Gefangenen Info #356

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #356

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    juli 2010 nr. 356 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Stuttgart-Stammheim:Prozess endet mit Haftstrafen

    Spanien / Baskenland:Solidarittskampagne fr Marina

    Knast und Kapitalismus [1]:Knast - ein protables Geschft

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    mittlerweile wurden im Stuttgarter 129b-Prozess die letzten Urteile gefllt.Whrend die ersten Urteile gegen Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas und HasanSubasi bereits im letzten Jahr gefllt worden waren, verkndete der Senatam 15. Juli nach ganzen 168 Verandlungstagen die Urteile gegen Ahmet DzgnYksel und Devrim Gler. Sowohl die Urteile als auch der gelaufene Aktionstagfr die Freiheit der 129b-Gefangenen haben uns dazu bewogen, dieses The-ma zum Schwerpunkt dieses Ausgabe zu machen. Den von uns angekndigten

    Schwerpunkt zu den Gefangenenkollektiven werden wir deswegen vorerst auf-schieben und die Entwicklungen diesbezglich in unseren kommenden Ausga-ben verffentlichen.

    An dieser Stelle mchten wir uns dafr entschuldigen, dass wir diesmal meh-rere Briefe von Gefangenen wegen Platzproblemen nicht abdrucken konnten.Wir werden das nachholen, wollen im Vorwort aber kurz auf zwei Briefeeingehen. Faruk Ereren schrieb uns am 30. Juni zur Richtigstellung, dass erwegen des Militrputsches in der Trkei am 12. September 1980 verhaftetworden sei. Er schreibt weiter: Ich bin zwar zu 9 Jahren Haft verurteilt wor-den, aber war nur 6 Jahre und 8 Monate weggesperrt. Auerdem wurde ichweitere fnfmal von der Polizei festgenommen und bin dabei mehrere Malegefoltert worden (...). Bezglich des Verfahrens gegen das GI, wo das Beru-fungsverfahren wahrscheinlich in diesem Quartal stattfinden wird, schriebNurhan Erdem: ber das Urteil gegen das Gefangenen Info habe ich Artikelund eure Prozesserklrung gelesen. Wir wissen, warum so ein Bericht berdas 129b-Verfahren vom letzten Jahr fr das Gericht soviel Unruhen verur-sacht, dass ihr dafr verurteilt worden seid. Ziel der Justiz dabei ist, dadurchdie Solidaritt mit den Gefangenen zu brechen und zerstren. Das werden sieaber niemals erreichen, denn wir werden immer ein Teil von den Kmpfendrauen sein! Eure Arbeit wird weiter Frchte tragen. Seit 20 Jahren hat dasInfo viele Repressionsschlge in Form von Angriffen durch Justiz, Polizei undGeheimdienste berstanden. Auch zuknftig wird Eure konsequente Haltungallen Schlgen widerstehen. Wir danken Nurhan fr diese aufmunterndenWorte und senden kmpferische Gre in die Knste.

    In der JVA Leipzig kam es zeitweise zur Beschlagnahmung von drei GefangenenInfos. In der kommenden Ausgabe werden wir auch dazu nher eingehen.Mit dieser Ausgabe starten wir eine weitere Textreihe, die uns seit lngerem

    auf den Ngeln brennt. Es geht dabei um den Themenkomplex Knast und Ka-pitalismus. Wir haben deswegen einen Auftaktbeitrag des Netzwerks Freiheitfr alle politischen Gefangenen abgedruckt, dem weitere folgen werden. Imbrigen haben einige Redaktionsmitglieder einige Erfahrungen von Anti-Knast-Aktionen aus Mailand dokumentiert, die ebenfalls gut in dieses Thema passenund deshalb in der selben Rubrik gelandet sind.

    Unser In- und Auslandteil enthlt weitestgehend Berichte und Informationenber Repressionsschlge, wie z.B. die Razzien in mehreren Info- und Buchldenin Berlin und Mnchen. Wir schlieen uns den Worten der Betroffenen an undrufen hiermit zur Solidaritt mit dem Buchladen Schwarze Risse, dem OH21 undM99 in Berlin und dem Kafe Marat in Mnchen auf.

    Und abschlieend wieder unser Aufruf, den Gefangenen zu schreiben. Wie

    in jeder zweiten GI-Ausgabe ist auch in dieser wieder eine aktuelle Liste derpoltischen Gefangenen in der BRD aufgelistet, denen ihr Postkarten, Briefe undInformationen schicken knnt.

    Solidaritt muss praktisch werden!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

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    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Es ist notwendig, gemeinsam gegen dierepressive Entwicklung vorzugehen.

    Schwerpunkt

    Zwischen Radios und Terror

    Wir lachen ihnen ins Gesicht...

    Wir werden Sie weiter befragen,auch wenn das fr Sie eine Qual ist

    Bericht Aktionstag gegen den 129b

    Inland

    Zum Anti-Knast-Aktionstag

    Verhaftung kurdischer Jugendlicher

    Razzien wegen Interim und Radikal

    Zur Lage der Abschiebehftlinge

    International

    Solidarittskampagne fr Marina

    Durch die Gefngnismauern

    Kampagne fr Marco Camenisch

    Knastkmpfe in Nordirland

    Verhaftung von TAYAD-Angehrigen

    *Rechtsstaat - hahaha!*

    Dossier

    Knast und Kapitalismus (1)

    Vor Mailands Knasttoren

    Feuilleton

    Aus einem Graffiti-Workshop

    Rezension: Der Tag des Spatzen

    Gefangene

    Briefe aus den Knsten

    Gefangenenadressen

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    juli 2010 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Wir haben zum Ende des Stammheimer Pro-zesses ein Interview mit zwei VertreterInnendes Netzwerks Freiheit fr alle politischenGefangenen - Stuttgart ber ihre Erfahrungenund Perspektiven der Soli-Arbeit gefhrt.

    Gefangenen Info: Die zwei Gefangenen wur-den nach knapp 2 Jahren Verfahrensdauerverurteilt. Knnt ihr uns etwas ber die Urteilesagen und wie diese einzuschtzen sind?

    Rosa: Zwischen der Anklageerhebung undder Verurteilung lagen 168 Prozesstage aufeine Dauer von knapp 2 Jahren verteilt.Nicht bersetzte Akten, einen verurteiltenDoppelagenten als Hauptbelastungszeugen,Folterer im Zeugenstand und Ungereimt-heiten am laufenden Band prgten dabei dieVerhandlung.Schlielich wurde dann Devrim zu 4 Jahrenund 10 Monaten als Regionsverantwortlicherder Organisation verurteilt. In der Strafewurde eine ausstehende Bewhrungsstrafemiteinberechnet. Ahmet wurde als Gebiets-verantwortlicher zu 5 Jahren und 4 Monatenverurteilt. Die Verteidigung wird gegen das

    Urteil in Revision gehen. Da beide einen tr-kischen Pass besitzen, sind sie mit diesemUrteil akut von der Abschiebung bedroht. Wasdas fr sie bedeutet ist klar: Repression, Fol-ter, Haft bis zu ihrem Tod.Richard: Konnte das Urteil gegen die indem Verfahren ursprnglich mitangeklagtenMustafa Atalay, Ilhan Demirtas und HasanSubasi nur durch Einlassungen und einemausgehandelten Deal gefllt werden, wurdemit diesem Urteilsspruch nun das erste re-gulre Urteil mit Hilfe des 129b gegen einelinke Organisation gefllt. Die Tragweite desGanzen ist natrlich kaum abschtzbar. Wirknnen aber davon ausgehen, dass sich kom-mende 129b Verfahren auf den Stammhei-

    mer Prozess berufen werden.GI: Zum Ende hat Ahmet ja noch eine sehrausfhrliche Erklrung abgegeben. Ihr hattetauch darauf mobilisiert. Wieviele Leute warendenn da und warum habt ihr gerade auf die-sen Tag mobilisiert?

    Richard: Mit der Verurteilung und dem Endedes Prozesses ist den Gefangenen letztlichauch die letzte ffentlichkeit bis auf dasBriefe schreiben entzogen. Daher wolltenwir ihnen ein letztes Mal noch die grt mg-liche ffentlichkeit bieten, die dafr zu mo-bilisieren ist, um ihnen damit auch Gehr zuverschaffen. Mit 70 Personen an einem Werk-tag, darunter welche aus Berlin, Dsseldorf,Freiburg, Magdeburg, Mnchen, Paris und

    Stuttgart, ist uns das auch ganz gut gelungen.Rosa: Wir wollten zum Abschluss des Verfah-rens nochmal ein Zeichen der Solidaritt andie Gefangenen senden und gleichzeitig denTag dafr nutzen, die Inhalte und insbeson-dere die Tragweite und die Bedeutung des129b zu transportieren.Leider konnte Ahmet seine doch sehr um-fangreiche Erklrung an diesem Tag nicht be-enden. Wir planen aber, seine Erklrung zuverffentlichen.

    GI: Knnt ihr ein kurzes Resmee eurer Ar-beit ziehen? Insbesondere was die Solidarittangeht?

    Rosa: Ein endgltiges Resmee knnen undwollen wir momentan natrlich noch nichtziehen. Wir werden uns nach dem Ende desProzesses Zeit nehmen, um den Verlauf desGanzen nochmal Revue passieren zu lassenund daraus unser Resmee zu ziehen.Allgemein kann gesagt werden, dass es beieinem Prozess, der sich ber 2 Jahre ziehtund der an 168 Prozesstagen verhandeltwurde, schwierig ist am Ball zu bleiben undimmer die richtige Antwort auf die Situation zunden. Insbesondere wenn es sich um einenPrzedenzfall handelt, die Informations- undDatenut derart unberschaubar ist, dassselbst die Anwlte uns manchmal nicht wei-terhelfen konnten. In einem solchen Prozess

    ber einen so langen Zeitraum gibt es dannnatrlich immer auf und abs. Wir musstenfeststellen, dass es uns ber lange Streckenkaum gelungen ist den Prozess aus der Isola-tion herauszubringen und ihn an eine breitere- linksradikale - ffentlichkeit zu bringen. Erstnach gut zwei Jahren Arbeit beschftigen sich

    Es ist notwendig, gemeinsam gegendie repressive Entwicklung vorzugehen.www.no129.info

    einige Gruppen mit der Thematik und wollendazu arbeiten. Das sehen wir denitiv als et-was sehr positives an.Richard: Im Gesamten mssen wir aber lei-der auch sagen, dass die Solidaritt in keinemVerhltnis zu dem Ausma der Repressionund zu dem Ausma der Konsequenzen, diedieser 129b haben wird, steht.So denken wir, dass die Justiz mit dem 129bund den nun geschaffenen Przedenzfllen

    sich ein sehr wirkungsvolles Mittel geschaffenhat zur Verfolgung der migrantischen Linken und das ohne greren Widerstand und ab-seits der ffentlichkeit. Auch die Bedeutungfr die hiesige Linke darf nicht unterschtztwerden, da der 129b eben auch Potentialzur Kriminalisierung jeglicher internationa-listischen Arbeit birgt.

    GI: Wie wollt ihr in Zukunft weitermachen?

    Richard: Die Prozesse in Dsseldorf einer-seits gegen Faruk Ereren und andererseitsgegen Nurhan Erdem, Ahmet Istanbullu undCengiz Oban laufen weiter. Es gab diesesJahr bereits weitere zwei Verhaftungen mit

    dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C. In diesem Zusammenhang wurde SadiNaci zpolat in Frankreich verhaftet und An-fang Juli nach Deutschland berstellt.Im Mai diesen Jahres wurde eine Person mitdem Vorwurf der Mitgliedschaft in der tamili-schen Organisation LTTE (Liberation TigersTamil Eelam) verhaftet. Diese Beispiele zei-gen, dass die Anwendung des 129b sichweiter ausdehnen wird, dementsprechendsetzen wir unsere Arbeit natrlich fort ver-suchen weiterhin darber zu informieren undWiderstand dagegen zu organisieren.Rosa: Dazu sind Devrim und Ahmet, wie auchFaruk von der Abschiebung bedroht. Wir wer-den auch dagegen vorgehen und versuchen

    diese Abschiebungen zu verhindern.Richard: Wir wollen mit unserer Arbeit vorallem auch eine Nachhaltigkeit erreichen, eserreichen, dass mglichst viele kontinuierlichgegen die repressive Entwicklung vorgehen.Der Aktionstag am 19.6. und die Delegationzur Erklrung von Ahmet waren Schritte in dierichtige Richtung. Verschiedene Stdte habensich zum Thema verhalten und sich damitauch mit der Thematik auseinandergesetzt.Bei der momentanen Situation der deutschenLinken ist es unserer Meinung nach unbedingtnotwendig, dass sich verschiedene Organisa-tionen zusammentun und gemeinsam gegendiese Entwicklung vorgehen. Gerade ange-sichts dessen, dass die Repression im Kampf

    gegen die revolutionre Linke geschlossenzusammensteht, mssen wir umso geschlos-sener und gemeinsam agieren.Rosa: Das zu Prozessbeginn gegrndete Ko-mitee gegen 129 haben wir mittlerweile zurStuttgarter Sektion des Netzwerks Freiheit fralle politischen Gefangenen weiterentwickelt.Es ermglicht uns, den von uns formuliertenAnsprchen besser gerecht zu werden, exib-ler zu sein, berregional und bundesweit ef-fektiver und organisierter zu arbeiten und unsnicht auf die 129-Prozesse beschrnken zumssen.In Stuttgart haben wir zusammen mit trkisch/kurdischen und deutschen Organisationendie Stuttgarter Plattform Weg mit den 129!

