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Justus-Liebig-Universität Gießen FB 03: Sozial- und Kulturwissenschaften Institut für Heil- und Sonderpädagogik Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Förderschulen im Fach Sprachheilpädagogik, eingereicht bei Hessische Lehrkräfteakademie - Prüfungsstelle Gießen - . 16.10.2017 ____________________________________________________________________ Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache Türkisch Verfasserin: Sarah Keller

Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

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Justus-Liebig-Universität Gießen

FB 03: Sozial- und Kulturwissenschaften

Institut für Heil- und Sonderpädagogik

Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das

Lehramt an Förderschulen im Fach Sprachheilpädagogik, eingereicht bei

Hessische Lehrkräfteakademie - Prüfungsstelle Gießen - .

16.10.2017

____________________________________________________________________

Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit

Erstsprache Türkisch

Verfasserin: Sarah Keller

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Inhaltsverzeichnis I

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ IV

1 Einleitung .................................................................................................................... 1

2 Begriffsbestimmungen ................................................................................................ 5

2.1 Bilingualismus/Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit .................................... 5

2.2 Erstsprache/Primärsprache vs. Muttersprache ..................................................... 6

2.3 Zweitsprache vs. Fremdsprache ........................................................................... 7

3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem ......................................... 9

3.1 Bildungsbenachteiligung ..................................................................................... 9

3.2 Anforderungen der Schule ................................................................................... 9

3.2.1 Anforderung Schriftspracherwerb .............................................................. 10

3.2.2 Anforderung Unterrichtssprache ................................................................. 11

3.3 Sprachgebrauch.................................................................................................. 12

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit ............................................ 14

4.1 Erwerbsformen .................................................................................................. 14

4.1.1 Simultaner Erwerb ...................................................................................... 14

4.1.2 Erwachsener Zweitspracherwerb ................................................................ 15

4.1.3 Sukzessiver Erwerb .................................................................................... 15

4.2 Erwerbsfaktoren zweisprachig aufwachsender Kinder ...................................... 17

4.2.1 Kritische Phase ........................................................................................... 17

4.2.2 Affektive Einflussfaktoren .......................................................................... 19

4.2.3 Soziokulturelle und sozioökonomische Einflüsse ...................................... 20

4.3 Neuronale und kognitive Aspekte von Mehrsprachigkeit ................................. 21

4.3.1 Neuronale Repräsentation mehrerer Sprachen ............................................ 21

4.3.2 Organisation des mentalen Lexikons .......................................................... 23

4.3.3 Mehrsprachigkeit: Vorteil oder Nachteil? .................................................. 25

4.4 Hypothesen zum Zweitspracherwerb................................................................. 28

4.4.1 Die Kontrastivhypothese............................................................................. 28

4.4.2 Die Identitätshypothese............................................................................... 29

4.4.3 Die Interlanguage-Hypothese ..................................................................... 30

4.5 Besonderheiten des Sprachgebrauchs bei Mehrsprachigkeit ............................. 31

4.5.1 Sprachmischungen ...................................................................................... 32

4.5.2 Migrationsspezifisches Türkisch ................................................................ 33

4.6 Sukzessiver Spracherwerb: Türkisch und Deutsch ............................................ 34

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Inhaltsverzeichnis II

4.6.1 Erwerb des Türkischen ............................................................................... 34

4.6.2 Erwerb der Zweitsprache Deutsch .............................................................. 37

4.6.2.1 Phonologie ........................................................................................... 37

4.6.2.2 Wortschatz ........................................................................................... 38

4.6.2.3 Morphologie und Syntax ..................................................................... 38

4.6.2.4 Pragmatik ............................................................................................. 41

4.6.2.5 Literale Kompetenzen .......................................................................... 42

5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch .......................................................... 43

5.1 Phonetik/Phonologie .......................................................................................... 43

5.2 Wörter und Morphologie ................................................................................... 44

5.3 Syntax ................................................................................................................ 46

5.4 Lexik/Semantik und Pragmatik ......................................................................... 48

6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit ......................................................... 49

6.1 Anamnese: Bilinguales Patientenprofil ............................................................. 50

6.2 Beobachtung ...................................................................................................... 51

6.3 Testverfahren ..................................................................................................... 52

6.3.1 LiSe-DaZ .................................................................................................... 53

6.3.2 ESGRAF-MK ............................................................................................. 54

6.3.3 CITO Sprachtest ......................................................................................... 55

6.3.4 HAVAS 5.................................................................................................... 55

6.4 Konklusion und diagnostische Empfehlungen .................................................. 56

7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit ......................................... 58

7.1 Förderung im Elementarbereich ........................................................................ 59

7.2. Allgemeine Förderprinzipien ............................................................................ 59

7.2.1 Förderung von Erst- und Zweitsprache....................................................... 60

7.2.2 Zielorientierung .......................................................................................... 62

7.2.3 Orientierung am natürlichen Entwicklungsverlauf ..................................... 62

7.2.4 Implizite Vermittlungsmethoden ................................................................ 63

7.2.5 Motivation und Handlungsorientierung ...................................................... 64

7.3 Sprachförderliches Verhalten von Bezugspersonen .......................................... 64

7.3.1 Kindgerichtete Sprache und Modellierungstechniken ................................ 65

7.3.2 Familiensprache: Türkisch oder Deutsch? .................................................. 67

7.4 Alltagsintegrierte Sprachförderung.................................................................... 68

7.4.1 Bilderbücher ............................................................................................... 69

7.4.1.1 Dialogische Bilderbuchbetrachtung ..................................................... 69

7.4.1.2 Mehrsprachige Bildwörterbücher ........................................................ 71

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Inhaltsverzeichnis III

7.4.1.3 Zweisprachige Erzählungen ................................................................. 72

7.4.2 Märchen ...................................................................................................... 73

7.4.3 Musik und Sprache ..................................................................................... 74

7.4.4 Spiele .......................................................................................................... 76

7.4.4.1 Angelspiel zur Förderung der Laute [ç] und [x] .................................. 76

7.4.4.2 Reim-Memory zur Förderung der phonologischen Bewusstheit ......... 77

7.4.4.3 Sandsack-Safari zur Förderung des Wortschatzes ............................... 77

7.4.4.4 Hockerballett zur Förderung von Präpositionen .................................. 77

7.4.4.5 Gezinktes Memory zur Förderung der Literacy ................................... 78

7.4.5 Raumgestaltung .......................................................................................... 78

7.4.6 Sprachenportfolio und Wortschatzarbeit .................................................... 79

7.5 Elternbeteiligung................................................................................................ 80

7.5.1 Elternbeteiligung mit dem Family-Literacy-Ansatz ................................... 81

7.5.2 Elternpartizipation in der Kindertageseinrichtung ...................................... 83

7.6 Additive Sprachförderprogramme ..................................................................... 84

7.6.1 Deutsch für den Schulstart .......................................................................... 84

7.6.2 KIKUS ........................................................................................................ 87

7.6.3 Potentiale additiver Programme.................................................................. 88

7.7 Fortsetzung der frühkindlichen Förderung ........................................................ 89

8 Fazit .......................................................................................................................... 91

Literaturverzeichnis ...................................................................................................... V

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Abbildungsverzeichnis IV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: The „dual iceberg“ (Cummins 1984: 143) ...................................................... 24

Abb. 2: Darstellungen zum Buchstaben a (Syme 2011: 6) .......................................... 71

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1 Einleitung 1

1 Einleitung

„Kennst du viele Sprachen – hast du viele Schlüssel für ein Schloß“ (Voltaire

1694-1778, zit. n. Prochazka 2014: 63) – eine positive, gewinnbringende Sicht

auf Mehrsprachigkeit, welche Voltaire bereits im 18. Jahrhundert formulierte.

Eine Auffassung, nach der die Kenntnis mehrerer Sprachen Zugänge erleichtert

und größere Handlungsspielräume eröffnet. Im Zuge der fortschreitenden Glo-

balisierung beziehen sich solche Vorteile wohl vor allem auf die Berufswelt, in

welcher Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere die englische Sprache, zu-

nehmend vorausgesetzt werden. Kaum verwunderlich, dass das Englische,

Französische oder Spanische bedeutende Rollen im Fremdsprachenunterricht

des deutschen Schulsystems spielen. Der erste Fremdsprachenunterricht findet

mittlerweile bereits in der Grundschule statt, teilweise sogar schon ab der ers-

ten oder zweiten Klassenstufe (vgl. KMK 2013: 5f.). Äußerst gefragt sind au-

ßerdem bilinguale Kindertagesstätten: 2008 belief sich die Anzahl bilingualer

Kindertagesstätten in Deutschland auf 532 Einrichtungen. Im Jahr 2014 stieg

sie auf beinahe das Doppelte an. Von besonderem Interesse scheinen das Eng-

lische und das Französische zu sein, denn 41 % der bilingualen Kindertages-

stätten bieten Englisch als Fremdsprache an, 30 % Französisch (vgl. FMKS

e.V. 2014: 1).

Die deutsche Gesellschaft zeichnet sich durch eine wachsende kulturelle Hete-

rogenität aus, welche unter anderem in den demografischen Prozessen der

Nachkriegszeit begründet liegt. Diese finden ihre Anfänge in der Anwerbung

von Arbeitskräften aus Südeuropa im Zuge derer eine Vielzahl von Menschen

in den 60er- und frühen 70er-Jahren nach Deutschland migrierten, darunter

viele Türken (vgl. Schader 2012: 15f.). Zwar wurde 1973 die Anwerbephase

aufgrund der Ölkrise gestoppt, jedoch folgte im Zusammenhang mit dem Fami-

liennachzug der in Deutschland lebenden Ausländer1 ein weiterer Migrations-

schub (vgl. Currle & Lederer 2004: 19). In den 90er-Jahren war ein verstärkter

Zustrom von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten wie dem Balkan

oder Somalia zu verzeichnen (vgl. Schader 2012: 16). Im Jahr 2016 beträgt die

1 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit, wird zur Bezeichnung von Personengruppen im Fol-

genden nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich beziehen sich die Angaben

dennoch auf Angehörige beider Geschlechter.

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1 Einleitung 2

Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund2 in Deutschland 18,6 Millionen.

Hinsichtlich der Gesamtbevölkerung bedeutet dies einen Anteil von 22,5 %

und einen Zuwachs von 1,5 % im Vergleich zum Vorjahr 2015 (vgl. Statisti-

sches Bundesamt 2017: 8). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es

um weniger global bedeutsame Sprachen, um die Migrantensprachen, in der

deutschen Gesellschaft bestellt ist. Profitiert ein türkischsprachiges Kind, wel-

ches das Deutsche als Zweitsprache erwirbt, ebenso von Mehrsprachigkeit?

Insbesondere die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-

Untersuchung 2001 (IGLU) sowie die Evaluation der PISA-Studien 2003 und

2006 lassen Gegenteiliges vermuten und haben in den vergangenen Jahren zu

einem öffentlichen und intensiv geführten Diskurs über die Bildungsbenachtei-

ligung sowie die sprachliche Förderung von Kindern mit Migrationshinter-

grund geführt (vgl. Ahrenholz 2012: 221; Apeltauer 2012: 11; Schwippert

2007: 30). Jüngere Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien konstatieren

eine Verbesserung der Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund in

Deutschland. Jedoch ist das Gefälle zu Kindern ohne Migrationshintergrund

noch immer ausgeprägt, sodass eine entsprechende sprachliche Förderung

dringend notwendig ist (vgl. Rauch u.a. 2016: 341f.; Tarelli u.a. 2012: 18).

Vor dem Hintergrund, dass der Großteil der zurzeit in Deutschland lebenden

Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei stammen, ist das Thema

Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache Türkisch von

aktueller Relevanz. 15,1 % der Menschen mit Migrationshintergrund sind tür-

kischer Herkunft. In Deutschland leben folglich circa 2,79 Millionen Menschen

mit türkischem Migrationshintergrund (vgl. Statistisches Bundesamt 2017: 8).

Jedoch ist anzumerken, dass nicht automatisch davon ausgegangen werden

kann, dass in allen Familien mit türkischem Migrationshintergrund Türkisch

gesprochen wird. Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache

sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in der Kategorie Migrations-

2 Das Statistische Bundesamt definiert Migrationshintergrund wie folgt: „Eine Person hat dann

einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher

Staatsangehörigkeit geboren ist. Zu den Personen mit Migrationshintergrund gehören im Ein-

zelnen alle Ausländer, (Spät-)Aussiedler und Eingebürgerten. Ebenso dazu gehören Personen,

die zwar mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind, bei denen aber mindestens ein Eltern-

teil Ausländer, (Spät-)Aussiedler oder eingebürgert ist“ (Statistisches Bundesamt 2017: 21).

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1 Einleitung 3

hintergrund zusammengefasst sind, da beide Elternteile mit deutscher Staats-

angehörigkeit geboren sind. Da allerdings keine Statistiken über in Deutsch-

land lebende Personen mit Erst- oder Familiensprache Türkisch vorliegen, wird

das Kriterium Migrationshintergrund als Orientierungsgröße herangezogen.

Zu Beginn der Arbeit wird die Bedeutung wichtiger Begrifflichkeiten zugrunde

gelegt, über welche in der wissenschaftlichen Literatur kein gemeinsamer Kon-

sens besteht. Um die Förderbedürftigkeit türkischstämmiger Kinder darzule-

gen, wird anschließend deren Benachteiligung im deutschen Bildungssystem

aufgegriffen. In diesem Zusammenhang werden vor allem die schulischen An-

forderungen Schriftspracherwerb und Unterrichtssprache thematisiert, welche

die Schule gleichermaßen an alle Schüler stellt.

Das vierte Kapitel widmet sich den Besonderheiten des Spracherwerbs unter

den Bedingungen von Mehrsprachigkeit, deren Kenntnis für die Ableitung ge-

eigneter Fördermaßnahmen essentiell ist. Die Besonderheiten beziehen sich

einerseits auf Mehrsprachigkeit im Allgemeinen und fassen andererseits Cha-

rakteristika ins Auge, die sich speziell für türkischstämmige Kinder ergeben. In

Abgrenzung zu anderen Erwerbskonstellationen, in welchen eine zweite Spra-

che angeeignet werden kann, wird zunächst die bei Kindern mit Migrationshin-

tergrund überwiegend anzutreffende Form des sukzessiven Erwerbs dargestellt.

Daran anknüpfend geht es um Erwerbsfaktoren, welche die Sprachentwicklung

beeinflussen. Ein Einblick in neuronale und kognitive Aspekte von Mehrspra-

chigkeit liefert weitere Erkenntnisse, die in einer Förderung berücksichtigt

werden sollten. Auch wird an dieser Stelle deutlich, dass die eingangs zitierte

positive Sichtweise auf Mehrsprachigkeit, bei entsprechender Unterstützung,

durchaus auch auf Deutsch als Zweitsprache (DaZ)-Lernende zutrifft und nicht

nur im Zusammenhang mit der Aneignung einer angesehenen Fremdsprache

steht. Das darauffolgende Unterkapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Hy-

pothesen zur Erklärung des kindlichen Zweitspracherwerbs, die auf unter-

schiedlichen theoretischen Ansätzen basieren. Anschließend werden Besonder-

heiten des Sprachgebrauchs bei Mehrsprachigkeit beschrieben, wobei unter

anderem das in Deutschland gesprochene Immigrant Turkish, eine durch Mig-

ration bedingte Abweichung des Standardtürkischen, betrachtet wird. Das Ka-

pitel schließt mit einem Umriss des sukzessiven Spracherwerbs türkischstäm-

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1 Einleitung 4

miger Kinder, dies betrifft den Erwerb des Türkischen sowie die Aneignung

des Deutschen als Zweitsprache.

Ausgehend von der Annahme, dass das Türkische als Erstsprache die Aneig-

nung des Deutschen beeinflusst, wird im fünften Kapitel ein Sprachvergleich

zwischen dem Deutschen und Türkischen auf unterschiedlichen sprachlichen

Ebenen vorgenommen. Ziel der Kontrastierung ist es, mögliche Stolpersteine

zu identifizieren, um diese in einer Förderung berücksichtigen zu können.

In der vorliegenden Arbeit wird außerdem dem Thema der Diagnostik für

mehrsprachige Kinder ein eigenes Kapitel gewidmet, da eine Förderung mitun-

ter Kenntnisse über den aktuellen Sprachstand eines Kindes voraussetzt.

Auf Grundlage der vorangegangen Ausführungen und der Erkenntnis, dass sich

vor allem eine früh einsetzende Förderung als effektiv erweist und Kinder mit

Migrationshintergrund gezielt auf die Schule vorbereitet werden sollten, wer-

den im siebten Kapitel schließlich Fördermöglichkeiten für mehrsprachige

Kinder mit türkischer Erstsprache im Elementarbereich aufgezeigt. Unter Be-

rücksichtigung der mehrsprachigen Erwerbssituation werden grundlegende

Prinzipien formuliert, an denen sich eine Förderung möglichst orientieren soll-

te. Daran anknüpfend wird das Sprachverhalten der kindlichen Bezugspersonen

thematisiert, welches vor allem für eine alltagsintegrierte Förderung von Be-

deutung ist. Die darauffolgenden Ausführungen beziehen sich auf Möglichkei-

ten der alltagsintegrierten Förderung. An dieser Stelle werden Methoden und

Materialien dargelegt, welche eine alltagsintegrierte Unterstützung der Kinder

zulassen. Anschließend geht es um Möglichkeiten der Elternpartizipation, wo-

bei die familiale Förderung literaler Kompetenzen im Vordergrund steht. Zu-

letzt werden additive Sprachförderprogramme thematisiert, indem zwei ausge-

wählte Programme dargestellt und hinsichtlich ihrer Eignung für Kinder mit

türkischem Migrationshintergrund beleuchtet werden.

Der Umfang der Arbeit lässt es nicht zu, explizit auf alle förderbedürftigen

sprachlichen Bereiche einzugehen. Im Vordergrund stehen vor allem die För-

derung von Literacy sowie die Entwicklung des Wortschatzes. Spezifische

Stolpersteine wie beispielsweise Ausspracheschwierigkeiten werden exempla-

risch thematisiert. Die Ausführungen zur Förderung erheben nicht den An-

spruch eine ideale Lösung vorzulegen. Vielmehr werden unterschiedliche

Möglichkeiten aufgezeigt und abschließend diskutiert.

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2 Begriffsbestimmungen 5

2 Begriffsbestimmungen

In den Wissenschaften und Forschungsgebieten, die sich mit der Spracher-

werbssituation mehrsprachiger Personen auseinandersetzen, wird eine Vielzahl

unterschiedlicher Begriffe gebraucht: bilingual, zweisprachig, mehrsprachig,

Muttersprache, Zweitsprache, etc. Um Missverständnissen vorzubeugen, wer-

den die wichtigsten Begriffe im Folgenden erläutert.

2.1 Bilingualismus/Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit

In der Wissenschaft herrscht bislang keine Einigkeit bezüglich der Auffassung

der Termini Bilingualismus beziehungsweise Zweisprachigkeit und Mehrspra-

chigkeit (vgl. Hu 2016: 11). Der Begriff Bilingualismus meint in der englisch-

sprachigen Literatur meist den Gebrauch von mehr als zwei Sprachen (vgl.

Oksaar 2003: 9) oder fasst als Oberbegriff das Forschungsgebiet der Mehrspra-

chigkeit zusammen (vgl. Busch 2013: 9). In der europäischen Zweitsprachen-

erwerbsforschung und in der Psycholinguistik wird vielmehr der Begriff Mehr-

sprachigkeit als eine dem Bilingualismus übergeordnete Kategorie aufgefasst.

Auch kommt es vor, dass Mehrsprachigkeit und Bilingualismus gleichbedeu-

tend verwendet werden (vgl. Adler 2011: 112; Hu 2016: 11; Oksaar 2003: 26;

Tracy 2014: 17). Insbesondere in der Fremdsprachendidaktik gibt es hingegen

Auffassungen, welche das Lernen einer dritten oder weiteren Sprache als not-

wendiges Kriterium für Mehrsprachigkeit begreifen (vgl. Ahrens 2004: 11).

Maßgebend für die unterschiedlichen Definitionen von Mehrsprachigkeit ist

mitunter der vorausgesetzte Sprachbegriff. Umfasst dieser auch Soziolekte und

Dialekte, ist beinahe jeder Mensch als mehrsprachig zu bezeichnen (vgl.

Wandruszka 1979: 14). Ausgehend von dieser Überlegung differenziert Ossner

(2008: 53-56) zwischen innerer Mehrsprachigkeit und äußerer oder sprachen-

übergreifender Mehrsprachigkeit. Der Begriff der inneren Mehrsprachigkeit

schließt die Menge der soziolektalen und dialektalen Varietäten der deutschen

Sprache sowie ihrer formellen und informellen Gebrauchsstile ein (vgl. Ossner

2008: 53f.). Demgegenüber kennzeichnet das Konzept der äußeren Mehrspra-

chigkeit den Gebrauch einer weiteren Sprache über das Deutsche hinaus (vgl.

ebd.: 55).

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2 Begriffsbestimmungen 6

Da in der Fachliteratur bislang kein Konsens über die Verwendung der unter-

schiedlichen Termini besteht und sich die einzelnen Definitionen zum Teil

überschneiden, werden die Begriffe zweisprachig, bilingual und mehrsprachig

im Folgenden synonym verwendet. Sie beziehen sich auf den Umstand, dass

ein Kind zwei Sprachen spricht beziehungsweise erwirbt, ausgenommen dia-

lektaler oder soziolektaler Varietäten. Um eine Abgrenzung zwischen Kindern,

die nur eine Sprache erwerben (bspw. das Deutsche) und solchen, die zwei

Sprachen sprechen (bspw. das Türkische und das Deutsche), zu ermöglichen,

schließt diese Definition Mehrsprachigkeit im Sinne innerer Mehrsprachigkeit

aus. Die Begriffe monolingual und einsprachig beziehen sich auf Kinder, die

mit nur einer Landessprache aufwachsen.

Dennoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass dialektgeprägte Regionen in

Deutschland eine erschwerte Erwerbssituation konstruieren und insbesondere

Lernende mit Deutsch als Zweitsprache vor eine doppelte Herausforderung

stellen: Neben dem in der Schule geforderten Standarddeutschen werden sie

zum Zwecke der sozialen Integration und Alltagskommunikation zusätzlich mit

der Anforderung konfrontiert, eine dialektale Ausprägung des Deutschen zu

lernen (vgl. Schader 2012: 36).

Diese gegebenenfalls aufkommende Erschwernis darf in einer Förderung nicht

unberücksichtigt bleiben, wird jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.

2.2 Erstsprache/Primärsprache vs. Muttersprache

Als Erstsprache oder Primärsprache wird jene Sprache bezeichnet, die ein

Mensch an erster Stelle erworben hat. Häufig findet man Erstsprache in syno-

nymer Gebrauchsweise zu dem Terminus Muttersprache (vgl. Oksaar 2003:

13f.). In der Umgangssprache bezeichnet dieser oftmals die von Geburt an er-

worbene Sprache eines Menschen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 29). Gegenüber

dem Begriff Erstsprache, bindet die Bezeichnung Muttersprache eine Reihe

affektiver Konnotationen und positiver Charakteristika an sich und steht für die

unmittelbare familiäre und vor allem mütterliche Bindung des Kindes (vgl.

ebd.: 29). In der Fachliteratur wird der Begriff Muttersprache teilweise den-

noch synonym gebraucht oder der Bezeichnung Erstsprache sogar vorgezogen

(vgl. Belke 2003: 30; Oksaar 2003: 14). Laut Scharff Rethfeldt (2013: 31) ver-

wendet die internationale Literatur jedoch hauptsächlich den Begriff Erstspra-

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2 Begriffsbestimmungen 7

che, da er im Gegensatz zu Muttersprache eine wertfreie Benennung zulässt

(vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 31). In diesem Sinne wird im Weiteren der Ter-

minus Erstsprache dem der Muttersprache vorgezogen.

2.3 Zweitsprache vs. Fremdsprache

Bezüglich der Bedeutungen von Zweitsprache und Fremdsprache sind eben-

falls unterschiedliche Definitionen und Abgrenzungen vorzufinden. So ver-

knüpft Merten (1997: 65) mit dem Begriff Zweitsprache das Sprechen einer

weiteren Sprache, die entweder nach oder parallel zur Erstsprache erworben

wird. Rösch (2011: 11) hingegen nennt nicht nur die erste, sondern jede weitere

Sprache, die nach der Erstsprache erlernt wird, eine Zweitsprache. Laut

Kniffka und Siebert-Ott (2012: 15) ist die Reihenfolge des Erwerbs für eine

wissenschaftliche Begriffsbestimmung des Terminus Zweitsprache wenig be-

deutsam. Ein wesentliches Charakteristikum stellt ihrer Meinung nach der Er-

werbskontext bereit (vgl. ebd.: 15). Zweitsprache und Zweitsprachenerwerb

zeichnen sich durch eine in der Zielkultur angelegte Erwerbssituation aus (vgl.

Hufeisen & Riemer 2010: 738; Vollmert u.a. 2001: 8). Lernen aus Frankreich

stammende Kinder die deutsche Sprache in Deutschland, spricht man von

Deutsch als Zweitsprache. Davon abzugrenzen ist die Fremdsprache, deren

Aneignung innerhalb der Ausgangskultur stattfindet. Erwerben Kinder bei-

spielsweise an einer Schule in Frankreich Deutsch, handelt es sich demnach um

das Lernen einer Fremdsprache (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 15). Diese

Unterscheidung wird durch das Begriffspaar gesteuerter versus ungesteuerter

Erwerb verdeutlicht: Während die Fremdsprache gesteuert und künstlich, bei-

spielsweise durch Unterricht, vermittelt wird, definiert sich die Zweitsprache

über einen überwiegend ungesteuerten und natürlichen Aneignungsprozess

(vgl. Oksaar 2003: 14). In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken,

dass auch eine scheinbar steuerungsfreie Erwerbssituation oftmals unbewusste

Belehrungen durch Bezugspersonen beinhaltet (vgl. ebd.: 14).

Als ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung von Fremd- und Zweitsprache

zieht Rösler (1994: 8) das Maß der Identifikation und die Relevanz, die eine

Sprache im Leben eines Individuums einnimmt, heran: „Spielt die neue Spra-

che bei der Erlangung, Aufrechterhaltung oder Veränderung der Identität der

Lernenden eine wichtige Rolle und ist sie unmittelbar kommunikativ relevant,

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2 Begriffsbestimmungen 8

dann bezeichnet man sie als ,Zweitsprache‘ ansonsten eher als ,Fremdsprache‘“

(Rösler 1994: 8). Für Schüler mit türkischem Migrationshintergrund kann das

Deutsche gemäß den angeführten Definitionen als Zweitsprache betrachtet

werden. Die Sprache wird innerhalb der Zielkultur Deutschland angeeignet und

ist sowohl für die soziale Integration und Identität als auch für Schule und Be-

ruf äußerst bedeutsam (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 16).

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3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem 9

3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem

In der Einleitung wurde bereits aufgezeigt, dass Kinder mit Migrationshinter-

grund hinsichtlich der Bildungserfolge benachteiligt sind. Im Folgenden wird

die Situation türkischstämmiger Schüler im deutschen Bildungssystem knapp

erläutert, wobei den an die Kinder gestellten Anforderungen der Schule eine

besondere Bedeutung zukommt.

3.1 Bildungsbenachteiligung

Im Jahr 2014 werden insgesamt 31,3 % Schüler mit Migrationshintergrund an

allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland gezählt. 6,9 %,

also etwas mehr als ein Fünftel der Kinder mit Migrationshintergrund, stam-

men aus der Türkei. 47,8 % der Hauptschulbesucher weisen einen Migrations-

hintergrund auf, wobei fast ein Drittel der Schüler türkischer Herkunft ist. Die

Anzahl der Gymnasialschüler ohne Migrationshintergrund beträgt 73,6 %, die

Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund hingegen nur 26,4 %, davon etwa

ein Sechstel mit türkischen Wurzeln (vgl. Statistisches Bundesamt 2016: 87).

Die Tatsache, dass Schüler mit Migrationshintergrund an Hauptschulen über-

repräsentiert sind und ein enormer Anteil keinen Bildungsabschluss erzielt

(vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 17), erscheint besorgniserregend. Diese Be-

nachteiligung liegt einerseits darin begründet, dass Bildungserfolge in Deutsch-

land eng an die soziale Herkunft der Familien gekoppelt sind und eine große

Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund den unteren Sozialschichten

zugehört (vgl. ebd.: 17). Andererseits tragen unzureichende Deutschkenntnisse

zur Bildungsbenachteiligung bei (vgl. ebd.: 17). Da an deutschen Schulen für

gewöhnlich das Deutsche als Unterrichtssprache gebraucht wird, liegt es auf

der Hand, dass die Beherrschung der deutschen Sprache der Schlüssel für den

Schulerfolg und schließlich auch für die berufliche Zukunft der Kinder ist (vgl.

ebd.: 16f.).

3.2 Anforderungen der Schule

Speck-Hamdan (2005: 100) sieht insbesondere die „geringe Anschlussfähigkeit

der Bildungserfahrungen an den sogenannten Nahtstellen des Bildungssys-

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3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem 10

tems“3 als Grund für den mangelnden Bildungserfolg von Kindern mit Migra-

tionshintergrund. „Die Schule stellt Anforderungen, die von einem fiktiven

Durchschnittskind mit deutscher Erstsprache erwartet werden“ (Speck-Hamdan

2005: 100). Dass Kinder mit Migrationshintergrund diese Anforderungen mög-

licherweise nicht erfüllen können, bleibt unberücksichtigt (vgl. ebd.: 100)

3.2.1 Anforderung Schriftspracherwerb

Eine dieser Anforderungen ist der Schriftspracherwerb (vgl. ebd.: 108). Er setzt

ein hohes Maß an phonologischer Bewusstheit voraus, welches bei vielen Kin-

dern mit Migrationshintergrund für die Zweitsprache Deutsch nicht hinrei-

chend entwickelt ist (vgl. ebd.: 102). Eine zweite wichtige Voraussetzung für

einen erfolgreichen Schriftspracherwerb sind sogenannte Literacy-

Erfahrungen. Ulich (2005: o.S.) definiert den englischen Begriff Literacy wie

folgt:

Wörtlich übersetzt heißt „Literacy“ Lese- und Schreibkompetenz, doch der Be-

griff bezieht sich auf weit mehr als die Grundfertigkeit des Lesens und Schrei-

bens. Er umfasst Kompetenzen wie Text- und Sinnverständnis, sprachliche Ab-

straktionsfähigkeit, Lesefreude, Vertrautheit mit Büchern, die Fähigkeit, sich

schriftlich auszudrücken, Vertrautheit mit Schriftsprache oder mit „literari-

scher“ Sprache oder sogar Medienkompetenz. (Ulich 2005: o.S.)

Erste Literacy-Erfahrungen beziehen sich auf das gemeinsame Betrachten oder

Lesen von Bilder- und Kinderbüchern sowie auf den Umgang mit Gedichten,

Reimen und Liedern (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 129). In der Fachlitera-

tur herrscht Einigkeit darüber, dass Literacy-Erfahrungen lange vor dem Ein-

tritt in die Grundschule erworben werden. Allerdings ist davon auszugehen,

dass die meisten Kinder mit Migrationshintergrund ohne entsprechende Erfah-

rungen die Schule betreten (vgl. Speck-Hamdan 2005: 104).

Dies gilt in besonderem Maße für türkischstämmige Kinder. In türkischen Kul-

turen steht Oralität gegenüber Literalität deutlich im Vordergrund (vgl.

Kuyumcu & Senyildiz 2011: 111). Vereinbarungen werden beispielsweise

nicht schriftlich festgehalten, häufig reichen mündliche Verträge und Abma-

chungen aus (vgl. ebd.: 111). Türkischstämmige Kinder werden innerhalb ihrer

3 Mit den Nahtstellen des Bildungssystems sind der Übergang vom Elementar- zum Primarbe-

reich (vgl. Speck-Hamdan 2005: 100) sowie der Übergang vom Primar- zum Sekundarbereich

(vgl. Rösch 2005: 110) gemeint.

