Gefangenen Info #342

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    Wieder einmal jhrt sich die Todesnacht vonStammheim, und in diesem Jahr haben wir mit Stefan Austs Baader-Meinhof-Kom-plex zum wiederholten Male die endglti-ge Abrechnung mit der Guerilla prsentiertbekommen. Das ist weder neu noch ver-wunderlich.

    Doch die Gegenstimmen werden immer leiser und sind teilweise kaum noch zuhren. So scheint es in der verffentlichtenMeinung keine Zweifel mehr zu geben, dassRAF-Gefangenen Gudrun Ensslin, AndreasBaader und Jan Carl Raspe am 18.10.77 undUlrike Meinhof am 9.5.1976 in Stuttgart-Stammheim Selbstmord verbt haben.

    Dabei sind gerade im letzten Jahr mehre-re Indizien aufgetaucht, die die Selbstmord-these zumindest in Zweifel ziehen.

    So hat die Publizistin Jutta Dithfurth beiihrer Recherchearbeit zur Biographie vonUlrike Meinhof ein Foto gefunden, das Mein-hof erhngt in ihre Zelle zeigt. Bisher war nur der obere Teil des Fotos bekannt. Dochauf dem ganzen Foto ist zu sehen, dass Mein-

    hof mit einem Fu noch auf dem Stuhl steht.Kein Wunder, dass das Foto bisher nicht be-kannt war und auch jetzt verschwiegen wird.

    Vielleicht gbe es ja Fragen, wenn die an-geblich Erhngte eben gar nicht erhngt ist.Dann msste der Stuhl umfallen oder soweitweggestoen werden, dass der Krper desToten ihn nicht berhrt.

    Erschieungen der RAF-Gefangenen Weiterhin kommen immer mehr Informa-tionen an die ffentlichkeit, die deutlich ma-chen, dass im Groen Krisenstab whrendder Schleyer-Entfhrung nicht mal beilu-fig ber mgliche Erschieungen von Ge-fangenen gesprochen wurde. Es war auchnicht nur Franz Josef Strau, dem man sol-che uerungen sowie zutraute, der diese

    Vorschlge brachte. Der Spiegel schrieb inder gleichen Ausgabe, wo er Austs neuestenKomplex anpries:

    Es ergibt sich ein verstrendes Bild vonden Gedanken und Gesprchen der Mchti-gen in jenem ,schwersten Jahr fr die Bun-

    desrepublik (Wischnewski). berraschende Verwerfungen offenbaren sich im rechts-staatlichen Fundament der Republik - dasnach 32 Jahren gelernter Demokratie als fel-senfest galt. Von der Einfhrung der Todes-strafe war die Rede, von Erschieungen und

    von Repressalien gegen RAF-Gefangene,falls Schleyer nicht freigelassen wird.

    Man braucht eine massive Gegendro-hung, erklrte CSU-Chef Franz Josef Strauam 12. September 1977. Der Gedanke der Repression muss errtert werden, sekun-dierte Kohl. Und von Willy Brand (SPD) fin-det sich in Papieren der Satz, es gebe eineOffenheit, ber alles zu sprechen und nach-zudenken.

    Darin war sich also die groe Koalition desKrisenstabes einig. Am 13. September 1977hat Schmidt seinen franzsischen KollegenGiscard dEstaigne darber informiert, dass

    von allen Seiten, sogar von Politikern, Gei-selerschieungen verlangt werden. DieseForderungen werde mit Nachdruck von der Opposition, aber auch seiner Partei und ausweiten Kreisen nicht parteipolitisch gebun-dener Brger erhoben, so Schmidt. Auch der damalige fhrende CDU-Politi-

    ker und sptere Bundesprsident Karl Car-stens notierte, dass aus fhrenden Kreisender CDU und CSU die Forderung erhobenworden sei, seitens des Staates mit Repres-salien gegen die Hftlinge zu drohen. Der Bundeskanzler habe ausdrcklich ermun-tert, alle Mglichkeiten und Vorschlgedurchzudenken?

    Eine Forderung fr die Zukunft

    Wenige Wochen, nachdem die diese so un-terschiedlichen Politiker darber geschrie-ben haben, dass Repressalien bis zu Er-schieungen der Hftlinge gefordert wur-den, waren drei von ihnen tot. Bei jeden In-dizienprozess wrde das nicht als bloer Zu-fall abgetan. Im letzten Jahr hat HelmutSchmidt in einem Interview erklrt, dass er froh sei, dass das Handeln im DeutschenHerbst nicht kritischer von Juristen unter-sucht wurde. Was hat er wohl damit ge-meint?

    Erst krzlich hat die deutsche Justiz es ab-gelehnt, Materialen herauszugeben, die bei

    Abhraktionen in Stuttgart-Stammheim ge-

    Gefangenen InfoC 10190 10.10.2008 Preis: 1,55 342

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Der Tod der RAF-Gefangenen muss neu untersucht wer

    Das Neruda-Zitat lautet auf deutsch:Die deinen sinds,Schwester, die heut dei-nen Namen nennen, sie,die von berall, vomWasser und vom Lande,

    mit deinem Namenschweigen und nennenwir andere Namen.Denn die Flamme stirbt nicht. Pablo Neruda

    Der Text unter dem Mo-saik lautet:Mosaik in Marmor mit Glasur, 94 x 104 cm.Lavori in corso. Knstler-werkstatt P. Neri

    Zum mg-Verfahren; S. 5 ff.

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    sammelt worden. Dabei glaubt natrlich nie-mand mehr, dass die Gefangenen damalsnicht abgehrt wurden. Was ist so Brisantesbei diesem Material, dass es weiter unter Ver-schluss gehalten wird? Wenn es die Selbst-mordversion besttigen wrde, wre es dochwohl lngst verffentlicht?

    Die hier in geraffter Form zusammenge-tragenen Indizien, zeigen einmal mehr. DieFrage, wie Meinhof, Ensslin, Baader und

    Raspe umkamen, ist nach wie vor offen. Wir brauchen einen neuen Untersuchungsaus-schuss, zusammengesetzt aus JuristInnen,MenschenrechtlerInnen, JournalistInnenund engagierten BrgerInnen, die die neu-en Indizien bewertet und die Aufklrung for-dert? Die juristische Prfung der Ereignisse,die 1977, wie Schmidt begrte, nicht statt-gefunden hat, genauer in dem Klima der massiven Hetze gegen alle Oppositionellennicht stattfinden konnte,steht noch aus.

    Sage niemand, dass istdoch alles Vergangenheitund interessiert niemandmehr. Ein kluger Historiker hat mal geschrieben: Wer sich der Vergangenheitnicht erinnert, ist ver-dammt, sie zu wiederho-len. Daher ist die Forde-rung nach einer erneutenUntersuchungskommissi-on nicht etwas Nostalgi-sches, sondern ein Pfandauf die Zukunft.

    Peter NowakPeter Nowak versteht sichin seiner journalistischen

    Arbeit als Stimme der Un-terdrckten und schreibt mit diesem Anspruch inverschiedenen Zeitungenund Zeitschriften. Ein Teilseiner Text findet sich auf der Homepagehttp://www.kverlagundmultimedia.de/Ar-chiv/archiv.html

    GehirnwscheNichts als Wahn: Der Aust-Eichinger-Komplex lebt seine Syndrome ausMit dem Baader-Meinhof Komplex luftam Donnerstag eine der aufwendigstenProduktionen in der Geschichte des deut-schen Films in den Kinos an. Nach einer Medienkampagne, die es in dieser Formnoch nicht gegeben hat. Die Verfilmung desgleichnamigen Buchs von Stefan Aust istschon vor der Freigabe an die ffentlich-keit als deutscher Beitrag zum Oscar nomi-niert worden, nachdem Reinhard Hauffs

    Stammheim, der sich ebenfalls auf das Aust-Buch sttzte, bei der Verleihung desGoldenen Bren vor zwei Jahrzehnten vonder Juryvorsitzenden Gina Lollobrigida alslausiger Film abgetan worden war.

    Der Film kommt genau ein Jahr nach der weitgehend verfehlten Abrechnung mitdem Terrorismus, die zum 30. Jahrestagdes Deutschen Herbstes im September 2007schon mit einem Zweiteiler von Aust imFernsehen angefeuert wurde. Auf Basis ei-ner beispiellosen Schnittfolge werdensmtliche Behauptungen, Erfindungen undFlschungen, die in dem Buch noch ir-gendwie den Quellen zugeordnet werden

    konnten, auf der Leinwand auf die Psy-chopathie einzelner Personen reduziert.Dem Produzenten Bernd Eichinger zufolgewar entscheidend zu zeigen, dass sie estun, nicht, warum sie es tun. Das hat ihnin dem Streifen nicht davon abgehalten,leichtfertig mit Begriffen wie Faschismusum sich zu werfen und die dargestelltenPersonen, bis hin zu Rudi Dutschke und den68er Demonstranten, zu hysterischen und

    lcherlichen Karikaturen zu verzerren. Mitdem erklrten Ziel, nach vielen Jahren nochmal mit allen Mitteln einen Mythos zuzerstren. Gehirnwsche also.

    Die Schauspieler fhlen sich dabei er-schreckend wohl. Da wird ein geradezu an-tisemitisches Bild eines wild herumkom-

    mandierenden Andreas Baader im von Austfrei erfundenen Pelzmantel gezeichnet,werden ihm Stze in den Mund gelegt undGeschichten angehngt, die absurd sind.Baader ist umringt von einem brutalenHaufen, in dem vor allem die Frauen als fa-natisch, zerstrerisch, eiskalt, blde undselbstmrderisch dargestellt werden, umnichts als Wahn zu vermitteln. Von we-gen Legendenbildung. Die letzte Er-kenntnis des Aust: Bonnie und Clyde als

    Voraussetzung fr die Existenz der RAF.Ohne die Liebesbeziehung von AndreasBaader und Gudrun Ensslin htte es den be-

    waffneten Kampf hier nicht gegeben.Es sind in Deutschland bis jetzt schonmehr als 30 Spielfilme zum Thema RAF ge-macht worden, und die Dokumentarfilme -mehr als 100 nach meiner Berechnung -

    sind gar nicht mehr zu zhlen. Etwa einDutzend gehen auf das Konto von Stefan

    Aust selbst, der sich seit dem Erscheinenseines dem Film den Titel gebenden Buchsals RAF-Experte stilisiert hat. Das Buch, dasin diesem Monat in einer auf die Filmver-sionen abgestimmten dritten Neuauflageerscheint, hat sowohl seinen Titel als auchseinen Inhalt dem Bundeskriminalamt zu

    verdanken. Es hat die mehr als 120000 Sei-

    ten umfassenden Ermittlungsakten in denersten Prozessen gegen die RAF als Baa-der-Meinhof Komplex gefhrt. Aust hat diese Akten, mehr als 250 Ord-

    ner, zu einem Zeitpunkt bekommen, als der Zugriff darauf formal noch auf die Prozes-sbeteiligten (d.h. Gericht, Staatsanwalt-schaft, Anwlte und Angeklagte) be-schrnkt war. Informationen des Staats-schutzes (VS, BKA, politische Polizei bei

    den LKAs, Bundesanwalt-schaft u.a.) sind denn auchseine Hauptquellen. Ein kri-tisches Verhltnis dazu ist

    vom vormaligen Konkret-und Spiegel-Redakteur nichtzu erwarten, der vor allemauf Effekthascherei aus ist.Bei seinem LieblingsthemaStammheim, zum Beispiel,ist er nie der Frage nachge-gangen, ob das ausgekl-gelte Kommunikationssy-stem in HiFi-Qualitt, das esunter den Gefangenen gege-ben haben soll, vielleichtnicht das Abhrsystem der Geheimdienste selbst war.Dagegen macht er sich in denMedien gerne wichtigtue-risch mit der Story breit, dassdie RAF ihn einmal ab-knallen wollte. Und mit der These, das, wer die RAF ver-

    stehen will, Moby Dick lesen soll.Die Darstellung einer Sache wird nicht

    wahrer, indem sie immer aufs Neue wie-derholt wird. Auch nicht, indem sie mitscheinbar logischen Schlssen und ober-flchlichen hnlichkeiten zum Originalausgeschmckt wird. Oder indem sie Lern-

    prozesse dadurch verneint, dass Geschich-te an der Persnlichkeitsstruktur einiger bekannter Figuren festgemacht wird. DieFrage ist nur, was wir diesem Bild entge-gensetzen knnen. Auf verschiedenen Ebe-nen hat sich gezeigt, dass immer noch undimmer wieder viel Interesse an der Ge-schichte der RAF besteht. Auer Bruch-stcken und Einzelbiographien gibt es da-zu bisher leider keine authentische Be-schreibung und Analyse aus der Gruppeselbst, die diesem Interesse entsprche. Diemeisten aus der RAF, die noch leben, ha-ben sich jahrelang mit anderen Dingen aus-

    einandersetzen mssen, wie Knast, Polizei-razzien, Gesundheit und bis zuletzt der Androhung von Beugehaft und neuen Ver-fahren. Relevante Diskussionszusammen-hnge haben sich unter ihnen nur langsam

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    entwickeln knnen.Deshalb ist es fr Historiker, Studenten

    und sonstige Interessenten schwierig, auchnur einigermaen zuverlssige Quellen zudieser Geschichte zu finden. Die Aufarbei-tung der Geschichte der RAF ist gekenn-zeichnet von uerst mangelhafter undwillkrlicher Dokumentation, sowohl inden Archiven als auch im Internet als auchin der bis jetzt erschienenen Literatur, um

    von den Medien und Filmproduktionenganz zu schweigen. So werden Erklrun-gen in den unterschiedlichsten Fassungenzitiert. Es sind mehrere geflschte und zer-stckelte Dokumente im Umlauf, und ichhabe noch keine Verffentlichung gesehen,die nicht subjektiven Interpretationen un-terlegen htte. In einer Quellenausgabe, die

    vorgibt, nur Originale zu verffentlichen,ist jeder zweite Satz irgendwie gendertworden. Die Situation bei den bersetzun-gen ist fast noch schlimmer. Wer sich wirk-lich informieren will, wird sich vorlufigmit den Originaldokumenten begngenmssen, von denen es inzwischen eine aut-hentische Sammlung auf der Webseite der International Association of Labour HistoryInstitutions gibt (labourhistory.net/raf/).