    Gegen die Kriminalisierung von MigrantInnengegrndet. Wir sehen das als ein Mittel an,um uns zuknftig gemeinsam gegen die An-griffe, denen wir ausgesetzt sind, wehren zuknnen. An diesen Anstzen werden wir wei-terarbeiten.

    Fotos vom 19. Juni - Aktionstag in Stuttgart

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    Am Donnerstag, den 15. Juli, wurde nach 168Verhandlungstagen und nach einer Prozess-dauer von 2 1/2 Jahren, das Urteil gegen De-vrim und Ahmet gefllt. Der Senat setzte dasUrteil fr Devrim auf 4 Jahre und 10 Monate(seine Bewhrungsstrafe inbegriffen) fest undfr Ahmet auf 5 Jahre und 4 Monate wegen(angeblichen) Mitgliedschaften in der DHKP-C. Beide sind weiterhin in Haft und ihnendroht die Abschiebung.

    Der 168. Verhandlungstag begann mit et-was Verzgerung, da verschiedene Vertreterder Presse und der Medien erst noch Bildervon dem Senat, den Angeklagten und demGerichtssaal schieen mussten, in dem,vermutlich um dem Schein eines Terrorpro-zesses gerecht zu werden, zum ersten Malseit Beginn des Prozesses 8 Hundertschafts-polizisten Platz genommen hatten. Die Me-dien waren an diesem Verhandlungstag an-wesend, da an diesem Tag das Urteil gegenDevrim Gler und Ahmet D. Yksel geflltwerden wrde.Das Urteil el wie folgt aus:Devrim Gler wurde als Regionsverantwort-licher zu 4 Jahren und 10 Monaten und Ahmet

    Dzgn Yksel als Rechtsberater der Orga-nisation und als Gebietsverantwortlicher zu 5Jahren und 4 Monaten verurteilt.Sie sollen fr die DHKP-C Spenden gesam-

    melt, legale Zeitungen verkauft und Informa-tionsveranstaltungen u.a. ber den Todesfa-stenwiderstand organisiert und durchgefhrthaben.Devrim soll auch an der Vorbereitung des denGefangenen vorgeworfenen Waffenschmug-gels beteiligt gewesen sein, sowie ber denAufenthaltsort von Radios - was laut Spitz-ndigkeit des Senats ein Codewort fr Waffensei - Bescheid gewusst haben.

    Ahmet soll als Intellektueller innerhalb derOrganisation gewirkt haben, der Schulungenorganisiert und durchgefhrt habe und sichauch um den Druck der Zeitungen gekmmerthabe.Des weiteren wurde Ahmet wegen der an-waltlichen Vertretung des langjhrigen Gene-ralssekretrs der DHKP-C, Dursun Karatas,sowie seiner Ttigkeit als Anwalt des Rechts-bro des Volkes in der Trkei, eine politischeNhe zur Organisation nachgesagt.In seiner Begrndung sttzte der Senat sichauf die Aussagen von Hseyin Hiram, dempsychisch kranken Doppelagenten, und aufdie Aussagen von Serdar Bayraktutan, demLeiter der Abteilung DHKP-C der Istanbuler

    Polizei, gegen den in der Trkei wegen meh-rerer Foltervorwrfe Ermittlungen laufen. DerSenat bestand aber darauf, dass nur sach-liche Angaben des Folterers in das Urteil mit

    eingeossen seien und keine menschlichenAngaben, da Folter zwar einerseits verfahren-sirrelevant sei, aber andererseits dann dochbeachtet worden sei.Eine weitere Begrndung des Richters warendie Lebenslufe der beiden und die Tatsache,dass sie trotz vorheriger Verurteilung, die zurBewhrung ausgesetzt worden war, weiterhinpolitisch aktiv waren. Dabei bercksichtigteder vorsitzende Richter Wieland zu Gunsten

    von Devrim Gler, dass dieser bereits in fr-hen Jahren von der Organisation ideologischindoktriniert worden sei.Weiter bezeichnete der Senat in seiner Be-grndung sowohl die Anatolische Fderation,als auch verschiedene anatolische Vereine,darunter auch das Anatolische Kunst- undKulturhaus in Stuttgart mehrmals als Tarn-vereine und Tarnorganisationen der DHKP-Cund bezeichnete die legal hier erscheinendenZeitungen als Parteizeitungen, was aufnichts anderes abzielt als auf die Kriminalisie-rung jeglicher Bettigung von politisch aktivenMigrantInnen.Mit der Verurteilung sind sowohl Devrim, alsauch Ahmet von der Abschiebung bedroht.

    Was das bedeutet hat nicht unlngst FarukEreren, der ebenfalls von der Abschiebungbedroht ist, in einem seiner Briefe ausge-drckt: Was mich erwartet wenn ich in dieTrkei ausgelieert werden sollte, ist Repres-sion, Folter und Haft bis zum Tod. Der faschi-stische Staat in der Trkei hat eh schon zurSprache gebracht, mich bis zu meinem Todins Gefngnis stecken zu wollen.Wann mit einer Entscheidung hinsichtlich derAbschiebung zu rechnen ist bleibt unklar.Weiter hat die Verurteilung zur Folge, dassdie Angeklagten die Kosten des Verfahrenstragen, die sich ohne die Ermittlungskosteneinberechnet, auf 2,4 Millionen Euro belaufen.Das Urteil war - wie nicht anders zu erwarten

    - nur ein Spiegelbild des ganzen Prozesses,in dem die Verurteilung von Anfang an feststand und damit eine weitere Manifestationder Klassenjustiz ist. (red.)

    Zwischen Radios und Terror

    Am 6. Juli kamen 70 Personen nach einemAufruf des Netzwerks Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen zu der Delegation zum129b Prozess in Stuttgart-Stammheim. Esbeteiligten sich Personen aus Berlin, Dssel-

    dorf, Freiburg, Magdeburg, Mnchen, Parisund Stuttgart. Hintergrund der Delegation wardas bevorstehende Ende des Prozesses.In der Verhandlung hielt die Verteidigung ihreAbschlusspldoyers, in denen sie auf diezahlreichen Widersprche im Verfahren ein-ging, sowie auf die drftige Beweislast. Siepldierten fr die Einstellung des Verfahrens.Nach Beendigung der Pldoyers der Verteidi-gung haben die Gefangenen die MglichkeitSchlussworte zu halten. Ahmet machte vondiesem Recht Gebrauch und begann seineausfhrliche Erklrung zu verlesen. In seinerErklrung forderte er seine Freilasung, sowiedie Freilassung aller 129b-Gefangenen. Erging in seiner Erklrung auf verschiedene

    historische Aspekte der trkischen/osma-nischen Geschichte ein - unter anderem aufdie Ursprnge des Koniktes um Kurdistan,wie auch auf den Genozid an den Armeniern-, thematisierte die Folter in der Trkei, gingauf die Ergenekon Anklage und die Ursprn-ge Ergenekons ein und zerlegte Stck fr

    Stck die Anklageschrift. Durch die Lnge derErklrung konnte er diese erst am folgendenProzesstag beenden.In der Mittagspause fand eine spontan ange-meldete Kundgebung vor dem Knastgebude

    statt, bei der in Reden des Netzwerks Freiheitfr alle politischen Gefangenen, der Stuttgar-ter Plattform Weg mit den 129! Gegen dieKriminalisierung von MigrantInnen! und vonTayad nochmals auf die Hintergrnde derVerfahren, sowie die Notwendigkeit der Soli-daritt eingegangen wurde. Dazu wurde einGruwort des Gefangenen Thomas Meyer-Falk verlesen.Mit einem Infotisch, auf dem es Essen undGetrnke gab, sowie mit Gesang und demTanzen des trkischen Volkstanzes Halay ge-lang es auch andere Besucher von JVA Hft-lingen zur Kundgebung zu bringen.Da die Kundgebung vor Ort spontan angemel-det wurde, wurden jetzt Ermittlungen wegen

    Verstoes gegen das Versammlungsrechtgegen den Anmelder aufgenommen.Weitere Bilder, die Reden und die leider zuspt angekommenen Gruwrter der RotenHilfe International, sowie der GenossInnen frden Aufbau einer Roten Hilfe Italien sind aufwww.no129.info zu nden. (red.)

    Worte zum Prozess gegen Ahmet undDevrim in Stammheim, Juli 2010

    Wie Kugeln in ihren Gewehrlufen werdenvon Bundesanwaltschaft und Oberlandesge-richt die erfolterten Aussagen aus trkischenKerkern eingesetzt. Leitende Polizeibeamteaus der Trkei wie selbstverstndlich als Be-lastungszeugen geladen, als wre die Trkei

    noch nie wegen Folter verurteilt worden.Nun, niemand erwartet ernstlich von derdeutschen Justiz irgendetwas anderes! Siehalten ihre Gewehre auf uns gerichtet, ob inder Trkei, in Deutschland, Palstina oder an-derswo. Allzeit bereit zu feuern.Aber der Mensch ist frei geschaffen; alles inihm drngt sich zur Freiheit und so kann auchnoch so harte Repression den Befreiungs-kampf nicht zum schweigen bringen.All das hat nichts mit Mrtyrertum zu tun,sondern mit einer aufrechten, ungebeugtenHaltung. Wir lachen ihnen ins Gesicht, dennunsere Solidaritt und Wrme untereinandergibt Kraft, Mut und Strke.

    Freiheit fr Ahmet und Devrim!Freiheit fr Nurhan, Cengiz, Faruk sowieAhmet Istanbullu!

    Thomas Meyer-Falk

    Wir lachen ihnen ins Gesicht...

    Zur Urteilsverkndung im Stammheimer Verfahren

    Bericht zur Delegation zum Ende des 129b Prozesses in Stammheim

    Fotos von der Prozessdelegation

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    Am Mittwoch endete vor dem OLG Dssel-dorf der letzte Gerichtstag des seit Mrz die-sen Jahres laufenden Prozesses gegen dreitrkische Linke vor der Sommerpause, diebis zum 23. August andauern wird. NurhanErdem, Ahmet Istanbullu und Cengiz Obanwird vorgeworfen, Mitglieder der DHKP-C(Revolutionre Volksbefreiungspartei-Front)zu sein und als solche durch Schulungenund Spendenkampagnen fr politische Ge-fangene in der Trkei und andere politischeAktivitten die Organisation bei schwerstenStraftaten, wie dem Verben von Anschl-gen und Attentaten in der Trkei, untersttztzu haben. Den Angeklagten wurde zu Beginndes Prozesses der Vorwurf des Verstoes

    gegen das Auenwirtschaftsgesetzes (AWG34 Abs.4) und den Paragrafen 129b (Un-tersttzung oder Mitgliedschaft in einer aus-lndischen terroristischen Vereinigung) ge-macht. Nach diesem Paragraphen steht z.B.das Sammeln von Spenden fr Gefangeneund jedweilige weitere Untersttzung einerpolitischen Organisation unter Strafe, soweitdiese per EU-Ministerratsbeschluss zur ter-roristischen Organisation erklrt wurde. Dieswar bei der DHKP-C der Fall. Die politischenGruppen, Parteien oder Einzelpersonen, dieauf der sogenannten EU-Terrorliste landeten,wurden sofort politisch und wirtschaftlich iso-liert. Den Gelisteten wurde auf Grundlage von

    juristisch nicht berprfbaren Geheimdienst-

    informationen die Existenzgrundlage entzo-gen. Jeder Kontakt mit der Auenwelt wurdegeheimdienstlich durchleuchtet. Die Kontender Betroffenen wurden gesperrt. Diese Ma-nahmen wurden auch innerhalb der EU-Admi-nistration scharf kritisiert. Der Sonderermittlerder EU, Dick Marty, sprach in Bezug auf denpraktischen Umgang mit dieser Liste von ei-ner zivilen Todesstrafe.Dieser Praxis konnte erst am 29. Juni durchein Urteil des Europischen Gerichtshofs Ein-halt geboten werden. In dem Urteil des EuGHheit es: Die Beschlsse des Rates, mit de-nen die DHKP-C vor Juni 2007 unter Verstogegen elementare Verfahrensgarantien in Li-sten aufgenommen wurde,(...) knnen nicht

    dazu beitragen, die strafrechtliche Verfolgungvon Mitgliedern der genannten Organisationzu sttzen(...) Diese, von den Anwlten indiesem Verfahren erzwungene Klarstellungvor dem EuGH kann somit im Sinne der An-geklagten als Erfolg gewertet werden. DieVerteidigung ist seither der Auffassung, dass