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3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem 11

Familie kaum mit schriftsprachlichen Strukturen konfrontiert. Während das

Lesen und Schreiben eine geringe Rolle spielt, steht mehr das mündliche Er-

zählen im Zentrum des gemeinsamen Familienlebens (vgl. Kuyumcu: 2012:

41). Märchen und Geschichten werden eher erzählt als vorgelesen (vgl.

Kuyumcu & Senyildiz 2011: 119). Die Kinder besitzen keine eigenen Bücher,

Schrift scheint vielmehr negativ vorbelastet, da Eltern mit dem bürokratischen

Papierkrieg in Deutschland zu kämpfen haben (vgl. Kuyumcu 2012: 41). Die

Ergebnisse einer Befragung zur Erzähl- und Lesehäufigkeit türkischstämmiger

Familien 2- bis 8-jähriger Kinder spiegeln dies wider: 55 % der Eltern lesen

ihren Kindern mindestens einmal in der Woche vor, 13 % seltener als einmal

und mehr als ein Drittel lesen ihren Kindern nie vor (vgl. DJI 2013: 75).

Die Unterstützung der phonologischen Bewusstheit sowie die Entwicklung

literaler Kompetenzen stellen dementsprechend vor allem für Kinder mit türki-

schem Migrationshintergrund wichtige Förderelemente dar.

3.2.2 Anforderung Unterrichtssprache

Eine zweite Anforderung, welche die Schule gleichermaßen an alle Kinder

stellt, steht im Zusammenhang mit der Unterrichtssprache Deutsch (vgl. Speck-

Hamdan 2005: 105). Zwar ist die Unterrichtssprache medial-mündlich4 (vgl.

ebd.: 108), jedoch zeichnet sie sich durch einen konzeptionell-schriftlichen4

Sprachgebrauch aus (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 19). Im Gegensatz zur

Alltagssprache weist sie ein höheres Maß an Abstraktion, Informationsdichte

und Formalität auf, verfügt über komplexere Strukturen und ist kontextunge-

bunden (vgl. ebd.: 19f.; Speck-Hamdan 2005: 105). In diesem Kontext ist die

von Cummins (1984: 136f.) getroffene Unterscheidung zwischen BICS und

CALP anzuführen (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 19f.). Während sich BICS

(Basic Interpersonal Communicative Skills) auf die grundlegende zur alltägli-

chen Kommunikation notwendige Sprachkompetenz bezieht, meint CALP

4 Koch & Oesterreicher (1994: 587) unterscheiden zwischen den Dimensionen Medium und

Konzeption. Die Kategorie Medium meint die sprachliche Realisierung einer Äußerung, wel-

che entweder medial-schriftlich (graphisch) oder medial-mündlich (phonisch) ist. Bei der Kon-

zeption geht es um die Modalität einer Äußerung. Weist die Ausdrucksweise eher Merkmale

der geschriebenen Sprache auf, ist sie konzeptionell-schriftlich. Ähnelt sie hingegen der ge-

sprochenen Sprache ist sie konzeptionell-mündlich (vgl. ebd.: 587). Ein Chatgespräch ist bei-

spielsweise medial-schriftlich und konzeptionell-mündlich, ein Nachrichtenbeitrag im Radio

hingegen medial-mündlich und konzeptionell-schriftlich.

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3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem 12

(Cognitive Academic Language Proficiency) kognitiv-akademische Sprachfä-

higkeiten, welche vor allem in anspruchsvollen sowie schriftlichen Kommuni-

kationskontexten angewandt werden (vgl. Cummins 1984: 136f.).

Die Unterrichtssprache erfordert demnach eine gute Sprachbeherrschung, die

über die Alltagssprache hinausgeht. Im Idealfall baut sie auf bereits entwickel-

ten mündlichen und schriftlichen Sprachkompetenzen auf (vgl. Speck-Hamdan

2005: 105). Wie bereits im Bezug auf den Schriftspracherwerb dargelegt, spielt

Literalität in Familien mit türkischem Migrationshintergrund jedoch eine un-

tergeordnete Rolle (⊳Kap. 3.2.1). Laut Cummins (2000: 58) erfordert der Er-

werb alltagssprachlicher Fähigkeiten (BICS) im Durchschnitt lediglich zwei

Jahre, wohingegen die Aneignung komplexer sprachlicher Kompetenzen

(CALP) einer Lerndauer von fünf bis sieben Jahren bedarf (vgl. ebd.: 58). Die

Sprachkompetenz von Schulanfängern wird meist überschätzt, da „ein ver-

meintlich flüssiger Gebrauch der Alltagssprache über Schwierigkeiten in der

verfeinerten Sprachwahrnehmung und -verwendung […] hinweg[täuscht]“

(Nauwerck 2013: 239). Die Komplexität der Unterrichtssprache nimmt im Lau-

fe der Schulzeit immer weiter zu, während Kinder mit Migrationshintergrund

an den wachsenden Anforderungen des konzeptionell-schriftlichen Sprachge-

brauchs zu scheitern drohen (vgl. Speck-Hamdan 2005: 106). Die Notwendig-

keit einer frühzeitigen Förderung literaler Kompetenzen (vgl. ebd.: 108) wird

an dieser Stelle erneut deutlich.

3.3 Sprachgebrauch

Viele Einwanderer aus der Türkei leben bereits in der dritten Generation in

Deutschland. Dies mag zunächst vermuten lassen, dass in diesen Familien das

Deutsche dem Türkischen gegenüber eine vorrangige Stellung einnimmt oder

die Kinder bereits vor dem Kindergarten- oder Schuleintritt ausreichend

deutschsprachigen Input erhalten. Allerdings spielt auch in der dritten Genera-

tion das Türkische, insbesondere in städtischen Regionen, noch immer eine

bedeutende Rolle. Die fortwährende Zuwanderung von türkischen Migranten

und die Präsenz türkischsprachiger Medien wie Zeitungen oder Fernsehkanäle

bedingen einen Erhalt des Türkischen (vgl. Auer & Dirim 2004: 23-25). In

ungefähr einem Drittel der Familien mit Migrationshintergrund gebraucht die

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3 Türkischstämmige Schüler im deutschen Bildungssystem 13

Mutter ausschließlich ihre Herkunftssprache (vgl. BMFSFJ 2016: 38). Bei Fa-

milien mit türkischem Migrationshintergrund ist diese Tendenz besonders aus-

geprägt: Die Hälfte der türkischstämmigen Familien spricht ausschließlich

Türkisch (vgl. ebd.: 38). Daraus lässt sich schließen, dass die Mehrheit der

Kinder mit türkischem Migrationshintergrund frühestens mit dem Eintritt in

den Kindergarten intensiv mit der deutschen Sprache in Kontakt kommt.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich zeigen, dass die fortwährende Präsenz

des Türkischen hinsichtlich der deutschsprachlichen Entwicklung der Kinder

allerdings nicht zwingend negativ auszulegen ist.

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 14

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit

Unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit ergibt sich eine Reihe von Be-

sonderheiten für den kindlichen Spracherwerb. Neben typischen Erwerbskons-

tellationen und Einflussfaktoren bei Zweisprachigkeit widmet sich das Kapitel

den Besonderheiten des Sprachgebrauchs und führt unterschiedliche Hypothe-

sen der Zweitsprachenerwerbsforschung an. Eine anschließende Beschäftigung

mit Erkenntnissen der Hirnforschung liefert Antworten bezüglich der zerebra-

len Organisation mehrerer Sprachen. Das Kapitel schließt mit Ausführungen

zum monolingualen Erwerb des Türkischen sowie zur Aneignung des Deut-

schen als Zweitsprache.

4.1 Erwerbsformen

Je nachdem zu welchem Zeitpunkt eine Person mit dem Erwerb einer zweiten

Sprache beginnt, unterscheidet man zwischen simultanem Erwerb, erwachse-

nem Zweitspracherwerb und sukzessivem Erwerb.

4.1.1 Simultaner Erwerb

Von simultaner Mehrsprachigkeit oder bilingualem Erstspracherwerb spricht

man, wenn ein Kind von frühester Kindheit an, das heißt ab dem Zeitpunkt

seiner Geburt oder kurz danach, parallel und kontinuierlich mit mehr als einer

oder gegebenenfalls zwei Sprachen aufwächst (vgl. Kniffka & Siebert-Ott

2012: 30; Scharff-Rethfeldt 2013: 111).

Jedoch ist nicht eindeutig definiert, bis zu welchem Lebensalter das Kriterium

der Simultanität als erfüllt gilt und man nicht mehr von zwei Erstsprachen

spricht, sondern zwischen Erst- und Zweitsprache differenziert. In der Literatur

wird oft das Alter von drei Jahren als Grenze zum sukzessiven Zweitspracher-

werb festgelegt (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 30).

Häufig ist eine Erwerbskonstellation vorzufinden, in der ein Elternteil die je-

weils eigene Erstsprache mit dem Kind spricht (vgl. Scharff Rethfeldt 2013:

112). Eine solche Konstellation ist als Idealfall anzusehen (vgl. Chilla,

Rothweiler & Babur 2013: 23). Man spricht auch von der One Person-One

Language-Strategie (vgl. Niebuhr-Siebert & Baake 2014: 24). Die Ergebnisse

einer Reihe von Untersuchungen zum simultanen Erwerb zweier Sprachen ha-

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 15

ben gezeigt, dass der Erwerb beider Sprachen mit dem Erstspracherwerb in den

jeweiligen Sprachen vergleichbar ist (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013:

23). Aus diesem Grund spricht man auch vom bilingualen Erstspracherwerb

(vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 30).

4.1.2 Erwachsener Zweitspracherwerb

Vom Zweitspracherwerb Erwachsener spricht man ab einem Alter von zehn

Jahren oder ab Beginn der Pubertät (vgl. ebd.: 37; Scharff-Rethfeldt 2013:

112). Das zu erreichende Kompetenzniveau kann beim erwachsenen Zweit-

spracherwerb stark variieren: Es ist durchaus möglich ein Sprachniveau zu er-

reichen, welches dem einer Erstsprache gleicht. (vgl. Chilla, Rothweiler & Ba-

bur 2013: 30). Meist bewegen sich die Fähigkeiten in der Zweitsprache jedoch

unter einem solchen Niveau und stagnieren zwischen Anfänger- und Erst-

sprachkompetenzen. Eine solche Stagnation, in welcher der Erwerbsprozess

zum Stehen kommt, bezeichnet man als Fossilierung (vgl. ebd.: 30). Die An-

eignung einer zweiten Sprache kann auch im älteren Jugend- oder Erwachse-

nenalter erfolgreich verlaufen, erfordert mit wachsendem Alter jedoch ver-

mehrt Anstrengung und ist stärker von individuellen Faktoren abhängig (vgl.

Meisel 2007: 110).

4.1.3 Sukzessiver Erwerb

Vom simultanen Erwerb und erwachsenen Zweitspracherwerb ist der sukzessi-

ve Erwerb abzugrenzen. Sukzessiv oder sequenziell mehrsprachige Kinder

erlernen zunächst nur eine Sprache und erwerben erst im Verlauf ihrer Kind-

heit eine zweite Sprache (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 112). Wenn der Zweit-

spracherwerb beginnt, ist der Erwerb der Erstsprache meist noch nicht voll-

ständig beendet. Jedoch wurden grundlegende Strukturen bereits erlernt (vgl.

Holler-Zittlau 2007: 40). Wie bereits erwähnt, ist der Zeitpunkt, zu welchem

der sukzessive Erwerb von einer simultanen Erwerbskonstellation abgegrenzt

werden kann, umstritten. Chilla, Rothweiler und Babur (2013: 37) sprechen ab

einem Alter von zwei Jahren von einem sukzessiven Erwerb, wohingegen Hol-

ler-Zittlau (2007: 40) die Grenze erst nach Abschluss des dritten Lebensjahres

zieht. Einig ist man sich darüber, dass die Sprachaneignungsprozesse in Ab-

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 16

hängigkeit zahlreicher Einflussfaktoren stehen. Diese werden im nachstehen-

den ⊳Kap. 4.2 näher beleuchtet. Exemplarisch genannt seien dennoch der Be-

ginn des Kontakts zur Zweitsprache, Qualität und Intensität des sprachlichen

Inputs, Persönlichkeitsmerkmale des Kindes und affektive Faktoren (vgl. Hol-

ler-Zittlau 2007: 40; Scharff Rethfeldt 2013: 112). Aufgrund mangelnder For-

schung ist es nicht abgesichert, ob der sukzessive Erwerb mehr Ähnlichkeiten

mit dem simultanen Erwerb oder mit dem Zweitspracherwerb älterer Jugendli-

cher oder Erwachsener aufweist (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 38). Aller-

dings geht man davon aus, dass der sukzessive Zweitspracherwerb dem er-

wachsenen Zweitspracherwerb umso ähnlicher wird, desto später der Erwerb

der zweiten Sprache einsetzt (vgl. Niebuhr-Siebert & Baake 2014 26).

Kinder mit Migrationshintergrund erwerben eine zweite Sprache meist sukzes-

siv (vgl. Eckhardt 2008: 300). Bei Kindern mit türkischem Migrationshinter-

grund repräsentiert die Erstsprache Türkisch eine Minderheitensprache. Die in

der Gesellschaft und in den Bildungsinstitutionen gesprochene Sprache, das

Deutsche, stellt die Mehrheitssprache dar und wird von den Kindern als Zweit-

sprache erlernt (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 113). Häufig wird in der Familie

die Herkunftssprache Türkisch gesprochen (⊳Kap. 3.3), sodass die Kinder erst

mit dem Kindergarten- oder Schuleintritt Deutsch als Zweitsprache erlernen. In

einem solchen Erwerbskontext ist von einem geringeren sprachlichen Input in

der Erstsprache auszugehen, da sich im Vergleich zur Zweitsprache weniger

Kommunikationsmöglichkeiten ergeben (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 113).

Zudem besteht die Gefahr, dass eine fehlende Anerkennung der Minderheiten-

sprache innerhalb der Mehrheitsgesellschaft den sukzessiven Spracherwerb

hemmt. Meist werden die Kinder gemeinsam mit deutschsprachig monolingua-

len Kindern, also nach dem Submersionsprinzip5 beschult. Während die Erst-

sprache der Kinder in einer solchen Unterrichtsausrichtung keine Rolle spielt,

sind die sprachlichen Kompetenzen in der Zweitsprache Deutsch noch nicht

ausreichend entwickelt (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 113f.). Monolingual

deutschsprachige Kinder und sukzessiv mehrsprachige Schüler betreten den

5 Das Gegenstück zur Submersion ist die Immersion im Sinne eines Sprachbads. Sie beschreibt

das Modell des Fremdsprachenunterrichts: Kinder werden innerhalb ihres Herkunftslands in

einer anderen Sprache unterrichtet, wobei die Erstsprache der Kinder jedoch, anders als bei der

Submersion, außerhalb der Schule ausreichend präsent ist, sodass nicht die Gefahr einer Ab-

wertung besteht (vgl. Belke 2012: 25).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 17

Raum Schule folglich mit unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen, wer-

den aber dennoch allesamt mit der Anforderung Deutsch als Unterrichtssprache

konfrontiert (vgl. Dirim & Mecheril 2010: 131-133). Dirim & Mecheril (2010:

133) sprechen in diesem Kontext von „Diskriminierung durch Gleichbehand-

lung“.

Ebenso ist denkbar, dass beide von den Eltern beherrschten Sprachen, sowohl

das Türkische als auch das Deutsche, als Familiensprache verwendet werden

oder dass das Türkische eine untergeordnete Rolle spielt und nur in der Zweit-

sprache Deutsch gesprochen wird. In einer solchen Erwerbskonstellation sind

meist beide Elternteile in Deutschland groß geworden und zur Schule gegangen

(vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 75).

4.2 Erwerbsfaktoren zweisprachig aufwachsender Kinder

Der Verlauf des Zweitspracherwerbs steht in Abhängigkeit einer Vielzahl von

Einflussfaktoren. Vorab ist zu erwähnen, dass die auf den Zweitspracherwerb

einflussnehmenden Variablen bislang nicht ausreichend erforscht sind. Dies

hängt erstens damit zusammen, dass die Überzahl der Einflussfaktoren nicht

beobachtbar ist. Entsprechende Variablen können folglich meist nur mit Hilfe

aufwendiger und komplexer Forschungskonzepte untersucht werden. Zweitens

sind durchgeführte Designs teilweise schwer miteinander zu vergleichen, da

sich ihre Rahmen- und Untersuchungsbedingungen zu sehr voneinander unter-

scheiden (vgl. Kniffka, Siebert-Ott 2012: 59).

Dennoch lassen sich im Folgenden einige Erkenntnisse anführen, welche den

Erwerb einer zweiten Sprache beeinflussen. Diese stehen in gegenseitiger

Wechselwirkung und sind keineswegs als voneinander unabhängige Größen zu

betrachten (vgl. ebd.: 67).

4.2.1 Kritische Phase

Dass Kinder gegenüber älteren Lernenden effizienter und schneller lernen so-

wie höhere Kompetenzniveaus erreichen können, ist eine weit verbreitete Mei-

nung (vgl. ebd.: 66). Diese Vorstellung steht im Zusammenhang mit der An-

nahme einer kritischen Periode, welche besagt, dass der Erwerb bestimmter

Kompetenzen in gewissen Zeitfenstern, den sogenannten sensiblen Phasen,

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 18

leichter fällt. Für den Spracherwerb wurde diese Hypothese ursprünglich be-

züglich des Erstspracherwerbs formuliert. Sie geht davon aus, dass ein Indivi-

duum Sprache nur innerhalb eines festgelegten Zeitfensters zwischen früher

Kindheit und Pubertät erwerben kann, da Plastizität und Flexibilität des Ge-

hirns im Laufe neuronaler Reifungsprozesse abnehmen. (vgl. Scharff Rethfeldt

2013: 118).

Die Geltung einer solchen Annahme würde schließlich bedeuten, dass ein er-

folgreicher Zweitspracherwerb ab einem bestimmten Alter nicht mehr möglich

ist (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 67). Zwar ist die Annahme einer kriti-

schen Phase höchst umstritten, jedoch gilt es als empirisch abgeklärt, dass hin-

sichtlich der Aussprache tatsächlich junge Lernende öfter erstsprachliche

Kompetenzen erwerben (vgl. ebd.: 67). Fest steht außerdem, dass beim frühen

sukzessiven Erwerb, bei dem der Erstkontakt mit der Zweitsprache zwischen

drei und vier Jahren liegt, bezüglich der Syntax ähnliche Erwerbsverläufe zu

beobachten sind, wie bei monolingual aufwachsenden Kindern (vgl. Gogolin

2009: 82). Einige, allerdings nicht hinreichend valide, Studien attestieren jün-

geren Zweitsprachlernenden außerdem Vorteile in morphosyntaktischen Sub-

kategorien, wobei ein Vorzug im Bereich der Lexik bislang nicht belegt wurde

(vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 67). Als einschneidender Zeitpunkt, in wel-

chem sich die Erwerbsfähigkeit verändert, wird in der Forschung die Alters-

spanne zwischen vier und sieben Jahren diskutiert (vgl. Chilla, Rothweiler &

Babur 2013: 50).

Laut Gogolin (2009: 81) steht die kritische Periode allerdings weniger im Zu-

sammenhang mit der Aneignungsfähigkeit als mit den Erwerbsstrategien: Im

Vorschulalter bedienen sich Sprachlernende vorwiegend impliziter, intuitiver

Erwerbsstrategien, wodurch der Spracherwerb der Erstsprachaneignung ähnelt.

Mit wachsendem Alter gewinnen explizite und bewusst eingesetzte Strategien

an Bedeutung (vgl. ebd.: 81f.).

Vor dem Hintergrund, dass jüngeren Zweitsprachenlernenden auf beinahe allen

sprachlichen Ebenen Erwerbsvorteile nachgewiesen werden konnten, sollte die

Förderung zweisprachiger Kinder mit türkischer Erstsprache möglichst früh

und innerhalb der sensiblen Phase ansetzen. Dass die Kinder ein Sprachniveau

erreichen, welches dem einsprachig aufwachsender Kinder gleicht, ist bei einer

frühzeitigen Unterstützung nicht unwahrscheinlich (vgl. Gogolin 2009: 82).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 19

4.2.2 Affektive Einflussfaktoren

Ob Persönlichkeitsfaktoren einen Einfluss auf den Zweitspracherwerb ausüben,

ist aufgrund ihrer schweren Erfassbarkeit empirisch nicht explizit erwiesen.

Jedoch liegt es nahe, dass ein extrovertierteres Kind kommunikationsfreudiger

ist und infolgedessen vermehrt Sprachkontakt zu Sprechern der Zielsprache

besteht, als bei einem introvertierten Lernenden (vgl. Kniffka, Siebert-Ott

2012: 63; Adler 2011: 115).

Ferner können Sprechängste den Erwerb der Zweitsprache behindern. Aller-

dings ist in Bezug auf Ängstlichkeit von einer inkonstanten Größe auszugehen,

die eher in formellen als in alltäglichen informellen Kommunikationskontexten

auftritt (vgl. Kniffka, Siebert-Ott 2012: 64). Um Sprechängste zu vermeiden,

sollte man Kinder möglichst nicht unter Druck setzen und ihnen Zeit lassen,

sich mit der neuen Sprache, dem Deutschen, auseinanderzusetzen (vgl. Jeuk

2010: 130).

Weiterhin wirken affektive Faktoren, wie Einstellungen zur Zielsprache und

Zielkultur (⊳Kap. 4.2.2) sowie die Sprachlernmotivation des Kindes, auf den

Zweitspracherwerb (vgl. Kniffka, Siebert-Ott 2012: 64; Scharff Rethfeldt 2013:

122). Vor allem hinsichtlich der Förderung ist die Sprachlernmotivation unbe-

dingt aus der Perspektive des Kindes zu betrachten. Für Erwachsene mag die

primäre Funktion des Deutscherwerbs in der Verbesserung der Bildungs- und

Berufschancen bestehen. Für ein Kind ist Sprache dann nützlich, wenn sie dem

Erreichen gegenwärtiger Handlungsziele dient (vgl. Ruberg & Rothweiler

2012: 44). „Die Möglichkeiten, eigene Wünsche mitzuteilen und die Verwirk-

lichung persönlicher Ziele mit sprachlichen Mitteln voranzutreiben, nimmt in

dem Maße zu, in dem ein Kind seine sprachlichen Fähigkeiten erweitert“ (vgl.

ebd.: 45). Es scheint plausibel, dass Kinder mit Türkisch als Erstsprache in

deutschen Kindertagesstätten in besonderem Maße motiviert sind, Deutsch zu

sprechen, um mit ihren Altersgenossen in Interaktion zu treten. Jedoch sind

ebenso Konstellationen denkbar, in denen die Kinder nicht zwingend Deutsch

sprechen, da sie beispielsweise Teil einer Gruppe mit einem hohen Anteil

mehrsprachiger Kinde ihrer Erstsprache sind (vgl. ebd.: 45). Bei Kindern mit

Türkisch als Erstsprache ist dies nicht unwahrscheinlich, da die türkischstäm-

mige Bevölkerung den größten Anteil der Migrationsbevölkerung ausmacht

(vgl. Statistisches Bundesamt 2017: 8).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 20

4.2.3 Soziokulturelle und sozioökonomische Einflüsse

Soziokulturelle und sozioökonomische Aspekte repräsentieren hinsichtlich des

Zweitspracherwerbs ebenfalls wichtige Einflussgrößen. Bedeutsam ist insbe-

sondere das Sprachprestige, welches die Einstellung und Haltung von Migran-

ten gegenüber ihrer eigenen Sprache und ihrer Sprachgemeinschaft entschei-

dend beeinflusst. Ein niedriges Sprachprestige der eigenen Sprache bedingt

eine ablehnende Haltung gegenüber der Erstsprache und kann zur Verweige-

rung von Mehrsprachigkeit führen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 123).

Insbesondere Migrantensprachen, darunter auch das Türkische, sind von einem

niedrigen Sprachprestige betroffen, während das Englische als Zweit- oder

Drittsprache eine höhere Wertschätzung erfährt (vgl. ebd.: 123).

Ein erfolgreicher Zweitspracherwerb verlangt Unterstützung durch das soziale

und gesellschaftliche Umfeld des Kindes. Dabei sind Aufgeschlossenheit ge-

genüber Fremdem, Anerkennung und die Vermittlung des Gefühls der Gleich-

wertigkeit nicht zu unterschätzende Faktoren (vgl. Adler 2011: 114f.). Für eine

Förderung bedeutet dies, dass Fachkräfte sowohl das Deutsche als auch das

Türkische berücksichtigen sollten, um der Erstsprache des Kindes Wertschät-

zung entgegenzubringen (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 122).

Darüber hinaus wirken der Bildungshintergrund und der sozioökonomische

Status der Eltern auf den Spracherfolg der Lernenden. In bildungsfernen Fami-

lien mit niedrigem sozioökonomischem Status ist das Anregungsreichtum, dies

meint Qualität und Quantität des sprachlichen Inputs, meist geringer. Es wird

weniger vorgelesen, dafür herrscht ein erhöhter Medienkonsum (vgl. Scharff

Rethfeldt 2013: 124). Beinahe die Hälfte der Eltern 0- bis 14-jähriger Kinder

türkischer Herkunft hat einen niedrigen Bildungsstatus. 46 % der Eltern haben

einen mittleren Bildungsstatus und nur 8 % verfügen über ein hohes Bildungs-

niveau (vgl. DJI 2013: 61). 20 % der Familien mit türkischem Migrationshin-

tergrund beziehen Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe (vgl. BMFSFJ 2016: 31),

36 % sind armutsgefährdet6 (vgl. ebd.: 28). Für viele Kinder mit türkischem

Migrationshintergrund besteht folglich die Gefahr eines anregungsarmen Um-

felds, das einen unzureichenden sprachlichen Input bedingt.

6 Als armutsgefährdet gelten Familien, deren „(äquivalenzgewichtetes) monatliches Nettoein-

kommen weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens aller Haushalte beträgt“ (BMFSFJ

2016: 27).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 21

Wichtig im Kontext der häuslichen Sprachanregung ist zudem das Sprachver-

halten der Eltern oder Bezugspersonen. Meist wird innerhalb der Familie die

Erstsprache der Kinder gesprochen. Jedoch kann es vorkommen, dass die El-

tern eine Sprache gebrauchen, die sie nicht ausreichend gut sprechen, bei-

spielsweise die Sprache der Mehrheitsgesellschaft, in der sie leben. Unter Um-

ständen führt eine solche Konstellation zu Erwerbsproblemen der durch das

gesellschaftliche Umfeld und in der Schule genutzten Zweitsprache. Ein feh-

lerhaftes, weniger kompetentes Sprachvorbild birgt die Gefahr einer mangel-

haften Sprachbeherrschung seitens des Lernenden und ist möglichst zu vermei-

den (vgl. Adler 2011: 116; Scharff Rethfeldt 2013: 124).

Weiterhin führt ein Zurückdrängen der Erstsprache im familiären Kontext zu

einem Verlust der sozioemotionalen Bindung, die für die Herausbildung von

Sozialkompetenz, Identität und Gefühlswelt essentiell ist (vgl. Scharff

Rethfeldt 2013: 124). Türkischstämmige Eltern, welche das Deutsche nicht

ausreichend beherrschen, sollten aus diesem Grund das Türkische dem Deut-

schen als Familiensprache vorziehen. Vor dem Hintergrund familiärer Förder-

tätigkeiten sollten pädagogische Fachkräfte den Eltern raten, diese möglichst in

der Sprache zu vollführen, die sie selbst am besten beherrschen.

4.3 Neuronale und kognitive Aspekte von Mehrsprachigkeit

Betrachtet man Bilingualismus aus einer neurowissenschaftlichen Perspektive,

stellt sich vor allem die Frage nach der mentalen und neuronalen Organisation

der einzelnen Sprachen (vgl. ebd.: 55). Auf einen kurzen Einblick in die neuro-

nale Repräsentation mehrerer Sprachen folgt die Darstellung des mentalen Le-

xikons bei bilingualen Personen.

4.3.1 Neuronale Repräsentation mehrerer Sprachen

In der Forschung beschäftigt man sich vor allem mit der Frage, ob die Spra-

chen einer bilingualen Person in den gleichen oder in getrennten Hirnregionen

organisiert sind (vgl. Wartenburger 2010: 184). Mit Hilfe bildgebender und

elektrophysiologischer Verfahren konnten in den vergangenen Jahren Erkennt-

nisse über die zerebrale Organisation mehrerer Sprachen gewonnen werden

(vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 55-59).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 22

Untersuchungen aus der Hirnforschung legen nahe, dass die einzelnen Spra-

chen bei Personen mit frühem Erwerbsalter in anderer Weise repräsentiert sind

als bei Spätmehrsprachigen: Bei Frühmehrsprachigen zeigen sich im Broca-

Areal verstärkt Überlappungen der einzelnen Sprachen, bei Probanden mit spä-

terem Erwerbsbeginn hingegen sind weniger homogene Aktivierungen zu be-

obachten. Die frühe Exposition zweier Sprachen führt scheinbar zur Bildung

eines Sprachverarbeitungssystems, welches eine zweite Sprache noch integrie-

ren kann (vgl. Bloch u.a. 2009: 631).

Auch konnte nachgewiesen werden, dass bilinguale Personen, je nach Er-

werbsalter, unterschiedliche Hirnregionen aktivieren. Mehrsprachige mit frü-

hem Erwerbsbeginn nutzen vor allem Bereiche des präfrontalen Kortex und das

Striatum, welche für Kontrollprozesse zuständig sind. Spätmehrsprachige ge-

brauchen hingegen vermehrt posteriore Regionen (vgl. Festman 2012: 211).

Ein weiterer Unterschied zeigt sich bezüglich der Kodierung grammatischen

Wissens. Bei der Verarbeitung syntaktischer Sprachinformationen ist bei spä-

ten Zweitsprachenlernenden trotz ähnlichen Kompetenzniveaus eine stärkere

Aktivierung des linken Frontallappen nachweisbar als bei frühen Zweitspra-

chenlernenden. Dies indiziert, dass syntaktische Verarbeitungsprozesse bei

Personen mit späterem Erwerbsalter einen größeren Aufwand erfordern. Im

Gegensatz dazu scheint die Verarbeitung semantischer Informationen gegen-

über dem Faktor Erwerbsalter relativ stabil (vgl. Wartenburger 2010: 184).

Eine mögliche Erklärung liefert das deklarativ-prozedurale Modell von Ull-

mann (2001: 718). Es basiert auf der Annahme, dass Sprache durch unter-

schiedliche Gedächtnissysteme, nämlich durch das deklarative und prozedurale

System, angeeignet wird. Das deklarative System befindet sich vor allem in

den vorderen Hirnarealen, wohingegen das prozedurale System im mittleren

Bereich des Temporallappens sowie im Hippocampus angesiedelt ist (vgl. ebd.:

718). Das deklarative System hält explizites Wissen in Form von Sachinforma-

tionen und Fakten bereit. Demgegenüber schließt das prozedurale System im-

plizites Wissen, zum Beispiel Kenntnisse über Handlungsabläufe oder Lern-

strategien, ein (vgl. ebd.: 718). Ullmann (2001: 718) nimmt an, dass semanti-

sche Informationen über das deklarative System angeeignet und verarbeitet

werden. Während syntaktisches Wissen bei frühen Zweitsprachenlernenden

überwiegend prozedural-implizit verarbeitet wird, wird bei späten Zweitspra-

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 23

chenlernern verstärkt das deklarative System beansprucht, da es an implizitem

Regelwissen fehlt (vgl. Wartenburger 2010: 184f.). Dies spricht für die umstrit-

tene Existenz einer sensiblen Phase (⊳Kap. 4.2.1) und legt nahe, dass sich vor

allem bei der Vermittlung syntaktischer Strukturen eine möglichst frühe Förde-

rung lohnt, da die Kinder zu diesem Zeitpunkt auf implizite Strategien zurück-

greifen können und die Verarbeitung syntaktischer Informationen weniger

Aufwand erfordert.