    Klar, aus der Sicht derjenigen, die zu ih-rer Geschichte stehen, wre es an der Zeit,die wesentlichen Erfahrungen auszugrabenund aufzuschreiben, die Ziele und Inhaltewieder an sich zu reien, sich die Bilder, dieSprache und einen irgendwie kollektivenBegriff wieder anzueignen. Solange es ihnnicht gibt, werden die vorgegebenen De-nunziationen - vom Avantgardeanspruch,

    verpackt in Erpressungsmrchen, ber denDritte-Welt-Fetischismus und Deutsch-Na-tionalismus bis hin zum Antisemitismusund zu den Selbstmordbeteuerungen - denffentlichen Diskurs beherrschen. Und ei-nige werden versuchen, sich damit einenNamen oder halt das groe Geld zu machen.Ein afrikanisches Sprichwort lautet: So-lange die Lwen nicht ihre eigenen Histo-riker haben, werden die Jagdgeschichtenstets die Jger glorifizieren. EichingersFilm macht genau dies. Ihm scheint es nichteinmal um die Opfer von Anschlgen zugehen, schon gar nicht um die politischen

    Fehler, die die RAF gemacht hat, sonderneinfach darum, abzuschrecken und zu de-nunzieren. Und damit denjenigen, die zur RAF stieen, auch noch ihren moralischen

    Anspruch abzusprechen. Der Film ist eineBeleidigung all derer, die fr Emanzipationund Befreiung gekmpft haben, und all de-rer, die versuchen, Widerstand gegen diebestehende Weltordnung zu organisieren.Ron Augustin, aus: jungeWelt 24.9.

    Der Baader-Meinhof-Komplex. Regie: UliEdel. Deutschland 2008, 150 Minuten. Ki-nostart: 25. September

    Ron Augustin war ab 1971 Mitglied der RAF. Zwischen 1973 und 1980 war er ein-gekerkert und fast ununterbrochen in Ein-zelhaft.

    Vorbemerkung:Der Text kann auch als Filmrezension desMachwerkes von Aust verstanden werden,denn dort wird der Prozess - wenn auchentstellt - behandelt.

    Der ersteStammheim-Prozess

    Am 21. Mai 1975 beginnt der Prozess gegenGudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Jan-CarlRaspe und Andreas Baader, in dessen Ver-lauf die Justiz alle Mittel benutzt, um die Ge-fangenen bzw. deren politische Identitt zubrechen und auszulschen. Ursprnglichsollte auch gegen Holger Meins verhandeltwerden, doch er verstarb am 9.11.1974 nacheinem achtwchigen Hungerstreik, verur-sacht durch die Tortur der Zwangsernhrungund gleichzeitig zu geringer Nahrungszu-fuhr. Verantwortlich fr die Haftbedingun-gen waren neben dem BKA unter der vonLeitung Horst Herold der zustndige Haf-trichter Prinzing, der spter in Stammheimals Vorsitzender Richter fungierte, sowie dieGeneralbundesanwaltschaft unter Buback,der meinte: Schon fnf Angeklagte warenmanchen zu viel.

    Schon der speziell fr diesen und die fol-genden Staatsschutzprozesse gegen die RAFerrichtete berchtigte Prozessbunker vonStammheim dokumentiert die Entschlossen-heit des Staates, dieses Ziel auch zu errei-chen.

    Die niederlndische Tageszeitung HetParool schrieb dazu: Fr 12 Millionen DMist das Gefngnis zu einer Festung umge-baut worden, in dessen Nhe nicht einmalein Vogel unbemerkt gelangen konnte, wieein Wchter dies ausdrckte.

    Auf den Dchern sind Soldaten zu sehen.Fernsehkameras registrieren alles. Helikop-ter halten die Umgebung im Auge. berall

    Kontrollposten, bestehend aus Militr undPolizei- und Geheimdiensten. De TelegraafDer Spiegel zhlt an die 700 Beamte. Im

    Prozess muss der Besucher all seinen per-snlichen Sachen abgeben. und verliertein wenig von seiner Identitt und seiner normalen Wahrnehmung ... Durch diesesGefhl beginnt er zu begreifen, was Lang-zeitisolation in diese knstlichen und asep-tischen Atmosphre bedeutet, wo Worte, Ge-sten und Zeichen durch stndig durch einFilter der Filter passieren. (Ouotidien de Pa-ris, 10.7.75)

    So wird dann auch eine politische Pro-

    zessfhrung permanent unterdrckt, dieRAF gilt als kriminelle Vereinigung. Im August 1976 wird der 129a Bildung, Un-tersttzung und Werbung (fr) eine/r terro-ristische/n Vereinigung geschaffen. Als

    Terroristen werden alle GegnerInnen desStaates definiert. Zunchst richtet er sich nur gegen die RAF, weil - wie die Bundesregie-rung ganz offen sagt - die RAF so besser alsGruppe verfolgt werden kann, ohne einenEinzeltterInnennachweis erbringen zumssen. Mit dem 129a werden alle Son-derhaftbedingungen und Sonderermittlun-gen begrndet.

    In Verfahren nach 129a StGB kontrolliertein Richter die Korrespondenz zwischen Ver-teidiger/innen und Gefangenen (148 Abs.2 StPO). Dieser hlt die Post zurck, wenner der Auffassung ist, sie diene nicht demZweck der Verteidigung. Dadurch und durchDurchsuchungen in Zellen und Kanzleienmit einhergehenden Beschlagnahmungen

    von Prozessunterlagen konnten sich Polizeiund Staatsanwaltschaft einen Einblick indas Verteidigungskonzept verschaffen.

    Auch der mndliche Verkehr wurde kon-trolliert und akustisch berwacht. Der ba-den-wrttembergische Innenminister rum-te im Mrz 1977 ffentlich ein, dass in zwei,Ausnahmesituationen im Stammheimer Knast Gesprche zwischen Gefangenen ausder RAF und ihren Verteidigern heimlich auf

    Tonband aufgenommen worden sind.Neben der 1974 erfolgten Einschrnkungdes Erklrungsrechts des Gefangenen in der Hauptverhandlung (Streichung des 271aStPO) wurde auch das Recht von Verteidi-ger/innen, Erklrungen abzugeben, be-schnitten. (Justiz-)kritische uerungenwurden mit Ehrengerichtsverfahren beant-wortet. Verteidiger/innen wurden von Ver-fahren ausgeschlossen, u.a. mit der Begrn-dung, sie htten eine ,kriminelle bzw. ,ter-roristische Vereinigung, nmlich die Ge-fangenen aus der RAF, ,untersttzt. Mit hn-licher Begrndung wurden vier Verteidiger

    u.a. Klaus Croissant, Armin Newerla und Arndt Mller verhaftet und zu Gefngnis-strafen und Berufsverbot verurteilt. Zieledieser Eingriffe in das Verteidigungsrechtwaren erstens, die Isolation der politischen

    Bilder gesehen in Berlin, Tegeler Weg

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    Gefangenen zu verschrfen, diese werden ei-ner der wenigen ihnen verbliebenen Kom-munikationsmglichkeiten beraubt; zwei-tens eine politische Verteidigung zu verhin-dern und drittens zu verhindern, dass diestaatlichen Manahmen gegen die Gefan-genen an die ffentlichkeit gelangen (vgl.Bakker Schut, Todesschsse S.137ff.).

    1974 wurde die Hchstzahl der Wahlver-teidiger/innen auf drei, das Verbot fr An-

    wltInnen mehrere KlientInnen in ein unddemselben Verfahren zu verteidigen und dieErlaubnis, die Hauptverhandlung ohne An-geklagte durchzufhren im Strafrecht fest-geschrieben und im Stammheimer Verfah-ren gegen Ulrike Meinhof, Andreas Baader,Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe prakti-ziert.

    Die Isolationshaftbedingungen Vom Stammheimer Gericht bestellte Gut-achter kommen 1975 zum Ergebnis, dassdie Gefangenen nach der jahrelangen Iso-lation nicht mehr verhandlungsfhig sind.Die Isolationsfolter wird auch weie Folter genannt, weil sie keine sichtbaren physi-schen Spuren am Krper hinterlsst. Siedient der sensorischen Deprivation und so-zialen Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hr-, Riech-, Geschmacks- und Tast-organe zielt und dadurch zu lebensgefhr-lichen Zustnden fhren kann. Selbst dieUNO hat die Isolationshaft als Folter gech-tet. Folgen sind z.B. Kopfschmerzen,Schwindelanflle, Konzentrationsschwie-rigkeiten, Mdigkeit, Schlafstrungen,chronischer Schnupfen, Gedchtnisverlust... Diese Sonderhaftbedingungen gehen ankeinem der Gefangenen spurlos vorbei. Da-zu kommen Langzeitfolgen.

    Erforscht wurde sie in Hamburg am Uni- versittskrankenhaus Eppendorf. Dientendiese Haftbedingungen anfangs zu Aussa-geerpressung, zielten sie spter auf Ver-nichtung der Gefangenen. Die Gefangenenaus der RAF wehrten sich in 10 kollektivenHungerstreiks. Insgesamt 9 politische Ge-fangene berlebten den Knast nicht.

    Selbst vom Gericht bestellte Gutachter befrworteten, die Isolation aufzuhebenund die Hftlinge in so genannten inter-

    aktionsfhige Gruppen von 10 bis 15 Ge-fangenen zusammenzulegen. Aber die Iso-lation wird nicht aufgehoben, sondern ver-rechtlicht. Der Bundesgerichtshof argu-mentiert in seinem Beschluss: Die Gefan-genen htten ihre Haftbedingungen selbst

    verschuldet, und zwar wegen der fanati-schen Verfolgung ihrer Ziele auch aus der Untersuchungshaft heraus. So htten sieden Behrden keine andere Wahl gelassen.Es war also klar: Es gibt Isolation. Isolati-on zerstrt die Gefangenen, aber: Nach An-sicht der Justiz ist Isolation gerechtfertigt,weil die Gefangenen ihre Identitt nicht

    aufgeben.Stammheim ist der Ort, an dem zum er-sten Mal in der Justizgeschichte der BRDdie Grundstze der prventiven Konterre-

    volution wissenschaftlich erprobt wurden:

    von den Isolationhaftprogrammen made inden USA bis hin zum Bau eines Prozes-sbunkers auf dem Gefngnisgelnde, vomauf seinen Stuhl manipulieren Gerichts-

    vorsitzenden bis hin zu offenen Gesetzes-bruch durch Abhren der Verteidigerge-sprche und der Gefngniszellen, von der Zerschlagung der Verteidigung durch Son-dergesetze, Verteidigerausschlsse, Verhaf-tungen und Berufsverbote bis hin zur Ver-

    hngung totaler Kontaktsperre. Klaus Cro-issant in Bakker Shut Seite 11

    Die Gefangenen fhren den ProzesspolitischObwohl der politische Charakter dieses Pro-zesses mit allen Mitteln verschleiert werdensoll, verlesen Anfang Januar 1976 die An-geklagten eine 200 Seiten lange Erklrungzur Sache. Darin geht es u. a. um die Be-freiungskmpfe im Trikont, den ehemali-gen Kolonien, und die dagegen gesetzte

    Vlkermordstrategie des Westens insbe-sondere in Vietnam; insbesondere um dieRolle der daran beteiligten BRD und damitder Notwendigkeit, auch in der BRD (Me-tropole) guerillamig die weltweiten Be-

    freiungskmpfe aktiv zu untersttzen. So

    haben die Anwlte der Gefangenen als Zeu-gen z.B. fhrende Politiker der BRD ladenwollen, die ber die Verbindung des Staa-tes und der Wirtschaft mit den Krieg-fhrenden in Vietnam aussagen sollen. Dieswird vom Gericht nicht zugelassen. Aber auch nur noch 4 Gefangene waren

    den Herrschende zuviel, denn Ulrike Mein-hof erlebte das Ende des Prozesses nicht.Ihr Tod am 9.Mai 1976 ist bis heute unge-klrt und die Internationale Untersu-chungskommission kommt zu dem Schluss:...dass Ulrike M. tot war, als man sie auf-hngte und dass es beunruhigende Indizi-

    en gibt, die auf das Eingreifen eines Drit-ten im Zusammenhang mit diesem Tod hin-weisen.