    Wir werden Sie weiter befragen,auch wenn das fr Sie eine Qual ist

    aufgrund des Urteils des EuGH der Strafvor-wurf insgesamt nicht mehr aufrechterhaltenwerden kann. Auerdem beruhe die Anklageder Bundesanwaltschaft zum Teil lediglich aufunhinterfragbaren Aussagen und Vermerkenvon Geheimdienstlern. Eine Zeugin des BNDwollte nicht ausschlieen, dass Erkenntnisse,die sie durch Protokolle aus der Trkei erlangthabe, auch durch Folter zustande gekommensein knnen. Der BND knne auch keineVerantwortlichkeit europischer Funktionrefr Vorgnge oder Anschlge in der Trkeibeweisen. Da die Verteidigung auch der Ver-wertbarkeit digitaler Beweise, auf die sichein weiterer Teil der Anklage sttzt, aufgrundderen Unnachvollziehbarkeit widersprachen,

    steht nun die gesamte Anklage auf tnernenFen. Die Anwlte beantragten deswegendie Freilassung der Angeklagten aus derUntersuchungshaft. Der Senat schmetterteeinen entsprechenden Antrag, wie jeden an-deren inhaltlichen Antrag der Verteidigungauch, ohne konsistente Begrndung ab. Dasbetrifft auch einen Antrag der Verteidigung aufein Gegengutachten zu den Lageberichtendes Auswrtigen Amtes bezglich der Situa-tion in der Trkei. Dies ist eigentlich in jedemVerwaltungsgerichtsverfahren (Asylverfah-ren) blich, da dort von der unzureichendenEinschtzung der Lageberichte Kenntnisherrscht.Statt die Gefangenen freizulassen und das

    Verfahren gegen sie auszusetzen, hlt das

    Der Prozess gegen die Dsseldorf 3 geht in die Sommerpause. Wesentlicher Teil derAnklage vom EuGH einkassiert. Beugehaftandrohung gegen Ilhan Demirtas.

    Gericht an seiner aggressiven Haltung ge-genber den Angeklagten fest. Die Richterbegegnen jedem sachlichen Widerspruch zueiner etwaigen Schuld der Angeklagten oftin ausfallender, provokativer oder chauvini-stischer Weise ablehnend, so eine Prozess-beobachterin. In den letzten fnf Monatensagten lediglich Mitarbeiter des BKA, desBND, sowie Verfassungsschtzer aus. Frden 7. Juli war Ilhan Demirtas als Zeuge ge-

    laden, der bereits vom OLG Stuttgart-Stamm-heim wegen vermeintlicher Mitgliedschaft inder DHKP-C verurteilt wurde und mittlerwei-le wieder auf freiem Fu ist. Der Betroffeneist psychisch krank, leidet unter paranoidenVorstellungen und Verfolgungsngsten. Erbekommt seit drei Jahren starke Psychophar-maka. Ein offenbar willfhriger Gutachter be-scheinigte dem Gericht trotzdem die Verhand-lungsfhigkeit, schloss aber die Auslsungvon psychotischen Schben durch die Befra-gung nicht aus. Im Gerichtssaal wurde schnelldeutlich, dass sich Ilhan kaum differenziert er-innern kann. Der Vorsitzende Richter schenktdem bisherigen Aussageverhalten von Ilhanoffenbar keinen Glauben und verlautbarte,

    dass es im fnfkpgen Gerichtssenat eineMehrheit fr eine etwaige Bestrafung mit Beu-gehaft gbe. Wir werden sie weiter befragen,auch wenn das fr sie eine Qual ist - wir sind

    jedenfalls noch nicht durch ... so einfach gehtdas fr sie nicht sagte der Richter zu IlhanDemirtas. Die Befragung Ilhans soll nach derSommerpause fortgesetzt werden.Wie mit Ilhan und anderen Zeugen im Pro-zess umgegangen wird, hngt nicht zuletztdavon ab, inwiefern der Prozess in der f-fentlichen Wahrnehmung prsent ist. MartinDolzer, Pressereferent der Anwltinnen vonCengiz Oban, sagte gegenber der GI-Re-daktion, dass schon die Teilnahme von Parla-mentariern wie die Bundestagsabgeordneten

    der Linken Inge Hger und Andrej Hunko Ein-uss auf den Umgang des Gerichts mit denAngeklagten, Anwlten und Zeugen hat. Eswre also wichtig, dass der Prozess weiterbeobachtet wird, am besten von internationa-len Beobachtern. Am letzten Verhandlungstagwurden die Urteile des krzlich beendeten129b-Prozesses in Stammheim verlesen.Die Rechtsanwltin des Angeklagten CengizOban, Anni Pues geht davon aus, dass dieStammheimer Urteile dem Verfahren gegendie in Dsseldorf Angeklagten bergestlptwerden sollen. Dort wurden Strafen bekannt-lich von bis zu 5 Jahren und 4 Monaten ver-hngt. (red)

    Erneute Verhaftung mit dem Vor-wurf der DHKP-C-Mitgliedschaft

    Am 18. Mai 2010 wurdeSadi Naci zpolat aufErsuchen der deutschenBundesanwa l t scha f tin Colmar, Frankreichfestgenommen und saseitdem dort in Haft. Am13.07.2010 wurde erdann nach Deutschlandberstellt.

    Die Bundesanwaltschaftwirft ihm versuchte,schwere ruberische Erpressung unddie Rdelsfhrerschaft in einer innerhalbder DHKP-C bestehenden terroristischenVereinigung in der Trkei vor.

    Auerdem soll er laut Anklage, als Nach-folger von Alaattin Ates, seit Februar 2009als Verantwortlicher der DHKP-C Fh-rung fr Deutschland und Teile Westeuro-pas fungiert haben.In dieser Funktion soll er sowohl die Fh-rungsfunktionre der Organisation ange-leitet wie auch fr die Schulung der Mit-glieder verantwortlich gewesen sein.Auch ihm wird als zentrale Aufgabe dasEintreiben von Spenden fr die Organisa-tion und in seiner Funktion als Fhrungs-funktionr die Festlegung der Spenden-hhen vorgeworfen.Sadi Naci zpolat ist nun die zwlftePerson, die innerhalb von 4 Jahren inDeutschland wegen des Vorwurfs derMitgliedschaft in der DHKP-C eingesperrtwurde. (red.)

    Plakataktion in Magdeburg

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Nach ber zwei Jahren endete am 15. Juli der129b Prozess in Stuttgart Stammheim gegenDevrim Gler und Ahmet Dzgun Yksel. DieProzesse in Dsseldorf, gegen Faruk Ererenund gegen Nurhan Erdem, Cengiz Oban und

    Ahmet Istanbullu laufen weiter. Allein in die-sem Jahr wurden insgesamt 4 weitere Per-sonen mit 129b Vorwurf inhaftiert, einmal mitdem Vorwuf der Mitgliedschaft in der LTTE(Liberation Tigers of Tamil Elam) und gegendrei Personen mit dem Vorwurf der Mitglied-schaft/ Rdelsfhrerschaft in der DHKP-C(Revolutionre Volksbefreiungspartei-Front).Aufgrund der Massivitt der Angriffe gegenRevolutionre und der Notwendigkeit derSchaffung von ffentlichkeit und Solidarittzu den bereits laufenden Verfahren rief dasNetzwerk Freiheit fr alle politischen Gefan-genen einen bundesweiten Aktionstag am 19.Juni, dem Tag des revolutionren Gefange-nen , aus. (siehe GI Nr.355)

    Unter dem Motto Solidaritt muss praktischwerden Freiheit fr die 129b und alle poli-tischen Gefangenen weltweit folgten interna-tional verschiedene Organisationen diesemAufruf und beteiligten sich an dem Aktionstagam 19. Juni.

    Wir dokumentieren im Folgenden die Solida-rittsaktivitten:

    Berlin: In Berlin organisierte das NetzwerkFreiheit fr alle politischen Gefangenen ge-meinsam mit der Roten Hilfe OG Berlin, derRoten Hilfe OG Knigs Wusterhausen unddem Freiheitskomittee eine zentrale Kundge-bung am Kottbusser Tor.

    An der Kundgbung nahmen rund 65 Personenaus verschiedenen Spektren der radikalenLinken teil. Um den Kundgebungsplatz herumwurden Transparente aufgehngt, es wurdenParolen skandiert, Reden der teilnehmendenGruppen und Grubotschaften der Gefan-genen als auch der Roten Hilfe Internationalverlesen.Magdeburg: In Magdeburg wurde ein Graftiaus Solidaritt mit den 129b Gefangenen,gegen die Kriminalisierung von Antifaschi-stInnen und Revolutionren aus der Trkeiund Kurdistan angefertigt. Ausserdem wurdenriesige Wandzeitungen und Wandplakate ver-klebt um auch damit die Prozesse und die Re-alitt der Angriffe ins Stadtbild zu rcken und

    ffentlichkeit zu schaffen.Hamburg: In Hamburg wurden Parolen wieFreiheit fr alle politischen Gefangenen undAnatolische Jugend an Wnde gesprht.Heilbronn: In Heilbronn gab es eine Trans-parentaktion an einer Autobahnbrcke mitder Aufschrift: Freiheit fr die 129b-Gefan-genen. Zustzlich grten die GenossInnenaus Heilbronn die Gefangenen mit Benga-lischem Feuer.Dsseldorf: In Dsseldorf fand eine De-monstration unter dem Motto Solidarittmuss praktisch werden- Freiheit fr die 129bGefangenen statt. Es beteiligten sich ca. 120Personen darunter das Netzwerk Freiheit fralle politischen Gefangenen, die Rote Antifa

    Duisburg, Antifaschistische Aktion Dortmund,Karawane Flchtlingshilfeorganisation fr dieRechte von MigrantInnen und der ArbeitskreisNord-Sd aus Bremen, Rote Hilfe Dsseldorf-Neuss, Die Linke.NRW, das Tayad Internati-onales Solidarittskomitee, Anatolische F-deration, sowie die Rote Hilfe aus Belgien.

    Die Demonstration fhrte vom DsseldorferHauptbahnhof bis zum Dsseldorfer Knast, indem Cengiz Oban und Faruk Ereren einge-sperrt sind.Es wurden die Gruaddressen der Gefange-

    nen Faruk Ereren, Devrim Gler und ThomasMeyer-Falk, sowie Gruadressen der RotenHilfe International, der Karawane Bremen, derRoten Antifa Duisburg, von Tayad und demAnti Knast Projekt Kln verlesen.Andrej Hunko Mitglied des deutschen Bun-destags, DIE LINKE., hielt ebenfalls einen Re-debeitrag ber das Aussenwirtschaftsgesetz.Gaggenau/ Rastatt: In Rastatt fand eineSolidarittsaktion vor dem Tor der RastatterJVA statt. Die GenossInnen riefen mit einemTransparent mit der Aufschrift zur Freiheit fralle politischen Gefangenen auf und skan-dierten Parolen. Vor dem Aktionstag am 19.Juni fanden an verschiedenen Stellen in Gag-genau auerdem noch Sprhaktionen statt,

    die auf den Tag mobilisierten.Wien: In Wien fand eine Kundgebung amStephansplatz statt, die vom Tayad Komiteeorganisiert wurde und an der sich ber 30Personen beteiligten. Es wurden Reden aufDeutsch und English gehalten, in denen aufdie Isolationshaft, die Situation der revoluti-onren Gefangenen, die Geschichte des 19.Juni und den Kampf in der Trkei eingegan-gen wurde. Ebenfalls wurden die Gruwortevon Nurhan Erdem, Devrim Gler, FarukEreren und Thomas Meyer-Falk verlesen.Auerdem wurden Schilder mit den Bildernvon Nurhan Erdem, Cengiz Oban, AhmetIstanbullu und Avni Er (der sich in Italien inHaft bendet und ebenfalls von der Abschie-

    bung in die Trkei bedroht ist) und Schildermit der Aufschrift Widerstand ist kein Terroris-mus sondern eine Picht hochgehalten undmit Transparenten die Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen gefordert.Paris: In Paris fand im Strabourg Saint-Denis Viertel eine Kundgebung statt die dasFreiheitskomittee organisierte. An dieserbeteiligten sich ca 26 Personen. Es wurdeeine Presseerklrung des Freiheitskomitteesverlesen in der auch auf die erneuten Verhaf-tungen von 15 Tayad Mitgliedern am 15. Juniin der Trkei eingegangen wurde.Winterthur/ Zrich: Die Winterthurer undZricher GenossInnen beteiligten sich mitTransparentaktionen mit der Aufschrift: Weg

    mit 129b Internationale Klassensolidarittaufbauen am Aktionstag. Darber hinauswurde in Zrich noch ein Transparent mit derAufschrift Free Bily, Costa und Silvia! MarcoLibero! aufgehngt.Stuttgart: In Stuttgart beteiligten sich ca. 40Personen an einer Solidaritts-Kundgebungauf dem Stuttgarter Marktplatz. Die Kund-gebung wurde von der Stuttgarter PlattformWeg mit den 129 Gegen die Kriminali-sierung von MigrantInnen, bestehend ausAGIF, ATIF, Anatolische Fderation, Liber-tres Bndnis Ludwigsburg und dem Netz-werk Freiheit fr alle politischen GefangenenStuttgart, organisiert.Mit Reden der Anatolischen Fderation und

    der Stuttgarter Plattform, Infotischen undTransparenten wurde auf die 129b Prozesseund die Kriminalisierung von MigrantInnenaufmerksam gemacht, zur Solidaritt aufge-rufen und die Freiheit der 129b Gefangenensowie aller politischen Gefangenen weltweitgefordert. (red.)

