben“, ist sich der Mönch sichLebensverlängernd könnte auch wken, dass die Mönche viele Alltagssgen gar nicht kennen. „Ich habe keGeldprobleme und muss keine Anvor Arbeitslosigkeit haben. In unseGemeinschaft ist in allen Lebensphafür einen gesorgt“, sagt Pater TheopFast wie bestellt radelt draußen BruArmin vorbei, 90 Jahre alt und für Leerung der Mülleimer auf dem Kltergelände zuständig. „Auch das untscheidet uns von weltlichen Männersagt der Pater mit Blick auf den Mitbder, „wir werden bis ins hohe Alter in Gemeinschaft gebraucht. Uns schrekein Ruhestand.“

    Immerhin, ein bisschen Bewegungim Land der starken Kerle schon zu v

    zeichnen. „Die Zahl gesundheitsbewuter, sportlicher Männer, die auf ihr Äures achten, wächst stetig“, weiß TheoKlotz aus seiner Praxis und Stiftungsbeit. Die Generation der 60-Jährigen uÄlteren habe die Reparaturmentalzwar noch verinnerlicht, meint Klotz. den jüngeren Männern zwischen 25 u50 Jahren sehe das deutlich anders a„Viele gehen sensibler mit ihrem Körum, zumindest wenn sie einer bestimten Bildungsschicht angehören.“ Hträgt die Geschlechterdebatte um neRollenbilder erste Früchte. Der Öffe

    lichkeit führt es die Werbung vor AugIn Anzeigen und Spots wird der Macalter Schule abgelöst von sportlich-akven Managertypen, fürsorglichen Falienvätern und Fußballtrainern, die Kosmetikmarken werben.

    Der Held wird weiblicher und emonaler. Und der neue starke Mann wbald der sein, der seine Schwächzeigt.

    KARIN MICHAE

    Die Analyse der Lebensdaten

    von Mönchen und Nonnen so-

    wie ihr Vergleich mit der allge-

    meinen Bevölkerung erlaubt

    auch hinsichtlich der Todes-

    ursachen (s. u.) weitere inter-

    essante Einblicke.

    Sterbefälle Frauen(pro 100 000)

    Sterbefälle Männer(pro 100 000)

    Vergleich Nonnen – Frauen:

    Beim Herz-Kreislauf-System

    liegen die Sterberaten beider

    Gruppen gleichauf und sind

    rückläug. Beim Krebs wiesen

    Frauen sogar lange eine gerin-

    gere Sterberate auf.

    Vergleich Mönche – Männer:

    Im Kloster erkranken Männerauffallend selten tödlich an

    Krebs. Auch bei der Sterbeur-

    sache Herz-Kreislauf liegen die

    Ordensbrüder vorn, allerdings

    gleichen sich die Kurven an.

    KLOSTER-STUDIE II:DIE STERBEURSACHEN

    Kreis-laufsystem

    Krebs

    1960 1975

    400

    800

    1200

    1995

    Frauen*

    kath. Nonnen

    Kreislaufsystem

    Krebs

    19751960

    400

    800

    1200

    1600

    1995

    Männer*

    kath. Mönche

    DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUN

    *allgemeine Bevölkerung

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    FOCUS-GESUND

    Zuletzt ging es dem Y-Chromo-som an den Kragen. DemTräger jener Gene, die denMann überhaupt erst ent-stehen lassen. Dem Symbol

    der Männlichkeit. Das Chromosom seiauf dem Rückzug, warnten einige Ge-netiker. Seit 300 Millionen Jahren ver-liere es Gen um Gen. Das Schrumpfen

    der Männlichkeit, errechneten sie, führedazu, dass es bald ganz verschwundensei. Sterben die Männer aus? Die Ant-wort lautet: Nein, die Männer bleibenund mit ihnen auch das Y. Die Forscherwaren zu vorlaut.

    Der Angriff, vorgetragen auf demscheinbar unbestechlichen Feld derBiologie, darf als vorläuger Höhepunkteiner Kampagne gelten, die nicht mehrlustig ist. Der Mann ist zum Synonymfür Missstände aller Art geworden. So-

    bald etwas schieäuft auf dieser Welt,sind die Schuldigen schnell gefunden:Es sind die Männer. Sie prügeln sich,sind gewalttätig, führen Kriege, unter-drücken die Frauen und bedrängen siesexuell. Wahlweise Buchautoren, Politi-ker oder Frauenrechtler wähnen die Weltgar in einer „Testosteronkrise“ (schonwieder die Biologie!).

    Das männliche Geschlechtshormonist es, das Banker, blind vor Gier, dieFinanzkrise auslösen ließ, das für lau-sige Gewinne Umweltzerstörung undAusbeutung in Kauf nimmt. Geldgier,Machtversessenheit, Gewissenlosigkeitund Egoismus sind Embleme des Männ-lichen geworden. Symbol all des Übelsist der Penis. „Hochmut kommt vor demPhall“, textete ein Magazin zu einemBild mit Bankenhochhäusern in voraus-eilender Selbstanklage.

    Gleiche Rechtefür Männer!

    Die skurrilen Verwerfungen reicweit. Es ist ein Verdienst Christoph Kulicks, ihnen nachgespürt zu haben. Soziologe promovierte zum Thema männlichen Identität und verfasste Buch „Das unmoralische GeschlecMänner, so seine Diagnose, gelten mlerweile als Feinde der Moderne, als andertaler des Fortschritts. Belege zu

    den ist ihm nicht schwer gefallen.Etwa das Grundsatzprogramm

    SPD. Dort heißt es schamlos selbstvständlich: „Wer die menschliche Gesschaft will, muss die männliche übwinden.“ Oder ein ProgrammpapierDavoser Wirtschaftsgipfels aus dem J2011. Verfasst nicht von Wirtschaftsfrerinnen, sondern -führern, trägt es hilosen Titel: „Sechs globale Heraforderungen, eine Lösung: Frauen!“sei üblich, meint Kucklick, „jedem

    Der Mann gilt wechselweise als Feind des Fortschritts odegar „Gesundheitsidiot“. Dabei wird er einfach nur benachteiligtDas sollte die Medizin wissen, will sie ihm helfen

    DER MANN ESSAY

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    DER MANN ESSAY

    Problem einen männlichen Defekt bei-zugesellen, der es irgendwie verursachthaben soll“. Er nennt das „Kausalitäts-pornograe“. Denn: Die Behaup-tungen sind haltlos, Belege gibtes keine. Männerfeindlichkeit istgesellschaftsfähig geworden.

