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© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. Mareike Kunter Jürgen Baumert Werner Blum Uta Klusmann Stefan Krauss Michael Neubrand (Hrsg.) WAXMANN Professionelle Kompetenz von Lehrkräften Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV

Forschungsprogramms COACTIV · burg (Neubrand) . Das Projekt wurde unter den Kennzeichen BA1461/2-1 und BA1461/2-2 im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Bildungsqualität von Schulen“

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Mareike KunterJürgen BaumertWerner BlumUta KlusmannStefan KraussMichael Neubrand(Hrsg.)

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ProfessionelleKompetenz von

LehrkräftenErgebnisse des

ForschungsprogrammsCOACTIV

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Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch.

Mareike Kunter, Jürgen Baumert, Werner Blum, Uta Klusmann,

Stefan Krauss, Michael Neubrand (Hrsg.)

Professionelle Kompetenz von Lehrkräften

Ergebnisse des Forschungsprogramms

COACTIV

Waxmann 2011

Münster / New York / München / Berlin

© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-8309-2433-3 E-Book ISBN 978-3-8309-7433-8 (PDF)

Waxmann Verlag GmbH, 2011 Postfach 8603, 48046 Münster

www.waxmann.com [email protected]

Umschlaggestaltung: Christian Averbeck, Münster Umschlagfoto: ©AVAVA – Fotolia.com Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, säurefrei gemäß ISO 9706

Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

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Inhalt

1 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Unterricht und die mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern (COACTIV) – Ein Forschungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Baumert, Mareike Kunter, Werner Blum, Uta Klusmann, Stefan Krauss und Michael Neubrand

7

Teil ATheoretische und empirische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2 Das Kompetenzmodell von COACTIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Baumert und Mareike Kunter

29

3 Die Entwicklung professioneller Kompetenz von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . Mareike Kunter, Thilo Kleickmann, Uta Klusmann und Dirk Richter

55

4 Methodische Grundlagen des Forschungsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Löwen, Jürgen Baumert, Mareike Kunter, Stefan Krauss und Martin Brunner

69

5 Das Modell der Unterrichtsqualität in COACTIV: Eine multikriteriale Analyse . . . Mareike Kunter und Thamar Voss

85

6 Aufgaben im COACTIV-Projekt: Einblicke in das Potenzial für kognitive Aktivierung im Mathematikunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Neubrand, Alexander Jordan (†), Stefan Krauss, Werner Blum und Katrin Löwen

115

Teil BAspekte der professionellen Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

7 Konzeptualisierung und Testkonstruktion zum fachbezogenen Professionswissen von Mathematiklehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Krauss, Werner Blum, Martin Brunner, Michael Neubrand, Jürgen Baumert, Mareike Kunter, Michael Besser und Jürgen Elsner

135

8 Das mathematikspezifische Wissen von Lehrkräften, kognitive Aktivierung im Unterricht und Lernfortschritte von Schülerinnen und Schülern . . . . . . . . . . . . Jürgen Baumert und Mareike Kunter

163

9 Pädagogisch-psychologisches Wissen von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thamar Voss und Mareike Kunter

193

10 Diagnostische Fähigkeiten von Mathematiklehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Brunner, Yvonne Anders, Axinja Hachfeld und Stefan Krauss

215

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6 Inhalt

11 Überzeugungen von Mathematiklehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thamar Voss, Thilo Kleickmann, Mareike Kunter und Axinja Hachfeld

235

12 Motivation als Teil der professionellen Kompetenz – Forschungsbefunde zum Enthusiasmus von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mareike Kunter

259

13 Allgemeine berufliche Motivation und Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Klusmann

277

Teil CEntwicklung professioneller Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

14 Individuelle Voraussetzungen von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Klusmann

297

15 Lernen an der Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thilo Kleickmann und Yvonne Anders

305

16 Lernen im Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Richter

317

Teil DDiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

17 COACTIV – Ein mathematikdidaktisches Projekt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Blum, Stefan Krauss und Michael Neubrand

329

18 Das COACTIV-Forschungsprogramm zur Untersuchung professioneller Kompetenz von Lehrkräften – Zusammenfassung und Diskussion . . . . . . . . . . . Mareike Kunter und Jürgen Baumert

345

19 Verzeichnis der aus COACTIV hervorgegangenen Publikationen . . . . . . . . . . . . 367

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1 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Unterricht und die mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern (COACTIV) – Ein Forschungsprogramm

Jürgen Baumert, Mareike Kunter, Werner Blum, Uta Klusmann, Stefan Krauss und Michael Neubrand

Das vorliegende Buch präsentiert Ergebnisse des COACTIV-Forschungsprogramms, das am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und in Kooperation mit anderen Hoch-schulen schrittweise entwickelt wurde und zukünftig in einem Kooperationsverbund mit der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt fortgesetzt wird (Max Planck Institute for Human Development, 2009) . COACTIV untersucht die Genese, Struktur und Handlungs-relevanz professioneller Kompetenz von Lehrkräften . In seinem Rahmen wurden bislang zwei Hauptstudien abgeschlossen: Die mit PISA 2003 verbundene und innerhalb des DFG-Schwer-punktprogramms „Bildungsqualität von Schulen“ geförderte Längsschnittuntersuchung COAC-TIV1 (Brunner et al ., 2006; Kunter et al ., 2007; Krauss et al ., 2004) und der Mehrkohorten-Längsschnitt „COACTIV-Referendariat: Kompetenz erwerb von Lehramtskandidatinnen und -kandidaten im Vorbereitungsdienst“ (COACTIV-R)2, der Lehramtsanwärterinnen und -anwär-ter im Vorbereitungsdienst bis zum Übergang in die volle Berufstätigkeit untersuchte (Richter et al ., 2010; Voss, 2009) . Beide Studien konzentrierten sich auf Mathematiklehrkräfte . Eine dritte, ebenfalls längsschnittlich angelegte Hauptstudie, „Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung“ (BilWiss),3 die der Erfassung des bildungswissenschaftlichen Wissens von Absolventen aus unterschiedlichen Lehramtsstu-diengängen gewidmet ist, wurde im Rahmen des Programms zur „Förderung der Empirischen Bildungsforschung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) begonnen (Kunter, Baumert, Leutner & Terhart, 2009) . Die drei Hauptuntersuchungen wurden durch eine Serie von Ergänzungs- und Validierungsstudien arrondiert .

1 Die erste COACTIV-Hauptstudie ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin (Baumert, Kunter), der Universität Kassel (Blum) und der Universität Olden-burg (Neubrand) . Das Projekt wurde unter den Kennzeichen BA1461/2-1 und BA1461/2-2 im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Bildungsqualität von Schulen“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert .

2 Das Projekt COACTIV-R wurde aus dem Innovationsfond des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft gefördert .

3 Das Projekt „Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehr-amtsausbildung“ (BilWiss) ist ein Verbundprojekt zwischen dem Max-Planck-Institut für Bildungsfor-schung (Baumert), der Universität Frankfurt (Kunter), der Universität Duisburg-Essen (Leutner) und der Universität Münster (Terhart) . Das Projekt wird im Rahmen des BMBF-Programms „Empirische Bildungsforschung“ gefördert .

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8 Kapitel 1

Die Ergebnisse von COACTIV4 sind mit großem Interesse vom wissenschaftlichen Fach-publikum, aber auch von Personen aus der Praxis, zum Beispiel der Lehrerbildung, aufge-nommen worden . Der vorliegende Band fasst zentrale Ergebnisse zusammen, die vorwiegend aus der ersten Hauptstudie stammen . Es werden einerseits Zusammenfassungen von bereits publizierten Befunden vorgestellt, aber auch neue unveröffentlichte Befunde, vor allem aus den nachfolgenden Studien, einbezogen . Das Buch soll damit einen Überblick über das theore tische Rahmenmodell von COACTIV und dessen empirische Prüfung geben .

Dieses erste Kapitel fasst die leitenden Fragestellungen des COACTIV-Forschungspro-gramms zusammen und erläutert, an welche Forschungstraditionen wir mit unserer Arbeit anschließen . Es liefert ferner Informationen über den Aufbau des Buches und das Forschungs-umfeld, in dem COACTIV entstanden ist .