    Solidaritt muss praktisch werdenFreiheit fr die 129b- und alle politischen Gefangenen weltweit!

    www.no129.info

    Dsseldorf

    Paris

    Heilbronn

    Rastatt/ Gaggenau

    Berlin

    Wien

    Winterthur

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    juli 2010 gefangenen info 7

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    Berlin: Der Bundesge-richtshof (BGH) hat smt-liche berwachungsma-nahmen gegen drei BerlinerLibertad!-Mitglieder, gegendie das Bundeskriminalamt(BKA) seit 2001 wegen des

    Verdachts der Grndung dermilitanten gruppe (mg) er-mittelt hatte, fr rechtswidrig erklrt. Die dreiLibertad!-Mitglieder wurden seitens des BKAsals Grnder der (mg) betitelt und wurden da-raufhin jahrelang berwacht. Die berwa-chungsmanahmen wurden durch insgesamt36 Beschlsse eines BGH-Richters genehmi-gt, die mittlerweile alle als rechtswidrig erklrtwurden. (red.)

    Berlin: Das Verfahren ge-gen den Berliner Stadtsozi-ologen Andrej Holm wegenMitgliedschaft in der krimi-

    nellen Vereinigung militantegruppe (mg) wurde einge-stellt. Er war Mitte 2007 imRahmen der Verhaftungenvon Axel, Florian und Olli,

    ebenfalls festgenommen worden und wurdeverdchtigt die anspruchsvollen Bekenner-schreiben der mg verfasst zu haben. Grundhierfr war, dass er sich seit lngerer Zeit mitdem Themenkomplex der Gentrizierung be-schftigt hatte und diese Begrifichkeit in ei-nigen Schreiben der (mg) aufgetaucht waren.(red.)

    Berlin: Alexandra ist auch

    im (von der Staatsanwalt-schaft angestrengten) Beru-fungsverfahren wegen einerangeblichen Brandstiftungan einem PKW am 4. Julifreigesprochen worden.Nach 5 Verhandlungstagensah auch der Richter die

    Unschuld von Alexandra als erwiesen an.Das Gericht kam zur berzeugung, dasssie Opfer einer Verwechslung gewesen sei.Alex war dafr knapp 5 Monate in U-Haft undhat dabei ein Ausbildungsjahr verloren. DieStaatsanwaltschaft hat knapp eine Wochenach dem Urteil Revision eingelegt. (red.)

    Berlin: Der Polizist Rein-hard R., der Dennis J. in derNeujahrsnacht 2008/2009mit 8 Kugeln gettet hatte,ist auf freiem Fu. Rein-hard R., der seit dem 4. Mai2010 auf der Anklagebanksa, wurde am 3. Juli 2010wegen Totschlag in einem

    minderschweren Fall zu 2 Jahren auf Be-whrung verurteilt. Hintergrund ist, dass nachDennis J. wegen zwei offenen Haftbefehlengefahndet worden war. Mit einer rechtswid-

    rigen Handyortung wurde Dennis J. an demTag aufgefunden und von Reinhard R. mit8 Kugeln gettet worden. Bereits der ersteSchuss, der aus 1,5 m abgefeuert wurde, warttlich. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    AktivistInnen der Antiknast-Bewegung mobi-lisierten zum 19. Juni zu einem Aktionstag,an dem das Knastsystem als Mittel zur Kon-trolle und Unterdrckung thematisiert undSolidaritt mit den politischen und sozialenGefangenen organisiert wurde. Der Aufruf

    und Rahmen des Aktionstags sollte so offengestaltet werden, dass sich alle Interessiertenangesprochen fhlen, ihren Beitrag unter demMotto zu leisten und eigene Schwerpunktezu setzen. Angesprochen fhlen sollten sichauch nicht nur diejenigen, die eh schon ge-gen Knste, Abschiebelager und die tagtg-lich massiver auftretende soziale Kontrollekmpfen. Das Ziel sollte es sein, das Themaund Einsperrung wieder in den Blickpunktzu stellen, natrlich nicht ohne den Blick aufdie Perspektive zu verlieren, die Perspekti-ve nach einem anderen Leben, frei von Un-terdrckung, Ausbeutung und frei von allenHerrschaftsformen.

    Knast bedeutet Unterdrckung, Kontrolle,Ausbeutung und Ausgeliefertsein. Struktu-relle Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Aufihr beruht unser Rechtssystem. Kein Wunderalso, dass sie auch vor den Toren der Knstekeinen Halt macht und sich in Form von in-dividueller Gewalt, wie Misshandlungen undsexuellem Missbrauch, entldt. Schlieernehmen innerhalb dieses Systems eine ent-scheidende Rolle ein. Sie sind Teil der inter-nen Hierarchien und verhalten sich entspre-chend. Sie wissen, dass sie in ihrer PositionMacht ber Menschen haben und nutzen die-se auch aus. Es gibt immer wieder bergriffe

    durch Angestellte der Vollzugsanstalten. Seies aus reinem Frust, rassistischer Motivationoder im Sinne der Aufstandsbekmpfung. InFrankreich gibt es eigens dafr ausgebildeteEinheiten, wie z.B. die IRIS. Sie sind hnlichausgerstet wie die CRS-Einheiten auf denStraen der Banlieues. Schlieer und Per-sonal der Vollzugsanstalten sind, genau wieder Justizapparat und die PolizeibehrdenTeil des Problems und nicht Teil der Lsung.(ABC Aachen in ihrem Redebeitrag vor derJVA Aachen)

    In Berlin gab es in den Morgenstunden des19. Juni vor der JVA Moabit ein effektvolles

    Feuerwerk, um den Gefangenen zu zeigen,dass sie trotz der Mauern, hinter denen siegefangen gehalten werden, nicht vergessensind und auf der anderen Seite der Mauernfr ihre Freiheit gekmpft wird. Einen Tagvorher wurden auerdem Scheiben von zwei

    Zum Aktionstag gegen einegeknastete Gesellschaft am 19.Juni

    verschiedenen Berliner Firmen zerstrt, diean berwachung und Knast protieren.In der Nhe des Hamburger Hauptbahnhofswurde eine groe Plakatwand angebracht,auf der sich mit allen kmpfenden Gefange-nen solidarisiert und die Freiheit aller gefor-dert wurde. Am Nachmittag des Aktionstagesfanden sich einige Menschen vor dem U-HaftKnast Holstenglacis in Hamburg ein undbrachten Transparente mit Kontakt-Adressenin Sichtweite der Gefangenen an, um Kontaktherzustellen und die Isolation zu durchbre-chen. Auerdem wurden Parolen wie Freiheitfr alle Gefangenen! gerufen. Einige Men-schen warfen Tennisblle ber die Auen-mauer des Knastes, die mit Nachrichten undForderungen fr die Gefangenen und gegenalle Knste versehen waren. Gefangene re-

    agierten positiv auf die Aktion und erwidertendie gerufenen Parolen. Angehrige von Inhaf-tierten, die anwesend waren, uerten ihreBegeisterung ber die Aktion.Nachdem die Kundgebung zum Antiknast-Aktionstag in Aachen beendet worden war,machte sich eine Handvoll KnastgegnerInnennoch auf den Weg zum dortigen Knast. Dortwurde zunchst am Parkplatz der JVA einGruwort des in der JVA Bruchsal inhaftiertenThomas Meyer-Falk verlesen. Anschlieendzogen alle mit Parolen wie Freiheit fr alleGefangenen! und Solidaritt mit kmp-fenden Gefangenen! zum Eingang der JVA.ber ein Megaphon wurden immer wieder

    Durchsagen an die Inhaftierten gemacht. Eswurde allen kmpfenden Gefangenen Solida-ritt erklrt und ihnen Mut gemacht, dass siein ihrem Kampf fr bessere Haftbedingungen,bzw. im Kampf gegen das Knastsystem nichtaufgeben sollen. Auf dem Weg zum Haupt-eingang kamen mehrere Gefangene an dieFenster ihrer Zellen und zeigten sich durchWinken und Rufe erfreut ber die Solidaritts-aktion. Nachdem auch vor dem Eingang Paro-len wie Gegen Knast und Hierarchie! Fr dieFreiheit! Fr die Anarchie! gerufen wurden,ging es zu einem Nebeneingang der JVA, wobis zum Beginn des Regens lautstark auf sichaufmerksam gemacht wurde. Zudem wurde

    explizit der anarchistische Genosse Gabri-el Pombo Da Silva, der seit vielen Jahren inAachen im Knast sitzt, gegrt. Es bleibt zuhoffen, dass die Gre ankamen.In Kln fand eine Kundgebung mit etwa zwan-zig Leuten im Stadtteil Kalk statt, auf der Re-debeitrge gehalten, Musik gespielt und etwa300 Flugbltter auf deutsch und trkisch ver-teilt wurden. Anlass war unter anderem der imBau bendliche privatisierte Knast in Ratin-gen, der von der Securityrma Ktter betrie-ben werden soll und der als erster Privatknastin Nordrhein-Westfalen betrieben werden soll.Informiert wurde auch zu den politischen Pro-zessen in der BRD.

    Weitere Aktivitten am 19. Juni gab es au-erdem in Dresden, Rostock, Tbingen undWien. (red.)

    Weitere Infos zum Antiknast-Aktionstag:www.abc-berlin.net

    berklebte Werbetafel in Hamburg, St. Georg

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #356

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    8 gefangenen info juli 2010

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    Die Polizei durchsuchte am 13. und 16.7.mehrere Buch- und Infolden in Berlin undMnchen. Gesucht wurden Ausgaben derRadikal und Interim wegen darin enthaltenerBauanleitungen. Derzeit existiert ein bundes-weiter Beschlagnahmebeschluss fr die aktu-elle Ausgabe der Interim. Im Gegensatz zurRadikal ist das Zeitungsprojekt Interim zwarnicht verboten und darf legal ausgelegt wer-den, es werden aber immer wieder Ausgaben

    kriminalisiert und beschlagnahmt. In der Ver-gangenheit hatte es mehrere hnliche Raz-zien gegeben, nachdem Bauanleitungen zuBrand- und Sprengstzen erschienen waren.In Mnchen drang am 16.7. unter Beteiligungdes Mnchner Staatsschutzes die Polizei inden Infoladen im Kafe Marat ein und teilte den

    Anwesenden zunchst weder mit, um was esging, noch zeigten sie den Durchsuchungsbe-schluss. Alle Rume im Kafe Marat wurdenoberchlich in Augenschein genommen undfotograert, obwohl nur fr den Infoladen einDurchsuchungsbeschluss vorlag. Nach etwasmehr als einer Stunde zogen sie mit reicherBeute von dannen: Je ein einzelnes Exemplarvon drei Zeitschriften, sowie ein Ordner mitVerffentlichungen aus der Geschichte der

    militanten Linken. Eine Handvoll Bller wur-de noch zu Sprengstoff erklrt und ebenfallsbeschlagnahmt. Bei den Zeitschriften handel-te es sich um die Ausgaben Interim 713 und714, sowie die Radikal-Ausgabe162. Jemandaus dem Kafe Marat dazu: Es ist klar, dasswir uns sowas nicht so einfach bieten lassen.