    Die Vorstandsvorsitzenden,Geschäftsführer, Handwerker,Vereinsvorsteher und Famili-enoberhäupter dürften die Vor-würfe belächeln. Könnte manmeinen. Doch das Verhältnis derGesellschaft zu ihren Männernist eine Frage des Überlebens.Das gilt nicht erst, seitdem imJahr 1852 auf einem Schiff Ih-rer Majestät, der Königin Vic-toria, erstmals das berühmteKommando erging, das Män-ner für verzichtbar erklärte:„Frauen und Kinder zuerst!“

    Das Stigma wirkt bis in dieheutige Zeit und prägt die Gesundheits-politik mit geradezu historischer Kraft.So ist die organisierte Frauenmedizingut 100 Jahre älter als die Männerme-dizin. Im Jahr 1885 wurde die DeutscheGesellschaft für Gynäkologie und Ge-burtshilfe gegründet. Die Deutsche Ge-sellschaft für Andrologie folgte erst 1976.Der „Erste Männergesundheitsbericht“

    erschien nach langem Gezerre im Jahr2010. „Seit zehn Jahren kämpfen meineForschungskollegen und ich für diesenBericht. Jetzt ist er endlich möglich ge-worden!“, schreibt sein Initiator im Vor-wort, der GesundheitswissenschaftlerKlaus Hurrelmann, zuletzt an der Her-tie School of Governance in Berlin tätig.„Er macht deutlich, wie dringend diegezielte Analyse der männlichen Ge-sundheit ist.“

    Die durchschnittliche Lebenserwar-tung eines neugeborenen Jungen liegtaktuell 4,89 Jahre unter derjenigen ei-

    nes Mädchens. Dabei bringen Männerbiologisch alle Voraussetzungen mit, umihren Ruhestand ebenso lange genießenzu können. Das zeigte der Wiener Bevöl-kerungswissenschaftler Marc Luy nachder Analyse von Tausenden von Lebens-läufen von Mönchen und Nonnen.

    Die Gründe für das Leid der Männermüssen also auf dem Gebiet des Men-schengemachten zu nden sein. Sind sieetwa nicht selbst daran schuld? Sie lebenrisikoreich, rauchen und trinken viel,

    nehmen Drogen, verursachen viele Vkehrsunfälle und gehen weder mit nohne Grund zum Arzt, also zur VorsoMänner sind eben „beratungsresisteGesundheitsidioten“.

    Man kann differenzierter nachsehwie dies etwa Martin Dinges vom Instfür Geschichte der Medizin der RobBosch Stiftung in Stuttgart getan hatlässt sich etwa feststellen, dass die Mner noch immer die gefährlichsten am stärksten gesundheitsschädigenBerufe ausüben – etwa GerüstbaDachdecker, Bergmann, Pasterer, Mrer oder Fliesenleger. Entsprechend treffen über 92 Prozent der tödlicArbeitsunfälle Männer. Es sei nichtEigenschaft „Mann“, die ein erhöh

    Risiko mit sich bringe, meint Dingsondern die Eigenschaft „in aufreibdem Beruf beschäftigt“. Die einherhende Gefährdung ist „weder frei wählt noch beliebig vermeidbar“.

    Ein ähnliches Muster ergibt sichStraßenverkehr. Es trifft zu, dass dreiso viele Männer wie Frauen im Fahrzverunglücken. Richtig ist aber auch, dweitaus mehr Männer als Frauen ttäglich beruich unterwegs sind. „Außendienstmitarbeiter oder Selbstsdige absolvieren sie mehr als doppeviele Kilometer mit dem Pkw als Frau

    und sie tun dies entsprechend häuunter Stress“, so Dinges. „Wir habenalso auch hier nicht in erster Linie Hormonschüben und männlicher Itie, sondern mit Rahmenbedingungentun, die die Gesundheitspolitik reekren müsste.“

    Manchmal tut es ja schon ein StMetall am Straßenrand. So bracdie Einführung von Leitplan

    in den 1970er- und 1980er-Jahren Männern statistisch einen Zugewvon 1,2 Lebensjahren. Zum VergleDie verbesserte Krebsvorsorge zwisc

    1980 und 2002 schlug nur mit rundnem halben Jahr zu Buche.

    Auch das Thema Vorsorge hängt möglich nicht so sehr am Geschledes Betreffenden, sondern an der Fseiner Erwerbstätigkeit. 94 Prozent berufstätigen Männer arbeiten VollzTeilzeitbeschäftigte dagegen sind zuProzent Frauen. Die Vorsorge-Angebfordert Gesundheitsforscher Dinges, sten mit den Arbeitszeiten der Mänvereinbar sein, damit diese sie in

    Aktivität und

    Abenteuerlustsind männ-lich, sichHilfe zu holen,ist es nicht

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    FOCUS-GESUNDHEIT

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    lung, kehren sich die Zahlen mehr um. „Zwei Drittel bis drei Viertel aSuizidopfer sind Männer“, sagt AnMaria Möller-Leimkühler, Medizinziologin an der LMU München. Typiweiblich ist es, nach Hilfe zu rufen, pisch männlich, still zu leiden, mit voTötungsabsicht ans Werk zu gehen – uam meisten das Misslingen zu fürchtDer Gesundheitsidiot wäre obendrein Suizidtrottel. Um der übersehenDepression auf die Spur zu kommen, Möller-Leimkühler einen Fragebogentwickelt, der männertypische Symtome zuverlässig erfasst.

    Das ist ein weiteres Mosaiksteinchdas Leben retten wird. Aber wie lanwird es noch dauern, bis Männer in

    Medizin die gleiche Sensibilität erfahwie Frauen?

    WERNER SIE

    spruch nehmen können. Doch welcherArzt bietet einmal in der Woche Abend-sprechstunden bis, sagen wir, 22 Uhr an?

    Sicher, es gibt geschlechtsbezogene,um es konkret zu sagen: auf biologi-schen Unterschieden beruhende, Risi-ken. Männliche Babys strampeln mehrund fallen deswegen häuger vom Wi-ckeltisch. Jungen greifen eher zum Ham-mer, Spielzeugauto oder Ball, Mädchenzur Puppe. Derartige Unterschiede schei-nen natürliche Verhaltenstendenzen wi-derzuspiegeln, sind also nicht von derGesellschaft geprägt. Dafür mehren sichdie Hinweise aus der Forschung – wennauch manche Feministin sich beharrlichweigert, dies zuzugeben. Hammer undBall aber sind im Umgang gefährlicher

    als die Puppe – und die Männer gering-fügig im Nachteil.

    Massiv negativ wirken sich dagegenherkömmliche Rollenbilder auf das Über-

    leben aus. Trotz aller gesellschaftlichenVeränderungen, trotz Papas in Elternzeitund neuer Empndsamkeit – noch immerist das Modell der „hegemonialen Männ-lichkeit“, wie Soziologen das nennen, mitAbstand das häugste. Die Gesellschafterwartet von den Männern, dass sie fürFrau und Kind sorgen und sagen, wo eslanggeht. Aktivität, Ehrgeiz, Aggressi-vität, Durchsetzungsfähigkeit, Entschei-dungs- und Abenteuerfreude sind wich-tige Elemente dieses Selbstbilds undgleichzeitig im Berufsleben sehr starknachgefragt. Schwäche zuzugeben, Hilfezu holen, auf die Signale des eigenenKörpers zu hören sind es nicht.

    Das Heldentum hat fatale Auswirkun-gen. Den verfügbaren Statistiken zu-

    folge erkranken Frauen doppelt so häu-g an Depression wie Männer. Bei denSelbsttötungen, der für Psychiater har-ten Währung der chronischen Verzweif-

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     „Die Augen sind der Spiegelder Seele.Wer sich vital

     fühlt, möchteauch so aussehen.“

     Dr. Markus Klöppel  Die Fachärzte für Schönheitschiru

     sind laut ihren Patienten top! Auf jameda, Deutschlands größter Arzempfehlung, erhalten sie auf eine

     Schulnotenskale von 1 bis 6 die G samtnote 1,21, wobei die männlic Patienten leicht unzufriedener sin(1,25) als die weiblichen (1,17).