1.1 Leitende Fragestellungen und bildungs- und institutionstheoretische Vorannahmen

Zwei komplementäre Fragestellungen sorgen für die innere Kohärenz des Programms . Die erste übergeordnete Forschungsfrage richtet sich darauf, theoretisch und empirisch zu klären, über welche personalen Voraussetzungen Lehrkräfte verfügen müssen, um ihren Beruf dauerhaft erfolgreich auszuüben . Der theoretische Ansatz von COACTIV geht dabei von einem mehr-dimensionalen Verständnis des Berufserfolgs aus . Zentrale Anforderung für jede Lehrkraft ist es, einen Unterricht planen, inszenieren und interaktiv gestalten zu können, der in einem stabilen Ordnungsrahmen die Teilnahmemotivation von Schülerinnen und Schülern sichert, zu kogni-tivem Engagement und zu verständnisvollem, sinnstiftendem Lernen und zum Erwerb zentraler schulischer Kompetenzen führt, das Bewusstsein des eigenen Könnens stärkt und im besten Fall dauerhaftes dispositionales Interesse an der Sache erzeugt . COACTIV zieht zur Beurteilung des Berufserfolgs von Lehrkräften jedoch nicht nur schülerseitige Kriterien heran, sondern nimmt das professionelle Verhalten der Lehrkräfte selbst in den Blick . Versteht man Lehrkräfte als Professionelle, die ihre berufliche Entwicklung selbstständig und langfristig zu regulieren haben, gehört zu ihren Aufgaben, die Anforderungen der beruflichen Tätigkeit dauerhaft über ein Berufsleben hinweg zu erfüllen und dabei Engagement, Leistungsfähigkeit und Berufs-zufriedenheit zu bewahren . Die zweite übergeordnete Fragestellung des COACTIV- Programms betrifft die Determinanten professioneller Kompetenz . Im Rahmen des Forschungsprogramms werden auch die individuellen und institutionellen Faktoren untersucht, die den Aufbau der berufsbezogenen personalen Kompetenzen, über die Lehrkräfte verfügen sollten, fördern . Die Fokussierung des Forschungsprogramms auf diese beiden Fragestellungen ist nicht arbiträr, son-dern beruht auf bildungs- und institutionstheoretischen Vorentscheidungen, die unmittelbare Konsequenzen für das Forschungsprogramm haben . Sie bedürfen deshalb der Explikation, die im Folgenden versucht wird . Zu überprüfen, ob sich diese Vorentscheidungen auch empirisch bewähren, ist Aufgabe des Forschungsprogramms . Über das bislang Erreichte gibt das vorlie-gende Buch Auskunft .

4 Eine Zusammenstellung aller bis zum aktuellen Zeitpunkt aus COACTIV hervorgegangenen Publikationen befindet sich am Ende dieses Buches .

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 9

1.2 Unterrichten als Kernaufgabe des Lehrerberufs

Die historische Leistung der Schule besteht in der Institutionalisierung der Voraussetzungen für eine allgemeine Bildung, die der gesamten nachwachsenden Generation jene Basisqualifika tionen vermittelt, die den Zugang zu Kultursystemen eröffnen, Lernfähigkeit und Lernen kultiviert und Allgemeinbildung, das heißt unterschiedliche Horizonte des Weltverstehens erschließt, die für nicht wechselseitig ersetzbare Formen menschlicher Rationalität stehen (Baumert, 2002; Bildungskommission, 2003, Kap . 4 und 5; Flitner, 1961; Humboldt, 1809/1964; Tenorth, 1994) . Lehrerhandeln schließt also immer an institutionelle Vorentscheidungen an, die auf normativen Prämissen und praktischen Erfahrungen beruhen, das Bildungsprogramm sachlich, zeitlich und sozial organisieren und die Grundlagen der Beurteilung und Graduierung von Schülerleistungen regeln (Vanderstraeten, 2008) . Mit diesen institutionellen Vorentscheidun-gen über Ziele, Fächerstruktur, Stundentafel und Lehrplan, die Unterrichtsorganisation und die organisatorische Regelung von Zeit und Arbeitsverteilung sowie die Einführung universa-listischer Gütemaßstäbe wird eine spezifische und sachliche Rollenbeziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern begründet . Die Schülerin oder der Schüler wird nicht – wie ein Geschwister in der Familie – in seiner ganzen Person und mit seiner ganzen Biografie thematisch, sondern als Teilnehmer an einem Bildungsprogramm in den Blick genommen (Dreeben, 1968, 1980; Fend, 2006; Leschinsky & Cortina, 2008; Parsons, 1959, 1968) . Diese Spezifität der Rollenbeziehung erlaubt es, das Unterrichten als zentrale Aufgabe im Lehrerberuf und als erste Referenz für das professionelle Kompetenzprofil von Lehrkräften zu bestimmen . Eine Analyse der Handlungsanforderungen und Handlungskompetenzen hat dann am Kern der Berufstätigkeit bei der Vorbereitung, Inszenierung, Durchführung und Auswertung von Unterricht anzusetzen . Unser Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften, das im Kapitel 2 dieses Bandes vorgestellt wird, folgt dieser Logik .

Betrachtet man Unterricht als das Kerngeschäft der Schule, eröffnet sich auch ein anderer Blick auf die Erziehungsaufgaben, die Schule und Lehrkräfte zu erfüllen haben, als der, den die dua listische Anforderungskonzeption, die Unterrichten und Erziehen unterscheidet (KMK, 2004; Terhart, 2002), nahelegt . Denn die Schule erzieht zuallererst durch die kognitiven Herausforde-rungen ihres Bildungsprogramms, durch den Wechsel zwischen Lern- und Problem lösephasen und leistungsthematischen Situationen, in denen verbindliche Gütemaßstäbe durchgesetzt wer-den, durch intellektuelle Verunsicherung und reflexive Distanz, aber auch durch das Insistieren auf Erklären und Begründen und das Beharren auf Genauigkeit und Durcharbeiten ebenso wie durch systematisches Üben (Aebli, 1983) . Die Schule erzieht aber auch schon durch die Siche-rung der sozialen Voraussetzungen und die soziale Gestalt des Unterrichts selbst – also durch die Durchsetzung von Pünktlichkeit und Regeltreue, geordnete Unterrichtsführung oder den Wechsel der Sozialformen . Nicht zuletzt erziehen auch die Gelegenheitsstruktur des Schullebens und die Organisationskultur der Schule, indem sie Umgangsformen normieren und Möglich-keiten für zivilgesellschaftliche Verantwortung vorstrukturieren . Im Rahmen von Unterricht und seinem schulischen Umfeld werden Aufmerksamkeit, Anstrengung, Geduld und Ausdauer, Leis-tungsmotivation, Zielorientierung, Belohnungsaufschub und Selbstregula tion im Lernen, aber auch Emotionskontrolle und soziale Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Aushandlung von Interessen, Übernahme von Verantwortung, Kooperation oder konstruktive Konfliktbewältigung thematisch . Herbart (1806/1965) hat dies in hinreichender Klarheit formuliert: Es gebe keinen

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10 Kapitel 1

Unterricht, der nicht erziehe . Dies gilt auch für die Sozialorganisation und Schulkultur (Bildungs-kommission, 2003; Dreeben, 1980; Einsiedler, 1994; Fend, 2006, 2008; Tenorth, 2006) .

Daraus folgt aber auch, dass die institutionelle Verfasstheit des Bildungsprogramms und die Sozialorganisation der Schule die Lehrkraft in erheblichem Maße von auf sie gerichteten Erziehungserwartungen entlasten und die Erziehungsaufgabe weitgehend mit der professionellen Erfüllung der Berufsaufgaben inner- und außerhalb des Unterrichts zusammenfällt . Hier ist die Lehrperson Modell und hier sind professionelle Maßstäbe anzulegen . Kompetenzen, die für die Bewältigung dieser Anforderungen notwendig sind, sind aus der Struktur der Berufstätigkeit abzuleiten . Diese lässt jedoch keine systematische situative Differenzierung nach Unterrichten und Erziehen erkennen . Deshalb ist es unseres Erachtens theoretisch nicht sonderlich sinnvoll, professionelle Kompetenzen von Lehrkräften nach diesen beiden Dimensionen zu unterschei-den . Für das Forschungsprogramm COACTIV bedeutet dies, dass Unterricht und Erziehung zusammen gedacht und modelliert werden müssen . Um zu überprüfen, ob sich diese theoretische Annahme auch empirisch bewährt, wird Unterricht deshalb grundsätzlich multikriterial kon-zipiert (Grühn, 1995; Helmke, 2009; Köller, Baumert & Neubrand, 2000; Krauss et al ., 2004; Kunter, 2005; Kunter & Stanat, 2003; Rakoczy, 2008) . Im Rahmen von COACTIV werden nicht nur Prozesse und Ergebnisse des Wissensaufbaus in Abhängigkeit von der professionellen Kompetenz des Lehrpersonals untersucht, sondern als Ergebnisse des Unterrichts werden auch metakognitive, motivationale und affektive Personenmerkmale berücksichtigt (vgl . Kap . 5) .