    Es ist aber auch klar, dass wir Zeit und Ortunserer Reaktion selber bestimmen. Dontshit where you eat. Wir feiern heute und mor-gen 13 Jahre Freitagskafe, das lassen wir unsnicht nehmen. Der Sommer ist noch lang ge-nug!.Wenige Tage vorher wurden am 13.7. in Berlindie beiden Filialen des Buchladens SchwarzeRisse, der Buchladen OH21 und der Infola-den M99 durchsucht. Bei den Razzien wur-den insgesamt 134 Exemplare der Interim,eine unbekannte Menge der Radikal sowiemehrere Computer beschlagnahmt. Das wresomit die fnfte Durchsuchung innerhalbeines halben Jahres im Buchladen SchwarzeRisse im Mehringhof. Das Kollektiv Schwar-

    ze Risse meinte dazu: Dachten wir bei derletzten Durchsuchungswelle noch, es hande-le sich vielleicht nur um die bliche Hysteriezum 1. Mai, mssen wir nun endgltig davonausgehen, dass die staatlichen Ermittlungs-behrden uns nicht in Ruhe lassen wollenund Vorwand nach Vorwand suchen werden,um gegen Schwarze Risse, OH21 und M99vorzugehen. Das heit, der Angriff gilt linkenStrukturen. Euer Engagement, Ideen undpraktische Vorschlge, wie wir zusammen di-ese Angriffe abwehren, sind gefragt. WeitereInformationen folgen demnchst.Seit Oktober 2009 hat es in Berlin mehrereAnschlge mit Gaskartuschen (Gasaki) ge-geben, unter anderem auf ein Jobcenter in

    Wedding, das Haus der Wirtschaft, das Amts-gericht Tiergarten und die vom Bundeskanz-leramt nanzierte Stiftung fr Wissenschaftund Politik. Festnahmen in diesem Zusam-menhang gab es bislang keine, zu mehrerenGaskartuschenanschlgen gab es Erkl-rungen von militanten Gruppen. (red.)

    Kriminalisierung militanter WiderstandspraxenErneute Durchsuchungen und Beschlagnahmungen der ZeitschriftenInterim und Radikal

    In den letzten zwei Monaten wurden in Stuttg-art und Umgebung 15 kurdische Jugendlicheverhaftet. Ihnen wird vorgeworfen Anfang Maibei einem Angriff auf eine faschistische tr-kische Kneipe in der Nhe von Stuttgart be-teiligt gewesen zu sein, bei dem vier trkischeFaschisten verletzt worden waren. Sie wer-den der gefhrlichen Krperverletzung undwegen versuchten Totschlags (!) angeklagt.Nach dem Angriff auf die Kneipe am 8. Mai

    Repressionswelle gegenkurdische Jugendliche imRaum Stuttgart

    begann die Repressionswelle keine zwei Wo-chen spter. Am 20. Mai wurden zunchst 5Mnner vorlug festgenommen, von denendrei Personen weiterhin in Haft sind. Knappeine Woche danach wurden zwei weitere Ju-gendliche verhaftet und wieder eine Wochespter kam es zu zwei weiteren Verhaftungen.Ihren vorlugen Hhepunkt fand die Repres-sionswelle am Mittwoch, den 7. Juli mit 8 Ver-haftungen in Stuttgart. Unter den Verhaftetenbendet sich mindestens ein Minderjhriger.Die 15 Betroffenen benden sich, seit ihrerVerhaftung, in unterschiedlichen Justizvoll-zugsanstalten auf ganz Baden-Wrttembergverteilt.Die Verhaftungen erfolgten meist mit einemGroaufgebot der Polizei, teilweise wurdendie Wohnungen mit Sondereinsatzkomman-dos gestrmt.Die Ermittlungen werden gefhrt von einerextra dafr ins Leben gerufenen 18-kpgenErmittlungsgruppe mit dem Namen Mu-siknacht. Diese Ermittlungsgruppe versucht -so hat es den Anschein -, die aktive kurdischepolitische Szene in Stuttgart auch ber diesenVorfall hinaus einzuschchtern und zu krimi-nalisieren. Neben den Verhaftungen versuchtdie Polizei politisch aktive KurdInnen und ihreFamilien einzuschchtern, indem sie bei denEltern anrufen, vor der Tre stehen und ihnenanbieten ihre Kinder aus diesem Teufels-kreis herauszuholen. So scheint es, als nutzedie Ermittlungsgruppe die Ermittlungen, umprinzipiell gegen die aktive kurdische Jugendin Stuttgart vorzugehen und den politischenAktivitten einen Riegel vorzuschieben.Da die Polizei noch immer davon spricht, dassbei dem Angriff 30 bis 50 Personen beteiligtgewesen seien, ist nicht auszuschlieen,dass noch weitere Verhaftungen folgen wer-den. (red.)

    Moin, moin... Was du hier siehst ist so das Neu-este von mir, eben weil ich gerade die Tage soextrem wahrnehme, dass die Staatsmacht undihre Leute zur Zeit irgendwie mit echter Offen-heit und in ihrem guten Glauben die Gesetzebiegen, dass ich schon staune. Gerade ebenauch wegen dem Straburger Urteil, und ebentagte die Landesjustizministerkonferenz derLnder, wo es um die Sicherungsverwahrung(SV) geht. Dass der Gesellschaft nun droht,dass sie 70-90 Gefhrliche raus lassen ms-sen! Das uert z.b. auch das OLG Celle, dasssie absichtlich das Verfahren lang machen, umdiese Leute nicht sofort raus lassen zu mssen.Ich wrde das mit ihren Worten Rechtsbeugungnennen, oder gar Freiheitsberaubung.Nun, sicher wird von denen der ein oder andererckfllig werden und die Medien werden dasauch ausschlachten. Daher ist auch klar, dasserst einmal die elektronische Fufessel damit xgesellschaftsfhig wird... und das nur als ersterSchritt. Da kommt dann noch mehr...Gru und Power durch die MauerFinni, Celle, 28.6.2010

    Neue Karikatur von Finni

    Solidarittskundgebung am 12. Juni in Stuttgart

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #356

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    Karlsruhe: Das Bundesver-fassungsgericht entschiedausnahmsweise zu Gunstender DemonstrantInnen: De-monstrantInnen drfen nurnoch durchsucht werden,wenn ein konkreter Verdacht

    gegen sie vorliegt. Allge-meine Verdachtsmomente

    reichen nicht mehr aus, entschied das Karls-ruher Bundesverfassungsgericht am 10. Juni.Anlass fr die Entscheidung waren gro-chige Durchsuchungen aller TeilnehmerInnenvon Demonstrationen. Welche Auswirkungendiese Entscheidung tatschlich in der Praxishaben wird, muss sich erst zeigen - wissenwir doch alle, was konkreter Verdacht be-deutet. (red.)

    Gaggenau: Am Mitt-woch, den 30. Juni kames in Gaggenau in Baden

    Wrttemberg zu einem An-quatschversuch des Ver-fassungsschutzes. Ein VS-Mitarbeiter klingelte an derHaustr einer Aktivistin ausGaggenau, stellte sich als

    Sicherheitsbeauftragter vor und stellte derPerson zahlreiche Fragen ber linke Zusam-menhnge in Gaggenau und Umgebung. DieAktivistin lie sich nicht darauf ein. Bereits2006, 2008 und 2009 kam es in Gaggenauzu Anquatschversuchen seitens des Verfas-sungsschutzes. Lasst euch nicht anquat-schen! (red.)

    Darmstadt: In Darmstadtndet momentan eine Kam-pagne mit dem Motto Re-pression gegen linke undantifaschistische Strukturenstoppen! statt. Die erste Ak-tion innerhalb dieser Kam-pagne war eine Demonstra-tion Ende Juni, an der sich

    150 Menschen beteiligten. Hintergrund derKampagne waren vorrangig Hausdurchsu-chungen und Strafverfahren gegen mehrereAntifaschistInnen im Zusammenhang mit ei-ner Auseinandersetzung mit faschistischenFans bei einem Fuballspiel. (red.)Infos: http://ghtrepression.blogsport.de

    Stuttgart: Im Rahmen derProteste gegen das Bun-deswehrgelbnis am 30. Juliin Stuttgart sollten in der In-nenstadt Stuttgarts mehrereKundgebungen angemeldetwerden. Jedoch wurdendrei der AnmelderInnenohne weitere Begrndung

    als ungeeignet abgelehnt. Obwohl keinerder Betroffenen vorbestraft ist, geschweigedenn wegen Vergehen, die als Versto ge-

    gen das Versammlungsgesetz geahndetwerden, verurteilt wurde, wurden sie als An-melderInnen vom Ordnungsamt abgelehnt,womit das neue Versammlungsrecht bereitsAnwendung ndet, ohne dass es verabschie-det wurde. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Gefangenen Info: Was unterscheidet die Ab-

    schiebehaft von normaler Haft?

    Frank Gockel: Abschiebehaft ist Zivilhaft. Men-schen in Abschiebehaft sitzen nicht im Gefng-nis, weil sie etwas verbrochen haben, sondernnur, um den Verwaltungsakt der Abschiebung frdie Auslnderbehrden zu erleichtern.

    GI: Was bedeutet das fr die eingesperrten

    Flchtlinge?

    F. G.: Alle Abschiebehftlinge sind per Gesetzunschuldig im Gefngnis. Es fllt ihnen daher zurecht schwer, die Haft zu akzeptieren. Man stellesich mal vor, dass das Bauamt, wenn es eineneue Strae plant, alle Anwohner in Haft nimmt,

    nur weil der Verdacht besteht, dass diese dage-gen protestieren knnten.Hinzu kommt, dass die Abschiebehaft fr vieleGefangene kein festes Ende hat. Zwar lautetder Haftbeschluss in der Regel 3 Monate, kannaber immer wieder fr neue drei Monate verln-gert werden, bis zu 18 Monate. Alle drei Monateentstehen so groe Hoffnungen, die dann vomAmtsgericht in der zerstrt werden.Das letztendlich schlimmste kommt aber fr vieleerst nach der Haft. In der Regel erfolgt dann dieAbschiebung. Im besten Fall werden Trume aufein besseres Leben zerstrt, viele haben aberAngst, dass sie im Herkunftsland wieder in Haftkommen, gefoltert werden oder die Abschiebung

    nicht berleben. Dass die Todesangst einigerAbschiebehftlinge nicht unberechtigt ist, mus-sten wir leider oft genug erfahren.Hinzu kommt, dass viele Menschen Sprachpro-bleme haben oder sich mit unserer Justizkulturnicht auskennen. Damit sind ihnen smtlicheMglichkeiten einer Verteidigung genommen.Anwlte kosten Geld und vertreten oft Gefange-ne nur gegen Vorkasse. Auch gibt es nur sehrwenige Anwlte, die sich mit dem Thema Ab-schiebehaft auskennen.

    GI: Was sind die nationalen und internationalen

    Bestimmungen?

    F. G.: Zwar gibt es die sogenannte Rckfh-rungsrichtlinie, die auf europischer Ebene dieAbschiebungen und die Abschiebehaft verein-heitlichen, jedoch muss diese erst Ende diesesJahres umgesetzt werden. Die Haftgrnde sindim Aufenthaltsrecht geregelt, das Verfahren imFamFG (Gesetz ber das Verfahren in Familien-sachen und in Angelegenheiten der FreiwilligenGerichtsbarkeit). Letzteres sorgt gerade bei denGerichten fr Schwierigkeiten, da die Richter, dieber die Abschiebehaft bestimmen, in der Regelber das Gesetz keine Ahnung haben. VieleAbschiebehftlinge werden daher stark in ihrenRechten beschnitten, da der Richter im Zweifels-fall der Auslnderbehrde glaubt und nicht wei,dass er den Betroffenen im Verfahren Rechteeinrumen muss. Es geht sogar soweit, dasseinige Richter sogar nach alten Gesetzestextenhandeln, weil sie einfach keine aktuelle Versionder Vorschriften besitzen.

    GI: Weshalb kommen Flchtlinge in Haft?

    Zur Lage derAbschiebehftlinge

    F. G.: Der meistgenannte Haftgrund, den ich ge-lesen habe, fhrt aus, dass der begrndete Ver-dacht besteht, dass sich der Betroffene der Haftentziehen will. Ein Gummiparagraph, der schnellzu Missbrauch fhrt. Natrlich will erst einmalniemand in den Sudan, nach Afghanistan oderIrak abgeschoben werden. uert er dieses, be-steht aber nach Meinung vieler Gerichte schonder Verdacht des Untertauchens. Man stelle sichmal vor, dass eine Discounterkette Menschen

    in Haft nehmen lassen kann, weil der Verdachtbesteht, dass diese irgendwann mal in dem Su-permarkt klauen werdenIn der Praxis ist eine noch grere Willkr gege-ben. Da die Richter, wie oben schon beschrie-ben, oft keine Ahnung haben, glauben sie ein-fach dem Vortrag der Auslnderbehrden, ohneNachprfungen anzustellen. So werden z.B.Begrndungen der Auslnderbehrden aus demBriefpapier ausgeschnitten und in die Haftbe-schlsse eingeklebt, ohne dass diese gelesenwerden.Noch erwhnenswert ist, dass Abschiebehaftaufgrund eines europischen Abkommens im-mer mehr zum Verschiebebahnhof innerhalb

    der EU verkommt. Flchtlinge mssen in sichwhrend des Asylverfahrens und nach einerAblehnung desselbigen in dem Land aufhalten,dass sie als erstes betreten haben. Wollen sienun Familienangehrige, Freunde, religise Ver-anstaltungen besuchen oder mssen aus son-stigen Grnden reisen, kann dieses nur illegalerfolgen. Werden sie erwischt, kommen sie berMonate in Abschiebehaft um dann innerhalb derEU verschoben zu werden.