4.3.2 Organisation des mentalen Lexikons

Das mentale Lexikon bezeichnet „einen sprachlichen Wissensbestand im

Langzeitgedächtnis“ (vgl. Dietrich & Gerwin 2017: 26), in welchem lexikali-

sche Einheiten gespeichert sind (vgl. ebd.: 30). Diese Einheiten bestehen aus

den Informationskategorien Lemma, Lexem und Konzept. Das Lemma bezieht

sich auf morphologisch-syntaktische Informationen, das Lexem stellt phonolo-

gisches Wissen bereit und das Konzept stellt einen semantischen Bezug her

(vgl. ebd.: 30). Alle Informationsebenen sind eng miteinander vernetzt und

können in der Regel gleichzeitig abgerufen werden (vgl. Spalek 2010: 55). Nur

in seltenen Fällen gelingt der Zugriff auf das mentale Lexikon nicht vollstän-

dig, sodass es zu Ausfallerscheinungen, wie beispielsweise dem sogenannten

Tip-of-the-tongue-Phänomen7, kommen kann (vgl. ebd.: 55).

In der Kognitionspsychologie geht man überwiegend davon aus, dass alle

Sprachen einer bilingualen Person in einem gemeinsamen semantisch-

konzeptuellen System gründen (vgl. Wartenburger 2010: 179). Die Annahme

eines gemeinsamen konzeptuellen Systems fußt auf der Beobachtung spra-

chenübergreifender semantischer Priming-Effekte. Ob es sich bei dem Zielitem

dog um ein lebendes oder nicht lebendes Objekt handelt, kann beispielsweise

schneller entschieden werden, wenn dem Zielitem der Prime Vogel vorausgeht,

als wenn das Zielitem dem Prime Tasse folgt (vgl. ebd.: 179).

Entsprechend solcher Überlegungen ist das Modell der Common Underlying

Proficiency von Cummins anzuführen (vgl. Apeltauer 2012: 13; Scharff

Rethfeldt 2013: 61f.). Es geht davon aus, dass die Sprachsysteme eines bilin-

7 Tip-of-the-Tongue beschreibt das Phänomen, bei dem jmdn. ein bestimmtes Wort „auf der

Zunge zu liegen“ scheint, er dieses jedoch nicht lautlich realisieren kann (vgl. Spalek 2010:

55).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 24

gualen Sprechers durch ein zentrales Verarbeitungssystem, die Common Und-

erlying Proficiency, miteinander verbunden sind. Erfahrungen der einen Spra-

che können demnach auf eine zweite Sprache übertragen werden (vgl.

Cummins 1984: 142f.). Diese theoretische Annahme veranschaulicht Cummins

(1984: 143) mithilfe der Vorstellung eines Eisbergs:

Abb. 1: The „dual iceberg“ (Cummins 1984: 143)

Oberhalb der Wasseroberfläche ragen zwei Eisbergspitzen hervor. Sie reprä-

sentieren die Erst- und Zweitsprache einer mehrsprachigen Person und sind in

Form von Sprachperformanz8 wahrnehmbar. Der größere Teil des Eisbergs

befindet sich unterhalb des Wasserspiegels und macht deutlich, dass die

scheinbar getrennten Eisberge unter der Oberfläche zu einem großen Eisberg

verschmelzen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 61f.).

Diese und im Ansatz ähnliche Theorien sind wissenschaftlich mehrheitlich

belegt (vgl. Apeltauer 2012: 13). Es ist also davon auszugehen, dass bilinguale

Personen über zwei sprachenspezifische mentale Lexika verfügen. Diese sind

sowohl mit dem zentralen semantisch-konzeptuellen System als auch unterei-

nander vernetzt (vgl. ebd.: 15).

Mit Reaktionsmessungen konnte außerdem belegt werden, dass der Zugang

eines Wortes aus der Erstsprache zum konzeptuellen System schneller

vonstattengeht als bei Wörtern der Zweitsprache (vgl. ebd.: 15). Eine Erklä-

rung liefert das Revised-Hierarchial-Model von Kroll und Stewart (1994:

157f.). Es besagt, dass die Verknüpfung zwischen Erstsprache und konzeptuel-

lem System stärker ist als jene zwischen Zweitsprache und semantisch-

8 „Sprachperformanz [ist] die Fertigkeit zur Umsetzung der Sprachregeln in Sprechen und

Schreiben“ (Assen 2016: 22).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 25

konzeptuellem System. Aus diesem Grund greift die Zweitsprache nicht direkt,

sondern über den Umweg der Erstsprache auf das Wortkonzept zu (vgl. Kroll

& Stewart 1994: 157). Dies liegt darin begründet, dass Wörter der Zweitspra-

che häufig an semantisch ähnliche oder identische Wörter der Erstsprache ge-

knüpft werden (vgl. Apeltauer 2012: 15). Das Phänomen verliert jedoch mit

zunehmender Sprachkompetenz in der Zweitsprache an Wirkungskraft (Kroll

& Stewart 1994: 157f.; Kroll & Sundermann 2003: 114).

Die Existenz eines gemeinsamen semantisch-konzeptuellen Systems für beide

Sprachen entlastet demnach die Wortschatz- und Bedeutungsentwicklung in

der Zweitsprache (vgl. Apeltauer 2012: 23):

[D]as Zuordnen von Wortform und Bedeutung [wird] dadurch erleichtert […], dass Be-

griffe und Bedeutungskomponenten im konzeptuellen System bereits existieren und nun

nur noch herausgefunden werden muss, was zum neuen Wort passt […]. Lerner bezie-

hen ein neues Wort der Zweitsprache auf ihr erstsprachliches Lexikon und suchen nach

Äquivalenten. (vgl. ebd.: 23)

Diese Erkenntnis sollte in einer Förderung genutzt werden, indem neue, in der

Zweitsprache zu erlernende Worte bewusst mit den entsprechenden Bezeich-

nungen der Erstsprache präsentiert werden (vgl. Apeltauer 2007: 20).

4.3.3 Mehrsprachigkeit: Vorteil oder Nachteil?

Mehrsprachigkeit ist unter Laien und teilweise selbst unter Fachleuten wie Ärz-

ten oder Lehrern häufig mit dem Vorurteil verbunden, dass sich die Aneignung

zweier Sprachen beeinträchtigend auf die kognitive und psychosoziale Ent-

wicklung des Lernenden auswirke (vgl. Abdelilah-Bauer 2016: 38). In der

Vergangenheit konnte man allerdings feststellen, dass diese Sorge unbegründet

ist. Unter Voraussetzung günstiger individueller und soziokultureller Bedin-

gungen kann sich Mehrsprachigkeit sogar vorteilhaft auf die psychische und

insbesondere kognitive Entwicklung auswirken (vgl. Adler 2011: 105f.). Kog-

nitive Vorteile wurden in einer Reihe von Untersuchungen belegt.

Beispielsweise konnte Goetz (2003: 11f.) in einer Studie9 zeigen, dass zwei-

sprachig aufwachsende Kinder bezüglich der Theory of Mind10

einen Vorteil

9 Untersucht wurden die Effekte von Zweisprachigkeit auf die Entwicklung der Theory of

Mind. Es wurden 104 Kinder, davon 32 monolingual englischsprachige, 32 monolingual

chinesischsprachige und 40 bilingual englisch-chinesischsprachige Kinder zwischen drei und

vier Jahren getestet (vgl. Goetz 2003: 5).

Page 31: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 26

gegenüber monolingualen Kindern aufweisen. Weiterhin belegten Mechelli u.a.

(2004: 757), dass Mehrsprachigkeit eine Verdichtung der grauen Hirnsubstanz

im unteren linken parietalen Kortex bedingt. Diese Hirnregion ist unter ande-

rem Ausgangspunkt für kognitive Steuerungsprozesse wie die selektive Auf-

merksamkeit (vgl. Riehl 2014: 38). Die Verdichtung der grauen Masse steht in

Abhängigkeit von Sprachkompetenz und Erwerbsalter: Wachsende Kompetenz

sowie ein früher Erwerbsbeginn der Zweitsprache gehen mit einer Zunahme

der grauen Substanz einher (vgl. Mechelli u.a. 2004: 757). Vorteile in der

Aufmerksamkeitskontrolle liegen darin begründet, dass die gemeinsame Akti-

vierung zweier Sprachen zu einer Verbesserung der Kontrollmechanismen

führt. Denn während die eine Sprache genutzt wird, muss die andere unter-

drückt werden (vgl. Bialystok, Craik & Luk 2012: 241; 245).

Mehrsprachigkeit hat außerdem einen positiven Einfluss auf die Entwicklung

der Sprachbewusstheit. Bei monolingualen Kindern entwickeln sich metalingu-

istische Kompetenzen altersgebunden, bei bilingualen Kindern hingegen

schneller und zu einem früheren Zeitpunkt (vgl. Kuyumcu 2007: 79). Durch

Unterschiede in der Wortbildung und im Satzbau sowie durch den situativ un-

terschiedlichen Gebrauch der Sprachen, werden Form und Inhalt der jeweiligen

Sprachen in besonderem Maße ins Bewusstsein der Lernenden gerufen (vgl.

Niebuhr-Siebert & Baake 2014: 130).

Positive Auswirkungen auf die Kognition sind jedoch nur dann möglich, wenn

ein bestimmtes Kompetenzniveau in beiden Sprachen verfügbar ist (vgl.

Scharff Rethfeldt 2013: 52f.). Auf Basis zahlreicher Studien, welche frühe

Mehrsprachigkeit mit kognitiven Vorteilen in Verbindung bringen, formuliert

Cummins (1979: 227-233.) die sogenannte Schwellenniveauhypothese

(Treshold Hypothesis):

The treshold hypothesis assumes that those aspects of bilingualism which might

positively influence a cognitive growth are unlikely to come into effect until the child

has attained a certain minimum or treshold level of competence in a second language.

Similary, if a bilingual child attains only a very slow level of competence in the second

(or first) language, interaction with the environment through that language, both in

terms of input and output, is likely to be impoverished. (Cummins 1979: 229f.)

10

Theory of Mind bezeichnet „die Fähigkeit, Bewusstseinsvorgänge wie Gefühle Bedürfnisse,

Absichten, Erwartungen und Meinungen in anderen Personen anzunehmen und diese in der

eigenen Person zu erkennen“ (vgl. Riehl 2014: 56f.).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 27

Erreicht ein Sprecher in seiner Zweitsprache ein gewisses Kompetenz- oder

Schwellenniveau, kann sich Mehrsprachigkeit also positiv auf die Kognition

auswirken. Wird eine bestimmte Schwelle unterschritten, ist mit negativen

Konsequenzen zu rechnen. In diesem Kontext ist ebenso auf die von Cummins

(1979: 233) eingeführte Developmental Interdependence Hypothesis hinzuwei-

sen. Sie besagt, dass sich die Sprachfähigkeiten einer zweiten Sprache auf

Grundlage der Erstsprachfähigkeiten ausbilden (vgl. ebd.: 233). Die Annahme

eines positiven Einflusses der Erstsprache auf die Zweitsprache hat sich durch-

gesetzt (vgl. Lamparter-Posselt & Jeuk 2014: 153). Beispielsweise weist Jeuk

(2003: 286) bei sukzessiv mehrsprachigen Kindern einen Einfluss der Erstspra-

che auf die Verwendung semantischer Strategien im Zweitspracherwerb nach.

Rückgriffe auf die Erstsprache hält Apeltauer (2007: 9) insbesondere hinsicht-

lich der semantisch-lexikalischen Entwicklung für relevant, da bereits entwi-

ckelte Konzepte in der Erstsprache den Bedeutungs- und Wortschatzerwerb in

der Zweitsprache erleichtern.

Ein Manko der Modelle liegt in der mangelnden Beachtung individueller und

sozialer Einflussgrößen (vgl. Karhan 2016: 11). Cummins Hypothesen sind

dennoch von wissenschaftlicher Bedeutung und dienen im Rahmen diagnosti-

scher und therapeutischer Ansätze als theoretische Grundlage (vgl. Scharff

Rethfeldt 2013: 60). Erziehungswissenschaftler berufen sich außerdem häufig

auf die Interdependenzhypothese, um die Notwendigkeit einer bilingualen Er-

ziehung zu untermauern (vgl. Rösch 2011: 26).

Es bleibt festzuhalten, dass laut der Hypothesen kognitive Vorteile nur dann zu

erwarten sind, wenn in beiden Sprachen ausreichend entwickelte Fähigkeiten

vorliegen. Gute Sprachfähigkeiten in der Zweitsprache (Deutsch) können wie-

derum nur ausgebildet werden, wenn in der Erstsprache (Türkisch) entspre-

chende Kompetenzen ausgebildet sind. Dass in einer Förderung die Erstsprache

notwendigerweise berücksichtigt werden muss, liegt nahe. Von einer defizit-

orientierten Sicht auf Mehrsprachigkeit ist dringend Abstand zu nehmen, denn

Kinder sind „grundsätzlich bereits in einem frühen Lebensalter in der Lage

[…], den Erwerb zweier Sprachen erfolgreich zu meistern“ (Kniffka & Siebert-

Ott 2012: 126). Dazu bedarf es einer angemessen Unterstützung.

Page 33: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 28

4.4 Hypothesen zum Zweitspracherwerb

In der Spracherwerbsforschung werden unterschiedliche theoretische Ansätze

herangezogen, um den Zweitspracherwerb zu erklären. Ausgehend von behavi-

oristischen, nativistischen und kognitivistischen Ansätzen entwickelten sich

spezifische Hypothesen zur Erklärung des Zweitspracherwerbs. Anfangs domi-

nierten Modelle, die sich auf die Unterschiede und Ähnlichkeiten der zu erler-

nenden Sprachen beziehen und daraus ableitbare Lernprobleme prognostizie-

ren. Andere Theorien fokussieren weniger die Sprachstrukturen, sondern neh-

men das lernende Individuum in den Blick (vgl. Hufeisen & Riemer 739f.).

4.4.1 Die Kontrastivhypothese

Die in den 1940er Jahren entstandene Kontrastivhypothese wurde aufgrund

behavioristischer Überlegungen zum kindlichen Spracherwerb entwickelt und

beruht auf Beobachtungen des Sprachlernverhaltens von Zweitsprachlernenden

(vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 70). Behavioristische Erklärungsansätze begrei-

fen Sprachenlernen als Lernen durch Imitation und Konditionierung. Kinder

greifen sprachliche Äußerungen aus ihrer Umgebung auf und imitieren diese

(vgl. Kniffka & Siebert Ott 2012: 32). Die Kontrastivhypothese geht schließ-

lich davon aus, dass die sprachlichen Vorkenntnisse in der Erstsprache einen

bedeutsamen Einfluss auf den Zweitspracherwerb ausüben. Die Entwicklungs-

verläufe der Zweitsprache sind also von der Struktur der jeweiligen Erstsprache

abhängig (vgl. ebd.: 34f.).

So macht es beispielsweise einen Unterschied für die Erwerbsprozesse der

Zweitsprache, ob ein Kind Türkisch oder Niederländisch als Erstsprache erlernt

hat. Je nachdem wie stark der Kontrast zwischen Erst- und Zweitsprache ist,

sind unterschiedliche Erwerbsverläufe zu erwarten (vgl. Rösch 2011: 23).

Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprache spiegeln sich in Fehlern beim

Zweitspracherwerb wider (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 35). Diese äußern

sich in Form sogenannter Transfereffekte, das heißt der Übertragung von Re-

geln und Formen der Erstsprache auf die Zweitsprache. Solche Effekte lassen

sich vor allem von der Erstsprache auf die Zweitsprache beobachten und selte-

ner umgekehrt (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 70). Von einem positiven Transfer

spricht man, wenn die aus der Erstsprache übertragenen Regeln oder Struktu-

ren denen der Zweitsprache gleichen. Ein negativer Transfer hingegen liegt

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 29

vor, wenn die übertragenen Elemente den Regeln der Zweitsprache widerspre-

chen und schließlich zu Fehlern führen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 71). Nach

Annahme der Kontrastivhypothese lassen sich durch Sprachvergleiche, in wel-

chen identische und differente Strukturen herausgestellt werden, solche poten-

tiell auftretenden Schwierigkeiten voraussagen (vgl. Döll 2012: 25; Königs

2010: 756).

Geltungseinschränkungen der Hypothese ergeben sich vor allem aus der Fest-

stellung, dass nicht alle Fehler auf Strukturen der Erstsprache zurückgeführt

werden können (vgl. Königs 2010: 756). Darüber hinaus garantieren Struktur-

ähnlichkeiten nicht zwingend ein Ausbleiben von Fehlern (vgl. ebd.: 756). Fest

steht, dass die Kontrastivhypothese keine alleinige Geltung beanspruchen kann,

obwohl immer wieder Zusammenhänge zwischen Ausgangssprache und feh-

lerhaften Realisierungen in der Zielsprache beobachtet werden (vgl. Döll 2012:

25).

4.4.2 Die Identitätshypothese

Behavioristische Erklärungsansätze wurden Ende der 1950er-Jahre zunehmend

in Frage gestellt. Man wendete sich verstärkt kognitivistischen und nativisti-

schen Spracherwerbstheorien zu (vgl. Döll 2012: 25; Kniffka & Siebert-Ott

2012: 34). Kognitivistische Modelle sehen einen engen Zusammenhang zwi-

schen Sprachentwicklung und kognitiver Entwicklung. Sprachliches Wissen

wird auf Grundlage allgemeiner kognitiver Strukturen verarbeitet (vgl. Kniffka

& Siebert-Ott 2012: 32). Darüber hinaus geht der nativistische Ansatz von an-

geborenen sprachenspezifischen Fähigkeiten aus, die zur genetischen Grund-

ausstattung eines jeden Menschen gehören (vgl. ebd.: 33). Auf Grundlage sol-

cher Überlegungen wurde schließlich die Identitätshypothese erarbeitet (vgl.

Döll 2012: 25; Kniffka & Siebert-Ott 2012: 34). Sprachliches Vorwissen, wie

die Kenntnis einer Erstsprache, hält sie im Gegensatz zur Kontrastivhypothese

für unbedeutend (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 34). Vielmehr geht sie da-

von aus, dass sich die Entwicklungsverläufe in Erst- und Zweitsprache glei-

chen (vgl. Dulay & Burt 108). Gemäß der Vorstellung einer Universalgramma-

tik im Sinne Chomskys verfüge der Lernende über angeborene Aneignungsme-

chanismen, welche sowohl in der Ausgangssprache als auch in der Zielsprache

angewendet werden (Niebuhr-Siebert & Baake 2014: 34). Für die Aneignung

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 30

einer Sprache ist es laut der Identitätshypothese also unerheblich, ob zuvor eine

andere Sprache erlernt wurde, da der Erwerb aller Sprachen entlang der selben

universalen Erwerbsmechanismen verläuft (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 71).

Die Identitätshypothese gerät unter anderem aufgrund ihrer entschiedenen Ab-

lehnung des Einflusses der Erstsprache auf den Zweitspracherwerb in Kritik.

Negativ bewertet wird außerdem, dass auf den Erwerb einflussnehmende Rah-

menbedingungen keine Berücksichtigung finden (vgl. Bausch & Kasper 1979:

9-14).

4.4.3 Die Interlanguage-Hypothese

Weder die Kontrastiv- noch die Identitätshypothese liefern befriedigende Ant-

worten auf Prozesse des Zweitsprachenerwerbs. Einen weniger umstrittenen

Ansatz liefert die auf Selinker (1972) zurückzuführende Interlanguage-

Hypothese (vgl. Königs 2010: 757). Sie geht davon aus, dass Lernende im Lau-

fe des Aneignungsprozesses spezifische Sprachsysteme, sogenannte

Interlanguages ausbilden (vgl. Selinker 1972: 109). Interlanguages oder auch

Lernersprachen bezeichnen demnach Zwischenstadien, die ein Lernender auf

dem Weg der Aneignung einer Zweitsprache passiert (vgl. Kniffka & Siebert-

Ott 2012: 35). Die Theorie der Interlanguages integriert sowohl die Kontras-

tiv- als auch die Identitätshypothese (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 35),

denn Lerner-sprachen weisen „Züge von Grund- und Zweitsprache sowie ei-

genständige, von Grund- und Zweitsprache unabhängige sprachliche Merkma-

le“ auf (vgl. Bausch & Kasper 1979: 15). Interlanguages gelten als variable

Systeme und zeichnen sich durch die folgenden Erwerbsprozesse aus (vgl.

Scharff Rethfeldt 2013: 72; Selinker 1972: 216f.):

Language transfer, gemeint ist die Übertragung von Strukturen der Aus-

gangssprache auf die Zielsprache

Transfer of training, das heißt der Gebrauch von Mustern, die durch Wie-

derholung und Übung erlernt wurden

Strategies of second language learning zur Steuerung und Überwachung

des eigenen Lernens

Strategies of second language communication für bestimmte Kommunika-

tionssituationen

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 31

Overgeneralization of target language material, gemeint ist die Übertra-

gung bereits erlernter Regel auf Kontexte, in denen sie nicht gültig sind

(vgl. Selinker 1972: 216f.; Scharff Rethfeldt 2013: 72).

Während die Kontrastiv- und Identitätshypothese für sich genommen als wi-

derlegt gelten, hat sich die Interlanguage-Hypothese durchgesetzt und wird

häufig zur Erklärung des Zweitspracherwerbs genutzt (vgl. Rösch 2011: 24;

Scharff-Rehtfeldt 2013: 72). Da sie Merkmale der Kontrastiv- und Identitäts-

hypothese integriert, lassen sich folgende Schlüsse für eine Förderung ziehen:

Ein Sprachvergleich zwischen dem Türkischen und dem Deutschen (⊳Kap. 5)

kann Aufschluss über Stolpersteine im DaZ-Erwerb geben und ermöglicht die

Ableitung von Förderschwerpunkten. Die Identitätshypothese hält Rösch

(2003: 252) insofern für bedeutsam, dass sich eine Ausrichtung entlang der

natürlichen Erwerbssequenzen für die Aneignung einer Sprache förderlich

auswirken kann (vgl. Rösch 2011: 24). In einer Förderung sollte man sich also

möglichst an den natürlichen Entwicklungsverläufen des DaZ-Erwerbs (⊳Kap.

4.6.2) orientieren. Die sogenannten Lernersprachen, wie sie die Interlanguage-

Hypothese formuliert, sollten zugelassen und als Lernfortschritt verstanden

werden (vgl. Rösch 2011: 24). Belke (2003: 252) betont, dass erwerbsbedingte

Abweichungen für einen erfolgreichen Lernprozess unabdingbar sind.

4.5 Besonderheiten des Sprachgebrauchs bei Mehrsprachigkeit

Bilingual aufwachsende Kinder bilden durch den abwechselnden Gebrauch

mehrerer Sprachen besondere sprachliche Kompetenzen aus, welche in Form

von Sprachkontaktphänomenen sichtbar werden und als ein Merkmal der oben

definierten Lernersprachen betrachtet werden können. Gemeint sind alle von

der standardsprachlichen Norm abweichenden Formen, die durch den Einfluss

einer anderen Sprache zustande kommen (vgl. Dirim 2007: 114-117).

Vor allem Sprachmischungen werden fälschlicherweise häufig mit dem Begriff

der Doppelten Halbsprachigkeit11

in Verbindung gebracht. Demnach be-

11

Der Terminus Doppelte Halbsprachigkeit ist auf Hansegård (1968) zurückzuführen. Mit dem

Begriff Semilingualismus bezeichnete er die aus seiner Untersuchung hervorgehenden wenig

entwickelten lexikalisch-semantischen Fähigkeiten von Schülern der finnischen Minderheit

gegenüber den Kompetenzen monolingual schwedischer Schüler (vgl. Hansegård 1968, zit. n.

Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 53).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 32

herrsche ein Kind, bedingt durch die Mehrsprachigkeit, weder die eine noch

die andere Sprache vollständig und verfüge in beiden Sprachen über nur bruch-

stückhafte Kenntnisse (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 53). Dirim

(2007: 117) betont die Notwendigkeit einer kompetenzorientierten Sicht auf

jene Phänomene, da „Sprachmischungen zumeist eine in den jeweiligen Ge-

sprächskontext passende Funktionalität aufweisen und nicht [...] eine Erschei-

nung der sprachlichen Inkompetenz sind“.

4.5.1 Sprachmischungen

Der Terminus Sprachmischung meint „das Vermischen von Charakteristika

zweier oder mehrerer Sprachen in einem konkreten Kontext“ (Chilla,

Rothweiler & Babur 2013: 59) und integriert die Subphänomene Code-

Switching, Borrowing und Transfer12

(vgl. ebd.: 59). Insbesondere in Phasen,

in welchen die Zweitsprache beziehungsweise Lernersprache noch wächst,

werden Sprachmischungen gebraucht, um die Kommunikation zu optimieren

und Lücken zu kompensieren (vgl. ebd.: 69).

Code-Switching bezeichnet den Wechsel zwischen zwei verschiedenen Spra-

chen innerhalb eines Satzes oder Diskurses (vgl. ebd: 62). Der Wechsel erfüllt

vor allem soziale Funktionen und wird in Abhängigkeit von Gesprächspartner,

Thema oder Umgebung ausgelöst (vgl. ebd.: 62).

Man unterscheidet zwischen intersentionalem und intrasentionalem Code-

Switching. Wird der Sprachwechsel nach Abschluss eines Satzes vorgenom-

men handelt es sich um intersentionales Code-Switching. Wechselt ein Spre-

cher innerhalb eines Satzes zwischen zwei Sprachen spricht man von

intrasentionalem Code-Switching (vgl. ebd.: 63).

Eine hochfrequente Form des intrasentionalen Sprachwechsels ist das soge-

nannte Borrowing, bei welchem Eigennamen oder Dinge, für welche die eine

Sprache keine geeignete Bezeichnung bereithält, mit Hilfe lexikalischer Ent-

lehnungen aus der anderen Sprache benannt werden. Bei der Äußerung „Sie hat

eine dişfirça“ eines türkischsprachigen DaZ-Lernenden besteht beispielsweise

12

Der Begriff Transfer wird zum Teil auch als Oberbegriff für alle Formen von Sprachmi-

schung verwendet (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 32). In der vorliegenden Arbeit

bezieht sich der Terminus auf die Übertragung struktureller Eigenschaften von der einen auf

die andere Sprache.

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 33

eine Wortschatzlücke für das deutsche Wort Zahnbürste, sodass er auf die ent-

sprechende Bezeichnung in seiner Erstsprache Türkisch zurückgreift (vgl. Nie-

buhr-Siebert & Baake 2014: 25)13

.

Ein weiteres Sprachmischungsphänomen ist der Transfer. Gemeint ist die

Übertragung struktureller Elemente von der einen auf die andere Sprache (vgl.

Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 63f.), wie sie unter anderem von der Kon-

trastivhypothese beschrieben wird (⊳Kap. 4.4.1). Während positive Transferef-

fekte zu einer Beschleunigung der Erwerbsprozesse führen, wird der Sprach-

erwerb durch negativen Transfer verlangsamt (vgl. Kniffka & Siebert-Ott

2012: 35f.). Durch negativen Transfer bedingte Fehler werden teilweise auch

als Interferenzen bezeichnet (vgl. Dirim 2007: 119; Niebuhr-Siebert & Baake

2014: 126; Oksaar 2003: 131).

4.5.2 Migrationsspezifisches Türkisch

Durch den Einfluss anderer Sprachen bilden sich ethnolektale Gebrauchsfor-

men monolingualer Varietäten heraus (vgl. Dirim 2007: 117). In Deutschland

unterliegen unter anderem die Migrationssprachen einem systematischen Wan-

del, der sich aus Einflüssen des Deutschen ergibt. Dabei ist nicht immer ein-

gängig feststellbar, wann ein Ethnolekt in den standardsprachlichen Wortschatz

übergeht (vgl. ebd.: 117f.). Ob es sich bei einer abweichenden Äußerung um

eine ethnolektale Gebrauchsform des Deutschen oder um ein Phänomen der

Lernersprache handelt, ist ebenfalls nicht eindeutig zu erkennen (vgl. ebd.:

118).

Das Türkische, welches von zweisprachig aufwachsenden Kindern in Deutsch-

land gesprochen wird, unterliegt einer solchen Einwirkung durch das Deutsche

und ist nicht mit dem Standardtürkischen in der Türkei gleichzusetzen (vgl.

Dirim 2009: 129). Kinder, welche in Deutschland mit Türkisch als Erstsprache

aufwachsen, erwerben „meist eine Form des ,Immigrant Turkish‘ […], die in

wesentlichen Aspekten vom Istanbuler Dialekt abweicht“ (Chilla, Rothweiler

& Babur 2013: 73f.).

13

Das von Niebuhr-Siebert & Baake angeführte Beispiel (2014: 25) entstammt dem Datensatz

von Jeuk (2003: 247) (vgl. Niebuhr-Siebert & Baake 2014: 25).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 34

Gagarina (2014a: 29) dokumentiert unter anderem folgende Besonderheiten

des Türkischen in Deutschland, auch Almancɪ-Türkisch:

Auslassen des Fragepartikels (mi)

Anfügen von ve (und), obwohl die Satzstruktur dies nicht fordert

Missachtung der Satzgrundreihenfolge Subjekt-Objekt-Verb, insbesondere

der Stellung des Verbs

Verwendung von Pronomen, welche im Standardtürkischen lediglich

durch Suffixe markiert werden

(vgl. ebd.: 29).

Chilla, Rothweiler & Babur (2013: 75f.) betonen, dass die sprachlichen Kom-

petenzen von türkischsprachigen Kindern in Deutschland nicht mit den Fähig-

keiten von in der Türkei aufwachsenden Sprechern vergleichbar sind. Vor dem

Hintergrund diagnostischer Tätigkeiten sollte dies unbedingt berücksichtigt

werden (⊳Kap. 6).

4.6 Sukzessiver Spracherwerb: Türkisch und Deutsch

Eine Diagnostik bei Zweisprachigkeit erfordert unter anderem Wissen über den

bilingualen Spracherwerb eines Kindes. Dies schließt Kenntnisse über den Er-

werb der Erst- und Zweitsprache mehrsprachiger Kinder ein (vgl. Kohnert

2013: 150f.). Im Kontext dieser Arbeit bezieht sich ein solches Wissen auf die

Aneignung des Türkischen als Erstsprache sowie den DaZ-Erwerb.

4.6.1 Erwerb des Türkischen

Es kann davon ausgegangen werden, „dass sich das Türkische als Herkunfts-

sprache in deutschsprachiger Umgebung zunächst einmal annähernd normal,

d.h. ähnlich wie in einsprachig türkischer Umgebung entwickelt“ (Reich 2009:

65). Über die Aneignung des Türkischen als Erstsprache liegt jedoch nur wenig

Literatur vor. Sɪrɪm und Reich (2008: 113-119) sowie Sɪrɪm (2009: 11-38) ge-

ben einen Überblick über den monolingualen Erwerb des Türkischen und fas-

sen die Erträge der vorrangig türkischsprachigen Forschung zusammen. Partiell

geben sie Hinweise zum Erwerb des Türkischen im Kontext von Migration,

also zur Aneignung des Türkischen als Erstsprache.

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 35

Bezüglich der Aneignung des Lautsystems ist hervorzuheben, dass die Kinder

bereits sehr früh über eine deutliche und verständliche Aussprache verfügen

(vgl. Sɪrɪm 2009: 15). Mit drei Jahren ist das Lautinventar des Türkischen er-

worben (vgl. Sɪrɪm & Reich 2008: 113). Bei reduziertem Kontakt mit der Erst-

sprache Türkisch aufgrund der Emigrationssituation, sollte der Erwerb bis zum

Schuleintritt abgewickelt sein (vgl. ebd.: 113). Zuerst werden Plosive, danach

Frikative und schließlich Affrikaten angeeignet (vgl. ebd.: 113). Phonologische

Prozesse treten bis zum dritten Lebensjahr auf. Sind sie zu einem späteren

Zeitpunkt beobachtbar, liegt möglicherweise eine Sprachverzögerung vor (vgl.

ebd.: 113).

Hinsichtlich der Wortschatzentwicklung fehlt es an umfangreichen For-

schungsergebnissen. Man weiß, dass zu Beginn vor allem Nomen und später

zunehmend Verben, Adverbien und Adjektive angeeignet werden (vgl. ebd.:

114). Anfangs erworbene Wörter können allerdings bereits Verbalsuffixe bein-

halten (vgl. Aksu-Koç & Slobin 1985: 845).