    Mit Dritte sind gemeint, Geheimdienste- neben dem Gefngnispersonal - Zugang

    zu den Zellen ... und zwar durch einen ge-trennten und geheimen Eingang

    Nicht verwunderlich ist, dass am28.4.1977 Andreas Baader, Gudrun Ensslinund Jan-Carl Raspe zu lebenslnglichenHaftstrafen verurteilt worden und kurz da-nach am 18.10.77 starben. Ihr Tod ist bisheute ungeklrt.

    Stammheim ist der Ort , an dem die BRDihre ,freiheitlich-demokratische Grundord-

    nung und ihre ganze Nachkriegsgeschich-te gegen die den Angriff und die Anklageaus der Schusslinie nehmen und den poli-tische Prozess abwrgen musste, die phy-sische Vernichtung der Angeklagten inihren Gefngniszellen eingeschlossen.Croissant in Bakker Schut, Seite 11

    Auswirkungen auf heutigeStaatschutzverfahren

    Auch wenn das Verfahren damals in densiebziger Jahren einige Besonderheiten auf-wies, wie ich eben schon darlegte, gibt esaber auch Berhrungspunkte, die ich kurzbenennen will:

    Zu Zeit findet zum einen in Berlin das Verfahren gegen Axel, Florian und Olli we-gen Mitgliedschaft in einer kriminellen

    Vereinigung mg (129) statt. Zum ande-ren wird seit dem Frhjahr wird gegen 5trkische migrantische Linke wegen Mit-gliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung im Ausland (129b) verhandelt, wasoft bei den Linken unter den Tisch fllt. Aus einem Interview aus dem ak 531 vom

    19.9.2008 mit Sven Lindemann, demRechtsanwalt von Florian:

    Wir verhandeln vor einem Sonderge-richt, unter Sonderbedingungen, unter Sonderparagrafen, unter einer Sonderan-klagebehrde; das geht alles nur im Hin-blick auf das Vereinigungsdelikt. Der 129ist also das zentrale Element der Anklage.Gbe es diesen Anklagepunkt nicht, fndeder Prozess vor dem Amtsgericht .... statt,es ging lediglich um versuchte Brandstif-tung, die Haftbefehle wren lngst aufge-hoben und der ganze Prozess wrde in ei-ner entspannteren Atmosphre stattfinden.

    ... und sicherlich drfte dann auch dasStrafma anders ausfallen.

    Weiterhin sind diese Staatschutzgerichtemit besonders ausgewhlten geschultenRichtern ausgestattet, die Verteidigungwird generell benachteiligt, wie z.B. durch

    vorenthalte Akten, Einschchterung undBehinderung der ffentlichkeit durch dra-konische Kontrollen, und die Prozesse wer-den auf Kosten und somit auf das Leben

    von Gefangenen gefhrt, so z.B. gegen denherzkranken und somit haftunfhigenMustafa Atalay, den an einer Psychosen lei-denden Ilhan Demirtas sowie im aktuellenmg-Verfahren ist einer der Beschuldigtenretraumatisiert.

    Offene FragenOft wird von uns diskutiert, warum reagiertdieser Staat mit seinem ganzen Arsenal an

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    Repression, obwohl die radikale Linke auchschon mal strker war, denn viele bewaff-nete und militante Zusammenhnge ausden siebziger und achtziger Jahren gibt eshier nicht mehr. Auch hier lohnt es sich, auf das damali-

    ge Zeit einzugehen. Der damalige Bundes-kanzler Helmut Schmidt meinte in der FAZ

    vom 21.1.75.: Im Hinblick auf das atlan-tische Bndnis muss jedes Land im Auge

    behalten, dass es innenpolitisch fhigbleibt, seine auenpolitische Verpflichtun-gen zu erfllen:

    Bei den heutigen diversen Auslandinter- ventionen der Bundeswehr von 8000 Sol-daten ist die Ruhe an der Heimatfront exi-stenziell: die drei Genossen aus Berlin wa-ren nach einer anti-militaristischen Aktion

    verhaftet worden und sollen wegen dieser aktiven Ruhestrung u.a. verurteilt wer-den.

    Die Trkei ist ein wichtiger Partner fr das expansive Nato-Bndnis. Der Verfas-sungsschutz Baden-Wrttembergs warnt

    vor linksradikaler deutsch-trkischer Soli-daritt (Bietigheimer Zeitung). Der VS be-zog sich auf die Demo vom 5.7. und somitauf die Arbeit gegen den 129. Agierten dietrkische und einheimische Linke leider meist getrennt, so wird das gemeinsame

    Auftreten als Gefahr letztendlich fr dieauenpolitische Verpflichtungen der BRD und der Nato gesehen. Vielleicht ist die Frage bezglich der dra-

    konischen Repression immer noch nichtausreichend bzw. befriedigend beantwor-tet, gerade da nicht nur die Justiz, Polizeiund Geheimdienste gegen uns eingesetzt,sondern auch Militr wie z.B. anlsslich der Proteste gegen das G-8-Treffen 2007 in Hei-ligendamm.

    In dem 1971 erschienen Buch Im Vor-feld des Krieges schreibt Frank Kitson, da-maliger Kommandant der 2. Rheinarmee inder BRD: Subversion und Aufruhr gegen-wrtiger Formen der Kriegsfhrung sind,auf die sich die Streitkrfte sich einstellenmssen. Kitson verfgte ber Erfahrun-gen in der Unterdrckung von Befreiungs-kmpfen in der 3.Welt sowie auch in Nor-dirland. Unter Subversion verstand nicht er

    nur Aktionen von bewaffneten Gruppen,sondern auch legale Aktionen von unbe-waffneter Bevlkerung, die Regierung zustrzen, oder diese gegen ihren Willen zubestimmten Handlungen zu zwingen. Zi-tiert aus Bakker Shut Stammheim, Seite181/182.

    Bestimmt knnen in einem Artikel zumdamaligen Prozess nicht alle heutige Fra-gen beantwortet werden, aber es knnenhoffentlich doch hilfreiche Anregungen fr heute gezogen werden.Wolfgang, Mitarbeiter beim Gefangenen In-

    fo und beim Netzwerk Freiheit fr alle po-

    litische GefangeneLiteratur:Bakker Shut, Stammheim, Isolationshaft inder BRD von Niels Seibert aus Bei leben-digem Leib Unrast-Verlag

    Hier sitzen die falschen Leute auf der An-klagebank und sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph

    129 verurteilt werden. Auf die Anklage-bank gehren Kriegstreiber, Kriegsbefr-worter und Rstungskonzerne. Sie sind diekriminellen Vereinigungen. Sie sind anzu-klagen.

    Ist Krieg Frieden?Immer wieder heit es, die heutigen Kriege- und ganz besonders der Krieg in Afgha-nistan - seien eigentlich eine Friedensmis-sion. Wenn man die Truppen abzge, kmees zum Brgerkrieg oder chaotischen Ver-hltnissen. Dies ist allerdings reine Speku-lation. Sicher ist dagegen, dass der derzei-tige Kriegszustand fr die afghanische Be-

    vlkerung Elend, Hunger und Terror be-deutet. Deutsche Politiker, von Jung bisMerkel, erhalten unermdlich den Mythosaufrecht, die in Afghanistan operierendeNATO-Truppe ISAF handle als reine Frie-dens- und Stabilisierungsmission. Dabeiwird immer deutlicher, dass sie an einementgrenzten Krieg gegen die afghanischeBevlkerung beteiligt ist. Denn bei demISAF-Einsatz, an dem gegenwrtig ca.3.300 Bundeswehrsoldaten beteiligt sind,handelt es sich keineswegs um einen Ent-wicklungshilfeeinsatz. Der so genannteKrieg gegen den Terror am Hindukusch ar-beitet mit Mitteln der Aufstandsbekmp-fung, die sich ebenso gegen Kmpfer undKmpferinnen wie gegen Zivilisten und Zi-

    vilistinnen in Afghanistan richten. Mit der bernahme des Kommandos der SchnellenEingreiftruppe verstrickt sich Deutschlandimmer tiefer in diesen Aufstandsbekmp-fungskrieg. Was dies fr die afghanische Bevlkerung

    heit, ist Ende August wieder einmal sehr deutlich geworden. Die Koalitionstruppen

    verbten am 21. August diesen Jahres ein

    Massaker. Sie begrndeten ihr Verbrechenmit den Worten, sie htte mit afghanischer Untersttzung ein Treffen der Taliban in der westafghanischen Provinz Herat angegrif-fen und dabei 30, zum Teil fhrende Funk-tionre des islamistischen Widerstandsgettet. Einige Tage spter stellte die af-ghanische Unabhngige Menschenrechts-kommission fest, dass 90 unbeteiligte Men-schen, hauptschlich Frauen und Kinder,gettet wurden. Selbst die mit dem Westen

    verbundene Regierung Karsai musste ein-rumen, dass Zivilpersonen bei dem An-griff starben.

    Das Massaker lste in Afghanistan mas-sive Proteste aus. In Azizabad griffen auf-gebrachte Bewohner und Bewohnerinnenafghanische Soldaten an. Angesichts dieser Gewalttaten nimmt der legitime Wider-

    stand gegen die Besatzung unter allen Be- vlkerungsschichten Afghanistans zu. DieMedien stellen die afghanische Bevlke-

    rung generell als Taliban oder Warlords dar - ein absolut verzerrtes Feindbild. Fr vie-le geht es einfach um ein Recht auf Wider-stand gegen den Terror der Besatzer, gegeneinen Krieg, in dem so viele Unschuldigesterben mssen.

    Immer wieder kommt es zu solchen so ge-nannten Zwischenfllen, die in Wirklich-keit der Alltag des Krieges sind: Einen Tag

    vor dem Massaker in Herat meldete dpa, dieBundeswehr habe erklrt, in der Nhe vonFaisabad einen Angreifer erschossen zu ha-ben. Der Polizeichef der Provinz habe aber klargestellt, dass es sich um einen Schfer handelte. Er hatte der Militrpatrouille per Handzeichen signalisiert, nicht nher anseine Herde heranzufahren.

    Stirbt ein deutscher Soldat in Afghani-stan, dann wird jedoch staatstragend ge-trauert. Ende August wurde bei einem An-griff auf einen deutschen Konvoi ein deut-scher Fallschirmjger gettet. Sein Truppsei in eine Sprengfalle geraten, teilte der

    Verteidigungsminister Jung mit. Er verur-teilte diesen Anschlag als feige und hinter-hltig. Tote Afghanen werden dagegen al-lenfalls als unvermeidlicher Kollateral-schaden der Kriegsfhrung erwhnt. Ms-sen erst viele Zinksrge mit deutschen Sol-daten und Soldatinnen zurckkommen, da-mit allen klar wird: Deutsche Truppen ms-sen raus aus Afghanistan! Warum reichendie vielen afghanischen Toten nicht aus?

    Anscheinend nicht: Die Zustimmung imBundestag fr eine Verlngerung des Man-dats des Afghanistan-Einsatzes der Bun-deswehr gilt als sicher. Dabei erkennenselbst viele deutsche Soldaten trotz aller Propaganda, worum es in Afghanistantatschlich geht. Es gibt derzeit einen Ein-bruch bei den Meldungen zum freiwilligen

    Dienst an der Waffe; zehn Prozent aller Of-fiziersanwrter quittieren ihren Dienstschon whrend ihrer Ausbildung. Sie ha-ben berechtigte Angst um ihr Leben.

    Was sind die Kriegsgrnde?Die Lgen ber die Ziele deutscher Kriegspo-litik werden immer offensichtlicher: Schon1999 hie es, wir mssten wieder in den Kriegziehen, um ein weiteres Auschwitz zu ver-hindern. Mit dieser dreisten Instrumentali-sierung der Shoah wurde erstmalig ein vl-kerrechts- und grundgesetzwidriger An-griffskrieg gegen Jugoslawien legitimiert. Er

    kostete vielen Zivilisten und Zivilistinnen dasLeben. Angeblich sollte ein Vlkermord imKosovo verhindert werden. Gezielte Zer-strungen von Strom- und Wasserversor-gungen, Brcken, lraffinerien und Chemie-

    Prozesserklrung vonAxel, Florian und Oliver

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    fabriken verschlechterten die Lebensbedin-gungen der Menschen drastisch. Jugoslawi-en wurde zerschlagen.

    In Afghanistan spricht vor allem dessen ge-ostrategische Bedeutung fr einen Krieg. Sowill der US-Konzern Unocal eine Pipelinedurch Afghanistan verlegen. Afghanistan istinteressant als Pipelinekorridor und liegt inder Nhe von zwei Dritteln der weltweitenl- und Gasvorrte. Das Land eignet sich in-

    mitten dieser weltpolitisch wichtigsten Regi-on als Stationierungsort fr Radaranlagenund Raketenabschussrampen. Lothar Rhl,frherer Regierungssprecher und Staatsse-kretr im Bundesverteidigungsministerium,bezeichnete die Sicherung der westlichen In-

    vestitionen in das neue Afghanistan als ei-gentlichen Kriegsgrund.