1.3 Der Lehrerberuf als professionelle Tätigkeit

Die moderne Schule institutionalisiert das Lehrer-Schüler-Verhältnis als spezifische und sach-liche Rollenbeziehung, die sich – zumindest prinzipiell – an nichtpartikularen Gütemaßstäben orientiert . Damit ist eine entscheidende Voraussetzung erfüllt, um Lehrerhandeln überhaupt im Rahmen eines Professionsmodells konzeptualisieren zu können (Helsper, Busse, Hummrich & Kramer, 2008; Reinisch, 2009; Stichweh, 1997; Vanderstraeten, 2008) . Professionen verwalten gesellschaftliche Güter, seien es Gesundheit, Recht, Seelenheil oder Bildung . Diesem Privileg entspricht professionsintern ein Berufsethos der Verantwortung für den Patienten, Klienten, Gläubigen oder – wie in unserem Fall, wo es um schulische Bildung geht – Schülerinnen und Schüler . Diese Verantwortung nimmt die Profession auf der Grundlage professionsintern geteilter Expertise wahr, die auf akademischem Wissen und praktischer, diskursiv validierter Erfahrung beruht . In der Regel monopolisieren Professionen ihre spezifischen Wissens bestände durch Kontrolle des Berufszugangs . Das formale, ausbildungsabhängige Wissen ist domänen-spezifisch und bildet den konzeptuellen Rahmen für die Deutung und Ordnung praktischer Erfahrung . Die konzeptuelle Wissensbasis – so die implizite Annahme – ist durch praktische Erfahrung prinzipiell nicht zu ersetzen, zumindest insofern konzeptuelles Wissen die Wahr-nehmung der Situation vorstrukturiert und damit auch implizites Lernen reguliert .

Dieses Professionsverständnis bildet den metatheoretischen Rahmen, in dem das Kompe-tenzmodell von COACTIV entwickelt wurde . Damit setzt sich COACTIV einerseits von beruf-lichen Eignungsmodellen, die Talent, Begabung oder andere stabile Persönlichkeitsmerkmale als für den Berufserfolg ausschlaggebend halten (Ballou & Podgursky, 1995; Helsing, 2007; Yeh, 2009), und andererseits von berufspraktischen Sozialisationsmodellen, die primär auf

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 11

Erfahrung und implizites Wissen und Können setzen (Lieberman & Miller, 1992), deutlich ab . COACTIV betont nicht nur die Erwerbbarkeit und Veränderbarkeit professionellen Wissens, sondern auch seine Ausbildungsabhängigkeit (Bromme, 2001; Darling-Hammond, 2006), auch wenn seine operative Gestalt erst durch praktische Erfahrung erreicht wird (Neuweg, 2005; Oser, Achtenhagen & Renold, 2006) . Dies hat Konsequenzen für das Forschungspro-gramm . Fokus der Analysen sind nicht nur die Struktur professionellen Wissens, sondern auch die Bedingungen seiner Genese (vgl . Kap . 3, 15 und 16) . Daraus ist jedoch nicht der Schluss zu ziehen, kognitive und nichtkognitive Eingangsvoraussetzungen von Lehramtsanwärtern seien für den Kompetenzerwerb und die berufliche Entwicklung unbedeutend . Allerdings erwarten wir weniger unmittelbare Auswirkungen der Eingangsvoraussetzungen als vielmehr Wechsel-wirkungen mit der Nutzung von Lerngelegenheiten in Ausbildung und Beruf (vgl . Kap . 14 und 18) . Weiterhin wird angenommen, dass das formale konzeptuelle Wissen einen Deutungs- und Ordnungsrahmen für praktische Erfahrungen darstellt und insofern nur sehr begrenzt durch praktisches Wissen ersetzbar ist . Es ist somit eine Herausforderung, im Forschungsprogramm zeigen zu müssen, dass konzeptuelles Wissen nicht nur Handlungsrelevanz besitzt, sondern auch, dass Mängel in der Wissensbasis zu einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit führen, die ohne Kompensation durch formale Aus- oder Fortbildung über das Berufsleben hinweg zumindest strukturell erhalten bleibt (vgl . Kap . 8 und 16) .

Die Entscheidung, das Schüler-Lehrer-Verhältnis im Rahmen eines Professionsmodells als spezifische, sachliche und nichtpartikulare Rollenbeziehung zu fassen, erleichtert es auch, Fra-gen der professionellen Wertbindung, Professionsmoral und sozialen Verantwortung präziser und sachlicher zu diskutieren . Professionen zeichnen sich durch ein Berufsethos der Verant-wortung aus (Oser, 1998) . Gleichzeitig ist aber klarzustellen, dass diese Verantwortung nicht unbegrenzt und uneingeschränkt gilt, sondern im Rahmen des Organisationszwecks der Schule und des spezifischen Auftrags von Lehrkräften zu interpretieren ist . Professionsmoral ist „keine entdifferenzierte Welt-, Sozial- und Lebenszuständigkeit“ (Prange, 2000, S . 102) .

Fasst man soziale Verantwortung in dieser Weise professionstheoretisch, lassen sich zwei wichtige, für das Forschungsprogramm folgenreiche Schlussfolgerungen ziehen . Zunächst: Ein Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften ist unter- und damit fehlspezifiziert, wenn man die persönlichen Voraussetzungen, die für die Bewältigung der beschriebenen He-rausforderungen notwendig sind, als allgemeine soziale Kompetenz entweder im Sinne eines stabilen Persönlichkeitsmerkmals wie Verträglichkeit (agreeableness) der Big Five (Costa & McCrae, 1992) oder im Sinne einer generischen Fähigkeit, Kommunikation anschlussfähig zu halten (Ford, 1985; Jerusalem & Klein-Heßling, 2002) oder eigene Ziele innerhalb wechselsei-tig befriedigender Sozialbeziehungen verfolgen zu können (Asendorpf, 2007; Kanning, 2002), auffasst . In einem professionellen Kompetenzmodell sind diese Fähigkeiten theoretisch als berufs- und situationsspezifische erlernbare Facetten des allgemeinen pädagogisch-psychologischen Wissens zu spezifizieren, wenn es um die Schaffung eines stabilen sozialen Ordnungsrahmens im Unterricht, die schnelle und korrekte Diagnose sozialer Dynamiken im Klassenzimmer oder um die sensible Wahrnehmung individueller Probleme geht, als Facette fachdidaktischen Wissens und Könnens, wenn bei auftretenden Verständnisschwierigkeiten gezielt und einfühl-sam konstruktive Hilfe gewährt werden muss, als Facette des Beratungswissens, wenn es sich um den taktvollen und gewinnenden Umgang mit besorgten Eltern handelt, oder als Facette des Organisationswissens, wenn Teamfähigkeit im Rahmen der Qualitätssicherung und Quali-

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12 Kapitel 1

tätsentwicklung einer Schule gefragt ist (vgl . Kap . 2) . Dies schließt nicht aus, dass der Erwerb dieses deklarativen und prozeduralen Wissens mit relativ stabilen Persönlichkeitsmerkmalen interagiert (Foerster, 2008; Mayr, 2007, 2010; vgl . Kap . 3 und 18) . COACTIV-R ist so ange-legt, dass solche Wechselwirkungen auch geprüft werden können (vgl . Kap . 14) .

Die zweite Schlussfolgerung, die sich aus der professionstheoretischen Orientierung ergibt, besagt, dass die Verantwortung für den Klienten durch den professionellen Charakter der Tätigkeit selbst limitiert wird . Engagement und Distanzierung sind so auszutarieren, dass die Berufstätigkeit auf Dauer erfolgreich und zufriedenstellend ausgeübt werden kann . Gerade im Lehrberuf scheint dies eine der großen Herausforderungen zu sein (Kieschke & Schaarschmidt, 2008; Schaarschmidt, 2002; Schaarschmidt & Kieschke, 2007) . Damit ist die metatheoretische Vorentscheidung für unsere Frage nach den Bedingungen für langfristig erfolgreiche Berufs-ausübung beschrieben (vgl . Kap . 12 und 13) .