Im Kontext von Zweisprachigkeit ist der Schuleintritt meist mit einem Still-

stand der Wortschatzentwicklung im Türkischen verbunden. Im Vergleich zu

monolingual türkischsprachigen Kindern ist folglich mit einem geringeren

Wortschatz sowie einem verstärkt domänenspezifischen Vokabular zu rechnen

(vgl. Sɪrɪm & Reich 2008: 116). Vor dem Hintergrund förderdiagnostischer

Tätigkeiten ist dies zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 116).

Im Türkischen werden alle grammatischen Formen durch das Anhängen se-

mantisch und lautlich eindeutiger Suffixe gebildet. Diese werden in einer fest-

gelegten Reihenfolge angefügt. Diese Regelhaftigkeit ermöglicht eine schnelle

und problemlose Aneignung der Morphologie des Nomens (vgl. Sɪrɪm 2009:

17f.). Bereits im Alter von zwei Jahren gilt der Erwerb der Nominalflexion als

abgeschlossen (vgl. Ketrez & Aksu-Koç 2003: 244). Die Personalsuffixe wer-

den ebenfalls innerhalb des zweiten Lebensjahres erworben, und zwar in der

Reihenfolge 1. Person Singular, 1. Person Plural und 3. Person Singular, 2.

Person Plural und 2. Personal Singular, 3. Person Plural (vgl. Ekmekçɪ 1982,

zit. n. Sɪrɪm 2009: 19). Die Entwicklung der Tempus-Aspekt-Suffixe erfolgt

„von den einfachen Kennzeichnungen der abgeschlossenen Vergangenheit und

des gegenwärtigen Verlaufs hin zu den stärker aspektuell gefärbten Endungen“

(Sɪrɪm & Reich 2008: 116). Die Erwerbsstufen gelten als verlässlicher Indika-

Page 41: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 36

tor zur Erfassung der morphologischen Kompetenzen (vgl. Sɪrɪm & Reich

2008: 116). Die Genera Verbi werden im Alter zwischen vier und sechs Jahren

angeeignet (vgl. ebd.: 117).

Im Alter von zwei Jahren werden Fragesätze mithilfe von Interrogativprono-

men und -adverbien formuliert. Mit drei Jahren werden Fragepartikel verwen-

det und erst mit sieben Jahren erfolgt die Aneignung von Interrogativadjektiven

(vgl. ebd.: 117).

Im Türkischen gibt es keine Präpositionen, sondern dem Bezugswort nachge-

stellte Postpositionen. Wie die Präpositionen verlangen sie einen spezifischen

Kasus (vgl. Sɪrɪm 2009: 25). Sie werden in der Regel im Vorschulalter erwor-

ben, wobei die Aneignung der Postpositionen, die einen Dativ oder Ablativ

fordern, erst in der Grundschule erfolgt (Sɪrɪm und Reich 2008: 117).

Konjunktionen geben im Türkischen überwiegend parataktische Verbindungen

an (vgl. Sɪrɪm 2009: 26). Mit ungefähr zwei Jahren wird die Konjunktion dA

(und, auch) erworben. Es folgen adversative und konditionale Konjunktionen

ab 2;6 Jahren sowie kausale Konjunktionen ab dem vierten Lebensjahr (vgl.

Kaleli 2002, zit. n. Sɪrɪm 2009: 26). Unterordnende Aussagen werden mithilfe

von Partizipien (-An, -DIK, -AcAk), Gerundien (-mAk/-mA, -DIK) oder

Konverbien realisiert, wobei Kinder zwischen drei und neun Jahren vorrangig

Konverbien nutzen (vgl. Sɪrɪm 2009: 27). Die Konverbien -ken und –IncA wer-

den im Alter von zwei Jahre angeeignet. Der Erwerb von –Ip erfolgt zwischen

zwei und fünf Jahren. Das Konverb –ArAk wird bis zu einem Alter von neun

Jahren erlernt (vgl. Sɪrɪm & Reich 2008: 118).

Bezüglich der literalen Kompetenzen ist anzumerken, dass sich die Aneignung

der Phonem-Graphem-Korrespondenzen sowie der orthographischen Regeln

schneller abspielt als im Deutschen und am Ende des ersten Schuljahres über-

wiegend abgeschlossen ist (vgl. Sɪrɪm & Reich 2008: 119). Die Entwicklung

der Erzählfähigkeiten (Thema-Rhema, grammatisch-stilistische Strukturen,

Tempus, etc.) monolingual türkischer Kinder ähnelt den Ergebnissen, welche

zum bilingualen Erwerb des Türkischen als Erstsprache sowie zur Aneignung

des Deutschen als Erst- und Zweitsprache vorliegen (vgl. ebd.: 119).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 37

4.6.2 Erwerb der Zweitsprache Deutsch

Das Terrain des sukzessiven Zweitspracherwerbs ist im Gegensatz zum simul-

tanen sowie erwachsenen Zweitspracherwerb wenig erforscht (vgl.

Kaltenbacher & Klages 2012: 80). Im Folgenden wird dennoch versucht, einen

Überblick über den sukzessiven Erwerb des Deutschen als Zweitsprache zu

geben. Dabei werden vor allem jene sprachlichen Aspekte hervorgehoben,

welche für die Lernende eine Schwierigkeit darstellen. Man geht davon aus,

dass der frühe DaZ-Erwerb bei ausreichendem Input im Wesentlichen entlang

der Meilensteine14

des monolingualen Deutscherwerbs verläuft (vgl. Chilla,

Rothweiler & Babur 2013: 78).

4.6.2.1 Phonologie

Der mehrsprachige Phonologieerwerb stellt bilinguale Kinder vor eine beson-

dere Aufgabe. Sie müssen die phonetischen, phonologischen und prosodischen

Merkmale zweier Sprachsysteme erwerben (vgl. Fox-Boyer & Salgert 2014:

109). Der Phonologieerwerb ist in besonderem Maße von der Quantität des

Sprachkontakts abhängig. Steht kein ausreichender Input zur Verfügung, ist die

Wahrscheinlichkeit hoch, dass Interferenzen aus der Erstsprache persistieren

(vgl. Niebuhr-Siebert & Baake 2014: 70). Da davon auszugehen ist, dass viele

türkischstämmige Kinder erst im Kindergarten intensiv mit der deutschen

Sprache konfrontiert werden (⊳Kap. 3.3), sollte die Unterstützung der phono-

logischen Entwicklung Bestandteil einer Förderung sein.

Laut einer Untersuchung von Ünsal und Fox (2002, zit. n. Fox-Boyer & Salgert

2014: 111) ist der deutschsprachige Phonologieerwerb bilingualer Kinder mit

Türkisch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache im Vergleich zu monolingual

deutschsprachigen Kindern partiell verzögert. Frikative, Affrikaten und für das

Deutsche spezifische Laute werden etwas später angeeignet (Ünsal & Fox

2002, zit. n. Fox-Boyer & Salgert 2014: 111).

14

Der Begriff Meilenstein beschreibt die wesentlichen Erwerbsschritte, die ein Kind in seiner

Sprachentwicklung vollzieht (vgl. Jungmann, Morawiak & Meindl 2015: 13). Eine detaillierte

Darstellung der Meilensteine des Deutschen als Erstsprache ist im Rahmen dieser Arbeit nicht

möglich. Eine ausführliche Beschreibung des monolingualen Deutscherwerbs findet sich u.a. in

Kauschke (2012).

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 38

4.6.2.2 Wortschatz

Bevor Wörter mit Bedeutungen versehen werden können, muss sich ein Kind

zunächst in die neue Sprache einhören, das heißt Wörter und Wortgrenzen

wahrnehmen (vgl. Apeltauer 2012: 23). Bei sukzessiv zweisprachigen Kindern

ist diese Phase verzögert, denn „die Feinabstimmung, die während des ersten

Lebensjahres bezogen auf die Erstsprache im Bereich des sprachlichen Deko-

dierens stattgefunden hat, erschwert ein korrektes Hören […] der fremden

Sprache“ (ebd.: 23). Bilingual aufwachsende Kinder müssen aufgrund der zum

Teil sprachenspezifischen Lexika (⊳Kap. 4.3.2) außerdem mehr Wörter erler-

nen als monolinguale Kinder. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kontakt zu

den einzelnen Sprachen geringer ausfällt als bei einsprachigen Kindern (vgl.

Klassert & Kauschke 2014: 122). Die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen

zeigen, dass der Umfang des aktiven Wortschatzes in der Zweitsprache

Deutsch beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule deutlich geringer

ist als in der Erstsprache und als bei monolingual deutschsprachigen Kindern

des gleichen Alters (vgl. Komor & Reich 2008: 55). Ein jeweils wenig umfang-

reicherer sprachenspezifischer Wortschatz bei bilingualen Kindern ist vor al-

lem darauf zurückzuführen, dass das Vokabular überwiegend domänenspezi-

fisch erworben wird (vgl. Landua, Maier-Lohmann & Reich 2008: 177). Wird

allerdings ein neues Wort in der Zweitsprache erlernt, welches in der Erstspra-

che bereits erworben wurde, wird das Verknüpfen von Wortform und Bedeu-

tung erleichtert, da der Begriff bereits im konzeptuellen System gespeichert ist

(vgl. Apeltauer 2012: 23). Um Aussagen über den lexikalischen Sprachstand

eines zweisprachigen Kindes machen zu können, muss unbedingt das Vokabu-

lar beider Sprachen erhoben werden (vgl. Klassert & Kauschke 2014: 123).

4.6.2.3 Morphologie und Syntax

Zur Aneignung grammatischer Kompetenzen im Deutschen als Zweitsprache

liegen mehr Untersuchungsergebnisse vor als für die anderen linguistischen

Bereiche (Döll 2012: 34).

In dem Forschungsprojekt Zweitspracherwerb in der Kindheit unter besonde-

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 39

rer Berücksichtigung der Migration15

, in welchem der Zweitspracherwerb suk-

zessiv mehrsprachiger Kinder untersucht wurde, konnte beispielsweise eine

Reihe von Ähnlichkeiten zum ungestörten monolingualen Deutscherwerb fest-

gestellt werden (vgl. Thoma & Tracy 2012: 64; 74). Die Kinder, welche im

Alter von drei bis vier Jahren erstmals mit dem Deutschen in Berührung ka-

men, erwarben die grundlegenden morphologisch-syntaktischen Eigenschaften

des deutschen Satzes wie die Subjekt-Verb-Kongruenz oder die einfache Satz-

struktur innerhalb eines halben Jahres. Dies entspricht in etwa der Erwerbsdau-

er, die auch monolingual aufwachsende Kinder beanspruchen (vgl. ebd.: 74).

Die Produktion komplexer Sätze erfolgt ebenfalls innerhalb eines Zeitraums,

welcher mit dem einsprachigen Erwerbsverlauf vergleichbar ist (vgl. ebd.: 74).

Die Studie zeigt, dass Kinder über die Kompetenz verfügen, eine zweite Spra-

che zu erwerben und insbesondere die Aneignung syntaktischer Strukturen

unter geeigneten Erwerbsbedingungen schnell und mühelos bewältigt werden

kann (vgl. ebd.: 77).

Eine Hürde im Zweitspracherwerb stellt insbesondere die Nominalflexion dar,

da diese Numerus- Kasus- und Genusflexion integriert (vgl. Döll 2012: 34).

Der Erwerb der Kategorie Numerus ist wenig problematisch, denn die meisten

Lernenden kennen diese bereits aus ihrer Erstsprache (vgl. ebd.: 34). Die Mar-

kierungen von Numerus und Kasus sind der Genusflexion vorangestellt, da sie

„in der Kommunikation funktional(er) sind“ (Niebuhr-Siebert & Baake 2014:

92). Man geht davon aus, dass die drei Grundkasus im bilingualen Erwerb in

der gleichen Abfolge wie im monolingalen Deutscherwerb angeeignet werden,

das heißt in der Reihenfolge Nominativ, Dativ und Akkusativ (vgl. Landua,

Maier-Lohmann & Reich 2008: 183). Die Aneignung des Genitivs steht im

Zusammenhang mit der Schriftsprache und literalen Kompetenz und erfolgt

demnach erst später (vgl. Landua, Maier-Lohmann & Reich 2008: 184).

Der Genuserwerb sowie dessen Markierung durch den Artikel stellt für DaZ-

Lernende eine besondere Herausforderung dar und fordert viel Zeit (vgl. Döll

2012: 35). Laut Kaltenbacher und Klages (2012: 87) ist der Erwerb des Genus-

15

Das Kooperationsprojekt der Universitäten Heidelberg und Mannheim wurde von Rosemarie

Tracy und Erika Kaltenbacher beaufsichtigt und durch das MWK (Ministerium für Wissen-

schaft, Forschung und Kunst) Baden-Württemberg von 2003-2005 finanziert. Über die Dauer

von 1;1 Jahren wurden durch Beobachtungen und Tests Daten von sieben Kindern mit unter-

schiedlichen Erstsprachen (u.a. Arabisch, Türkisch, Russisch) erhoben (vgl. Thoma & Tracy

2012: 64).

Page 45: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 40

systems vor allem für Kinder problematisch, deren Erstsprache kein grammati-

sches Geschlecht kennt. Dies schließt Kinder mit Türkisch als Erstsprache ein

(vgl. Kaltenbacher & Klages 2012: 87). Als erworben gilt die Kategorie des

Genus, „sobald (nach einer Phase der Nichtverwendung von Artikeln und der

Verwendung eines Einheitsartikels) erstmals verschiedene Artikel verwendet

werden“ (vgl. Landua, Maier-Lohmann & Reich 2008: 184).

Landua, Maier-Lohmann und Reich (2008: 186) sehen den Übergang von un-

flektierten zu flektierten Verbformen als entscheidendes Merkmal des fort-

schreitenden Spracherwerbs. Laut Jeuk (2003: 285) entwickelt sich die Flexion

des Verbs in Analogie zum monolingualen Deutscherwerb.

Bezüglich der Aneignung der Tempusformen besteht Einigkeit darüber, dass

zuerst das Präsens und nachfolgend das Perfekt erworben werden (vgl. Landua,

Maier-Lohmann & Reich 2008: 186). Darüber hinaus stellt Kuhberg (1987:

440) nach der Aneignung des Perfekt den Erwerb des Präteritums von sein und

anschließend des Futur I fest. Die Produktion des Perfekts beginnt innerhalb

des ersten Kontaktjahres, allerdings nicht vor dem dritten Lebensjahr (vgl.

Kemp, Bredel & Reich 2008: 73). Das Passiv wird in vergleichbarer Weise

zum Erstspracherwerb angeeignet (vgl. Wegener 1998: 168). Die ersten Passiv-

formen tauchen bei Erst- und Zweitsprachlernenden ungefähr zum gleichen

Zeitpunkt auf, jedoch benötigen Zweitsprachlerner länger bis zum vollständi-

gen Erwerb (vgl. Wegener 1998: 170).

Bezüglich der Aneignung syntaktischer Strukturen schreiten Zweitsprachenler-

nende schneller voran als monolingual deutschsprachige Kinder (vgl. Kemp,

Bredel & Reich 2008: 76):

Die anfängliche Entfaltung syntaktischer Gebilde, von Einwortäußerungen über zweitei-

lige Aussagen hin zu drei- und mehrteiligen Mitteilungen, die sich bei der muttersprach-

lichen Aneignung bis in die ersten Monate des dritten Lebensjahrs hinzieht, läuft bei der

sukzessiven Aneignung des Deutschen als Zweitsprache in kürzerer Zeit ab, wenn ge-

nügend Kontaktmöglichkeiten gegeben sind […]. Dauert sie […] länger als etwa sechs

Monate an, ist dringender Förderbedarf gegeben. (ebd.: 76)

Ein bedeutsamer Anhaltspunkt des sprachlichen Fortschritts ist außerdem der

Übergang von verblosen zu verbhaltigen Äußerungen (vgl. ebd.: 77). Folgende

grobe Abfolge der Erwerbsschrittfolge zur Aneignung der Verbstellung gilt als

gesichert: Zu Beginn werden fragmentarische Äußerungen mit oder ohne ver-

balem Element produziert (Katze da). Darauf folgen die Verbzweitstellung mit

finitem Verb an zweiter Position im Hauptsatz (Das Kind isst.), die Produktion

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 41

der Verbklammer (Er möchte Pizza essen., Ich esse die Pizza auf.) und schließ-

lich die Verbendstellung des finiten Verbs in Nebensätzen (…, weil ich Pizza

liebe.) (vgl. Döll 2012: 42f.). Einfache Satzverbindungen mit und oder dann

werden ab dem zweiten Sprachkontaktjahr, jedoch nicht vor 3;5 Jahren produ-

ziert (vgl. Kemp, Bredel & Reich 2008: 79). Konstruktionen mit komplexeren

gleichordnenden (aber, denn) sowie mit subordinierenden Konjunktionen

schließen an (vgl. ebd.: 79). Unterordnende Konjunktionen werden bereits

verwendet, obwohl die Verbendstellung des Nebensatzes noch nicht angeeignet

wurde (Er will, dass die Mama kauft die Bonbons.) (vgl. ebd.: 79).

Die zielsprachliche Verwendung von Präpositionalkonstruktionen ist mit

Schwierigkeiten verbunden (Kaltenbacher & Klages 2012: 88). Dies liegt unter

anderem daran, dass einige Präpositionen sowohl den Dativ als auch den Ak-

kusativ fordern können (in, an, auf) (vgl. Döll 2012: 40). In einem frühen

Aneignungsstadium werden die Präpositionen zunächst ausgelassen, anschlie-

ßend wird eine Einheitspräposition übergeneralisiert und schließlich werden

unterschiedliche Präpositionen verwendet (vgl. ebd.: 40).

4.6.2.4 Pragmatik

Vor allem zu Beginn des Zweitspracherwerbs ist die Verwendung gestischer

und sprachlicher deiktischer Mittel von besonderer Bedeutung. Mithilfe deikti-

scher Gesten und Ausdrücke können Lernende die Aufmerksamkeit ihrer

Kommunikationspartner steuern, Referenzen herstellen oder unbekannte Be-

griffe erfragen (vgl. Landua, Maier-Lohmann & Reich 2008: 173). Der Einsatz

entsprechender Mittel nimmt mit zunehmender Sprachkompetenz ab (vgl. ebd.:

174). Solche Lernstrategien sollten in der Förderung aufgegriffen und genutzt

werden: Insbesondere die Förderung des Wortschatzes erlaubt es, deiktische

und gestische Mittel einzusetzen, um den Kindern Referenzen zu verdeutli-

chen.

Sukzessiv zweisprachige Kinder erwerben basale pragmatische Kompetenzen

in der Regel in ihrer Erstsprache im Kontext der Familie und übertragen diese

auf die Kommunikation in ihrer Zweitsprache (vgl. Trautmann & Reich 2008:

43f.). Im Kindergartenalter können die in der Erstsprache angeeigneten Hand-

lungskompetenzen recht einfach transferiert werden (vgl. ebd.: 43f.). Mit dem

Eintritt in den Primarbereich werden jedoch Sprachhandlungen gefordert, wel-

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4 Sprachentwicklung im Kontext von Mehrsprachigkeit 42

che durch die Erstsprache nicht ausgebildet wurden und auf welche über die

Zweitsprache Deutsch nur schwer zugegriffen werden kann. In diesem Zu-

sammenhang ist erneut auf die Notwendigkeit der Förderung in der Erstprache

hinzuweisen (vgl. Trautmann & Reich 2008: 47).

4.6.2.5 Literale Kompetenzen

Sofern zweisprachige Kinder im Elementarbereich ausreichend Sprachkontakt

mit dem Deutschen hatten und in ihrer Erstsprache noch nicht Lesen und

Schreiben gelernt haben, sind bezüglich des Schriftspracherwerbs ähnliche

Erwerbsschritte wie bei einsprachigen Schülern und keine Interferenzen mit

der Erstsprache zu erwarten (vgl. Bredel & Reich 2008: 99). Während der

Schriftspracherwerb meist ohne Probleme bewältigt wird, zeigen sich bei der

Textproduktion, welche vermehrt grammatische Kompetenz fordert, Schwie-

rigkeiten (vgl. Jeuk 2012: 199). Knapp (1997: 226) stellt in einer Untersuchung

fest, dass Migrantenkinder, welche seit jeher in Deutschland zur Schule gehen,

schlechtere Leistungen erzielen, als Migrantenkinder, die erst seit zwei Jahren

in Deutschland leben. Dieses Ergebnis führt er auf die Interdependenzhypothe-

se (⊳Kap. 4.3.3) zurück: Das Kompetenzniveau in der Zweitsprache hängt

vom Stand der Erstsprache ab. Kinder, welche vor ihrer Migration im Her-

kunftsland zur Schule gegangen sind, verfügen bereits über kognitiv-

akademische Sprachkompetenzen (CALP), die sie auf die Erstsprache übertra-

gen können. Demgegenüber weisen in Deutschland geborene oder sehr früh

migrierte Kinder gute mündliche Sprachkompetenzen (BICS) auf. Kognitiv-

akademische Sprachfähigkeiten können sie in einem submersiv organisierten

Unterricht jedoch nicht erwerben, da sich die Lernprozesse vor allem auf die

Form des deutschsprachigen Inputs konzentrieren. Hinzu kommt, dass viele

Kinder mit Migrationshintergrund, aufgrund unzulänglicher Erstsprachkompe-

tenzen der Eltern oder fehlender Akzeptanz der Erstsprache im Immigrations-

land, über ungenügende Kompetenzen in der Erstsprache verfügen (vgl. Knapp

2014: 134). An dieser Stelle wird abermals die Unverzichtbarkeit der Förde-

rung der Erstsprache deutlich (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 68f.).

Page 48: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 43

5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch

Die vorangegangen Ausführungen haben einige Stolpersteine aufgezeigt, mit

welchen DaZ-Lernende konfrontiert werden. Der folgende Vergleich zwischen

dem Türkischen und dem Deutschen zeigt weitere Problematiken auf, die DaZ-

Lernende mit türkischer Erstsprache möglicherweise bewältigen müssen. Wie

bereits dargelegt, bedient sich das Gehirn beim Lernen einer Zweitsprache der

Muster bereits erworbener Sprachen (⊳Kap. 4.4.3; ⊳Kap.4.3.2). Eine verglei-

chende Auseinandersetzung mit den Sprachen bilingual aufwachsender Kinder

ermöglicht Erziehern oder anderen Bezugspersonen, die Schwierigkeiten bilin-

gualer Kinder besser nachvollziehen zu können und didaktische Entscheidun-

gen zu treffen (vgl. Oomen-Welke 2014: 34). Dabei ist jedoch zu beachten,

dass Transferfehler erstens nicht notwendigerweise auftreten und dass zweitens

nicht alle Transferfehler auf Unterschiede zwischen dem Türkischen und Deut-

schen zurückgeführt werden können (vgl. Dirim 2005: 54). Der folgende Ver-

gleich soll dennoch aufzeigen, mit welchen Erschwernissen Kinder mit Tür-

kisch als Erstsprache beim Erwerb des Deutschen möglicherweise konfrontiert

werden.

5.1 Phonetik/Phonologie

Die konsonantischen Lautinventare beider Sprachen sind hinsichtlich Schrei-

bung und Aussprache überwiegend identisch. Das V/v kennt allerdings im Tür-

kischen nur die stimmhafte Aussprache, wie in Vase und keine stimmlose Va-

riante, wie beispielsweise in Vater (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 118f).

Während alle türkischen Konsonanten auch im Deutschen vorkommen, gibt es

einige konsonantische Laute der deutschen Sprache, die das Türkische nicht

kennt. Im Standardtürkischen kommen weder der Laut [ɳ] noch die Artikulati-

onsvarianten des Buchstabens Ch/ch ([ç] und [x]) vor (vgl. ebd.: 119). Dies

führt bei Deutschlernern mit Erstsprache Türkisch häufig zu Schwierigkeiten,

sodass sie den Laut [ç] durch [ʃ] ersetzen und das Wort ich beispielsweise [ɪʃ]

aussprechen (vgl. ebd.: 119). Es kann außerdem vorkommen, dass sie den Laut

[ɳ] aussprechen, indem sie die Buchstaben n und g nacheinander artikulieren

(vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 83).

Page 49: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 44

Konsonantencluster sind im Türkischen selten (vgl. Schröder & Şimşek 2010:

720). In der Silbenmitte steht meist ein Vokal, welchem höchstens ein Konso-

nant voran- und höchstens ein Konsonant nachgestellt ist. Deutschlernern be-

reiten Konsonantenhäufungen in deutschen Wörtern wie Strumpf [ʃtrumpf] aus

diesem Grund meist Schwierigkeiten. Um die Aussprache zu vereinfachen,

fügen sie meist Vokale ein oder reduzieren die Cluster. Strumpf wird bei-

spielsweise [ʃuturumf] artikuliert (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 120).

Bezüglich der Vokale lassen sich weitere Kontraste zwischen dem Türkischen

und dem Deutschen aufzeigen. Das türkische Lautsystem verfügt über die vier

hellen Vokale e, i, ö und ü sowie die vier dunklen Vokale a, ɪ, o und u. Vergli-

chen mit der deutschen Sprache wird das a im Türkischen dunkler artikuliert.

Während im Türkischen das ä fehlt, verfügt es zusätzlich über den Vokal ɪ,

welcher [ɯ] ausgesprochen wird (vgl. Çakır 2011: 9). Im Türkischen existieren

keine Diphtonge wie eu, ei oder ie, sodass aufeinanderfolgende Vokale nicht

als Doppellaute sondern voneinander getrennt artikuliert werden: reis (dt.

=Kapitän) wird re-is realisiert (vgl. ebd.: 9). Bei türkischsprachigen Deutsch-

lernern kann dies zu Fehlartikulationen führen, sodass Seife zum Beispiel Se-

ife ausgesprochen wird.

Im Deutschen werden die Vokale in lange ungespannte (Beet [beːt]) und kurze

gespannte (Bett [bɛt]) Vokale unterschieden. Stark reduzierte Formen wie der

deutsche Schwa-Laut [ə] kommen in der türkischen Sprache überhaupt nicht

vor. Im Türkischen gibt es nur das ungespannte [ɛ] als kurze Variante des [e].

Die Unterscheidung zwischen gespannten und ungespannten Vokalen im Deut-

schen stellt für Lerner mit Erstsprache Türkisch folglich eine besondere Her-

ausforderung dar (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 121).

5.2 Wörter und Morphologie

Die deutsche Sprache ist eine überwiegend flektierende oder beugende Spra-

che. Grammatische Kategorien werden mit Hilfe innerer (ich komme – ich

kam) oder äußerer Flexion (ich lache – du lachst) realisiert. Die Flexionsen-

dungen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass eine Endung mehrere

grammatische Informationen bereitstellt (vgl. Hentschel 2010: 85f.). Verben

werden hinsichtlich Person/Numerus, Modus, Tempus und Genus Verbi konju-

giert. Die Deklination von Nomen, Artikel, Pronomen und Adjektiven erfolgt

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5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 45

nach Kasus, Genus und Numerus (vgl. Hentschel 2010: 86f.). Die vielzähligen

Kombinationsmöglichkeiten von Kasus, Genus und Numerus bedingen ein

Formenreichtum, welches bei Lernern mit nichtdeutscher Erstsprache Verwir-

rung stiften kann (vgl. Tracy 2007: 145).

Demgegenüber ist das Türkische eine agglutinierende Sprache. Dies bedeutet,

dass neue Wörter und grammatische Formen durch das Anfügen bestimmter

Endungen an den Stamm modelliert werden (vgl. Tezel & Tuğutlu 2011: 18).

Die unterschiedlichen Suffixe sind dabei in ihrer Funktion eindeutig festgelegt,

sodass jede Endung für eine bestimmte grammatische Kategorie steht (vgl.

Hentschel 2010: 87). Die Kategorie des Genus gibt es im Türkischen allerdings

nicht. Auch kennt das Türkische keine Artikel (vgl. Çakır 2011: 22).

Die Markierungen werden vorrangig mit Hilfe von Endungen am Verb und am

Nomen hergestellt, wobei mehrere Endungen aneinandergereiht werden kön-

nen: kitap (Buch), kitap-lar (Bücher), kitap-lar-ɪm (meine Bücher), kitap-lar-

ɪm-da (in meinen Büchern). Die Suffixe werden dabei in einer festgelegten

Reihenfolge an die Nomen und Verben angehängt (vgl. Schröder & Şimşek

2014: 124).

Das Türkische kennt sechs Kasus, darunter den Nominativ, den Akkusativ, den

Dativ, den Lokativ (Bei wem oder wo?), den Ablativ (Von wem oder woher?)

und den Genitiv (vgl. Çakır 2011: 22). Während der Nominativ und der Akku-

sativ den jeweiligen Kategorien im Deutschen entsprechen, weisen die übrigen

Fälle Besonderheiten auf. Sowohl der Dativ als auch der Ablativ und der Loka-

tiv drücken im Türkischen Relationen aus, die in der deutschen Sprache mit

Hilfe von Präpositionen markiert werden. Während der Lokativ beispielsweise

nur einen Ort angibt, leisten Präpositionen eine spezifischere Beschreibung und

geben an, wo genau (an, auf, hinter, unter) sich etwas an diesem Ort befindet

(vgl. Schröder & Şimşek 2014: 124). Im Türkischen kann dies mit Hilfe von

Postpositionen, welche ihrem Bezugswort nachgestellt sind, erreicht werden

(vgl. Çakır 2011: 75). Dennoch stellt es für türkischsprachige Deutschlerner

eine besondere Herausforderung dar, sich die spezifischen Bedeutungen der

zahlreichen Präpositionen im Deutschen einzuprägen (vgl. Schröder & Şimşek

2014: 124).

Weitere grammatische Kategorien werden am Verb festgelegt. An das Verb

werden zu diesem Zwecke Suffixe angehängt, welche Tempus, Modalverben,

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5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 46

die Negation, den Rückverweis auf Gegenseitigkeit oder auf die eigene Person

sowie das Passiv kennzeichnen (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 125).

Um unterschiedliche Tempusformen auszudrücken, bedarf es im Türkischen

lediglich der Anfügung entsprechender Suffixe (vgl. Çakır 2011: 90). Die zahl-

reichen Hilfsverbkonstruktionen des Deutschen erscheinen dem türkischspra-

chigen Deutschlerner vor diesem Hintergrund mit hoher Wahrscheinlichkeit

komplex.

Es bleibt festzuhalten, dass das Türkische keine bis wenige Funktionswörter

verwendet. Die deutsche Sprache bedient sich definiter und indefiniter Artikel,

Personal- und Possessivpronomen, Präpositionen sowie einleitender Konjunk-

tionen, um Verbindungen zwischen Wörtern auszudrücken. Im Türkischen fügt

man vorrangig Suffixe an Nomen und Verben, um Relationen kenntlich zu

machen (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 123). Dass im Deutschen auch der Ar-

tikel oder das Adjektiv dekliniert werden, ist für den türkischsprachigen

Deutschlerner gewöhnungsbedürftig (vgl. ebd.: 125). Schröder & Şimşek

(2014: 125) halten die Flexion des Deutschen für eine der anspruchsvollsten

Aufgaben eines Deutschlerners mit Türkisch als Erstsprache. Dass mehrere

grammatische Funktionen innerhalb einer Endung fusionieren, stellt eine be-

sondere Schwierigkeit dar. Außerdem machen die Formenvielfalt bestimmter

grammatischer Kategorien, wie beispielsweise des Plurals, die im Türkischen

fehlende Kategorie des Genus sowie Stammveränderungen bei der Flexion, das

Deutschlernen zu einer anspruchsvollen Aufgabe (vgl. ebd.: 125).

5.3 Syntax

Die Grundreihenfolge des deutschen Satzes folgt dem Schema Subjekt-Verb-

Objekt. Im türkischen Aussagesatz steht an erster Stelle das Subjekt, darauf

folgt das Prädikat. Satzergänzungen in Form von Objekten oder Adverbialen

stehen zwischen dem Subjekt und dem Verb (vgl. Çakır 2011: 159f.). Wie in

den vorangegangenen Ausführungen zur Morphologie dargelegt, werden die

meisten grammatischen Kategorien allerdings durch Endungen gekennzeich-

net. So wird meist auch die Kategorie der Person durch eine Endung am Prädi-

kat kenntlich gemacht. Beispielsweise heißt ich arbeite im Türkischen

öğreniyor-um. Ein Subjekt in Form eines Pronomens entfällt also in einem sol-

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5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 47

chen Fall, sodass der Satz aus nur einem Wort, dem Verb, bestehen kann (vgl.