    GI: Wie ist die Lage der Jugendlichen?

    F. G.: Jugendliche knnen ab 16 Jahren in Ab-schiebehaft genommen werden. Viele von ihnen

    gehen daran zu Grunde. Zwar haben sie z.B.in NRW das Recht auf einen jugendgerechtenHaftplatz, in der Praxis besteht aber nur der Un-terschied darin, dass sie in einer Abteilung mitAufschluss und nicht auf einer Abteilung mit Um-schluss kommen. Um auch dieses zu vermei-den und um auch noch jngere Kinder in Haftnehmen zu knnen, hat das Innenministerium inNRW die Mglichkeit eingerumt, dass die Aus-lnderbehrden das Alter der Kinder schtzendrfen. Eine besondere Qualikation fr dieseTtigkeit muss nicht vorhanden sein. Und ohWunder, seit dem diese Regel existiert, werdenalle Jugendlichen, die behaupten, sie seien un-ter 18 Jahre auf genau 18 Jahre geschtzt.

    GI: Wieviele Menschen sind zu Tode gekommen

    in Abschiebehaft?

    F. G.: Leider lsst sich diese Frage nicht soleicht beantworten. Die Antirassistische InitiativeBerlin ermittelte in der Zeit von 1993 bis 200959 Todesflle. Allein in diesem Jahr starben 3Menschen in Abschiebehaft. Ich glaube aber,dass die Dunkelziffer hher liegt. Bei immermehr Abschiebegefngnissen gibt es keine un-abhngigen Gruppen mehr, die entsprechendeBeobachtungen machen und nicht jeder Innen-minister ist bereit, die Zahlen zu verffentlichen.

    Fr Kontaktaufnahme:Frank GockelHilfe fr Menschen in Abschiebehaft Bren e.V.e-Mail: [email protected]: www.gegenAbschiebehaft.de

    Ein Interview mit Frank Gockel, von Hilfefr Menschen in Abschiebehaft Bren e.V.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #356

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    In Europa nimmt das Baskenland innerhalb derpolitischen Repression gegen linke Organisati-

    onen, deren Mitglieder oder das Untersttzerum-feld eine besondere Rolle ein. ber 700 politischeGefangene sitzen in Gefngnissen, insbesonderein Spanien und Frankreich, aber auch in andereneuropischen Lndern wie Grobritannien sowie inAmerika. Im Baskenland wohnen gerade mal rund2,7 Mio. Menschen, was erahnen lsst, welchesAusma die politische Verfolgung gegen jede Artder Unabhngigkeitsbewegung angenommen hat.Eine dieser Gefangenen heit Marina. Sie sitzt imMakrogefngnis Fleury in der Nhe von Paris undwird unter anderem durch einen kleinen Solidari-ttskreis aus Deutschland untersttzt. Wir kennenMarina aus gemeinsamen Kmpfen der auto-nomen Szene und Hausbesetzer-Bewegung von

    Barcelona. Marina besuchte uns auch in Deutsch-land und war unter anderem sehr beeindruckt vonder Antifa-Bewegung, uerte eine Sprecherindes Solidarittskreises gegenber dem Gefange-nen Info. Marina war viele Jahre in der autonomenund anarchistischen Szene sowie in der Hausbe-setzer-Bewegung der Stadt aktiv. Sie wohnte zeit-weise in dem bekannten besetzten Zentrum Kasade la muntanya.

    Fnf Jahre im Untergrund

    In den Jahren 2000/2001 nahm die spanische Po-lizei in zwei Wellen mehrere Mnner und Frauenaus Barcelona und Umgebung wegen Unterstt-zung der baskischen UntergrundorganisationETA fest. Im Groraum Barcelona hatten ETA-Mitglieder mehrere teils tdliche Anschlge aufPolizeikrfte und spanische Politiker durchgefhrt.Insgesamt wurden etwa ein Dutzend Personenfestgenommen einige wenige konnten sich derFestnahme zunchst entziehen, darunter auch

    Marina. In Folge der Repressionverurteilte die spanische Justiz

    zwei Mnner und eine Frau zuHaftstrafen zwischen neun undzehn Jahren wegen Unterstt-zung eines ETA-Kommandos. ImJanuar 2010 wurden Diego undZigor nach neun Jahren Haft wie-der freigelassen. Die zehnjhrigeGefngnisstrafe von Laura endetim Herbst diesen Jahres.

    Haftstrafe in Frankreich danach weiterer Prozess inSpanien?

    Marina konnte sich damals absetzen und wurde

    erst fnf Jahre spter festgenommen. In einer ge-meinsamen Operation der spanischen und franz-sischen Polizei gegen die ETA wurde sie im Herbst2006 in Frankreich festgenommen. Wie fr ETA-Mitglieder blich, bekannte sie sich zu ihrer Organi-sation und stand zwei Jahre spter gemeinsam mitmehreren Aktivisten in Paris vor Gericht. Es war einSammelprozess mit ganz unterschiedlichen Ankla-gepunkten gegen die ETA-Aktiven. Whrend desProzesses bernahm sie die Aufgabe verschie-dene gemeinsam formulierte Erklrungen der An-geklagten vorzutragen.Marina wurde zu insgesamt neun Jahren Haftwegen Vergehen in Frankreich verurteilt, unteranderem wegen ETA-Mitgliedschaft, Besitz vonfalschen Ausweispapieren und Waffenbesitz. Sie

    verbt ihre Haftstrafe im Frauentrakt des Gro-knastes Fleury-Mrogis nahe Paris. Sie geht da-von aus denn dafr spricht die gngige Auslie-ferungspraxis zwischen Frankreich und Spanien, dass sie anschlieend an die spanische Justizberstellt wird. Ihr droht dort ein weiterer Prozess

    Solidarittskampagne fr dieGefangene MarinaAktivistin aus Barcelona schloss sich der baskischen ETA an und verbtHaftstrafe in Paris. Solidarittskreis untersttzt Marina aus Deutschland.

    wegen Delikten in Spanien. Nach dem Grundsatz,dass jede Person nur einmal fr die gleiche Straf-tat verurteilt werden darf, fllt voraussichtlich nurdie ETA-Mitgliedschaft weg. Die ihr vorgeworfeneUntersttzung des ETA-Kommandos in Barcelonawar nicht Bestandteil ihres Prozesses in Frank-reich.Fleury-Mrogis ist der grte Knast in Europa.Mnner-, Frauen- und Jugendknast haben ins-

    gesamt rund 3.800 Haftpltze, das sind etwa soviel wie in allen Berliner Haftanstalten zusammen:JVA-Moabit, Tegel, Pltzensee, Charlottenburgsowie der Frauenknast. Insgesamt sitzen dort 43ETA-Mitglieder 29 Mnner und 14 Frauen inHaft, sowie einige Gefangene der Action Directe.Die Haftsituation ist kompliziert, weil zum Beispiel jeglicher postalischer Kontakt ber eine Spezial-abteilung der spanischen Justiz geregelt wird. Dasfhrt unter anderem zu Zeitverzgerungen und ad-ministrativen Streitigkeiten ber die Zustndigkeit.Marina uerte in mehreren Briefen, dass vorallem die spanischen Behrden massiv gegen diebaskischen Gefangenen vorgehen. So ndertensie krzlich eine Verordnung, die es den Gefange-nen unmglich macht, an einer spanischen Univer-sitt per Fernstudium zu studieren. Marina erhieltdiese Nachricht, als sie sich gerade auf die Prfungfr die Zulassung fr ein Fernstudium vorbereite-te. Jetzt wird sie voraussichtlich an einer franz-sischen Universitt ein Studium beginnen.Der Solidarittskreis fr Marina plant zur Zeit einedritte Auage von Postkarten fr Marina. Damit solldie Mglichkeit geschaffen werden, dass mglichstviele Menschen praktische Solidaritt mit den Ge-fangenen ben knnen.[Dieser Beitrag wurde uns von UntersttzerInnen

    von Marina zugesandt. (red.)]

    Auszug aus einem Brief von Marina

    Liebe Genossen,ich mchte allen Danken, die mir schreiben! DieUntersttzung und Solidaritt ist sehr wichtig frmich. Die Mauern knnen uns nicht stoppen! Hier im Knast fhren wir verschiedene Kmpfe,wie zum Beispiel Hungerstreik und Propagandaak-tionen. Zeitweise verschlossen wir uns in unserenZellen und klebten Zettel mit Forderungen an dieTren. Ich sende Euch revolutionre Gre! See you onthe barricades! Marina

    Kontakt zur Soligruppe ber:www.marina.blogsport.deWeitere Informationen:

    www.info-baskenland.dewww.rescat.wordpress.com

    Schreibt Marina in Englisch oder SpanischMarina Bernard i Bonada, MAF (femmes)F-91700 Fleury-Mrogis / Paris, Frankreich

    Der Knast Fleury-Mrogis

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    juli 2010 gefangenen info 11

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Mexiko: Strafen der letzten12 Gefangenen von Atencowurden annulliert. 2006 kames in Atenco zu blutigenAuseinandersetzungen vonDemonstrantInnen und dermexikanischen Armee. In

    deren Folge kam es zu zweiToten, dreiig verletztenFrauen und mehr als 200 Gefangenen. Dermexikanische Gerichtshof hat Anfang Julinun die letzten 12 Gefangenen der Ausei-nandersetzungen amnestiert. Die Strafen derGefangenen beliefen sich zwischen 31 und112 Jahren. Der Gerichtshof beurteilte dieBeweise, die damals zur Verurteilung fhrten,als illegal und als gestellt. (red.)

    Panama: Mehrere Tagestreikten ArbeiterInnen ei-ner Bananenplantage frhhere Lhne und gegen

    eine Gesetzesreform, dieArbeitsrechte und den Um-weltschutz aufweicht. DieStreiks wurden von Sicher-heitskrften angegriffen und

    ber die Provinz Bocos del Toro eine Aus-gangssperre verhngt. Bisher sind bei denZusammensten nach Angaben des Bnd-nisses FRENADESO bereits sechs Men-schen ums Leben gekommen und hundertemussten medizinisch versorgt werden. Wei-tere Hunderte AktivistInnen wurden in denvergangenen Tagen von der Polizei. (red.)

    Chile: Seit dem 12. Juli be-

    nden sich die politischenMapuche Gefangenen inConcepcion im Hunger-streik, den sie bis zur letztenKonsequenz durchhaltenwollen. Sie greifen wegender ungerechten Schaupro-zesse zu dieser Manahme.

    Sie fordern: 1. Keine Anwendung des nochaus der Diktatur stammenden Anti-Terror-Gesetzes; 2. Mapuche sollen nicht mehr vorMilitrgerichte gestellt werden; 3. Freiheitfr alle politischen Mapuche Gefangenen;4. Faire Prozesse und keine Schauprozessemehr; 5. Demilitarisierung der Mapuchesied-lungen. (red.)

    Kanada: Mehr als 900 Per-sonen wurden im Rahmender Proteste gegen den G8und den G20 Gipfel in To-ronto festgenommen, ein-gesperrt und innerhalb von48 Stunden einem Richtervorgefhrt. Die Demons-tranten wurden teilweise mit

    Handschellen und Fufesseln in Kge ge-sperrt und mehr als 36 Stunden festgesetzt.Das Ganze wurde umgesetzt von mehr als

    20.000 bis an die Zhne bewaffneten Poli-zistInnen, denen es per Gesetz erlaubt warjeden festzunehmen, der es ablehnte sich zuidentizieren oder sich nher als fnf Meterzum Absperrzaun befand. Der Einsatz koste-te knapp eine Milliarde Dollar. (red.)