1.4 An welche Forschungstraditionen schließt COACTIV an?

1.4.1 Lehr-Lern-Forschung: Kognitiv aktivierender Unterricht, Chancen und Grenzen generischer Unterrichtsforschung

Kognitiv aktivierender Unterricht zielt auf verständnisvolles Lernen . Bei allen Differenzen im Einzelnen herrscht in der Lehr-Lern-Forschung weitgehend Konsens über zentrale Grundsätze verständnisvollen Lernens . Sie bilden den theoretischen Hintergrund der im Rahmen des For-schungsprogramms durchgeführten Unterrichtsstudien . Sie sollen deshalb hier noch einmal knapp referiert werden (Baumert et al ., 2004; Bransford, Brown & Cocking, 2000; Bransford, Derry, Berliner, Hammerness & Beckett, 2005; Sfard, 2003):– Verständnisvolles Lernen ist ein aktiver, individueller Konstruktionsprozess, in dem Wis-

sensstrukturen verändert, erweitert, vernetzt, hierarchisch geordnet oder neu generiert werden . Verständnisvolles Lernen ist von den individuellen kognitiven Voraussetzungen, vor allem aber vom bereichsspezifischen Vorwissen abhängig . Umfang und Organisation der verfügbaren Wissensbasis entscheiden über Qualität und Leichtigkeit des Weiterlernens .

– Verständnisvolles Lernen erfolgt trotz aller Systematik stets auch situiert und kontextuiert . Um den Anwendungsbereich zu erweitern, ist eine bewusst vollzogene Variation der Er-werbs- und Anwendungskontexte notwendig .

– Verständnisvolles Lernen wird durch motivationale und metakognitive Prozesse gesteuert .– Verständnisvolles Lernen wird durch kognitive Entlastungsmechanismen unterstützt . Dazu

gehören die durch multiple Repräsentation förderbare Herausbildung informationsreicher Wissenseinheiten, die jeweils als Ganzes abgerufen werden können, sowie die Automatisie-rung von Handlungsabläufen und Denkvorgängen .

Konzeptualisiert man verständnisvolles Lernen in dieser Weise, wird unmittelbar klar, dass von der Opportunitätsstruktur von Lernumgebungen kein direkter Vermittlungsweg zum Wissens-erwerb führt . Alles hängt von der individuellen, aktiven Nutzung der Lerngelegenheiten ab, die in der Regel – jedenfalls im Klassenzimmer – sozial gerahmt sind . Das dieser Studie zugrunde lie-gende theoretische Modell institutionalisierter Lernprozesse ist das von Fend (1998) und Helmke (2009) vorgeschlagene Angebots-Nutzungs-Modell, bei dem wir die Bedeutung der doppelten

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 13

Kontingenz besonders herausstellen . Denn der Lernerfolg hängt einmal von der Qualität der Lerngelegenheiten, die bereits eine Ko-Konstruktion von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern darstellen, und zum anderen vom mentalen Engagement der Lernenden ab .

Welches sind aber die Strukturmerkmale eines Unterrichts, der mit einer gewissen Regel-mäßigkeit kognitiv herausfordernde Lerngelegenheiten bietet und gleichzeitig Schülerinnen und Schüler in verständnisvolle Lernprozesse verwickelt? Hier knüpft COACTIV an robuste Befunde der Unterrichtsforschung an . Trotz aller begrifflichen Unschärfen zeigen Übersichts-artikel und Metaanalysen weitgehend konsistent, dass vor allem drei Instruktionsdimensio-nen für die Initiierung und Aufrechterhaltung verständnisvoller Lernprozesse bedeutsam sind (Brophy, 2000; Hattie, 2009; Helmke, 2009; Kunter et al ., 2006; Seidel & Shavelson, 2007; Walshaw & Anthony, 2008) . Diese Dimensionen sind: (1) kognitiv herausfordernde Lerngele-genheiten in den Kernbereichen der jeweiligen Domäne, (2) Lernunterstützung durch sorgfäl-tige Überwachung des Lernprozesses, individuelle Rückmeldung und adaptives Unterrichten und (3) ein effizientes Klassen- und Zeitmanagement des Unterrichtsverlaufs .

Will man die kognitiven Anforderungen von Lerngelegenheiten empirisch rekonstruieren, zeigen sich jedoch auch deutliche Grenzen des generischen Untersuchungsansatzes der Un-terrichtsforschung . Die Logik der verhandelten Sache erschließt sich nicht ohne Weiteres aus fachunabhängigen Sichtstrukturen des Unterrichts . Hier wird domänenspezifisches Vorgehen notwendig . Ein Durchbruch gelang mit der ersten TIMSS-Videostudie, mit der für den Mathe-matikunterricht gezeigt werden konnte, dass sich unter hinsichtlich Stoffwahl, Strukturiertheit des Ablaufs und Methodenwahl relativ vergleichbarer Sichtstruktur kognitiv außerordentlich unterschiedliche Lerngelegenheiten verbergen konnten, die erst auf der Ebene der Analyse von Aufgaben sichtbar wurden (Klieme, Schümer & Knoll, 2001; Knoll, 2003; Neubrand, 2002; Stigler & Hiebert, 2004) . Kunter et al . (2006) replizierten das Ergebnis für den PISA-Zyklus 2003 . Diese Befunde gaben den Ausschlag für die Entscheidung, das Forschungsprogramm COACTIV zunächst domänenspezifisch anzulegen und auf den Mathematikunterricht zu konzentrieren und damit Einschränkungen der Generalisierbarkeit der Ergebnisse zugunsten höherer Präzision in Kauf zu nehmen .

Im Mathematikunterricht wird das Niveau der kognitiven Herausforderung primär durch die ausgewählten Aufgaben und deren Behandlung im Unterricht bestimmt (Christiansen & Walther, 1986; Lenné, 1969; Neubrand, 2006) . Kognitiv aktivierende Aufgaben können etwa an das Vorwissen von Schülerinnen und Schülern anknüpfen, indem sie Vorstellungen und Überzeugungen auf die Probe stellen . Kognitive Aktivierung kann aber auch im Unter-richtsdiskurs erzeugt werden, wenn Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler veranlassen, die Tragfähigkeit ihrer Lösungen selbst zu überprüfen oder multiple Lösungswege verlangen . Aber auch dies setzt eine geeignete Aufgabenwahl voraus . In COACTIV wurden deshalb die in unterschiedlichen Phasen des Mathematikunterrichts verwendeten Aufgaben – Ein-führungs-, Übungs-, Haus- und Klausur aufgaben – unter dem Gesichtspunkt ihrer kogni-tiven Anforderungen analysiert und als Indikatoren für das kognitive Aktivierungspotenzial des Unterrichts verwendet . Mit diesem Schritt hat das Forschungsprogramm auch in der Unterrichtsforschung Neuland betreten (vgl . Kap . 6) . Im Kapitel 3 dieses Bandes wird ge-zeigt, dass sich dieser Ansatz letztlich bewährt und die bislang eher induktiv erschlossene Drei-Faktoren-Theorie der basalen Qualitätsdimensionen des Unterrichts auch empirisch überprüft werden kann .

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14 Kapitel 1

Die zweite Dimension qualitätsvollen Unterrichts ist die individuelle Unterstützung, die dem Lernenden durch die Lehrkraft gewährt wird . Wie auch schon Untersuchungen zeigten, die auf Motivationstheorien basieren, reicht das Angebot herausfordernder Aufgaben nicht aus, um Schülerinnen und Schüler dauerhaft dazu zu bringen, sich auf verständnisvolles Lernen einzulassen . Es bedarf darüber hinaus einer dosierten Unterstützung beim Lernen, insbesondere wenn Schwierigkeiten auftreten (Pintrich, Marx & Boll, 1993; Stefanou, Perencevich, DiCintio & Turner, 2004; Turner et al ., 1998) . Die Aufmerksamkeit für beginnende Schwierigkeiten und eine kalibrierte Unterstützung, die gleichwohl die Autonomie des Lernens und die Integrität der Personen respektiert, kann nicht nur die Motivation stabilisieren, sondern stellt wahrscheinlich selbst eine essenzielle Komponente wirksamer Lernumgebungen dar (De Corte, Verschaffel, Entwistle & van Merriënboer, 2003; Perry, Turner & Meyer, 2006) . In den im Rahmen von COACTIV durchgeführten Unterrichtsstudien haben wir insbesondere den Gesichtspunkt der sachbezogenen Unterstützung bei auftretenden Verständnisschwierigkeiten stark gemacht .