Çakır 2011: 160; Schröder & Şimşek 2014: 125f.).

Da als Subjekt jedoch nicht nur Pronomen, sondern ebenso Substantive oder

Substantivgruppen fungieren können (vgl. Çakır 2011: 159), ist die Grundrei-

henfolge Subjekt-Objekt-Verb dennoch von Bedeutung. Von dieser Grundrei-

henfolge kann jedoch abgewichen werden, um beispielsweise einen Satzteil

hervorzuheben (vgl. ebd.: 161). Der Teil des Satzes, welcher betont werden

soll, wird zu diesem Zwecke unmittelbar vor das Prädikat gestellt (vgl. ebd.:

161). Für das Türkische ist es typisch, Hervorhebungen durch Umstellungen

der Satzglieder anzuzeigen, während sich das Deutsche bevorzugt der Intonati-

on bedient, um einzelne Wörter oder Wortgruppen zu betonen (vgl. Schröder &

Şimşek 2014: 126).

Während man im Deutschen unterschiedliche Satztypen wie den Fragesatz

anhand ihrer Wortstellung erkennt, bleibt die Wortstellung im Türkischen

weitgehend einheitlich. Um aus dem türkischen Aussagesatz Sen resmi

görüyoursun (Du siehst das Bild) eine Frage zu formulieren, bedarf es keiner

Umstellung, sondern lediglich der Anfügung eines Fragepartikels: Sen resmi

gördün mü (Siehst du das Bild?). Die Frage wird nicht, wie für das Deutsche

üblich, durch entsprechende Intonation unterstrichen (vgl. ebd.: 126).

Hinsichtlich der Nebensatzstrukturen sind ebenfalls deutliche Unterschiede

zwischen dem Türkischen und dem Deutschen festzustellen. Der deutsche Ne-

bensatz wird mit Hilfe einer einleitenden Konjunktion und durch eine von der

Grundreihenfolge abweichende Wortstellung, der Verbletztstellung, konstru-

iert. Demgegenüber verzichtet das Türkische auf einleitende Konjunktionen

und bedient sich einer spezifischen Verbendung für Nebensätze (vgl. ebd.:

127).

Da die deutsche Verbzweitstellung sowie die variierende Verbstellung in den

unterschiedlichen Satzarten im Kontrast zur Subjekt-Objekt-Verb-Stellung des

Türkischen stehen, ist im Bereich der Syntax möglicherweise mit Schwierig-

keiten zu rechnen (vgl. ebd.: 127). Die Vielzahl der deutschen Funktionswörter

wie Artikel, Pronomen und Konjunktionen verstärken diese Problematik. Wäh-

rend diese im Türkischen durch Suffixe gekennzeichnet werden oder nicht

existieren, müssen sie im Deutschen korrekt in unterschiedliche Satzarten wie

Aussage- oder Fragesätzen eingereiht werden (vgl. ebd.: 127).

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5 Kontrastiver Vergleich: Deutsch vs. Türkisch 48

5.4 Lexik/Semantik und Pragmatik

Das türkische nominale Vokabular beinhaltet vielzählige arabische und persi-

sche Lehnwörter. Im 19. und 20. Jahrhundert kamen außerdem Wörter aus dem

Französischen hinzu, da dieses als Bildungssprache wachsendes Ansehen er-

fuhr (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 128). Erst seit den letzten Jahrzehnten be-

dient sich das Türkische auch englischer Lehnwörter wie futbol (Fußball) oder

şok (Schock). Einige Vokabeln wurden sogar dem Deutschen entnommen, bei-

spielsweise otoban (Autobahn) und tekniker (Techniker) (vgl. ebd.: 129).

Neue Wörter können darüber hinaus mit Hilfe der vielzähligen Wortbildungs-

suffixe aus bereits vorhandenen Wörtern abgeleitet werden. Aus den Endungen

-li und -siz leitet man beispielsweise Adjektive aus Substantiven ab (vgl. Çakır

2011: 167f.). Im Deutschen wird die Ableitung beziehungsweise Derivation

sowohl durch Suffigierung als auch durch Präfigierung vorgenommen (vgl.

Hentschel 2010: 391) und gestaltet sich demnach variabler und weniger ein-

heitlich als im Türkischen.

Charakteristisch für das Türkische sind darüber hinaus die Leichtverben

yapmak und etmek, welche der deutschen Übersetzung machen oder tun ent-

sprechen. Sie werden meist genutzt, um fremdsprachige Wörter ins Türkische

zu integrieren und neue Verben zu schaffen: download etmek bedeutet bei-

spielsweise downloaden (vgl. Schröder & Şimşek 2014: 129).

Wie in den Ausführungen zur Syntax bereits ausgeführt, unterscheiden sich das

Türkische und das Deutsche wesentlich in ihren Strategien zur Hervorhebung

von Teilinformationen innerhalb eines Satzes. In der gesprochenen Sprache ist

diese Differenz besonders präsent: Während sich das Türkische überwiegend

einer variablen Wortstellung bedient, um Informationen in den Vordergrund zu

rücken, erreicht man im Deutschen selbiges durch eine entsprechende Intonati-

on (vgl. Schröder & Şimşek 2010: 722).

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 49

6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit

Vor dem Hintergrund, dass eine Sprachförderung möglichst früh einsetzen soll-

te (⊳Kap. 3.2.2; ⊳Kap. 4.2.1), beziehen sich die folgenden Ausführungen auf

den Elementarbereich. Sprachdiagnostik und Sprachförderung sind eng mitei-

nander verzahnt, denn wie im Folgenden dargelegt, setzt eine angemessene

Förderung die Kenntnis des aktuellen Sprachstandes eines Kindes voraus.

Sprachdiagnostik umfasst vier grundlegende Ziele: Darunter fällt erstens die

Erfassung der kindlichen Sprachkompetenz, welche die Identifikation von De-

fiziten und Ressourcen ermöglicht. Sprachdiagnostik soll zweitens eine Spra-

chentwicklungsstörung von pädagogischer Förderbedürftigkeit differenzieren.

Drittens beabsichtigt eine Diagnostik die Ableitung individueller therapeuti-

scher beziehungsweise präventiver Maßnahmen, um die sprachlichen Fähigkei-

ten des Kindes zu optimieren. Das vierte Ziel bezieht sich auf die Evaluation

ergriffener Maßnahmen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 132). Für eine effektive

Förderung bedeutet dies Folgendes: Das Wissen über Ressourcen ermöglicht

ein Ansetzen am aktuellen Entwicklungsstand des Kindes (⊳Kap. 7.2.3). Eine

gründliche Differentialdiagnose verhindert Fehldiagnosen16

(vgl. Scharff

Rethfeldt 2013: 135) und stellt sicher, welches Kind einer Förderung bedarf.

Eine begleitende Evaluation gibt Aufschluss über die Fortschritte, die ein Kind

im Rahmen der Förderung erzielt.

Das diagnostische Ziel der Differentialdiagnose, welche eine Sprachentwick-

lungsstörung von pädagogischer Förderbedürftigkeit unterscheidet, ist im Kon-

text von Mehrsprachigkeit allerdings problembehaftet, da es eine Reihe sprach-

licher Auffälligkeiten gibt, die bei monolingual deutschsprachigen Kindern als

klinisches Symptom einer Sprachentwicklungsstörung gelten, bei mehrsprachi-

gen Kindern hingegen in physiologischen Prozessen des Zweitsprachenerwerbs

begründet liegen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 138f.). Auch ist es möglich, dass

der Spracherwerb bilingualer Kinder aufgrund ungünstiger exogener Faktoren

auffällig erscheint, obwohl keine Sprachentwicklungsstörung vorliegt (vgl.

Kracht & Rothweiler 2003: 193). Bislang existiert kein Verfahren, das eine

16

Wird ein mehrsprachiges Kind fälschlicherweise als therapiebedürftig eingestuft, spricht

man von mistaken identity. Bleiben einem Lerner eigentlich notwendige Therapiemaßnahmen

verwehrt, da man Merkmale einer Sprachstörung auf die mehrsprachige Erwerbssituation zu-

rückführt, ist von missed identity die Rede (vgl. Paradis 2005: 173).

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 50

verlässliche Abgrenzung zwischen einer Spezifischen Sprachentwicklungsstö-

rung (SSES) und Auffälligkeiten im Zweitspracherwerb zulässt (vgl. Chilla

2014: 57). Eine SSES kann nur dann zuverlässig diagnostiziert werden, wenn

sich entsprechende Störungsbilder sowohl in der Erst- als auch in der Zweit-

sprache feststellen lassen (vgl. ebd.: 65). In diesem Zusammenhang ist zu beto-

nen, dass eine SSES weder in einer mehrsprachigen Erwerbssituation begrün-

det liegt, noch bei zweisprachigen Kindern häufiger auftritt (vgl. ebd.: 58).

Wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, muss eine Sprachdiagnostik

sowohl die Erst- als auch die Zweitsprache eines mehrsprachigen Kindes be-

rücksichtigen (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 140).

Um den individuellen Erwerbsbedingungen eines mehrsprachigen Kindes aus-

reichend Beachtung einzuräumen, ist eine ausführliche Anamnese durchzufüh-

ren. Eine gründliche und aussagekräftige Diagnostik umfasst darüber hinaus

Beobachtungen in Spiel- oder Gesprächssituationen und den Einsatz prozess-

orientierter Spracherhebungsverfahren (vgl. ebd.: 140).

6.1 Anamnese: Bilinguales Patientenprofil

Am Anfang einer Diagnostik sollte eine ausführliche Anamnese stehen, um die

bilinguale Sprachenbiografie des Kindes zu rekonstruieren (vgl. Kannengieser

2015: 428; Scharff Rethfeldt 2013: 140). Vor allem bezüglich der Erstsprach-

kompetenzen, welche durch deutsches Fachpersonal nur schwer einzuschätzen

sind, können durch ein Anamnesegespräch wertvolle Informationen gewonnen

werden (vgl. Kannengieser 2015: 428). Scharff Rethfeldt (2013: 141) empfiehlt

die Erstellung eines Bilingualen Patientenprofils (BPB) zur „Erfassung der

lebensweltlichen Mehrsprachigkeit“ (ebd.: 141). Dabei sollen sämtliche Infor-

mationen zur bilingualen Sprachenbiografie des Kindes zusammengetragen

werden: Wie verlief/verläuft der Spracherwerb in beiden Sprachen? Seit wann

werden die jeweiligen Sprachen erworben? Wie gestalten sich die einzel-

sprachlichen Kompetenzen? In welchen Kontexten und mit welchen Bezugs-

personen wird welche Sprache genutzt? Zeigen sich Besonderheiten (Transfers,

Sprachmischungen) im Sprachgebrauch? Welche Rolle spielt die Kultur der

Erstsprache? Welche Einstellungen haben Kind und Bezugspersonen zur

Mehrsprachigkeit? Durch welche Faktoren wird Mehrsprachigkeit gehemmt,

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 51

durch welche kann sie gefördert werden?17

(vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 142-

144).

Im Anamnesegespräch ist mit einer Sprachbarriere zwischen den Bezugsperso-

nen des Kindes und der Fachperson zu rechnen (vgl. Kannengieser 2015: 428).

Im Kontext der vorliegenden Arbeit wären beispielsweise Kommunikations-

schwierigkeiten zwischen türkischsprachigen Eltern und einer deutschsprachi-

gen Fachperson denkbar. Der Einsatz von Dolmetschern kann helfen, dies zu

vermeiden, birgt jedoch die Gefahr, dass Informationen unbewusst verfälscht

werden (vgl. Kannengieser 2015: 428). Eine weitere Möglichkeit Sprachbarrie-

ren zu überwinden, bietet der Fragebogen zum Erhalt von Informationen zum

Bilingualen Patientenprofil – Kinder (vgl. Scharff Rethfeldt 2012), welcher

unter anderem in türkischer Sprache verfügbar ist.18

Im Gegensatz zu einem

Gespräch ist die Informationsdichte eines Fragebogens jedoch geringer, da

keine vertiefenden Fragen gestellt werden können und affektive Faktoren ver-

loren gehen. Unter Bedacht ihrer jeweiligen Nachteile und möglichst einander

ergänzend eignen sich sowohl ein Dolmetscher als auch die Verwendung eines

Fragebogens, um Sprachbarrieren zu überwinden.

6.2 Beobachtung

Ein zweiter wichtiger Bestandteil der Diagnostik bildet die Beobachtung des

Kindes in Spiel- oder Gesprächssituationen in der Erst- und Zweitsprache (vgl.

Scharff Rethfeldt 2013: 140). Sie bietet die Möglichkeit der qualitativen Erhe-

bung spontansprachlicher Äußerungen und spielt vor allem in der Früherken-

nung eine herausragende Bedeutung (vgl. ebd.: 147). Videoaufzeichnungen

ermöglichen die erneute Betrachtung einzelner Szenen sowie die gezielte Ana-

lyse einzelner sprachlicher Phänomene (vgl. ebd.: 148).

In diesem Zusammenhang ist auf das Beobachtungsverfahren Sismik (Ulich &

Mayr 2003a) zu verweisen, welche für die systematische und prozessorientierte

Begleitung des kindlichen Sprachverhaltens entwickelt wurde (vgl. Kniffka &

Siebert-Ott 2012: 130).

17

Ein ausführlicher Leitfaden zur Erstellung des BPB findet sich in Scharff Rethfeldt (2013:

142-144). 18

Online verfügbar unter https://eref.thieme.de/images/supmat/269400101_BPP_tuerkisch.pdf

(letzter Zugriff 02.09.17).

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 52

Sismik (Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern) kann

für Kinder von 3;5 Jahren bis kurz vor dem Schuleintritt eingesetzt werden. Im

Vordergrund stehen die Beobachtung des Interesses und der Motivation an

Sprache sowie die Erfassung von Artikulation, Grammatik und Syntax. Erfasst

werden außerdem Kompetenzen, welche im Zusammenhang mit Literacy ste-

hen. Darüber hinaus werden Informationen über die Verwendung der Familien-

sprache gesammelt. Der Bogen stellt außerdem die Frage, in welchen Situatio-

nen das Kind in der Einrichtung die Erstsprache gebraucht. Die Beobachtungen

finden in sprachrelevanten Handlungskontexten statt, beispielsweise am Früh-

stückstisch oder bei der Bilderbuchbetrachtung (vgl. Ulich & Mayr 2003b:

o.S.).

6.3 Testverfahren

Die Erfassung sprachlicher Kompetenzen mittels informeller oder standardi-

sierter Verfahren bildet die dritte Konstituente einer umfassenden Diagnostik

(vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 140).

In der sprachheilpädagogischen Praxis vergleicht man die Sprachkompetenzen

eines mehrsprachigen Kindes häufig mit den Fähigkeiten einer monolingualen

Sprechergruppe (vgl. ebd.: 133). Dazu werden standardisierte und informelle

Verfahren angewandt, die auf monolinguale Sprechergruppen ausgerichtet sind

und folglich auch monolinguale Bezugsnormen formulieren (vgl. ebd.: 133).

Testet man ein mehrsprachiges Kind mit einem entsprechenden Verfahren in

seiner Zweitsprache Deutsch, führt dies nicht selten zu verzerrten Ergebnissen,

da die bilinguale Erwerbssituation in der Konzeption des Verfahrens unberück-

sichtigt bleibt (vgl. ebd.: 133). Zudem zielen herkömmliche Verfahren meist

auf kulturspezifisches Wissen und Erfahrungsgut der Mehrheitsgesellschaft,

wobei zweisprachig aufwachsende Kinder nicht selten hinsichtlich der Kultur

ihrer Erstsprache geprägt werden (vgl. Lengyel 2009: 211). Dies birgt die Ge-

fahr, dass sprachliche Lücken, die in einer differenten kulturellen Prägung be-

gründet liegen, fälschlicherweise auf eine Sprachstörung zurückgeführt werden

(vgl. ebd.: 211).

Ähnliche Problematiken zeigen sich bei Diagnoseinstrumenten, welche die

Fähigkeiten in der Erstsprache überprüfen. Im angloamerikanischen Raum

verwendete man vor allem in den 1970er-Jahren verstärkt Diagnoseverfahren

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 53

aus den Herkunftsländern der zweisprachigen Kinder, um Vergleiche in der

Erstsprache anstellen zu können. Eine Standardisierung entlang der Kompeten-

zen monolingualer Sprecher ist allerdings auch hier bedenklich, da der bilingu-

ale Erwerb zeitliche Verschiebungen aufweisen kann und migrationsspezifi-

sche Veränderungen in der Sprachverwendung (Immigrant Turkish) keine Be-

achtung finden (vgl. Lengyel 2007: 101).

Um Verzerrungen zu vermeiden, sollten Ergebnisse daher immer unter Berück-

sichtigung der mehrsprachigen Erwerbssituation des Kindes interpretiert wer-

den. Darunter fällt unter anderem Wissen über Prozesse des bilingualen

Spracherwerbs, über die Erst- und Zweitsprache des Kindes, über kulturelle

Hintergründe oder das Alter zu Erwerbsbeginn (vgl. Kohnert 2013: 150f.).

In jüngster Zeit ist die Zahl spezieller Verfahren zur Sprachstandfeststellung

mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher merklich gestiegen, nicht zuletzt als

Reaktion auf die besorgniserregenden Ergebnisse der ersten PISA-Studie (vgl.

Döll 2012: 15; 75). Um präventive Fördermaßnahmen rechtzeitig einzuleiten,

müssen sprachliche Rückstände möglichst früh identifiziert werden. Aus die-

sem Grund konzentriert sich die Mehrheit der diagnostischen Verfahren auf

den Elementar- und Primarbereich (vgl. Kniffka & Siebert-Ott 2012: 122).

Aufgrund ihrer jeweiligen Besonderheiten und ihrer Passung für türkischspra-

chige Kinder, werden im Folgenden aus der Fülle der verfügbaren Verfahren

lediglich die Erhebungsinstrumente LiSe-DaZ, ESGRAF-MK, der CITO-Test

und HAVAS 5 knapp dargestellt.

6.3.1 LiSe-DaZ

Die Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (Schulz

& Tracy 2011) wurde im Auftrag der Landesstiftung Baden-Württemberg ent-

wickelt und erfasst den Sprachentwicklungsstand von mehrsprachigen Kindern

mit Deutsch als Zweitsprache im Alter von 3;0 bis 7;11 Jahren, die mit Eintritt

in den Kindergarten erstmals intensiv mit der deutschen Sprache in Kontakt

gekommen sind (vgl. Schulz 2013: 193). LiSe-DaZ erfüllt die testtheoretischen

Gütekriterien und basiert auf Erkenntissen der Spracherwerbsforschung (vgl.

ebd.: 194). Das Verfahren lässt allerdings keine verlässlichen Rückschlüsse

über das Vorliegen einer Sprachentwicklungsstörung zu (vgl. Kannengieser

2015: 433). Primäres Ziel ist die Ableitung geeigneter Fördermaßnahmen so-

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 54

wie die Evaluation von Entwicklungsfortschritten durch wiederholte Testungen

(vgl. Schulz 2013: 193). LiSe-DaZ ist auf der Grundlage sukzessiv mehrspra-

chiger Kinder normiert und berücksichtigt in der Auswertung die Kontaktmo-

nate mit der Zweitsprache Deutsch (vgl. Kannengieser 2015: 433). Im Bereich

Sprachproduktion werden die Subjekt-Verb-Kongruenz, die Kasusmarkierung,

die Satzklammer und die Beherrschung von Präpositionen, Fokuspartikeln,

Konjunktionen sowie Voll-, Modal- und Hilfsverben überprüft. Das Modul

Sprachverständnis umfasst Subtests zur Negation, zu w-Fragen und zur Verb-

bedeutung (vgl. Schulz 2013: 193).

Bei LiSe-DaZ handelt es sich um ein den testmethodischen Standards entspre-

chendes Verfahren, welches leicht handhabbar und kindgerecht gestaltet ist.

Dass die Erstsprache des Kindes keinerlei Beachtung erfährt, ist hingegen kri-

tisch zu betrachten (vgl. Lengyel 2012: 31). Dass das Verfahren auf Erkennt-

nissen zum DaZ-Erwerb fußt und entsprechend hinsichtlich der Daten sukzes-

siv mehrsprachiger Kinder normiert ist, unterscheidet es von anderen Diagno-

seinstrumenten und rechtfertig seinen Einsatz.

6.3.2 ESGRAF-MK

Die evozierte Sprachdiagnose grammatischer Fähigkeiten für mehrsprachige

Kinder (Motsch 2011), ein softwaregestütztes Screeningverfahren für Kinder

von 4;0 bis 10;0 Jahren, erlaubt die Überprüfung von Sprachfähigkeiten in der

Erstsprache Türkisch. ESGRAF-MK fokussiert die Erfassung grammatischer

Fähigkeiten, um zu überprüfen, ob eine Sprachstörung in der Erstsprache vor-

liegt. Ziel ist eine Differentialdiagnose zwischen Kindern mit unzureichenden

Kenntnissen im Deutschen, Kindern mit Sprachmängeln in beiden Sprachen

und Kindern mit einer SSES (vgl. Gagarina 2014b: 77).

Da zu wenige Erkenntnisse über die Aneignung des Türkischen in der Migrati-

on vorliegen, orientieren sich die Normdaten an dem monolingualen Spracher-

werb türkischer Kinder im Herkunftsland (vgl. Lengyel 2012: 26). Besonder-

heiten des Immigrant Turkish werden dementsprechend nicht berücksichtigt,

sodass die pädagogische Fachkraft entsprechende Unterschiede in der Auswer-

tung selbst berücksichtigen sollte. In der Annahme, dass elementare grammati-

sche Kompetenzen in allen Sprachen bis zum dritten Lebensjahr erworben

werden, sind entsprechende Defizite ab einem Alter von fünf Jahren als mögli-

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 55

che Hinweise einer SSES zu interpretieren (vgl. Motsch 2011: 9). Das Verfah-

ren bietet den entscheidenden Vorteil der computergestützten Durchführung

und Auswertung, sodass auch nicht türkischsprachiges Fachpersonal das

Screening durchführen kann (vgl. Kannengieser 2015: 432). Zwar erfüllt

ESGRAF-MK nicht die testdiagnostischen Standards, allerdings wurde er vor

dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse zum Spracherwerb konzipiert

(vgl. Lengyel 2012: 26).

6.3.3 CITO Sprachtest

Der CITO Sprachtest für 4- bis 7-jährige Kinder (Duindam & Konak 2008)

erfasst rezeptive Sprachkompetenzen von zweisprachigen Kindern mit Tür-

kisch als Erstsprache (vgl. Gagarina 2014b: 76f.). Überprüft werden die Berei-

che Phonologische Bewusstheit, Passiver Wortschatz, Kognitive Begriffe und

Textverstehen (vgl. Duindam, Konak & Kamphuis 2010: 27).

Bei dem Verfahren handelt es sich um ein computergestütztes Programm, wel-

ches die Kinder selbstständig bearbeiten, indem sie den Anweisungen der

Computerstimme folgen, beispielsweise Klicke auf das Bein. Der Test wird

zuerst auf Deutsch und wenige Tage später auf Türkisch bearbeitet (vgl.

Lengyel 2012: 23).

Durch die computerbasierte Konzeption ist eine hohe Durchführungs- und

Auswertungsobjektivität gegeben (vgl. Gagarina 2014b: 77). Das Verfahren

wurde unter anderem für seine wenig ansprechende Gestaltung und die isolierte

Betrachtung rezeptiver Fähigkeiten kritisiert (vgl. Döll 2012: 85).

6.3.4 HAVAS 5

Das Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands Fünfjähriger (Reich

& Roth 2007) ermöglicht eine Überprüfung in der Erstsprache Türkisch sowie

in der Zweitsprache Deutsch und liefert damit ein gesamtsprachliches Kompe-

tenzprofil (vgl. Döll 2012: 78). Getestet werden die Kompetenzbereiche Er-

zählfähigkeit, Wortschatz und Grammatik beziehungsweise morpho-

syntaktische Fähigkeiten (vgl. Reich & Roth 2007: 85f.). Aufgrund sprach-

struktureller Unterschiede werden für das Türkische und Deutsche je spezifi-

sche Indikatoren zur Erfassung der grammatischen Kompetenz herangezogen

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 56

(vgl. Reich & Roth 2007: 75; 78). Das Verfahren ist sowohl bei ein- als auch

bei zweisprachigen Kindern anwendbar und wird ein Jahr vor Schulbeginn

beziehungsweise kurz vor der Einschulung eingesetzt, um förderbedürftige

Kinder frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Fördermaßnahmen zu

veranlassen (vgl. ebd.: 71).

Die sprachlichen Äußerungen werden mit Hilfe einer von einem Vogel und

einer Katze handelnden Bildergeschichte evoziert (vgl. ebd.: 84). Um die ge-

sprochene Sprache des Kindes im Nachhinein leichter auswerten zu können,

wird diese während der Durchführung aufgezeichnet (vgl. Reich & Roth 2007:

82). Bei zweisprachigen Kindern wird die Auswertung nicht anhand von Al-

tersnormen vorgenommen, sondern orientiert sich an der Kontaktdauer mit der

Zweitsprache (vgl. Reich & Roth 2007: 73). Als eines von wenigen Verfahren

bietet HAVAS 5 die Möglichkeit, Sprachkontaktphänomene wie das Code-

Switching zu erfassen (vgl. Dirim 2007: 121f.).

Neben der Kompetenzorientierung des Verfahren (vgl. Lengyel 2012: 33) ist

vor allem positiv zu bewerten, dass „nicht eine wie auch immer geartete

,Testsprache‘ vom Kind gefordert wird, sondern seine spontanen Äußerungen

genutzt werden, mit denen es sein individuelles Können zeigen kann“ (ebd.:

33). Durch die Aufzeichnung und Analyse der spontansprachlichen Äußerun-

gen ist unter Umständen jedoch mit einem erhöhten Aufwand zu rechnen.

6.4 Konklusion und diagnostische Empfehlungen

Diagnostisches Handeln im Rahmen von Mehrsprachigkeit erfordert allem vo-

ran eine gründliche Rekonstruktion der Sprachenbiografie des Kindes, um Er-

gebnisse diagnostischer Testverfahren oder Beobachtungen zielführend inter-

pretieren zu können.

Da die meisten Testverfahren nur Ausschnitte der gesamtsprachlichen Kompe-

tenz erfassen, eignen sie sich nach Döll (2007: 84) eher weniger zur Ableitung

geeigneter Fördermaßnahmen. Auch ermöglichen die meisten Verfahren keine

verlässliche Aussage über das Vorliegen einer SSES (vgl. Chilla, Rothweiler &

Babur 2013: 103). Zwar zielt ESGRAF-MK auf eine Differentialdiagnose, je-

doch beziehen sich die zugrunde gelegten Normdaten nicht auf türkischspra-

chige Kinder in Migrationskontexten. Jedoch können die Verfahren im Sinne

eines Screenings zur Identifikation förderbedürftiger Kinder eingesetzt werden,

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6 Diagnostik im Rahmen von Mehrsprachigkeit 57

sofern darauffolgend weitere Verfahren oder diagnostische Tätigkeiten an-

schließen, um spezifische Förderziele abzuleiten (vgl. Döll 2007: 84). Scheffler

und Sterkenburgh (2009: 147-185) zeigen am Beispiel von CITO und HAVAS

5 wie ein entsprechendes Vorgehen aussehen kann. Chilla, Rothweiler & Babur

(2013: 109) betonen außerdem die Notwendigkeit der Kombination von Be-

obachtung und Test, da eine systematische Beobachtung nicht nur einzelne,

sondern die Gesamtheit der sprachlichen Bereiche erfasst. Weil die dargestell-

ten Verfahren zur Erfassung der türkischsprachigen Kompetenz allesamt frü-

hestens für Kinder ab vier Jahren geeignet sind, spielt vor allem für jüngere

Kinder die diagnostische Komponente der Beobachtung eine wichtige Rolle.

Beobachtungsverfahren wie Sismik unterstützen ein solches Vorgehen.

Um Aussagen über die Effektivität einer Förderung zu erlangen, sollten die

Diagnoseinstrumente außerdem evaluativ eingesetzt werden (Scharff Rethfeldt

2013: 132).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 58

7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit

Vorweg ist anzumerken, dass eine Sprachförderung unbedingt von einer

Sprachtherapie19

abzugrenzen ist, da diese in keinem Fall eine professionelle

therapeutische Intervention ersetzen kann. Eine Sprachförderung begleitet und

unterstützt die Spracherwerbsprozesse von Kindern, bei denen eine Diagnostik

(⊳Kap. 6) keine SSES nachweisen konnte (vgl. Scharff Rethfeldt 2013: 163).

Die folgenden Ausführungen erheben keineswegs den Anspruch, Kinder mit

einer Sprachstörung zu therapieren, sondern beziehen sich auf Kinder, die im

Sinne primärer20

und sekundärer Prävention unterstützt werden sollen. Primäre

Prävention richtet sich in diesem Kontext an alle Kinder mit türkischer Erst-

sprache, wobei sekundäre Prävention solche Kinder betrifft, bei denen sprach-

liche Auffälligkeiten festgestellt wurden (Kammermeyer & Roux 2013: 515).

Ziel ist es, Sprachentwicklungsproblemen vorzubeugen (vgl. ebd.: 515) und die

Kinder auf die sprachlichen Anforderungen der Schule vorzubereiten (vgl. Ad-

ler 2011: 21).

Da Literacy-Erfahrungen und die phonologische Bewusstheit (⊳Kap. 3.2) un-

abdingbare Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die Schule darstel-

len, sollten diese Kompetenzen grundsätzlich bei allen Kindern gefördert wer-

den. Gleiches gilt für den Wortschatz, der aufgrund der domänenspezifischen

Aneignung in den einzelnen Sprachen weniger stark ausgeprägt ist als bei mo-

nolingualen Kindern (⊳Kap. 4.6.2.2). Ausführungen zum Erwerb des Deut-

schen als Zweitsprache (⊳Kap. 4.6.2) und der kontrastive Vergleich zwischen

dem Deutschen und dem Türkischen (⊳Kap. 5) machen deutlich, welche Stol-

persteine sich DaZ-Lernenden mit Türkisch als Erstsprache darüber hinaus auf

den verschiedenen sprachlichen Ebenen in den Weg stellen können. Darüber,

welche Bereiche außerdem einer Förderung bedürfen, gibt die Ermittlung des

aktuellen Sprachstands (⊳Kap. 6) Aufschluss. Der Umfang der Arbeit erlaubt

es nicht, explizit auf jeden dieser möglichen Stolpersteine einzugehen. Einzel-

19

Ansätze zum therapeutischen Vorgehen bei Sprachstörungen im Kontext von Mehrsprachig-

keit finden sich unter anderem in Scharff Rethfeldt (2013) und in Chilla & Haberzettl (2014). 20

Primäre Prävention wird zum Teil unter den Begriff der Sprachbildung gefasst (vgl. Kam-

mermeyer & Roux 2013: 515). In der vorliegenden Arbeit wird Sprachförderung folglich als

Oberbegriff verstanden, welcher Sprachbildung im Sinne primärer Prävention einschließt.

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 59

ne Problematiken werden jedoch aufgegriffen und entsprechende Fördermög-

lichkeiten aufgezeigt.

7.1 Förderung im Elementarbereich

In ⊳Kap. 3.2 wurde deutlich, dass insbesondere angesichts der schulischen

Anforderungen Schriftspracherwerb und Unterrichtssprache eine Förderung

vor dem Eintritt in die Primarstufe notwendig ist. In der Vergangenheit hat sich

gezeigt, dass eine im letzten Kindergartenjahr einsetzende Förderung jedoch

keineswegs als ausreichend anzusehen ist (vgl. Hoffmann u.a. 2008: 298; Tra-

cy 2011: 81). Die Annahme einer sensiblen Phase des Spracherwerbs (⊳Kap.