     Das Vert rauensverhältnis zu ihren Ästhet ischen Chirurgen bewertendie Männer mit der sehr guten No1,27. Auch für Behandlung,

     Aufk lärung und Freundlichkeit gies Spitzennoten (1,23, 1,25, 1,21)

     Selbst mit den Wartezeiten auf einTermin und in den Praxen sind diemännlichen Patienten zufrieden uvergeben hier jeweils die Note 1,5

     Spitzenreiter im Bundesländer- Ranking sind die Plastischen Chir gen in Hamburg (1,17), Bayern un Berlin (jeweils 1,18).

    Umfrage:

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    Immer mehr Männer wagen eineSchönheits-OP. Wie erklären Sie sich

    diese Entwicklung?Zum einen wird das Thema Schönheitschi-

    rurgie zunehmend enttabuisiert, so dasssich insgesamt mehr Leute damit beschäf-tigen. Zum anderen sagt man nicht ohne

    Grund, 50 sei das neue 30 – das gilt auchfür Männer! Sie sind aktiver und vitalerals es ihre (Groß-)Väter in ihrem Alter wa-

    ren und möchten dies auch ausstrahlen.Oft spiegeln aber gerade unsere Augendas Gegenteil wider und sehen aufgrund

    des natürlichen Alterungsprozesses müdeund erschöpft aus. Frauen können hiersicherlich mit dem richtigen Make-up

    etwas kaschieren. Männer, die sich dem Alter nicht geschlagen geben möchten,entscheiden sich immer häuger für eine

    unkomplizierte Lidstraffung.

     Wie läuft eine Lidstraffung ab?Mit einer Oberlidstraffung werden vorge-fallene Fettanteile und erschlaffte Hautentfernt. Die Schnitte werden so gesetzt,

    dass die Narben in der natürlichen Lid-falte „verschwinden“. An den Unterlidernkommt es durch Erschlaffung von Haut,

    Muskeln und Fett zu „Tränensäcken“. Hier-für werden die Schnitte fast unsichtbar un-ter die Wimpernkante des Unterlids gelegt.

    Die Eingriffe dauern je ca. 45 Minuten undkönnen ambulant mit örtlicher Betäubungdurchgeführt werden. Danach sehen die

     Augen wieder wacher aus und das Gesichtmacht einen ausgeruhten Eindruck.

     Wie schnell kann man nach einerOP wieder zurück ins Büro?Gesellschaftsfähig ist man nach ca. 4 bis8 Tagen. Sport ist nach 4 bis 6 Wochen

    möglich, Sauna nach 8 Wochen.

     Dr. med. Markus Klöppel ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und prakti- ziert seit 2005 in eigener Praxisklinik in München-Solln. Dr. Klöppel wurde mehrfach für seine wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet und ist seit 2011 aktives internationales Mitglied bei der Amerikanischen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (ASAPS).

    Lidstraffung beim MannJeder 6. Patient, der sich für die Schönheit unters Messerlegt, ist ein Mann. Die Lidstraffung steht dabei hoch im Kurs, 

    wie Dr. Markus Klöppel bestätigt.

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    26

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Warum wirst du nicht schwanger? Bleibt einPaar ungewollt kinderlos, steht meist die Fruchtbarkeitder Frau in Frage. Tatsächlich liegt es aber genausohäufig am Mann. Mit diesen Therapien verhelfen Ärzteauch in scheinbar hoffnungslosen Fällen zum Kind. S. 6

    Erkennen & heilen

    »Ich habe so viel Zeit mit Pornosverbracht, dass ich es nicht schaffte

    die Berichte zu schreiben«

    Männer mit Pornosucht schildern

    ihren Weg aus der Abhängigkeit. S. 64

    Operation Prostata: Schneidet der Arztzu flach, verletzt er zu viele Nerven.Schneidet er zu tief, bleibt Tumorgewebeim Körper. Die Entfernung der Prostataist Millimeterarbeit. Inzwischen stehenviele Verfahren zur Verfügung, Krebs der Vorsteherdrüse zu behandeln.  S. 34

    Millionen Euro gabendie Kassen 2014 fürTestosteronpräparate aus.

    Das Hormon soll die Männlichkeit erhaltenund Alterungsprozesse bremsen. S. 28

    32

    + Testosteron + Prostatakrebs + Psyche + Herz + Potenz + Unfruchtbarkeit + Pornosucht +

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    ERKENNEN & HEILEN  TESTOSTERON

    MilligrammTestosteronproduziert jederMann täglich

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    m Ende ist es auch nur einHormon unter vielen“, sagtRobin Haring und lachtschelmisch, weil er weiß,

    dass kaum ein Stoff mit so vielenMythen und Emotionen aufgeladenist wie Testosteron. Übrigens auch mitHarings Emotionen. Sieben Jahre langhat der 33-jährige Demograf und Epi-demiologe Datensätze analysiert undHunderte von Studien gewälzt, um

    herauszunden, was dieses Hormon sobesonders macht und was es mit derGesundheit und dem Verhalten desMannes anstellt.

    Das Hormon wird geliebt und ge-hasst. Die einen beschwören es alsJungmacher und Libido-Anheizer,andere verteufeln es als Aggressions-hormon, machen es verantwortlichfür Banken-Crashs, jugendliche Raser,männerlastige Chefetagen oder die

    sexuellen Übergriffe von männlichenFlüchtlingen. Der Greifswalder For-scher Haring hat genug von dieserSchwarz-Weiß-Malerei. In seinem Buch„Die Männerlüge“ räumt er mit dengängigen Vorurteilen auf: „Der Mannist kein Sklave seiner Hormone, undTestosteron ist auch nicht der viel ge-priesene Jungbrunnen“, sagt er.

    Doch der Mann um die 50 fühlt sichschlapp, gestresst, zu wabbelig, zu run-

    zelig, zu haarlos auf dem Kopf, zu haa-rig in Ohren und Nase – und im Bettlief es doch auch irgendwann einmalbesser. Ihn interessieren Harings Er-kenntnisse nicht. Der Mann um die 50denkt nur das: Es kann nicht sein, wasnicht sein darf. Dass er unweigerlich äl-ter wird, die Lider welk und das frühereSixpack sich als undenierbar teigigeMasse um Bauch und Hüften legt. Er istüberzeugt, dass sich Manneskraft, Vita-

    lität, Jugendlichkeit und Muskelkrafauf eine einfache chemische Formel reduzieren lassen müssen: C19H28O2. Nuein paar Ampullen Testosteron spritzenund schon wird aus dem trägen Hauskater wieder der wilde Tiger.