Die dritte zentrale Instruktionsdimension ist das Klassenmanagement . Angesichts der kom-plexen sozialen Situation des Klassenzimmers, in der interpersonelle Konflikte und Unterbre-chungen an der Tagesordnung sind, ist es eine Grundherausforderung, durch die Herstellung und Aufrechterhaltung von Struktur und Ordnung für ausreichende unterbrechungsarme Lernzeit zu sorgen . Effizientes Klassenmanagement ist ein robuster Prädiktor für Unterrichts-qualität und Lernfortschritt von Schülerinnen und Schülern, scheint aber auch eine Vorausset-zung für motivationsstabilisierende Prozesse zu sein (Baumert et al ., 2004; Emmer, Evertson & Worsham, 2003; Evertson & Weinstein, 2006; Havers, 2010; Helmke, 2009) .

Die genannten drei Dimensionen, die sich aus den Arbeiten der Unterrichtsforschung ableiten lassen, sind die Grundlage für das Modell der Unterrichtsqualität, das in COACTIV als ein Kriterium für erfolgreiches Handeln der Lehrkräfte herangezogen wird (vgl . Kap . 5) .

1.4.2 Professionelles Wissen – Expertise ohne Höchstleistungs- und Perfektionsanspruch

Geht man davon aus, dass die Vorbereitung und Gestaltung von Unterricht das Kerngeschäft von Lehrkräften ist, folgt daraus, dass vor allem die Lehrermerkmale zu identifizieren und zu unter suchen sind, die unmittelbar notwendige Voraussetzungen für die Realisierung eines qua-litätsvollen Unterrichts darstellen . Im Rahmen von COACTIV nehmen wir an, dass das pro-fessionelle deklarative und prozedurale Wissen von Lehrkräften eine zentrale Ressource ist, um Lerngelegenheiten in einem stabilen Ordnungsrahmen variationsreich, kognitiv heraus fordernd und motivierend zugleich zu gestalten . Um professionelles Wissen theoretisch zu rekonstruieren, schließt COACTIV an die Expertiseforschung und deren Übertragung auf Professionen an (Besser & Krauss, 2009; Bransford et al ., 2006; Bromme, 1992, 1997, 2001 und 2008; Ericsson, 1996, 2003; Hatano & Oura, 2003; Schmidt & Boshuizen, 1992; Shraw, 2006) . Die in dieser For-schungsrichtung gewonnenen empirischen Befunde sind wichtige Orientierungspunkte, die durch Ergebnisse der Lehrerforschung ergänzt werden (vgl . Berliner, 2001) . Dabei wird der die Exper-tiseforschung leitende Gesichtspunkt der Höchstleistung und des Perfektionsstrebens (Ericsson, 2006) aufgegeben (Besser & Krauss, 2009; Hatano & Inagaki, 1986; Hatano & Oura, 2003) . Als Gütemaßstab wird stattdessen die – wie Oser (2009) formulierte – souveräne, das heißt zuverläs-sige und dauerhafte Bewältigung der beruflichen Anforderungen eingeführt . Einige Ergebnisse

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 15

dieser Forschungslinie, die für unser Forschungsprogramm strategische Bedeutung haben, sollen noch einmal herausgestellt werden (Berliner, 1994, 2001; Besser & Krauss, 2009; Bransford et al ., 2006; Bromme, 2008; Palmer, Stough, Burdenski & Gonzales, 2005; Shraw, 2006):– Professionelles Wissen ist domänenspezifisch und ausbildungsabhängig . Mit der Annah-

me, dass dieser Befund auch für das professionelle Wissen von Lehrkräften gilt, setzt sich COACTIV von professionellen Eignungsmodellen ab, ohne die mögliche Interaktion zwischen persönlichen Voraussetzungen und Wissenserwerb aus dem Blick zu verlieren . Professionelles Wissen ist mit zunehmender Expertise besser vernetzt und hierarchisch organisiert (vgl . Kap . 7) .

– In professionellen Domänen ist das zentrale Fach- und Handlungswissen um Schlüsselkon-zepte und eine begrenzte Zahl von Ereignisschemata herum organisiert, an die Einzelfälle, episodische Einheiten oder Skripts geknüpft sind (Schmidt & Boshuizen, 1992) .

– Basisprozeduren sind automatisiert, aber gleichwohl an die spezifischen Bedingungen des Einzelfalls und des Kontextes adaptierbar (Hatano & Inagaki, 1986; Neuweg, 2001; Schwartz, Bransford & Sears, 2005) . Es gibt keine Belege für die Annahme, dass Hand-lungsroutinen im Lehrerberuf in besonderem Maße zur Maladaptivität führten (Stern, 2009; zu Problemen der expert blind spots vgl . Nathan & Petrosino, 2003) .

Den Wirkungsmechanismus professionellen Wissens skizzierte Bromme (1997, S . 199) fol-gendermaßen: „Befunde aus dem Expertenparadigma deuten die Wirkung des professionellen Wissens als eine Veränderung der kategorialen Wahrnehmung von Unterrichtssituationen . Das professionelle Wissen formt die grundlegenden Geschehenseinheiten, mit denen Unterrichts-situationen perzipiert, strukturiert und damit auch interpretiert werden . Eine wichtige Einheit sind dabei die Kategorien für fachbezogene Aktivitätsstrukturen […] . Es sind Ereignisschemata […], in denen fachinhaltliche Bedeutungen mit Aktivitäten von Schülern und Lehrern in einen Zusammenhang gebracht werden .“ (vgl . auch Bransford et al ., 2006; Sternberg, 2003) COACTIV schließt sich dieser Auffassung an .

Bei der Planung der ersten Hauptstudie gingen wir davon aus, dass vor allem drei Dimen-sionen professionellen Wissens und Könnens für die Realisierung eines sich in den drei basalen Qualitätsdimensionen auszeichnenden Unterrichts prädiktiv sind: (1) Wir erwarteten, dass das fachdidaktische Wissen eine wichtige professionelle Ressource ist,

um einen Unterricht gestalten zu können, der kognitiv aktivierend wirkt und gleichzeitig erlaubt, adaptiv individuelle und konstruktive Unterstützung zu geben .

(2) Fachdidaktisches Wissen ist nicht ohne Fachwissen denkbar . Unsere Ausgangsannahme besagte, dass Fachwissen eine notwendige Voraussetzung für ein reiches mathematikdidak-tisches Repertoire ist, aber nicht mit diesem zusammenfällt .

(3) Schließlich nahmen wir an, dass generisches pädagogisch-psychologisches Wissen eine wich-tige Funktion für die Qualität der Klassenführung, die allgemeine Orchestrierung des Lern-prozesses, die Gestaltung der sozialen Interaktion und den Umgang mit Heteroge nität hat .

Diese Annahmen haben direkte Auswirkungen auf das Forschungsprogramm . Die üblichen distalen Indikatoren für professionelles Wissen, wie Studienjahre, Abschlüsse, belegte Kurse oder Noten (Cochran-Smith & Zeichner, 2005), sind für die gezielte Überprüfung dieser Hypothesen untauglich . Gefragt ist die proximale und valide Erfassung jeder dieser einzelnen Wissensdimen-sionen . In der neueren einschlägigen Literatur besteht Einigkeit darüber, dass hier die eigentliche Forschungslücke liegt und deshalb auch die größten Anstrengungen unternommen werden

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16 Kapitel 1

sollten (Zeichner & Conklin, 2005) . Hier lagen auch die größten Herausforderungen bei der Realisierung des Forschungsprogramms . Wir haben versucht, sie schrittweise abzuarbeiten . Für die Erfassung der drei Wissensdimensionen gab es auf der Ebene der Sekundarstufe keine direk-ten Vorbilder . Im Grundschulbereich war die Arbeitsgruppe um Deborah Ball an der University of Michigan Schrittmacherin (Ball, Lubienski & Mewborn, 2003; Hill, Rowan & Ball, 2005; vgl . Kap . 7 und 8) . In der ersten, an PISA 2003 angekoppelten Hauptstudie von COACTIV wurden zunächst die mathematikspezifischen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Tests entwickelt, erprobt und validiert (vgl . Kap . 7, 8 und 10) . In der zweiten Hauptstudie, in der die berufliche Entwicklung von Lehramts anwärtern im Vorbereitungsdienst bis zum Übergang in die volle Berufstätigkeit untersucht wurde (COACTIV-R), folgte die Konstruktion eines Erhebungsinstruments für generisches pädagogisch-psychologisches Wissen von Lehrkräften (vgl . Kap . 9), dessen prädiktive Validität im Rahmen von COACTIV-R untersucht wird . Der dritte Schritt, das über das pädagogisch-psychologische Wissen hinaus notwendige bildungs-wissenschaftliche Wissen von Lehramts anwärtern in der ganzen Breite zu identifizieren und mit einem validen Testinstrument erfassbar zu machen, wird mit der dritten Hauptuntersuchung des COACTIV-Forschungsprogramms, der Studie BilWiss, zurzeit unternommen (vgl . Kap . 4) .