4.2.1) sowie die Tatsache, dass sich Literacy-Erfahrungen, als bedeutende Vor-

läuferfertigkeiten des Schriftspracherwerbs und der Aneignung kognitiv-

akademischer Sprachfähigkeiten (CALP), bereits lange vor dem Schuleintritt

entwickeln (⊳Kap. 3.2.2), lassen keinen Zweifel daran, dass eine Förderung

bereits vor dem letzten Kindergartenjahr einsetzen muss.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Personalausstattung deut-

scher Kindergärten eine Umsetzung möglicherweise nicht einfach macht. Im

Jahr 2015 lag der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen in Gruppen

für Kinder bis zu drei Jahren bei 1:4,3, in Gruppen für Kinder ab drei Jahren

bei 1:9,4 (vgl. Bertelsmann Stiftung 2016: 2f.). Erschwerend kommen zeitliche

und räumliche Einschränkungen hinzu (vgl. Tracy 2011: 81).

Eine Förderung kann entweder alltagsintegriert (⊳Kap. 7.4) oder durch die

Anwendung additiver Förderprogramme (⊳Kap. 7.6) realisiert werden. Bevor

die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten thematisiert werden, müssen allge-

meine Prinzipien formuliert werden, an welchen sich eine Unterstützung des

Kindes orientieren sollte. Nachdem außerdem auf förderliches Sprachverhalten

der kindlichen Bezugspersonen eingegangen wurde, werden konkrete Förder-

möglichkeiten dargelegt.

7.2. Allgemeine Förderprinzipien

Auf Grundlage der vorangegangenen Darstellungen zum Spracherwerb unter

den Bedingungen von Mehrsprachigkeit lassen sich folgende Fördergrundsätze

ableiten:

Page 65: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 60

7.2.1 Förderung von Erst- und Zweitsprache

In den bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass zahlreiche Gründe für

eine parallele Förderung der Erstsprache Türkisch und der Zweitsprache

Deutsch sprechen:

Die Sprachkompetenzen einer zweiten Sprache bilden sich auf Basis der

Erstsprachfähigkeiten aus (⊳Kap. 4.3.3)

Liegt in beiden Sprachen ein ausreichend hohes Kompetenzniveau vor, ist

Mehrsprachigkeit mit kognitiven Vorteilen verbunden (⊳Kap. 4.3.3)

In der Erstsprache bereits ausgebildete kognitiv-akademische Fähigkeiten

können auf die Zweitsprache übertragen werden und die Ausbildung

literaler Kompetenzen unterstützen (⊳Kap. 4.6.2.5)

Bilinguale Kinder verfügen über zwei mentale Lexika, welche über ein

gemeinsames konzeptuelles System miteinander vernetzt sind (⊳Kap.

4.3.2)

Die Wertschätzung der Erstsprache wirkt sich positiv auf die Sprachlern-

motivation und die sozioemotionale Entwicklung aus, welche wichtig für

den Ausbau von Sozialkompetenz, Identität und Gefühlswelt sind (⊳Kap.

4.2.3).

Ein Blick in die Bildungs- und Erziehungspläne für den Elementarbereich

macht deutlich, dass viele Bundesländer das Potential der Erstsprache anerken-

nen und auf eine Berücksichtigung und Wertschätzung der Erstsprachen bilin-

gualer Kinder hinweisen. Teilweise werden sogar Vorschläge angeführt, in

welcher Weise eine Wertschätzung der Erstsprache umgesetzt werden kann.

Für Kinder mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund formuliert der Bil-

dungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen bei-

spielsweise das Ziel, „[d]ie deutsche Sprache erlernen und diese situationsan-

gemessen anwenden [zu] können, bei gleichzeitiger Wertschätzung der Her-

kunftssprache“ (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration & Hessi-

sches Kultusministerium 2014: 49). Eine Berücksichtigung der Erstsprache

zeigt sich auch im Orientierungsplan für Bildung und Erziehung des Nieder-

sächsischen Kultusministeriums:

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 61

Die Zweitsprache wird im Kindergartenalter nicht wie die Muttersprache quasi

von selbst erworben, deshalb bedürfen Kinder aus zugewanderten Familien

hierbei einer besonderen Unterstützung. Gleichzeitig muss die Erstsprache mit

ihrer Identität stiftenden Funktion einen Platz in der Kindertagesstätte haben

(zweisprachige Bilderbücher, fremdländische Buchstaben, etc.). (Niedersächsi-

sches Kultusministerium 2005: 20)

Im Kontext von Mehrsprachigkeit sollte eine Sprachförderung folglich zwei

grundlegende Aspekte beinhalten (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 117):

Einerseits die Förderung der deutschsprachigen Kompetenz, um eine Teilhabe

am gesellschaftlichen Leben sowie am deutschen Bildungssystem zu ermögli-

chen. Andererseits zielt eine Sprachförderung auf die Unterstützung der mehr-

sprachigen Kompetenz durch die Wertschätzung und Förderung der Erstspra-

che (vgl. ebd.: 117).

Indem man die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten und Kompetenzen

mehrsprachiger Kinder in einer Förderung berücksichtigt, können Kinder als

„Experten für ihre Erstsprache(n) und als Experten für Mehrsprachigkeit“

(ebd.: 122) auftreten. Durch eine metasprachliche Betrachtung beider Sprachen

bietet sich außerdem die Möglichkeit, sprachliche und kulturelle Unterschiede

zu thematisieren. Dabei wird die metasprachliche Kompetenz der Kinder, eine

wichtige Voraussetzung für den Schriftspracherwerb, gefördert (vgl. ebd.:

122).

Gogolin (2009: 83) kritisiert, dass in der Praxis dennoch vornehmlich Maß-

nahmen zur Frühförderung des Deutschen ergriffen werden (vgl. ebd. 83). Dies

steht möglicherweise im Zusammenhang damit, dass die Umsetzung einer ef-

fektiven Förderung der Erstsprache im Kindergarten oder in der Kindertages-

stätte schwer umzusetzen ist. Erstens fehlt es an mehrsprachigem beziehungs-

weise türkischem Fachpersonal, welches die Kinder in ihrer Erstsprachent-

wicklung angemessen unterstützen kann (vgl. Chilla, Rothweiler & Babur

2013: 122f.). Zweitens ist davon auszugehen, dass in den meisten Kindertages-

stätten vielfältige Erstsprachen vertreten sind (vgl. ebd.: 122f.). Aus diesen

Gründen empfiehlt es sich, die Förderung der Erstsprache vor allem im familiä-

ren und häuslichen Kontext des Kindes zu verorten (vgl. Adler 2011: 128;

Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 123). Dies bedeutet keineswegs, dass die

Eltern auf sich alleine gestellt sind. Vielmehr soll die Beziehung zwischen In-

stitution und Eltern interaktiv gestaltet werden. Der Family-Litercay-Ansatz

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 62

(⊳Kap. 7.5.1) zeigt, wie eine Unterstützung der häuslichen Förderung sowie

die Kooperation zwischen Institution und Eltern organisiert sein kann.

Dennoch sollte die Erstsprache im institutionellen Kontext nicht durchweg

unberücksichtigt bleiben, denn im Kindergarten bieten sich zahlreiche Mög-

lichkeiten, um den Erstsprachen der Kinder ausreichend Beachtung beizumes-

sen: Farben, Zahlen oder Lieder können in unterschiedlichen Sprachen gelernt

werden (vgl. Lamparter-Posselt & Jeuk 2014: 159). Ebenso eignen sich mehr-

sprachige Bildwörterbücher und zweisprachige Erzählungen, welche das Deut-

sche und das Türkische integrieren und von frühpädagogischen Fachkräften im

Dialog mit den Kindern betrachtet werden können (⊳Kap. 7.4.1).

7.2.2 Zielorientierung

Um effektiv zu fördern und die Kinder in ihrer Sprachkompetenz voranzubrin-

gen, muss eine Förderung zielorientiert sein. Förderziele werden zu diesem

Zwecke vor dem Hintergrund der individuellen Erwerbsbedingungen und des

aktuellen Sprachstands formuliert (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 46). Dabei

ist die Verknüpfung mehrerer Förderungsziele möglich (vgl. Chilla, Rothweiler

& Babur: 120). Beispielsweise kann man durch das gemeinsame Betrachten

von Bilderbüchern sowohl literale Kompetenzen als auch die Wortschatzent-

wicklung eines Kindes unterstützen (⊳Kap. 7.4.1).

7.2.3 Orientierung am natürlichen Entwicklungsverlauf

Es hat sich gezeigt, dass der Zweitspracherwerb in Abhängigkeit zahlreicher

individueller Erwerbsfaktoren wie beispielsweise der Qualität und Quantität

des sprachlichen Inputs, der Motivation und Einstellung zur Mehrsprachigkeit

oder des Alters steht (⊳Kap. 4.2). Gleichzeitig liefert die Spracherwerbsfor-

schung allerdings Erkenntnisse, welche eine grobe Skizzierung der Aneig-

nungsabfolge für das Deutsche als Zweitsprache, insbesondere seiner gramma-

tischen Strukturen, erlauben (⊳Kap. 4.6.2). Die Reihenfolge, in welcher

sprachliche Strukturen gefördert werden, sollte angesichts dessen dem Er-

werbsverlauf der natürlichen Sprachentwicklung folgen (vgl. Ruberg &

Rothweiler 2012: 47).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 63

Indem man den aktuellen Sprachstand eines Kindes erfasst und vor dem Hin-

tergrund der natürlichen Sprachentwicklung betrachtet, kann man festlegen,

welche sprachliche Struktur als nächste erworben wird und schließlich zu för-

dern ist (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 47). Wygotski (1987: 83) spricht in

diesem Zusammenhang von der Zone der nächsten Entwicklung, welche das

Gebiet „[d]er noch nicht ausgereiften, jedoch reifenden Prozesse“ (ebd.: 83)

bezeichnet. Produziert ein Kind beispielsweise bereits korrekte Präsensformen,

sollte eine Förderung – im Rückgriff auf das Wissen, dass im natürlichen

Zweitspracherwerb nach dem Präsens das Perfekt angeeignet wird (⊳Kap.

4.6.2.3) – ein sprachliches Angebot bereitstellen, welches das Kind zur Aneig-

nung des Perfekts führt. Dabei ist es wichtig, die sprachlichen Strukturen, wel-

che für ein Kind in der Zone der nächsten Entwicklung liegen, strukturzentriert

zu präsentieren (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 48). Eine strukturzentrierte

Präsentation bedeutet, dass dem Kind die zu erwerbenden Strukturen in präg-

nanter und gehäufter Form dargeboten werden (vgl. Homburg 1997: 117f.).

„Wenn ein Kind beispielsweise gerade am Erwerb des Akkusativs ,arbeitet‘,

sollte das sprachliche Angebot auch genügend Beispiele für Akkusativformen

bereithalten“ (Ruberg & Rothweiler 2012: 48).

7.2.4 Implizite Vermittlungsmethoden

Das Vorurteil, Mehrsprachigkeit stelle eine Überforderung dar, gilt als wider-

legt. Kinder sind grundsätzlich in der Lage mehrere Sprachen zu erwerben,

wobei sich Mehrsprachigkeit unter geeigneten Bedingungen sogar förderlich

auf die kognitive Entwicklung auswirken kann (⊳Kap. 4.3.3). Auf Grundlage

dieser Erkenntnis sollte „[d]ie praktische Umsetzung der Förderziele […] von

einem Zutrauen in die Spracherwerbsfähigkeiten des Kindes getragen werden

und aus diesem Grund Techniken der impliziten Vermittlung bevorzugen“

(Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 120). Eine implizite Förderung vermittelt

sprachliche Strukturen in relevanten Kommunikations- und Interaktionssituati-

onen und lenkt dadurch die Aufmerksamkeit auf funktionelle Aspekte von

Sprache (vgl. Ennemoser & Krajewski 2015: 377). In diesem Zusammenhang

spielen bewusst und gezielt eingesetzte Sprachlehrstrategien, sogenannte Mo-

dellierungstechniken (⊳Kap. 7.3.1), eine herausragende Rolle (vgl. Chilla,

Rothweiler & Babur 2013: 121; Ruberg & Rothweiler 2012: 48).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 64

7.2.5 Motivation und Handlungsorientierung

In ⊳Kap. 4.2 wurde bereits deutlich, dass der Faktor Motivation einen ent-

scheidenden Einfluss auf den Zweitspracherwerb ausübt und vor allem dann

zum Tragen kommt, wenn mit Sprache Handlungsziele erreicht werden kön-

nen. Eine Förderung muss aus diesem Grund in direkter Interaktion mit dem

Kind stattfinden und den Handlungscharakter von Sprache unterstreichen (vgl.

Chilla, Rothweiler & Babur 2013: 122). Um die Kinder zu motivieren, sollten

Fachkräfte Kommunikationssituationen schaffen, die auf den kommunikativen

Bedürfnissen und der Lebenswelt des kindlichen Individuums aufbauen (vgl.

ebd.: 122). Konkret bedeutet dies, dass sich die Inhalte und Thematiken einer

Förderung idealerweise an den Interessen, der Persönlichkeit und den Erfah-

rungen sowie der Biografie des Kindes orientieren (vgl. ebd.: 122; Ruberg &

Rothweiler 2012: 45f.).

7.3 Sprachförderliches Verhalten von Bezugspersonen

Die Grundlage für sprachliches Lernen in der Kindertagesstätte bildet eine po-

sitive und vertrauensvolle Beziehung zwischen Kind und Erzieher. Auf der

Basis einer stabilen Beziehung wird das Kind zum Sprechen ermutigt. Um die

Sprechmotivation und Sprachlernfreude zu fördern, sollte möglichst jede

kommunikative Bemühung eines Kindes – sowohl im Türkischen als auch im

Deutschen – erwidert werden (vgl. Jeuk 2010: 130). Dies betrifft auch die in

⊳Kap. 4.5.1 dargestellten Sprachmischungsphänomene, welche zeigen, dass

sich ein Kind zum Zwecke der Verständigung produktiv mit beiden Sprachsys-

temen auseinandersetzt (⊳Kap. 4.5.1).

Gleichzeitig müssen den Kindern gewisse Freiräume eingeräumt werden. Ge-

rade zu Beginn des Kindergarteneintritts sollten sie nicht zum Sprechen ge-

drängt und unter Druck gesetzt werden (vgl. ebd.: 130). Fühlt sich ein Kind

überfordert, neigt es möglicherweise dazu, eine negative Einstellung oder sogar

Ängste gegenüber dem Sprechen zu entwickeln. Diese wiederum behindern

einen erfolgreichen Spracherwerb (⊳Kap. 4.2.2).

Der Eintritt in den Kindergarten bedeutet für mehrsprachige Kinder einen dop-

pelten Einschnitt: Neben der Ablösung vom Elternhaus werden sie mit einer

anderen Kultur und Sprache konfrontiert. Je nach bisherigen Deutschkenntnis-

sen haben sie möglicherweise mit Verständnisschwierigkeiten zu kämpfen und

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 65

erleben sich als handlungsunfähig (vgl. Adler 2011: 107f.). Seitens der Erzie-

her sind an dieser Stelle Fingerspitzengefühl, Verständnis und Toleranz gegen-

über der sprachlichen und kulturellen Vielfalt des Kindes gefragt (vgl. ebd.:

107f.).

7.3.1 Kindgerichtete Sprache und Modellierungstechniken

Damit eine Sprachförderung gelingen kann, müssen die pädagogischen Fach-

kräfte darüber hinaus entsprechende Qualifikationen aufweisen (Jungmann &

Albers 2013: 103). Indem Bezugspersonen ihr eigenes sprachliches Verhalten

reflektieren und den sprachlichen Input in der Zweitsprache Deutsch entspre-

chend der Kompetenzen des Kindes gestalten, erhöhen sie die Sprachlernmoti-

vation der Kinder. In der alltagsintegrierten Förderung, in welcher Sprache vor

allem in natürlichen und relevanten Kommunikations- und Interaktionssituati-

onen erworben wird, ist ein entsprechendes Verhalten der pädagogischen

Fachkräfte besonders wichtig (vgl. Lamparter-Posselt & Jeuk 2014: 158).

Kinder verfügen von Geburt an über die grundlegende Fähigkeit, eine jede

Sprache zu erlernen. Dieses Vermögen kann jedoch nur im Zusammenspiel mit

externen Faktoren zum Ausdruck kommen. Im Besonderen meint dies einen

ausreichenden und qualitativ angemessenen sprachlichen Input, der sich aus

der wechselseitigen Interaktion und Kommunikation mit der Umgebung ergibt

(vgl. Buschmann 2015: 185; Ruberg & Rothweiler 2012: 63f.). Die Eltern oder

enge Bezugspersonen eines Kindes bedienen sich hierzu intuitiv der sogenann-

ten Kindgerichteten Sprache (KGS), welche den Kindern die Einsicht in struk-

turelle Eigenschaften der Sprache erleichtert und die Sprachentwicklung unter-

stützt (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 63). Je nach Spracherwerbsphase und

entsprechender Erwerbsaufgabe kommen verschiedene Formen der KGS zum

Einsatz:

Ammensprache/baby talk (bis ca. 12 Monate): Übertriebene Intonation

und erhöhte Tonlage zur Unterstützung der prosodischen und phonologi-

schen Entwicklung

Stützende Sprache/scaffolding (ab ca. 12 Monaten): Schaffung eines ge-

meinsamen Aufmerksamkeitsfokus durch Blickrichtung/Blickkontakt und

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 66

wiederkehrende Interaktionsmuster21

zur Unterstützung der Wortschatz-

entwicklung (bspw. Mutter/Vater: Schau mal da!, Was ist das denn?, Ist

das ein Hund?, Ja! Das ist ein Hund!)

Lehrende Sprache/motherese (ab ca. 24 Monaten): Verwendung intuitiver

Sprachlehrstrategien (korrektives Feedback, Extension, Expansi-

on/Erweiterung, Transformation/Umformung, offene Frage) zur Modellie-

rung der kindlichen Äußerungen und zur Unterstützung des Erwerbs for-

mal-grammatischer Strukturen

(vgl. Buschmann 2015: 185; Ruberg & Rothweiler 2012: 64-68).

Um die Sprachlehrstrategien für eine gezielte Förderung zu nutzen, reicht es

nicht aus, sich auf seine Intuition zu verlassen. Vielmehr ist ein bewusster Ein-

satz der Strategien sowie ein ausreichendes Wissen über die Sprachentwick-

lung und mögliche Stolpersteine notwendig (vgl. Adler 2011: 137). Bewusst

eingesetzte Sprachlehrstrategien bezeichnet man als Modellierungstechniken.

Sie kommen sowohl in der Sprachtherapie als auch in der Sprachförderung

zum Einsatz und werden gezielt verwendet, um spezifische sprachliche Struk-

turen zu fördern (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 74). Dannenbauer (2002:

153f.) unterscheidet zwischen Modellierungstechniken, die den Äußerungen

eines Kindes vorausgehen, und solchen, die den kindlichen Äußerungen nach-

gestellt sind:

Vorausgehende Modellierungstechniken

Alternativfragen: Dem Kind werden zwei Zielstrukturen zur Beantwortung

dargeboten, bspw. Erzieher (E): Möchtest du die Gabel oder den Löffel?

Präsentation: Die zu erwerbende Struktur wird wiederholt in unterschiedli-

chen Zusammenhängen dargeboten, bspw. E: Ich habe acht Eicheln. Hast

du auch welche?

Parallelsprechen: Die pädagogische Fachkraft kommentiert sprachlich die

eigene Handlung oder die des Kindes

Linguistische Markierung: Grammatische Strukturen werden in variieren-

den Kontexten verwendet, um Wortveränderungen deutlich zu machen,

21

Die Interaktionssequenzen werden anfangs vor allem durch die Bezugsperson beherrscht.

Die Benennung (Ist das ein Hund?) und die Bestätigung (Ja! Das ist ein Hund.) erfolgen durch

den Erwachsenen. Mit zunehmender Sprachkompetenz wächst die aktive Beteiligung des Kin-

des (vgl. Ruberg & Rothweiler 2012: 67).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 67

bspw. E: Ein großer Würfel. Er ist weich. Wirf ihn mir zu. Die Beispiele

zeigen, wie die Eigenschaft maskulin in unterschiedlichen Verwendungs-

zusammenhängen gekennzeichnet ist

(vgl. Dannenbauer: 2002: 153f.).

Nachgestellte Modellierungstechniken

Korrektives Feedback: Eine sprachliche Äußerung wird implizit korrigiert,

bspw. Kind (K): Ich möchte der Puppe haben., E: Oh, du möchtest die

Puppe haben?

Expansion: Vervollständigung einer kindlichen Äußerung, bspw. K: Junge

spielt., E: Genau, der Junge spielt mit dem Ball.

Extension: Inhaltliche Weiterführung einer kindlichen Äußerung, bspw. K:

Die weint, weil sie fällt., E: Ja, sie ist traurig, weil sie sich verletzt hat.

Umformung: Veränderung der kindlichen Äußerung, um Zielstruktur deut-

lich zu machen, bspw. K: Ich male rote Blumen. E: Okay, dann male ich

gelbe Blumen.

(vgl. Dannenbauer: 2002: 153f.).

Die Modellierungstechniken können leicht in den Kindergartenalltag integriert

werden, da sie spontane Äußerungen von Kindern aufgreifen. Es ist davon aus-

zugehen, dass die Anwendung der Techniken seitens der pädagogischen Fach-

kräfte ein hohes Maß an Selbstreflexion und Bewusstheit voraussetzt. Sind

Erzieher ungeübt in der Verwendung von Sprachlehrstrategien, erscheint es

sinnvoll, wenn sie sich zunächst nur zwei oder drei Techniken heraussuchen

und deren Einsatz gezielt üben. Die übrigen Modellierungstechniken kommen

schließlich nach und nach hinzu. Ebenso sehen additive Sprachförderpro-

gramme den Einsatz von Modellierungstechniken vor (z.B. Kaltenbacher &

Klages 2012: 93).

7.3.2 Familiensprache: Türkisch oder Deutsch?

Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, dass das Sprachverhalten der

Bezugspersonen einen entscheidenden Einfluss auf die Sprachentwicklung der

Kinder ausübt und sich Eltern im kommunikativen Umgang mit ihren Kindern

intuitiver Sprachlehrstrategien bedienen. Der Spracherwerb der Kinder wird

auf diese Weise automatisch unterstützt (⊳Kap. 7.3.1). Manche Familien mit

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 68

Migrationshintergrund sind der Meinung, sie würden sich schneller und besser

in die Zielkultur integrieren, wenn sie in der Familie nur noch das Deutsche

verwenden (vgl. Adler 2011: 105). So kommt es vor, dass Eltern den Gebrauch

des Deutschen dem ihrer Herkunftssprache, des Türkischen, vorziehen, obwohl

sie die Sprache der Zielkultur nicht ausreichend gut beherrschen. In der Folge

erhalten die Kinder einen mangelhaften deutschsprachigen Input, welcher häu-

fig in einer unzureichenden Beherrschung der deutschen Sprache mündet (vgl.

Adler 2011: 105). Davon abgesehen kann ein Zurückdrängen der Erstsprache

zugunsten der Zweitsprache mit negativen Auswirkungen auf der sozioemotio-

nalen Ebene verbunden sein (⊳Kap. 4.2.3).

Verfügen Eltern über unzureichende Deutschkenntnisse, verkörpern sie kein

kompetentes Sprachvorbild. Jedoch können sie ihr Kind im Deutscherwerb

unterstützen, indem sie ihm möglichst früh den Besuch einer Kindertagesstätte

ermöglichen (vgl. Tracy 2011: 80). Alle familiären Tätigkeiten zur Unterstüt-

zung der bilingualen Sprachentwicklung des Kindes, sollten schließlich in der

Sprache umgesetzt werden, die die Eltern selbst am sichersten beherrschen

(vgl. ebd.: 80).

7.4 Alltagsintegrierte Sprachförderung

Eine Förderung kann additiv oder alltagsintegriert erfolgen. Das folgende Ka-

pital bezieht sich auf Möglichkeiten der alltagsintegrierten Förderung, welche

an den situationsorientierten Ansatz anknüpft (vgl. Jungmann, Morawiak &

Meindl 2015: 39): Sprache soll nicht nur in einzelnen Fördersituationen erwor-

ben werden, sondern umfassend in konkreten Anwendungskontexten, das heißt

in der Kommunikation und Interaktion mit Kindern oder erwachsenen Bezugs-

personen, gefördert werden (vgl. ebd.: 39). Die individuellen Bedürfnisse und

Interessen des Kindes rücken ins Zentrum der Förderung. Für die alltagsorien-

tierte Sprachförderung werden keine spezifischen Inhalte vorgegeben (vgl.

ebd.: 39). Zum Einsatz kommen vor allem Bilderbücher, Reime, Lieder und

Spiele. Ein besonderes Augenmerk ist außerdem auf das Sprachverhalten der

Erzieher zu legen, da diese als Sprachvorbilder dienen (vgl. Jungmann & Al-

bers 2013: 101).

Die alltagsintegrierte Förderung vereint in ihrer Grundidee zwei wichtige För-

derprinzipien: Die Orientierung an der Lebens- und Interessenwelt des Kindes

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 69

und die Anwendung impliziter Vermittlungsmethoden (⊳Kap. 7.2). Im Fol-

genden werden Möglichkeiten aufgezeigt, mithilfe welcher Materialien und

Methoden eine alltagsintegrierte Förderung die sprachliche Entwicklung tür-

kischstämmiger DaZ-Lernender unterstützen kann.

7.4.1 Bilderbücher

Das Bilderbuch ist aufgrund seiner wirkungsvollen und dennoch einfachen

Beschaffenheit ein ideales Sprachförderinstrument: Bücher sind leicht und kos-

tengünstig zu erwerben (bspw. Bibliotheken, Flohmärkte) und können bei an-

gemessenem Interaktionsverhalten der Bezugspersonen effektiv zur Erweite-

rung des Wortschatzes beitragen (vgl. Buschmann 2017: 18f.).

Neben der Erweiterung des Wortschatzes bereichern Bilderbücher außerdem

die Literacy-Erfahrungen, welche in der oral geprägten Kultur türkischsprachi-

ger Familien meist wenig entwickelt sind (⊳Kap. 3.2.1). Vor allem jüngere

Kinder lassen sich schnell dafür begeistern, ein Bilderbuch zu betrachten. Die

Auswahl der Bücher sollte sich dabei möglichst an den Interessen des Kindes

orientieren (vgl. Buschmann 2017: 18f.). Die Bilderbuchbetrachtung lässt sich

auch in den familiären Alltag integrieren. Sie sollte regelmäßig und ritualisiert,

beispielsweise täglich am Nachmittag, stattfinden (vgl. ebd.: 19).

Vor allem bei jüngeren Kindern sollte man ein einfaches Vorlesen des Buches

vermeiden, da die Kinder zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage sind, der

Erzählung zu folgen (vgl. ebd.: 19). Vielmehr sollten die Fachkräfte in einen

Dialog mit den Kindern treten und das Bilderbuch als Redeanlass nutzen.

7.4.1.1 Dialogische Bilderbuchbetrachtung

Bei der Betrachtung und beim Vorlesen von Bilderbüchern spielt neben der

Aufmerksamkeitssteuerung und dem passenden Einsatz von Mimik und Gestik

vor allem die Initiierung kindlicher Aktivitäten eine erhebliche Rolle (vgl.

Nauwerck 2013: 256). Für die dialogische Bilderbuchbetrachtung konnten po-

sitive Effekte auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen, insbesondere hin-

sichtlich des aktiven Wortschatzes, festgestellt werden (vgl. Mehler &

Weitkamp 2013: 316f.). Im Gegensatz zu einfachen Vorlesesituationen ist bei

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 70

der dialogischen Bilderbuchbetrachtung die aktive Beteiligung des Kindes ge-

fragt (vgl. Mehler & Weitkamp 2013: 319f.).

Dies erfordert eine dialogisch organisierte Bilderbuchbetrachtung. Ein Dialog

zeichnet sich durch wechselndes Sprechen und inhaltliches Anknüpfen an das

Gesagte des Gesprächspartners aus (vgl. Buschmann 2017: 20). Das Kind rea-

giert auf Fragen (w-Fragen) und Aufforderungen (bspw. den Ausgang einer

Geschichte erfinden) der Bezugsperson, wobei das Kind nicht unter Druck ge-

setzt werden sollte (vgl. Mehler & Weitkamp 2013: 321). Geschlossene Fragen

(Was ist das?) sollten möglichst vermieden werden. Vorzuziehen sind offene

Fragen, welche nicht durch Einwortäußerungen beantwortet werden können

und eine erhöhte sprachliche Aktivität des Kindes erfordern: Was passiert denn

hier? Was siehst du auf dem Bild? Was macht der Junge? (vgl. Buschmann

2017: 20f.). In diesem Zusammenhang ist darauf aufmerksam zu machen, dass

Fragen im Türkischen durch das Anfügen eines Fragepartikels, und weniger

über eine veränderte Satzmelodie (⊳Kap. 5.3), markiert werden. Die Erzieher

sollten deshalb auf eine eindeutige Betonung ihrer Fragesätze achten, um den

Kindern die für das Deutsche typische Intonation erfahrbar zu machen.

Bezugspersonen sollten ebenso Fragen und Anregungen des Kindes zulassen,

um die Lesemotivation und Sprachentwicklung zu fördern (vgl. Kniffka & Sie-

bert-Ott 2012: 129f.). Auch sollte auf Modellierungstechniken (⊳Kap. 7.3.1)

zurückgegriffen werden, um die sprachlichen Kompetenzen des Kindes zu för-

dern (vgl. Ennemoser & Krajewski 2015: 377).

Da der türkischsprachige und deutschsprachige Wortschatz über ein gemein-

sames semantisch-konzeptuelles System miteinander verknüpft sind, kann ein

neues Wort leichter im Lexikon aufgenommen werden, wenn es in der jeweils

anderen Sprache bereits gespeichert ist (⊳Kap. 4.3.2). Vor diesem Hintergrund

erscheint es sinnvoll, Kinder beim Betrachten von Bilderbüchern zu fragen,

wie die entsprechenden Begriffe in der Erstsprache lauten (vgl. Jeuk 2010:

132). Der Rückgriff auf die Erstsprache Türkisch erleichtert die Speicherung

neuer deutscher Wörter. Darüber hinaus zeigt der Erzieher Interesse an der

türkischen Sprache und Kultur, wodurch sich das Kind in seiner Mehrspra-

chigkeit wahrgenommen und wertgeschätzt fühlt. Alternativ eignen sich mehr-

sprachige Bildwörterbücher und zweisprachige Erzählungen, welche eine di-

rekte Verknüpfung zwischen Erst- und Zweitsprache ermöglichen.

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 71

7.4.1.2 Mehrsprachige Bildwörterbücher

Mehrsprachige Bildwörterbücher fokussieren sich meist auf bestimmte The-

menbereiche, beispielsweise Kleidung, Auf dem Spielplatz oder Mein Körper.

In der Regel greifen die Bücher überwiegend Substantive und Verben der je-

weiligen Themengebiete auf. Einzelne Begriffe werden anhand von bildhaften

Darstellungen und schriftsprachlichen Entsprechungen in zwei unterschiedli-

chen Sprachen präsentiert. Im Anhang kann die Aussprache der Wörter beider

Sprachen nachgeschlagen werden (vgl. Nauwerck 2013: 249).

In diesem Zusammenhang ist das Bildwörterbuch Unser erstes Bildwörter-

buch. Türkisch zum Entdecken, Lesen und Hören (Syme 2011) hervorzuheben.

Das Buch ist in verschiedene Kategorien gegliedert, welche an den Alltags-

wortschatz von Kindern anknüpfen: Meine Familie, Unser Haus, Tag und

Nacht, etc. (vgl. ebd.: 3). Neben der thematischen Sortierung gibt es außerdem

eine alphabetische Wortliste, in welcher die türkischen Begriffe mit entspre-

chendem Bild und deutscher Übersetzung, inklusive Artikel, präsentiert werden

(vgl. ebd.: 4-77). Im Folgenden ein Beispiel:

Abb. 2 Darstellungen zum Buchstaben a (Syme 2011: 6)

Die gleichzeitige Darbietung der türkischen und deutschen Wörter hat den Vor-

teil, dass das Kind über das gemeinsame konzeptuelle System Verknüpfungen

zwischen den sprachenspezifischen Lexika herstellen kann. Eine Besonderheit

des Buches besteht zudem darin, dass die türkischen und deutschen Bezeich-

nungen mit dem sogenannten TING, einem Hörstift, angehört werden können.