    Kurzmeldungen international

    Informationen ber das, was sich im Innereneines Gefngnisses abspielt, durchlaufen nor-malerweise erst den Filter der politisch undmedial Mchtigen, bevor sie die Gesellschafterreichen.Wir haben daher nicht viele Mglichkeiten, auserster Hand zu berichten, was sich wirklich hin-ter den Gefngnismauern abspielt.Mittels dieser Zeilen berbringen wir Euch aufdirektem Wege Informationen ber Repres-salien, die - obwohl sie auf unseren Straenmassiv angegriffen werden - weiterhin Instru-mente der Erpressung und des Drucks gegendie baskische Unabhngigkeitsbewegung dar-stellen.Es sind sechs Monate vergangen, seitdemdas baskische Gefangenenkollektiv eine neuePhase des Kampfes eingelutet hat. Eine neueDynamik mit konkreten Zielen: Das Ende derZerstreuungspolitik. Die Einstellung der ernied-

    Durch die GefngnismauernErklrung der baskischen politischen Ge-fangenen aus dem Knast Ocaa I (Toledo)

    rigenden Durchsuchungen der Angehrigenwhrend der Besuche. Die Freilassung derschwerkranken Gefangenen sowie derjenigen,die Dreiviertel ihrer Strafe abgesessen haben.Schlielich und endlich die Beendigung derAngriffspolitik gegen das baskische Gefange-nenkollektiv. Diese Politik wurde in den letztenMonaten durch neue Manahmen verschrft,nmlich der Isolierung innerhalb des Gefng-nisses mit einer Hchstanzahl von zwei bas-

    kischen Gefangenen pro Trakt und dem Verbotverschiedener Knastaktivitten (Sport, Werk-statt). Seit Jahrzehnten knnen all diese An-griffe, trotz der durch sie verursachten Leiden,das Offensichtliche nicht unsichtbar machen:Die Existenz von fast 800 baskischen Gefan-genen auf spanischem und franzsischem Bo-den. Konsequenz eines politischen Konikts,fr den die Lsung nur ein demokratischerRahmen sein kann, innerhalb dessen alle po-litischen Projekte realisierbar sind. Zu diesengehrt unter anderem die Unabhngigkeitdes Baskenlands, wenn die Mehrheit der bas-kischen Bevlkerung sich dafr entscheidet.In diesem Zusammenhang werden wir, diezehn baskischen Gefangenen aus dem KnastOcaa I (Toledo), im Laufe des Monats Junieine Reihe von Protestaktionen, wie z.B. einenzweiwchigen Selbsteinschluss und Hunger-streiks, durchfhren.Wir rufen Euch auf, diese Dynamik auf dieStraen zu tragen, und zwar so, wie es bishergemacht worden ist: beharrlich und bestndig.

    06.06.2010, Ocaa I (Toledo)

    Wir nehmen dieses Datum (19. Juni; red. Anm.)zum Anlass, um eine langfristige Kampagne frdie Freilassung all jener politischen Gefangenenanzuknden, die zum Teil Jahrzehnte von Knast-

    jahren auf dem Buckel haben. Sie kommen nurdeshalb nicht raus, weil sie in ihren revolutionrenIdentitten ungebrochen sind und sich weiterhinals Revolutionre verhalten.Umso mehr sich die Spirale der kapitalistischenKrise nach unten dreht, umso schrfer reagiert derStaat mit seinen Repressionsorganen auf alles,was sich regt, Widerstand leistet und sich organi-siert. Sei dies gegen die Mobilisierungen auf derStrasse, die der Arbeitskmpfe, die an den Univer-sitten oder die der SansPapiers.Die staatliche Verbissenheit selbst fr jene, dieihre Jahre im Knast abgesessen haben, die Knast-tore nicht zu ffnen, lsst sich nur durch die sichzuspitzende Situation erklren. Die Ungebrochen-heit dieser politischen Gefangenen und das, wassie damit ausdrcken dass Widerstand nicht nurnotwendig, sondern auch machbar ist darf nichtaus den Knsten entlassen werden, wo sie wiederTeil der Bewegung werden knnten.Weltweit ist diese Tendenz sichtbar. In Europa

    steht wohl der spanische Staat an der Spitze. Dawerden schwerkranke Langzeitgefangene nichtrausgelassen und mittels neuem Gesetz sogar be-

    reits entlassene Gefangene wieder eingeknastet:Die Hchststrafe wird mittels Gesetz heraufgesetztund die Gefangenen werden rckwirkend wiedereingeknastet! Und auch in anderen Lndern Eu-ropas wie Frankreich mit den GenossInnen derAction Directe oder Italien mit den GenossInnender Brigate Rosse werden die Knasttore fr die re-volutionren Gefangenen auch nach Jahren nichtkampos geffnet.In der Schweiz betrifft diese Situation Marco Ca-menisch. Seine Knastzeit neigt sich dem Ende zu,doch die Schweizer Justiz begrndet ihre Weige-rung darauf einzugehen und ihn rauszulassen un-ter anderem mit der Erklrung, dass Herr Came-nisch sich nach wie vor als Anarchist bezeichnet...und ...er glaubt, die Gesellschaft befnde sich imKriege!Anarchist sein, ein Grund zur Kriminalisierung?Und betreffend der Gesellschaft im Krieg: Ein Blickauf die Weltkarte zeigt, dass es wohl kaum je einehistorische Phase gab, in der es so viele Kriegs-,Spannungs- und Umweltkatastrophenschaupltzegab wie die aktuelle!

    Solidarisieren wir uns mit den ungebrochenen, re-volutionren Langzeitgefangenen und erkmpfenwir gemeinsam mit ihnen ihre Freiheit!Wir sind nicht alle - es fehlen die Gefangenen!Freiheit fr alle politischen Gefangenen!Internationaler Aktionstag 19. September 2010Unterzeichnet den Aufruf!

    Setzt ihn auf die Websites, leitet ihn weiter!Schliesst Euch der langfristigen Kampagne miteigenen Inhalten und betroffenen Gefangenen an!

    Rote Hilfe International

    www.rhi-sri.org | [email protected]

    Aufruf fr eineFreilassungskampagne

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    12 gefangenen info juli 2010

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    Die republikanischen Gefangenen im KnastMaghaberry (bei Lisburn im County Antrim,Nordirland) sind harten Haftbedingungen un-terworfen. Sie kmpfen fr ihreAnerkennung als politische Ge-fangene/ Kriegsgefangene, dieihnen vom britischen Staat ver-weigert wird.Seit diesem Jahr verschrfensich die Bedingungen in Mag-haberry unaufhrlich. KeinZugang zu frischen Wasser,Elektrizitt oder Warmwasser,schlechte Lftung und miesesEssen. Einige Gefangene sindaus diesen Grnden erkrankt.Die wenigen Habseligkeiten inden Zellen wurden wiederholtvon den in der loyalistschen Pri-son Ofcers Association orga-nisierten Wrtern zerstrt odergeklaut, Besuche oder Telefonate mit der Fa-milie verweigert. Und wenn ein Besuch zuge-

    lassen wird, muss mensch sich einer Vollkr-perdurchsuchung unterziehen.Diesen Ostersonntag protestierten die Gefan-

    genen gegen die Haftbedin-gungen. Sie forderten u.a. dieMglichkeit, andere Gefan-gene ohne Beschrnkungenbesuchen zu knnen und einEnde der erniedrigenden Voll-krperdurchsuchungen.Darauf reagierte die Knastlei-tung mit Einschrnkung desHofgangs, von Telefonatenund Waschmglichkeiten.Smtliche Habseligkeiten wur-den aus den Zellen entfernt,Besuche von AnwltInnenund Familien systematischverhindert. Einige Gefange-ne berichten, sie litten unterSchlafmangel, weil sie perma-

    nent in der Nacht geweckt wrden; es kamwiederholt zu physischen Angriffen und To-

    desdrohungen durch Wrter. Mindestens einGefangener wurde unter Schlgen und Trittenaus dem Trakt in eine spezielle Isolations-zelle verschleppt und mit Handschellen ansBett gefesselt, seine Kleidung mit Messernzerschnitten, weil er sich nicht nackt durchsu-chen lassen wollte.Seit Mitte Juni benden sich mehrere Ge-fangene im Dreckstreik, um den Protestauszuweiten. Eine wachsende Solidaritts-bewegung von Angehrigen, ehemaligenGefangenen und republikanischen Gruppenversucht mit Veranstaltungen, Picket Linesund Demonstrationen auf das Schicksal derWeggesperrten hinzuweisen.Die fortgesetzten Angriffe auf die politischenGefangenen sind Teil einer umfassendenOperation der britischen Sicherheitskrftegegen jene Teile des republikanischen Wider-stands, die sich nicht den Bedingungen desumstrittenene Karfreitagsabkommens von1998 unterwerfen wollten.

    AG Victory to the prisoners, Juni 2010

    Fr weitere Informationen:

    Kampagnenseiten zu Maghaberry:www.friendsofcolinduffy.comwww.familiesfriendsandexpows.webs.comPolitische Gruppen und Parteien:Republican Socialist News, IRSPwww.irsm.org/news32 County Sovereignty Movementwww.32csm.info(Irish Republican Prisoners Welfare Associa-tion, 32CSMwww.irpwa.blogspot.comRepublican Network for Unitywww.republicannetwork.ieEirigiwww.eirigi.org

    Knastkmpfe in Nordirland

    In den Morgenstunden des 15. Juni 2010strmten maskierte Polizeieinheiten verschie-dene demokratische Einrichtungen in Ankara,Izmir und Istanbul. Bei den Razzien wurden 29Personen festgenommen. Die anschlieendeHaftprfung, die bis zum 19. Juni dauerte,endete mit der Verhaftung von 17 TAYAD-Mitglieder. Acht von ihnen wurden am 21. Julifreigelassen. In Haft benden sich noch Ah-met Kulaksz, Bayram ahin, Zeynep Yayla,

    Mehmet Ylmaz, Hakan Ylmaz, Umut ener,Sekin Taygun Aydoan, zcan Saknc undDursun Gkta.Was den trkischen, brgerlichen Medienals Operation gegen die DHKP-C diktiertworden war, richtete sich im konkreten aus-schlielich gegen ber 50, 60 jhrige Gefan-

    genenangehrige der Angehrigenorganisati-on TAYAD.Die Vorwnde fr die Verhaftungen seien dieBeteiligung an Aktionen fr die kranken Ge-fangenen, die Beteiligung an der Beerdigungvon Gler Zere, der Grabbesuch des Revo-lutionrs Mahir ayan und die Beteiligung anden Newroz-Feierlichkeiten.In der Trkei wurde aufgrund der Kriminali-sierung der Angehrigen der revolutionren

    Gefangenen eine Kampagne ins Leben ge-rufen, um die Verhafteten freizukmpfen. Indiesem Kontext nden landesweit Protestak-tivivtten wie Sitzstreiks, Kundgebungen undUnterschriftenaktionen statt. TAYAD erklrteselber in einer aktuellen Verffentlichung:Es sollte sich niemand wundern, wenn es

    morgen pltzlichein Verbrechendarstellen sollte,einen Gefangenenals Angehrigenzu haben. (...) DerFaschismus derAKP (Regierungs-partei, Partei frGerechtigkeit undAufschwung) setztsich fort. Sehen wiruns die Begrn-

    dungen fr die Ver-haftungen an, soerkennen wir, dass es in diesem Land keineDemokratie gibt. Es herrscht Unrecht. Wirmssen uns gegen diese undemokratischenPraktiken gegen die TAYAD gestellt werden.Rechte und Freiheiten werden unbrauchbargemacht. Die Ungerechtigkeit schpft ihreKraft daraus, dass sich die Massen und diedemokratischen Krfte nicht vereinen kn-nen.Die Angehrigenorganisation TAYAD, die inden Jahren nach dem Militrputsch 1980 am3. September 1986 gegrndet worden war,stellte sich konsequent hinter die politischenGefangenen, untersttzte Hungerstreiks und

    nahm selbst an ihnen teil. Dabei verlorenmindestens 10 TAYAD-Angehrige ihr Le-ben. Aktuell wirkt sie als treibende Kraft in derKampagne fr die Freilassung der krankenGefangenen mit. (red.)

    Trkei: Verhaftung von TAYAD-Angehrigen

    Foto von Aktionen vor dem Maghaberry Knast

    TAYAD-Proteste in Ankara

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    juli 2010 gefangenen info 13

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    Wir verffentlichen an dieser Stelle einen ak-tuellen berblick gegen die in sterreich kri-

    minalisierten TierrechtlerInnen. Wir bedankenuns bei den sterreichischen GenossInnenfr die Zusendung dieses Artikels. Zur Infor-mation: Die im Artikel erwhnte Anklage nach278a gleicht fr BRD-Verhltnisse einer An-klage nach dem 129a. (red.)

    Seit dem 2. Mrz 2010 luft der 278a-Prozessgegen 13 AktivistInnen der sterreichischenTierrechts- und -schutzszene am Landesge-richt in Wiener Neustadt in Niedersterreich,eine halbe Stunde von Wien entfernt. DreiTage pro Woche mssen sich die Beschuldig-ten ganztgig im Gerichtssaal einnden. DreiTage pro Woche, an denen die um Autoritt be-mhte und offensichtlich berforderte Richterin

    Sonja Arleth nicht einmal probiert, den Scheineines objektiven Gerichtverfahrens zu wahren,indem sie be- oder entlastendes Beweismateri-al gleichermaen wrdigt oder einer logischenProzessfhrung folgt. Drei Tage pro Woche,an denen Mailinglisten, Verschlsselungspro-gramme, Kampagnenttigkeiten und politischeIdeologien errtert, diskutiert und zerredetwerden. Drei Tage pro Woche, die meistensfr die Betroffenen bedeuten, still zu sitzen,still zu sein und ihr Vertrauen gnzlich in dieHnde von AnwltInnen legen zu mssen, diezwar bemht, doch oft nicht allzu tatkrftig dercholerischen Richterin Paroli bieten. Angeklagtsind in Wiener Neustadt 13 ganz unterschied-liche, aber vor allem langjhrige, erfahrene

    AktivistInnen, die nun beispielsweise fr zumTeil zehn Jahre alte Witzchen auf Emaillisten,ideologische Positionen oder Bekanntschafts-verhltnisse untereinander Rede und Antwortstehen mssen - oder - je nach Standpunkt -wollen.