1.4.3 Motivations- und organisations-/gesundheitspsychologische Grundlagen

Das dem Forschungsprogramm COACTIV zugrunde liegende Professionsmodell betont einer-seits die professionelle Verantwortung für den Klienten, stellt andererseits aber auch die Gren-zen der professionsmoralischen Verpflichtung heraus, die durch Spezifität und Sachlichkeit der im schulischen Kontext institutionalisierten Rollenstruktur begründet ist . Bereitschaft zum Engagement und Fähigkeit zur Distanzierung sind zwei zentrale Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrkräften (vgl . Kap . 2, 12 und 13) . Theoretisch schließt COACTIV zum einen an motivationspsychologische Arbeiten zur Selbstwirksamkeit (Bandura, 1997; Schmitz & Schwarzer, 2000; Skaalvik & Skaalvik, 2007; Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy, 2001) und zur intrinsischen dispositionalen Motivation (Frenzel, Goetz, Lüdtke, Pekrun & Sutton, 2009; Kunter et al ., 2008; Ryan & Deci, 2000) und zum anderen an organisations- und gesund-heitspsychologische Untersuchungen zur Belastungsregulation im Arbeitsleben an (Hobfoll, 1989; Klusmann, Kunter, Trautwein, Lüdtke & Baumert, 2008; Maslach, Schaufeli & Leiter, 2001; Schaarschmidt, Kieschke & Fischer, 1999) .

Es ist ein gesicherter Befund der Motivationsforschung, dass Personen, die in ihrem Beruf intrinsische Orientierungen – also ein stabiles positives Erleben bei der beruflichen Tätigkeit – aufweisen, diesen mit mehr Anstrengung und Ausdauer verfolgen und zu besseren Ergebnissen kommen (Ryan & Deci, 2000) . Zur Beschreibung dieser intrinsischen Orientierungen hat sich in der Forschung zu Lehrkräften der Begriff des Enthusiasmus durchgesetzt (z . B . Brigham, Scruggs & Mastropieri, 1992; Brophy & Good, 1986; Patrick, Turner, Meyer & Midgley, 2003) . Die theoretische Bedeutung des Begriffs sowie die empirische Befundlage zum tat-sächlichen kausalen Status dieses Merkmals für erfolgreiche Berufsausübung sind jedoch noch unklar . Hier setzte COACTIV an und differenzierte Enthusiasmus als Merkmal professioneller Kompetenz in eine fachbezogene und eine tätigkeitsbezogene Komponente, von denen jeweils differenzielle Wirkungen auf berufliches Handeln erwartet wurden .

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 17

Die organisations- und gesundheitspsychologische Forschung sowie allgemeine Stress modelle weisen darauf hin, dass ein unbegrenzter Einsatz von persönlichen Ressourcen im Arbeitskontext zu Beanspruchungsreaktionen führen kann (Hobfoll, 2001; Hobfoll & Freedy, 1993; Hobfoll & Shirom, 1993) . Die Conservation-of-Resources-Theorie von Hobfoll (1989) bietet ein plausibles Erklärungsmodell für den Zusammenhang zwischen persönlichen Ressourcen und Beanspru-chungserleben . Laut dieser Theorie zeichnet sich ein effektiver Umgang mit den eigenen Res-sourcen durch den Einsatz von Ressourcen, aber auch die Fähigkeit, die eigenen Ressourcen zu schonen, aus . Im theoretischen Rahmen von COACTIV bezeichnen wir die Fähigkeit, in einem verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen persönlichen Ressourcen eine Balance zwischen emotionalem und sozialem Engagement und Distanzierung zu finden und aufrechtzuerhalten, als professionelle Selbstregulation . Die Erfassung der Selbstregula tionsfähigkeit im Rahmen von COACTIV steht einerseits in der theoretischen Tradition von Schaarschmidt et al . (1999), die ein Instrument zur Erfassung von Beanspruchungsmustern im Lehrerberuf entwickelt haben, und andererseits in der Forschungstradition zum Belastungserleben und zum Umgang mit He-rausforderungen in professionellen Arbeitssituationen (Maslach et al ., 2001) . Im Anschluss an diese Arbeiten aus der Organisations- und Gesundheitspsychologie untersucht COACTIV die Frage, inwieweit sich die Fähigkeit zur Selbstregulation sowohl im beruflichen Wohlbefinden der Lehrkräfte als auch in ihrem professionellen Handeln widerspiegelt (vgl . Kap . 13) .

1.5 Anliegen und Aufbau des vorliegenden Buches

Das vorliegende Buch berichtet vornehmlich über die erste, an den PISA-Zyklus 2003/04 an-geschlossene Längsschnittuntersuchung COACTIV . In dieser Studie wurden die theoretischen und empirischen Grundlagen des gesamten Forschungsprogramms gelegt . Im Zentrum standen der Entwurf des COACTIV-Kompetenzmodells, die schrittweise Entwicklung und Validierung der Instrumente zur Erfassung der professionellen Kompetenzaspekte, der empirische Test eines sparsamen Unterrichtsmodells und die systematische Überprüfung der Handlungsrelevanz der theoretisch postulierten Kompetenzaspekte . Die zweite Hauptstudie COACTIV-R, die sich auf die Entwicklung professioneller Kompetenz und Handlungsfähigkeit von Lehramtsanwär-tern im Referendariat bis zum Übergang in die volle Berufstätigkeit konzentriert, ergänzt die Dimen sionsanalysen der ersten Hauptstudie mit der Entwicklung eines neuen Instruments zur Erfassung generischen pädagogisch-psychologischen Wissens und Könnens und verschiebt gleichzeitig den analytischen Fokus auf den Erwerb und die Entwicklung professioneller Kom-petenz in nachuniversitären Kontexten . Auch über diese Studie berichtet der vorliegende Band . Die dritte Hauptstudie BilWiss, die das Ziel hat, ein konsensuell validiertes Modell des an Hochschulen vermittelten und von der zweiten Phase erwarteten bildungswissenschaftlichen Wissens zu entwickeln und empirisch zu prüfen, eröffnet schließlich einen Ausblick auf die weitere Entwicklung des Forschungsprogramms .

Das vorliegende Buch gliedert sich in vier große Abschnitte . Abschnitt A beschäftigt sich mit den theoretischen und methodischen Grundlagen des Forschungsprogramms und stellt in den Kapiteln 2 und 3 das Kompetenzmodell von COACTIV vor . Kapitel 4 gibt einen technisch orientierten Überblick über das Forschungsprogramm, und zwar sowohl über die längsschnitt-lichen Hauptuntersuchungen als auch die Serie der Ergänzungs- und Validierungsstudien . In

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18 Kapitel 1

den Kapiteln 5 und 6 wird das multikriteriale Unterrichtsmodell von COACTIV beschrieben und überprüft und eine Analyse des kognitiven Potenzials des deutschen Mathematikunter-richts am Ende der Sekundarstufe I vorgestellt .

Im Teil B findet man die Analysen zu den einzelnen Aspekten der professionellen Kompe-tenz von Lehrkräften . Er beginnt mit der Konzeptualisierung fachbezogenen Professionswis-sens von Mathematiklehrkräften und den Berichten über die Entwicklung und Validierung entsprechender Messinstrumente in den Kapiteln 7 und 8 . Diese beiden Kapitel referieren zentrale Befunde aus der ersten Hauptstudie . Kapitel 9 schließt mit der Vorstellung des im Rahmen von COACTIV-R neu entwickelten Tests zur Erfassung des generischen pädagogisch-psychologischen Wissens von Lehrkräften unmittelbar an . Kapitel 10, das sich mit den diagnos-tischen Fähigkeiten von Mathematiklehrkräften beschäftigt, verbindet die domänenspezifische und generische Perspektive der vorangegangenen drei Kapitel . Kapitel 11, das die Konzeptua-lisierung und Überprüfung der Handlungsrelevanz von professionellen Überzeugungen von Lehrkräften behandelt, verlässt den Bereich des professionellen Wissens und leitet zu den übrigen Aspekten des COACTIV-Kompetenzmodells über . Hier wird gezeigt, dass über das Wissen hinaus auch professionelle Überzeugungen handlungsregulative Bedeutung haben und für die Qualität von Unterrichtsprozessen mitverantwortlich sind . Die Kapitel 12 und 13 neh-men schließlich eine weitere Leitfrage des Forschungsprogramms auf . Sie untersuchen, welche Bedeutung motivationale Orientierungen und die Fähigkeit, Engagement und Distanzierung zu balancieren, sowohl für das Unterrichtshandeln als auch für dauerhafte Leistungsfähigkeit und den Verbleib im Beruf haben .