Indem man mit dem Stift auf die entsprechenden Bilder tippt, werden die Wor-

te vorgesprochen (vgl. Syme 2011: 2). Da anzunehmen ist, dass die Mehrheit

der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertagesstätten kein Türkisch spricht,

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 72

wird einerseits die Fachkraft in der Beurteilung der kindlichen Wortschatz-

kompetenz unterstützt und andererseits dem Kind die lautlich korrekte Aus-

sprache präsentiert. Schwierig wird es jedoch, wenn das Kind eine alternative

gültige Bezeichnung für ein Konzept kennt, da hier weder der Hörstift noch die

Fachkraft eine entsprechende Rückmeldung geben können.

Positiv zu bewerten ist, dass die Themenseiten neben alltagssprachlichen Kate-

gorien wichtigen Grundlagenwortschatz vermitteln, der unter anderem für die

Schule von Bedeutung ist. Beispielsweise gibt es Seiten zu den Kategorien Die

Farben (Renkler), Die Zahlen (Sayɪlar) und Die Formen (Şekiller) (vgl. ebd.:

78f.). Das Kapitel Wo sind sie? (vgl. Syme 2012: 84f.) eignet sich zur Förde-

rung von Präpositionen. Die Bedeutungen der Präpositionen werden mithilfe

von Tieren dargestellt, die sich beispielsweise unter dem Baumstamm oder auf

dem Brunnen befinden (vgl. ebd.: 85). Neben Seiten, welche Adjektive (vgl.

ebd.: 82) und Verben (vgl. ebd.: 86) thematisieren, hebt sich das Bildwörter-

buch außerdem dadurch hervor, dass es den kulturellen Hintergrund türkischer

Kinder aufgreift. Das letzte Kapitel bildet den Ramadan und das Zuckerfest mit

entsprechenden deutschen und türkischen Bezeichnungen ab (vgl. ebd.: 96).

Das Bildwörterbuch qualifiziert sich aufgrund seiner vielfältigen Themen- und

Wortschatzbereiche sowie der Unterstützung durch den Hörstift für die sprach-

liche Förderung türkischstämmiger Kinder mit DaZ. Neben der Verwendung in

der Kindertagesstätte, sollte es auch im häuslichen Kontext gemeinsam mit den

Eltern eingesetzt werden, welche angemessen auf türkischsprachige Äußerun-

gen ihrer Kinder eingehen können.

7.4.1.3 Zweisprachige Erzählungen

Die Förderung der Erstsprache kann außerdem durch zweisprachige Kinderbü-

cher unterstützt werden (vgl. Nauwerck 2013: 255). Der Verlag NordSüd

Bi:libri legt Kindererzählungen wie Hans de Beers Kleiner Eisbär (2011) und

Marcus Pfisters Regenbogenfisch (2009) in zweisprachigen Versionen, darun-

ter auch Deutsch-Türkisch, vor (vgl. Nauwerck 2013: 255).

Bei zweisprachigen Kindern, welche erst mit Eintritt in den Kindergarten mit

der Zweitsprache Deutsch in Berührung kommen, sollten entsprechende Ge-

schichten zunächst in der Erstsprache, also in Türkisch, präsentiert werden

(Hoppenstedt & Apeltauer 2009: 64). Hüsler (2008: 86) beschreibt, wie ein

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 73

solches Vorgehen aussehen kann und welche Vorteile es birgt: Im Idealfall

liegen mehrere Exemplare der mehrsprachigen Geschichten zum Ausleihen im

Kindergarten bereit. Eltern mehrsprachiger Kinder können sich die Bücher

ausleihen und ihren Kindern in der Erstsprache erzählen. Wird die Geschichte

anschließend im Kindergarten vorgelesen, können die Kinder der Erzählung

aufmerksam folgen, ohne durch unbekannte Wörter verwirrt zu werden. Da

sich die Kinder sowohl in der Erst- als auch in der Zweitsprache mit den glei-

chen Begriffen befassen, werden neue Wörter schnell gelernt (vgl. Hüsler

2008: 88).

Es gibt außerdem Erzählungen, welche Erst- und Zweitsprache miteinander

verknüpfen, indem die einzelnen Charaktere unterschiedliche Sprachen ge-

brauchen oder die Sprachverwendung situativ-funktional variiert (vgl.

Nauwerck 2013: 250). Die Erzählung Sinan und Felix. Mein Freund

Arkadaşim (Çelik 2007) ist ein Beispiel für eine zweisprachige deutsch-

türkische Erzählung. Sie thematisiert die lebensweltliche Mehrsprachigkeit. Im

Zentrum der Geschichte stehen Sprachbarrieren, welche zwei Freunde unter-

schiedlicher Erstsprachen zu überwinden versuchen (vgl. Nauwerck 2013:

251). Es werden sowohl phonologische, semantisch-lexikalische und pragmati-

sche als auch konzeptionell schriftliche und mündliche Aspekte des Deutschen

und Türkischen beleuchtet (vgl. ebd.: 251). Der umgangssprachliche Sprach-

gebrauch spiegelt sich in den Dialogen der Freunde wider, während die kon-

zeptionelle Schriftlichkeit in der Rahmenerzählung Ausdruck findet (vgl. ebd.:

253). Darüber hinaus wird Sprache auf einer metasprachlichen Ebene themati-

siert, indem die Aufmerksamkeit auf ähnlich klingende Wörter des Türkischen

und Deutschen (Fisch und fiş = Stecker) gelenkt wird (vgl. ebd.: 252). Die Er-

zählung regt dazu an, das Vorgelesene zu kommentieren und über Sprache zu

reflektieren (vgl. ebd.: 253).

7.4.2 Märchen

Neben Bilderbüchern eignen sich Märchen zur Förderung der mehrsprachigen

Kompetenz. Abgesehen davon, dass sie unterhaltsam und aufregend sind, fin-

det man sie in beinahe allen Kulturkreisen. Zwar sind kulturspezifische Abwei-

chungen möglich, jedoch stimmen die Märchen in ihrer Grundstruktur meist

überein. Anstelle des Haselnussstrauches im deutschen Aschenputtel-Märchen

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 74

steht im Türkischen beispielsweise eine Kuh (vgl. Apeltauer 2013: 216). So ist

es möglich, dass bilingual aufwachsende Kinder im Kindergarten ein deutsches

Märchen hören, welches sie bereits aus ihrer Erstsprache kennen. Das Er-

schließen inhaltlicher Zusammenhänge und fremder deutscher Wörter fällt

schließlich leichter, wenn eine ähnliche Version des Märchens bereits in der

Erstsprache bekannt ist (vgl. ebd.: 217). Die für das Märchen charakteristi-

schen Wiederholungsstrukturen begünstigen außerdem das Rekodieren und

Speichern von Wörtern oder sprachlichen Strukturen (vgl. ebd.: 216; 221). Da

Märchen meist langsam und deutlich vorgetragen und spannungssteigernde

Erzählpausen eingebaut werden, fällt die Segmentierung des Lautstroms leich-

ter (vgl. ebd.: 220). Erst wenn die Kinder in der Lage sind, die Wortgrenzen

herauszuhören, können sie den Wörtern Bedeutungen zuweisen (vgl. ebd.:

222). Das wiederholte Vorlesen eines Märchens kann sich zudem positiv auf

die Artikulation und Sprechflüssigkeit auswirken. Haben Kinder ein Märchen

mehrmals gehört, tendieren sie oftmals dazu, bestimmte Stellen halblaut oder

tonlos mitzusprechen. Erzieher können dieses Potential nutzen und Kinder vor

sich wiederholenden Formeln zum Mitsprechen anregen (vgl. ebd.: 224f.). Da

Märchen typischen Erzählmustern folgen, wirkt sich das wiederholte Vorlesen

von Märchen positiv auf die Erzählkompetenz aus und unterstützt die frühe

Literalisierung (vgl. ebd.: 217).

7.4.3 Musik und Sprache

Auch Musik qualifiziert sich aufgrund verschiedener Eigenschaften für die

kindliche Sprachförderung: Die melodische und rhythmische Beschaffenheit

von Liedern unterstreicht den Sprachrhythmus sowie die Betonung und Satz-

melodie der deutschen Sprache, welche von Kindern mit nichtdeutscher Erst-

sprache erworben werden müssen. Die Wiederholung sprachlicher und rhyth-

misch-melodischer Muster fokussiert außerdem spezifische sprachliche Struk-

turen und erleichtert deren Einprägung. Zudem regt Musik die Motorik an und

lädt zur rhythmischen Bewegung ein. Begleitende Bewegungen stützen den

Lernprozess wie auch das Erinnern des Erlernten und fördern die Motivation

(vgl. Röber & Fuchs 2014: 16).

In ⊳Kap. 4.6.2.4 wurde deutlich, dass vor allem zu Beginn des Zweitspracher-

werbs deiktische Mittel von großer Relevanz sind, da sie die Aufmerksamkeit

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 75

steuern und die Kinder beim Erschließen neuer Bedeutungen unterstützen. Das

vierstrophige Lied Das ist gerade, das ist schief (überliefert) ist ein Beispiel

dafür, wie die Kombination von Bewegung und Musik den Wortschatzerwerb

unterstützen kann (vgl. Zimmer 2016: 214f.). Die Strophen des Liedes werden

durch passende Bewegungen begleitet:

Das sind Haare, das ist Haut, (über die Haare und die Haut streichen)

das ist leise, das ist laut, (diesen Satz erst leise und dann laut singen)

das ist groß und das ist klein, (sich ganz groß und ganz klein machen)

das mein Arm und das mein Bein (über einen Arm und ein Bein streichen)

(Zimmer 2016: 214)

Die begleitenden Bewegungen helfen Kindern mit geringen Deutschkenntnis-

sen, die Bedeutung der Nomen und Adjektive zu entschlüsseln (vgl. Zimmer

2016: 215). Da es sich sowohl bei den Nomen als auch bei den Adjektiven um

häufig gebrauchte und alltagsrelevante Vokabeln handelt, eignet sich das Lied

zur Unterstützung des Wortschatzerwerbs. Ein Schwachpunkt des Liedes be-

steht allerdings darin, dass die Substantive ohne Artikel präsentiert werden.

Damit sich die Kinder die Nomen mitsamt ihrer dazugehörigen Artikel einprä-

gen, sollten diese in einer nachbereitenden Phase benannt werden. Beispiels-

weise können nach dem gemeinsamen Singen alle Körperteile aufgezählt wer-

den, die im Lied vorgekommen sind. Die Fachkraft achtet darauf, dass die

Kinder die Körperteile mit Artikel aufzählen (die Haut, der Arm, das Bein,

etc.) und korrigiert falsche Zuordnungen. Außerdem können die Bezeichnun-

gen der Körperteile in türkischer Sprache thematisiert werden, um die Einprä-

gung neuer Vokabeln zu erleichtern.

Das Begrüßungslied Hallo Hände – wir sind da! (Melodie überliefert, Text

Renate Zimmer) eignet sich ebenso zur Unterstützung der sprachlichen Ent-

wicklung. Das Lied kann beispielsweis als Ritual jeden Morgen zur gemeinsa-

men Begrüßung, sowohl in deutscher als auch in türkischer Sprache, gesungen

werden (vgl. ebd.: 227):

Hallo Hände, wir sind da, hallo Hände, wir sind da. Hallo Hände wir sind da, wir sind

alle da.

Merhaba eller biz burdayiz, Merhaba eller biz burdayiz Merhaba eller biz burdayiz, biz

burdayiz. (Zimmer 2016: 227)

Für Hände werden weitere Körperteile eingesetzt und mit passenden Bewe-

gungen (Hände – klatschen, Füße – stampfen, etc.) zum Takt der Musik beglei-

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 76

tet. Anstelle von Körperteilen können auch die Namen der Kinder (vgl. Zim-

mer 2016: 227) oder Begriffe anderer Wortschatzkategorien eingesetzt werden,

beispielsweise Worte zum Oberbegriff Garten/Spielplatz (Blume, Baum, Rut-

sche, Sandkasten, Wiese, etc.). Für Übersetzungen der jeweiligen türkischen

Begriffe können Eltern um Hilfe gebeten werden (vgl. ebd.: 127).

7.4.4 Spiele

Dass sich Spiele aufgrund ihres Spaßfaktors und ihrer motivierenden Wirkung

vor allem zur Förderung jüngerer Kinder eignen, liegt auf der Hand. Im Fol-

genden werden ausgewählte Spiele zur Unterstützung der Sprachentwicklung

auf verschiedenen sprachlichen Ebenen beispielhaft dargestellt. Selbstverständ-

lich sollten auch in diesem Zusammenhang kindliche Äußerungen mithilfe von

Modellierungstechniken (⊳Kap. 7.3.1) evoziert und rückgemeldet werden.

7.4.4.1 Angelspiel zur Förderung der Laute [ç] und [x]

Zur Förderung der dem Türkischen unbekannten Laute [ç] und [x] eignet sich

ein Angelspiel, das mithilfe weniger Materialien selbst gebastelt werden kann.

Auf Bildkarten werden Wörter dargestellt, welche die Laute [ç] (bspw. Milch,

Teppich) und [x] (bspw. Drachen, Buch) beinhalten. Die Karten werden aufge-

deckt in der Mitte des Tisches platziert und zunächst gemeinsam benannt. An-

schließend werden die Karten reihum von den Kindern „geangelt“. Bevor das

Kind eine Bildkarte angelt, teilt es den Mitspielern mit, welches Item es haben

möchte. Das Zielitem sollte dabei möglichst in einen Satz eingebettet sein (Ich

angele das Buch., Ich möchte das Buch., Ich möchte das Buch angeln.). Neben

der richtigen Aussprache wird auf diese Weise gleichzeitig die Verwendung

einfacher syntaktischer Strukturen geübt oder gefestigt. Das Spiel kann variiert

werden, indem beispielsweise Wörter mit Diphthongen (Eule, Maus, Eis),

Wörter mit dem Laut [ɳ] oder Wörter mit Konsonantenclustern (Strumpf,

Pflaster, Springseil) verwendet werden, deren Artikulation für türkischstämmi-

ge Deutschlernende unter Umständen mit Schwierigkeiten verbunden ist

(⊳Kap. 5.1).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 77

7.4.4.2 Reim-Memory zur Förderung der phonologischen Bewusstheit

Eine Möglichkeit zur Förderung der phonologischen Bewusstheit ist ein Reim-

Memory. Nachdem den Kindern erklärt wurde, was ein Reim ist, werden ge-

meinsam Reimpaare gesucht und auf Pappkarten gemalt (bspw. Maus – Haus,

Schal – Wal). Anschließend wird gespielt. Je nach Sprachkompetenz der Kin-

der, können mehr oder weniger Reimpaare verwendet werden (vgl. Jungmann,

Morawiak & Meindl 2015: 89).

Da der Artikelerwerb des Deutschen türkischstämmigen Kindern möglicher-

weise Schwierigkeiten bereitet (⊳Kap. 5.2), ist es wichtig, dass die Wörter der

Reimpaare mit ihren jeweiligen Begleitern benannt werden. Um die dem Tür-

kischen unbekannte Differenzierung zwischen ungespannten und gespannten

Vokalen zu üben, kann man als Alternative zu der Reim-Variante ein Memory

mit Minimalpaaren gestalten: Beet – Bett, Risse– Riese.

7.4.4.3 Sandsack-Safari zur Förderung des Wortschatzes

Das Spiel Sandsack-Safari dient der kategorialen Erweiterung des Wortschat-

zes. In einem Reifen werden Bildkärtchen zu einem für die Kinder relevanten

Thema, beispielsweise Tiere, verteilt. Vor Beginn des eigentlichen Spiels wer-

den diese gemeinsam benannt und deren Funktion oder Bedeutung besprochen.

Die Kinder sitzen um den Reifen herum und dürfen nacheinander einen Sand-

sack auf ein beliebiges Kärtchen werfen. Das getroffene Bild wird nun vom

Kind benannt und darf anschließend behalten werden (vgl. Jungmann,

Morawiak & Meindl 2015: 95).

Es bietet sich außerdem an, das Kind, welches an der Reihe ist, nach Erfah-

rungen oder Einstellungen zu der auf dem Kärtchen abgebildeten Sache zu

fragen. Dadurch wird einerseits die Sprachproduktion der Kinder angeregt,

andererseits werden die Lebenswelt und Erfahrungen der Kinder in die Förde-

rung integriert und sprachlich thematisiert.

7.4.4.4 Hockerballett zur Förderung von Präpositionen

Mit dem Spiel Hockerballett werden die Bedeutungen von Präpositionen sowie

ihre konkrete Verwendung in Akkusativ- und Dativkontexten gefördert. Bevor

das Spiel beginnt, werden die Präpositionen auf, neben und unter eingeführt.

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 78

Anhand eines Hockers oder Stuhls demonstriert die Fachkraft die Positionen

auf dem Hocker, neben dem Hocker und unter dem Hocker. Entsprechend der

Anzahl der Kinder werden in der Mitte des Raums Hocker platziert. Die Kin-

der tanzen nun zur einsetzenden Musik um diese herum, bis die Musik stoppt

und die Fachkraft auf den Hocker, unter den Hocker oder neben den Hocker

ruft. Einzelne Kinder werden gefragt: Wo bist du?, worauf diese entsprechend

antworten: Ich bin auf/neben/unter dem Hocker (vgl. Jungmann, Morawiak &

Meindl 2015: 106).

Die Musik bietet eine gute Möglichkeit, die Kultur der zweisprachigen Kinder

in die Förderung einzubeziehen. Indem nicht nur deutsche, sondern auch türki-

sche Kinderlieder abgespielt werden, wird das Türkische ebenso wertgeschätzt.

7.4.4.5 Gezinktes Memory zur Förderung der Literacy

Das Spiel Gezinktes Memory lenkt die Aufmerksamkeit der Kinder auf Ge-

schriebenes und hilft ihnen die Bedeutungsfunktion von Schrift zu entdecken.

Auf der Rückseite der Memorykarten stehen die jeweiligen Wörter der bildhaf-

ten Darstellungen. Diese sind also während des gesamten Spiels sichtbar. Die

Kinder erkennen, dass die Orientierung an der Schrift die Pärchensuche er-

leichtert und dass Schrift für etwas steht (vgl. Jungmann & Albers 2013: 108).

7.4.5 Raumgestaltung

Da die Kinder einen Großteil ihrer Zeit in den Gruppenräumen der Kinderta-

gesstätten verbringen, erscheint es sinnvoll, den Raum in die Förderung einzu-

beziehen (vgl. Jungmann, Morawiak & Meindl 2015: 41). Weil der Raum eine

anregende und lerneraktivierende Umgebung darstellen kann, spricht Reichert-

Garschhammer (2013: 44) auch vom Raum als „dritten Pädagogen“. Er emp-

fiehlt die Abgrenzung verschiedener Bildungs- und Erfahrungsräume, soge-

nannter Funktionsräume, welche die Sprach- und Literacyentwicklung der

Kinder anregen. Entsprechende Räume können beispielsweise Kinderbiblio-

theken, eine Lern- und Schreibwerkstatt oder ein Rollenspielraum sein. Dabei

sollten Bücher, Schrift und Schreibutensilien in jeder Funktionsecke präsent

sein (vgl. ebd.: 44). Eine gemütliche Leseecke kann zum Lesen oder dialogi-

schen Bilderbuchlesen einladen (vgl. ebd.: 44.f). Bilderbücher sollten unbe-

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 79

dingt auch in der Erstsprache der Kinder verfügbar sein, weil „diese ihnen das

Gefühl vermitteln, das Buch gehe sie persönlich etwas an“ (Hüsler 2008: 86).

Die Verfügbarkeit türkischsprachiger Bilderbücher erhöht in diesem Sinne die

Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder mit türkischem Migrationshintergrund

mit schriftsprachlichen Strukturen auseinandersetzen. Eine Schreibecke sollte

mit vielfältigen Materialien wie Papier, Stiften, Radiergummi oder eigenen

Notizheften versehen sein (vgl. Jungmann & Albers 2013: 107). Für Rollen-

spiele eignet sich beispielsweise die Bereitstellung von Einkaufszetteln für das

Kaufladenspiel oder Rezepten für das Arztspiel (vgl. ebd.: 108). Die Aktivitä-

ten der Kinder, vor allem das Schreiben und Lesen, sollten dabei möglichst

durch Erzieher pädagogisch begleitet werden (vgl. ebd.: 108; Reichert-

Garschhammer 2013: 44). Sprache und Schrift können außerdem zum Alltags-

gegenstand werden, indem Garderobenhaken, Aufbewahrungskisten, Portfolios

oder Bilder der Kinder mit Namen oder Texten beschriftet werden (vgl. Rei-

chert-Garschhammer 2013: 46). Auf diese Weise erkennen die Kinder die

Nützlichkeit und den Zweck von Schrift im Alltag (vgl. Adler 2011: 219). In

diesem Zusammenhang ist selbstverständlich die Erstsprache der Kinder, das

Türkische, zu berücksichtigen, indem beispielsweise die Toilettentüren in meh-

reren Sprachen beschildert sind oder ein Plakat an der Eingangstüre mit Grü-

ßen in verschiedenen Sprachen aufgehängt wird (vgl. Hüsler 2008: 82).

7.4.6 Sprachenportfolio und Wortschatzarbeit

Die Evaluation ergriffener Fördermaßnahmen ist ein wichtiger Bestandteil der

Sprachdiagnostik und -förderung (⊳Kap. 6). Oomen-Welke (2012: 127f.)

schlägt ein Sprachenportfolio zur Dokumentation des Lernfortschritts von Kin-

dern mit Migrationshintergrund und Deutsch als Zweitsprache im Kindergarten

vor. Im Mittelpunkt steht die Vermittlung eines Grundwortschatzes von unge-

fähr 650 Wörtern zu unterschiedlichen Themenbereichen. Die Wörter werden

im Kindergartenalltag in abwechslungsreichen und kommunikativ relevanten

Situationen vermittelt (vgl. ebd.: 127f.). Nach gewissen Zeitabständen über-

prüft die Fachkraft in einer 1:1 Situation gemeinsam mit dem Kind, welche

Wörter es bereits erworben hat. Dazu werden Arbeitsblätter benötigt, auf wel-

chen Zeichnungen zu einem bestimmten Themenbereich des zu vermittelnden

Wortschatzes abgebildet sind sowie entsprechende laminierte Farbausdrucke

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 80

der Abbildungen. Die Fachkraft demonstriert dem Kind die Bilder auf dem

Farbausdruck und fragt nach der deutschen Entsprechung. Benennt das Kind

das richtige Wort, wird ein Farbpunkt auf das Arbeitsblatt geklebt, stimmt die

Antwort nur teilweise, erhält die Zeichnung einen hohlen Kreis und ist die

Antwort falsch, wird kein Punkt verklebt. Das Arbeitsblatt wird anschließend

mit einem Datum versehen und in das Portfolio des Kindes geheftet. Nach un-

gefähr 12 Wochen wird dasselbe Blatt erneut herangezogen, um zu überprüfen,

an welche Worte sich das Kind noch erinnern kann und welche gegebenenfalls

hinzugekommen sind. Mit einer anderen Farbe und dem Datum werden die

Fortschritte dokumentiert (vgl. Oomen-Welke 2012: 128).

Sofern Eltern oder Erzieher zur Verfügung stehen, welche die Erstsprache des

Kindes beherrschen, kann die Portfolioarbeit parallel dazu auch in der Erst-

sprache durchgeführt werden (vgl. ebd: 128).

Die Portfolioarbeit führt dem Kind deutlich vor Augen, „was es noch lernen

muss und welchen Fortschritt es gemacht hat“ (ebd.: 128). Insbesondere bei

Erfolg kann dies sehr motivierend wirken. Sollte der Wortschatzerwerb, aus

welchen Gründen auch immer, nicht wie erwünscht verlaufen, kann ein solches

Vorgehen, je nach Selbstkonzept und Frustrationstoleranz des Kindes, jedoch

mit negativen Konsequenzen verbunden sein und die Sprachlernmotivation

beeinträchtigen. Eine solche Problematik könnte man abschwächen, indem die

Lexika der Erst- und der Zweitsprache, also des Türkischen und des Deut-

schen, auf einem Arbeitsblatt überprüft werden. Da der Gesamtwortschatz bei-

der Sprachen größer ist als der jeweils sprachenspezifische Wortschatz (vgl.

Klassert & Kauschke 2014: 123), entstehen weniger Lücken. Das Kind wird in

seiner Gesamtkompetenz wahrgenommen und Frustration vermieden.

7.5 Elternbeteiligung

Bezüglich der sprachlichen Entwicklung ist die Familie eines Kindes von ent-

scheidender Bedeutung (vgl. Jungmann & Albers 2013: 122). Im Kontext von

Mehrsprachigkeit ist eine Beteiligung der Eltern von besonderer Relevanz, da

Erzieher aufgrund fehlender Sprachkenntnisse eine Förderung und Berücksich-

tigung der Erstsprache nur in Ansätzen leisten können. Es liegt also nahe, dass

eine Zusammenarbeit zwischen Institution und Familie als notwendiger Be-

standteil einer gelingenden Bildung und Erziehung anzusehen ist (vgl. ebd.:

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 81

122). Im Folgenden wird vor allem ein Schwerpunkt auf Elternpartizipation im

Rahmen von Literacy-Förderung gelegt.

7.5.1 Elternbeteiligung mit dem Family-Literacy-Ansatz

Der Family-Literacy-Ansatz verfolgt das Ziel, die Kinder innerhalb der Familie

möglichst früh und in Kooperation mit dem Kindergarten sowie pädagogischen

Fachkräften, für die Buch-, Schrift- und Erzählkultur zu sensibilisieren (vgl.

Jungmann & Albers 2013: 132). Er bezieht sich auf Vor- und Grundschulkin-

der und deren Eltern. Der Ansatz führt Elemente der Elternarbeit, der Erwach-

senenbildung und der Grundschul- beziehungsweise Vorschulpädagogik zu-

sammen, um sowohl Eltern als auch Kinder zu fördern (vgl. Elfert & Rabkin

2009: 108). Förderkonzepte, die auf dem Prinzip der Familiy-Literacy fußen,

beinhalten drei wichtige Elemente: Elternzeit, Familienzeit und Kinderzeit

(vgl. Jungmann & Albers 2013: 132f.). Die Komponente der Elternzeit umfasst

die Vermittlung von Wissen über kindliche Lernprozesse und -bedürfnisse und

die Erweiterung schriftbezogener Kompetenzen der kindlichen Bezugsperso-

nen (vgl. ebd.: 132). Die Familienzeit bezieht sich auf die Vermittlung dieser

schriftbezogenen Kompetenzen an die Kinder. Die Eltern beziehungsweise die

engsten Bezugspersonen des Kindes bereiten zunächst wöchentlich Interaktio-

nen zur Förderung der Literacy vor und realisieren diese anschließend mit ih-

ren Kindern (vgl. ebd.: 132). Pädagogische Fachkräfte stehen dabei unterstüt-

zend zur Seite, indem sie den Eltern Hilfestellungen leisten und eine Rückmel-

dung geben (vgl. ebd.: 133). In der Kinderzeit vermitteln die Eltern ihren Kin-

dern die Funktion von Sprache und Schriftsprache schließlich ohne die Anwe-

senheit pädagogischen Fachpersonals im häuslichen Rahmen (vgl. ebd.: 133).

In diesem Zusammenhang ist das Hamburger Pilotprojekt Family Literacy

(FLY)22

anzuführen. FLY ist ein zweijähriges Projekt, welches im Schuljahr

2004/2005 in Hamburg für Kinder ab fünf Jahren eingeführt wurde und in Vor-

schulklassen sowie Schulklassen der Jahrgangsstufe 1 realisiert wird. Das Pro-

22

FLY ist das erste deutsche Projekt zu Family Literacy und wurde vom UNESCO-Institut für

lebenslanges Lernen sowie vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in

Bewegung gesetzt. FLY ist Bestandteil des fünfjährigen Modellversuchprogramms Förderung

von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (FörMig), welches von der Bund-

Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) gefördert wird

(vgl. Elfert & Rabkin 2009: 110).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 82

jekt bezieht sich vor allem auf Familien mit niedrigem formalem Bildungsstand

sowie auf Familien mit Migrationshintergrund, die überwiegend aus Russland

und aus der Türkei stammen (vgl. Elfert & Rabkin 2009: 110).

Durchgeführt wird das Projekt von den Lehr- und Fachkräften der jeweiligen

Vorschul- und Schulklassen. Dabei empfiehlt sich eine Doppelbesetzung. Das

bedeutet, pro Klasse sollten möglichst eine Klassenlehrkraft und eine Förder-

schullehrkraft verfügbar sein (vgl. ebd.: 116).

Am Anfang des Projekts steht ein Elternabend, welcher über FLY und die Be-

deutung des familiären Vorlesens aufklärt, wobei auch auf die Wichtigkeit des

regelmäßigen und routinierten Vorlesens hingewiesen wird. Außerdem werden

den Eltern ein- und mehrsprachige Bilderbücher vorgestellt, welche sich zum

Vorlesen eignen. Um dem Kind eine positive und affektiv geprägte Einstellung

zur Buch- und Schriftkultur zu vermitteln, sollte möglichst in der Sprache vor-

gelesen werden, welche im Elternhaus gebräuchlich ist (vgl. ebd.: 110f.).

FLY sieht eine intensive Beteiligung der Eltern vor: Um die Eltern mit dem

Erfahrungs- und Lernraum Schule vertraut zu machen, wirken sie an bestimm-

ten Wochentagen im Unterricht ihrer Kinder mit (vgl. ebd.: 111f).

Parallel zum Unterricht der Kinder finden außerdem Gespräche zwischen allen

Eltern und einer zweiten pädagogischen Fachkraft statt. Mit Unterstützung der

Fachkraft und im Austausch mit den anderen Eltern werden Materialien für die

unterrichtliche und häusliche Literacy-Förderung sowie gemeinsame Ausflüge

geplant und Sprachschwierigkeiten oder Erziehungsprobleme thematisiert. Alle

Materialien, Ideen und Informationen werden von den Eltern in einem Portfo-

lio zusammengetragen (vgl. ebd.: 113).

Einen elementaren Bestandteil von FLY bildet der Umgang mit Bilderbüchern.

Um die Erfahrungen mit den Büchern möglichst vielfältig und einprägsam zu

gestalten, schlägt das FLY-Konzept die Arbeit mit Story-Telling-Bags vor.

Diese beinhalten zum Buch passende Materialien und ermöglichen eine hand-

lungsorientierte und kreative Vertiefung der Buchthematik. Story-Telling-Bags

können beispielsweise kleine Figuren zum Nachspielen einzelner Szenen oder

die Sinne (Hören, Riechen, Schmecken) ansprechende Materialien beinhalten

(vgl. ebd.: 114). FLY bietet den Eltern außerdem die Möglichkeit, einen

Sprachförderkoffer auszuleihen. Dieser umfasst zahlreiche Materialien zur

Förderung des Kindes: Sprachspiele, (mehrsprachige) Kinderbücher, CDs und

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 83

Sprachkassetten mit Märchen, Reimen und Liedern sowie ein Kochbuch. Da-

rüber hinaus stellt der Sprachförderkoffer außerdem einen auf mehreren Spra-

chen verfügbaren Elternratgeber der Hamburger Behörde für Bildung und

Sport bereit (vgl. Elfert & Rabkin 2009: 115f.).

Projektbegleitende Evaluationen sprechen für das FLY-Konzept: Die Eltern

waren durchgängig motiviert und zeigten großes Interesse, der Austausch zwi-

schen Eltern und Schule verbesserte sich und Literacy-bezogene Tätigkeiten im

Elternhaus nahmen zu. Vorschulkinder, die mit ihren Eltern an dem FLY-

Projekt teilgenommen hatten, zeigten zu Beginn des ersten Schuljahres gegen-

über nicht geförderten Kindern außerdem Vorteile in der Schrifterfahrung.