    Wo ein Wunsch ist, ist auch ein Markt„Testosteron wandelt gerade auf einemsehr schmalen Grat zwischen LifestyleMedikament, Anti-Aging-Medizin undArzneimittel“, kommentiert Haring die

    Entwicklung, die in den USA schon sehweit fortgeschritten ist. „Diese Wellewird bald auch Deutschland treffen“ist er überzeugt. Die Indizien sprechenfür sich: 2014 wurden hierzulandedreimal mehr Testosteronpräparateverschrieben als noch vor zehn Jahren. Von den Mitteln, die illegal übedas Internet bezogen werden, ganz zuschweigen. Es ist ein gewaltiger Marktder deutschen Pharmarmen 2014

    Eine Spritze Testosteron verspricht angeblichmehr Muskeln und besseren Sex. Nun warnenÄrzte vor dem Extra-Kick Männlichkeit

    Ein Hormon auf dem

    Prüfstand

    FOCUS-GESUNDHEIT

    Männerhormon-Forscher

    Der Epidemiologe Robin Hahat den Mythos um das HoTestosteron ins Visier genomen. Hinter ihm die Abbildueines Testosteronkristalls

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    allein mit den Verschreibungen der ge-setzlich Versicherten rund 32 MillionenEuro bescherte. Beeindruckend vor al-lem, wenn man bedenkt, dass die Deut-sche Gesellschaft für Endokrinologie nurbei einem sehr geringen Prozentsatz derälteren Männer überhaupt von einem zubehandelnden Mangel ausgeht.

    Der Endokrinologe Martin Reincke istPräsident der Deutschen Gesellschaftfür Endokrinologie – den Hype um dasKönigshormon des Mannes bekommt ertagtäglich bei seiner Arbeit am Univer-sitätsklinikum München zu spüren. Erseufzt und erzählt von den Patienten,die zuvor in einer der zahlreichen Anti-Aging-Praxen waren. „Sie kommen miteinem ganzen Sack an Medikamenten,

    die angeblich den Alterungsprozess auf-halten sollen, und sind enttäuscht, dasses nicht so geholfen hat, wie sie sich daserhofft haben“, erzählt Reincke. DiesesSammelsurium an Medikamenten hatdie Patienten meist mehrere hundertEuro gekostet.

    Nun ist es nicht so, dass es den Män-nern, die hoffnungsvoll zu Reincke indie Sprechstunde kommen, gutgeht. Siefühlen sich lustlos, leiden an Erektions-problemen, Herzrasen, Hitzewallungen,Gewichtsproblemen, Depressionen, Ge-reiztheit, Schlafstörungen oder Konzen-

    trationsschwäche. Manche haben nurein Symptom, andere eine ganze Reihe.Interessanterweise sind es fast die glei-chen Beschwerden, die Frauen währendder Wechseljahre erfahren – und dafürist ja schließlich auch primär der Man-gel des weiblichen Geschlechtshormonsverantwortlich.

    Nur dass es die Wechseljahre des Man-nes eben nicht gibt. „Wenn man sichdie Männer genau anschaut“, sagt Rein-cke, „dann sind sehr viel häuger Stress,überüssige Pfunde, zu viel Alkohol oderZigaretten der Grund für ihre Probleme

    und nicht der Testosteronmangel.“ Dasbestätigte 2010 auch eine Studie im re-nommierten „New England Journal ofMedicine“. Die Forscher untersuchten3300 Männer zwischen 40 und 79 Jahrenin acht europäischen Ländern. Die oft alsBeleg für einen Testosteronmangel ange-führten „Wechseljahre“-Symptome gin-gen zumeist nicht mit einem tatsächli-chen Testosteronmangel einher. Nur beidrei Symptomen gab es einen leichtenZusammenhang: seltene morgendliche

    Erektionen, seltene sexuelle Fantaund Erektionsstörungen.

    Warum dann überhaupt diese Obsion mit Testosteron? Weil erst Testoron aus einem zuerst weiblichen Embeinen Jungen macht und in der Pubtät schließlich aus einem Jungen eiMann. Der erste Testosteronschub psiert bereits im Mutterleib in der achSchwangerschaftswoche. Er ist für Ausbildung der Geschlechtsorgane antwortlich. In der Pubertät führt dein erneuter Testosteronkick zum Stimbruch, zu sprießender Körperbehaarund zum verstärkten Verlangen nSex. Die Muskeln bilden sich herund Fett verschwindet. Mit etwa 19der Testosteronspiegel am höchsten

    sinkt spätestens ab dem Alter vonJahren jährlich um ein bis zwei Proz

    Allerdings muss das nicht bedeudass es dem Mann dadurch schlechgeht, dass er automatisch Fett ansund Muskeln verliert. Denn die Umslung erfolgt keineswegs so abrupt bei Frauen. „Normal ist das, was keSymptome verursacht“, erklärt ReinAuch wenn der Testosteronspiegel e70-Jährigen mitunter nur die Hälfte dsen eines 20-Jährigen beträgt, reichtzum Beispiel für eine Erektion völlig

    Der Testosteronwert schwankt bei

    dem Mann ohnehin ganz natürlicnicht nur mit dem Alter, sondern auchLauf des Tages, je nach Lebensstil Gesundheitszustand. Treibt der MSport, sieht er eine attraktive Frausich vorbeistöckeln oder grölt er verin der Fankurve seines Fußballstons, dann steigt sein Wert. Das haübrigens auch Robin Harings Studgezeigt. Nicht Testosteron mache Mann aggressiv, dominant oder shungrig – vielmehr beeinussen das Ufeld und sein Lebensstil den Testosterspiegel. „Testosteron und Verhalten,

    ist keine Einbahnstraße“, erklärt Har„sondern ein komplexes Wechselszwischen der jeweiligen Situation einer Vielzahl neuronaler und horneller Prozesse im Körper des Mann

    Fest steht: Ein gesunder Mann betigt keine Hormontherapie. Das zusäche Testosteron kann sogar dazu fühdass der Körper die Eigenprodukherunterfährt, um das ideale Levelhalten. „Die Biochemie des Körperhochkomplex und im Idealfall fein

    ERKENNEN & HEILEN TESTOSTERON

    Das richtige Maß

    Der medizinische Ausdruck

    für einen Testosteronmangel

    ist Hypogonadismus.

    Der Testosteronspiegel wird in

    der Maßeinheit Nanomol

    pro Liter Blut (nmol/l) gemessen.

    Bei einem Spiegel nahe dem

    unteren Normbereich von 8 bis

    12 nmol/l oder darunter erwägt

    der Arzt eine Testosterontherapie.

    Der Wert variiert von Mann zu

    Mann und je nach Alter stark.

    Normal ist, was keine Be-

    schwerden bereitet – auch unter-

    halb des Normbereichs.

    Im Lauf des Tages ändert

    sich der Wert deutlich. Er ist am

    Morgen am höchsten.

    Zur eindeutigen Diagnose muss

    der Arzt den Testosteronspiegelzweimal morgens messen.

    Künstliches Testosteron gibt

    es als 1- oder 3-Monats-Spritzen,

    als Paster oder als Gel,

    das der Patient täglich aufträgt.

    StundenSport wöchent-lich steigernden Testosteron-spiegel um zehnProzent

    3

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Neben-nierenrinde

    Hoden

    Produktion eines besonderen Stoffes

    Die Testosteronproduktion funktioniert über einenkomplexen Regelkreis. Der Hypothalamus im Zwischen-hirn regt die Hirnanhangdrüse dazu an, Hormoneauszuschütten. Erst durch sie wird die Testosteron-produktion im Hoden angekurbelt.

    Der kontinuierliche Feedback-Mechanismus zwischenHirn und Hoden stellt sicher, dass nicht zu viel oder zu

    wenig Testosteron freigesetzt wird.95 Prozent des Testosterons werden im Hoden produziert, ein kleiner Teil in der Nebennierenrinde. Insgesamt sinddas täglich fünf bis sieben Milligramm des Hormons.