Teil C richtet den Blick auf die zweite übergeordnete Fragestellung des Forschungspro-gramms, die sich auf die Entwicklung professioneller Kompetenz und insbesondere die Bedeu-tung unterschiedlicher Erwerbskontexte bezieht . In drei Kapiteln werden die Eingangsvoraus-setzungen der Lehrkräfte (Kap . 14), das Lernen an der Universität (Kap . 15) und das Lernen im Beruf (Kap . 16) untersucht .

Der abschließende Teil D hat die Funktion einer zusammenfassenden Diskussion . COACTIV ist mit der Entscheidung, einen domänenspezifischen Forschungsansatz zu wählen, eines der noch immer wenigen Beispiele für eine langfristige Kooperation zwischen Fachdidaktik und empirischer Bildungsforschung . Das erste Kapitel des letzten Teils (Kap . 17) macht deshalb den Versuch, unter der Perspektive der Entwicklung der Mathematikdidaktik eine Bilanz des Forschungsprogramms zu ziehen . In Kapitel 18 werden dann die wichtigsten Ergebnisse des vorliegenden Buches noch einmal zusammengefasst . Das Schlusskapitel versucht aber auch die Bedeutung des Forschungsprogramms und der bislang erarbeiteten Befunde für die Lehrerbil-dung und die Unterrichtspraxis herauszuarbeiten – nicht zuletzt mit dem Ziel, die Grenzen der Aussagekraft der Ergebnisse zu markieren . Der Ausblick weist schließlich auf Forschungsdeside-rata und damit auch auf die weitere Entwicklung des Forschungsprogramms COACTIV hin .

1.6 COACTIV – Ein kooperatives Forschungsunternehmen

COACTIV ist zuallererst ein kooperatives Unternehmen zwischen empirischer Bildungsfor-schung und Mathematikdidaktik und damit auch ein Kooperationsvorhaben zwischen einem außeruniversitären Forschungsinstitut und mehreren Hochschuleinrichtungen . Das hier ge-

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COACTIV – Ein Forschungsprogramm 19

meinsam vorgelegte Buch legt hiervon Zeugnis ab . COACTIV ist aber auch ein Koopera-tionsprojekt mit vielen weiteren Partnern, ohne deren Hilfe und Engagement das Vorhaben undenkbar gewesen wäre . Unser Dank geht zuallererst an das Leibniz-Institut für die Pädago-gik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und dort an Manfred Prenzel und seine Arbeitsgruppe . Sie haben bei der Durchführung von PISA 2003/04 die erste Hauptstudie von COACTIV mitgetragen . Dank geht auch an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Entwicklung unserer Testaufgaben mitgewirkt haben, die uns Messinstrumente zur Verfügung stellten oder auf anderem Weg ihre Expertise mit uns geteilt haben . Dies sind unter anderem: Ruth Butler (Hebrew University Jerusalem), Wolfgang Einsiedler (Univer-sität Erlangen-Nürnberg), Anne Frenzel (Universität Augsburg), Erin Furtak (University of Colorado), Eckhard Klieme (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung), Mary McLaughlin und Dan McGrath (American Institutes for Research), Kristina Reiss (Technische Universität München), Kurt Reusser (Universität Zürich), Uwe Schaarschmidt (Universität Potsdam), Lee Shulman (Stanford University) und Jürgen Wiechmann (Uni-versität Koblenz-Landau) . Dank geht auch an die National Academy of Education in Taipeh, mit der wir gemeinsam eine Validierungsstudie in Taiwan durchführen konnten . Dank ge-bührt auch allen Personen, welche die Forschungsarbeit im Max-Planck-Institut und an den beteiligten Universitäten tatkräftig unterstützt haben: allen studentischen Hilfskräften, den Projektassistentinnen und dem Team des Zentralen Schreibbüros am Max-Planck-Institut . Besonders danken wir Susannah Goss und Doris Gampig, die beide die Fertigstellung des Buches betreut haben .

Besonders großen Dank schulden wir allen Lehrkräften und Lehramtskandidatinnen und -kandidaten, die ihre Zeit und Energie für die Realisierung des Forschungsprogramms zur Verfügung gestellt haben . Nur durch das enorme Engagement dieser Personen bei der Teilnah-me an unseren Tests und Befragungen konnten wir unser Forschungsprogramm wie geplant durchführen . Danken möchten wir auch den Leiterinnen und Leitern der Studienseminare bzw . der zentralen Ausbildungseinrichtungen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die uns bereitwillig Zugang und Hilfe gewährt haben . Wir möchten auch den beteiligten Ländern der Bundesrepublik für die Genehmigung der Studie und die Unterstützung bei der Durchführung Dank sagen . Das Forschungspro-gramm COACTIV kann auch als Beispiel einer gelungenen Kooperation zwischen Politik und Wissenschaft gelten . Die Untersuchungen des Programms wurden in Zusammenarbeit mit dem Data Processing and Research Center (DPC) in Hamburg durchgeführt, auf deren Expertise immer Verlass war . Auch dafür danken wir . COACTIV wurde und wird gefördert durch Zuwendungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aus dem Innovationsfond des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft und durch Forschungsmittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Mit diesem Band möchten wir Rechenschaft über die Verwendung der gewährten Mittel geben . Gleichzeitig bedanken wir uns bei diesen Institutionen für die Möglichkeit, unser Projekt in dieser Intensität durchführen zu können .

Unser Buch ist Alexander Jordan (†2009) gewidmet, der ein zuverlässiger Mittler zwischen Fachdidaktik und Bildungsforschung war .

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Teil ATheoretische und empirische Grundlagen

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2 Das Kompetenzmodell von COACTIV1

Jürgen Baumert und Mareike Kunter

Lehrkräfte sind die wichtigsten Akteure im Bildungswesen . Deshalb gilt ihre Qualifizierung als ein entscheidender Beitrag zur Optimierung von Bildungsprozessen (Darling-Hammond & Bransford, 2005; Lipowsky, 2006; Zlatkin-Troitschanskaia, Beck, Sembill, Nickolaus & Mulder, 2009) . Betrachtet man jedoch die Literatur zur Qualifizierung oder Professionalisie-rung von Lehrkräften (vgl . Baumert & Kunter, 2006), fällt auf, dass Begriffe wie „Qualifizie-rung“, „Professionalität“, „Expertise“ oder „Kompetenz“ häufig unscharf definiert sind und je nach Autor in unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden . Weiterhin fehlen übergeordnete theoretische Strukturen, die relevante Fragestellungen in empirisch prüfbare Hypothesen zu überführen erlauben . Vermutlich auch deshalb stehen der Vielzahl an theoretischen Überle-gungen und praktischen Handlungsempfehlungen nur wenige empirisch belastbare Befunde gegenüber . COACTIV setzt hier an: COACTIV möchte einen theoretischen und empirischen Beitrag zur Klärung zentraler Konzepte und zur Diskussion über die Professionalisierung von Lehrkräften leisten .

Aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln hat die empirische pädagogische Forschung jeweils unterschiedliche Aspekte der Berufstätigkeit von Lehrkräften untersucht, um die Auswahl und Ausbildung von Lehrpersonen zu verbessern (vgl . Bastian, Helsper, Reh & Schelle, 2000; Baumert & Kunter, 2006; Besser & Krauss, 2009; Bromme, 1997) . Ziel von COACTIV war es, diese unterschiedlichen Ansätze zu ordnen, in einem übergreifenden Modell, das Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammenführt, zu integrieren und empirisch zu prü-fen . Kapitel 2 stellt das theoretische Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften vor, das in COACTIV entwickelt wurde und allen empirischen Arbeiten zugrunde liegt . Leitende Idee war es, zunächst ein generisches Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften zu entwickeln, das dann am Beispiel von Mathematiklehrkräften spezifiziert und konkretisiert wird . Nach einer Einführung in die theoretischen Grundlagen des Gesamtmodells geben wir einen Überblick über die einzelnen Kompetenzaspekte . In den Kapiteln 7 bis 14, die den empirischen Hauptteil dieses Bandes bilden, werden diese Kompetenzaspekte im Einzelnen untersucht .