Teilweise wirkte sich das Projekt sogar positiv auf die Sprachkenntnisse der

Eltern aus (vgl. Salem & Rabkin 2010: 391).

Leider fokussiert FLY nur Kinder im letzten Vorschuljahr sowie Kinder in

Schulklassen der Jahrgangsstufe 1, obwohl eine Förderung im letzten Kinder-

gartenjahr nicht als ausreichend anzusehen ist und die Unterstützung von

Literalität möglichst früh einsetzen sollte (⊳Kap. 3.2).

7.5.2 Elternpartizipation in der Kindertageseinrichtung

Die Ideen des FLY-Konzepts können allerdings ebenso im Rahmen der Kin-

dertageseinrichtung für jüngere Kinder und deren Eltern umgesetzt werden. Für

eine gelingende Unterstützung des Kindes ist eine Kooperation zwischen El-

tern und Einrichtung von großer Bedeutung (vgl. Jungmann & Albers 2013:

122). Beispielsweise können Elternabende stattfinden, an welchen Fachwissen

über die Sprachentwicklung, Sprachförderung und modellierendes Verhalten

vermittelt wird und Eltern beraten werden (vgl. ebd.: 136f.). Wichtig ist zudem

ein regelmäßiger Austausch zwischen Eltern und Institution über die sprachli-

che Entwicklung und die Fortschritte des Kindes (vgl. ebd.: 136).

Eltern können außerdem am Kindergartenalltag teilnehmen, indem sie zum

Beispiel hospitieren und sich im Sinne des Modelllernens sprachförderliches

Verhalten der pädagogischen Fachkräfte abschauen. Auch besteht die Mög-

lichkeit, dass Eltern aktiv integriert werden und beispielsweise ein Buch in der

Erstsprache ihres Kindes vorlesen (vgl. ebd.: 129). Da in vielen türkischstäm-

migen Familien nicht viel vorgelesen wird (⊳Kap.3.2.1), sollte die Kinderta-

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 84

geseinrichtung Bücher bereitstellen und den Eltern die Möglichkeit geben, die-

se auszuleihen und mit nach Hause zu nehmen.

7.6 Additive Sprachförderprogramme

Neben einer alltagsintegrierten Förderung kann der Spracherwerb mehrspra-

chiger Kinder außerdem mithilfe additiver Sprachförderprogramme unterstützt

werden. Additive Sprachförderprogramme kommen meist aus der Sprachdidak-

tik und betrachten Sprache als System (vgl. Jungmann & Albers 2013: 100).

Bei einer Förderung mit additiven strukturellen Sprachförderprogrammen wer-

den entweder einzelne oder mehrere sprachliche Bereiche (bspw. Wortschatz

und Grammatik) systematisch nach einem festen Zeitplan und mit vorgegebe-

nem Material gefördert (vgl. Jungmann, Morawiak & Meindl 2015: 38). Die

Entdeckung und Anwendung sprachlicher Strukturen und Regeln geschieht

durch Nachahmung und Wiederholung (vgl. Jungmann & Albers 2013: 100).

Um die Kinder zu motivieren und Inhalte spielerisch zu vermitteln, orientieren

sich die Materialien an der Lebenswelt der Kinder (vgl. ebd.: 100). Die theore-

tisch fundierte Förderung findet in der Regel in Kleingruppen statt (vgl. ebd.:

100).

Die Anwendung sprachstruktureller Programme bedeutet eine Veränderung des

Kindergartenalltags, da sie an feste Zeitvorgaben und Materialien gebunden

sind (vgl. ebd.: 118). Da die Förderung in Kleingruppen durchgeführt wird,

bedingen sie außerdem eine Separierung der zu fördernden Kinder vom Rest

der Gruppe (vgl. ebd.: 118).

Für den Elementarbereich liegt eine Vielzahl an Förderprogrammen vor, auf

welche hier nur exemplarisch eingegangen werden kann. Im Folgenden werden

zwei ausgewählte Förderprogramme vorgestellt und vor dem Hintergrund der

in ⊳Kap. 7.2 formulierten Förderprinzipien betrachtet.

7.6.1 Deutsch für den Schulstart

Das Programm Deutsch für den Schulstart (DfdS)23

hat zum Ziel, Kinder mit

Deutsch als Zweitsprache, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, für

23

Das Programm wurde am Seminar für Deutsch als Fremdsprachenphilologie der Universität

Heidelberg seit 2004 entwickelt (vgl. Kaltenbacher & Klages 2012: 40).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 85

die sprachlichen, kognitiven und sozialen Herausforderungen der Schule zu

wappnen (Kaltenbacher & Klages 2012: 89). Für diese Zielgruppe halten

Kaltenbacher & Klages (2012: 90) ein „Sprachbad“ im Sinne eines unstruktu-

rierten Sprachangebots für nicht hinreichend. Die Förderziele sollen vielmehr

durch ein strukturiertes Sprachangebot vermittelt werden (Kaltenbacher &

Klages 2012: 90f). Gefördert werden vor allem Bereiche, die den Kindern im

Deutscherwerb Probleme bereiten und solche, welche für den Schulstart von

besonderer Bedeutung sind (vgl. Kaltenbacher & Klages 2008: 142). Folgende

Lernziele stehen im Vordergrund:

Förderung der sprachlichen Teilkompetenzen Wortschatz, Syntax, Nomi-

nal- und Verbalflexion sowie Text- und Erzählkompetenz

Förderung schulischer Vorläuferfertigkeiten, diese beinhaltet die phonolo-

gische Bewusstheit und mathematische Ausdrücke

(vgl. Kaltenbacher & Klages 2012: 90f.).

Die Förderung des Wortschatzes konzentriert sich auf die Vermittlung von

Substantiven, Verben und Adjektiven. Diese werden themenspezifisch vermit-

telt, um Vernetzungen im mentalen Lexikon zu schaffen, die das Verstehen

und Abrufen von Wörtern erleichtern (vgl. Kaltenbacher & Klages 2008: 143).

Der Bereich zur Grammatik fokussiert vor allem den Satzbau, die Nominal-

und Verbalflexion sowie räumliche Präpositionen (vgl. ebd: 144). Durch wie-

derholende Muster in Geschichten und Erzählungen werden den Kindern narra-

tive Strukturen sowie textkohäsive Mittel in prägnanter Weise präsentiert (vgl.

ebd.: 146). Eine Besonderheit des Programms besteht in der Vermittlung ma-

thematischer Vorläuferfertigkeiten, welche die Zählfähigkeit, Mengenbegriffe

(viel, wenig, mehr), Dimensionsadjektive (hoch, niedrig, lang, kurz), räumliche

Präpositionen und Bezeichnungen geometrischer Figuren umfasst (vgl. ebd.:

146). Die Förderung der phonologischen Bewusstheit bezieht sich zunächst auf

das Training der auditiven Aufmerksamkeit. Anschließend wird mithilfe von

Versen und Reimen die Lautform von Wörtern fokussiert. In einem dritten

Schritt werden Betonungsmuster thematisiert, wobei die Unterscheidung zwi-

schen gespannten und ungespannten Vokalen eine wichtige Rolle spielt. Mini-

malpaare (Haus vs. Maus) lenken außerdem die Aufmerksamkeit auf Anlaute

(vgl. ebd.: 147f.).

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 86

Das Konzept verfährt nach dem Prinzip Hören vor Sprechen, was bedeutet,

dass den Kindern zunächst Input präsentiert wird, welchen sie anschließend bei

der eigenen Produktion von Äußerungen integrieren können (vgl. Kaltenbacher

& Klages 2012: 93). Um eine nachhaltige Wirkung der Förderung zu erzielen,

sollen die Inhalte in einem spielerischen und motivierenden Kontext vermittelt

werden und die kommunikativen Bedürfnisse der Kinder widerspiegeln (vgl.

Kaltenbacher & Klages 2012: 90). Es werden Lieder, Reime, Geschichten so-

wie Bewegungs- und Merkspiele eingesetzt. Außerdem sind zwei Handpuppen,

eine Katze und ein Drache, Teil des Programms (vgl. Kaltenbacher & Klages

2008: 143). Zu vermittelnde Strukturen werden in konzentrierter Form und in

konkreten Verwendungskontexten präsentiert (vgl. Kaltenbacher & Klages

2012: 91). Die Vermittlung erfolgt überwiegend durch implizites und weniger

durch explizites Lernen. Regeln werden also nicht explizit demonstriert, son-

dern im Sprachgebrauch von den Kindern entdeckt. Äußerungen der Kinder

werden dabei mit Hilfe von Modellierungstechniken korrigiert (vgl. ebd.: 93).

Die Abfolge der Inhalte orientiert sich an der Erwerbsreihenfolge des natürli-

chen Spracherwerbs (vgl. ebd: 92). Ruberg und Rothweiler (2012: 153) heben

positiv hervor, dass je nach aktuellem Entwicklungsstand des Kindes ein punk-

tueller Einstieg in das Programm möglich ist.

Das Programm greift unter anderem sprachliche Aspekte auf, die vor allem

DaZ-Lernenden mit türkischer Erstsprache Schwierigkeiten bereiten können.

Im Besonderen betrifft dies die Nominal- und Verbalflexion und die Aneig-

nung von Präpositionen. Hervorzuheben ist außerdem die im Türkischen unbe-

kannte Differenzierung zwischen gespannten und ungespannten Vokalen, wel-

che DfdS im Bereich der phonologischen Bewusstheit explizit fördert. Eben-

falls wird auf den von der Schule geforderten konzeptionellen Sprachgebrauch

vorbereitet, wobei sogar für den Mathematikunterricht relevantes Vokabular

berücksichtig wird. Den eingangs formulierten Förderprinzipien (⊳Kap. 7.2)

wird das Programm überwiegend gerecht: Positiv zu bewerten sind die implizi-

te Vermittlungsmethode und die Orientierung am natürlichen Erwerbsverlauf

des Kindes. Auch bemüht sich das Programm mittels kindgerechter Methoden

und der Integration zweier Handpuppen eine motivierende Ausgangslage zu

schaffen. Bei der Vermittlung des Wortschatzes wird vor allem solches Voka-

bular (Familie, Kleidung, Lebensmittel, Freizeit, etc.) fokussiert, welches für

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 87

die Lebenswelt der Kinder von Bedeutung ist (vgl. Kaltenbacher & Klages

2008: 143). Jedoch erfährt die Erstsprache der Kinder keine Berücksichtigung,

obwohl diese vor allem bei der Erweiterung des Wortschatzes eine hilfreiche

Stütze sein kann (⊳Kap. 4.3.2).

7.6.2 KIKUS

Im Gegensatz zu DfdS fördert KIKUS (Kinder in Kulturen und Sprachen) nicht

nur Kinder im letzten Kindergartenjahr, sondern bezieht sich, als eines von

wenigen Sprachförderprogrammen, bereits auf Kinder ab drei Jahren, um diese

möglichst gut auf den Schuleintritt vorzubereiten (vgl. Garlin 2008: 11f.). Eine

weitere Besonderheit liegt darin, dass die Erstsprache der Kinder aktiv einge-

bunden wird (vgl. ebd.: 12). Dies gelingt durch das „Einbeziehen der Eltern im

Sinne einer mehrsprachigen Erziehungspartnerschaft“ (vgl. ebd.: 10).

KIKUS basiert auf drei grundlegenden Elementen (vgl. ebd.: 11). Den ersten

Baustein bildet die systematische Förderung in Kleingruppen, welche sich

thematisch an der Lebenswelt der Kinder orientiert. Die Vermittlung erfolgt

mittels kindgerechter Materialien wie Reime, Bildkarten, Spiele oder Lieder

(vgl. ebd.: 14f.).

Ein zweiter wichtiger Baustein von KIKUS ist die Vertiefung der gelernten

Inhalte im Einrichtungsalltag (vgl. ebd.: 15f.). Zwar legt das Programm eine

thematische Reihenfolge fest, jedoch kann von dieser abgewichen werden, um

einen Bezug zum Kindergartenalltag herzustellen (vgl. ebd.: 52).

Der dritte Baustein basiert auf der Erkenntnis, dass gute Kompetenzen in der

Erstsprache positiv auf die Entwicklung der Zweitsprache wirken. Aus diesem

Grund sieht das Programm eine Förderung der Erstsprache durch die Eltern vor

(vgl. ebd.: 16). Die Kinder erhalten nach jeder Fördereinheit in Form eines

Arbeitsblatts eine Hausaufgabe, die sie gemeinsam mit ihren Eltern bearbeiten.

Wurde beispielsweise das Thema Körper behandelt, wird ein Arbeitsblatt mit

den entsprechenden türkischen Bezeichnungen ausgefüllt (vgl. ebd.: 16f.).

Inhaltlich fokussiert das Programm die Förderung des Wortschatzes, der

Grammatik und sprachlicher Handlungsmuster (vgl. ebd.: 15). Hinsichtlich der

Grammatik werden vor allem die Artikel- und Pluralbildung und die Satzbil-

dung (ab 5 Jahren) unterstützt. Mithilfe der Bildkarten werden kleine Ge-

schichten gelegt, um das Handlungsmuster Erzählen zu fördern (vgl. ebd.: 30-

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 88

41). Das Programm beinhaltet außerdem eine Audio-CD mit Liedern zu spezi-

fischen Themenbereichen. Die Lieder wurden vereinfacht und in einem lang-

sameren Tempo aufgezeichnet, sodass die Kinder mitsingen können und ein

Lerneffekt möglich ist (vgl. Garlin 2008: 45):

Es bleibt festzuhalten, dass sich das Programm bemüht, an die Interessen- und

Lebenswelt der Kinder anzuknüpfen, indem Sprache spielerisch vermittelt

wird. Positiv zu bewerten ist außerdem, dass das Programm bereits für Dreijäh-

rige geeignet ist, denn viele der Programme zur Förderung von Kindern mit

Migrationshintergrund sind erst für Kinder ab fünf Jahren entwickelt (vgl.

Jungmann & Albers 2013: 105). Auch die Berücksichtigung der Erstsprache

und die Kooperation mit den Eltern, welche ein wichtiger Bestandteil von För-

derung mehrsprachiger Kinder ist, sprechen für KIKUS.

7.6.3 Potentiale additiver Programme

Additive Sprachförderprogramme stehen aufgrund verschiedener Gesichts-

punkte in Kritik: Die meisten der für den Elementarbereich konzipierten

Sprachförderprogramme beziehen sich auf Kinder im letzten Kindergartenjahr

(vgl. Adler 2011: 14) und klammern die Erstsprachen der Kinder aus (vgl.

Apeltauer 2012: 13). Ruberg und Rothweiler (2012: 153) kritisieren zudem,

dass viele Sprachförderprogramme aufgrund ihrer strikt festgelegten Reihen-

folge von Fördereinheiten ein Ansetzen am aktuellen Entwicklungsstand des

Kindes nicht zulassen und ihre festen Vorgaben nicht zwingend die Lebenswelt

und Interessen der Kinder treffen. Auf die vorgestellten Programme Deutsch

für den Schulstart und KIKUS treffen zwar einzelne Kritikpunkte zu, jedoch

wurde deutlich, dass sie für die Förderung von DaZ-Lernenden mit türkischer

Erstsprache dennoch gewisse Potentiale vorweisen: Während DfdS zum Bei-

spiel wichtige schulische Vorläuferfertigkeiten fokussiert, zeichnet sich

KIKUS vor allem dadurch aus, dass es gezielt die Erstsprachen der Kinder in-

tegriert und auch bei jüngeren Kindern eingesetzt werden kann.

Schließlich stellt sich die Frage, ob ein additives Förderprogramm einer all-

tagsintegrierten Förderung vorzuziehen ist. Nur wenige Sprachförderprogram-

me sind wissenschaftlich evaluiert (vgl. ebd.: 18). Jedoch wurden in dem For-

schungsprojekt EVAS der Pädagogischen Hochschule Heidelberg drei Förder-

programme, darunter auch DfdS, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert. 230

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 89

Kinder wurden durch die Sprachförderprogramme gezielt unterstützt. Eine

Vergleichsgruppe wurde im Rahmen des Kindergartenalltags gefördert. Man

stellte fest, dass die Kinder, welche mittels spezieller Programme gefördert

wurden keine besseren Leistungen erzielten als die Kinder der Kontrollgruppe

(vgl. Roos, Polotzek & Schöler 2010: 1).

Eine Evaluation des Programms KIKUS zeigt ähnliche Ergebnisse: Verglichen

wurden Kinder im Alter zwischen 3 und 5 Jahren, die eine Förderung durch

KIKUS erhielten und solche, die nicht an einer additiven Sprachförderung teil-

nahmen. Eine Überlegenheit der additiven Sprachförderung konnte nicht nach-

gewiesen werden. Ebenso wenig konnte eine Übertragung der Förderungsin-

halte auf den Kindergartenalltag, wie sie das Programm vorsieht, beobachtet

werden (Groth, Egert & Sachse 2017: 74).

Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine additive Sprachförderung gegen-

über einer alltagsintegrierten Förderung keine größeren Fördereffekte erzielt.

Als Gründe für die geringe Effektivität additiver Förderangebote werden unter

anderem die Förderungsdauer und -intensität, die Gruppengröße sowie die he-

terogene Ausführung der Förderung diskutiert (vgl. Groth, Egert & Sachse

2017: 79). Ausschlaggebend ist darüber hinaus die Qualifikation des Fachper-

sonals (vgl. Hoffmann u.a. 2008: 298). Allerdings unterscheiden sich die Fach-

kräfte in ihren beruflichen Voraussetzungen und Kompetenzen. Zwar bieten

einige Förderprogramme mehrtägige Fortbildungsmaßnahmen an, jedoch ist zu

bezweifeln, dass sich die Förderkräfte innerhalb dieser kurzen Zeit hinreichen-

de Kompetenzen aneignen können (vgl. ebd.: 298).

Groth, Egert und Sachse (2017: 80) unterstreichen „die Notwendigkeit, mehr

über die Gelingensfaktoren von additiven Sprachfördermaßnahmen zu erfah-

ren, damit sie als effektives Förderinstrument eingesetzt und auch für die Kin-

der wirksam werden können“ (ebd. 2017: 80).

7.7 Fortsetzung der frühkindlichen Förderung

Dass eine möglichst früh einsetzende Förderung der kindlichen Sprachentwick-

lung unabdingbar ist, steht außer Frage (⊳Kap. 7.2). Die vorangegangenen

Kapitel haben beleuchtet, auf welche Weise eine Förderung im Elementarbe-

reich erfolgen kann. Um die von der Schule geforderte Sprachfähigkeit bezie-

hungsweise bildungssprachliche Kompetenzen erbringen zu können, muss eine

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7 Fördermöglichkeiten im Rahmen von Mehrsprachigkeit 90

Förderung allerdings unbedingt auch im Primar- und Sekundarbereich fortge-

setzt werden (vgl. Bartnitzky & Speck-Hamdan 2005: 11; Gogolin 2009: 87;

Kniffka & Siebert-Ott 2012: 137;), denn die Ausbildung der CALP erfordert

mindestens fünf und bis zu sieben Jahre (vgl. Cummins 2000: 58). Gogolin

(2009: 87) unterstreicht:

[Es] kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Förderung vor der Schule

hinreicht, um Kinder mit Migrationshintergrund an jene spezifischen Sprachfähig-

keiten heranzuführen, die einigermaßen verlässlich und anhaltend für Bildungser-

folg ausreichen. Vielmehr muss die systematische Sprachförderung in der Schule

weitergeführt werden […]. Wenn die Zielperspektive eines Erreichens von ausrei-

chenden bildungssprachlichen Kompetenzen im Blick ist, ist vermutlich von einer

notwendigen Förderdauer über die Grundschule hinaus auszugehen. (ebd.: 87)

Im Zusammenhang mit der schulischen Unterstützung von Zweisprachigkeit

werden häufig institutionelle Gegebenheiten und Schulmodelle diskutiert. Bei-

spielsweise kritisiert Döll (2012: 23), dass es zwar viele bilinguale Schulen für

angesehene Sprachen wie Französisch oder Englisch gibt, entsprechende Mo-

delle für Migrantensprachen hingegen rar gesät sind. Problematisch wird au-

ßerdem die in Deutschland vorherrschende Unterrichtsform der Submersion

gesehen, unter deren Bedingungen die Erstsprache eines Kindes in der Regel

keine Berücksichtigung erfährt (vgl. Belke 2003: 25). Da eine Umstrukturie-

rung der Unterrichtspraxis noch nicht in Aussicht steht, beschäftig man sich

vor allem mit der Frage, mithilfe welcher didaktischen Ansätze ein mehrspra-

chiger Unterricht unter Submersionsbedingungen gelingen kann (vgl. Belke

2003: 30; Niebuhr-Siebert & Baake: 2014: 205-292). Von Bedeutung sind bei-

spielsweise ein sprachsensibler Unterricht, Scaffolding24

oder der klassischen

Kindertherapie entlehnte Methoden wie Inputspezifizierung, Modellierung

oder Kontrastierung (vgl. Niebuhr-Siebert & Baake: 223-230).

Auf die Förderung im Primar- und Sekundarbereich kann im Rahmen dieser

Arbeit nicht näher eingegangen werden. Rösch (2003, 2013) liefert einen

Überblick über die Grundlagen der Sprachförderung in der Grundschule und

im Sekundarbereich, inklusive zahlreicher Übungsideen.

24

Scaffolding meint in diesem Zusammenhang Unterstützungsstrategien, welche die Schüler

schrittweise von der Alltagssprache zur konzeptionellen Schriftlichkeit geleiten (vgl. Niebuhr-

Siebert & Baake 2014: 206f.).

Page 96: Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache ... · Auch ist es möglich, dass Kinder Türkisch als Erstsprache sprechen, die trotz türkischer Wurzeln nicht mehr in

8 Fazit 91

8 Fazit

Die Bildungsbenachteiligung türkischstämmiger Kinder resultiert aus einem

multifaktoriellen Ursachengefüge: Das Aufeinandertreffen von schulischen

Anforderungen und fehlenden sprachlichen Vorläuferfertigkeiten erschwert

den Übergang vom Kindergarten in die Primarstufe und behindert Bildungser-

folge. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Kinder mit türkischem Migrati-

onshintergrund aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status stam-

men, in welchen der sprachliche Anregungsreichtum häufig gering ausfällt. Da

die türkische Kultur außerdem weniger literal als oral geprägt ist, können die

Kinder unter Umständen keine ausreichenden Literacy-Erfahrungen sammeln.

In der Schule werden diese jedoch vorausgesetzt. Die Notwendigkeit einer

sprachlichen Förderung ist offensichtlich.

Die Ausführungen zum Spracherwerb unter den Bedingungen von Mehrspra-

chigkeit machen deutlich, dass eine Reihe von Gründen eine möglichst früh

einsetzende Sprachförderung rechtfertigen: Die für die Unterrichtssprache

notwendige Ausbildung der kognitiv-akademischen Sprachkompetenz (CALP)

bedarf einer Lerndauer von fünf bis sieben Jahren und sollte möglichst früh

unterstützt werden. Aufgrund der langen Erwerbszeit muss eine Förderung

jedoch unbedingt auch nach dem Elementarbereich weitergeführt werden. Au-

ßerdem lassen sich jüngeren Kindern für bestimmte sprachliche Bereiche Er-

werbsvorteile gegenüber älteren Lernenden nachweisen. Da viele türkischspra-

chige Kinder erst mit dem Kindergarteneintritt einen konzentrierten deutsch-

sprachigen Input erhalten, sollten Eltern ihren Kindern möglichst früh den Be-

such einer Kindertagesstätte ermöglichen.

Eine Förderung türkischstämmiger Kinder sollte vor allem die Literacy-

Entwicklung fokussieren. Von Bedeutung sind außerdem mögliche Stolperstei-

ne, die in den Besonderheiten des DaZ-Erwerbs und in den Unterschieden zwi-

schen dem Türkischen und dem Deutschen begründet liegen: Zweitsprachen-

lernende verfügen aufgrund des sprachenspezifischen Wortschatzerwerbs bei-

spielsweise über einen weniger ausgebauten Wortschatz in den einzelnen Spra-

chen. Da das Deutsche eine flektierende Sprache ist, das Türkische hingegen

eine agglutinierende Sprache, bedeutet die Flexion des Deutschen möglicher-

weise eine besondere Herausforderung. Das Genus und der Artikel repräsentie-

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8 Fazit 92

ren ebenfalls dem Türkischen unbekannte Kategorien und verursachen unter

Umständen Schwierigkeiten, etc. Fest steht, dass für eine effektive und zielori-

entierte Förderung die Ermittlung des aktuellen Sprachstands notwendig ist, da

dieser Rückschlüsse auf die Zone der nächsten Entwicklung zulässt. Das Kapi-

tel zur Diagnostik macht deutlich, dass eine gründliche Anamnese unabdingbar

ist, um Informationen über die mehrsprachige Sprachenbiografie des Kindes zu

erhalten. Bezüglich diagnostischer Testverfahren besteht in Zukunft jedoch

noch starker Handlungsbedarf. Bislang existiert kein Verfahren, welches eine

zuverlässige Differentialdiagnose zwischen Therapie- und Förderbedürftigkeit

zulässt. Auch ist das Angebot an Diagnoseinstrumenten für türkischsprachige

Kinder unter vier Jahren begrenzt. Aus diesen Gründen empfehlen sich ein

gestufter Einsatz von Verfahren sowie die gezielte Beobachtung in sprachrele-

vanten Alltagssituationen.

Dass die Einbindung des Türkischen ein notwendiger Bestandteil der Förde-

rung sein muss, wurde an sämtlichen Stellen deutlich: Neben der Wertschät-

zung des Türkischen ermöglicht die Berücksichtigung der Erstsprache die

Übertragung und Verknüpfung von sprachlichem Wissen. Um die Kinder zu

motivieren, sollte sich die Förderung an den Interessen und der Lebenswelt der

Kinder orientieren und handlungsorientierte Sprachlernsituationen schaffen.

Eine Sprachförderung kann entweder im alltagsintegrierten Rahmen stattfinden

oder durch additive Sprachförderprogramme erfolgen. Additive Förderpro-

gramme – zumindest die in dieser Arbeit vorgestellten Programme – erzielen

gegenüber einer alltagsintegrierten Förderung keine größeren Fördereffekte

und bedingen eine Separierung von der übrigen Gruppe. Gerade zu Beginn des

Kindergarteneintritts ist damit zu rechnen, dass sich die Kinder aufgrund der

Sprachbarriere fremd oder handlungsunfähig fühlen, sodass Fachkräfte gründ-

lich abwägen sollten, ob eine separate Förderung tatsächlich lohnenswert er-

scheint oder nicht lieber eine alltagsintegrierte Förderung vorzuziehen ist. Eine

alltagsintegrierte Förderung hat außerdem den entscheidenden Vorteil, dass die

Kinder automatisch in handlungsrelevanten und kommunikativ bedeutsamen

Situationen Sprache erwerben. In der Kommunikation und Interaktion mit an-

deren Kindern, erfahren sie, dass sie mithilfe von Sprache Handlungsziele er-

reichen. Dies erzeugt ein Maß an Sprachlernmotivation, welches in einer addi-

tiven Sprachförderung auf natürliche Weise nicht gegeben ist. Unter diesen

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8 Fazit 93

Gesichtspunkten, ist eine alltagsintegrierte Förderung gegenüber einer additi-

ven Förderung vorzuziehen. Jedoch ist zu bedenken, dass diese nur dann wir-

kungsvoll sein kann, wenn die pädagogischen Fachkräfte entsprechende Quali-

fikationen aufweisen. Wichtig ist ein förderliches Sprechverhalten der Bezugs-

personen, welches sprachliche Strukturen in den Aufmerksamkeitshorizont der

Kinder rückt und Äußerungen rückmeldet. Zwar sollte die Erstsprache auch in

Rahmen der Kindertagesstätte eingebunden werden, jedoch spielt hinsichtlich

der Förderung der Erstsprachfähigkeiten vor allem die Beteiligung der Eltern

eine große Rolle. Zu diesem Zwecke muss unbedingt eine Kooperation zwi-

schen Einrichtung und Familien stattfinden, in denen Entwicklungsfortschritte

ausgetauscht werden und Eltern in der häuslichen Förderung der Erstsprache

unterstützt werden.

All diese Förderprinzipien klingen in ihrer Theorie einleuchtend, stoßen in ih-

rer praktischen Umsetzbarkeit jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit an Gren-

zen. Diese Grenzen werden unter anderem durch den niedrigen Personalschlüs-

sel an Kindertagesstätten gesetzt. Pädagogische Fachkräfte können es kaum

leisten neun unterschiedliche Kinder im Kindergartenalltag gemäß ihrer indivi-

duellen Bedürfnisse zu fördern. Die Förderung allgemeiner Kompetenzen wie

der phonologischen Bewusstheit, der Literacy oder des Wortschatzes sind si-

cherlich umsetzbar. Schwierig wird es jedoch, wenn ein Kind Probleme bei der

Artikulation der Laute [ç] und [x] hat, ein zweites Kind der Unterstützung beim

Erwerb des Perfekts bedarf und ein drittes Kind keine Präpositionen verwen-

det. Jedem Kind ein passendes strukturzentriertes Sprachangebot bereitzustel-

len, ist kaum möglich. Dass die räumlichen und personellen Gegebenheiten

eine additive Sprachförderung zulassen, ist ebenso wenig garantiert. Weitere

Grenzen liegen in der unzureichenden und wenig einheitlichen Ausbildung von

Fachpersonal. Bezüglich der Elternpartizipation darf außerdem nicht vergessen

werden, dass Eltern türkischsprachiger Kinder möglicherweise kaum oder nur

sehr schlecht Deutsch sprechen und eine Kooperation aus diesem Grund ge-

hemmt wird. Auch gilt zu berücksichtigen, dass in Kindertagesstätten nicht nur

das Türkische als Erstsprache präsent ist, sondern beispielsweise auch das Rus-

sische oder Italienische. Die Erstsprachen aller Kinder gleichermaßen einzu-

binden, stellt eine große Herausforderung dar.

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8 Fazit 94

Um bessere Rahmenbedingungen für die Förderung im Elementarbereich zu

schaffen, müssen die Grenzen aufgeweicht werden, indem der Personalschlüs-

sel erhöht wird und beispielsweise Fort- und Weiterbildungen angeboten wer-

den. Vor allem in Kindertagesstätten mit einem hohen Migrantenanteil bietet es

sich an, entsprechende Fortbildungsangebote vor Ort stattfinden zu lassen, um

eine möglichst große Beteiligung zu erreichen. Wird ein Kindergarten von ei-

nem verhältnismäßig hohen Anteil türkischstämmiger Kinder besucht, könnte

man bei Sprachbarrieren gegebenenfalls einen Dolmetscher einladen, um die

Kommunikation zwischen Fachkräften und Eltern zu erleichtern.

Die Voraussetzung für einen angemessenen Umgang mit der Mehrsprachigkeit

türkischstämmiger und gleichwohl aller anderen Migrantenkinder ist die Ak-

zeptanz und Wertschätzung der Erstsprache, und zwar auch auf gesellschaftli-

cher Ebene. Eine Migrantensprache ist ebenso anzuerkennen wie eine global

bedeutsame Fremd- oder Weltsprache, denn im Grunde haben sie doch eines

gemeinsam – sie bereichern ihre Sprecher und erweitern deren Möglichkeiten

ihr Denken und ihren Geist nach außen zu kehren: „Nicht um meine Sprache

zu verlernen, lerne ich andre Sprachen […]. Sondern ich gehe bloß durch

fremde Gärten, um für meine Sprache, als eine Verlobte meiner Denkart, Blu-

men zu holen“ (Herder 2005: 150).

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Thema

Fördermöglichkeiten mehrsprachiger Kinder mit Erstsprache Türkisch

selbstständig verfasst, keine anderen, als die angegebenen Hilfsmittel verwandt und

alle Stellen und Abbildungen, die anderen benutzten Druck- oder digitalisierten Wer-

ken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, mit Quellenangaben kenntlich

gemacht habe.

Gießen, den ___________

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(Sarah Keller)