    Aussage verweigern?!

    Strategisch unterscheidet sich das Verhaltenvor Gericht von fnf Angeklagten, die der Ba-sisgruppe Tierrechte (BAT - www.basisgruppe-tierrechte.org) zuzurechnen sind, massiv vondem der restlichen Betroffenen. Bei der am Be-ginn des Prozesses erfolgten Beschuldigten-vernehmung verweigerten die fnf BAT-Aktivi-

    stInnen ihre Aussage und trugen stattdesseneine Prozesserklrung vor (alle fnf Prozes-serklrungen sind nachzulesen unter www.antirep2008.org. Argumente fr die Sinnhaf-tigkeit der Aussageverweigerung gibt es viele:Gegenuerungen vonseiten der Beschuldig-ten wrden der Staatsanwaltschaft helfen, der

    Anklage Substanz zu verleihen, wo keine ist.Den Beschuldigten bliebe nur das Reagieren

    auf die ewig selben Fragen. Dauerndes Re-den ber das Hirngespinst der kriminellen Or-ganisation beispielsweise ermgliche es derStaatsanwaltschaft darauf hinzuarbeiten, dassetwas vom suggerierten negativen Eindruckzu den Beschuldigten hngen bleibe und insUrteil einiet. Aussageverweigerung stelltweiters die letzte Mglichkeit dar, die eigeneIntegritt zu wahren - die Betroffenen wurdenteilweise ber groe Zeitrume berwacht undihre Privatsphren wurden bis ins kleinste De-tail durchleuchtet. Wer ist da noch scharf aufweitere Entblungen durch Aussagen?!Sowohl das Vorgehen der Ermittlungsbehr-den, als auch jenes der Justizbehrden sindtendenzis. Entlastende Hinweise oder Indi-

    zien wurden ignoriert, andere zur Belastungder Beschuldigten verdreht oder bewusstfalsch verstanden. Zu vielen Vorwrfen kanngar nicht sinnvoll Stellung genommen werdenund die Zusammenarbeit mit den Repressions-behrden kann auf den Weg der Aussagever-weigerung zum Groteil vermieden werden.Die brigen Angeklagten wurden teilweise ta-gelang befragt und machten detaillierte Aus-sagen zu den gegen sie erhobenen Vorwrfenwie die Bildung einer kriminellen Organisation,Sachbeschdigung oder Ntigung. Die Ein-vernahmen der aussagebereiten Angeklag-ten waren gekennzeichnet durch permanenteUnterbrechungen durch die Richterin, unklareFragen, wirre Gedankenschlsse und ein ge-

    nerelles Unverstndnis der Richterin fr poli-tischen Aktivismus, Tierrechte, linke Lebensre-alitten oder generell Lebensrealitten abseitsder Norm bzw. ihrer Vorstellungskraft. Wasnicht weiter verwunderlich ist, wurde doch be-kannt, dass die Richterin beim Polizeisportver-ein gerne Schiebungen absolviert. Alle Be-schuldigten bekannten sich fr nicht schuldigund hoffen auf einen Freispruch.

    Part of the game?!

    Anfang April hat das Beweisverfahren mit derBefragung der ZeugInnen der Anklage begon-nen und inzwischen gibt es dabei eine Reihevon unvollstndigen Einvernahmen, da Arleths

    Terminplan fr die einzelnen Verhandlungs-tage viel zu knapp bemessen ist. Bei vielenZeugInnen wurde mit der Einvernahme zwarbegonnen, die Befragung jedoch aus Zeitgrn-den abgebrochen und auf unbestimmte Zeitvertagt, darunter auch die spannendsten Zeu-gInnen wie die BeamtInnen der extra gegrn-

    *Rechtsstaat hahaha!*www.antirep2008.org

    deten Sonderkommission Bekleidung.Diese schlecht organisierte Prozessfhrung hatvor allem massive Behinderungen der Verteidi-gung zur Folge: Die Prozessvorbereitung wirdpermanent ber den Haufen geworfen. Dergrte Nachteil des Durcheinanders ist - ne-ben der vermehrten Absprachemglichkeit derBelastungszeugInnen, dass AnwltInnen undBeschuldigte auf ZeugInnenaussagen nicht so-fort reagieren knnen. Da zuerst die Richterin

    Fragen stellt, ohne dass es die Mglichkeit zuEinsprchen oder Zwischenfragen fr die Ver-teidigerInnen gibt, bekommt die Verteidigungerst nach dem Staatsanwalt das Fragerecht -vorausgesetzt dafr ist noch Zeit, was oft nichtder Fall ist. Dieses Prozedere fhrt dazu, dasswhrend der Befragung durch die Richterin ge-ttigte Behauptungen im Raum stehen bleibenund erst Wochen spter widerlegt werden kn-nen.

    Fragend schreiten wir voran...

    Aufgrund der unterschiedlichen Zugnge derBetroffenen zu Aussageverweigerung, Infrage-stellung des Rechtsstaat oder linksradikale

    Praxen ist die Vorbereitung und Abwicklungdes Prozesses mhsam und lhmend. Nichtvorhandene Erfahrungswerte im Umgang mitderartigen Groprozessen gegen politischeAktivistInnen und das diffuse Feld des Organi-sationsparagraphen 278a runden das Bild dergelegentlichen berforderung und oft empfun-denen Hilosigkeit ab.Auch wenn Fehler passieren, Beschuldigte,UntersttzerInnen und FreundInnen groeFragezeichen fhlen, die Wut grer und derFrust sprbarer werden, so bleiben wir nichtmit leeren Hnden zurck. Alle Beteiligten ver-grern permanent ihr Wissen im Umgang mitRepression auf persnlicher, politischer und ju-ristischer Ebene.

    Die jngste Repressionswelle in Wien ge-gen AktivistInnen, denen vorgeworfen wird,im Eingangsbereich des ArbeitsmarktserviceMlltonnen angezndet zu haben und nachHausdurchsuchungen seit dem 8.7.2010 in Un-tersuchungshaft sitzen (siehe http://ausbruch.blogsport.de/ [Anm. d. Red.: siehe auch www.ghtrepression2010.tk]), zeigt wieder einmal,dass Repression alle treffen kann und die Aus-einandersetzung mit Repression zu jeder poli-tischen Praxis dazugehren muss.Vorhandenes Wissen, dessen Weitergabesowie solidarisches Handeln mssen dahergrundlegende Basis fr ein starkes Auftre-ten gegen Repression und ein gemeinsamesKmpfen fr eine bessere Welt sein. Ob die

    Einschtzung, dass die umfangreichen Er-mittlungen und Kriminalisierungen gegen dieTierrechts- und Tierschutzbewegung im Rah-men des aktuellen 278a-Verfahrens eine ArtTestballon waren, die einem hnlichen Vorge-hen gegen andere progressive Bewegungenvoraus ging, zutreffend ist, kann noch nichtgesagt werden. Sprbar ist allerdings, dass dieRepression gegen linke Demos und Aktivist_in-nen seit einiger Zeit deutlich gestiegen ist.

    Es gilt auf der Hut zu sein!Wir sind alle 278a!Freiheit fr alle Gefangenen!

    Repression hat ihren Preis:Kontonummer: 1910815837Bankleitzahl: 14 000Kontoinhaberin: Grnalternative Jugend WienZweck: Antirep 2008IBAN: AT451400001910815837BIC: BAWAATWW

    Ein Zwischenbericht zum aktuellen 278a-Prozess gegen 13 TierrechtsaktivistInnen inWiener Neustadt/sterreich

    Spenden

    Foto einer Solidarittsaktion in Istanbul

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    14 gefangenen info juli 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Wir erffnen mit dieser GI-Ausgabe die Text-serie Knast und Kapitalismus. Neben demfolgenden Ankndigungstext verffentlichenwir in der selben Rubrik dieser Ausgabe einenkurzen Erfahrungsbericht aus Mailand, wo Ge-nossInnen von der GI-Redaktion an Aktionen

    von Kollektiven der italienischen Anti-Knast-Bewegung teilgenommen und Gesprche ge-fhrt haben. Wir hoffen, dass wir mit diesenBeitrgen einen guten Einstieg in dieses dochsehr umfangreiche Thema schaffen. Wir hoffenauf eine rege Beteiligung, vor allem von EuchGefangenen. Schickt eure Gedanken an unse-re Postadresse (siehe Impressum). (red.)

    Knast - ein uerst protables Geschft

    Wir beginnen in dieser Ausgabe mit einer Text-serie, die sich mit der Rolle und Methodik vonKnsten im Kapitalismus auseinandersetzt.Bereits in vergangenen Ausgaben des Ge-

    fangenen Infos setzten wir uns mit dem The-menkomplex Knast und Kapitalismus vielfltigauseinander. Dabei stellten wir immer wiederfest, dass Gefngnisse der wohl ... strksteAusdruck des Klassenkampfs von oben sind(GI 347, Weshalb wir fr die Freiheit aller so-zialen und politischen Gefangenen kmpfen).Und das in jeglicher Hinsicht.Zum einen betrifft Knast nicht nur uns als or-ganisierte linksradikale Bewegung, die dieherrschenden Verhltnisse umkrempeln will,sondern unsere Klasse im Allgemeinen imalltglichen (ber-)Lebenskampf. ...Wo Straf-androhungen, Bugeldbescheide und sonstigeVollstreckungsmanahmen nichts bringen,

    dass heit wenn sie unsere Leute nicht zurUnterwerfung unter die Schutzgesetze des Ka-pitals zwingen und nicht in den kapitalistischenProduktionsprozess integrieren knnen, wirddas Problem von der Strae geschafft. (GI347, Weshalb wir fr die Freiheit aller sozialen

    und politischen Gefangenen kmpfen) Werdie vom System erzeugten Bedrfnisse auchbefriedigt, sich also nimmt, was seine Leben-sumstnde sonst nicht hergeben wrden, wirdzwangseingewiesen und unter absoluter Kon-trolle versucht, an die Spielregeln des kapitali-

    stischen Systems anzupassen.Zum anderen spiegelt sich in der Knastrea-litt selbst die verschrfte Form der Ausbeu-tungs- und Unterdrckungsverhltnisse kapita-listischer Normalitt wieder. D.h. nicht nur dieSanktion Knast also das Wegsperren ansich - ist als strkster Ausdruck des Klassen-kampf von oben zu betrachten, sondern auchdie Funktionsweise und Methodik innerhalb derGefngnisse selbst. Ob Privatisierung, Arbeits-zwang, absolute berwachung, kein Rechtauf gewerkschaftliche Organisierung oderIsolation, die Knastrealitt ist die verschrfteForm der bestehenden kapitalistischen Aus-beutungs- und Unterdrckungsverhltnisse,

    mit denen wir auch drauen konfrontiert sind.Werfen wir einen Blick auf die stetige Weiter-entwicklung des Gefngnissystems, knnenwir feststellen, dass der Knast auch als Ver-suchsfeld fr neue und ausgefeiltere Ausbeu-tungsmethoden bzw. sozial- und wirtschaftspo-litische Manahmen dient, die - wenn sie sichbewhrt haben - in die Gesellschaft drauentransformiert werden.Robin Root erklrte in seinem Diskussions-beitrag zu Die Institution Knast in Frage stel-len - GI 348 richtig, dass (...) die Erkenntnis,dass Gefngnisse, ihre Leitungsorgane unddie Schlieer sowie die Inhaftierten, und dassdie der Institution Knast inhrenten Repressi-

    onsgesetze und -mechanismen, die im Knastzugespitzt allerdings, genauso wie drauenzur Klawiatur kapitalistischer Herrschafts-sicherung dienen, lediglich Spiegelbild derDrauen-Gesellschaft sind, (...) nicht geradeumwerfend neu oder gar prickelnd. ist.

    Knast und Kapitalismus (1)Knast - ein uerst protables Geschft

    Ankndigung einer Textserie zum Thema Knast und Kapitalismus

    Dennoch halten wir es fr ntig diese These et-was genauer unter die Lupe zu nehmen und zukonkretisieren, denn es geht uns um eine tief-ergehende Auseinandersetzung um die Rolleder Gefngnisse im kapitalistischen Gesell-schaftssystem. Erst dann ist mensch auch inder Lage zu begreifen, dass Knste tatschlichein Instrument der Klassenunterdrckung sind.Dass diese Rolle oft verkannt oder nicht ge-samtgesellschaftlich begriffen wird, zeigt sichbeispielsweise in der Leugnung oder Relativie-rung der Existenz von Gefangenen, die ebenaufgrund ihrer Klassenlage drin sitzen undim Knast den kapitalist