2.1 Generisches Strukturmodell professioneller Kompetenz

Das theoretische Anliegen von COACTIV war es, die individuellen Merkmale zu identifizieren, die Lehrkräfte für die erfolgreiche Bewältigung ihrer beruflichen Aufgaben benötigen . Dabei standen vor allem die Anforderungen des Unterrichtens im Vordergrund des Interesses . Die didak tische Vorbereitung und Inszenierung von Unterricht können als die zentrale Anforderung

1 Dieses Kapitel greift in wesentlichen Teilen auf Baumert und Kunter (2006) zurück .

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30 Kapitel 2

des Berufs gelten (Tenorth, 2006; Terhart, 2002) . Deshalb ist die erfolgreiche Berufsausübung auch immer daran zu messen, inwieweit es Lehrkräften gelingt, Lernprozesse von Schülerin-nen und Schülern zu initiieren und zu unterstützen, sodass die schulischen Lernziele erreicht werden . Dabei steht Lehrerhandeln unter doppelter Unsicherheit . Einmal ist Unterricht nur begrenzt planbar . Die interaktive Struktur des Unterrichts und die Unvorhersehbarkeit des aktuellen Verhaltens von Schülerinnen und Schülern machen den Unterrichtsdiskurs und die Gestalt des Lehrangebots auch bei sorgfältiger Vorbereitung situationsabhängig . Zum anderen gibt es auch für die Ergebnisse des Unterrichts, also die Lernerfolge der Schülerinnen und Schü-ler keine Garantie . Lernen ist letztlich ein idiosynkratischer mentaler Prozess (vgl . McCaffrey, Lockwood, Koretz, Louis & Hamilton, 2004) . Wir konzipieren Unterricht deshalb im Rahmen eines Angebots-Nutzungs-Modells mit doppelter Unsicherheit (vgl . Fend, 2008; Helmke, 2009) . Danach sind Lehrkräfte verantwortlich, in Interaktion mit den Schülerinnen und Schü-lern die Lerngelegenheiten bereitzustellen, die verständnisvolle Lernprozesse überhaupt erst möglich machen (siehe auch Kap . 5) . Fehlende Standardisierung und Erfolgs unsicherheit sind konstitutive Merkmale des professionellen Handelns von Lehrkräften . Daraus folgt jedoch weder, dass die persönlichen Voraussetzungen, die notwendig sind, um in dieser Situation erfolgreich zu handeln, nicht beschrieben werden könnten, noch, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht erlernbar oder vermittelbar seien .

Betrachtet man die Gestaltung der Lehr-Lern-Situationen im Unterricht und die Vermitt-lung der schulischen Lernziele als die zentrale Aufgabe von Lehrkräften, folgt daraus, dass vor allem diejenigen Lehrermerkmale in den Blick zu nehmen sind, die unmittelbar notwendige Bedingungen für die Vermittlung dieser schulischen Inhalte darstellen . Die Ableitung indivi-dueller Voraussetzungen erfordert einen professionsspezifischen Zugang, der genau die Kern-tätigkeit des Unterrichtens trifft . Die theoretischen Arbeiten von Shulman (1986, 1987) und Bromme (1992, 1997) sind hier maßgebliche Ordnungssysteme . Shulman entwickelte einen Vorschlag für die strukturbildenden Dimensionen des professionellen Wissens von Lehrkräften, den Bromme später erweiterte . Beide insistierten wie Grossman und Stodolsky (1995) auf der Bedeutung, die der spezifische Fachinhalt für das Denken, Wissen und Handeln von Lehr-kräften habe . Mit der Betonung, dass erfolgreiches Unterrichten vor allem aufgrund einer gut vernetzten und umfangreichen domänenspezifischen Wissensbasis ermöglicht wird und dass diese Wissensbasis im Rahmen der strukturierten Lehreraus- und Weiterbildung vermittelbar ist, kann der Lehrerberuf als Profession verstanden werden, also als ein Berufsfeld, das sich unter anderem durch eine intensive spezialisierte Ausbildung, eine Tätigkeit in autonomen und nichtroutine-basierten Situationen, eine gemeinsame theoretische Wissensbasis und spezia-lisierte Fertigkeiten sowie systematische Qualitätssicherung und Wissenserweiterung innerhalb des Feldes auszeichnet (Hoyle, 2001; Shulman, 1998) .

Shulman untersuchte das Thema der Professionalisierung von Lehrkräften im Kontext eines systematischen Professionsvergleichs der Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching, in dem er auch das Handeln von Lehrkräften verstanden wissen will (Shulman, 1998, S . 516):

All professions are characterized by the following attributes:• theobligationsofservice to others, as in a „calling“;• understanding of a scholarly or theoretical kind;• adomainofskilledperformanceorpractice;

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Das Kompetenzmodell von COACTIV 31

• theexerciseofjudgment under conditions of unavoidable uncertainty;• theneedforlearning from experience as theory and practice interact;• andaprofessionalcommunity to monitor quality and aggregate knowledge .

Die Verbindung von inhaltlichen, auf Anforderungsanalysen der beruflichen Tätigkeit beru-henden Wissensfacetten mit einem allgemeinen Professionsmodell lieferte auch die theoretische Basis für die US-amerikanischen Standards des National Board for Professional Teaching Stan-dards (NBPTS, 2002) . Es ist auch die Grundlage, auf der Bransford, Darling-Hammond und LePage (2005, S . 11) ihr theoretisches Modell der Qualifikation von Lehrkräften entwickelten, das drei Hauptdimensionen – knowledge of learners and their development in social contexts, knowledge of subject matter and curriculum goals und knowledge of teaching – unterscheidet, in deren Hintergrund eine normative Vision beruflicher Praxis steht, die in einer Professions-gemeinschaft verankert ist .

Derart professionsspezifische Ansätze sind zur Bestimmung der konkreten Anforderun-gen, denen Lehrkräfte in ihrer Arbeit begegnen, notwendig . Andererseits ist in der Lite-ratur zur Lehrerprofessionalität auch immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, den Anschluss an generische Modelle der Professionalisierung und der beruflichen Entwicklung zu suchen, um theoretische Weiterentwicklungen zu fördern (vgl . Bromme, 1997; Cochran-Smith & Zeichner, 2005) . Hiervon ausgehend wurde in COACTIV ein Modell der professionellen Kompetenz vorgeschlagen, das seine theoretischen Wurzeln zwar zunächst in der lehrerspezifischen Literatur zum professionellen Wissen (Bransford et al ., 2005; Bromme, 1992, 1997; Shulman, 1986, 1987) hat, die dort ermittelten Erkenntnisse aber in die Literatur zur professionellen Kompetenz und Kompetenzdiagnostik (z . B . Weinert, 2001a, 2001b) einbettet .

Der Begriff „Kompetenz“ beschreibt die persönlichen Voraussetzungen zur erfolgreichen Bewältigung spezifischer situationaler Anforderungen . Kompetenz ist prinzipiell erlern- und vermittelbar (vgl . Klieme & Leutner 2006; Weinert, 2001a) . Der Begriff der „professionellen Handlungskompetenz“ wurde von Weinert (2001b) als Übertragung des Kompetenzgedankens auf die Bewältigung beruflicher Anforderungen geprägt:

The theoretical construct of action competence comprehensively combines those intellectual abilities, content-specific knowledge, cognitive skills, domain-specific strategies, routines and subroutines, mo-tivational tendencies, volitional control systems, personal value orientations, and social behaviors into a complex system . Together, this system specifies the prerequisites required to fulfil the demands of a particular professional position . (Weinert, 2001a, S . 51; vgl . auch Weinert 2001b, S . 27 f .)

Die Verwendung des Begriffs der Kompetenz impliziert theoretische Annahmen, die bisherige Ansätze zur Professionalität von Lehrkräften in wichtigen Punkten ergänzen . In einer engen Bedeutung beschreibt der Begriff „Kompetenz“ ausschließlich kognitive Aspekte (vgl . Weinert 2001a) . In diese Sinn sind Kompetenzen nach Klieme und Leutner (2006) kontextabhängige kognitive Leistungsdispositionen, die durch Lernen erworben werden und notwendig sind, um beschreibbare Anforderungen in spezifischen Domänen zu bewältigen (vgl . Klieme & Hartig, 2007; Klieme, Hartig & Rauch, 2008; Mayer, 2003; Simonton, 2003) . In einem weiteren Verständnis als „Handlungskompetenz“ (Weinert, 2001b) umfasst der Begriff zusätzlich moti-vationale, metakognitive und selbstregulative Merkmale, die als entscheidende Voraussetzungen für die Bereitschaft zu handeln gesehen werden (Connell, Sheridan & Gardner, 2003; Weinert, 2001a, 2001b) . Darüber hinaus beruht der Kompetenzbegriff auf der Vorstellung, dass es sich

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32 Kapitel 2

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