    Daher wurden im Rahmen der Besatzungumfangreiche Wirtschaftsreformen diktiert.So beteiligte sich Deutschland mageblich ander Ausarbeitung eines so genannten Inve-stitionsschutzabkommens. Dieses erlaubt es

    Auslndern, Firmen in Afghanistan zu 100Prozent zu besitzen, schtzt sie vor Enteig-nung und befreit sie obendrein in den erstenacht Jahren vllig von Steuerzahlungen. DieAufrechterhaltung des freien Welthandelsund des ungehinderten Zugangs zu Mrktenund Rohstoffen in aller Welt - werden schonin den Verteidigungspolitischen Richtlinien

    von 1992 als Kriegsgrund genannt.Ein weiterer Grund fr die deutsche Regie-

    rung, die militrische Untersttzung des Krie-ges zu verlngern, ist, dass sie ihre Bndni-streue gegenber der NATO beweisen will. Siewill ihre Position in der NATO sichern undzudem auch die NATO festigen. Denn ein Ab-zug der deutschen Truppen aus Afghanistan,wrde den Krieg gegen den Terror zumScheitern verurteilen. Und es wrde die NA-TO in ihrer gegenwrtigen Konzeption, alsweltweit agierendes Bndnis auch fr knf-tige Angriffskriege, in Frage stellen.

    Wer verdient an den Kriegen?Und berhaupt: Die Geschfte mit dem Todlaufen gut. 2007 stiegen die weltweiten Mi-litrausgaben auf ein Rekordniveau. Insge-samt wuchsen die Umstze der Waffenkon-zerne gewaltig und zeigten, wie gewinnbrin-gend der Handel mit Kriegsmaterial ist. DasMilitr verschlingt Milliarden. Das Stockhol-mer Friedensinstitut ermittelte die grten

    Waffenexporteure der Welt. Deutschland istmit einem Weltmarktanteil von zehn Prozentdrittgrter Rstungsexporteur der Welt.

    Die Firma Heckler & Koch beispielsweiseliefert weltweit ihre Sturmgewehre G 36 indie Krisenzentren der Welt. So auch an diegeorgische Armee, die am 8. August diesesJahres die Hauptstadt der Provinz Ossetienmit deutschen Waffen berfiel. Mit der geor-gischen Militroffensive begann ein schmut-ziger Krieg im Kaukasus. Vor allem traf es

    wieder wehrlose Zivilisten - auch Kinder: Op-fer eines Konflikts, der schon viele Jahreschwelt. Trotz Exportverbots ist die Stan-dardwaffe der Bundeswehr, das Sturmgewehr G 36 K, schon 2005 nach Georgien geliefert

    worden. Die Rstungsexportrichtlinien un-tersagen Waffenexporte in Krisenregionen.Entweder hat Heckler & Koch illegal geliefertoder die USA haben die Waffen weiterver-kauft und damit gegen die Endverbleibs-klausel verstoen, die solche Weiterverkufe

    verhindern soll.Es gab und gibt immer wieder Waffenlie-

    ferungen von deutschen Firmen an men-schenrechtsverletzende oder kriegsfhrende

    Staaten. Wer ermittelt gegen solche krimi-nellen Machenschaften? Wer verurteilt sie?

    Woher kommt das Geld fr dieKriege?Die Intensitt der Kriege nimmt zu und ander Rstung wird immens verdient. Mit dem

    Verteidigungshaushalt werden die finanziel-len Grundlagen dafr gelegt, dass die Bun-deswehr ihre Kriege fhren kann.

    Die Abgeordneten des Bundestages habenam 30. November 2007 das Haushaltsgesetz

    2008 beschlossen und den Verteidigungsetatwieder einmal um eine Milliarde auf 29,45

    Ermittlungen wegenGrndung der militantengruppe eingestellt

    Nach sieben Jahren wurde am 22.9.2008ein Ermittlungsverfahren nach 129 ge-gen drei Mitglieder der Initiative Libertad!eingestellt. Wir dokumentieren eine per-snliche Erklrung der drei Berliner, de-nen die Bundesanwaltschaft seit 2001 dieGrndung der militanten gruppe vorwarf:

    Der Verfassungsschutz muss in dieSchranken verwiesen werdenSeit dem 25.9.2008 wird vor dem Berliner Kammergericht gegen drei Mnner ver-handelt, denen die Bundesanwaltschaft ne-ben einer versuchten Brandstiftung die Mit-gliedschaft in der militanten gruppe vor-wirft. Die Anklage sttzt sich auf den Pr-sidenten des Bundesamtes fr Verfas-sungsschutz. Dieser habe mitgeteilt, bei den

    Angeklagten handele es sich nach einer im Allgemeinen zuverlssig berichtenden undnachrichtenehrlichen Quelle um Mitglie-der der militanten gruppe.

    Schon einmal hat der Verfassungsschutzbehauptet, Mitglieder der militanten grup-pe zu kennen: Am 3.7.2001 teilte das Bundesamt fr

    Verfassungsschutz der Bundesanwaltschaftmit, wir - drei Mitglieder der Initiative Li-bertad! - seien die Grnder und Mitglieder der militanten gruppe. Es ging nicht um ei-nen zu prfenden Verdacht, es wurde eine

    Feststellung getroffen. Der Verfassungs-schutz forderte die Bundesanwaltschaftauf, uns strafrechtlich zu verfolgen.

    Seit dem 16.7.2001 hat das Bundeskri-

    minalamt sieben Jahre lang gegen uns er-mittelt: Unsere Wohnungen und Arbeits-stellen wurden Tag und Nacht gefilmt, un-sere Telefone abgehrt, unsere Autos ver-wanzt und mit Peilsendern versehen. AlleBanktransaktionen wurden kontrolliert.

    Wir wurden auf Schritt und Tritt von Zi- vilpolizisten verfolgt. Schlielich wurdenunsere Wohnungen und Arbeitsstellendurchsucht, unsere Computer, Tagebcher,Fingerabdrcke und DNA analysiert.

    Das Ergebnis: Das Ermittlungsverfahrenwurde am 22.9.2008 eingestellt, weil der

    Anfangsverdacht nicht erhrtet werdenkonnte. Der Anfangsverdacht, das warendie Erkenntnisse des Verfassungsschutzes.

    Fr das aktuelle Gerichtsverfahren kanndas nur bedeuten: Der Verfassungsschutzhat vor dem Kammergericht nichts zu su-chen.

    Die Bundesanwaltschaft hat bei der Ver-folgung der linken Szene Rechtsbrche be-gangen und musste Niederlagen hinneh-men. Sie steht unter Druck, zumindest einUrteil gegen linke Aktivisten wegen einesOrganisationsdelikts zu erzielen. Dazu istdie Anklagevertretung bereit, auf unber-prfbare Berichte bezahlter Geheimdienst-spitzel zurckzugreifen. Wir selbst werden alle verfgbaren Mit-

    tel nutzen, um gegen die Verletzung unse-rer Grundrechte und insbesondere gegendie Steuerung der Polizei durch den Ge-heimdienst vorzugehen.Berlin, 1.10.2008

    Jochen U., Jonas F., Markus H.

    weitere Informationen:Bndnis fr die Einstellung der 129(a)-

    Verfahren

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    Milliarden Euro erhht. Auch deshalb wirdein Groteil der Menschen immer rmer. Esgeht zuviel Geld in den Verteidigungshaus-halt.

    Die sozialen Krzungen in den verschie-densten Bereichen treffen zuerst diejenigen,die sowieso an den sozialen Rand gedrngtsind. Diese Entwicklungen sind eben nicht zutrennen vom weltweiten Kriegszustand. R-stungsausgaben steigen, an Ausgaben fr So-

    ziales wird gespart. Ganze Bevlkerungs-schichten verarmen, eine neue Form von Kin-derarmut entsteht.

    Die neue soziale Situation wird von denStrategen der Bundeswehr fr die Nach-wuchsgewinnung schamlos ausgenutzt. Pro-fessoren an der Bundeswehr-UniversittMnchen nehmen an, dass es derzeit eine er-hhte Gewaltbereitschaft von Jugendlichengebe. Die Bereitschaft zum Tten sei eineideelle Ressource. Eine mgliche Verbesse-rung auf dem Arbeits- und Ausbildungs-markt ist aus ihrer Sicht gar nicht erwnscht.Denn gerade in der Perspektivlosigkeit vonJugendlichen sehen sie die Chance, ausrei-chend Soldaten zu rekrutieren. So versuchtdie Bundeswehr besonders an Schulen undauf Arbeitsmtern, Nachwuchs zu gewinnen.

    Wo bleiben die Kriegsflchtlinge?Der Krieg gegen Afghanistan ist auch der Grund dafr, dass viele Menschen aus demLand fliehen. Aber anstatt sie aufzunehmen,weil man die Ursachen fr die Flucht selbstgeschaffen hat, mssen die berlebenden Op-fer des Krieges eine Migrationspolitik erlei-den, die eng mit den Sicherheits- und Kriegs-interessen verbunden ist. Ziel aktueller deut-scher und europischer Migrationspolitik istes, Flchtlinge kriegsnah in Lagern zu inter-nieren - mglichst auerhalb von Europa.Und es geht um eine schnelle Abschiebungder Flchtlinge, die es doch bis Europa ge-schafft haben, zurck in die Kriegsgebiete.

    Schon im Juni 2005 haben die deutschenInnenminister grundstzlich die so genann-te Rckfhrung aller afghanischen Flcht-linge in den Krieg beschlossen. Zunchstwurden nur Straftter und alleinstehendeMnner abgeschoben, jetzt sollen zumindestin Hamburg ganze Familien in den mgli-chen Tod geschickt werden. Die Innenmini-ster hatten diese Entscheidung ein Jahr zu-

    vor damit begrndet, dass sich die Lage in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Re-gimes stabilisiert habe. Es sei dort wieder si-cher. In einem geheimen, von der ZEIT ver-ffentlichten Papier, gab aber damals selbstdas Auswrtige Amt zu, dass das Land keinsicherer Herkunftsstaat sei.

    Welcher Widerstand ist mglichgegen den Krieg?

    Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt desKrieges, die Kriegswirtschaft sowie das Mi-

    litr anzugreifen, um eine Situation der Be-satzung, die Ermordung von Zivilisten undZivilistinnen und die Zerstrung ihrer Le-bensgrundlagen zu unterbinden, ist legitim.Sabotage ist ein Teil dieses Rechtes auf Wi-

    derstand und soll im besten Fall Schlimme-res, nmlich Kriegseinstze, verhindern hel-fen.

    Im angelschsischen Raum gab es in denletzten Jahren drei Sabotage-Aktionen, diedie dortigen Geschworenengerichte nicht be-straften, sondern bei denen sie die Ange-klagten freisprachen.

    Friedensaktivsten und -aktivistinnen hat-ten 2003 auf dem Flughafen Shannon in Ir-

    land einen Schaden von 2,5 Millionen US-Dollar verursacht, um den US-Militrsttz-punkt mit seiner Kriegsttigkeit zu sabotie-ren. Der irische Staat wollte sie bestrafen. DasGeschworenengericht befand, dass die mi-litrischen Ausrstungen auf dem Flugplatzdas Leben und den Besitz der irakischen Be-

    vlkerung bedrohen. Daher sei die erfolgteSabotage legal und nicht kriminell.

    Im englischen Bristol sprachen die Ge-schworenen im Mai 2007 einstimmig zwei

    Antimilitaristen frei. Die beiden hatten imMrz 2003 - kurz vor Beginn des Irakkrieges- auf dem Militrflughafen Fairford versucht,B52-Bomber der US-Airforce unschdlich zumachen. Sie begrndeten ihre Tat damit, dasssie die Bombardierung mit Streubomben imIrak verhindern wollten, die wie Minen vor-rangig die Zivilbevlkerung treffen. Das Ge-schworenengericht begrndete den Frei-spruch damit, dass die beiden gehandelt hat-ten, um Lebensgefahr fr die Bevlkerung imIrak abzuwenden und Kriegsverbrechen zu

    verhindern. Auch in Belfast in Nordirland sprach ein

    Geschworenengericht im Juli dieses Jahresneun Antimilitaristen frei. Sie hatten im Jahr 2006 eine direkte Aktion in den Bros der Raytheon Company unternommen. Damitdemonstrierten sie gegen den Einsatz mi-litrischer Kommunikationssysteme vonRaytheon durch die israelische Armee imKrieg im Libanon. Sie beriefen sich auf Hu-man Rights Watch, die diesen Kriegseinsatzals Kriegsverbrechen angeklagt hatten. DieGeschworenen befanden einstimmig, dass dieZerstrungen in den Bros des Unternehmensin Derry darauf ausgerichtet waren, Kriegs-

    verbrechen zu verhindern. Aber in Deutschland setzt man alles daran,

    ein ruhiges Hinterland zu haben, um Kriegefhren zu knnen. Deshalb geht es fr dieStaatsorgane hier mit aller Gewalt darum, dieGesellschaft zu militarisieren und einen Feindsichtbar zu machen und zu identifizieren, umihn auszugrenzen und in die Gefngnisse zustecken.

    Kenntlich gemacht wird der Feind ber dasGesetz, ber die Paragraphen 129, 129a und129b und deren Anwendung. Auch gegen unswird der Paragraph 129 gerichtet. Wer der Feind ist, liegt in der Definitionsmacht der Herrschenden. Das mg-Verfahren ist in die-sem Sinn zu verstehen.

    Worum geht es in unseremVerfahren?