    Erst wenn spezielle Testosteronrezeptoren das imBlut zirkulierende Hormon binden, entfaltet es seineWirkung. Manche Männer haben mehr, andere wenigerdieser Rezeptoren.

    Testosteron stärkt die Knochen und fördert denMuskelaufbau und die Fettverbrennung. Es führt zutiefer Stimme und Körperbehaarung und weckt dieLust auf Sex.

     1  Die Leydig-Zellen (grün) produzieren Testosteron und stimu-lieren damit die Spermienproduktion. Aus einer 2  Stammzelleentwickeln sich so nach und nach 3  Spermatozyten, dieVorläuferzellen der 4  Spermien. Durch mangelnde Bewegungund Übergewicht werden winzige 5  Blutgefäße (rot) im Hodenzerstört und die Leydig-Zellen geschädigt. Die Testosteron-produktion nimmt ab.

    Haare

    In der Pubertät fördert Tes-

    tosteron das Wachstum der

    Körperhaare und des Barts. Je

    nach genetischer Anlage kann Testosteron bei den Kopfhaa-

    ren aber zu Haarausfall führen

     

    1

    5

     2

     3

    4

    Knochen

     Testosteron stärkt die

    Knochen. Testosteron-

    mangel ist eine Ursache

     von Osteoporose.

    Fett

     Testosteron kurbelt den

    Fettstoffwechsel an.

    Zu viel Bauchfett führt zu

     Testosteronmangel.

    Muskeln

    Das Hormon fördert

    das Muskelwachstum,

     weshalb es auch zu

    Dopingzwecken miss-

    braucht wird.

    Hypothalamus

    Hirnanhang-drüse

    Spermien-Fabrik

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    ausbalanciert“, betont Reincke. Umsobeunruhigender ist der Trend, dass vieleHobbysportler Testosteron zum Muskel-aufbau einsetzen. Verschiedene Studiengehen von Missbrauchsraten von zehnbis 20 Prozent in Fitness-Studios aus.

    Der unkontrollierte Eingriff in das Hor-monsystem ist gefährlich. Die Präparatestehen unter Verdacht, Krebs, Throm-bose, Schlaganfall und Herzinfarkt ver-ursachen zu können. „Bis zu 40 Prozentder über 50-Jährigen haben in der Pros-tata kleine schlummernde Krebsherde“,erklärt Hormonexperte Reincke. „Künst-liches Testosteron kann unter Umstän-den das Wachstum dieser Herde anfa-chen.“ Allerdings, so betont er, fehltengroß angelegte Studien, die diesen Ver-dacht eindeutig bestätigen. Trotzdemsolle Testosteron auf keinen Fall ohneärztlichen Rat eingenommen werden.

    „Eine Testosterongabe ist nur dann ein-deutig gerechtfertigt, wenn bestimmteZellen im Hoden zerstört sind, die dasHormon produzieren, oder wenn derRegelkreis zwischen Gehirn und Hodennicht korrekt funktioniert und die Hor-monproduktion dadurch nicht ausrei-chend angeregt wird“, erklärt Reincke.Nicht jeder Arzt unterziehe den Patien-ten aber einer ausführlichen Untersu-chung, bevor er das Hormon verschreibe,

    kritisiert er. Dabei ist gerade das uner-lässlich. Denn Testosteronmangel kannein Hinweis auf eine versteckte Krank-heit im Körper sein wie Hodenkrebs,eine Schilddrüsenstörung oder eine De-pression. Auch Medikamente wie Cho-lesterinsenker oder Statine können denSpiegel des Hormons abfallen lassen.

    Testosteron war für Michael Münchnie ein Thema und ist es auch heutenicht. Und das, obwohl er seit über ei-nem Jahrzehnt alle drei Monate zumUniversitätsklinikum Münster fährt, umTestosteronspritzen zu bekommen. 1988

    verlor er einen Hoden durch Krebs, 2001dann sogar den zweiten. „Von Männernwerde ich gefragt, ob ich mich jetzt nochals richtiger Mann fühle – für Frauenwar das kein großes Thema“, erzählt der52-Jährige aus Neuss. Michael Münchgeht es gut, das sieht und das hört man.Seine tiefe Stimme ist ruhig und gelas-sen, er ist schlank und durchtrainiert,und wenn er im Fitness-Studio seineMuskeln stählt, sieht ihm niemand seineKrankheit an. „Ich habe mich nie über

    Testosteron deniert“, sagt er selbswusst. „Ein Mann ist doch mehr als seine Hormone.“ Nach der erneuKrebsdiagnose krempelte er sein Leum, kündigte seinen stressigen JobPersonalleiter. „Es ging mir damals ngut, aber es ist schwer auseinanderhalten, ob das am fehlenden Testoste

    oder am ganzen Stress lag“, erzähltMünch ist deshalb froh, dass ihn seÄrzte am Uniklinikum Münster imals Mensch gesehen haben, nicht als einen Testosteronwert, den eskorrigieren gilt. „Eine Hormontherakann nur dann erfolgreich sein, wman auch die Psyche des Patienten rücksichtigt“, betont Michael Mün„Durch die Erkrankung habe ich gemerkt, wie eng Körper und Psychesammenhängen.“ Heute geht er drei

    Michael Münch kann ohne

    künstliches Testosteron nicht

    leben. Auf Grund von Krebs wur-

    den ihm beide Hoden entfernt,

    die das Hormon im Körper pro-

    duzieren. „Ich musste lernen,

    mehr auf mich zu achten –

    körperlich wie seelisch“, sagt

    er. Jetzt geht er regelmäßig ins

    Fitness-Studio und ernährt sich

    gesund. „Ich fühle mich gut und

    nicht weniger als Mann.“

    Das Schicksalstemmen

    Michael Münch, 52

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    die Woche zum Krafttraining und achtetauf seine Ernährung. Er hat sich einenMixer gekauft und püriert damit jedenMorgen einen Berg Obst. „Ich fühle michheute sogar besser als früher, vor meinerOperation“, erzählt er.

    Auch Männer, die nicht an einem krank-haften Mangel leiden, können ihre kör-pereigene Testosteronproduktion ganzohne Spritzen selbst ankurbeln – durchSport und Gewichtsabnahme. Allerdingsscheinen viele Männer eine hartnäckigeAbneigung gegen eine Veränderung ih-res Lebensstils zu haben. Als der UrologeFrank Sommer vor über zehn Jahren alsweltweit erster Professor für Männerge-sundheit ans UniversitätskrankenhausEppendorf berufen wurde, war er vol-ler Tatendrang. „Ich hatte diese Vision,Deutschlands Männer durch Sport undgesunde Ernährung wieder t zu be-kommen“, erzählt er. „Aber ich mussteschnell lernen, dass Männer lieber einePille schlucken.“ Also entwickelte Som-mer ein Programm, mit dem seine Pa-tienten in kleinen Schritten wieder anSport herangeführt werden. „Am Anfangverlangen wir von vielen unserer Patien-ten gerade einmal dreimal fünf Minutenin der Woche: abwechselnd spazierengehen oder joggen und Muskelübungen– das macht schon einen Unterschied.“

    Warum Sport und eine Gewichtsab-nahme den Testosteronspiegel ankur-beln, ist gut erforscht. Der Hauptübel-täter ist das Bauchfett. Im sogenanntenviszeralen Fett bendet sich das EnzymAromatase. Es wandelt Testosteron indas weibliche Hormon Östradiol um.„102 Zentimeter Bauchumfang solltennicht überschritten werden“, rät ExperteSommer, der auch Präsident der Deut-schen Gesellschaft für Mann und Ge-sundheit ist. Interessanterweise gilt die-ser Grenzwert vollkommen unabhängigdavon, wie groß ein Mann ist.