    Wir sollen als antimilitaristischer Wider-stand, Revolutionre und Mitglieder der mi-litanten gruppe im Sinne der Staatsrson an-

    geklagt und verurteilt werden. Denn es gehtin diesem Gerichtsverfahren nicht nur um ei-ne versuchte Brandstiftung gegen Militr-fahrzeuge, sondern um ein so genanntes Ver-einigungsdelikt. Ob nun terroristische oder kriminelle Vereinigung, strafbar ist die bloeMitgliedschaft, egal ob die einzelnen Mit-glieder eine Straftat begangen haben oder nicht: Der aktuelle Paragraph 129 erhielt sei-ne Struktur im Rahmen des 1. Strafnde-

    rungsgesetzes 1951 zur Verfolgung von Kom-munisten und Kommunistinnen in der BRD.Der Paragraph 129 hat die Funktion eines po-litischen Strafrechtes, wenn der Bundesge-richtshof die militante Gruppe als eine kri-minelle Vereinigung klassifiziert, obwohldoch nach dem Artikel 103 Absatz II desGrundgesetzes gilt, dass niemand wegen sei-ner politischen Anschauungen benachteiligtoder bevorzugt werden darf. Trotzdem bleibtdieses Gesinnungsstrafrecht bestehen.

    Im Namen der militanten Gruppe gab esBekenntnisse zu 24 Anschlgen und den Ver-such, eine Debatte ber Militanz und Orga-nisierung anzuregen. In ihren Texten erklrtsie, dass ihre Anschlge in der derzeitigenPhase nur eine propagandistische und unter-sttzende Wirkung fr Klassenkmpfe oder antirassistische Kmpfe haben knnen. Der Bundesgerichtshof nahm inzwischen davon

    Abstand, zu behaupten, diese Aktionenknnten die Grundstrukturen des Staates be-seitigen oder beeintrchtigen - als objektiveBedingung fr die Zuschreibung einer terro-ristischen Tat.

    Die Anklage durch die Bundesstaatsan-waltschaft auf der Grundlage des Paragraph129 soll aber weiter dazu dienen, einen sol-chen organisierten Widerstand zum Staats-feind zu berhhen. Das Verfahren gegen unskann so auch zu einem exemplarischen Ver-fahren werden, um zuknftig mit dem Para-graphen 129 vom Farbbeutelwurf bis zumStraenriot viele Mittel gesellschaftlicher

    Auseinandersetzung zu kriminalisieren undmit einem Feindstrafrecht zu bestrafen, das

    vom normalen Strafrecht abgespalten wird.Die Kriminalisierung politischen Wider-

    standes trifft derzeit nicht nur uns: In Stutt-gart-Stammheim gibt es zurzeit ein Verfah-ren auf der Grundlage des Paragraphen 129b.

    Auch in anderen Lndern werden politische Aktivisten und Aktivistinnen kriminalisiert:in Frankreich die Anarcho-Autonomen, inGriechenland die Anarchisten und Anarchi-stinnen, in Belgien und der Schweiz Die Ro-te Hilfe International, in sterreich die Tier-rechtsaktivisten und -aktivistinnen, im Bas-kenland und in Italien die politisch-militri-sche Kommunistische Partei (PC p-m) und der Genua-Widerstand.

    Wie rstet der Staat prventiv gegenWiderstand auf?Das Strafrecht wird hier in ein Gefahrenvor-

    beugungsrecht berfhrt. Um ungestrt Krie-ge fhren zu knnen und den kapitalistischenNormalzustand zu sichern, werden Manah-men ergriffen, die sich gegen jeden und jederichten knnen. Damit verbunden ist der im-

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    mer schnellere Abbau demokratischer Rech-te. Die zunehmende Militarisierung - der Aus-bau des berwachungsstaates werden for-ciert. Ziel des anvisierten prventiven Si-cherheitsstaates ist es, den verfassungsgemunvernderbaren Artikels 1 des Grundgesetzes, den Schutz der Menschenwrde, auszu-hebeln.

    Die Angst vor der terroristischen Gefahr wird geschrt, um die Brger und Brgerin-

    nen in diese Richtung manipulieren zu kn-nen. Fr diese Gefahr gibt es keine konkre-ten Anhaltspunkte. Aber fr den Umbau desRechtsstaates hlt sie her. Von einem Gro-teil der Menschen wird alles gebilligt, was dieangebliche Gefahr mindern knnte. Die mei-sten Freiheitsgesetze werden der Sicherheitgeopfert und viele kriegen es nicht mit. DieSicherheitspolitik schlgt verfassungsrecht-liche Bedenken in den Wind.

    So will der Innenminister das Folterverbotaufheben: Wenn ein Beschuldigter auf grau-same Weise gesprchig gemacht wurde, dannsollen die deutschen Sicherheitsdienste da-

    von profitieren knnen. Der Innenminister fabuliert von extralegalen Erschieungenund will den Abschuss von entfhrten Flug-zeugen erlauben. Zudem stehen auf der

    Wunschagenda des Innenministeriums oder sind zum Teil schon Realitt: Das Einsperren

    von so genannten Verschwrern und Ge-fhrdern in Lager, Kommunikationsverbote

    fr politisch Missliebige und fr ganze Grup-pen von Migranten und Migrantinnen, Haus-durchsuchungen ohne Anwesenheit vonZeugen und Betroffenen, geheime Online-durchsuchungen, Einsatz von Militr mit

    Waffen gegen Demonstrierende und die um-fassende Bespitzelung der Brger und Br-gerinnen durch Polizei und Geheimdienstesowie die Rasterfahndung.

    Mit welcher Aggressivitt sich die Zustn-

    de verschrfen knnten, zeigen die Vor-schlge der Bundesjustizministerin Brigitte

    Zypries (SPD), die sogar die Anti-Terror-Ge-setze durch die zwei neuen Paragraphen 89aVorbereitung einer Gewalttat und Para-graph 91 Anleitung zu einer Gewalttat er-weitern will. Demnach sollen auch Einzelnewie terroristische Vereinigungen verfolgtwerden knnen.

    Dass die Rechtsordnung im Rahmen staat-licher Repression suspendiert wird, ist in der BRD nichts Neues. Schon in den 1970 Jah-

    ren wurden Legislative, Exekutive und Justizin den so genannten Krisenstben einfach zu

    Repression aufpsychischer Ebeneber traumatisierende Folgen vonPolizei- (und anderer) Gewalt

    Wer Widerstand leistet, ist zwangslufig mitRepression konfrontiert. Diese verluft auf

    verschiedenen Ebenen: martialisches Auf-treten der Polizei im schwarzen gepanzertenKampfoutfit, willkrliche Kontrollen, Ver-haftungen, Hausdurchsuchungen usw. Auchder Einsatz von potenziell traumatisierender Gewalt ist Bestandteil staatlicher Repressi-on. Im aktuellen mg-Verfahren ist einer der Beschuldigten, davon betroffen. Eine schonbestehende traumatische Erfahrung, aus-gelst u.a. durch frher erlebte dauerhafteBedrohung durch Nazigewalt, lste im Zu-sammenhang mit der brutalen Verhaftungs-situation am 31. Juli 2007 und der viermo-natigen Einzelhaft eine Retraumatisierungaus. Fr den Prozess hat dies weitreichendeKonsequenzen: Lange war unklar, ob der Be-schuldigte berhaupt an dem Prozess teil-nehmen kann. Was bedeutet Traumatisierung? Whrend einer traumatischen Erfahrung

    ist man einer auergewhnlich bedrohlichwahrgenommenen Situation schutzlos ohne

    Handlungsmglichkeiten ausgeliefert. Angst, Kontrollverlust und Ohnmacht ber-fluten das Erleben. Das Bild von sich selbstals Mensch mit Handlungsmglichkeiten in

    einer beeinflussbaren Welt wird langfristigerschttert. Die berwltigende Situationmuss dabei nicht selbst erlebt sein - auch dieOhnmacht, einem anderen Menschen nichthelfen zu knnen, kann als Trauma wirken.

    Nach einer solchen Erfahrung gert manin einen psychischen Schockzustand, der mehrere Wochen anhalten kann. Alles istdurcheinander, man fhlt sich betubt, ver-letzt, unterliegt Stimmungsschwankungen,mag stndig oder gar nicht ber das Erleb-te sprechen, hat das Gefhl, neben sich zustehen oder die Umwelt nur noch ver-schwommen wahrzunehmen, kann nichtschlafen, hat Albtrume, der Krper ist mas-siv erregt und unter Spannung. Diese psy-chische Stressreaktion kann sich zu einer po-sttraumatischen Belastungsstrung ent-wickeln, wenn keine Mglichkeit zur Be-wltigung besteht.

    Zentrales Element psychischer Traumataist die Spannung zwischen dem Wunsch,schreckliche Ereignisse zu verleugnen, unddem Wunsch, sie laut auszusprechen. Folgenknnen sozialer Rckzug oder depressivesNicht-Fhlen-Knnen, d.h. ein emotiona-les Taubheitsgefhl sein. Der Kontakt mit po-tenziellen Auslsereizen wird vermieden,was oftmals eine starke Einschrnkung desbisher gelebten Alltags bedeutet. Um be-drohliche und unwillkrlich auftretende Ge-

    fhle (von Angst, Wut, Selbstzweifeln) zuunterdrcken, greifen die Betroffenen u.a. zuSuchtmitteln oder verletzen sich selbst, umein Ventil fr die unertrgliche innere An-

    spannung zu finden bzw. eine Mglichkeit,dem erlebten Kontrollverlust entgegen zuwirken und sich wieder zu spren.

    Dabei drngen sich die traumatischen Er-lebnisse immer wieder als Flashbacks, d.h.als pltzliche, nicht beeinflussbare unduerst bedrohlich erlebte Erinnerungsfet-zen ins Bewusstsein. Viele glauben, verrcktzu werden und ziehen sich noch mehr zurck.

    Eine Sache, die uns alle angehtTraumatische Erfahrungen knnen zwar nicht verhindert werden, wir knnen unsaber dagegen wappnen. Der beste Schutz istein soziales Klima, in dem selbstverstndlichber Gefhle und Erlebtes gesprochen undim Zusammenhang politischer Aktionenkein Heldentum propagiert wird. Langfristigleiden viele Betroffene von Polizeigewaltmehr unter den psychischen Folgen als un-ter krperlichen Verletzungen. Wenn die Be-troffenen mit ihren Gefhlen alleine gelas-sen werden und keine Solidaritt erfahren,kann das eine emotional noch grere Er-schtterung sein, als die Gewalterfahrungdurch die Polizei.

    Fr die Bewltigung von Traumafolgen istes wichtig, mit Untersttzung anderer dieTraumatisierung als Verletzung der Seeleanzuerkennen und zu akzeptieren, dass die

    Psyche die Mglichkeit und Zeit zum Heilenbraucht. Das erfordert Geduld und ist kei-neswegs ein gradliniger Prozess. Fr man-che Betroffenen ist es wichtig, unzhlige Ma-

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    einem Komplex miteinander verschmolzen,um gegen die RAF vorzugehen. Die Krisen-stbe erwogen whrend der Schleyer-Ent-fhrung die Todesstrafe fr inhaftierte RAF-

    Aktivisten. Generalbundesanwaltschaft KurtRebmann schlug sogar vor, den Artikel 102des Grundgesetzes, Die Todesstrafe ist ab-geschafft - unverzglich zu ndern - undsolche Personen zu erschieen, die von Ter-roristen durch menschenpresserische Geisel-

    nahme befreit werden sollen.Was lehrt uns die Geschichte?

    Aus der Geschichte des deutschen Faschis-mus haben zumindest wir gelernt, dass der NS-Staat mit Untersttzung seiner nationalmobilisierten Bevlkerung eine grenzenloseKriegsgewalt vorangetrieben hat, die die Zi-

    vilbevlkerung in Europa brutal zu sprenbekam. Nach dem 2. Weltkrieg konnte es auf-grund der Millionen Kriegstoten und der sy-stematischen Ermordung des europischenJudentums nur eine Lehre geben: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus.

    Daraus speiste sich auch der Widerstandder Nachkriegszeit: Der Widerstand gegen die

    Wiederbewaffnung, gegen den Aufbau einer neuen Wehrmacht, die dann Bundeswehr hie, gegen Atomwaffentests, gegen Nato-Manver, gegen die imperialistische Kriegs-politik der USA. Wenn das Gericht versucht, uns zu bestra-

    fen, richtet sich diese Kriminalisierung gegenden emanzipatorischen Versuch, sich gegeneinen Staat und gegen eine herrschende Po-litik zu wenden, die im Namen des soge-nannten Kriegs gegen Terror Krieg fhrt,bombardiert, ttet und foltert.

    Nie wieder Krieg!Viele Formen des Widerstands sind legitim!Fr eine kommunistische Weltgesellschaft!Mit Tucholsky sagen wir: Krieg dem Krie-

    ge! Friede auf Erden!

    Untersttzungserklrung

    Solidaritt mitAntimilitaristenEnde September 2008 soll vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen die dreiBerliner Oliver, Florian und Axel beginnen.Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen ver-suchte Brandstiftung an Bundeswehr-LKWund die Mitgliedschaft in der militantengruppe (mg) vor. Die drei Angeklagten wa-ren am 31. Juli vergangenen Jahres festge-nommen worden, nachdem sie versucht ha-ben sollen, Bundeswehrfahrzeuge in Brandzu setzen. Ohne Indizien fr die Tatbeteili-gungen an Brandanschlgen der militantengruppe vorzulegen, hat die Bundesanwalt-schaft Anklage nach 129 erhoben. Mit demKonstrukt einer kriminellen Vereinigungdrohen den Antimilitaristen mehrjhrigeHaftstrafen. Wir fordern die sofortige Ein-stellung der 129(a)-Ermittlungen und die

    Abschaffung dieses Gesinnungsparagra-phen.

    Die Ermittlungen in dem 129(a)-Verfah-ren richten sich gegen insgesamt sieben Ver-dchtigte und wurden zunchst nach dem

    Antiterrorparagraphen 129a aufgenom-men. Die damit ermglichten berwa-chungskompetenzen sind trotz drftiger Ver-dachtslage fr eine umfassende Ausfor-schung und Kriminalisierung zahlreicher po-litischen Aktivisten benutzt worden. Mitabenteuerlichen Verdachtskonstrukten wur-den langfristige berwachungsmanahmen,Hausdurchsuchungen und Haftbefehle ge-rechtfertigt. Im Laufe des Verfahrens wurdendie Verteidigungsrechte der Beschuldigteneingeschrnkt und eine Zusammenarbeit der Ermittlungsbehrden mit Geheimdienstenbekannt. In zwei Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Ermittlungen der Bun-desstaatsanwaltschaft zurckgewiesen bzw.eingeschrnkt. Die nun vorgelegte Anklage-schrift gegen Oliver, Florian und Axel jedochgreift unbeeindruckt auf die bisherigen Kon-strukte zurck und baut auf vagen Indizienund den Aussagen eines Geheimdienstspit-zels auf. Diese Zusammenarbeit zwischen Ge-heimdiensten und den Ermittlungsbereichen

    verstt gegen das grundgesetzlich veran-kerte Trennungsgebot. Wir fordern die Auf-lsung der Geheimdienste sowie die Offenle-gung der bisherigen Ermittlungen gegen diedrei Antimilitaristen.

    Angesichts der internationalen Kriegs-einstze der Bundeswehr sehen viele die Zer-strung von Bundeswehrfahrzeugen als kon-krete Abrstungsinitiative. In anderen eu-ropischen Lndern wurden AktivistInnen,die hnlich wie Axel, Oliver und Florian fr die Sabotage von Kriegsmaterial angeklagtwurden, von Gerichten freigesprochen oder zu nur geringen Strafen wegen Sachbesch-digung verurteilt. In Irland wurden Kriegs-

    gegnerInnen, die einen F-16-Bomber zerstrthatten, sogar mit der Begrndung freige-sprochen, ihre Aktionen htten dazu beige-tragen, Schlimmeres - nmlich Kriegshand-lungen - zu verhindern. Wir untersttzen die Forderung nach Frei-

    spruch der drei Antimilitaristen.UnterzeichnerInnen (Stand 03.10.2008):

    Peter O. Chotjewitz, Schriftsteller, Stuttgart Wolf-Dieter Narr, Universittsprofessor a.D., Berlin In-ge Hger, MdB, Berlin Dario Azzellini, Poli-tikwissenschaftler, Berlin Evrim Baba, MdA, Ber-lin Klaus Bartl, Rechtsanwalt, Mitglied des Sch-sischen Landtages, Chemnitz Tobias Baumann,Doktorand, Gieboldehausen Markus Bernhardt,Journalist, Berlin Torsten Bewernitz, Politikwis-senschaftler, Mnster Roland Bialke, Berlin Gar-net Brunig, Sozialpdagogin, Hamburg MarkusBrunner, Student, Hannover Sarah Bsse, Stu-dentin, Berlin Sevim Da?delen, MdB, Bochum Irmgard Deschler, Selbstndig, Mnchen JochenDrr, Landessprecher der VVN-BdA Baden-Wrt-temberg, Schwbisch Hall Andreas Frizen, Stu-dent, Berlin Philipp Fuhrmann, IT-Angestellter,

    Wuppertal Anne Grunewald, Redakteurin, Berlin Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deut-schen Freidenker-Verbandes, Offenbach am Main Dirk Heinke, Sozialarbeiter, Berlin Snke Hilbrans,Rechtsanwalt, Berlin Willi Hoffmeister, Rentner,Dortmund Thomas Janoschka, Bildungsreferent,Bernau Dr. Ingrid Jungwirth, Soziologin, Berlin

    Wolfram Kempe, Schriftsteller, Journalist, Kommu-nalpolitiker, Berlin Daniel Kober, arbeitlos, Berlin Jana Krystlik, Sozialpdagogin, Berlin SaskiaKhn, Studentin, Berlin Norbert Kuske, Verwal-tungsangestellter, Wahlstedt Gerhard Labitzke,Selbststndiger, Potsdam Norbert Lang, Rentner,Berlin Wolfgang Lettow, Redakteur beim Gefan-genen Info, Hamburg Max Lill, Student, Berlin Matthias Marggraff, Auszubildender, Magdeburg

    Armin Meyer, Rentner, Niederfinow Claudia Ml-ler, Studentin, Berlin Petra Neuhold wissen-schaftliche Mitarbeiterin, Wien Daniel Peisker, ar-beitslos, Dresden Thomas Putzmann, Auszubil-dender, Berlin Martin Rediker, Sozialarbeiter,Lippstadt Thomas Richter, Student, Berlin Joa-chim Rollhuser, Rechtsanwalt, Athen Tobias Sa-mus, Student, Wuppertal Monty Schdel, Bun-dessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-

    Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK),

    Waren/Mritz Dagmar Schimmel, Kfm. Ange-stellte, Oberursel Ludwig Schnenbach, ehemali-ger Lehrer, Bremen Heike Schrader, Journalistin,

    Athen Matthias Schreiber, Koch, Hamburg Mar-tin Schrder, Grafiker, Kiel Alexander v. Schwe-rin, Historiker, Berlin Petra Steinbecher, Se-kretrin, Berlin Elke Steven, Soziologin, Kln Tom Strohschneider, Journalist, Berlin Diana Tau-be, Kaufmnnische Angestellte, Hamburg CatrinUlbricht, Auszubildene Altenpflegerin, Dresden Reinhold Waber, Anwalt, Donauwrth Christian

    Wadephul, Student, Stuttgart Mag Wompel, In-dustriesoziologin und Journalistin, Bochum AlexZollmann, Lehrer i.R., Bhl (Baden) Interventio-nistische Linke DFG/VK Berlin-Brandenburg Redaktion telegraph, Berlin Netzwerk fr Politi-sche und Soziale Rechte, Griechenland nextstef-fi.tk

    Wenn Ihr diese Erklrung unterzeichnenwollt, teilt uns euren Namen, Beruf undWohnort in einer E-Mail an einstellung [at]so36.net mit. Vielen Dank.

    le das Erlebte zu berichten, so lange, bis es verarbeitet ist. Sport, Entspannungsbun-gen und Bewegung knnen helfen, ein Ven-til fr die im Krper gespeicherte bererre-gung oder Spannungszustnde zu finden.

    Der Bezugsgruppe und FreundInnenkommt eine hohe Verantwortung zu. Fr die

    Verarbeitung von Ohnmachtserfahrungendurch (Polizei-)Gewalt ist wesentlich, dasssoziale Umfeld als solidarisch, schtzendund untersttzend zu erleben. Kontrollver-lust und Ohnmacht sind Bestandteil vonTraumatisierungen. Deshalb muss dieSelbstbestimmung der Betroffenen unbe-dingt im Vordergrund stehen. Es ist zudem

    von zentraler Bedeutung, immer wieder Ab-stand zu gewinnen, sich eine Tagesstruktur zu geben, Alltag zu leben und zu versuchen,normale Dinge zu tun, um aus der Opfer-position herauszukommen. Whrend Erste Hilfe und rechtlicher Bei-

    stand schon lange Teil der Antirepressions-struktur sind, mangelte es an psychologi-scher Betreuung von AktivistInnen fr Ak-tivistInnen. Die bundesweit aktive GruppeOut of Action will dem entgegenarbeiten.Neben konkreter Untersttzung ist Ziel der Gruppe, Traumatisierung als Teil von Re-pression sowie einen mglichen Umgang da-mit in der Linken zu enttabuisieren und pri-

    vate psychische Probleme als politisches

    Thema zu etablieren.http://outofaction.net http://activist-trauma.net P.S. Von der Redaktion aktualisiert.

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    Solidaritt!Liebe Genossen, die ihr vor die Schranken der Klassenjustiz gezerrt werdet,

    Liebe GenossInnen, UntersttzerInnen undFreundInnen, die Ihr an den Mobilisierungenteilnehmt,

    Leider ist es uns nicht mglich, direkt und vor Ort mit Euch zu sein, um gemeinsam diekonkrete Solidaritt mit den Betroffenen, wie

    die Entschlossenheit den Angriffen der Re-pression gemeinsam entgegenzutreten, auf die Strae zu tragen. Aufgrund der endlosen Vertiefung der po-

    litischen und konomischen Krisenspiralesetzt die prventive Konterrevolution vielesdaran, Anstze revolutionrer Prozesse ab-zuwrgen.

    Die Suche nach revolutionrer Kontinuitt,an die ein Neubeginn angeknpft werdenkann DARF es in den Augen der herrschen-den Klasse nicht geben. Zu gro die

    Angst, dass damit ein klassenkmp-ferisches Signal gegen Hoffnungslo-sigkeit und Resignation seine Wir-kung zeigen knnte.

    Und genau da knpften militante AktivistInnen an, als sie vor Jahrenmit ihrer Initiative die Militanz-De-batte auf der einen, der dazu paral-lel entwickelten Praxis auf der ande-ren Seite sich in die lange Phase der Neudefinierung revolutionrer Poli-tik einreihten. Wer in diesen Tagen die mediale Omnipr-

    senz der Aust-Verfilmung Der Baader Mein-hof - Komplex mitverfolgt, dem sticht diefast schon hysterische und mit Hass geprg-ten Aussage des Regisseur ins Auge: Der Film wurde extra so gewaltttig und nieder-trchtig gemacht, damit wirklich niemand ei-nen Zweifel haben knnte, dass so wasSchlimmes nie mehr entstehen darf (sinn-gem). Selbst hier in der Schweiz wird die-ser Anwrter fr den Oskar auf allen TVund Radiosendern, Zeitungen und Zeit-schriften aufgedonnert und die Genossen undGenossinnen der RAF als blutrnstige unddurchgeknallte Monster dargestellt.

    Nicht Wenige aber fragen sich: warum jetztdiese hasserfllte Abrechnung nach so vie-len Jahren, wovor frchtet sich die herr-schende Klasse? Sollten sie sich nicht besser um den Scherbenhaufen, den die verschie-densten Groundings kapitalistischer Politikin diesen Tagen anhufen, kmmern?

    Dazu fllt uns ein treffendes Zitat der be-troffenen Genossen und Genossinnen der RAF ein:

    Was die herrschende Klasse an uns hasst,ist, dass die Revolution trotz hundert JahrenRepression, Faschismus, Antikommunismus,imperialistische Kriege, Vlkermord wieder ihren Kopf hebt.

    Uns allen, die am Aufbauprozess einer In-

    ternationalen Roten Hilfe zusammenarbei-ten, ist sehr wohl bewusst, dass die interna-tionale prventive Konterrevolution in denletzten Jahren Schritte gemacht hat, die ana-lysiert, theoretisiert und entsprechende Ge-

    genmassnahmen erarbeitet und umgesetztwerden mssen.

    Die Geschichte der Klassenkmpfe lehrtuns, dass diese Angriffe immer eine Art Prf-stein fr beide Seiten im dialektischen Ver-hltnis zwischen Revolution und Konterre-

    volution sind.Im Mittelpunkt steht dabei immer die Fra-

    ge, was der Angriff auslst: Abschreckungund Lhmung oder mobilisierende Kraft und

    politische Konsolidierung.In den letzten 3 Jahren konnten wir einemobilisierende und politisch konsolidierende

    Wirkung in den verschiedensten Lndern Eu-ropas erkennen. Als am 12.2.07 in Italien dieinternational koordinierte Staatsschutzakti-on Tramonto ansetzte, war die Klassenso-lidaritt in Italien sofort und kurz danachauch international sehr stark sowie politischund hlt bis heute an. Die italienische Bun-desanwaltschaft war deshalb gezwungen, vor

    der Sommerpause ein spezielles Dossier: So-lidaritt! in den Prozess in Mailand ein-fliessen zu lassen.

    Eine sehr hnliche Beobachtung konntenwir nach den Angriffen am 5.6. in Belgienmachen: eine starke Solidaritt mobilisiertebis zu 500 Menschen auf die Straen Brs-sels und erzwang die bedingte Freilassung der

    vier wegen Untersttzung einer terroristi-schen Vereinigung (PC p-m) Angeklagten.

    Auch da setzte sich die internationale Soli-daritt mit ihrer Vernetzung in Bewegungund vertiefte unsere Gemeinsamkeiten.

    Die internationale Klassensolidaritt auf-bauen und verteidigen, lautet entsprechenddie Parole der RHI, die wir nach den letzten

    Angriffen gegen politische Solidarittsstruk-turen der RHs und RHI in Belgien, Italien undder Schweiz formuliert haben. Sie ist Aus-gangspunkt und Perspektive zugleich.