    Allerdings leidet nicht jeder mit einerstattlichen Wampe unter einem Testos-teronmangel. Letztlich kommt es daraufan, wie sensibel Testosteronrezeptoren,die über den gesamten Körper verteiltsind, das Hormon aufnehmen. Hat einMann wenige Testosteronrezeptoren imKörper und gleichzeitig zu viel Fett aufden Rippen, hat er eher schlechte Kar-ten. Stress ist der zweite große Testos-teronkiller. Denn das Hormon Cortisol,das der Körper bei nervlicher Belastung

    Eigentlich eine gute Nachricht. Schanur, dass sie offensichtlich die wenigsMänner erreicht. Gerade einmal neProzent der deutschen Herren halten slaut Studien an die vier wichtigsten Ftoren eines gesunden Lebensstils: Nicraucher, Normalgewicht, eine ausgewgene Ernährung und genügend SpFrank Sommer kennt die Vehemenz, der sich seine Patienten gegen die Ustellung ihrer lieb gewonnenen Laswehren. Für die richtig harten Fälle haeinen Trick parat – der fast immer funkoniert: „Wenn ich den Männern erzähdass sie früher sterben oder mit groWahrscheinlichkeit einen Herzinfarktleiden, wenn sie nicht abnehmen, hösie mir meist gar nicht zu“, sagt Somm

    und lacht. „Aber wenn ich ihnen erzähdass durch Abspecken auch der Sex bser wird, sind sie plötzlich ganz Ohr.

    Jugendlichkeit, Vitalität, Männlichk– das ist es, was sich Männer von Testteron erhoffen. Dass dies aber keineeinfache Gleichung ist, hat Robin Harwährend seiner Forschungsarbeiten bfestgestellt. Seine Bevölkerungsstudschienen am Anfang tatsächlich die wläuge Meinung zu bestätigen, dass Ttosteron die Vitalität steigert. Denn seDatensätze offenbarten, dass Männer einem niedrigen Testosteronspiegel f

    her sterben. Doch damit wollte sich Epidemiologe nicht zufriedengeben uforschte weiter. Tatsächlich zeigte sidass der niedrige Testosteronspiegel nicht der Verursacher der vielen Symtome ist, die den Mann ab 40 umtreib„Das Hormon ist vielmehr eine Art Bameter für den allgemeinen Gesundhezustand des Mannes“, erklärt Haringder Mann gestresst, zu dick oder kradann sinkt sein Testosteronspiegel. Isschlank, sportlich und entspannt, lisein Testosteronwert aller Wahrschelichkeit nach im Normalbereich – ga

    unabhängig vom Alter. Deshalb amüsHaring die häuge Frage von Journaten und Bekannten, ob er seinen perslichen Testosteronwert denn schon messen habe. „Der Wert interessiert mnicht im Geringsten“, sagt der Forsch„Ich mache viel Sport, ernähre mich sund und fühle mich wohl – da erlauich mir einfach mal, auf einen exakLaborwert zu verzichten.“

    SIMONE EINZMA

    ausschüttet, beeinusst den Testosteron-spiegel negativ.

    „Es ist also kein unausweichlichesSchicksal, dass der Testosteronspie-gel im Alter abfällt“, betont der Spe-zialist für Männergesundheit. Sportist ein natürlicher Testosteronbooster.Hier kommt es auf ein gesundes Maß

    an. Mehr ist nicht automatisch besser.Allzu exzessives Muskelpumpen senktden Testosteronwert sogar. MaßvollerSport dagegen hebt den Spiegel an: Erbaut Stress ab, reduziert das gefährlicheBauchfett und regt die Durchblutung inden Hoden an. „Bei Männern, die im-mer nur auf der Couch sitzen, nimmt dieDurchblutung in den Hoden ab, und eskönnen dadurch einige der Testosteronproduzierenden Leydig-Zellen abster-ben“, erklärt Urologe Sommer.

    Schon mit rund drei Stunden

    Sport wöchentlich können Sie

    Ihren Testosteronspiegel um

    zehn Prozent steigern. Intervall-

    training ist besonders geeignet.

    Ausdauer: 5 Minuten langsam

     joggen, dann 1 bis 2 Minuten

    stark auspowern bis fast

    zur maximalen Leistungsgrenze,

    5 Minuten auslaufen, dann wie-

    der maximale Belastung.

    Insgesamt etwa 30 Minuten.Dreimal die Woche.

    Kraft: Gewichte 7- bis 8-mal bis

    zum absoluten Muskelversagen

    stemmen. Eine kurze Pause

    einlegen, dann wiederholen. Die

    Gewichte sollten so gewählt

    werden, dass nach 7 bis 8 Wie-

    derholungen absolutes Muskel-

    versagen erreicht wird. Insge-

    samt 20 bis 30 Minuten. Dreimal

    die Woche wiederholen.

    Testosteron-Trainingsplan

    ERKENNEN & HEILEN TESTOSTERO

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    Die Heilungschancen beim Prostatakrebs sind hoch.

    Welche Strategie am besten passt, ist auch eine Frage

    der Persönlichkeit und der Arztwahl

    Observieren oder

    operieren

    ERKENNEN & HEILEN PROSTATAKREBS

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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       F  o   t  o  s  :   P  a   t  r   i  c   k

       L  u  x

       f   ü  r   F   O   C   U   S -   G  e  s  u  n   d   h  e   i   t

    hirurg Hans Heinzer wird sei-nen Prostatakrebspatientenheute operieren, ohne ihn zuberühren. Er sitzt einige Meter

    entfernt an der Wand; auf einem Bild-schirm vor sich sieht Heinzer Nerven-bündel, Muskelstränge und Blutgefäße– live übertragen aus dem Körper desPatienten. Zuvor haben Assistenten dieendoskopischen Instrumente des Robo-tersystems Da Vinci in das Operations-gebiet vorgeschoben. Ein Arm trägt Licht

    und Kamera, andere Scheren und Klem-men. Heinzer bedient sie über kleineHebel, als würde er ein Videospiel steu-ern. Vorsichtig schält er Stück für Stückdie kranke Prostata heraus. Vor allem diefeinen Nerven rund um das Organ willer nicht verletzen. Drei Stunden dauertdie Prozedur. Patient Volkmar Neumannmerkt nichts davon. Er ist in Narkose. Imvorigen Jahr wurde bei ihm der Krebsdiagnostiziert.