    Dazu gehrt auch die Erkenntnis der PC-p-m-Gefangenen, die sie im Solidaritts-schreiben zum Prozess in Berlin verfassten:Der Neubeginn der revolutionren Bewe-gung fhrt auch durch den Gerichtssaal unddie Gefngnisse als unvermeidbare Passagenfr die Militanten, die sich ernsthaft mit demrevolutionren Kampf identifizieren.Internationale Klassensolidaritt aufbauenund verteidigenKommission fr eine Rote Hilfe International

    Grounding ist ein Begriff, der hier verwendet wird,wenn die Flugzeuge am Boden bleiben, weil die Fir-ma pleite ist... Das kommt von ground, der Boden,d.h. sie bleiben am Boden... aus!

    129a-Verfahren nachG8-Gipfel am 24.9.08eingestelltDas mit den bundesweiten Durchsuchun-gen am 9. Mai 2007 bekannt gewordene129a-Verfahren (Bildung einer terroristi-

    schen Vereinigung) ist am 24. September 2008 eingestellt worden.Es wurden 18 Personen beschuldigt, ei-

    ner militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel anzugehren.

    Der BGH hatte bereits mit Beschluss vom20.12.07 entschieden, dass Mitgliedschaftin einer terroristischen Vereinigung gem129a STGB schon aus rechtlichen Grn-den ausscheide, aber auch keine hinrei-chende Verdachtslage hinsichtlich der Bil-dung einer kriminellen Vereinigung gem129 STGB gegeben sei. Daraufhin gab dieBAW das Verfahren an die Staatsanwalt-schaft Hamburg ab. Diese zgerte die Ein-stellung nahezu 9 Monate hinaus. Erst mitBescheid vom 24.9.08 wurde das Ermitt-lungsverfahren wegen Bildung einer kri-minellen Vereinigung bei allen Betroffenenohne jede Begrndung eingestellt.

    Das Rad der Geschichte lsst sich nicht soeinfach zurckdrehen - und das ist auch gar nicht beabsichtigt. Bundesanwaltschaft,

    Verfassungsschutz, Bundeskriminalamtund Landeskriminalamt haben zumindestteilweise das erreicht, was sie vorhatten. Siehaben Daten gesammelt, Strukturen durch-leuchtet, bundesweit ein Manver durch-gefhrt, um ihre Apparate zu koordinierenund die Funktionsfhigkeit auszuprobie-ren, und sie haben die politische Konsens-fhigkeit ihrer Strategien ausgetestet. Undsie haben versucht, eine Stimmung der to-talen Kontrolle und berwachung zu ver-breiten.

    Die Auswirkungen auf uns - die Verfolg-ten - und auf die gesamte Gesellschaft sindnicht zu ignorieren und sind durch den BGH-Beschluss und den der StaatsanwaltschaftHamburg nicht rckgngig zu machen.

    Der grte Teil der Ermittlungen ist vom

    Verfassungsschutz durchgefhrt wordenund Ergebnisse und Handlungsvorschlgewurden dem BKA zur Verfgung gestellt.Das ist aus den Akten ersichtlich. Hier wirdeine sehr enge Zusammenarbeit von Ge-heimdienst und Polizei sichtbar. Nicht zu-fllig wurde nach dem zweiten Weltkrieg -als Reaktion auf den deutschen Faschismusund den unsglichen Erfahrungen mit demallmchtigen Reichssicherheitshauptamt- die Arbeit von Geheimdienst und Polizeiper Festlegung der Allliierten 1949 ge-trennt. Das scheint heute aber keine Rollemehr zu spielen. (siehe www.cilip.de/

    terror/vdj.htm) Weiter wurden auch Ermittlungen desStaatssicherheitsdienstes der frheren DDR(STASI) herangezogen. Aus den Ermitt-lungs-Akten wird auch ersichtlich, dass das

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    BKA unmittelbar mit Sozialamt, Arbeit-samt, Finanzamt, Verkehrsamt, Ordnungs-amt, Versicherungen, Auslnderbehrdeund Banken usw. zusammenarbeitete.

    Kein anderer Paragraf erffnet demStaatsschutz so viele Mglichkeiten anberwachung und Ausforschung wie der 129a oder b. Im Rahmen der aktuellen Ver-fahren hat er ber einen langen Zeitraumseine ganzen technischen Mglichkeiten

    ausgeschpft. Flchendeckende Observa-tionen, Telefonberwachung, e-Mail ber-wachung, Postberwachung, Filmaufnah-men, Peilsender, Rasterfahndung, Einsatz

    verdeckter Ermittler, Verwertung geheim-dienstlich erlangter Informationen (nachdem G10-Gesetz), Aufhebung des Brief-,Post- und Fernmeldegeheimnisses, akusti-sche Raumberwachung, groer Lauschan-griff usw.

    Diese berwachungsmanahmen habenweit mehr Leute getroffen als die unmittel-bar Beschuldigten. Aber uns scheint, dass zumindest ihr Kon-

    zept der Einschchterung, Verunsicherungund Spaltung des Widerstandes nicht auf-gegangen ist.

    Groe Teile der ffentlichkeit reagiertenmit Unverstndnis und Protest. Wir haben

    viel Untersttzung erfahren. Ein Ausdruckdavon sind die vielen Solidarittserklrun-gen, Veranstaltungen und Demonstratio-nen, wie die Demonstration am 15. 12. 07in Hamburg unter dem Motto: gegen denkapitalistischen Normalzustand, gegenberwachungsstaat und Repression. DieMobilisierung gegen den G8-Gipfel in Hei-ligendamm bekam einen neuen Schub.

    Der Stein, den sie gegen uns erhoben ha-ben ist auf ihre eigenen Fe gefallen. Sor-gen wir dafr, dass das so weitergeht.

    Einer der Beschuldigten - unser Freundund Genosse Joachim Tubler - ist fr unsalle vollkommen unerwartet gestorben. Er war der staatlichen berwachung, wie Ver-wanzung der Wohnung, Videoberwa-chung des Hauseinganges, besonders starkausgesetzt. Wir fhlen uns mit seinen po-litischen Ideen und Aktivitten weiterhinstark verbunden.

    Solidarische Gre an Axel, Florian und

    Oliver. Sie stehen zur Zeit mit der Anklage|129 STGB (kriminelle Vereinigung) - Mit-gliedschaft in der mg (militante gruppe) -und versuchter Brandstiftung gegen Mi-litrfahrzeuge in Berlin vor Gericht. Wegen

    Widerstand, der das Ziel hat, die Gewalt desKrieges, die Kriegswirtschaft, sowie das Mi-litr anzugreifen, um eine Situation der Be-satzung, der Ermordung von Zivilist_innenund die Zerstrung ihrer Lebensgrundlagenzu unterbinden.Einige Betroffene des nun eingestellten129(a)-Verfahrens, 1.10.08

    Mehr zu dem Verlauf des Verfahrens findet sich im Internet, u.a. auf folgender Seite:http://www.Maus-Bremen.de (im Menunter: Zu den bundesweiten Razzien am9.5.07).

    Fr die Freilassungvon Mustafa AtalayMustafa Atalay ist einer der fnf Ange-klagten im 129b- Prozess vor dem Ober-landesgericht Stuttgart. Ich bin ein Jour-nalist und ein Sozialist - kein Terrorist hater auf den Anklagevorwurf der Mitglied-schaft in einer auslndischen terroristi-schen Vereinigung erwidert.

    Mustafa Atalay ist 52 Jahre alt und lebtseit 2000 in Deutschland als politischer Flchtling. Er befindet sich seit November 2006 ununterbrochen in Untersuchungs-haft. Die meiste Zeit davon war er isoliertuntergebracht und er hat strenge Sonder-haftbedingungen.

    Mustafa Atalay ist schwer herzkrank.2006 erlitt er einen Infarkt. Ihm musstendrei Bypsse gelegt werden. Seine Festnah-me erfolgte aus einer Rehabilitationsklinikheraus. Zwei Bypsse sind wieder verstopft.

    Whrend der Haft waren am Herzen weite-

    re Eingriffe ntig. Wegen der Herz-Kreis-laufprobleme und anderer Erkrankungenerhlt er tglich 8 bis 10 Medikamente

    Mustafa Atalay war ber 15 Jahre im Ge-fngnis in der Trkei. Er wurde schwer ge-foltert und hat bleibende krperliche Sch-den erlitten. Ein vom Gericht bestellter Gut-achter hat das Vorliegen eines Posttrauma-tischen Belastungssyndroms festgestellt.Mustafa Atalay muss sofort aus der Haftentlassen werden!

    Erstunterzeicher: Peter Nowak, Journalist, Berlin (Stimme

    der Unterdrckten) Dr. Nikolaus Brauns,Historiker und Journalist (Berlin) HeikeSchrader, Journalistin, Athen Prof. Dr.Johannes Feest (Strafvollzugsarchiv, Uni-

    versitt Bremen) Wienke Zitzlaff, An-

    gehrige der politischen Gefangenen ausder BRD, Hannover Rainer Dittrich, poli-tischer Gefangener, Lbeck Gon und Cor Steinvoort, Kommunisten, Lbeck Dr.med. Ralf Binswanger,Facharzt fr Psy-chiatrie und Psychotherapie, Zrich O.Chotjewitz, Schriftsteller, Stuttgart Dr.med. David Winizki, Arzt fr Allgemei-ne Medizin, Zrich Dr. med. Emilio Mo-dena, Psychoanalytiker, Zrich Christia-ne Schneider, innen- und rechtspolitischeSprecherin der Linkspartei in der Ham-burgischen Brgerschaft Ulla Jelpke,MdB, Innenpolitische Sprecherin FraktionDIE LINKE.

    Weiter Unterschriften:[email protected] schriftlich an die Redaktion.

    Bundesweite Veranstaltungs-reihe zum DHKP-C Prozess inStammheimWiderstand ist kein Terrorismus!Weg mit 129, 129a und 129b!

    Seit dem 17. Mrz 2008 luft in Stuttgart-Stammheim ein politischer Schauprozessgegen Mustafa Atalay, Ahmet Dzgn Yk-sel, Ilhan Demirtas, Devrim Gler und Ha-san Subasi, denen nach 129, 129a und129b die Mitgliedschaft in der DHKP-C(Revolutionre Volksbefreiungspartei-Front) vorgeworfen wird. Der Prozess, der

    hauptschlich auf den Aussagen eines Dop-pelagenten des trkischen GeheimdienstesMIT und des Verfassungsschutzes basiert,soll dem Staat dazu dienen, fr den 129beinen Przedenzfall zu schaffen. Die Ange-

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    klagten, die sich seit ber 20 Monaten inHaft befinden, sind massivster Willkr,Menschenrechtsverletzungen und Isolati-onshaft ausgesetzt. Insbesondere die Situa-tion der Gefangenen Mustafa Atalay, der drei Wochen nach einer Herz-OP verhaftetworden war, und Ilhan Demirtas, der an ei-ner Psychose leidet, ist ernst. Auf der Infotour werden Mitglieder des

    Komitees gegen 129 ber die aktuelle Si-

    tuation im Verfahren berichten.Kampf der Klassenjustiz!Freiheit fr alle politischen Gefangenen!Tourdaten (Genauere Daten gibts in Kr-

    ze):16.10, Donnerstag: Stuttgart18.10, Samstag: Halle19.10, Sonntag: Dresden20.10, Montag: Leipzig21.10, Dienstag: Berlin22.10, Mittwoch: Neubrandenburg23.10, Donnerstag: Greifswald25.10, Samstag: Hamburg27.10, Montag: Kiel28.10, Dienstag: Bremen29.10, Mittwoch: Hannover 30.10, Donnerstag: Gttingen03.11, Montag: Duisburg04.11, Dienstag: Bonn05.11, Mittwoch: Mannheim06.11. Donnerstag: Kaiserslautern

    Rote Hilfe e.V. | www.rote-hilfe.deKomitee gegen 129 | www.no129.info

    Zur Haftsituation der

    fnf trkischen Gefangenenin StammheimZu unseren Haftbedingungen kann ich sa-gen, dass wir uns alle im ersten Gebude,

    jedoch auf verschiedenen Etagen befinden. Auer der einen Stunde auf dem Dach imachten Stockwerk - nur Ahmet und Mustafakommen auf dem Hof im Erdgeschoss, weilsich ihre Zellen in den unteren Stockwer-ken befinden - verbringen wir den Rest desTages auf der Zelle. Umschluss haben wir auf Grund der Sicherungsmanahmen kei-

    nen. Es wurde vom Gericht zwar verfgt,dass wir dem Gericht einen Antrag schrei-ben und den Namen eines Gefangenen, mitdem wir gerne Umschluss machen wrden,angeben knnten, damit das Gericht ber den Antrag entscheiden knne, aber soweitich wei, hat Ahmet einen entsprechenden

    Antrag mit gleich vier Namen von Mitge-fangenen von seinem Stockwerk an das Ge-richt gestellt, mit der Bitte, mit einem die-ser vier Umschluss machen zu drfen, die-ser Antrag ist dennoch aus mir unbekann-ten Grnden abgelehnt worden, Ich selber habe bisher noch keinen Antrag gestellt.

    Wenn es bald eine passenden Mitgefange-nen geben sollte, wrde ich mich meinGlck versuchen, aber im Moment gibt esniemanden ...

    Devrim Gler

    Freigang fr Jean-MarcRouillan gestrichen!