    Das Prostatakarzinom ist die häugsteKrebsart bei Männern. Zwischen 60 000und 70 000 neue Fälle gibt es jedes Jahrin Deutschland, etwa 12 000 Männer ster-ben. Nicht jeder Tumor ist gleich gefähr-lich. Kleine Karzinome, die nur langsamwachsen und das Organ nicht verlassen,verursachen womöglich nie Probleme.Solche, die schnell wachsen und im Kör-per streuen, sind lebensbedrohlich. FürÄrzte und Patienten ist diese Vielfalt eineHerausforderung: Jeder Fall verlangt

    eine individuelle Herangehensweise. Jefrüher Ärzte den Tumor entdecken, destowahrscheinlicher bendet er sich nochim Anfangsstadium seiner Entwicklung.Dann stehen die Heilungschancen gut.Mehr als 90 Prozent der Patienten lebenfünf Jahre nach der Diagnose noch.

    Für Betroffene mit einem lokal be-grenzten Tumor kommen mehrere The-rapien in Frage. Das Spektrum reicht vonder Entfernung der Prostata über die

    Ferngesteuert

    Die Arme des OP-

    Roboters Da Vinci

    werden am Patien-

    ten platziert.

    Große Monitore

    zeigen, was im

    Körper vorgeht

    FOCUS-GESUNDHEIT

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    Bestrahlung bis hin zur aktiven Überwa-chung. Die Wahl ist schwierig, denn esgibt nicht „die eine beste Methode“. Ak-tuell arbeiten Forscher daran, die The-rapien in einer Studie zu vergleichen.Bis es dort Ergebnisse gibt, müssen Arztund Patient für jeden Fall die individuellbeste Behandlung nden.

    Volkmar Neumann ist die Entschei-dung nicht schwergefallen. Mit seinen63 Jahren fühlt er sich t und kräftig.„Mein Urologe sagte mir direkt, dass ichnicht an dem Krebs sterben werde. Dashat unheimlich gutgetan“, erzählt derHusumer. Trotzdem soll „das Ding“ raus.„Dann weiß ich, es ist gut. Ich muss mirkeine Gedanken mehr machen.“

    Hätte er sich für eine andere Behand-lung entschieden, so wäre er heute mög-licherweise immer noch im Besitz seinerProstata. Keiner weiß, wie schnell derTumor gewachsen wäre und ob er über-haupt Probleme gemacht hätte.

    „Wir haben keine Daten, die stichhaltigbelegen, dass eine der Therapieformenbesser oder schlechterist als die anderen“, sagtMichael Stöckle, Direk-tor der Klinik für Urolo-gie und Kinderurologieam Universitätsklini-kum des Saarlandes.

    „Das bedeutet nicht,dass die Therapien nichtwirken – es fehlen nurlangfristige Untersu-chungsergebnisse.“

    Stöckle ist Leiter der„Prefere-Studie“, derweltweit größten Studiezum lokal begrenztenProstatakarzinom. Etwa7600 Männer mit Pros-tatakarzinom sollen andem Forschungsprojektteilnehmen. Mindestens

    13 Jahre wollen Forscherihre Gesundheit beobachten und analy-sieren. „Unser Ziel ist es, die Behandlungvon Prostatakrebs, speziell der Niedrig-Risiko-Variante, auf eine vernünftige Ba-sis zu stellen“, sagt Stöckle.

    Für welche Therapie sich ein Betrof-fener entscheidet, hängt von mehrerenFaktoren ab. Am wichtigsten sind medi-zinischer Befund und der Status des Tu-mors. Kleine Karzinome, die nicht wach-sen und eher ungefährlich sind, werden

    LagebesprechungAm Abend vor der OP begutach-

    ten Chirurg Hans Heinzer (l.)

    und Patient Volkmar Neumann

    die MRT-Bilder der Prostata

    anders behandelt als Tumoren, die schnell vergrößern und möglicherwMetastasen bilden. Blutwerte und webeproben geben darüber Auskun

    Der PSA-Wert informiert über die zahl der prostataspezischen Antigim Blut. Ein einzelner hoher Wert mnichts Schlimmes bedeuten, er entsbeispielsweise auch durch eine Entzdung. Entscheidender sind die absoHöhe und der Verlauf – steigen die Wüber eine längere Zeit, schaut der Anoch einmal genauer nach. Ein PSA-ist nicht verpichtend. Kritikern zufondet der Test auch viele Tumoren,keine Behandlung benötigen. Eine greuropäische Studie mit über 180 000 Tnehmern zeigte allerdings, dass ein PScreening das persönliche Risiko, annem Prostatakarzinom zu sterben, 20 Prozent senkt.

    Die Aggressivität einer Zelle sieht mihr unter dem Mikroskop an. ÄhneltGewebe einer gesunden Prostata oschon mehr einem Tumor? Patholo

    halten die Entwicklim Gleason-Score fEin niedriger Wert sfür wenig aggresZellen.

    „Neben dem TumStatus sind das A

    und Begleiterkrankgen des Patienten wtige Faktoren“, erkProstatachirurg HHeinzer. Er ist Stelltretender Ärztlicher ter der Martini-Klidem Prostatakrebsztrum am Universitklinikum Hamburg-pendorf. „Deshalb mman jeden Fall indivell prüfen.“

    Am Tag vor seiner

    reist Volkmar Neumvon Husum nach Hamburg. In der Klgibt es letzte Untersuchungen: BlutteBetasten und Ultraschall der ProstMit Professor Heinzer bespricht er, am nächsten Tag passieren wird.

    Der Arzt ist auf die nervenschoneProstataentfernung spezialisiert. Esolche OP ist nur möglich, wenn der mor rechtzeitig entdeckt wird und noch nicht auf das umliegende Gewerstreckt. Schon mehrere tausend M

    Prozent beträgtdas Risiko fürMänner, anProstatakrebszu erkranken

    13

    ERKENNEN & HEILEN PROSTATAKREBS

    Quelle: Robert Koch-Institut

  • 8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016

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    FOCUS-GESUNDHEIT

    Erektions-

    nerven

    hat Heinzer den Eingriff durchgeführt.Besondere Vorsicht ist bei den feinenNerven rund um die Prostata geboten.Werden sie verletzt, kann der Penis nichtmehr auf natürlichem Weg steif werden.

    „Mit kleinen Scheren löse ich die Ner-ven von der Prostata ab und schiebe siebeiseite – ähnlich wie eine Orangen-schale“, sagt Heinzer. „Das ist für denOperateur anspruchsvoll. Schneidet erzu ach, bleiben nicht genug Nerven üb-rig. Schneidet er jedoch zu tief, bestehtdie Gefahr, dass von der Prostata zu vielim Körper bleibt – inklusive Tumor.“

    Dank spezialisierter Zentren und ver-besserter Operationsmethoden sind dieKomplikationsraten für Patienten gesun-ken. Studien zufolge erlangen bei güns-tiger Ausgangslage etwa 70 Prozent derOperierten ihre Potenz innerhalb einesJahres zurück. Auch die Kontinenz bleibtbei über 90 Prozent gewahrt.

    Um ihre Präzision noch zu steigern,nutzen einige Chirurgen das OP-SystemDa Vinci. Hochauösende Bildschirmezeigen detaillierte Gewebestrukturen,

    Hanns-Jörg Fiebrandt hatte darkeine Lust. Seit 16 Jahren kennt heute 71-Jährige seine Diagnose Prtatakarzinom.

    „Ich erinnere mich, als sei es gestgewesen“, sagt Fiebrandt. An einDonnerstag im Sommer 2000 infmierte ihn sein Urologe über den KreAm Montag darauf sollte die Prostsogleich herausoperiert werden. „Dging mir alles zu schnell“, so FiebranDer Berliner stürzte sich in eine Rechche. Informierte sich über Bücher uInternet und sprach mit Betroffenen

    Selbsthilfegruppen. So erfuhr er aus eter Hand, wie es ist, operiert zu werdoder eine Bestrahlung zu bekommBerichte von Nebenwirkungen schreten ihn ab. Schließlich entschied sFiebrandt für einen anderen Weg: aktive Überwachung. Dabei wird Prostata nicht behandelt, aber stänbeobachtet.

    Nichts tun bei einem Karzinom? „Esgefühlt kontraintuitiv“, räumt Kurt Mler, Präsident der Deutschen Gesell-

    Prostatektomie – die Entfernung der Prostata

     1  Eine Erektion ist Nerven-Sache. 

    Die sogenannten Nervi erigentes

    laufen dicht an der Prostata vorbei.

    Sie steuern den Bluteinstrom in

    die Schwellkörper des Penis und

    lösen so eine Erektion aus.

    2  Bei der nervenschonenden 

    OP schützt der Chirurg die Erekti-

    onsnerven, wenn sie nicht vom

    Krebs befallen sind, um die Potenz

    zu erhalten.

     Vor der Prostatektomie

    Ein Stück der Harnröhre verläuft

    durch die Prostata und wird bei

    der OP auch entfernt.

    Nach der Prostatektomie

    Die Harnröhre ist nach innen

    gezogen und neu mit der Blase

     verbunden. Der Penis ist nun

    etwas kürzer.

    die feinen Instrumente am Roboterarmlassen millimetergenaue Bewegungenzu. Für den Patienten bedeutet das: klei-nere Schnitte, weniger Blutverlust undeine schnellere Genesung.

    Bereits einen Tag nach dem Eingriffkann Volkmar Neumann aufstehen. Amzweiten Tag geht er selbstständig du-schen. „Ich fühle mit jedem Tag ein biss-chen besser“, sagt er, erleichtert überden Verlauf seiner OP. „Den Krebs binich erst einmal los – das war für michdenitiv die beste Entscheidung.“

    Für andere ist es die Strahlentherapie.

    Sie zählt ebenfalls zu den Standardme-thoden bei lokal begrenzten Tumoren.Zumeist bestrahlen Radiologen die Pros-tata von außen. Es geht aber auch von in-nen: Bei der Brachytherapie setzen Ärztewinzige radioaktive Metallstäbchen, so-genannte Seeds, in die Prostata ein, wosie im Verlauf der folgenden Monate ihreStrahlung abgeben. Nebenwirkungen –etwa Impotenz oder eine Entzündungvon Blase und Darm – sind auch hiernicht auszuschließen.

    Blase

    Blase

    Prostata

    Prostata

    äußererSchließmuskel

    Harn-röhre

    Hoden

    Harnröhre

    Schwellkörper 

    neue Verbindung 

    Schwellkörper 

    innererSchließm

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    schaft für Urologie (DGU) und Direktorder Urologischen Klinik an der BerlinerCharité, ein. „Das Problem ist, dass vieleBetroffene denken, sie würden an Krebssterben. Aber das stimmt eben nicht.“

    Prostatatumoren wachsen teilweisesehr langsam. Patienten können Jahr-zehnte leben, ohne etwas von dem Krebszu spüren. Ist der Tumor nicht zu großund nicht zu aggressiv, reicht eine aktiveÜberwachung.

    Hanns-Jörg Fiebrandt ist ein Vorreiterdieser „Active Surveillance“, die 2000noch nicht zu den üblichen Behand-lungsstrategien zählte. Erst seit 2009steht sie als Alternative in den Leitlinienzur Behandlung des Prostatakarzinoms.

    Wer sich dafür entscheidet, hat die

    ersten zwei Jahre alle drei Monate eineKontrolluntersuchung bei seinem Urolo-gen. Der Arzt betastet die Prostata, fühltnach möglichen Veränderungen undVerhärtungen und macht Ultraschallbil-der. Er lässt den PSA-Wert im Labor prü-fen, bei Bedarf auch die Gleason-Skalaanhand einer Gewebeprobe. Wenn sichdie Werte stark verändert haben, bespre-chen Arzt und Patient das Vorgehen neu.

    „Meine Werte sind sehr stabil“, be-richtet Fiebrandt. Zwar hat sich seinPSA-Wert inzwischen verdoppelt, seinGleason-Score ist aber weiter sehr nied-

    rig. „Jedes dieser 16 Jahre, in denen ichohne Behandlung bin, ist ein Jahr vollerLebensqualität“, freut sich Fiebrandt.

    Er leidet nicht unter Nebenwirkungenund kann sein Leben unbeschwert ge-nießen. Beim Angeln, Spazierengehenoder Golf – von seinem „Haustier Krebs“spürt er nichts. „Das bestätigt mich im-mer wieder in meiner Entscheidung.“

    Nicht jeder Fall eignet sich für die ak-tive Überwachung. Neben den Tumor-werten spielt auch der Charakter des Be-troffenen eine Rolle. Zu wissen, dass einKrebsgeschwür in den eigenen Einge-

    weiden schlummert, ist für manche Män-ner eine starke psychische Belastung.

    Nicht so für Fiebrandt. Wenn er zurKontrolluntersuchung geht, ist er ent-spannt. Auch weil er sich viel in Selbst-hilfegruppen austauscht. „Das Wich-tigste ist, sich gut zu informieren. Ichfühle mich besser, wenn ich weiß, wasin meinem Körper vorgeht.“

    Wer vor der Wahl „Operieren, bestrah-len, abwarten?“ steht, sollte sich Zeitnehmen. Tumorstatus sowie Vor- und

    macht bösartige Karzinome in der Ptata deutlich sichtbar. Das hilft bei deragnostik. „Weil wir das kranke Gewendlich vor der Therapie sehen, könwir es gezielt behandeln“, sagt Schos

    Dazu gibt es verschiedene Method„Die aus meiner Sicht am weitesentwickelte Technik ist die mit einhochfokussierten Ultraschall (HIFU)“der Urologieprofessor. Die Ultraschwellen erhitzen die behandelte Zone90 Grad Celsius. Dadurch sterben Krebszellen ab. Auch Kälte ist fürtödlich. Bei einer Kryotherapie zerstöKältenadeln den Tumor. Daneben gibweitere experimentelle Verfahren, emit Lasern oder elektrischem Strom

    „Grundsätzlich können diese Tecken potenziell alle wirksam sein“, erkSchostak. „Wir benden uns aber nin einer frühen Phase und müssenerst in Studien testen.“ Eine seriösekale Therapie sei deshalb derzeit nuRahmen von medizinischen Forschunprojekten möglich.

    Mehrere Universitätskliniken beligen sich aktuell an Studien, um fokale Therapie auf eine solide wsenschaftliche Basis zu stellen. MaSchostak leitet die Profocus-Studieder sechs Krebszentren in Deutschlteilnehmen. Ziel der Mediziner ist h

    auszunden, ob die hochfokale Thermit HIFU Nebenwirkungen verursaund wie erfolgreich sie den Prostatakrbekämpft. Knapp 250 Patienten sind her behandelt worden. „Die Methist sehr gut verträglich und zeigt so wie keine Nebenwi