    Vor einigen Ta-gen wurde Je-an-Marc Rou-illan, Gefange-ner aus ActionDirecte, nach

    einem Inter- view mit der Zeitung LEX-PRESS zurckin den ge-schlossenen

    Vollzug ver-legt. Er war seitDezember 2007 im Freigang, sollte dort 1Jahr arbeiten und dann - nach fast 22 Jah-ren Knast, davon die meiste Zeit in Isolati-onshaft - entlassen werden.

    Der zustndige Richter lie ihn jetztzurckverlegen mit der Begrndung, Jean-Marc habe gegen die Auflage fr den Frei-gang verstoen, sich nicht ffentlich zuden Taten zu uern, wegen derer er ver-urteilt wurde.

    Jean-Marc hatte auf die Frage von LEX-PRESS, ob er das Attentat auf Renault-Chef Besse bereue, geantwortet: Ich habe nichtdas Recht, mich dazu zu uern. Aber die-se Tatsache ist schon eine Antwort. Dennes ist klar, dass ich mich uern drfte,wenn ich allem abschwren wrde, was wir getan haben! Mit diesem Zwang zumSchweigen wird auch jede kritische Bilanzunserer Geschichte unterdrckt. Der Pro-zess des bewaffneten Kampfes, der sich inder Folge von 68 mit groem emanzipato-rischen Elan entwickelt hat, existiert nichtmehr. Aber als Kommunist bin ich nach wie

    vor davon berzeugt, dass der bewaffneteKampf in einem bestimmten Moment desrevolutionren Prozesses notwendig ist. Am 16.10.08 soll entschieden werden, ob

    Jean-Marc wieder in den Freigang kommtoder nicht - was mit Sicherheit auch eineRolle bei der Frage seiner Entlassung im De-zember spielen wird.Weitere Infos: www.nlpf.samizdat.net

    Prozess gegen Andrea am23.10.08

    Am 23.10.08 findet ein Prozess mit codier-ten PolizistInnen gegen die Antifaschistin

    Andrea statt (um 10.30 Uhr im Raum 371im Amtsgericht Tiergarten - Turmstr. 91,Moabit). Ihr wird der Versto gegen das Ver-sammlungs- und Waffengesetz bei der An-tifademo in Neuklln am 1.12.2007 vorge-worfen. Am gleichen Tage wurde sie fr 14Monate weggehaftet.

    Zeigt eure Solidaritt und kommt zahl-reich!Haltet Ausschau nach einer voraussicht-

    lich stattfindenden Infoveranstaltung ber codierte Beamte.

    Zur Konferenzno prison! no state!Diese von abc (anarchist black cross) or-ganisiertes Internationale Anti-Knast Wo-chenende fand vom 26.9.- 28.9. in Kielstatt. Wir verffentlichen dazu einen er-sten kurzen Bericht und zwei Gruadres-

    sen von den Gefangenen Thomas Meyer-Falk und Christian S.

    Das Wochenende liegt nun schon seit eini-gen Tagen hinter uns und alle sind mit mehr oder weniger guten Gefhlen wieder abge-fahren. Es gab eine Vielzahl lebhafter Dis-kussionen, viele neue Bekanntschaften und

    vieles mehr. Besten Dank an alle Dagewe-senen, im Speziellen die, welche gekocht,Tresenschichten bernommen und ander-weitig geholfen haben. Natrlich auch be-sten Dank an die Alte Meierei fr die Be-reitstellung der Rumlichkeiten.

    Um eine kurze Zusammenfassung des Wochenendes zu geben: am Freitag Abendgab es ein Erffnungsplenum, auf welchemerklrt wurde, warum wir dieses Wochen-ende organisiert haben, damit bezweckenund erreichen wollen. Darauf schloss sicheine Diskussion zur Abschaffung von allenKnsten und Zwangsanstalten an, welcheanfangs etwas stockte, was unter anderemauch an der groen Runde gelegen habenmag. Nach dem Essen gab es einen Filmber die Zustnde in russischen Knsten mitdem Schwerpunkt auf Ttowierungen - de-ren Rolle und Funktion.

    Der Samstag startete mit einem reichhal-tigen Frhstcksbuffet, bevor es zur Kund-gebung vor die JVA Kiel ging. Insgesamtwaren zwischen 60 und 80 Personen vor Ort und lauschten den Redebeitrgen undder Musik. Der Knast selber ist so gebaut,dass kein Gefangener nach drauen blickenkann, weshalb es keinen Sichtkontakt gabund keine Kontaktaufnahme in irgendeiner Form mglich war. Das Einzige waren einpaar Schlieer_Innen, welche die Kundge-bung von einer Art glserner berwa-chungskanzel, mit welcher der Freihof und

    Sportplatz beobachtet wird, beugten. Im Anschluss bewegte sich die ehemaligenKundgebungsteilnehmer_Innen in Form ei-ner spontanen Demonstration unter lautenParolen um den Knast und die Justizge-bude herum.

    Zurck in der Alten Meierei starteten die Vortrge - ber die Geschichte der Knast-kmpfe in der BRD, zur Situation der kri-minalisierten Tierrechts-Aktivist_Innen insterreich und zur Kritik an der gelaufenenSoliarbeit und anschlieend ber die all-tgliche Repression und technokratisierteKnastgesellschaft in Grobritannien. Je-

    weils im Anschluss gab es lebhafte Diskus-sionen und Fragen zu den Thematiken.Bevor es am spten Abend eine Party in

    den Rumlichkeiten gab, wurde ein span-nender Dokufilm ber Mumia Abu-Jamal,

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    welcher seit fast 27 Jahren in den USA in-haftiert ist, gezeigt. Am Sonntag gab es nach dem Frhstck

    noch ein Perspektiv- und Auswertungsple-num, auf welchem ber den Ablauf des Wo-chenendes, eine mgliche Weiterfhrungdes Ganzen und persnliche Eindrcke der Dagewesenen geredet wurde.

    In den nchsten Tagen wird es noch ei-nen Auswertungstext vom Vorbereitungs-

    kreis geben.Einer aus dem Vorbereitungskreis

    Abschaffung von Knsten Utopie oder Chance?Knste, Zuchthuser oder wie immer mansie nennen mag, erfllen nach gngiger

    Vorstellung drei wesentliche Funktionen:sie sollen Unrecht shnen, Gesetzesbre-cher zu einem Leben ohne Straftaten so-zialisieren, und sie haben die Aufgabe, dieGesellschaft durch Wegsperren zu scht-zen. So zumindest der Grundkonsens vonPolitik und Justiz, wie er stets verbreitetwird. Weshalb steigen dann aber die Zah-len der Gefangenen, obwohl seit circa 20Jahren in allen Staaten Westeuropas dieKriminalitt sinkt? Was hat es damit auf sich, wenn Medien und Politiker gemein-sam immer wieder, immer fter und lauter

    hrtere Strafen und die Ausweitung vonStraftatbestnden fordern?Solche Fragen mssen gestellt werden,

    wenn wir uns mit der Abschaffung von Ver-wahrungsanstalten beschftigen. Denn esdarf keine Utopie, das heit keine unerfll-bare Wunschvorstellung sein, wenn wir fr eine knastfreie Gesellschaft streiten undauch kmpfen. Knste sind heute ein we-sentlicher Wirtschaftsfaktor, in manchenOrten stellen sie den grten Arbeitgeber.Knste sind Experimentierfeld fr Strategi-en der berwachung, Kontrolle und Auf-standsbekmpfung. Wer heute in Gefng-

    nisse blickt und beobachtet, wie mit den In-sassinnen und Insassen verfahren wird, der sieht, wie in einigen Jahren auerhalb der Knastmauern mit den vermeintlichen frei-en Menschen umgegangen werden wird.

    Knste sind Einschchterungs- und Dis-ziplinierungsinstrument fr die Unmchti-gen, die Ohnmchtigen und (relativ) Be-sitzlosen in unseren Gesellschaft. Und Kn-ste sind Projektionsflche. Dies in mehrfa-cher Hinsicht: fr jene, die in den Gefan-genen nur Opfer gesellschaftlicher Verhlt-nisse sehen wollen ebenso wie fr jene, dieeigene und unbewusste Wnsche unter-drckend und verdrngend um so heftiger

    auf Kriminelle verbal einprgeln und denangeblichen Hotel-Vollzug skandalisie-ren.

    Und aus all diesen undnoch vielen Grndenmehr ist der Kampf umund fr eine knastfreieGesellschaft keine Uto-pie, sondern Chance! Sowichtig es ist, im kon-kreten Einzelfall fr In-haftierte Hilfe zu leisten,gilt es Strukturen zu er-kennen, zu analysierenund anzugreifen. Denndas Gefngnis von heu-te ist die Gesellschaft

    von morgen. Letztlichsind die Verwahranstal-ten Symptom eines de-generierten politischenSystems. Je weiter also

    Gefngnisse zurckgedrngt wrden, um-so mehr wrde dies auf eine Gesundung der Gesellschaft hindeuten: eine freie, anarchi-stische Gemeinschaft braucht keine Zucht-huser, braucht keine Kerker, keine Orte der Disziplinierung.

    Die Chance liegt also in der (Selbst-) Be-freiung!Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Zelle 3113Schnbornstrasse 32, 76646 Bruchsalwww.freedom-for-thomas.deBlog:www.freedomforthomas.wordpress.com

    Soliadresse von Christian S.Zuerst mal Gre an alle, die an diesen Tref-fen teilnehmen.

    Obwohl ich mit dem Zustand der Anti-Knast Bewegung in Deutschland nicht be-sonders glcklich bin, soll das Folgendenicht als Kritik an denen verstanden wer-den, die sich an diesem Thema seit Jahrenabarbeiten. Vielmehr strt mich die relati-

    ve Gleichgltigkeit der linksradikalen Sze-ne insgesamt gegenber Knast als letztemBaustein staatlicher Repression, mit demnur ein kleiner Teil der AktivistInnen jemalsin direkten Kontakt kommt. Bei jeder In-haftierung gibt es zwar eine kurzfristigeMobilisierung, vor allem materielle Unter-sttzung, aber das Widerstandsniveau in

    unserer Region bleibt inhaltlich und aktio-nistisch zurck. Wer verhaftet wird, gilt ir-gendwo als Pflegefall, etwas moralischeUntersttzung und eine gute Anwltin sol-len es richten. Von den Gruppen, die zur

    1.Mai-Randale oder dem militanten Ver-hindern von Nazidemos aufrufen, wird kei-ne kontinuierliche Anti-Knast-Arbeit ge-leistet.

    Die wenigen Leute in der BRD, die sichselbst als politische Gefangene definieren,sind weitgehend von der Auseinanderset-zungen drauen abgetrennt. Es gibt nochnicht mal ein funktionierendes Infosystem,das uns regelmig relevante Zeitschriften

    oder Internetverffentlichungen zukom-men lsst. Eine Diskussion zwischen Drin-nen und Drauen findet kaum statt. VieleMglichkeiten, den Justizbehrden in den

    Arm zu fallen, werden vergeben, so dass je-de Soligruppe bei Null anfngt, z.B. bei der Frage ntzt ffentlichkeitsarbeit dem Ge-fangenen oder schadet es.

    Die Widerstandsebene Knast hat in anti-faschistischen und antikapitalistischenStrukturen kaum Bedeutung, der Knast istweit weg und erscheint unangreifbar. Da-bei kulminieren bei diesem Thema vieleKonflikte: durch und durch faschistischeBeamte, viele rechtsradikale Gefangene, so-ziale Minderheiten wie Obdachlose undJunkies, Leute voller Wut auf die Gesell-schaft und ohne deutschen Pass sind auf engsten Raum zusammengepfercht. In die-ser Atmosphre testet der Staat unablssigtechnologische und psychologische Mittelund Manahmen, um sie auch drauen zur Kontrolle und Aufstandsbekmpfung an-zuwenden. Private Unternehmen sind da-bei fr maximale Ausbeutung zustndig.

    Dass diese Zusammenhnge und Chan-cen so wenig beachtet werden, enttuschtmich. Ich glaube, die meisten Menschenwollen, wenn sie durch Verhaftung undProzess aus der Anonymitt gerissen wer-den, weniger eine personalisierte Soliarbeit,sondern vielmehr das Strafsystem an sichins Visier genommen sehen. Wenn die ra-dikale Linke aktiv wird gegen Knastneu-bauten wie im Grobeeren, werden wir auchinsgesamt eine glaubhafte Alternative fr die Masse der Gefangenen bieten. Ausbeu-tung, privatisierte Sicherheit und Sozialpo-litik mittels physischer Gewalt fokussierensich in den Senatsplnen zu Grobeerenund bieten Anknpfungspunkte zu ande-

    ren Teilbereichsbewegungen.Die Hungerstreikaktion, die Anfang Au-gust von berwiegend sozialen Gefangenenin NRW ausging, stie in linksradikalenKreisen und brgerlicher ffentlichkeit auf wenig Beachtung. Das war aber ein viel ver-sprechender Organisierungsansatz, und ichhalte es fr wichtig, daran weiter zu arbei-ten. Denkbar wre z.B. eine bundesweite

    Arbeitsstreikaktion von Gefangenen. In ab-sehbarer Zeit wird es in deutschen Knstennicht mehr von alleine zu Revolten kom-men wie zuletzt Anfang der 90er Jahre.Durch min